Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 13. Apr. 2016 - 2 K 158/13

bei uns veröffentlicht am13.04.2016

Tenor

Ziffer 2 des Bescheides des Landratsamtes B. vom 11.06.2012 in seiner Fassung vom 02.08.2012 und der darauf bezogene Teil des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums X. vom 21.12.2012 werden aufgehoben.

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 93 %, der Beklagte 7%.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Kläger wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Rückbauverfügung.
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Flurstück-Nummer X in M., welches mit einem Wochenendhaus bebaut ist. An das Wochenendhaus sind weitere Räumlichkeiten angebaut. Im Südwesten des Grundstücks wurde eine Art Mauer als Einfriedung errichtet sowie eine Art Garage.
Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „R. - Wochenendhausgebiet“ vom 13.09.2005. Nach dessen Festsetzungen sind Wochenendhäuser als Einzelhäuser mit der Möglichkeit zur Übernachtung und Nutzung während des gesamten Wochenendes zulässig. Die ständige Benutzung zu Wohnzwecken ist jedoch unzulässig (Ziff. 1.1.1). Die zulässige Grundfläche der Wochenendhäuser ist auf maximal 35 m² begrenzt (Ziff. 1.2.1). Nebenanlagen sind als Geschirrhütten bis zu 15 m³ zulässig. Zulässig sind weiter eine Überdachung oder Pergola bis 12 m² Grundfläche in Verbindung mit einem Wochenendhaus sowie offene Stellplätze. Weitere Nebenanlagen sind nicht zulässig (Ziff. 1.1.2). Für jedes Wochenendhaus sind mindestens drei einheimische Obstbäume auf dem Baugrundstück zu pflanzen (Ziff. 1.6). In den Bebauungsplan aufgenommen wurden zudem örtliche Bauvorschriften. Hiernach darf die Firsthöhe der Gebäude, vom bergseitigen, natürlichen Gelände aus gemessen, 4,20 Meter und die Gebäudebreite 5 Meter nicht überschreiten (Ziff. 2.4). Die Außenwände der Gebäude und Nebenanlagen sind in unauffälligen Farbtönen zu halten (Ziff. 2.6). Einzäunungen sind mit einem bis zu 1,50 Meter hohem Maschendrahtzaun zulässig (Ziff. 2.8).
Vor Inkrafttreten des Bebauungsplans „R.“ lag das Grundstück im Geltungsbereich der „Ortsbausatzung für Wochenendhäuser“ vom 24.11.1958, an deren Wirksamkeit jedoch Zweifel bestehen. Auch diese Ortsbausatzung bestimmte, dass Wochenendhäuser nur bis zu einer Grundfläche von 35 m² zulässig sind. Die „verglichene“ Breite durfte 5 m und die Firsthöhe, vom natürlichen Gelände an gemessen, 4,20 m nicht überschreiten (§ 3 OBS). Garagen, überdachte Einstellplätze und sonstige Nebengebäude durften nicht errichtet werden (§ 7 OBS).
Vor In-Kraft-Treten der „Ortsbausatzung für Wochenendhäuser“ gab es für das Wochenendhausgebiet keinen Bebauungsplan. In dieser Zeit wurden zum Teil Genehmigungen für Wochenendhäuser mit Grundflächen über 35 m² erteilt.
Das Landratsamt B. führte am 13.07.2011 aufgrund eines Hinweises der Gemeinde M. auf dem Grundstück der Kläger eine Baukontrolle durch und kam dabei zu dem Ergebnis, dass auf dem Grundstück Verstöße gegen diverse Festsetzungen des Bebauungsplans und der dazugehörigen örtlichen Bauvorschriften vorlägen. Nach Anhörung der Kläger ordnete es mit Bescheid vom 11.06.2012 an, dass das bestehende Wochenendhaus soweit zu verkleinern beziehungsweise zurückzubauen sei, dass die nach dem Bebauungsplan zulässige Grundfläche von 35 m² nicht überschritten werde. Dabei dürfe die Gebäudebreite des Wochenendhauses an keiner Stelle 5 m, die Firsthöhe - vom bergseitigen, natürlichen Gelände aus gemessen - 4,20 m nicht überschreiten (Ziff. 1). Das verkleinerte Wochenendhaus sei zudem in einem unauffälligen Farbton neu zu streichen, welcher zuvor mit dem Landratsamt B. abzustimmen sei (Ziff. 2). Weiter sei die Nebenanlage „Geschirrhütte“ mit der zweiflügeligen Tür im südöstlichen Eingangsbereich des Grundstücks insoweit zurückzubauen, dass sie eine Kubatur von 15 m³ nicht überschreite (Ziff. 3). Außerdem sei die Mauer als Einfriedung im südwestlichen Grundstücksbereich zu beseitigen (Ziff. 4). Schließlich seien auf dem Grundstück mindestens drei einheimische Obstbäume zu pflanzen (Ziff. 5). Das Landratsamt räumte den Klägern für die Umsetzung der Anordnungen der Ziffern 1-5 eine Frist bis zum 31.08.2012 ein. Zur Begründung führte es aus, das Wochenendhaus habe eine Breite von 5,70 m bzw. 6,50 m und eine Länge von 10,10 m, mithin eine Grundfläche von über 55 m². Diese Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes sei derart gravierend und berühre die Grundzüge der Planung, dass die Erteilung einer Befreiung ausscheide. Die öffentlichen Belange würden durch die Massivität und Größe der baulichen Anlagen erheblich beeinträchtigt. Der Rückbau beziehungsweise die Verkleinerung sei zudem zur Vermeidung eines Präzedenzfalles erforderlich.
Die Kläger legten gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz vom 09.07.2012 Widerspruch ein. Es sei unverständlich, dass das Landratsamt sie nicht früher darauf hingewiesen habe, dass ihr Bauvorhaben gegen gesetzliche Vorschriften verstoße. Die baulichen Maßnahmen an dem Wochenendhaus seien im Herbst 2010 bis auf die Putzarbeiten und das Streichen abgeschlossen worden. Im Zeitraum April 2011 bis Herbst 2011 sei der beanstandete Anbau sowie die Garage/Geschirrhütte fertig gestellt worden. Den Klägern dränge sich der Eindruck auf, dass das Landratsamt allein gegen sie vorginge und ihnen einen Abriss auferlege. Die Bauvorschriften würden auf nahezu allen Grundstücken im Wochenendhausgebiet nicht eingehalten. Sie hätten sich beim Bau an den Nachbargrundstücken orientiert. Der in der Ziffer 1 des Bescheides vom 11.06.2012 angeordnete Rückbau sei im Übrigen aufgrund der bautechnischen Gegebenheiten kaum realisierbar. Im Falle des Rückbaus gebe es keine Toilettenanlage mehr. Auch sei die rechte Dachentwässerung des Wohnhauses an die Entwässerung des Anbaus angeschlossen. Diese führe 26 m weiter in eine 2.500 l-Zisterne. Um die Dachentwässerung erneut anzuschließen, müsse die Dachterrasse abgerissen und aufgebaggert werden. Ebenso müsse rund um das Gartenhaus alles aufgebaggert werden, um die Drainage neu zu verlegen. Insoweit das Landratsamt einen Abriss der beiden Nebenräume verlange, komme dies einem Totalabriss des gesamten Wochenendhauses gleich. Der in der Ziffer 2 beanstandete Farbton des Wochenendhauses sei nicht auffälliger als der Farbton an den direkten Nebenhäusern in rot, gelb oder auch weiß. Die Farbe sei zudem durch die Sonneneinstrahlung erheblich ausgeblichen und Ende letzten Jahres deutlich blasser nachgestrichen worden. Sie seien aber bereit, die beiden Sichtflächen Süd und West nachzustreichen. Zur Ziffer 3 führten die Kläger aus, dass der vorherige Geschirrhüttenbereich 12 m lang und ca. 2 m breit gewesen sei. Dies sei jahrzehntelang von niemandem beanstandet worden. Die jetzige Geschirrhütte sei erheblich kleiner. Die Mauer (Ziff. 4) sei nicht zu beseitigen, da für den Eindruck von Wuchtigkeit nicht die Art einer Einzäunung entscheidend sei, sondern die Höhe und Breite. Die Mauer sei durch die unterschiedlichen Höhen und Formen mehrfach unterbrochen und wirke nicht störend. Auch sei die geringe Länge der Mauer in Relation zu einer möglichen 200 m langen Umzäunung des Grundstücks zu beachten. Weiter bestehe, da die Mauer innerhalb ihres Grundstücks stehe, die Möglichkeit, wie mehrfach im Gebiet R. gesehen, einen Zaun mit einer Höhe von 1,50 m vor die Mauer zu bauen. Schon die vorherige Einzäunung, ein Bretterzaun mit einer Höhe von 2 m, habe nie irgendjemanden gestört. Die Ziffer 5 des Bescheides vom 11.06.2012 werde hingegen nicht angegriffen. Die Bäume würden entsprechend der richtigen Pflanzjahreszeit nachgepflanzt.
Das Landratsamt B. änderte daraufhin Ziffer 1 des Bescheides vom 11.06.2012 mit Bescheid vom 02.08.2012 dahingehend ab, dass die Gebäudebreite 5 m überschreiten dürfe, solange die Maximalgrundfläche von 35 m² eigehalten werde und legte den Widerspruch im Übrigen dem Regierungspräsidium Stuttgart zur Entscheidung vor.
Das Regierungspräsidium wies den Widerspruch der Kläger mit Bescheid vom 21.12.2012 zurück. Anstelle der vom Landratsamt gesetzten Frist trete jedoch eine Frist von drei Monaten nach Bestandskraft der Bescheide vom 11.06.2012 und 02.08.2012. Die Beseitigungsverfügung der Ziffer 1 sei in rechtmäßiger und ermessensfehlerfreier Weise ergangen. Die Baurechtsbehörde handele grundsätzlich rechtmäßig, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordne. Eine Abweichung vom Regelfall sei hier nicht geboten. Mit dem verlangten Rückbau sei das Ermessen zugunsten der Kläger ausgeübt worden, denn die weitergehende Forderung, das Gebäude vollständig und ersatzlos zu beseitigen, sei aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht erhoben worden. Zudem sei Rücksicht darauf genommen worden, dass die Verkleinerung der bestehenden Gebäudebreite auf 5 m, wie sie im Bebauungsplan vorgesehen sei, deutlich aufwändiger zu verwirklichen sei, da das Gebäude im vorderen, südlichen Bereich eine Breite von ca. 5,7 m aufweise. Das Orange (Ziff. 2), in dem das Wochenendhaus gestrichen sei, sei keine unauffällige Farbe. Das Landschaftsbild werde durch die grelle Farbe und die damit einhergehende Ausstrahlungswirkung beeinträchtigt. Die Nebenanlage Geschirrhütte (Ziff. 3) widerspreche hinsichtlich ihrer Kubatur - ebenso wie die vorherige Geschirrhütte - den Festsetzungen des Bebauungsplans. Ein möglicher Bestandsschutz der vorherigen Geschirrhütte sei durch die Beseitigung der baulichen Anlage entfallen. Die Mauer (Ziff. 4) stehe mit den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht in Einklang, da die Art der Einzäunung (Maschendraht) nicht eingehalten sei. Zudem überschreite die nicht einheitlich errichtete Mauer an manchen Stellen auch die nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zulässige Höhe. Der Gleichheitsgrundsatz sei nicht verletzt. Seit Inkrafttreten des Bebauungsplans „R.“ werde verstärkt auf die baulichen Tätigkeiten geachtet. Die Rückbauverfügungen seien weder willkürlich getroffen worden noch einseitig zu Lasten der Kläger erfolgt. Das Landratsamt habe im Gebiet „R.“ auch in anderen vergleichbaren Fällen entsprechende Anordnungen getroffen oder werde dies noch tun.
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Die Kläger haben daraufhin am 14.01.2013 Klagen erhoben. Die Grundfläche des Wochenendhauses (Ziff. 1) überschreite nicht die zulässigen 35 m². Das Wochenendhaus weise eine Länge von 6 m und einer Breite von 5,7 m auf. Die angebauten Räumlichkeiten seien nicht zur Grundfläche hinzuzurechnen, da sie vom Wochenendhaus aus nichts begehbar seien und jeweils nur durch eine Tür von der Rückseite des Wochenendhauses aus erreicht werden könnten. Sähe man diese Nebenräumlichkeiten als eine Art Geschirrhütten an, betrüge ihre Kubatur nur 20 m³, mithin wenig mehr als die im Bebauungsplan angegebene Kubatur für Geschirrhütten. Die weiteren Räumlichkeiten seien zudem nahezu vom gesamten Gelände aus nicht sichtbar, da sie in den Hang hinein gebaut wären. Ihnen sei insofern jedenfalls eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu erteilen. Der angeordnete Rückbau sei außerdem unverhältnismäßig, da er einem Abriss gleichkomme und 10.000 - 15.000 EUR koste. Dem stünden Baukosten von 30.000 EUR gegenüber. Ein Teilabriss sei aus den im Widerspruch genannten technischen Gründen nicht realisierbar. Hinzu komme, dass das Dachgerüst sowohl auf den Mauerteilen des Wochenendhauses und als auch auf denen der Nebenräumlichkeiten liege. Das Landratsamt verstoße weiterhin gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es sei seiner Aufsichtspflicht über Jahrzehnte nicht nachgekommen und gehe nunmehr ohne Einschreitenskonzept gegen sie vor. Dies sei unerklärlich, da sich bei einem einfachen Spaziergang zahlreiche Verstöße auf anderen Grundstücken feststellen ließen und der Beklagte im Gerichtsverfahren sechs oder sieben Mitarbeiter benannt habe, die für die Überwachung zuständig seien. Ein schriftliches Konzept sei erst durch die Aufforderung des Gerichts in Form der Anlage 1 ausgearbeitet worden. Auch insoweit sei das Landratsamt aber schlampig vorgegangen. Das schriftliche Konzept der Anlage 1 weise zahlreiche Fehler auf. Das Landratsamt habe offenbar gar nicht gemerkt, dass zahlreiche in dem Konzept als Eigentümer bezeichnete Personen ihre Grundstücke schon lange verkauft hätten. Die Angaben, wie mit Verstößen umgegangen werden solle, insbesondere in welchen Fällen Befreiungen erteilt werden könnten, seien überdies weder nachvollziehbar noch überprüfbar. Zur Ziffer 2 des Bescheides vom 11.06.2012 erklären die Kläger, die derzeitige Farbe passe sich im Herbst wunderbar in die Landschaft ein. Soweit in Ziffer 3 der Rückbau der Geschirrhütte im unteren Teil des Grundstücks angeordnet worden sei, sei einzuräumen, dass diese bereits eine Grundfläche von 18 m² habe und daher die nach dem Bebauungsplan zulässige Kubatur von 15 m³ überschreite. Sie seien beim Bau der Geschirrhütte aber in gutem Glauben gewesen, da beim Erwerb des Grundstücks an gleicher Stelle zuvor eine mindestens doppelt so große Geschirrhütte gestanden hätte und ihnen der entgegenstehende Bebauungsplan nicht bekannt gewesen sei. Die laut der Ziffer 4 des angegriffenen Bescheides zu beseitigende Mauer stehe ca. 60 cm innerhalb ihres Grundstücks.
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Die Kläger beantragen,
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den Bescheid des Landratsamtes B. vom 11.06.2012 in seiner Fassung vom 02.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 21.12.2012 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klagen abzuweisen.
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Er tritt dem Vorwurf, kein ausreichendes Konzept zu haben, entgegen. Bis 1997 seien regelmäßig nach der Fertigstellung der genehmigten Gebäude Abnahmen bzw. Kontrollen durchgeführt worden. Verstöße hätten so zeitnah erkannt und verfolgt werden können. Damals habe es beim Landratsamt noch einen Mitarbeiter gegeben, der als Außenbereichskontrolleur Wochenendhausgebiete regelmäßig überprüft habe. Mit dem Ausscheiden dieses Mitarbeiters sei die Stelle aber nicht wiederbesetzt worden. Seit 1997 sei die Überwachung überwiegend anlassbezogen erfolgt. Die Überwachungstätigkeit habe sich schwieriger gestaltet, nachdem die Errichtung von Wochenendhäusern durch den Gesetzgeber verfahrensfrei gestellt worden sei. Das Landratsamt habe oft keine Kenntnis darüber gehabt, wann, wo und in welcher Form gebaut worden sei. Die Kontrollen erfolgten nunmehr in der Regel aufgrund eines konkreten Hinweises. Den Hinweisen werde möglichst zeitnah und gründlich nachgegangen. Dabei werde stets auch die nähere Umgebung auf sichtbare Baurechtsverstöße untersucht. Insbesondere bei den ringsum mit hohen Hecken eingefriedeten Grundstücken könne es aber vorkommen, dass illegal vorgenommene Anbauten oder andere Baumaßnahmen nicht auffielen. Die Grundstücke zu betreten sei aufgrund der zahlreichen geschlossenen Einfriedungen in den allermeisten Fällen erst nach Feststellung der Eigentumsverhältnisse und Terminsvereinbarung möglich. Bei Wochenendhausgebieten seien die Nutzer aber eher am Wochenende anzutreffen, an Tagen also, an denen die Bediensteten nicht arbeiteten. Erst die in jüngster Zeit existierenden Luftbildaufnahmen ließen es zu, auch auf diesem Wege offensichtlich illegale bauliche Anlagen zu entdecken. Selbst auf diesen Luftbildern seien aber nicht alle baulichen Anlagen auf einen Blick erkennbar, etwa aufgrund hoher Bäume. In Zukunft sollten Schwarzbauten durch die Reduzierung der Heckenhöhe auf 1,50 m früher aufgedeckt werden können. Das Gebiet solle künftig systematisch Schritt für Schritt von Westen nach Osten kontrolliert werden. Schwere und bereits bekannte Verstöße würden präferiert und möglichst zeitnah aufgegriffen. Die weitere Abarbeitung und Aufdeckung werde einige Zeit in Anspruch nehmen und voraussichtlich bis 2017 erfolgen. Die laufenden Verfahren würden als Musterprozesse weitere Erkenntnisse hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Landratsamtes ergeben. Gegen bauliche Anlagen, die vor der Beschlussfassung des ersten Bebauungsplans errichtet worden seien, werde nicht mehr vorgegangen. Bei marginalen Abweichungen späterer Bauten sei im Einzelfall eine Befreiung vom Bebauungsplan erteilt worden, etwa bei einer Überschreitung der Grundfläche von maximal 1 - 1,46 m².
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Am 19.03.2015 ist im M. Mitteilungsblatt eine amtliche Bekanntmachung erschienen, in der das Landratsamt B. die Eigentümer von Grundstücken im Wochenendhausgebiet „R.“ darauf hinwies, dass die baurechtlichen Vorschriften, die durch die jeweiligen Bebauungspläne vorgegeben würden, zwingend einzuhalten seien. Das Landratsamt beabsichtige, in den nächsten Monaten die Kontrollen zu verstärken und auch kleinere Verstöße aufzugreifen. Am 26.05.2015 hat das Landratsamt B. an alle Grundstückseigentümer im Wochenendhausgebiet ein entsprechendes Rundschreiben verschickt. Im Mai 2015 hat der Gemeinderat M. einen Antrag des Wochenendhausvereins auf Änderung des Bebauungsplans mit dem Ziel, Wochenendhäuser mit größerer Grundfläche zuzulassen, abgelehnt.
17 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakten des Beklagten einschließlich der Bauakten zu den Flurstücken Nr. 4451/1, 4451/2, 4456, 4457, 4458, 4466, 4466/1, 4481/1, 4560, 4561, 4587 und die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums X verwiesen. Im Übrigen wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
A.
18 
Die Klagen sind überwiegend zulässig (I.), jedoch nur zu einem geringen Teil begründet (II.).
I.
19 
Die Klage sind als Anfechtungsklagen gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft und hinsichtlich der Ziffern 1 - 4 des Bescheides vom 11.06.2012 auch im Übrigen zulässig. Unzulässig sind die Klagen hingegen, soweit die Kläger das Pflanzgebot in Ziffer 5 des Bescheides vom 11.06.2012 angreifen. Insoweit haben die Kläger nicht das gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderliche Vorverfahren durchgeführt. Zwar haben sie in ihrem Widerspruchsschreiben vom 09.07.2012 eingangs erklärt „gegen die Entscheidung des Landratsamts B. vom 11.06.2012 Widerspruch“ einzulegen. Unter dem Gliederungspunkt 5. haben sie aber sodann erklärt, die Bäume würden entsprechend der richtigen Pflanzjahreszeit nachgepflanzt und so zum Ausdruck gebracht, dass die Ziffer 5 von ihrem Widerspruch ausgenommen sein sollte.
II.
20 
Der Bescheid des Landratsamtes B. vom 11.06.2012 in seiner Fassung vom 02.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums X vom 21.12.2012 ist lediglich insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), wie ihnen aufgegeben wurde, das verkleinerte Wochenendhaus in einem unauffälligen Farbton neu zu streichen, welcher zuvor mit dem Landratsamt B. abzustimmen sei (1.). Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und sind die Klagen abzuweisen (2. - 4.).
21 
1. Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung, das verkleinerte Wochenendhaus in einem unauffälligen Farbton neu streichen, welcher zuvor mit dem Landratsamt B. abzustimmen sei, war § 47 Abs. 1 LBO. Nach dieser Norm haben die Baurechtsbehörden darauf zu achten, dass die baurechtlichen Vorschriften sowie die anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Errichtung und den Abbruch von Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 eingehalten und die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen befolgt werden. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben haben sie diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich sind. Formell war die hiernach getroffene Anordnung rechtmäßig. Das Landratsamt war für den Erlass der Anordnung als untere Baurechtsbehörde zuständig (§ 46 Abs. 1 Nr. 3, § 48 Abs. 1 LBO, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG). Die Kläger wurden zudem ordnungsgemäß angehört (§ 28 Abs. 1 LVwVfG). Die Anordnung ist jedoch wegen eines Bestimmtheitsmangels materiell rechtswidrig.
22 
Das Bestimmtheitsgebot nach § 37 Abs. 1 LVwVfG erfordert, dass der Adressat einer Regelung in der Lage sein muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist. Diesen Anforderungen wird das Gebot, das verkleinerte Wochenendhaus in einem unauffälligen Farbton neu streichen, welcher zuvor mit dem Landratsamt B. abzustimmen sei, nicht gerecht.
23 
Die Formulierung "unauffälliger Farbton", die Ziff. 2.6 der örtlichen Bauvorschriften zum Bebauungsplan entnommen ist, eröffnet einen weiten Wertungsspielraum, der ohne eine weitere Konkretisierung offen lässt, welcher farbliche Außenanstrich noch oder nicht mehr zulässig ist. Je nach Betrachtungsweise lässt sich eine andere Farbe als „unauffällig“ bezeichnen. So kommt es etwa darauf an, vor welchem Hintergrund, zu welcher Jahreszeit und in welchen Lichtverhältnissen man eine Farbe betrachtet. Im Sommer ist die Landschaft überwiegend grün, im Herbst wie auch bei Sonnenuntergang färbt sie sich teilweise rötlich, im Winter ist sie zeitweilig weiß. Im Übrigen lässt sich selbst bei identischen Rahmenbedingungen trefflich darüber streiten, welche Farbe „unauffällig“ ist. Will eine Behörde eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch den Außenanstrich eines Gebäudes vermeiden, muss sie dem Bauherrn deshalb entweder eine Auswahl zulässiger konkreter Farbtöne positiv vorgeben oder aber, wenn sie nicht übermäßig in seine Verfügungsbefugnis eingreifen will, sich darauf beschränken, nur eine Auswahl unzulässiger konkreter Farbtöne zu bezeichnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.01.2013 - 8 S 2919/11 -, juris Rn. 23 ff.).
24 
Eine andere Bewertung ist vorliegend auch nicht mit Blick auf die Tatsache angezeigt, dass der Farbton „mit dem Landratsamt abzustimmen ist“. Es ist nicht Aufgabe des Bürgers, sich nach Bekanntgabe eines gegen ihn gerichteten Verwaltungsaktes bei der Behörde nach der Zulässigkeit eines von ihm gewählten Farbtons zu erkundigen. Aus § 37 Abs. 1 LVwVfG folgt vielmehr das Gegenteil. Schon aus dem Regelungsgehalt eines Verwaltungsaktes selbst muss hinreichend bestimmt oder jedenfalls bestimmbar sein, welcher Farbanstrich vorgeschrieben ist. Unklarheiten muss der Adressat nicht in Eigeninitiative aufklären. Diese gehen vielmehr zu Lasten der Behörde (BVerwG, Urteil vom 12.01.1973 - VII C 3.71 -, juris Rn. 16).
25 
Im gerichtlichen Verfahren geheilt hat das Landratsamt den Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Es hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht klar definiert, welche Farben erlaubt oder verboten sein sollen. Im Übrigen dürfte eine Heilung aber schon deshalb nicht in Betracht kommen, da die - weitestgehend wortlautidentische - örtliche Bauvorschrift gleichfalls wegen fehlender Bestimmtheit unwirksam sein dürfte.
26 
2. Der in Ziffer 1 des Bescheides vom 11.06.2012 in der Fassung des Bescheides vom 02.08.2012 angeordnete Rückbau des Wochenendhauses ist hingegen gerichtlich nicht zu beanstanden. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Rückbauverfügung war § 65 Satz 1 LBO. Hiernach kann der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese materiellen Voraussetzungen liegen vor. Denn die Kläger sind nicht im Besitz einer Baugenehmigung für das Wochenendhaus (a), dieses stand in keinem Zeitpunkt im Einklang mit dem materiellen Recht (b), es ist nicht erkennbar, dass auf andere Weise rechtmäßige Zustände geschaffen werden können (c) und die erfolgte Ermessensausübung lässt keine gerichtlich überprüfbaren Fehler erkennen (d).
27 
a) Die Kläger sind nicht im Besitz einer Baugenehmigung, welches ihr Wochenendhaus formell legalisiert. Dies allein begründet zwar nicht die Rechtswidrigkeit des Wochenendhauses, da die Errichtung von Wochenendhäusern in Wochenendhausgebieten gemäß Nr. 1e des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO seit dem 01.01.1996 verfahrensfrei möglich ist. Die Verfahrensfreiheit entband die Kläger als Bauherren aber nicht davon, die Bauvorschriften einzuhalten, da verfahrensfreie Vorhaben gemäß § 50 Abs. 5 LBO ebenso wie genehmigungspflichtige Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen müssen.
28 
b) Das Wochenendhaus stand seit seiner Errichtung im Widerspruch zum materiellen Recht, insbesondere der Begrenzung der zulässigen Grundfläche auf maximal 35 m² (Ziff. 1.2.1 des Bebauungsplans „R.“).
29 
aa) Die Festsetzung des Bebauungsplanes zur maximal zulässigen Grundfläche beansprucht Gültigkeit.
30 
(1) Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans von Anfang an haben die Kläger nicht vorgebracht; sie drängen sich dem Gericht auch nicht auf. Insbesondere ist es zwar unschön, aber unschädlich, dass die Gemeinde M. dem Bebauungsplan die unzutreffende Ermächtigungsgrundlage aus der Landesbauordnung - anstatt aus dem Baugesetzbuch - vorangestellt hat.
31 
(2) Die Festsetzung zur maximalen Grundfläche ist nicht wegen nachträglicher Funktionslosigkeit außer Kraft getreten, auch wenn auf mehreren Grundstücken im Wochenendhausgebiet gegen sie verstoßen worden sein dürfte.
32 
