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| Die gegen die vom Gemeinderat ausgesprochene ernstliche Mahnung gerichtete Klage des Klägers ist als kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit zulässig. In seiner Eigenschaft als Mitglied des beklagten Gemeinderats der Stadt H. besitzt der Kläger die Fähigkeit an einem kommunalverfassungsrechtlichen Organstreit beteiligt zu sein. Ein kommunalverfassungsrechtlicher Organstreit ist dadurch gekennzeichnet, dass Gemeindeorgane oder Organteile über Bestand und Reichweite zwischen - oder innerorganschaftlicher Rechte und Pflichten streiten (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.02.1990 - 1 S 588/89 - NVwZ - RR 1990, 369). |
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| Im Streit ist im vorliegenden Fall ein Verstoß des Klägers gegen die Verschwiegenheitspflicht, der den beklagten Gemeinderat zur Verhängung einer ernstlichen Mahnung veranlasst hat. Der Kläger hat sein Klagebegehren ausschließlich gegen den Beschluss des Gemeinderates vom 23.02.2006 gerichtet. Die Feststellung der Verletzung weiterer organschaftlicher Rechte durch den beklagten Gemeinderat hat er nicht beantragt. |
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| Für das Klagebegehren kommt zwar nicht, wie vom Kläger in der Klageschrift beantragt, als Klageart eine Anfechtungsklage in Betracht. Die Klage ist vielmehr als kommunalverfassungsrechtliche Feststellungsklage (gemäß § 43 VwGO) zulässig. Mit ihr wird die Feststellung der Rechtswidrigkeit der von dem beklagten Gemeinderat gegenüber dem Kläger ausgesprochenen ernstlichen Mahnung ermöglicht. Diese Maßnahme weist keine Verwaltungsaktqualität auf. Das Gericht sieht die Erteilung einer ernstlichen Mahnung rechtlich in § 17 Abs. 4 i. V. m. § 16 Abs. 3 GemO verankert. Nach diesen Regelungen hat der Gemeinderat die Möglichkeit, gegen einen Bürger, der ein Ehrenamt bekleidet und dieses nicht ausübt oder bestimmte Pflichten verletzt, ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,- EUR aufzuerlegen. Der Verhängung von Ordnungsgeld kommt Verwaltungsaktqualität zu (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 10.09.1987 - 1 S 1622/87 EKBW GemO § 17 E 8). Der beklagte Gemeinderat hat jedoch kein Ordnungsgeld verhängt, sondern es mit der im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehenen ernsthaften Mahnung bewenden lassen. Für Maßnahmen unterhalb des in § 16 Abs. 3 GemO genannten Ordnungsgeldes, die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zulässig sind, handelt es sich nicht um Verwaltungsakte (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.10.1995 - 1 S 1823/94 -, VBLBW 1996, 99; Urt. v. 11.10.2000 - 1 S 2624/99 - NVwZ - RR 2001, 262). Die ernsthafte Mahnung ist kein Verwaltungsakt, weil es gerade ihr Sinn ist, unterhalb der Eingriffsebene des Ordnungsgeldes zu bleiben und ein solches nur warnend in Erinnerung zu rufen, ohne ihr unmittelbare Rechtswirkung im Sinne des § 35 S. 1 LVwVfG zu verleihen (VG Stuttgart, Urt. vom 14.06.1999 - 9 K 1380/98 -). |
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| Zulässig im Rahmen einer Feststellungsklage ist nicht nur das Begehren, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses als Ganzes, sondern auch einzelner Rechte und Pflichten daraus feststellen zu lassen. Hierher gehört auch die vorliegende Streitigkeit, ob sich der Kläger einer Pflichtverletzung nach § 35 Abs. 2 GemO schuldig gemacht hat und die Reaktion des beklagten Gemeinderates zu Recht erfolgt ist. Das für die Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse des Klägers ergibt sich aus seinem Bedürfnis nach Rehabilitierung. |
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| Die danach zulässige Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Der in nichtöffentlicher Sitzung ergangene Beschluss des beklagten Gemeinderates vom 23.02.2006, gegen den Kläger wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht eine ernstliche Mahnung auszusprechen, ist formell- und materiellrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommen. Der der ernstlichen Mahnung zugrunde liegende Verstoß des Klägers gegen die Verschwiegenheitspflicht liegt vor. Nach § 35 Abs. 2 GemO sind Gemeinderäte zur Verschwiegenheit über alle in nichtöffentlicher Sitzung behandelten Angelegenheiten solange verpflichtet, bis sie der Bürgermeister von der Schweigepflicht entbindet. Die Regelung des § 35 Abs. 2 GemO über die Verschwiegenheitspflicht von Gemeinderäten über alle in nichtöffentlicher Sitzung behandelten Angelegenheiten beinhaltet eine Konkretisierung der für alle ehrenamtlich tätigen Bürger geltenden Verschwiegenheitspflicht des § 17 Abs. 2 GemO. Danach ist der ehrenamtlich tätige Bürger zur Verschwiegenheit verpflichtet über alle Angelegenheiten, deren Geheimhaltung gesetzlich vorgeschrieben, besonders angeordnet oder ihrer Natur nach erforderlich ist. Er darf die Kenntnis von geheim zu haltenden Angelegenheiten nicht unbefugt verwerten. Diese Verpflichtungen bestehen auch nach Beendigung der ehrenamtlichen Tätigkeit fort. |
