Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 21. Jan. 2005 - 4 K 58/05

bei uns veröffentlicht am21.01.2005

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

 
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart ist für die vom Regierungspräsidium Stuttgart beantragte Durchsuchungsanordnung zuständig (§ 6 Abs. 2 LVwVG).
Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 LVwVG kann der Vollstreckungsbeamte Wohnungen, Betriebsräume und sonstiges befriedetes Besitztum gegen den Willen des Pflichtigen nur auf Anordnung des Verwaltungsgerichts durchsuchen. Die auf Antrag der Vollstreckungsbehörde ergehende Durchsuchungsanordnung erfordert dabei neben den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (vgl. § 2 LVwVG), dass der Zweck der Vollstreckung nicht erreicht ist und sich auch gezeigt hat, dass er durch die Anwendung von Vollstreckungsmitteln nicht erreicht werden kann (vgl. § 11 LVwVG). Die Durchsuchungsanordnung muss weiter geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein (vgl. § 19 Abs. 2 und 3 LVwVG). Schließlich muss ein den Anforderungen des § 5 Satz 1 LVwVG entsprechender Vollstreckungsauftrag an den Vollstreckungsbeamten vorliegen.
Die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 16.11.2004, mit der dem Antragsgegner u.a. aufgegeben wurde, der Bezirksstelle für Asyl bis spätestens 10.12.2004 ein gültiges Reisedokument vorzulegen, bzw. falls der Antragsgegner hierüber nicht verfügt, bis 10.12.2004 alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die Rückschlüsse auf seine Identität und Nationalität zulassen, vorzulegen, ist seit dem 01.12.2004 bestandskräftig und damit vollstreckbar.
Da der Antragsgegner bis 10.12.2004 weder ein gültiges Rückreisedokument noch entsprechende Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität belegen, ist der Zweck der Vollstreckung bislang nicht erreicht worden. Gleichwohl hält die Kammer den Erlass einer Durchsuchungsanordnung zum jetzigen Zeitpunkt nicht für geboten, da nicht erkennbar ist, dass andere Vollstreckungsmaßnahmen nicht zur Aufklärung der Identität des Betroffenen führen werden.
Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Dem Einzelnen wird damit zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet, dieser hat in seinen Wohnräumen das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein, dem Gewicht des Eingriffs und seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Der Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz. Wird die Durchsuchung regelmäßig ohne vorherige Anhörung des Betroffenen angeordnet, soll die Einschaltung des Gerichts auch dafür sorgen, dass die Interessen des Betroffenen angemessen berücksichtigt werden, was eine eigenverantwortliche richterliche Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen verlangt. Die richterliche Durchsuchungsanordnung ist danach keine bloße Formsache (ständige Rechtsprechung des BVerfG, u.a. Beschl. v. 08.03.2004 - 2 BvR 27/04 -, NJW 2004, 1517 m. w. N).
Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, wenn die Behörde auf Grund ihrer Erfahrung davon ausgeht, dass es „wahrscheinlich“ sei, dass der abgelehnte Asylbewerber in seiner Wohnung über entsprechende Dokumente oder Identitätsnachweise verfüge, die seine Staatsangehörigkeit oder seine Identität belegen würden. Dann nämlich müsste in jedem Fall der Nichtbefolgung einer entsprechenden Verfügung zur Vorlage von Rückreisedokumenten bereits eine Durchsuchungsanordnung ergehen, was mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerade nicht zu vereinbaren wäre, da der Erlass der Durchsuchungsanordnung dann ein rein formaler Akt wäre. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall bereits nicht erkennbar ist, dass der Antragsgegner bislang über seine Identität bzw. über seine pakistanische Staatsangehörigkeit irgendwelche falschen Angaben gemacht hat. Im Übrigen wurde der Antragsgegner unter Ziffer 2 a.) der Passverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 16.11.2004 aufgefordert, nach fruchtlosem Ablauf der unter Ziffer 1.) gesetzten Frist, bei der Botschaft/Generalkonsulat von Pakistan persönlich vorzusprechen und ein Reisedokument zu beantragen. Dem Antragsgegner ist für diese persönliche Vorsprache keine Frist eingeräumt worden. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner gegenüber dem Regierungspräsidium Stuttgart vor der Beantragung der Durchsuchungsanordnung bekundet hat, dieser Aufforderung nicht nachzukommen, sind nicht erkennbar. Hat die Behörde jedoch einen Ausreisepflichtigen zur Beantragung von Rückreisedokumenten ohne Fristsetzung aufgefordert und damit zu erkennen gegeben, dass sie eine eigenverantwortliche Beschaffung von Rückreisedokumenten durch den Ausreisepflichtigen für möglich hält und damit auch einverstanden ist, kann die Behörde ohne Vorliegen neuer weiterer konkreter Verdachtsmomente nicht gleichzeitig beim Verwaltungsgericht eine Durchsuchungsanordnung beantragen, um Identitätsnachweise in seiner Wohnung aufzufinden. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller aufgrund bestimmter Umstände konkret nunmehr vermutet, dass sich der Antragsgegner in Besitz eines Passes oder sonstiger Identitätsnachweise befindet, so dass eine Vorsprache bei der Botschaft nicht abgewartet werden müsste, liegen nicht vor. Die Beantragung einer Durchsuchungsanordnung stellt sich danach im vorliegenden Fall als widersprüchlich und unverhältnismäßig dar. Der Antragsteller hat vielmehr evtl. zunächst die Verfügung unter Ziffer 2 a.) um eine Fristsetzung zu ergänzen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird weiter zu prüfen sein, ob zunächst die angedrohte Duldung der Vorführung bei der Botschaft als unmittelbare Zwangsmaßnahme zu erfolgen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 13


(1) Die Wohnung ist unverletzlich. (2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden. (3) Begrü

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Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe   1  Das Verwaltungsgericht ist für den Erlass der beantragten Durchsuchungsanordnung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 LVwVG zuständig

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Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe   1  I. Die Antragsgegnerin ist eine Asylbewerberin ungeklärter Identität und Staatsangehörigkeit. Zuletzt gab sie an, sie sei am 12.0

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(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.