Eine bauplanerische Festsetzung tritt wegen nachträglicher Funktionslosigkeit außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt (BVerwG, Urteil vom 29.04.1977 - IV C 39.75-, BVerwGE 54, 5, 11 = juris Rn. 35; Beschluss vom 09.10.2003 - 4 B 85/03 -, juris Rn. 8). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern (BVerwG, Urteil vom 29.04.1977 - IV C 39.75 -, BVerwGE 54, 5, 11 = juris Rn. 35, Beschluss vom 06.06.1997 - 4 NB 6/97 - juris Rn. 10, Beschluss vom 21.12.1999 - 4 BN 48/99 -, Leitsatz und juris Rn. 5, Beschluss vom 09.10.2003 - 4 B 85/03 -, juris Rn. 8).
33 
Diese Voraussetzungen liegen hier hinsichtlich der Festsetzung zur maximal zulässigen Grundfläche nicht vor. Die Festsetzung vermag weiterhin, eine städtebauliche Gestaltungsfunktion zu erfüllen. Denn zum einen sind zahlreiche Grundstücke im Wochenendhausgebiet noch gänzlich unbebaut. Zum anderen liegt nicht auf jedem der bebauten Grundstücke eine Grundflächenüberschreitung vor, die Voraussetzung für die Funktionslosigkeit der Festsetzung zur Grundflächenbegrenzung wäre.
34 
bb) Die maximal zulässige Grundfläche von 35 m² ist auf dem Grundstück der Kläger deutlich überschritten, da die mit dem Aufenthaltsraum des Wochenendhauses verbundenen weiteren Räumlichkeiten zur Grundfläche hinzuzurechnen sind. Anderes gälte nur, wenn die weiteren Räumlichkeiten eine eigene Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO darstellten. Dies ist jedoch nicht der Fall.
35 
Zur Abgrenzung einer Haupt- von einer Nebenanlage sind im Allgemeinen funktionelle und räumliche Gesichtspunkte heranzuziehen (BVerwG, Urteil vom 13.06.2005 - 4 B 27/05 -, juris Rn. 5). In funktioneller Hinsicht ist bedeutend, ob eine Anlage einen eigenen Nutzungszweck hat - dies spricht für eine Einordnung als Hauptanlage - oder nur eine Hilfsfunktion erfüllt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.02.1983 - 4 C 18.81 -, juris Rn. 18). Unter räumlich-gegenständlichen Gesichtspunkten kommt es darauf an, inwieweit sich eine Anlage nach dem Gesamteindruck optisch unterordnet (BVerwG, Urteil vom 28.04.2004 - 4 C 10.03 -, juris Rn. 27). Diese Abgrenzungskriterien gelten aber nicht für Anlagen, die Bestandteil des Hauptgebäudes sind. Diese sind unabhängig von den obigen Kriterien grundsätzlich keine Nebenanlagen (BVerwG, Beschluss vom 14.02.1994 - 4 B 18.94 -, juris Rn. 6). So verhält es sich hier. Die weiteren Räumlichkeiten sind ein Bestandteil des Wochenendhauses, da sie, wie die Fotos auf Bl. 295 der Akte und Bl. 5 der Behördenakte zeigen, nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als Verlängerung des Wochenendhauses erscheinen. Für Passanten ist aufgrund der baulichen Verbindung, der einheitlichen Bauweise und dem gleichen Anstrich in keiner Weise erkennbar, dass es sich bei dem hinteren Teil des Gebäudes im Wesentlichen um Lagerräume handelt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.11.2011 - 8 A 10443/11 -, juris Rn. 75).
36 
c) Mildere, gleich geeignete Mittel als der angeordnete Rückbau kommen nicht in Betracht. Die Kläger haben insbesondere keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Grundfläche. Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans nur befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, ein Befreiungsgrund vorliegt und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Diese Voraussetzungen liegen hier schon deshalb nicht vor, weil es sich bei den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Grundfläche um Grundzüge der Planung handelt.
37 
Ob eine Festsetzung zu den Grundzügen der Planung gehört, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (BVerwG, Beschluss vom 19.05.2004 - 4 B 35/04 -, juris Rn. 3). Vorliegend zeigt die Begründung zum Bebauungsplan „R.“, dass dem Plangeber die Festsetzung zur Grundfläche derart wichtig war, dass der gesamte Plan mit dieser Festsetzung stehen und fallen sollte. So heißt es in Nr. 4 der Begründung, der Bebauungsplan werde aufgestellt, um die Eigenart des Gebietes als Wochenendhausgebiet zu erhalten. Noch konkreter wird es in der Nr. 5: Durch die vorgegebene maximale Gebäudegrundfläche sowie die Festsetzung einer Mindestgröße von Baugrundstücken solle die lockere Bebauung des Gebietes bewahrt werden. Der Plangeber wollte mithilfe der Grundflächenbegrenzung mithin sicherstellen, dass das Gebiet den Charakter eines Wochenendhausgebietes behält und nicht zu einem weiteren Wohngebiet wird.
38 
d) Gerichtlich überprüfbare Ermessensfehler vermag die Kammer nicht zu erkennen.
39 
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO lediglich, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Ermessensentscheidung ist mithin durch das Gericht nur eingeschränkt überprüfbar. Das Gericht ist insbesondere nicht befugt, einen Verwaltungsakt allein deshalb aufzuheben, weil es eine andere Vorgehensweise - aus welchen Gründen auch immer - präferiert. Die Ermessensentscheidung des Landratsamtes ist hiernach nicht zu beanstanden.
40 
aa) Ein Ermessensausfall liegt nicht vor. Das Landratsamt und das Regierungspräsidium haben im Bescheid vom 11.06.2012 und im Widerspruchsbescheid vom 21.12.2012 berücksichtigt, dass die Entscheidung über einen möglichen Rückbau in ihrem Ermessen steht. Im Änderungsbescheid vom 02.08.2012 hat das Landratsamt sein Ermessen sogar zugunsten der Kläger dahingehend ausgeübt, dass die Gebäudebreite 5 m überschreiten darf.
41 
bb) Ein Ermessensfehlgebrauch liegt gleichfalls nicht vor. Das Landratsamt und das Regierungspräsidium haben von ihrem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht und sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Das durch § 65 Satz 1 LBO eröffnete Ermessen ist grundsätzlich in Richtung auf ein behördliches Einschreiten gegen bauordnungsrechtliche Zustände intendiert. Die Baurechtsbehörde handelt daher grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 65 Satz 1 LBO und damit rechtmäßig, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (VGH Bad.Württ., Urteil vom 13.06.2007 - 3 S 39/07 -, juris Rn. 27; Urteil vom 16.04.2014 - 3 S 1962/13 -, juris Rn. 47; vgl. OVG Thüringen, Urteil vom 16.03.2010 - 1 KO 760/07 -, juris Rn. 43)
42 
cc) Das Landratsamt und das Regierungspräsidium haben ihr Ermessen schließlich auch nicht überschritten. Die Rückbauanordnung ist verhältnismäßig im engeren Sinne und steht mit höherrangigem Recht in Einklang.
43 
(1) Die (möglicherweise) hohen Rückbaukosten stehen der Rückbauanordnung nicht entgegen. Wer gegen Festsetzungen des Bebauungsplans verstößt, ist grundsätzlich nicht schutzwürdig und kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass ein Abriss hohe Kosten verursachen würde. Anderenfalls entstünde die paradoxe Situation, dass eine Rückbauanordnung umso eher unverhältnismäßig wäre, je größer der Verstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans ist. Ein Bauherr hätte es so in der Hand, durch den (besonders aufwändigen) Bau vollendete Tatsachen zu schaffen. Allein der Umstand, dass mit der Errichtung eines Gebäudes gewisse Werte geschaffen worden sind, kann einem bauaufsichtlichen Einschreiten zudem auch deshalb nicht entgegenstehen, da jeder Bauherr die Möglichkeit hat, seine Investitionen dadurch zu sichern, dass er sich eine Baugenehmigung beziehungsweise einen Bauvorbescheid erteilen lässt. Diese schützen ihn im Regelfall selbst dann, wenn sie materiellem Recht zuwider erteilt worden sind, wie dies in einigen Fällen im Wochenendhausgebiet möglicherweise vorgekommen ist (vgl. OVG Nds., Beschluss vom 09.03.2012 - 1 LA 140/09 -, juris Rn. 99). Dies haben die Kläger versäumt. Anstatt, wie es ihnen gemäß § 50 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 57 LBO ohne weiteres möglich gewesen wäre, bei der für derartige Anträge zuständigen Baubehörde einen Bauvorbescheid zu beantragen, haben sie sich allenfalls bei ihren Nachbarn und dem Voreigentümer erkundet.
44 
Unerheblich ist auch, ob und inwieweit ein Teilabriss aus bautechnischen Gründen realisierbar ist. Es liegt einzig und allein im Verantwortungsbereich der Kläger als Bauherren, sich zu überlegen, wie sie den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Grundfläche Genüge tun. Der Beklagte hat ihnen gar zugestanden, dass die Gebäudebreite die nach dem Bebauungsplan maximal zulässige Breite von 5 m überschreite, solange die maximal zulässige Grundfläche von 35 m² eingehalten wird. Mehr können die Kläger nicht verlangen.
45 
(2) Ein Ermessensfehler ergibt sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
46 
Es ist von den Klägern weder dargelegt worden noch sonst erkennbar, dass auf einem anderen Grundstück im Wochenendhausgebiet erstens ein derart massiver Verstoß gegen die Beschränkung der zulässigen Grundfläche vorliegt wie in ihrem Fall und dass das Landratsamt zweitens ausdrücklich erklärt hat, diesen zu dulden oder gar eine Befreiung erteilt hat. Aber selbst wenn ein einzelner solcher Fall vorliegen sollte, würde dies der Klage nicht automatisch zum Erfolg verhelfen, da Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gewährt (BVerwG, Beschluss vom 22.4.1995 - 4 B 55/95 - juris Rn. 4 m.w.N). Insofern wäre jedenfalls noch zu prüfen - etwa durch Zuziehung der Bauakten und Einnahme eines Augenscheins -, wann und unter welchen Umständen eine solche Duldung erteilt wurde. Es kann dem Landratsamt kaum allein deshalb verwehrt sein, gegen neuere rechtswidrige bauliche Anlagen einzuschreiten, weil man vor Jahren oder gar Jahrzehnten zu Unrecht eine Duldung oder Befreiung erteilt hat.
47 
Die Kläger berufen sich dementsprechend vielmehr darauf, dem Einschreiten des Landratsamts liege kein ausreichendes Konzept zugrunde. Dem folgt die Kammer nicht. Zwar ist den Klägern dahingehend Recht zu geben, dass die Baurechtsbehörde mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet ist, das ihr eingeräumte Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Aus diesem Grunde ist es ihr verwehrt, systemlos oder willkürlich nur gegen einzelne Bauvorhaben einzuschreiten. Dies bedeutet aber nicht, dass die Baurechtsbehörde verpflichtet wäre, rechtswidrige Zustände zeitgleich flächendeckend aufzugreifen. Aus dem Gleichheitssatz ergibt sich keine allgemeingültige zeitliche Grenze für ein unterschiedliches Vorgehen gegen baurechtswidrige Zustände. Vielmehr ist es der Baurechtsbehörde unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen. Ebenso darf die Behörde sich zunächst auf ein Vorgehen gegen einzelne Störer beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe hat (BVerwG, Beschluss vom 22.04.1995 - 4 B 55/95 -, juris Rn. 5; Beschluss vom 23.11.1998 - 4 B 99/98 -, Rn. 4). Einen sachlichen Grund stellt es dabei etwa dar, wenn die Behörde einen geeigneten Fall als "Musterfall" auswählt, um erst nach einer gerichtlichen Bestätigung ihrer Rechtsauffassung gleichartige Fälle aufzugreifen. Dies mag zwar kein idealer Zustand sein, ist aber nicht willkürlich (BVerwG, Beschluss vom 11.03.1991 - 4 B 26/91 -, juris Rn. 5). Ebenso ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die Behörde zunächst nur Fälle aufgreift, in denen eine Verschlechterung des bestehenden Zustands droht. In einem solchen Fall braucht sie sich nicht mit der Abwehr der Verschlechterung zu begnügen, sondern darf, da sie ohnehin mit der Angelegenheit befasst ist, weitergehend darauf hinwirken, dass der festgestellte Missstand insgesamt beseitigt wird (BVerwG, Beschluss vom 19.02.1992 - 7 B 106/91 -, juris Rn. 2). Die Grenze der Zulässigkeit ist erst überschritten, wenn es nach der Art des Einschreitens an jedem System fehlt, für die Art des Vorgehens keinerlei einleuchtenden Gründe sprechen und die Handhabung deshalb als willkürlich angesehen werden muss (BVerwG, Beschluss vom 22.04.1995 - 4 B 55/95 -, juris Rn. 5; Beschluss vom 23.11.1998 - 4 B 99/98 -, Rn. 4). Diesen Anforderungen genügt die Vorgehensweise des Landratsamts.
48 
(2.1) Dem Einschreiten des Landratsamtes liegt ein System zugrunde. Das Landratsamt hat im „Konzept“ der Anlage 1 und in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass das Wochenendhausgebiet, nachdem die Gemeinde am Bebauungsplan „R.“ festhalte, zukünftig systematisch Schritt für Schritt von Westen nach Osten kontrolliert werden solle. Schwere und bereits bekannte Verstöße würden präferiert und möglichst zeitnah aufgegriffen. Die weitere Abarbeitung und Aufdeckung werde einige Zeit in Anspruch nehmen und voraussichtlich bis 2017 erfolgen. Die laufenden Verfahren würden als Musterprozesse weitere Erkenntnisse hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Landratsamtes ergeben. Daneben solle weiterhin auch anlassbezogen vorgegangen werden. Werde das Landratsamt auf konkrete Verstöße aufmerksam gemacht, solle stets auch die nähere Umgebung in den Blick genommen werden. Anhaltspunkte, an der Ernsthaftigkeit dieser Absicht zu zweifeln, gibt es nicht. Die Angaben des Landratsamts im „Konzept“ zum bisherigen Erlass von Ordnungsverfügungen, die amtliche Bekanntmachung vom 19.03.2015 im M. Mitteilungsblatt und das Rundschreiben vom 26.05.2015 belegen, dass das Landratsamt bemüht ist, die Festsetzungen des Bebauungsplanes durchzusetzen. Das Gericht hat die Angaben des Landratsamtes stichprobenartig überprüft (vgl. Bl. 247 d.A.) und kann bestätigen, dass das Landratsamt gegen die Eigentümer R., B., S., Sch., D. und M. tatsächlich, wie vom Landratsamt im „Konzept“ beschrieben, eingeschritten ist.
49 
(2.2) Dass das Landratsamt das schriftliche „Konzept“ der Anlage 1 erst im laufenden Gerichtsverfahren erarbeitet hat, ist unerheblich. § 114 Satz 2 VwGO erlaubt es der Verwaltungsbehörde ausdrücklich, ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu ergänzen. Aus dem Wort „ergänzen“ folgt dabei zwar, dass nur die Fälle unter § 114 Satz 2 VwGO fallen, in denen unvollständige Ermessenserwägungen ergänzt werden, nicht hingegen jene, in denen es bisher an jeglichen Ermessenserwägungen fehlte, das Ermessen also noch gar nicht ausgeübt wurde oder die Ermessenserwägungen vollständig ausgewechselt werden (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 114 Rn. 12e m.w.N.). Diese Grenze ist vorliegend aber (noch) gewahrt. Das Landratsamt hat bereits im Bescheid vom 11.06.2012 erklärt, gegen das erst kürzlich errichtete Wochenendhaus der Kläger sei einzuschreiten, weil von ihm eine negative Vorbildfunktion ausgehe und anderenfalls zu befürchten sei, dass weitere gleichartige oder ähnliche Bauvorhaben realisiert würden. Man habe überdies auch in anderen vergleichbaren Fällen entsprechende Anordnungen getroffen. Im Widerspruchsbescheid vom 21.12.2012 hat das Regierungspräsidium X ergänzend ausgeführt, dass seit Inkrafttreten des Bebauungsplans „R.“ im Jahr 2005 verstärkt auf die baulichen Tätigkeiten geachtet werde. Hinweisen auf Verstöße werde möglichst rasch und gründlich nachgegangen, dennoch dauerten die Verfahren oftmals längere Zeit. Wenn diese Angaben, wie auch die schriftliche, mehrseitige Übersicht „Bestandsaufnahme 2012“ (Bl. 159 ff. d.A.), viele Fragen offenließen, so zeigen sie doch, dass das Landratsamt sich seiner aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Verpflichtung, nach und nach in allen vergleichbaren Fällen einzuschreiten, von Anfang an bewusst war und sich dementsprechend bemühte, gegen mehrere Eigentümer vorzugehen. Dies genügt den Anforderungen des § 114 Satz 2 VwGO (ebenso wohl BayVGH, Beschluss vom 21.01.2003 - 14 ZB 02.1303 -, juris Rn. 5 ff.; Urteil vom 06.11.2007 - 14 B 06.1933 -, juris Rn. 35; VG Regensburg, Urteil vom 07.04.2011 - RO 2 K 10.02191 -, juris Rn. 16; mehrdeutig hingegen OVG Thüringen, Urteil vom 16.03.2010 - 1 KO 760/07 -, juris Rn. 43 ff.).
50 
(2.3) Nicht entscheidend ist auch, ob das Landratsamt tatsächlich bereits alle Grundstücke erfasst und systematisiert hat, auf denen Verstöße gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegen. Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet die Baurechtsbehörde nicht, eine solche abschließende Übersicht zu erstellen, bevor sie gegen einzelne Bauten einschreitet. Zum einen würde dies ein Einschreiten in großen Gebieten wie dem vorliegenden mit über 300 Grundstücken unnötig hinauszögern, in Einzelfällen möglicherweise gar für immer, da die Baurechtsbehörde bei jeder baulichen Änderung verpflichtet wäre, diese in ihre Bestandserfassung einzuarbeiten, bevor sie die erste Baueinstellungsverfügung erlassen könnte. Zum anderen liefe eine solche Anforderung dem höchstrichterlich entwickelten und allgemein akzeptierten Grundsatz zuwider, dass die Baurechtsbehörde Musterprozesse führen darf, um die so gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der weiteren Vorgehensweise verwerten und ihre personellen und sachlichen Mittel möglichst effektiv einsetzen zu können. Ausreichend ist daher, wenn die Baubehörde bereits beim ersten Einschreiten gegen mehrere Bauwerke plant, schrittweise auch gegen alle - und somit auch gegen ihr bis dato noch nicht bekannt gewordene oder von ihr noch nicht systematisch erfasste - weiteren rechtswidrigen Bauten einzuschreiten und dies glaubhaft macht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 21.01.2003 - 14 ZB 02.1303 -, juris Rn. 6 f.; VG Ansbach, Urteil vom 08.12.2014 - AN 9 K 13.01998, AN 9AN 9 K 13.01999 -, juris Rn. 53; mehrdeutig und möglicherweise a.A. hingegen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - 3 S 1962/13 -, juris Rn. 50).
51 
(2.4) Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Landratsamt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht anhand konkreter Maßangaben definiert hat, in welchen Fällen zukünftig Rückbauverfügungen ergehen sollen, wann lediglich ein Bußgeld verhängt wird und wann eine Befreiung erteilt werden kann. Der Beklagte hat angegeben, Wert darauf zu legen, dass die Grundzüge der Planung nicht tangiert werden. Duldungen oder gar nachträgliche Genehmigungen kämen im Regelfall nur dann in Betracht, wenn es sich um Randkorrekturen handele, nicht aber bei gravierenden Verstößen, die ein neuerliches Planerfordernis auslösten. Bei Wohnflächenerweiterungen oder Erweiterungen der zulässigen Grundfläche über die zulässigen 35 m² hinaus sei stets eine sehr strenge Handhabung geboten, da die Größe der Grundfläche im Regelfall auch Grundzüge der Planung berühre. Diese Angaben genügen. Es würde dem ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Einschreitensermessen nicht gerecht, wenn das Landratsamt jeweils blind eine mathematische Formel anwenden würde, ohne den konkreten Einzelfall zu betrachten.
52 
3. Die Rückbauverfügung der Ziffer 3 des Bescheides vom 11.06.2012 ist ebenfalls rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für ihren Erlass war wiederum § 65 Satz 1 LBO. Dessen materielle Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor.
53 
a) Die Kläger sind auch insoweit nicht im Besitz einer die Geschirrhütte formell legalisierenden Baugenehmigung.
54 
b) Die Geschirrhütte stand in keinem Zeitpunkt im Einklang mit dem materiellen Recht. Ihre Kubatur überschreitet, wie die Kläger selbst einräumen, deutlich die nach Zif. 1.1.2 des Bebauungsplans maximal zulässige Größe von 15 m³. Ob an gleicher Stelle zuvor eine noch viel größere Geschirrhütte stand, ist unerheblich. Ein eventueller Bestandsschutz wäre spätestens mit dem Abriss entfallen.
55 
c) Es ist nicht erkennbar, dass auf andere Weise rechtmäßige Zustände geschaffen werden können. Die Kläger haben insbesondere keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Grundfläche von Nebenanlagen. Die Erteilung einer solchen Befreiung wäre nicht vereinbar mit den öffentlichen Belangen im Sinne des § 31 Abs. 2 a.E. BauGB. Die Geschirrhütte hat, wie die Kammer dem Protokoll des Ortstermins vom 29.10.2014 entnimmt (Bl. 147 ff. d.A.), eine Länge von 5,95 m, eine Breite von 3,40 m und eine Höhe von 2,35 m (südlich/talseits) beziehungsweise 1,70 m (nördlich/bergseits). Ihre Kubatur beträgt mithin rund 40 m³. Dies ist fast das Dreifache der nach dem Bebauungsplan maximal zulässigen 15 m³. Erteilte das Landratsamt den Klägern hier eine Befreiung, müsste es gegenüber anderen Grundstückseigentümern grundsätzlich genauso agieren. Die Begrenzung der Kubatur auf maximal 15 m³ würde so faktisch aufgehoben werden.
56 
d) Die erfolgte Ermessensausübung lässt keine gerichtlich überprüfbaren Fehler erkennen. Es gilt das oben unter 2.d) Ausgeführte entsprechend.
57 
4. Die Beseitigungsanordnung der Ziffer 4 des Bescheides vom 11.06.2012 ist gleichfalls rechtmäßig. Die materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer solchen auf § 65 Satz 1 LBO gestützten Verfügung liegen vor.
58 
a) Die Kläger sind auch insoweit nicht im Besitz einer Baugenehmigung.
59 
b) Die Mauer stand in keinem Zeitpunkt im Einklang mit dem materiellen Recht. Sie widerspricht gleich in zweifacher Hinsicht der örtlichen Bauvorschrift der Ziff. 2.8 des Bebauungsplans, wonach Einzäunungen mit einem bis zu 1,50 Meter hohen Maschendrahtzaun zulässig sind. Aus dieser Regelung folgt im Umkehrschluss, dass - erstens - Einfriedungen über 1,50 Meter und - zweitens - Einfriedungen in Form von Mauern unzulässig sind. Die Mauer der Kläger ist jedoch über 1,50 m hoch. Es handelt sich bei ihr zudem um eine massive, blickdichte Mauer und nicht bloß um einen Maschendrahtzaun.
60 
Der Einwand der Kläger, die Mauer liege ca. 60 cm innerhalb ihres Grundstücks, sie könnten einen Zaun mit einer Höhe von 1,50 m vor die Mauer bauen, rechtfertigt keine andere Bewertung. Die Errichtung eines solchen Zaunes stellte angesichts des geringen Grenzabstandes der Mauer eine unzulässige Umgehung der örtlichen Bauvorschrift dar. Überdies wäre die so entstehende Mauer auf dem Grundstück als Nebenanlage zu qualifizieren und damit gemäß Ziff. 1.1.2 des Bebauungsplanes unzulässig.
61 
c) Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung. Eine solche wäre nicht vereinbar mit den öffentlichen Belangen im Sinne des § 31 Abs. 2 a.E. BauGB.
62 
Eine Befreiung ist umso eher unvereinbar mit den öffentlichen Belangen, je tiefer sie in das Interessengeflecht der Planung eingreifen würde (BVerwG, Urteil vom 09.06.1978 - 4 C 54/75 -, juris Rn. 28). Vorliegend würde eine Befreiung die gemeindlichen Planungsvorstellungen massiv tangieren. Ziel des Bebauungsplans war laut der Zif. 5 der amtlichen Begründung unter anderem, für eine lockere Bebauung zu sorgen (s.o.). Dieses Ziel wird durch die Mauer der Kläger konterkariert. Die Mauer schottet das klägerische Grundstück vom öffentlichen Weg aus deutlich ab, wie die Fotos auf Blatt 295 der Akte und Blatt 5 der Behördenakte zeigen. Soweit das Grundstück der Kläger derzeit vom öffentlichen Weg aus noch einsehbar ist, basiert dies im Wesentlichen darauf, dass das Nachbargrundstück nicht bebaut ist. Hierauf können sich die Kläger aber nicht berufen, da sie keinen Einfluss auf die dortige Bebauung haben. Von einer Befreiung ginge zudem eine negative Vorbildfunktion aus, die das Bemühen des Beklagten um Einhaltung der Einfriedungsvorschriften unterlaufen würde. Die Kläger haben mit dem Bau der Mauer gleich in zweifacher Hinsicht vorlässig oder jedenfalls grob fahrlässig gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans verstoßen. Ein solcher Verstoß kann nicht durch die Erteilung einer Befreiung legalisiert werden.
63 
d) Die erfolgte Ermessensausübung lässt keine gerichtlich überprüfbaren Fehler erkennen. Auch an dieser Stelle gilt das oben unter 2.d) Ausgeführte entsprechend.
B.
64 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Erklärung, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig war, beruht auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, ist vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Notwendig ist die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten in der Regel dann, wenn es dem Beteiligten nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zuzumuten war, das Verfahren selbst zu führen (BVerwG, Urteil vom 15.02.1991 - 8 C 83.88 -, juris Rn. 15). Dabei ist die Schwierigkeit, der Umfang der Sache und die persönliche Sach- und Rechtskunde des Widerspruchsführers zu berücksichtigen (OVG NRW, Beschluss vom 19.09.1973 - 2 B 701/73 -, juris). In diesem Sinne war die Zuziehung des bevollmächtigten Rechtsanwalts durch die Kläger im Vorverfahren notwendig. Die Bescheide des Landratsamtes vom 11.06.2012 und vom 02.08.2012 warfen eine Reihe rechtlicher Probleme auf. Es konnte nicht erwartet werden, dass die Kläger als juristische Laien diese selbstständig ohne juristischen Beistand lösten.
65 
Gründe, die eine Berufungszulassung durch das Verwaltungsgericht ermöglichen (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO), sind nicht erkennbar.
66 
Beschluss vom 20.04.2016
67 
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 26.800 EUR festgesetzt.
68 
Gründe
69 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht schätzt den Zeitwert des Wochenendhauses, soweit es zurückzubauen ist, zuzüglich der Abrisskosten auf 20.000 EUR (vgl. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs 2013 der Verwaltungsgerichtsbarkeit, VBlBW 2014, Beilage zu Heft 1), die möglichen Streichkosten auf 2.000 EUR, den Zeitwert der zurückzubauenden Geschirrhütte zuzüglich Abrisskosten auf 3.000 EUR, den Zeitwert der Mauer zuzüglich Abrisskosten auf 1.500 EUR und die Pflanzkosten auf 100 EUR je Baum.