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| Der Kläger ist presserechtlich verantwortlich für das Mitteilungsblatt der DKP H.. Der in der Ausgabe Nr. 10 vom Dezember 2005 erschienene Artikel „Gemeinderat missachtet eigene Geschäftsordnung“ beschäftigt sich mit einem in der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats vom 20.10.2005 behandelten Tagesordnungspunkt. In dem Bericht werden der Inhalt des Tagesordnungspunktes sowie Einzelheiten aus dem Verlauf der nichtöffentlichen Sitzung wiedergegeben. Hinsichtlich dieser Angelegenheit ist der Kläger zuvor vom Oberbürgermeister nicht von der Schweigepflicht entbunden worden. Der Beschluss des Gemeinderats wurde im Übrigen vor Erscheinen des genannten Zeitungsberichts auch nicht öffentlich bekannt gemacht. Eine solche Bekanntmachung ist bis zum heutigen Tage nicht erfolgt. |
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| Für das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht über alle in nichtöffentlicher Sitzung behandelten Angelegenheiten ist es unerheblich, ob der Beschluss des Gemeinderates über die Richtlinien zur Förderung von Ordnungsmaßnahmen auf Grundstücken der Grundstücks- und Baugesellschaft H. AG im Sanierungsgebiet ...“ rechtmäßig zustande gekommen ist oder nicht. |
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| Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass der Gemeinderat wegen des Pflichtenverstoßes des Klägers nicht das im Gesetz ausdrücklich genannte Ordnungsgeld sondern mit der ernstlichen Mahnung ein milderes Ordnungsmittel angewandt hat. Der Gemeinderat hat damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen. Dies war im Falle des Klägers auch angezeigt, da er erstmals gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen hat. In dem Bericht nehmen im Übrigen Verfahrensfragen breiten Raum ein, Sachfragen treten dahinter zurück. |
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| Die ernstliche Mahnung verstößt nicht gegen die vom Kläger in Anspruch genommene Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) und auch nicht gegen die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG). Denn die grundrechtliche Gewährleistung der Pressefreiheit und der Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 GG ist nicht schrankenlos, sondern findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG gehören auch die kommunalrechtlichen Bestimmungen über die Verschwiegenheitspflicht ehrenamtlich tätiger Bürger (BVerwG, Beschl. vom12.06.1989 - 7 B 123/88 -, NVwZ 1989,975). |
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| Der Beschluss des Gemeinderats über die ausgesprochene ernstliche Mahnung ist auch formell rechtmäßig zustande gekommen. Der Kläger erhielt bereits mit Schreiben des Oberbürgermeisters vom 24.01.2006 Gelegenheit, sich zu dem ihm vorgeworfenen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht und den in Betracht kommenden Maßnahmen des Gemeinderats zu äußern. Da der Kläger entgegen seiner Ankündigung im Schreiben vom 06.02.2006 keine weitere Stellungnahme nachreichte, erhielt er Gelegenheit, sich gegenüber dem Gemeinderat in der Sitzung am 23.02.2006 mündlich zu äußern. |
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| Zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses führt auch nicht der Umstand, dass der Beschluss vom Gemeinderat am 23.02.2006 in nichtöffentlicher Sitzung gefasst wurde. Die Sitzungen des Gemeinderats sind zwar nach der Bestimmung des § 35 Abs. 1 S. 1 GemO öffentlich. Nichtöffentlich darf nach Satz 2 dieser Vorschrift nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interesse Einzelner erfordern; über Gegenstände, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen, muss nichtöffentlich verhandelt werden. Im vorliegenden Fall hat der Gemeinderat im Hinblick auf das Interesse des Klägers über dessen Pflichtverletzung und über die deshalb angezeigte Maßnahme in nichtöffentlicher Sitzung verhandelt. |
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| Der Kläger hat auch nicht auf die Nichtöffentlichkeit der Gemeinderatssitzung vor oder während der Verhandlung verzichtet (vgl. hierzu Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 8. Auflage 2001, RdNr. 257). Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 23.02.2006 hat der Kläger vor Eintritt des Gemeinderates in den Tagesordnungspunkt „Verstoß von Stadtrat ... gegen § 17 Abs. 2 GemO“ den Sitzungssaal als befangen verlassen. Der Oberbürgermeister hat danach darauf hingewiesen, dass auch die Beratung und Beschlussfassung über diesen Tagesordnungspunkt der Verschwiegenheit unterliege. Der Kläger hat bei seiner anschließenden mündlichen Stellungnahme gegenüber dem Gemeinderat nicht angeregt, über den ihm vorgehaltenen Verstoß in öffentlicher Sitzung zu verhandeln und zu entscheiden. Erst nach der Beschlussfassung hat der Kläger dem Oberbürgermeister mit Schreiben vom 12.03.2006 mitgeteilt, dass eine Maßregelung gegenüber seiner Person keine nichtöffentliche Beratung erfordere. |
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| Die Klage konnte somit keinen Erfolg haben. |
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