Gründe

 
A.
18 
Die Klagen sind überwiegend zulässig (I.), jedoch nur zu einem geringen Teil begründet (II.).
I.
19 
Die Klage sind als Anfechtungsklagen gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft und hinsichtlich der Ziffern 1 - 4 des Bescheides vom 11.06.2012 auch im Übrigen zulässig. Unzulässig sind die Klagen hingegen, soweit die Kläger das Pflanzgebot in Ziffer 5 des Bescheides vom 11.06.2012 angreifen. Insoweit haben die Kläger nicht das gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderliche Vorverfahren durchgeführt. Zwar haben sie in ihrem Widerspruchsschreiben vom 09.07.2012 eingangs erklärt „gegen die Entscheidung des Landratsamts B. vom 11.06.2012 Widerspruch“ einzulegen. Unter dem Gliederungspunkt 5. haben sie aber sodann erklärt, die Bäume würden entsprechend der richtigen Pflanzjahreszeit nachgepflanzt und so zum Ausdruck gebracht, dass die Ziffer 5 von ihrem Widerspruch ausgenommen sein sollte.
II.
20 
Der Bescheid des Landratsamtes B. vom 11.06.2012 in seiner Fassung vom 02.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums X vom 21.12.2012 ist lediglich insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), wie ihnen aufgegeben wurde, das verkleinerte Wochenendhaus in einem unauffälligen Farbton neu zu streichen, welcher zuvor mit dem Landratsamt B. abzustimmen sei (1.). Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und sind die Klagen abzuweisen (2. - 4.).
21 
1. Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung, das verkleinerte Wochenendhaus in einem unauffälligen Farbton neu streichen, welcher zuvor mit dem Landratsamt B. abzustimmen sei, war § 47 Abs. 1 LBO. Nach dieser Norm haben die Baurechtsbehörden darauf zu achten, dass die baurechtlichen Vorschriften sowie die anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Errichtung und den Abbruch von Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 eingehalten und die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen befolgt werden. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben haben sie diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich sind. Formell war die hiernach getroffene Anordnung rechtmäßig. Das Landratsamt war für den Erlass der Anordnung als untere Baurechtsbehörde zuständig (§ 46 Abs. 1 Nr. 3, § 48 Abs. 1 LBO, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG). Die Kläger wurden zudem ordnungsgemäß angehört (§ 28 Abs. 1 LVwVfG). Die Anordnung ist jedoch wegen eines Bestimmtheitsmangels materiell rechtswidrig.
22 
Das Bestimmtheitsgebot nach § 37 Abs. 1 LVwVfG erfordert, dass der Adressat einer Regelung in der Lage sein muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist. Diesen Anforderungen wird das Gebot, das verkleinerte Wochenendhaus in einem unauffälligen Farbton neu streichen, welcher zuvor mit dem Landratsamt B. abzustimmen sei, nicht gerecht.
23 
Die Formulierung "unauffälliger Farbton", die Ziff. 2.6 der örtlichen Bauvorschriften zum Bebauungsplan entnommen ist, eröffnet einen weiten Wertungsspielraum, der ohne eine weitere Konkretisierung offen lässt, welcher farbliche Außenanstrich noch oder nicht mehr zulässig ist. Je nach Betrachtungsweise lässt sich eine andere Farbe als „unauffällig“ bezeichnen. So kommt es etwa darauf an, vor welchem Hintergrund, zu welcher Jahreszeit und in welchen Lichtverhältnissen man eine Farbe betrachtet. Im Sommer ist die Landschaft überwiegend grün, im Herbst wie auch bei Sonnenuntergang färbt sie sich teilweise rötlich, im Winter ist sie zeitweilig weiß. Im Übrigen lässt sich selbst bei identischen Rahmenbedingungen trefflich darüber streiten, welche Farbe „unauffällig“ ist. Will eine Behörde eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch den Außenanstrich eines Gebäudes vermeiden, muss sie dem Bauherrn deshalb entweder eine Auswahl zulässiger konkreter Farbtöne positiv vorgeben oder aber, wenn sie nicht übermäßig in seine Verfügungsbefugnis eingreifen will, sich darauf beschränken, nur eine Auswahl unzulässiger konkreter Farbtöne zu bezeichnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.01.2013 - 8 S 2919/11 -, juris Rn. 23 ff.).
24 
Eine andere Bewertung ist vorliegend auch nicht mit Blick auf die Tatsache angezeigt, dass der Farbton „mit dem Landratsamt abzustimmen ist“. Es ist nicht Aufgabe des Bürgers, sich nach Bekanntgabe eines gegen ihn gerichteten Verwaltungsaktes bei der Behörde nach der Zulässigkeit eines von ihm gewählten Farbtons zu erkundigen. Aus § 37 Abs. 1 LVwVfG folgt vielmehr das Gegenteil. Schon aus dem Regelungsgehalt eines Verwaltungsaktes selbst muss hinreichend bestimmt oder jedenfalls bestimmbar sein, welcher Farbanstrich vorgeschrieben ist. Unklarheiten muss der Adressat nicht in Eigeninitiative aufklären. Diese gehen vielmehr zu Lasten der Behörde (BVerwG, Urteil vom 12.01.1973 - VII C 3.71 -, juris Rn. 16).
25 
Im gerichtlichen Verfahren geheilt hat das Landratsamt den Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Es hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht klar definiert, welche Farben erlaubt oder verboten sein sollen. Im Übrigen dürfte eine Heilung aber schon deshalb nicht in Betracht kommen, da die - weitestgehend wortlautidentische - örtliche Bauvorschrift gleichfalls wegen fehlender Bestimmtheit unwirksam sein dürfte.
26 
2. Der in Ziffer 1 des Bescheides vom 11.06.2012 in der Fassung des Bescheides vom 02.08.2012 angeordnete Rückbau des Wochenendhauses ist hingegen gerichtlich nicht zu beanstanden. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Rückbauverfügung war § 65 Satz 1 LBO. Hiernach kann der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese materiellen Voraussetzungen liegen vor. Denn die Kläger sind nicht im Besitz einer Baugenehmigung für das Wochenendhaus (a), dieses stand in keinem Zeitpunkt im Einklang mit dem materiellen Recht (b), es ist nicht erkennbar, dass auf andere Weise rechtmäßige Zustände geschaffen werden können (c) und die erfolgte Ermessensausübung lässt keine gerichtlich überprüfbaren Fehler erkennen (d).
27 
a) Die Kläger sind nicht im Besitz einer Baugenehmigung, welches ihr Wochenendhaus formell legalisiert. Dies allein begründet zwar nicht die Rechtswidrigkeit des Wochenendhauses, da die Errichtung von Wochenendhäusern in Wochenendhausgebieten gemäß Nr. 1e des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO seit dem 01.01.1996 verfahrensfrei möglich ist. Die Verfahrensfreiheit entband die Kläger als Bauherren aber nicht davon, die Bauvorschriften einzuhalten, da verfahrensfreie Vorhaben gemäß § 50 Abs. 5 LBO ebenso wie genehmigungspflichtige Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen müssen.
28 
b) Das Wochenendhaus stand seit seiner Errichtung im Widerspruch zum materiellen Recht, insbesondere der Begrenzung der zulässigen Grundfläche auf maximal 35 m² (Ziff. 1.2.1 des Bebauungsplans „R.“).
29 
aa) Die Festsetzung des Bebauungsplanes zur maximal zulässigen Grundfläche beansprucht Gültigkeit.
30 
(1) Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans von Anfang an haben die Kläger nicht vorgebracht; sie drängen sich dem Gericht auch nicht auf. Insbesondere ist es zwar unschön, aber unschädlich, dass die Gemeinde M. dem Bebauungsplan die unzutreffende Ermächtigungsgrundlage aus der Landesbauordnung - anstatt aus dem Baugesetzbuch - vorangestellt hat.
31 
(2) Die Festsetzung zur maximalen Grundfläche ist nicht wegen nachträglicher Funktionslosigkeit außer Kraft getreten, auch wenn auf mehreren Grundstücken im Wochenendhausgebiet gegen sie verstoßen worden sein dürfte.
32 
Eine bauplanerische Festsetzung tritt wegen nachträglicher Funktionslosigkeit außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt (BVerwG, Urteil vom 29.04.1977 - IV C 39.75-, BVerwGE 54, 5, 11 = juris Rn. 35; Beschluss vom 09.10.2003 - 4 B 85/03 -, juris Rn. 8). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern (BVerwG, Urteil vom 29.04.1977 - IV C 39.75 -, BVerwGE 54, 5, 11 = juris Rn. 35, Beschluss vom 06.06.1997 - 4 NB 6/97 - juris Rn. 10, Beschluss vom 21.12.1999 - 4 BN 48/99 -, Leitsatz und juris Rn. 5, Beschluss vom 09.10.2003 - 4 B 85/03 -, juris Rn. 8).
33 
Diese Voraussetzungen liegen hier hinsichtlich der Festsetzung zur maximal zulässigen Grundfläche nicht vor. Die Festsetzung vermag weiterhin, eine städtebauliche Gestaltungsfunktion zu erfüllen. Denn zum einen sind zahlreiche Grundstücke im Wochenendhausgebiet noch gänzlich unbebaut. Zum anderen liegt nicht auf jedem der bebauten Grundstücke eine Grundflächenüberschreitung vor, die Voraussetzung für die Funktionslosigkeit der Festsetzung zur Grundflächenbegrenzung wäre.
34 
bb) Die maximal zulässige Grundfläche von 35 m² ist auf dem Grundstück der Kläger deutlich überschritten, da die mit dem Aufenthaltsraum des Wochenendhauses verbundenen weiteren Räumlichkeiten zur Grundfläche hinzuzurechnen sind. Anderes gälte nur, wenn die weiteren Räumlichkeiten eine eigene Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO darstellten. Dies ist jedoch nicht der Fall.
35 
Zur Abgrenzung einer Haupt- von einer Nebenanlage sind im Allgemeinen funktionelle und räumliche Gesichtspunkte heranzuziehen (BVerwG, Urteil vom 13.06.2005 - 4 B 27/05 -, juris Rn. 5). In funktioneller Hinsicht ist bedeutend, ob eine Anlage einen eigenen Nutzungszweck hat - dies spricht für eine Einordnung als Hauptanlage - oder nur eine Hilfsfunktion erfüllt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.02.1983 - 4 C 18.81 -, juris Rn. 18). Unter räumlich-gegenständlichen Gesichtspunkten kommt es darauf an, inwieweit sich eine Anlage nach dem Gesamteindruck optisch unterordnet (BVerwG, Urteil vom 28.04.2004 - 4 C 10.03 -, juris Rn. 27). Diese Abgrenzungskriterien gelten aber nicht für Anlagen, die Bestandteil des Hauptgebäudes sind. Diese sind unabhängig von den obigen Kriterien grundsätzlich keine Nebenanlagen (BVerwG, Beschluss vom 14.02.1994 - 4 B 18.94 -, juris Rn. 6). So verhält es sich hier. Die weiteren Räumlichkeiten sind ein Bestandteil des Wochenendhauses, da sie, wie die Fotos auf Bl. 295 der Akte und Bl. 5 der Behördenakte zeigen, nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als Verlängerung des Wochenendhauses erscheinen. Für Passanten ist aufgrund der baulichen Verbindung, der einheitlichen Bauweise und dem gleichen Anstrich in keiner Weise erkennbar, dass es sich bei dem hinteren Teil des Gebäudes im Wesentlichen um Lagerräume handelt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.11.2011 - 8 A 10443/11 -, juris Rn. 75).
36 
c) Mildere, gleich geeignete Mittel als der angeordnete Rückbau kommen nicht in Betracht. Die Kläger haben insbesondere keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Grundfläche. Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans nur befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, ein Befreiungsgrund vorliegt und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Diese Voraussetzungen liegen hier schon deshalb nicht vor, weil es sich bei den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Grundfläche um Grundzüge der Planung handelt.
37 
Ob eine Festsetzung zu den Grundzügen der Planung gehört, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (BVerwG, Beschluss vom 19.05.2004 - 4 B 35/04 -, juris Rn. 3). Vorliegend zeigt die Begründung zum Bebauungsplan „R.“, dass dem Plangeber die Festsetzung zur Grundfläche derart wichtig war, dass der gesamte Plan mit dieser Festsetzung stehen und fallen sollte. So heißt es in Nr. 4 der Begründung, der Bebauungsplan werde aufgestellt, um die Eigenart des Gebietes als Wochenendhausgebiet zu erhalten. Noch konkreter wird es in der Nr. 5: Durch die vorgegebene maximale Gebäudegrundfläche sowie die Festsetzung einer Mindestgröße von Baugrundstücken solle die lockere Bebauung des Gebietes bewahrt werden. Der Plangeber wollte mithilfe der Grundflächenbegrenzung mithin sicherstellen, dass das Gebiet den Charakter eines Wochenendhausgebietes behält und nicht zu einem weiteren Wohngebiet wird.
38 
d) Gerichtlich überprüfbare Ermessensfehler vermag die Kammer nicht zu erkennen.
39 
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO lediglich, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Ermessensentscheidung ist mithin durch das Gericht nur eingeschränkt überprüfbar. Das Gericht ist insbesondere nicht befugt, einen Verwaltungsakt allein deshalb aufzuheben, weil es eine andere Vorgehensweise - aus welchen Gründen auch immer - präferiert. Die Ermessensentscheidung des Landratsamtes ist hiernach nicht zu beanstanden.
40 
aa) Ein Ermessensausfall liegt nicht vor. Das Landratsamt und das Regierungspräsidium haben im Bescheid vom 11.06.2012 und im Widerspruchsbescheid vom 21.12.2012 berücksichtigt, dass die Entscheidung über einen möglichen Rückbau in ihrem Ermessen steht. Im Änderungsbescheid vom 02.08.2012 hat das Landratsamt sein Ermessen sogar zugunsten der Kläger dahingehend ausgeübt, dass die Gebäudebreite 5 m überschreiten darf.
41 
bb) Ein Ermessensfehlgebrauch liegt gleichfalls nicht vor. Das Landratsamt und das Regierungspräsidium haben von ihrem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht und sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Das durch § 65 Satz 1 LBO eröffnete Ermessen ist grundsätzlich in Richtung auf ein behördliches Einschreiten gegen bauordnungsrechtliche Zustände intendiert. Die Baurechtsbehörde handelt daher grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 65 Satz 1 LBO und damit rechtmäßig, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (VGH Bad.Württ., Urteil vom 13.06.2007 - 3 S 39/07 -, juris Rn. 27; Urteil vom 16.04.2014 - 3 S 1962/13 -, juris Rn. 47; vgl. OVG Thüringen, Urteil vom 16.03.2010 - 1 KO 760/07 -, juris Rn. 43)
42 
cc) Das Landratsamt und das Regierungspräsidium haben ihr Ermessen schließlich auch nicht überschritten. Die Rückbauanordnung ist verhältnismäßig im engeren Sinne und steht mit höherrangigem Recht in Einklang.
43 
(1) Die (möglicherweise) hohen Rückbaukosten stehen der Rückbauanordnung nicht entgegen. Wer gegen Festsetzungen des Bebauungsplans verstößt, ist grundsätzlich nicht schutzwürdig und kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass ein Abriss hohe Kosten verursachen würde. Anderenfalls entstünde die paradoxe Situation, dass eine Rückbauanordnung umso eher unverhältnismäßig wäre, je größer der Verstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans ist. Ein Bauherr hätte es so in der Hand, durch den (besonders aufwändigen) Bau vollendete Tatsachen zu schaffen. Allein der Umstand, dass mit der Errichtung eines Gebäudes gewisse Werte geschaffen worden sind, kann einem bauaufsichtlichen Einschreiten zudem auch deshalb nicht entgegenstehen, da jeder Bauherr die Möglichkeit hat, seine Investitionen dadurch zu sichern, dass er sich eine Baugenehmigung beziehungsweise einen Bauvorbescheid erteilen lässt. Diese schützen ihn im Regelfall selbst dann, wenn sie materiellem Recht zuwider erteilt worden sind, wie dies in einigen Fällen im Wochenendhausgebiet möglicherweise vorgekommen ist (vgl. OVG Nds., Beschluss vom 09.03.2012 - 1 LA 140/09 -, juris Rn. 99). Dies haben die Kläger versäumt. Anstatt, wie es ihnen gemäß § 50 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 57 LBO ohne weiteres möglich gewesen wäre, bei der für derartige Anträge zuständigen Baubehörde einen Bauvorbescheid zu beantragen, haben sie sich allenfalls bei ihren Nachbarn und dem Voreigentümer erkundet.
44 
Unerheblich ist auch, ob und inwieweit ein Teilabriss aus bautechnischen Gründen realisierbar ist. Es liegt einzig und allein im Verantwortungsbereich der Kläger als Bauherren, sich zu überlegen, wie sie den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Grundfläche Genüge tun. Der Beklagte hat ihnen gar zugestanden, dass die Gebäudebreite die nach dem Bebauungsplan maximal zulässige Breite von 5 m überschreite, solange die maximal zulässige Grundfläche von 35 m² eingehalten wird. Mehr können die Kläger nicht verlangen.
45 
(2) Ein Ermessensfehler ergibt sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
46 
Es ist von den Klägern weder dargelegt worden noch sonst erkennbar, dass auf einem anderen Grundstück im Wochenendhausgebiet erstens ein derart massiver Verstoß gegen die Beschränkung der zulässigen Grundfläche vorliegt wie in ihrem Fall und dass das Landratsamt zweitens ausdrücklich erklärt hat, diesen zu dulden oder gar eine Befreiung erteilt hat. Aber selbst wenn ein einzelner solcher Fall vorliegen sollte, würde dies der Klage nicht automatisch zum Erfolg verhelfen, da Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gewährt (BVerwG, Beschluss vom 22.4.1995 - 4 B 55/95 - juris Rn. 4 m.w.N). Insofern wäre jedenfalls noch zu prüfen - etwa durch Zuziehung der Bauakten und Einnahme eines Augenscheins -, wann und unter welchen Umständen eine solche Duldung erteilt wurde. Es kann dem Landratsamt kaum allein deshalb verwehrt sein, gegen neuere rechtswidrige bauliche Anlagen einzuschreiten, weil man vor Jahren oder gar Jahrzehnten zu Unrecht eine Duldung oder Befreiung erteilt hat.
47 
Die Kläger berufen sich dementsprechend vielmehr darauf, dem Einschreiten des Landratsamts liege kein ausreichendes Konzept zugrunde. Dem folgt die Kammer nicht. Zwar ist den Klägern dahingehend Recht zu geben, dass die Baurechtsbehörde mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet ist, das ihr eingeräumte Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Aus diesem Grunde ist es ihr verwehrt, systemlos oder willkürlich nur gegen einzelne Bauvorhaben einzuschreiten. Dies bedeutet aber nicht, dass die Baurechtsbehörde verpflichtet wäre, rechtswidrige Zustände zeitgleich flächendeckend aufzugreifen. Aus dem Gleichheitssatz ergibt sich keine allgemeingültige zeitliche Grenze für ein unterschiedliches Vorgehen gegen baurechtswidrige Zustände. Vielmehr ist es der Baurechtsbehörde unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen. Ebenso darf die Behörde sich zunächst auf ein Vorgehen gegen einzelne Störer beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe hat (BVerwG, Beschluss vom 22.04.1995 - 4 B 55/95 -, juris Rn. 5; Beschluss vom 23.11.1998 - 4 B 99/98 -, Rn. 4). Einen sachlichen Grund stellt es dabei etwa dar, wenn die Behörde einen geeigneten Fall als "Musterfall" auswählt, um erst nach einer gerichtlichen Bestätigung ihrer Rechtsauffassung gleichartige Fälle aufzugreifen. Dies mag zwar kein idealer Zustand sein, ist aber nicht willkürlich (BVerwG, Beschluss vom 11.03.1991 - 4 B 26/91 -, juris Rn. 5). Ebenso ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die Behörde zunächst nur Fälle aufgreift, in denen eine Verschlechterung des bestehenden Zustands droht. In einem solchen Fall braucht sie sich nicht mit der Abwehr der Verschlechterung zu begnügen, sondern darf, da sie ohnehin mit der Angelegenheit befasst ist, weitergehend darauf hinwirken, dass der festgestellte Missstand insgesamt beseitigt wird (BVerwG, Beschluss vom 19.02.1992 - 7 B 106/91 -, juris Rn. 2). Die Grenze der Zulässigkeit ist erst überschritten, wenn es nach der Art des Einschreitens an jedem System fehlt, für die Art des Vorgehens keinerlei einleuchtenden Gründe sprechen und die Handhabung deshalb als willkürlich angesehen werden muss (BVerwG, Beschluss vom 22.04.1995 - 4 B 55/95 -, juris Rn. 5; Beschluss vom 23.11.1998 - 4 B 99/98 -, Rn. 4). Diesen Anforderungen genügt die Vorgehensweise des Landratsamts.
48 
(2.1) Dem Einschreiten des Landratsamtes liegt ein System zugrunde. Das Landratsamt hat im „Konzept“ der Anlage 1 und in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass das Wochenendhausgebiet, nachdem die Gemeinde am Bebauungsplan „R.“ festhalte, zukünftig systematisch Schritt für Schritt von Westen nach Osten kontrolliert werden solle. Schwere und bereits bekannte Verstöße würden präferiert und möglichst zeitnah aufgegriffen. Die weitere Abarbeitung und Aufdeckung werde einige Zeit in Anspruch nehmen und voraussichtlich bis 2017 erfolgen. Die laufenden Verfahren würden als Musterprozesse weitere Erkenntnisse hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Landratsamtes ergeben. Daneben solle weiterhin auch anlassbezogen vorgegangen werden. Werde das Landratsamt auf konkrete Verstöße aufmerksam gemacht, solle stets auch die nähere Umgebung in den Blick genommen werden. Anhaltspunkte, an der Ernsthaftigkeit dieser Absicht zu zweifeln, gibt es nicht. Die Angaben des Landratsamts im „Konzept“ zum bisherigen Erlass von Ordnungsverfügungen, die amtliche Bekanntmachung vom 19.03.2015 im M. Mitteilungsblatt und das Rundschreiben vom 26.05.2015 belegen, dass das Landratsamt bemüht ist, die Festsetzungen des Bebauungsplanes durchzusetzen. Das Gericht hat die Angaben des Landratsamtes stichprobenartig überprüft (vgl. Bl. 247 d.A.) und kann bestätigen, dass das Landratsamt gegen die Eigentümer R., B., S., Sch., D. und M. tatsächlich, wie vom Landratsamt im „Konzept“ beschrieben, eingeschritten ist.
49 
(2.2) Dass das Landratsamt das schriftliche „Konzept“ der Anlage 1 erst im laufenden Gerichtsverfahren erarbeitet hat, ist unerheblich. § 114 Satz 2 VwGO erlaubt es der Verwaltungsbehörde ausdrücklich, ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu ergänzen. Aus dem Wort „ergänzen“ folgt dabei zwar, dass nur die Fälle unter § 114 Satz 2 VwGO fallen, in denen unvollständige Ermessenserwägungen ergänzt werden, nicht hingegen jene, in denen es bisher an jeglichen Ermessenserwägungen fehlte, das Ermessen also noch gar nicht ausgeübt wurde oder die Ermessenserwägungen vollständig ausgewechselt werden (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 114 Rn. 12e m.w.N.). Diese Grenze ist vorliegend aber (noch) gewahrt. Das Landratsamt hat bereits im Bescheid vom 11.06.2012 erklärt, gegen das erst kürzlich errichtete Wochenendhaus der Kläger sei einzuschreiten, weil von ihm eine negative Vorbildfunktion ausgehe und anderenfalls zu befürchten sei, dass weitere gleichartige oder ähnliche Bauvorhaben realisiert würden. Man habe überdies auch in anderen vergleichbaren Fällen entsprechende Anordnungen getroffen. Im Widerspruchsbescheid vom 21.12.2012 hat das Regierungspräsidium X ergänzend ausgeführt, dass seit Inkrafttreten des Bebauungsplans „R.“ im Jahr 2005 verstärkt auf die baulichen Tätigkeiten geachtet werde. Hinweisen auf Verstöße werde möglichst rasch und gründlich nachgegangen, dennoch dauerten die Verfahren oftmals längere Zeit. Wenn diese Angaben, wie auch die schriftliche, mehrseitige Übersicht „Bestandsaufnahme 2012“ (Bl. 159 ff. d.A.), viele Fragen offenließen, so zeigen sie doch, dass das Landratsamt sich seiner aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Verpflichtung, nach und nach in allen vergleichbaren Fällen einzuschreiten, von Anfang an bewusst war und sich dementsprechend bemühte, gegen mehrere Eigentümer vorzugehen. Dies genügt den Anforderungen des § 114 Satz 2 VwGO (ebenso wohl BayVGH, Beschluss vom 21.01.2003 - 14 ZB 02.1303 -, juris Rn. 5 ff.; Urteil vom 06.11.2007 - 14 B 06.1933 -, juris Rn. 35; VG Regensburg, Urteil vom 07.04.2011 - RO 2 K 10.02191 -, juris Rn. 16; mehrdeutig hingegen OVG Thüringen, Urteil vom 16.03.2010 - 1 KO 760/07 -, juris Rn. 43 ff.).
50 
(2.3) Nicht entscheidend ist auch, ob das Landratsamt tatsächlich bereits alle Grundstücke erfasst und systematisiert hat, auf denen Verstöße gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegen. Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet die Baurechtsbehörde nicht, eine solche abschließende Übersicht zu erstellen, bevor sie gegen einzelne Bauten einschreitet. Zum einen würde dies ein Einschreiten in großen Gebieten wie dem vorliegenden mit über 300 Grundstücken unnötig hinauszögern, in Einzelfällen möglicherweise gar für immer, da die Baurechtsbehörde bei jeder baulichen Änderung verpflichtet wäre, diese in ihre Bestandserfassung einzuarbeiten, bevor sie die erste Baueinstellungsverfügung erlassen könnte. Zum anderen liefe eine solche Anforderung dem höchstrichterlich entwickelten und allgemein akzeptierten Grundsatz zuwider, dass die Baurechtsbehörde Musterprozesse führen darf, um die so gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der weiteren Vorgehensweise verwerten und ihre personellen und sachlichen Mittel möglichst effektiv einsetzen zu können. Ausreichend ist daher, wenn die Baubehörde bereits beim ersten Einschreiten gegen mehrere Bauwerke plant, schrittweise auch gegen alle - und somit auch gegen ihr bis dato noch nicht bekannt gewordene oder von ihr noch nicht systematisch erfasste - weiteren rechtswidrigen Bauten einzuschreiten und dies glaubhaft macht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 21.01.2003 - 14 ZB 02.1303 -, juris Rn. 6 f.; VG Ansbach, Urteil vom 08.12.2014 - AN 9 K 13.01998, AN 9AN 9 K 13.01999 -, juris Rn. 53; mehrdeutig und möglicherweise a.A. hingegen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - 3 S 1962/13 -, juris Rn. 50).
51 
(2.4) Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Landratsamt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht anhand konkreter Maßangaben definiert hat, in welchen Fällen zukünftig Rückbauverfügungen ergehen sollen, wann lediglich ein Bußgeld verhängt wird und wann eine Befreiung erteilt werden kann. Der Beklagte hat angegeben, Wert darauf zu legen, dass die Grundzüge der Planung nicht tangiert werden. Duldungen oder gar nachträgliche Genehmigungen kämen im Regelfall nur dann in Betracht, wenn es sich um Randkorrekturen handele, nicht aber bei gravierenden Verstößen, die ein neuerliches Planerfordernis auslösten. Bei Wohnflächenerweiterungen oder Erweiterungen der zulässigen Grundfläche über die zulässigen 35 m² hinaus sei stets eine sehr strenge Handhabung geboten, da die Größe der Grundfläche im Regelfall auch Grundzüge der Planung berühre. Diese Angaben genügen. Es würde dem ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Einschreitensermessen nicht gerecht, wenn das Landratsamt jeweils blind eine mathematische Formel anwenden würde, ohne den konkreten Einzelfall zu betrachten.
52 
3. Die Rückbauverfügung der Ziffer 3 des Bescheides vom 11.06.2012 ist ebenfalls rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für ihren Erlass war wiederum § 65 Satz 1 LBO. Dessen materielle Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor.
53 
a) Die Kläger sind auch insoweit nicht im Besitz einer die Geschirrhütte formell legalisierenden Baugenehmigung.
54 
b) Die Geschirrhütte stand in keinem Zeitpunkt im Einklang mit dem materiellen Recht. Ihre Kubatur überschreitet, wie die Kläger selbst einräumen, deutlich die nach Zif. 1.1.2 des Bebauungsplans maximal zulässige Größe von 15 m³. Ob an gleicher Stelle zuvor eine noch viel größere Geschirrhütte stand, ist unerheblich. Ein eventueller Bestandsschutz wäre spätestens mit dem Abriss entfallen.
55 
c) Es ist nicht erkennbar, dass auf andere Weise rechtmäßige Zustände geschaffen werden können. Die Kläger haben insbesondere keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Grundfläche von Nebenanlagen. Die Erteilung einer solchen Befreiung wäre nicht vereinbar mit den öffentlichen Belangen im Sinne des § 31 Abs. 2 a.E. BauGB. Die Geschirrhütte hat, wie die Kammer dem Protokoll des Ortstermins vom 29.10.2014 entnimmt (Bl. 147 ff. d.A.), eine Länge von 5,95 m, eine Breite von 3,40 m und eine Höhe von 2,35 m (südlich/talseits) beziehungsweise 1,70 m (nördlich/bergseits). Ihre Kubatur beträgt mithin rund 40 m³. Dies ist fast das Dreifache der nach dem Bebauungsplan maximal zulässigen 15 m³. Erteilte das Landratsamt den Klägern hier eine Befreiung, müsste es gegenüber anderen Grundstückseigentümern grundsätzlich genauso agieren. Die Begrenzung der Kubatur auf maximal 15 m³ würde so faktisch aufgehoben werden.
56 
d) Die erfolgte Ermessensausübung lässt keine gerichtlich überprüfbaren Fehler erkennen. Es gilt das oben unter 2.d) Ausgeführte entsprechend.
57 
4. Die Beseitigungsanordnung der Ziffer 4 des Bescheides vom 11.06.2012 ist gleichfalls rechtmäßig. Die materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer solchen auf § 65 Satz 1 LBO gestützten Verfügung liegen vor.
58 
a) Die Kläger sind auch insoweit nicht im Besitz einer Baugenehmigung.
59 
b) Die Mauer stand in keinem Zeitpunkt im Einklang mit dem materiellen Recht. Sie widerspricht gleich in zweifacher Hinsicht der örtlichen Bauvorschrift der Ziff. 2.8 des Bebauungsplans, wonach Einzäunungen mit einem bis zu 1,50 Meter hohen Maschendrahtzaun zulässig sind. Aus dieser Regelung folgt im Umkehrschluss, dass - erstens - Einfriedungen über 1,50 Meter und - zweitens - Einfriedungen in Form von Mauern unzulässig sind. Die Mauer der Kläger ist jedoch über 1,50 m hoch. Es handelt sich bei ihr zudem um eine massive, blickdichte Mauer und nicht bloß um einen Maschendrahtzaun.
60 
Der Einwand der Kläger, die Mauer liege ca. 60 cm innerhalb ihres Grundstücks, sie könnten einen Zaun mit einer Höhe von 1,50 m vor die Mauer bauen, rechtfertigt keine andere Bewertung. Die Errichtung eines solchen Zaunes stellte angesichts des geringen Grenzabstandes der Mauer eine unzulässige Umgehung der örtlichen Bauvorschrift dar. Überdies wäre die so entstehende Mauer auf dem Grundstück als Nebenanlage zu qualifizieren und damit gemäß Ziff. 1.1.2 des Bebauungsplanes unzulässig.
61 
c) Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung. Eine solche wäre nicht vereinbar mit den öffentlichen Belangen im Sinne des § 31 Abs. 2 a.E. BauGB.
62 
Eine Befreiung ist umso eher unvereinbar mit den öffentlichen Belangen, je tiefer sie in das Interessengeflecht der Planung eingreifen würde (BVerwG, Urteil vom 09.06.1978 - 4 C 54/75 -, juris Rn. 28). Vorliegend würde eine Befreiung die gemeindlichen Planungsvorstellungen massiv tangieren. Ziel des Bebauungsplans war laut der Zif. 5 der amtlichen Begründung unter anderem, für eine lockere Bebauung zu sorgen (s.o.). Dieses Ziel wird durch die Mauer der Kläger konterkariert. Die Mauer schottet das klägerische Grundstück vom öffentlichen Weg aus deutlich ab, wie die Fotos auf Blatt 295 der Akte und Blatt 5 der Behördenakte zeigen. Soweit das Grundstück der Kläger derzeit vom öffentlichen Weg aus noch einsehbar ist, basiert dies im Wesentlichen darauf, dass das Nachbargrundstück nicht bebaut ist. Hierauf können sich die Kläger aber nicht berufen, da sie keinen Einfluss auf die dortige Bebauung haben. Von einer Befreiung ginge zudem eine negative Vorbildfunktion aus, die das Bemühen des Beklagten um Einhaltung der Einfriedungsvorschriften unterlaufen würde. Die Kläger haben mit dem Bau der Mauer gleich in zweifacher Hinsicht vorlässig oder jedenfalls grob fahrlässig gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans verstoßen. Ein solcher Verstoß kann nicht durch die Erteilung einer Befreiung legalisiert werden.
63 
d) Die erfolgte Ermessensausübung lässt keine gerichtlich überprüfbaren Fehler erkennen. Auch an dieser Stelle gilt das oben unter 2.d) Ausgeführte entsprechend.
B.
64 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Erklärung, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig war, beruht auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, ist vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Notwendig ist die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten in der Regel dann, wenn es dem Beteiligten nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zuzumuten war, das Verfahren selbst zu führen (BVerwG, Urteil vom 15.02.1991 - 8 C 83.88 -, juris Rn. 15). Dabei ist die Schwierigkeit, der Umfang der Sache und die persönliche Sach- und Rechtskunde des Widerspruchsführers zu berücksichtigen (OVG NRW, Beschluss vom 19.09.1973 - 2 B 701/73 -, juris). In diesem Sinne war die Zuziehung des bevollmächtigten Rechtsanwalts durch die Kläger im Vorverfahren notwendig. Die Bescheide des Landratsamtes vom 11.06.2012 und vom 02.08.2012 warfen eine Reihe rechtlicher Probleme auf. Es konnte nicht erwartet werden, dass die Kläger als juristische Laien diese selbstständig ohne juristischen Beistand lösten.
65 
Gründe, die eine Berufungszulassung durch das Verwaltungsgericht ermöglichen (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO), sind nicht erkennbar.
66 
Beschluss vom 20.04.2016
67 
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 26.800 EUR festgesetzt.
68 
Gründe
69 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht schätzt den Zeitwert des Wochenendhauses, soweit es zurückzubauen ist, zuzüglich der Abrisskosten auf 20.000 EUR (vgl. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs 2013 der Verwaltungsgerichtsbarkeit, VBlBW 2014, Beilage zu Heft 1), die möglichen Streichkosten auf 2.000 EUR, den Zeitwert der zurückzubauenden Geschirrhütte zuzüglich Abrisskosten auf 3.000 EUR, den Zeitwert der Mauer zuzüglich Abrisskosten auf 1.500 EUR und die Pflanzkosten auf 100 EUR je Baum.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 13. Apr. 2016 - 2 K 158/13

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Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 14 Nebenanlagen; Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen


(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht wide

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 13. Apr. 2016 - 2 K 158/13 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 13. Apr. 2016 - 2 K 158/13 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 08. Dez. 2014 - AN 9 K 13.01998

bei uns veröffentlicht am 08.12.2014

Tenor 1. Die Klagen werden abgewiesen. 2. Die Kläger haben die Kosten der Verfahren zu tragen. 3. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung i.H.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Apr. 2014 - 3 S 1962/13

bei uns veröffentlicht am 16.04.2014

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2012 - 5 K 588/11 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand   1

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Jan. 2013 - 8 S 2919/11

bei uns veröffentlicht am 10.01.2013

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. September 2011 - 8 K 4237/09 - geändert. Der Bescheid des Landratsamts Tübingen vom 15. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides des Regierungspr

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Nov. 2011 - 8 A 10443/11

bei uns veröffentlicht am 22.11.2011

Tenor Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13. Januar 2011 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 29. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. August 2010 hi

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 13. Juni 2007 - 3 S 39/07

bei uns veröffentlicht am 13.06.2007

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. September 2006 - 2 K 1085/05 - geändert. Die Klage gegen die Verfügung der Beklagten vom 08.07.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungs

Referenzen

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. September 2011 - 8 K 4237/09 - geändert. Der Bescheid des Landratsamts Tübingen vom 15. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides des Regierungspräsidiums Tübingen vom 20. November 2009 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist Landwirt. Das Landratsamt Tübingen erteilte ihm am 24.07.2007 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Milchvieh-Laufstalles mit Melkhaus und geschlossener Güllegrube auf einem Grundstück im Außenbereich der Gemeinde ... Nebenbestimmung Nr. 15 zur Baugenehmigung ordnet als "naturschutzrechtliche Maßnahme" an:
"Die geschlossenen Außenwände des Milchviehlaufstalles sind mit einer sägerauen Holzverschalung zu verkleiden. Sollte ein Anstrich erfolgen, ist ein dunkelbrauner Farbton zu verwenden. Sofern das Melkhaus nicht mit einer sägerauen Holzverschalung verkleidet werden sollte, sind die Außenwände in einem landschaftlich unauffälligen Farbton zu gestalten."
Mit einer ergänzenden Änderungsbaugenehmigung vom 16.01.2008 genehmigte das Landratsamt unter Fortgeltung aller Bestandteile der Baugenehmigung vom 24.07.2007 eine geringere Stallbreite, die Verlängerung des Melkhauses, eine geänderte Dachform und die Verschiebung der Güllegrube.
Der Kläger errichtete das Melkhaus ohne Verkleidung mit sägerauer Holzverschalung und strich die Außenwände in grüner Farbe. Das Landratsamt sah darin einen Verstoß gegen die Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007. Es forderte den Kläger nach einem Augenschein unter Hinweis auf die Möglichkeit einer Vollstreckung der Nebenbestimmung auf, die Außenwände des Melkhauses zur Vermeidung einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes in landschaftlich unauffälligem Farbton zu streichen. Der Kläger lehnte eine Änderung des Außenanstrichs ab. Er wandte ein, er habe bei einem Gespräch mit drei Mitarbeitern des Landratsamts vorgeschlagen, die Behörde möge den Farbton festlegen. Ihm sei geantwortet worden, das überlasse man ihm. Er habe sich daraufhin für Grün entschieden, weil es die in der umgebenden Landschaft dominanteste Farbe sei, wie insbesondere ein Vergleich mit Grünland und Maisschlag zeige.
Mit Bescheid vom 15.06.2009 verfügte das Landratsamt gegenüber dem Kläger:
"1. Für den Fall dass Sie Satz 3 der Auflage Nr. 15 (naturschutzrechtliche Auflage) aus der Baugenehmigung vom 24.07.2007 nicht bis spätestens 28.07.2009 nachkommen und die Außenwände des Melkhauses nicht in einem landschaftlich unauffälligen Farbton anstreichen (alternativ mit einer sägerauen Holzverschalung verkleiden), wird gegen Sie ein Zwangsgeld von 400,-- EUR festgesetzt werden.
2. Für diese Entscheidung wird eine Gebühr in Höhe von 15,-- EUR festgesetzt."
Mit seinem Widerspruch brachte der Kläger vor, die betreffende Nebenbestimmung sei unbestimmt und nicht vollstreckbar. Außerdem sei die Zwangsgeldandrohung ermessensfehlerhaft und verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, weil das Landratsamt ihm die Farbgebung für das Melkhaus auf Nachfrage ausdrücklich selbst überlassen habe.
Das Regierungspräsidium Tübingen wies den Widerspruch mit Bescheid vom 20.11.2009 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23.11.2009 zugestellt.
10 
Am 23.12.2009 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid des Landratsamts Tübingen vom 15.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 20.11.2009 aufzuheben. Der Begriff "landschaftlich unauffälliger Farbton“ sei nirgendwo definiert und auch nicht anhand von Farbskalen bestimmbar. Es wäre dem Landratsamt möglich, den Farbton ebenso genau festzulegen, wie dies für den Fall einer Holzverschalung mit "dunkelbraun" geschehen sei. Die Gefahr, dass einer neuer Farbanstrich aus Sicht des Landratsamtes wiederum als landschaftlich auffällig erscheine, sei ihm nicht zumutbar. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, die Formulierung "landschaftlich unauffälliger Farbton“ meine einen gedeckten Farbton, der im Landschaftsbild nicht heraussteche. Alle bunten, leuchtenden, klaren Farben seien danach unzulässig. Dies folge auch aus dem Zusammenhang mit der für den Fall einer sägerauen Holzverschalung angeordneten Anstrichfarbe "dunkelbraun". Der grellgrüne Anstrich beeinträchtige die natürliche Eigenart der Landschaft und verunstalte das Orts- und Landschaftsbild. Die vom Kläger angegebenen Mitarbeiter des Landratsamts hätten ihm keine freie Farbauswahl zugestanden, sondern einen landschaftlich unauffälligen Farbton verlangt; insoweit werde auf deren schriftliche Äußerungen vom 06.09.2011 verwiesen.
11 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach informatorischer Anhörung eines sachverständigen Zeugen sowie nach Einnahme eines Augenscheins mit Urteil vom 08.09.2011 abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Zwangsgeldandrohung sei nach §§ 2, 18, 19, 20 und 23 LVwVG rechtmäßig. Die Nebenbestimmung Nr. 15 sei bestandskräftig und damit nach § 2 Nr. 1 LVwVG vollstreckbar. Die Kammer habe allerdings erhebliche Zweifel, ob sie i. S. des § 37 Abs. 1 LVwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt sei. Zwar gebe es einen Kernbereich an Farbtönen, die ohne vernünftige Zweifel und subjektiv verschiedene Bewertungsmöglichkeiten "landschaftlich unauffällig" seien, wie etwa viele Braun-, Grau- und Grüntöne. Das vom Kläger gewählte Grün gehöre dazu nicht, weil es im Landschaftsumfeld nicht anzutreffen sei, sich von diesem sehr deutlich abhebe, geradezu hervorsteche, fremd wirke und damit eindeutig zu den Farbtönen gehöre, welche die Formulierung "landschaftlich unauffällig" ausschließe. Jedoch bleibe darüber hinaus noch ein nicht zu vernachlässigender Bereich an Farbtönen, über deren Einordnung als "landschaftlich unauffällig" durchaus verschiedene vernünftige subjektive Bewertungen möglich seien. Gleichwohl könne offen bleiben, ob die Nebenbestimmung Nr. 15 gegen § 37 Abs. 1 LVwVfG verstoße. Denn der Verstoß wäre jedenfalls nicht offensichtlich und die Nebenbestimmung daher allenfalls rechtswidrig, aber nicht nichtig. Offensichtlichkeit setzte voraus, dass der Verwaltungsakt völlig unverständlich und/oder undurchführbar wäre. Das sei hier nicht der Fall, weil es einen bestimmbaren Kernbereich "landschaftlich unauffälliger" Farbtöne gebe. Insoweit habe die Nebenbestimmung einen vollstreckbaren Inhalt. Einer Vollstreckung stehe auch nicht der Einwand entgegen, Mitarbeiter der Behörde hätten ihm bei einem Gespräch im Landratsamt vor Erteilung der Baugenehmigung die Auswahl der Farbe selbst überlassen. In der mündlichen Verhandlung habe sich zweifelsfrei ergeben, dass dem Kläger in diesem Gespräch und danach stets klar gewesen sei, dass er bei der Farbauswahl keine völlig frei Hand gehabt habe, vielmehr nur im Rahmen dessen, was "in die Landschaft passt". Unter Berücksichtigung dessen sowie aller weiteren Umstände des Einzelfalles sei die Vollstreckung nicht missbräuchlich. Das Urteil wurde dem Kläger am 23.09.2011 zugestellt.
12 
Mit seiner am 20.10.2011 eingelegten und zugleich begründeten Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seine Klagebegründung legt ergänzend dar: Die Unbestimmtheit und Nichtvollstreckbarkeit der Nebenbestimmung Nr. 15 folgten aus der Unmöglichkeit, die Grenze zwischen "landschaftlich auffällig“ und "landschaftlich unauffällig“ zu definieren. Es gebe eine Grauzone, in der die Zuordnung eines Farbtons zu dem einen oder anderen in die subjektive Bewertung des Betrachters gestellt sei. Die von ihm gewählte Farbe gehöre zumindest in diese Grauzone. Da sich grüne Farbtöne in der Landschaft wiederfänden, sei sie aber auch zum Kernbereich des Begriffs "landschaftlich unauffälliger Farbton“ zu zählen. Die Auflage habe keinen über eine abstrakt-generelle Regelung entsprechend § 1 Abs. 4 Nr. 1 BNatSchG hinausgehenden Regelungsgehalt. Unklarheiten des Inhalts eines Verwaltungsaktes gingen zudem zu Lasten der Behörde.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichtes Sigmaringen vom 08.09.2011 - 8 K 4237/09 - zu ändern und den Bescheid des Landratsames Tübingen vom 15.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides des Regierungspräsidiums Tübingen vom 20.11.2009 aufzuheben.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und erwidert: Die Beschreibung der Farbe mit den Worten "landschaftlich unauffällig“ oder "dunkelbraune Töne“ sei im Sinne eines Kernbereichs von Farben hinreichend bestimmbar. Sowohl anhand dieser Formulierung als auch durch Auslegung des Gesamtzusammenhangs ergebe sich, dass für den Kläger eindeutig erkennbar sei, was von ihm gefordert werde. Gegen eine Nichtigkeit im Sinne eines schwerwiegenden offensichtlichen Fehlers spreche auch, dass der Kläger selbst keine offenkundigen Fehler bemerkt habe, da er ansonsten gegen die Auflage vorgegangen wäre. Die Auflage wiederhole nicht lediglich den Regelungsgehalt des § 1 Abs. 4 Nr. 1 BNatSchG, sondern konkretisiere vielmehr dieses allgemeine naturschutzrechtliche Verunstaltungsgebot.
18 
Die Beteiligten haben einer Entscheidung über die Berufung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
19 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Landratsamts, des Regierungspräsidiums Tübingen und des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung ist auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Landratsamts Tübingen vom 15.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 20.11.2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn die darin nach § 20 LVwVG verfügte Zwangsgeldandrohung verstößt gegen § 2 LVwVG, weil die mit dem angedrohten Zwangsmittel zu vollstreckende Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 mangels hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit kein vollstreckungsfähiger Verwaltungsakt im Sinne des § 2 LVwVG ist. Sie ist demzufolge ebenso wie die ihr rechtliches Schicksal insoweit teilende (vgl. § 24 LGebG) Gebührenfestsetzung im angefochtenen Bescheid aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22 
Nach § 2 LVwVG können Verwaltungsakte vollstreckt werden, wenn sie unanfechtbar geworden sind oder wenn die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt. Die Vorschrift regelt eine allgemeine Voraussetzung für Maßnahmen, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden, und gilt demzufolge auch bereits für eine Zwangsmittelandrohung nach § 20 LVwVG. Sie ermöglicht nur die Vollstreckung eines im Sinne inhaltlich hinreichender Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 LVwVfG) vollstreckungsfähigen Verwaltungsakts als Grundlage (Titel) der Verwaltungsvollstreckung. Denn die für Einleitung und Durchführung der Verwaltungsvollstreckung erforderliche konkrete Feststellung, dass der Pflichtige seine Verpflichtung aus dem Verwaltungsakt noch nicht erfüllt hat (vgl. auch § 20 Abs. 1 Satz 2 LVwVG), ist nur bei einem inhaltlich hinreichend bestimmten Verwaltungsakt möglich. Ist ein Verwaltungsakt wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht vollstreckungsfähig, schließt dieser Mangel Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung aus (VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 04.11.1980 - 10 S 890/80 - und vom 09.04.1981 - 10 S 2129/80 - VBlBW 1982, 97 <98>; OVG Hamburg, Urteil vom 03.07.1952 - OVG Bf. II 604/51 - VwRspr Bd. 5 Nr. 117; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.01.1998 - 10 B 3029/97 - BRS 60 Nr. 171; Bayerischer VGH, Beschluss vom 04.07.2012 - 22 ZB 12.204 - juris; Fliegauf/Maurer, LVwVG, 2. Auflage, § 1 Rn. 3; Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bundes und der Länder, 1997, S. 177 f.; Sadler, VwVG, VwZG, 8. Auflage, § 6 Rn. 13; Schneider, LVwVG, § 1 Rn. 4). Das gilt auch dann, wenn der Bestimmtheitsmangel "nur" zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts infolge Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 Abs. 1 LVwVfG) führt. Denn auch ein - bestandskräftiger oder sofort vollziehbarer - wirksamer, aber inhaltlich unbestimmter Verwaltungsakt ist nicht vollstreckungsfähig. Insoweit erfährt der tragende Grundsatz des Verwaltungsvollstreckungsrechts, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme auf die Rechtmäßigkeit einer Grundverfügung nicht ankommt (BVerwG, Urteil vom 13.03.1984 - 4 C 31.81 - NJW 1984, 2591 <2592>; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss des 1. Senats vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 - NVwZ 1999, 290), eine Ausnahme. Die Unbestimmtheit der Grundverfügung "infiziert" eine zu ihrer Durchsetzung ergehende Vollstreckungsmaßnahme (vgl. Lemke, a.a.O.).
23 
Das Bestimmtheitsgebot nach § 37 Abs. 1 LVwVfG erfordert zum einen, dass der Adressat einer Regelung in der Lage sein muss zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist. Zum Anderen muss der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts, insbesondere nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und dem mit ihm verfolgten Zweck (BVerwG, Beschluss vom 13.10.2010 - 7 B 50.10 - juris Rn. 8 und Urteil vom 02.07.2008 - 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 m.w.N.). Dabei muss sich die “Regelung“ (§ 35 Satz 1 LVwVfG) nicht unmittelbar und allein aus dem Entscheidungssatz ergeben. Es reicht aus, wenn sie sich aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen, unzweifelhaft erkennen lässt (BVerwG, Urteil vom 25.04.2001 - 6 C 6.00 - BVerwGE 114, 160 m.w.N.). Will oder muss die Behörde dem Betroffenen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Freiheit überlassen, selbst auszuwählen, mit welchem Mittel das mit dem Verwaltungsakt verfolgte Ziel erreicht werden soll, kann oder muss sie sich auf die Angabe eines Zieles beschränken. Das gilt gerade auch bei Verpflichtungen, welche in die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Verfügungsbefugnis über das Grundeigentum eingreifen. Insoweit kann es demzufolge geboten sein, die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Anordnung zur Durchsetzung baurechtlicher Vorschriften gering zu halten (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 - 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335 <339, 341>). Auch ein solcher, nur das Ziel regelnder Verwaltungsakt kann vollstreckungsfähig sein, vorausgesetzt, das Ziel ist inhaltlich hinreichend bestimmt bezeichnet (vgl. Lemke, a.a.O. S. 179).
24 
Gemessen daran ist die mit dem angedrohten Zwangsmittel zu vollstreckende Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 "Sofern das Melkhaus nicht mit einer sägerauen Holzverschalung verkleidet werden sollte, sind die Außenwände in einem landschaftlich unauffälligem Farbton zu gestalten." kein vollstreckungsfähiger Verwaltungsakt i. S. des § 2 LVwVG. Sie ist inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.
25 
Die Nebenbestimmung schreibt dem Kläger unter der - hier eingetretenen - Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG), dass das genehmigte Melkhaus nicht mit einer sägerauen Holzverschalung verkleidet wird, zur Sicherstellung der gesetzlichen, insbesondere naturschutzrechtlichen (vgl. §§ 13 ff. BNatSchG), Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO) ein positives Tun im Sinne einer erzwingbaren Auflage vor (§ 36 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG). Die Auflage bezeichnet zwar den Gegenstand dieser Handlungspflicht (Außenwände des Melkhauses) hinreichend bestimmt. Das trifft aber nicht für ihren weiteren Regelungsgehalt "in einem landschaftlich unauffälligem Farbton zu gestalten" zu. Insoweit ist der im objektiven Erklärungswert der Auflage zum Ausdruck kommende behördliche Wille unterschiedlicher subjektiver Bewertung zugänglich.
26 
Das Landratsamt hat sich zur Erreichung des mit der Auflage verfolgten naturschutzrechtlichen Zieles, eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die farbliche Gestaltung der Außenwände des Melkhauses zu vermeiden, erkennbar darauf beschränken wollen, dem Kläger als Bauherrn lediglich dieses Ziel vorzuschreiben, ihm aber die Auswahl der konkreten Farbe selbst zu überlassen. Das ist zwar - wie dargelegt - im Grundsatz rechtlich nicht zu beanstanden. Sie hat ihr naturschutzrechtliches Ziel jedoch, auch wenn die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Anordnung zur Durchsetzung baurechtlicher Vorschriften gegebenenfalls gering zu halten sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990. a.a.O.), inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Ihre Formulierung "landschaftlich unauffälliger Farbton" eröffnet einen weiten Wertungsspielraum, der ohne eine weitere Konkretisierung offen lässt, welcher farbliche Außenanstrich noch oder nicht mehr zulässig ist. Sie bezieht sich nach der auch für den Kläger erkennbaren Zielrichtung der - nicht weiter begründeten - Auflage zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 zwar nicht auf irgendeine Landschaft, sondern nur auf diejenige in der Umgebung des Melkhauses. Sie präzisiert aber nicht hinreichend, welche - dem Kläger prinzipiell freigestellte - Farbtöne in dieser Landschaft "auffällig" oder "unauffällig" sind. Zwar mag die Formulierung einzelne für jeden vor Ort und zu jeder Jahreszeit und Witterung eindeutig als landschaftlich auffällig erkennbare Farbtöne wie Rot oder Gelb ausschließen oder umgekehrt für jeden dort eindeutig als landschaftlich unauffällig erkennbare Farbtöne in Dunkelbraun zulassen. Im Übrigen ist jedoch in Anbetracht sowohl der Variationsbreite möglicher Farbtöne (vgl. etwa den RAL-Farbkatalog) und Lichtverhältnisse als auch jahreszeitlich- und witterungsbedingt unterschiedlicher Farben der Landschaft selbst (grüne Wiesen im Sommer, weiße schneebedeckte Wiesen im Winter) eine klare, keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugängliche und insbesondere auch für eine mögliche Vollstreckung der Auflage nötige Abgrenzung eines "landschaftlich auffälligen" von einem "landschaftlich unauffälligen" Farbanstrich des genehmigten Melkhauses in der konkreten Umgebung des Bauvorhabens nicht möglich. Das gilt gerade auch für grüne Farbtöne, wie der RAL-Farbkatalog verdeutlicht.
27 
Will die Behörde eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch den Außenanstrich eines Gebäudes im Außenbereich vermeiden, muss sie deshalb entweder dem Bauherrn - vor allem, wenn er damit einverstanden ist - eine Auswahl zulässiger konkreter Farbtöne positiv vorgeben oder aber, wenn sie nicht übermäßig in seine Verfügungsbefugnis eingreifen will, sich darauf beschränken, nur eine Auswahl unzulässiger konkreter Farbtöne zu bezeichnen. Dass dies ohne Weiteres möglich und zumutbar ist, zeigt schon die Tatsache, dass das Landratsamt in Satz 2 derselben Nebenbestimmung für den Anstrich der sägerauen Holzverschalung des Milchviehlaufstalles den Farbton "dunkelbraun" vorgeschrieben hat. Es ist auch nicht Aufgabe des Klägers, sich nach Erlass der Baugenehmigung bei der Behörde nach der Zulässigkeit des von ihm gewählten Farbtons zu erkundigen. Aus § 36 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 37 Abs. 1 LVwVfG folgt vielmehr das Gegenteil. Schon aus dem Regelungsgehalt der Auflage selbst muss hinreichend bestimmt oder jedenfalls bestimmbar sein, welcher Farbanstrich vorgeschrieben ist. Unklarheiten muss der Adressat nicht in Eigeninitiative aufklären. Diese gehen vielmehr zu Lasten der Behörde (BVerwG, Urteil vom 12.01.1973 - VII C 3.71 - BVerwGE 41, 306, und vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301 <317>; Kopp/Ramsauer VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 37 Rn. 5).
28 
Nicht gefolgt werden kann der sinngemäßen Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Regelungsgehalt der streitigen Auflage sei jedenfalls hinsichtlich solcher Farbtöne hinreichend bestimmt und vollstreckungsfähig, die "ohne vernünftige Zweifel und ohne vernünftige subjektiv verschiedene Bewertungsmöglichkeiten" als landschaftlich unauffällig oder auffällig anzusehen seien. Einer solchen, gleichsam geltungserhaltend-reduzierenden Auslegung der Nebenbestimmung steht hier bereits der erkennbare Wille der Behörde entgegen, dem Kläger nur das Ziel vorzuschreiben, ihm aber die Auswahl der konkreten farblichen Gestaltung selbst zu überlassen. Ungeachtet dessen schließen aber auch Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgebots sowie die berechtigten Interessen des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts eine solche Auslegung aus. Das Bestimmtheitsgebot dient der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit. Unklarheiten im objektiven Erklärungswert gehen zu Lasten der Behörde (BVerwG, Urteile vom 12.01.1973 und vom 18.04.1997, a.a.O.). Nach der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht ließe sich in vielen Fällen unbestimmt weit gefasster Handlungsgebote im Nachhinein ein bestimmbarer und vollstreckungsfähiger "Kern" identifizieren. Denn jedem unbestimmten Handlungsgebot wird zumeist auch irgendeine Handlung zuzuordnen sein, die eindeutig darunter oder auch nicht mehr darunter fällt, unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt den Anforderungen des § 37 Abs. 1 LVwVfG entspricht oder nicht. Dadurch würde der Zweck des Bestimmtheitsgebots unterlaufen, gerade auch die Grenzen des durch den Verwaltungsakt geforderten Handelns hinreichend bestimmt aufzuzeigen. Die Behörde könnte den Verfügungssatz des Handlungsgebots in der Grundverfügung zunächst unbestimmt weit fassen und im Vollstreckungsverfahren geltend machen, jedenfalls ein ganz bestimmtes, von ihr selbst - im Nachhinein bezeichnetes - Handeln sei vom Verwaltungsakt erfasst und der Verwaltungsakt insoweit vollstreckungsfähig. Damit würden Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgebots verfehlt, dem Adressaten schon mit Erlass der Grundverfügung zu verdeutlichen, welches konkrete Tun von ihm erwartet wird, und eine ohne Weiteres vollstreckungsfähige Grundlage zu schaffen.
29 
Das Landratsamt hat die streitige Auflage schließlich auch nicht nachträglich durch eine präzisierende Ergänzung inhaltlich hinreichend bestimmt gemacht (vgl. zu dieser Möglichkeit Sadler, a.a.O. Rn. 6). Die in der Begründung der angefochtenen Zwangsmittelandrohung und im dazu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums angestellten Erwägungen zur Auslegung der Auflage sind schon deshalb keine solche Ergänzung, weil sie lediglich zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Zwangsmittelandrohung dienen. Ob im Übrigen der vorhandene grüne Anstrich des Melkhauses gegen baurechtliche oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, insbesondere weil er - wie der Beklagte geltend macht - das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt oder gar verunstaltet, ist für die Rechtmäßigkeit der ausschließlich zur Durchsetzung der Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 ergangenen Zwangsgeldandrohung unerheblich.
30 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Beschluss vom 10. Januar 2013
32 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 200,00 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG, in Anlehnung an Nr. 1.6.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327).
33 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
20 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung ist auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Landratsamts Tübingen vom 15.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 20.11.2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn die darin nach § 20 LVwVG verfügte Zwangsgeldandrohung verstößt gegen § 2 LVwVG, weil die mit dem angedrohten Zwangsmittel zu vollstreckende Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 mangels hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit kein vollstreckungsfähiger Verwaltungsakt im Sinne des § 2 LVwVG ist. Sie ist demzufolge ebenso wie die ihr rechtliches Schicksal insoweit teilende (vgl. § 24 LGebG) Gebührenfestsetzung im angefochtenen Bescheid aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22 
Nach § 2 LVwVG können Verwaltungsakte vollstreckt werden, wenn sie unanfechtbar geworden sind oder wenn die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt. Die Vorschrift regelt eine allgemeine Voraussetzung für Maßnahmen, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden, und gilt demzufolge auch bereits für eine Zwangsmittelandrohung nach § 20 LVwVG. Sie ermöglicht nur die Vollstreckung eines im Sinne inhaltlich hinreichender Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 LVwVfG) vollstreckungsfähigen Verwaltungsakts als Grundlage (Titel) der Verwaltungsvollstreckung. Denn die für Einleitung und Durchführung der Verwaltungsvollstreckung erforderliche konkrete Feststellung, dass der Pflichtige seine Verpflichtung aus dem Verwaltungsakt noch nicht erfüllt hat (vgl. auch § 20 Abs. 1 Satz 2 LVwVG), ist nur bei einem inhaltlich hinreichend bestimmten Verwaltungsakt möglich. Ist ein Verwaltungsakt wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht vollstreckungsfähig, schließt dieser Mangel Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung aus (VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 04.11.1980 - 10 S 890/80 - und vom 09.04.1981 - 10 S 2129/80 - VBlBW 1982, 97 <98>; OVG Hamburg, Urteil vom 03.07.1952 - OVG Bf. II 604/51 - VwRspr Bd. 5 Nr. 117; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.01.1998 - 10 B 3029/97 - BRS 60 Nr. 171; Bayerischer VGH, Beschluss vom 04.07.2012 - 22 ZB 12.204 - juris; Fliegauf/Maurer, LVwVG, 2. Auflage, § 1 Rn. 3; Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bundes und der Länder, 1997, S. 177 f.; Sadler, VwVG, VwZG, 8. Auflage, § 6 Rn. 13; Schneider, LVwVG, § 1 Rn. 4). Das gilt auch dann, wenn der Bestimmtheitsmangel "nur" zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts infolge Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 Abs. 1 LVwVfG) führt. Denn auch ein - bestandskräftiger oder sofort vollziehbarer - wirksamer, aber inhaltlich unbestimmter Verwaltungsakt ist nicht vollstreckungsfähig. Insoweit erfährt der tragende Grundsatz des Verwaltungsvollstreckungsrechts, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme auf die Rechtmäßigkeit einer Grundverfügung nicht ankommt (BVerwG, Urteil vom 13.03.1984 - 4 C 31.81 - NJW 1984, 2591 <2592>; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss des 1. Senats vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 - NVwZ 1999, 290), eine Ausnahme. Die Unbestimmtheit der Grundverfügung "infiziert" eine zu ihrer Durchsetzung ergehende Vollstreckungsmaßnahme (vgl. Lemke, a.a.O.).
23 
Das Bestimmtheitsgebot nach § 37 Abs. 1 LVwVfG erfordert zum einen, dass der Adressat einer Regelung in der Lage sein muss zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist. Zum Anderen muss der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts, insbesondere nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und dem mit ihm verfolgten Zweck (BVerwG, Beschluss vom 13.10.2010 - 7 B 50.10 - juris Rn. 8 und Urteil vom 02.07.2008 - 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 m.w.N.). Dabei muss sich die “Regelung“ (§ 35 Satz 1 LVwVfG) nicht unmittelbar und allein aus dem Entscheidungssatz ergeben. Es reicht aus, wenn sie sich aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen, unzweifelhaft erkennen lässt (BVerwG, Urteil vom 25.04.2001 - 6 C 6.00 - BVerwGE 114, 160 m.w.N.). Will oder muss die Behörde dem Betroffenen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Freiheit überlassen, selbst auszuwählen, mit welchem Mittel das mit dem Verwaltungsakt verfolgte Ziel erreicht werden soll, kann oder muss sie sich auf die Angabe eines Zieles beschränken. Das gilt gerade auch bei Verpflichtungen, welche in die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Verfügungsbefugnis über das Grundeigentum eingreifen. Insoweit kann es demzufolge geboten sein, die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Anordnung zur Durchsetzung baurechtlicher Vorschriften gering zu halten (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 - 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335 <339, 341>). Auch ein solcher, nur das Ziel regelnder Verwaltungsakt kann vollstreckungsfähig sein, vorausgesetzt, das Ziel ist inhaltlich hinreichend bestimmt bezeichnet (vgl. Lemke, a.a.O. S. 179).
24 
Gemessen daran ist die mit dem angedrohten Zwangsmittel zu vollstreckende Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 "Sofern das Melkhaus nicht mit einer sägerauen Holzverschalung verkleidet werden sollte, sind die Außenwände in einem landschaftlich unauffälligem Farbton zu gestalten." kein vollstreckungsfähiger Verwaltungsakt i. S. des § 2 LVwVG. Sie ist inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.
25 
Die Nebenbestimmung schreibt dem Kläger unter der - hier eingetretenen - Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG), dass das genehmigte Melkhaus nicht mit einer sägerauen Holzverschalung verkleidet wird, zur Sicherstellung der gesetzlichen, insbesondere naturschutzrechtlichen (vgl. §§ 13 ff. BNatSchG), Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO) ein positives Tun im Sinne einer erzwingbaren Auflage vor (§ 36 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG). Die Auflage bezeichnet zwar den Gegenstand dieser Handlungspflicht (Außenwände des Melkhauses) hinreichend bestimmt. Das trifft aber nicht für ihren weiteren Regelungsgehalt "in einem landschaftlich unauffälligem Farbton zu gestalten" zu. Insoweit ist der im objektiven Erklärungswert der Auflage zum Ausdruck kommende behördliche Wille unterschiedlicher subjektiver Bewertung zugänglich.
26 
Das Landratsamt hat sich zur Erreichung des mit der Auflage verfolgten naturschutzrechtlichen Zieles, eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die farbliche Gestaltung der Außenwände des Melkhauses zu vermeiden, erkennbar darauf beschränken wollen, dem Kläger als Bauherrn lediglich dieses Ziel vorzuschreiben, ihm aber die Auswahl der konkreten Farbe selbst zu überlassen. Das ist zwar - wie dargelegt - im Grundsatz rechtlich nicht zu beanstanden. Sie hat ihr naturschutzrechtliches Ziel jedoch, auch wenn die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Anordnung zur Durchsetzung baurechtlicher Vorschriften gegebenenfalls gering zu halten sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990. a.a.O.), inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Ihre Formulierung "landschaftlich unauffälliger Farbton" eröffnet einen weiten Wertungsspielraum, der ohne eine weitere Konkretisierung offen lässt, welcher farbliche Außenanstrich noch oder nicht mehr zulässig ist. Sie bezieht sich nach der auch für den Kläger erkennbaren Zielrichtung der - nicht weiter begründeten - Auflage zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 zwar nicht auf irgendeine Landschaft, sondern nur auf diejenige in der Umgebung des Melkhauses. Sie präzisiert aber nicht hinreichend, welche - dem Kläger prinzipiell freigestellte - Farbtöne in dieser Landschaft "auffällig" oder "unauffällig" sind. Zwar mag die Formulierung einzelne für jeden vor Ort und zu jeder Jahreszeit und Witterung eindeutig als landschaftlich auffällig erkennbare Farbtöne wie Rot oder Gelb ausschließen oder umgekehrt für jeden dort eindeutig als landschaftlich unauffällig erkennbare Farbtöne in Dunkelbraun zulassen. Im Übrigen ist jedoch in Anbetracht sowohl der Variationsbreite möglicher Farbtöne (vgl. etwa den RAL-Farbkatalog) und Lichtverhältnisse als auch jahreszeitlich- und witterungsbedingt unterschiedlicher Farben der Landschaft selbst (grüne Wiesen im Sommer, weiße schneebedeckte Wiesen im Winter) eine klare, keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugängliche und insbesondere auch für eine mögliche Vollstreckung der Auflage nötige Abgrenzung eines "landschaftlich auffälligen" von einem "landschaftlich unauffälligen" Farbanstrich des genehmigten Melkhauses in der konkreten Umgebung des Bauvorhabens nicht möglich. Das gilt gerade auch für grüne Farbtöne, wie der RAL-Farbkatalog verdeutlicht.
27 
Will die Behörde eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch den Außenanstrich eines Gebäudes im Außenbereich vermeiden, muss sie deshalb entweder dem Bauherrn - vor allem, wenn er damit einverstanden ist - eine Auswahl zulässiger konkreter Farbtöne positiv vorgeben oder aber, wenn sie nicht übermäßig in seine Verfügungsbefugnis eingreifen will, sich darauf beschränken, nur eine Auswahl unzulässiger konkreter Farbtöne zu bezeichnen. Dass dies ohne Weiteres möglich und zumutbar ist, zeigt schon die Tatsache, dass das Landratsamt in Satz 2 derselben Nebenbestimmung für den Anstrich der sägerauen Holzverschalung des Milchviehlaufstalles den Farbton "dunkelbraun" vorgeschrieben hat. Es ist auch nicht Aufgabe des Klägers, sich nach Erlass der Baugenehmigung bei der Behörde nach der Zulässigkeit des von ihm gewählten Farbtons zu erkundigen. Aus § 36 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 37 Abs. 1 LVwVfG folgt vielmehr das Gegenteil. Schon aus dem Regelungsgehalt der Auflage selbst muss hinreichend bestimmt oder jedenfalls bestimmbar sein, welcher Farbanstrich vorgeschrieben ist. Unklarheiten muss der Adressat nicht in Eigeninitiative aufklären. Diese gehen vielmehr zu Lasten der Behörde (BVerwG, Urteil vom 12.01.1973 - VII C 3.71 - BVerwGE 41, 306, und vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301 <317>; Kopp/Ramsauer VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 37 Rn. 5).
28 
Nicht gefolgt werden kann der sinngemäßen Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Regelungsgehalt der streitigen Auflage sei jedenfalls hinsichtlich solcher Farbtöne hinreichend bestimmt und vollstreckungsfähig, die "ohne vernünftige Zweifel und ohne vernünftige subjektiv verschiedene Bewertungsmöglichkeiten" als landschaftlich unauffällig oder auffällig anzusehen seien. Einer solchen, gleichsam geltungserhaltend-reduzierenden Auslegung der Nebenbestimmung steht hier bereits der erkennbare Wille der Behörde entgegen, dem Kläger nur das Ziel vorzuschreiben, ihm aber die Auswahl der konkreten farblichen Gestaltung selbst zu überlassen. Ungeachtet dessen schließen aber auch Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgebots sowie die berechtigten Interessen des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts eine solche Auslegung aus. Das Bestimmtheitsgebot dient der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit. Unklarheiten im objektiven Erklärungswert gehen zu Lasten der Behörde (BVerwG, Urteile vom 12.01.1973 und vom 18.04.1997, a.a.O.). Nach der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht ließe sich in vielen Fällen unbestimmt weit gefasster Handlungsgebote im Nachhinein ein bestimmbarer und vollstreckungsfähiger "Kern" identifizieren. Denn jedem unbestimmten Handlungsgebot wird zumeist auch irgendeine Handlung zuzuordnen sein, die eindeutig darunter oder auch nicht mehr darunter fällt, unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt den Anforderungen des § 37 Abs. 1 LVwVfG entspricht oder nicht. Dadurch würde der Zweck des Bestimmtheitsgebots unterlaufen, gerade auch die Grenzen des durch den Verwaltungsakt geforderten Handelns hinreichend bestimmt aufzuzeigen. Die Behörde könnte den Verfügungssatz des Handlungsgebots in der Grundverfügung zunächst unbestimmt weit fassen und im Vollstreckungsverfahren geltend machen, jedenfalls ein ganz bestimmtes, von ihr selbst - im Nachhinein bezeichnetes - Handeln sei vom Verwaltungsakt erfasst und der Verwaltungsakt insoweit vollstreckungsfähig. Damit würden Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgebots verfehlt, dem Adressaten schon mit Erlass der Grundverfügung zu verdeutlichen, welches konkrete Tun von ihm erwartet wird, und eine ohne Weiteres vollstreckungsfähige Grundlage zu schaffen.
29 
Das Landratsamt hat die streitige Auflage schließlich auch nicht nachträglich durch eine präzisierende Ergänzung inhaltlich hinreichend bestimmt gemacht (vgl. zu dieser Möglichkeit Sadler, a.a.O. Rn. 6). Die in der Begründung der angefochtenen Zwangsmittelandrohung und im dazu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums angestellten Erwägungen zur Auslegung der Auflage sind schon deshalb keine solche Ergänzung, weil sie lediglich zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Zwangsmittelandrohung dienen. Ob im Übrigen der vorhandene grüne Anstrich des Melkhauses gegen baurechtliche oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, insbesondere weil er - wie der Beklagte geltend macht - das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt oder gar verunstaltet, ist für die Rechtmäßigkeit der ausschließlich zur Durchsetzung der Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 ergangenen Zwangsgeldandrohung unerheblich.
30 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Beschluss vom 10. Januar 2013
32 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 200,00 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG, in Anlehnung an Nr. 1.6.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327).
33 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13. Januar 2011 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 29. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. August 2010 hinsichtlich der Verfügungen Nr. 1 Buchstaben a) und b), hinsichtlich der in Nr. 2 zu Nr. 1 Buchstaben a) und b) ergangenen Zwangsgeldandrohungen und hinsichtlich der Kostenfestsetzung aufgehoben sowie hinsichtlich der Verfügungen Nr. 1 Buchstabe d) und Nr. 2 insoweit aufgehoben, als die Beseitigung des Gartenhauses aufgegeben und bei Nichtbeachtung ein Zwangsgeld angedroht wurde.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben die Kläger 5/8 und die Beklagte 3/8 zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Beteiligten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweils andere Beteiligte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen eine Rückbauverfügung der Beklagten und begehren die Baugenehmigung für eine geänderte Nutzung ihres Anwesens.

2

Die Klägerin zu 2) ist Erbbauberechtigte an dem Grundstück Flurstück-Nr. … in Speyer (Binsfeld 13). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 002 "Im Binsfeld III (Wochenendhausgebiet)", der ein Wochenendhausgebiet festsetzt und in Nr. 3 der textlichen Festsetzungen bestimmt, dass die Grundfläche der Wochenendhäuser 60 m² nicht überschreiten darf. In Nr. 4 der textlichen Festsetzungen wird die zulässige Geschossfläche ebenfalls auf 60 m² beschränkt. Nach Nr. 10 Satz 2 der textlichen Festsetzungen sind Nebenanlagen aller Art unzulässig. Der am 19. Juli 1977 als Satzung beschlossene Bebauungsplan wurde am 13. Juni 1984 erneut bekannt gemacht. Überdies wird das Gebiet von der Satzung über die äußere Gestaltung von baulichen Anlagen sowie über Erfordernis und Gestaltung von Einfriedungen für das Wochenendhausgebiet "Im Binsfeld III" vom 7. Dezember 1977 erfasst. Diese Satzung sieht in § 2 Abs. 2 vor, dass die überdachte Fläche von Loggien oder Terrassen 8 m² nicht übersteigen darf.

3

Am 11. Juni 1980/2. Dezember 1982 wurde den Klägern die Genehmigung zur Errichtung eines Wochenendhauses mit Garage für ihr Grundstück erteilt. Die der Genehmigung zugrunde liegenden Bauunterlagen sahen ein unterkellertes eingeschossiges Wochenendhaus mit einer überbauten Fläche von 59,5 m² vor. Die im Westen des Grundstücks hieran angebaute Garage sollte über einen nur über einen Einstieg von außen zugänglichen Keller verfügen und grenzständig errichtet werden. Zugänge zwischen Haus und Garage waren nicht vorgesehen. Bei der Rohbauabnahme am 21. Dezember 1982 wurden eine Trennwand in der Garage sowie die Nutzung von Aufenthaltsräumen im Keller beanstandet. Am 23. August 1988 erfolgte seitens der Beklagten eine Gebrauchsabnahme, bei der keine Beanstandungen festgehalten wurden.

4

Nach einer Ortsbesichtigung am 19. Oktober 2006 listete die Beklagte in einem Schreiben vom 23. November 2006 Abweichungen von der erteilten Baugenehmigung auf. Hiernach würden Keller und Garage als Aufenthaltsräume genutzt. Vom Keller des Wohnhauses bestehe ein Zugang zu den Garagenunterkellerungsräumen. Zudem bestehe eine Verbindung unmittelbar vom Erdgeschoss des Hauptgebäudes zur Garage. Die Terrassenüberdachung weise eine Fläche von 24 m² auf. Weiterhin sei ein Gartenhaus mit einer Grundfläche von 5 m² errichtet worden. Mit Schreiben vom 6. Juni 2008, das mit "Anhörung nach § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)" überschrieben war, informierte die Beklagte die Kläger darüber, welche Maßnahmen nach ihrem Sanierungskonzept zur Beseitigung der festgestellten Mängel erforderlich seien und kündigte für den Fall, dass die Kläger bis zum 31. August 2008 nicht tätig würden, den Erlass einer Ordnungsverfügung an.

5

Mit Bescheid vom 29. September 2008 gab die Beklagte den Klägern auf, die Garage wieder ihrer genehmigten Nutzung zuzuführen. Zudem müsse die Verbindungstür zum Wohnhaus entfernt werden. Die direkte Verbindung zwischen Wochenendhaus und Garagenunterkellerungsraum sei dauerhaft zu verschließen. Die Terrassenüberdachung solle auf das zulässige Maß von 8 m² reduziert werden. Für das Gartenhaus sei ein Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu stellen, anderenfalls sei das Gerätehaus zu beseitigen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte darauf, dass Garagen in den Abstandsflächen anderer Gebäude oder ohne eigene Abstandsflächen nur dann zulässig seien, wenn sie keine Aufenthaltsräume oder Feuerstätten aufwiesen. Zudem müsse es sich um selbstständige Gebäude handeln. Die Terrassenüberdachung gehe über das in der Gestaltungssatzung zulässige Maß hinaus. Zudem seien Nebenanlagen nach den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht zulässig. Am 29. Oktober 2008 erhoben die Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch.

6

Mit am 19. März 2009 bei der Beklagten eingegangenem Antrag begehrten die Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Kellerraums sowie eines Teils der Garage in Aufenthaltsräume ohne bauliche Veränderungen am genehmigten Bestand. Nachdem die Beklagte die Kläger zu einer möglichen Ablehnung ihres Antrags angehört hatte, lehnte sie die Erteilung einer Baugenehmigung mit Bescheid vom 12. Mai 2009 ab. Die beantragte Nutzungsänderung könne nicht erteilt werden, da die nach dem Bebauungsplan höchstzulässige Grund- bzw. Geschossfläche von 60 m² überschritten werde und Aufenthaltsräume in den Grenzabstandsflächen nicht zulässig seien. Hiergegen erhoben die Kläger am 16. Juni 2009 Widerspruch.

7

Die Widersprüche wurden vom Stadtrechtsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Stadtrechtsausschuss an, dass die bauaufsichtliche Verfügung rechtmäßig sei, da die beanstandeten Maßnahmen ohne die erforderliche Genehmigung erfolgt seien und auch nicht genehmigt werden könnten. Durch die Umnutzung der Garage verstoße das Vorhaben gegen die Bestimmungen des Bebauungsplans "Im Binsfeld III", wonach die zulässige Grundfläche auf 60 m² beschränkt sei. Die Grundfläche der Garage könne nur dann von der Berechnung ausgenommen werden, wenn das Gebäude auch tatsächlich als Garage genutzt werde. Der Bebauungsplan erweise sich auch nicht als funktionslos. Die Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans im Gebiet beruhten nicht auf rechtswidrigen Genehmigungen der Beklagten. Zudem hätten Verstöße vielfach erst nach einer Besichtigung der Objekte festgestellt werden können. Überdies liege ein Verstoß gegen abstandsflächenrechtliche Vorschriften vor, da die Garage wegen der Durchgänge zum Haupthaus nicht mehr als selbstständiges Gebäude angesehen werden könne. Für Nebengebäude, die nach dem Bebauungsplan unzulässig seien, sehe das Sanierungskonzept der Beklagten eine Befreiungsmöglichkeit bis zu einer Grundfläche von 6 m² vor. Insoweit habe die Beklagte verlangen können, dass für das Gerätehaus entweder ein Befreiungsantrag zu stellen oder dieses zu beseitigen sei. Da sich die derzeitige Nutzung von Garage und Keller als materiell baurechtswidrig erweise, könne auch die beantragte Baugenehmigung nicht erteilt werden.

8

Am 2. September 2010 haben die Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen dargelegt haben, dass die Beklagte sie vor Erlass der bauaufsichtlichen Anordnung nicht ordnungsgemäß angehört habe. Das Gartenhaus sei bereits vor der erneuten Bekanntmachung des Bebauungsplans im Jahre 1982 fertiggestellt gewesen. Ihr Nachbar habe zwischenzeitlich der Eintragung einer Baulast zur Ausweisung der Abstandsflächen für die Garage auf seinem Grundstück zugestimmt. Bereits im Zeitpunkt der erneuten Bekanntgabe des Bebauungsplans habe das Plangebiet überwiegend der Dauerwohnnutzung gedient, so dass bereits damals das Planungsziel eines Wochenendhausgebietes nicht mehr erreichbar gewesen sei. Zudem hätte die Bekanntmachung nicht ohne erneute Abwägung erfolgen dürfen. Die bauaufsichtliche Anordnung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Beklagte zahlreiche Vorhaben im Bereich Binsfeld, die gegen baurechtliche Vorschriften verstoßen hätten, entweder genehmigt oder geduldet habe.

9

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ein Dauerwohnen im Gebiet zu keinem Zeitpunkt legalisiert oder geduldet worden sei. Nur in wenigen Fällen seien vor Inkrafttreten des Bebauungsplans von den Festsetzungen abweichende Vorhaben genehmigt worden. In einem etwa 40 Jahre zurückliegenden Fall sei eine Genehmigung durch das Fehlverhalten eines Dezernenten in Abweichung von den Vorgaben des Bebauungsplans erteilt worden.

10

Mit Urteil vom 13. Januar 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung angeführt, dass die beantragte Baugenehmigung nicht erteilt werden könne, da die Umnutzung von Keller und Garage in einen Wohnraum dem Bebauungsplan widerspreche. Eine Aufenthaltsnutzung des Kellergeschosses führe zu einer Überschreitung der zulässigen Geschossfläche. Entsprechend werde durch die Umnutzung eines Teils der Garage die zulässige Grund- und Geschossfläche ebenfalls nicht eingehalten. Eine erneute Abwägungsentscheidung des Stadtrates vor der Neubekanntmachung des Bebauungsplans sei nicht erforderlich gewesen. Der Bebauungsplan habe zudem zum damaligen Zeitpunkt seine Ordnungsfunktion erfüllen können, da die weit überwiegende Zahl der Bauherren ihre Vorhaben entsprechend den Vorgaben des Bebauungsplans ausgeführt hätten. Der Bebauungsplan sei auch zwischenzeitlich nicht funktionslos geworden, da lediglich 76 von 247 Anwesen dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt würden. Die Aufenthaltsnutzung der Garage verstoße gegen die abstandsflächenrechtlichen Vorschriften, weshalb den Klägern kein Sachbescheidungsinteresse für die Erteilung einer Baugenehmigung zustehe.

11

Auch die Rückbauverfügung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kläger seien ordnungsgemäß angehört worden. Die Rückführung der Garage in ihren genehmigten Zustand sei gerechtfertigt, da es sich wegen der Verbindung zum Wohnhaus um kein selbständiges Nebengebäude mehr handele. Die Terrassenüberdachung gehe über die nach der Gestaltungssatzung zulässige Fläche von 8 m² hinaus und sei hierauf zu reduzieren. Auch ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Veränderungen bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplans vorgenommen worden seien. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor, da nicht erkennbar sei, dass die Beklagte unter Abweichung von ihrem Sanierungskonzept gegen vergleichbare Verstöße nicht vorgehe. Dass den Klägern zunächst aufgegeben worden sei, für das Gartenhaus einen Befreiungsantrag zu stellen, entspreche dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

12

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren weiter und führen ergänzend aus, dass der Bebauungsplan bereits im Zeitpunkt seiner erneuten Bekanntmachung seine Ordnungsaufgabe nicht mehr habe erfüllen können, da nach einer von ihnen durchgeführten Anwohnerbefragung zum damaligen Zeitpunkt bereits 145 von 187 vorhandenen Anwesen dauerhaft bewohnt worden seien. Auch das Verwaltungsgericht spreche in einer Entscheidung aus dem Jahre 2005 davon, dass lediglich 20 v.H. der Gebäude als Wochenendhäuser genutzt würden. Die bauplanungsrechtliche Beurteilung ihres Anwesens richte sich daher nach § 34 BauGB. Zudem habe die Beklagte im Baugenehmigungsverfahren in rechtswidriger Weise die Vollständigkeit ihres Bauantrags nicht schriftlich bestätigt.

13

Die bauaufsichtliche Verfügung sei verfahrensfehlerhaft ergangen, da bei der Anhörung hierzu nicht auf das Recht zur Akteneinsicht hingewiesen worden sei. Die Gestaltungssatzung lasse ihren genauen Anwendungsbereich nicht erkennen. Nicht nachvollziehbar sei, dass nach dem Sanierungskonzept der Beklagten überdachte Terrassen bis zu einer Größe von 10 m² geduldet würden, sie ihre Überdachung allerdings auf eine Fläche von 8 m² zurückbauen müssten. Die Eintragung einer Baulast werde von der Beklagten rechtswidrig verweigert. Die Gartenhütte sei vor Errichtung des Wohnhauses entstanden und daher bestandsgeschützt. Im Hinblick auf die Auflistung der Beklagten zur Erteilung von Genehmigungen im Plangebiet, die über die Festsetzungen des Bebauungsplanes hinausgingen, sowie zu ihrem Vorgehen gegen baurechtliche Verstöße führen die Kläger aus, dass die Darstellung eine Reihe von Abweichungen von den baurechtlichen Vorgaben nicht erfasse. Dies betreffe im Wesentlichen unzulässige Überdachungen, Überschreitungen der zulässigen Wohnfläche, Abweichungen von der Geschosszahl und der Kniestockhöhe.

14

Die Kläger beantragen,

15

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. vom 13. Januar 2011 die Verfügungen vom 29. September 2008 und vom 12. Mai 2009 sowie den Widerspruchsbescheid vom 4. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung für die Umnutzung der Garage und des Kellers ihres Anwesens zu erteilen.

16

Hilfsweise beantragen sie,

17

1. alle vollständigen Original-Verwaltungs(bau)akten für sämtliche Wohngrundstücke folgender Straßenzüge im Binsfeld beizuziehen, und zwar

18

- Binsfeld ungerade Haus-Nummern 3 – 221

19

- Binsfeld gerade Haus-Nummern 2a – 120

20

- Wildentenweg gerade Haus-Nummern 2 – 42

21

- Wildentenweg ungerade Haus-Nummern 3 – 33

22

- Biersiedersee Haus-Nr. 15

23

- Biersiederstück ungerade Haus-Nummern 1 – 15

24

- Biersiederstück gerade Hausnummer 2 – 20

25

- Mondsee Haus-Nummern 2 und 4

26

und nach Beiziehung Einsicht in diese Akten beim Oberverwaltungsgericht zu gewähren,

27

2. zum Beweis der Tatsache, dass auf den Grundstücken der Erschließungsstraßen

28

- Binsfeld

29

- Wildentenweg

30

- Biersiedersee

31

- Biersiedestück

32

- Mondsee

33

über die von der Beklagten und Berufungsbeklagten in der Vorlage 0506/2008 vom 16.04.2008 hinaus festgestellten baurechtlichen Verstöße gegen den Bebauungsplan „Binsfeld III“ in den noch nicht besichtigten Gebäuden weitere massive Baurechtsverstöße gegen den Bebauungsplan „Binsfeld III“ festgestellt werden können, insbesondere hinsichtlich

34

a) Grundfläche (größer als 60 qm)

35

b) GRZ größer 0,2

36

c) GFZ größer 0,2

37

d) Nutzung grenzständiger Garagen zu Wohnzwecken

38

e) Nutzung der Kellerräume zu Wohnzwecken

39

f) Terrassenüberdachungen und Wintergärten

40

die Durchführung richterlichen Augenscheins vor Ort,

41

3. zum Beweis der Tatsache, dass auf den Grundstücken der Erschließungsstraßen

42

- Binsfeld

43

- Wildentenweg

44

- Biersiedersee

45

- Biersiederstück

46

- Mondsee

47

im Zeitraum von 1962 bis heute von Anfang an Meldungen von Bewohnern mit Erstwohnsitz durch die Beklagte entgegengenommen worden sind und in keinem einzigen Fall melderechtliche Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um in Fällen, in denen eine Anmeldung mit Hauptwohnsitz erfolgte, hiergegen einzuschreiten oder diese mit Verweis auf eine angebliche Unzulässigkeit des Dauerwohnens im vorbezeichneten Gebiet abzulehnen,

48

alle Meldeakten aller in den vorbenannten Wohnbauvorhaben (Binsfeld, Wildentenweg, Biersiedersee, Biersiederstück und Mondsee) gemeldeter Bürger beizuziehen, Akteneinsicht in die beigezogenen Akten zu gewähren und diese Akten richterlich in Augenschein zu nehmen,

49

4. zum Beweis der Tatsache, dass es im Plangebiet des verfahrensgegenständlichen B-Plans „Im Binsfeld III“ keine „Hanglagen“ gibt, sondern die Grundstücke, bis auf den unmittelbaren Uferbereich, jeweils in etwa die gleiche, natürliche Geländehöhe über NN aufweisen,

50

1. eine Ortsbesichtigung durchzuführen,

51

2. eine Auskunft durch einen amtlichen Vermesser einzuholen.

52

Die Beklagte beantragt,

53

die Berufung zurückzuweisen.

54

Sie führt hierzu in Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens aus, der Eintragung einer Baulast stehe entgegen, dass hierdurch einem Verstoß gegen bauplanerische Festsetzungen Vorschub geleistet würde. Da bei der Gebrauchsabnahme im Jahre 1988 keine Mängel festgestellt worden seien, sei auch hinsichtlich des Gartenhauses davon auszugehen, dass dieses erst nach diesem Zeitpunkt errichtet worden sei. Das Verwaltungsgericht habe in seinem Urteil aus dem Jahre 2005 keine Feststellungen zum Umfang der Dauerwohnnutzung getroffen. Das Vorhandensein von Erstwohnsitzen könne von ihr nicht kontinuierlich festgestellt werden, da ein Datenabgleich mit den Einwohnermeldedaten nicht möglich sei. Die Angaben der Kläger zu den Nutzungen im Jahre 1984 seien unschlüssig, da einige Anwesen als dauerhaft bewohnt angegeben worden seien, die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht errichtet gewesen seien. Soweit die Kläger bei mehreren Gebäuden eine mehrgeschossige Bebauung beanstandeten, beruhe dieser Eindruck darauf, dass es sich um in Hanglage errichtete Häuser handele. Die Beklagte gehe systematisch gegen baurechtliche Verstöße vor. Sie habe vor Erstellung des Sanierungskonzeptes bei nahezu allen Anwesen im Binsfeld Bauzustandsbesichtigungen vorgenommen und lediglich bei solchen Gebäuden hierauf verzichtet, bei denen von vorneherein keine Anhaltspunkte für baurechtliche Verstöße ersichtlich gewesen seien. In 76 Fällen seien Aufforderungen zur Mängelbeseitigung ergangen. Für 38 Anwesen seien bauaufsichtliche Verfügungen erlassen worden. Auf den Aufklärungsbeschluss des Senats vom 27. Juli 2011 führt die Beklagte ergänzend aus, dass vor der erneuten Bekanntmachung des Bebauungsplanes am 19. Juni 1984 in 44 Fällen Baugenehmigungen erteilt worden seien, die Überschreitungen der Festsetzungen des Bebauungsplanes zugelassen hätten. Nach diesem Zeitpunkt sei dies bei 5 Anwesen der Fall gewesen. Zwischen Juni 1984 und Dezember 2002 sei sie in 33 Fällen gegen Verstöße vorgegangen, die unter anderem die Meldung mit Hauptwohnsitz im Plangebiet betroffen hätten. Den Klägern sei in einigen Fällen zuzugestehen, dass einzelne baurechtliche Verstöße im Plangebiet bislang nicht erfasst seien. Sie nehme die Hinweise zum Anlass, entsprechende Verfahren einzuleiten.

55

Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2011 durch Ortsbesichtigung Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

56

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Behörden- und Widerspruchsakten (4 Hefter) verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

57

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

58

Das Verwaltungsgericht hätte der Anfechtungsklage gegen die bauaufsichtliche Verfügung vom 29. September 2008 überwiegend stattgeben müssen, da sie sich zu einem großen Teil als ermessensfehlerhaft erweist. Im Übrigen, insbesondere hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens, ist die Berufung unbegründet.

59

A. Die Anfechtungsklage gegen die bauaufsichtliche Verfügung ist teilweise begründet.

60

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, soweit den Klägern aufgegeben wurde, die Garage ihrer genehmigten Nutzung zuzuführen, die Verbindungstür zum Wohnhaus zu entfernen, die entsprechenden Öffnungen zuzumauern, Einbauten, die der Garagennutzung widersprechen, zu entfernen, die Verbindung zwischen Wochenendhaus und Garagenunterkellerungsraum dauerhaft zu verschließen, das Gartenhaus zu beseitigen, wenn nicht fristgerecht ein Befreiungsantrag gestellt wird, und soweit die Beklagte ihnen bei Nichtbefolgung dieser Verfügungsteile ein Zwangsgeld angedroht und ihnen gegenüber die Kosten der Amtshandlung festgesetzt hat.

61

I. Die Anordnung der Beklagten verstößt allerdings nicht bereits gegen Form- oder Verfahrensvorschriften.

62

Die Kläger sind vor ihrem Erlass ordnungsgemäß angehört worden. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift. Das Anhörungsrecht soll ihm ermöglichen, zu dem ins Auge gefassten Ergebnis eines Verwaltungsverfahrens Stellung zu nehmen. Hierzu ist erforderlich, dass er Kenntnis von allen der Behörde bekannten, für die Entscheidung erheblichen Tatsachen erlangt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011 § 28 Rn. 12 f.; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 28 Rn. 34). Die Kläger wurden von der Beklagten mit Schreiben vom 6. Juni 2008 über den geplanten Inhalt der gegen sie vorgesehenen Verfügung informiert. Gleichzeitig wurde ihnen Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu zu äußern. Dabei bezog sich die Beklagte auf ein weiteres Schreiben vom 23. November 2006, mit dem den Klägern die bei einer Ortsbesichtigung festgestellten Abweichungen von der Baugenehmigung mitgeteilt wurden. Neben dieser Anhörungsmöglichkeit besteht für die Beteiligten nach § 29 Abs. 1 VwVfG das Recht auf Einsichtnahme in die Behördenakten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Die Behörde ist im Rahmen der Anhörung indessen nicht verpflichtet, auf die Möglichkeit der Akteneinsicht gesondert hinzuweisen. Ein entsprechender Hinweis ist lediglich dann vorzusehen, wenn die Anhörung selbst durch die Möglichkeit der Akteneinsicht erfolgen soll (vgl. Bonk/Kallerhoff, a.a.O., § 28 Rn. 46). Im Übrigen ist ein möglicher Fehler der Anhörung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG durch deren Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt worden.

63

II. Der Bescheid der Beklagten erweist sich aber inhaltlich als teilweise rechtswidrig.

64

1. Soweit die Kläger in Nummer 1 Buchstaben a) und b) des Tenors des Bescheides vom 29. September dazu aufgefordert wurden, die Garage der genehmigten Nutzung zuzuführen und die Zugänge zwischen Wohnhaus und Garagengebäude dauerhaft zu verschließen, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Anordnung nach den §§ 59 Abs. 1 Satz 1 und 81 Satz 1 Landesbauordnung – LBauO − zwar vor, indessen hat die Beklagte das ihr hiernach zustehende Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt.

65

Nach § 81 Satz 1 LBauO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung baulicher Anlagen anordnen oder deren Benutzung untersagen, wenn diese gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, die Änderung, die Instandhaltung oder die Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Nach der Generalklausel des § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO hat die Bauaufsichtsbehörde allgemein nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zur Einhaltung baurechtlicher und sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften bei den genannten Vorgängen zu treffen.

66

Die Nutzung des rückwärtigen Teils der Garage der Kläger zu Aufenthaltszwecken erweist sich als formell und materiell baurechtswidrig.

67

a. Diese Garagennutzung bedarf einer Genehmigung, die den Klägern aber bislang nicht erteilt wurde, so dass die Nutzung auch nicht bestandsgeschützt ist.

68

Die Nutzung eines Teiles der Garage zu Aufenthaltszwecken bedarf gemäß § 61 LBauO einer bauaufsichtlichen Genehmigung. Nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 a LBauO sind Nutzungsänderungen von Gebäuden und Räumen, die nicht im Außenbereich liegen, nur dann genehmigungsfrei, wenn für die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen als für die bisherige Nutzung gelten. Derartige geänderte öffentliche Anforderungen gelten für die neue Nutzung dann, wenn sich aus einer anderen oder derselben Vorschrift andersartige Anforderungen für die bisherige Nutzung zwingend ergeben, wenn also die veränderte Nutzung nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften anders zu beurteilen ist als die bisherige Nutzung (vgl. Jeromin, LBauO RP, 2. Aufl. 2008, § 62 Rn. 108). Geänderte baurechtliche Anforderungen, die eine Genehmigungspflicht begründen, ergeben sich hinsichtlich der Garagennutzung schon insoweit, als hiervon die abstandsflächenrechtliche Betrachtung nach § 8 Abs. 9 LBauO abhängt, wonach ohne Abstandsflächen nur Garagen oder sonstige Gebäude ohne Aufenthaltsräume zulässig sind. Zudem gelten für Garagen unabhängig von der Frage der Einbeziehung in die Grund- oder Geschossflächenberechnung nach den Bestimmungen des für das Gebiet maßgeblichen Bebauungsplans Nr. 002 „Im Binsfeld III (Wochenendhausgebiet)“ auch andere bauplanerische Anforderungen als für Gebäude mit Aufenthaltsräumen (vgl. etwa § 12 BauNVO).

69

Die hiernach erforderliche Nutzungsänderungsgenehmigung ist den Klägern indessen nicht erteilt worden. Insbesondere können sie sich nicht auf die Genehmigungsfiktion des § 66 Abs. 4 Satz 2 und Satz 5 LBauO berufen. Die Fiktion greift nämlich nur dann, wenn die Bauaufsichtsbehörde die Vollständigkeit des Bauantrags unter Angabe des Datums ihrer Feststellung gemäß § 60 Abs. 4 Satz 1 LBauO schriftlich bestätigt hat. Das Gesetz knüpft die Genehmigungsfiktion aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht an den Eingang des vollständigen Bauantrages, sondern erst an die Feststellung der Vollständigkeit. Insoweit lässt sich der Landesbauordnung keine Regelung entnehmen, wonach die Fristen des § 65 Abs. 2 Nr. 1 LBauO und des § 66 Abs. 4 Satz 2 LBauO miteinander zu verbinden sind und die Genehmigungsfiktion einen Monat und 10 Tage nach Abgabe der vollständigen Antragsunterlagen greift (vgl. OVG RP, Urteil vom 20. Februar 2002 – 8 A 11330/01.OVG –, BRS 65 Nr. 171 und juris, Rn. 16; Urteil vom 04. Juli 2007 – 8 A 10160/07.OVG −, BauR 2007, 1718; Beschluss vom 15. Februar 2011 – 8 A 11208/10.OVG −).

70

b. Die Nutzung der Garage zu Aufenthaltszwecken erweist sich auch als materiell baurechtswidrig, da sie einerseits entgegen § 30 Abs. 1 BauGB gegen die Bestimmungen des Bebauungsplanes „Im Binsfeld III“ verstößt und andererseits die Vorgaben der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nach § 8 LBauO nicht einhält.

71

aa. Die Teilnutzung der Garage als Aufenthaltsraum verstößt gegen Nr. 4 Satz 2 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 002 „Im Binsfeld III (Wochenendhausgebiet)“, wonach die Geschossfläche 60 m² nicht überschreiten darf.

72

(1) Maßgeblich für die Bestimmung der bei der Ermittlung der Geschossfläche zu berücksichtigenden Teilflächen ist die Baunutzungsverordnung in der zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bauleitplanes geltenden Fassung (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 97. Ergänzungslieferung 2010, Vorbem. zur BauNVO, Rn. 4). Hiernach ist hinsichtlich des Bebauungsplanes „Im Binsfeld III (Wochenendhausgebiet)“ auf § 20 Abs. 2 der Baunutzungsverordnung in der Neufassung vom 26. November 1968 (BGBl. I S. 1237) – BauNVO (1968) abzustellen. Nach dieser Vorschrift ist die Geschossfläche nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände sind mitzurechnen.

73

Die zu Wohnzwecken genutzte hintere Garagenhälfte ist als Teil des Erdgeschosses des Wochenendhauses, das als Vollgeschoss zu werten ist, in die Geschossflächenberechnung einzubeziehen. Die Kläger profitieren nicht von der Ausnahme in § 20 Abs. 3 BauNVO (1968), wonach bauliche Anlagen und Gebäudeteile im Sinne des § 19 Abs. 4 BauNVO (1968) bei der Ermittlung der Geschossfläche unberücksichtigt bleiben. Nach dieser Vorschrift werden auf die zulässige Grundfläche die Grundflächen von Nebenanlagen im Sinne des § 14 nicht angerechnet. Das gilt gleichermaßen für Balkone, Loggien, Terrassen und für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht im Bauwich oder in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können. Die nach § 8 Abs. 9 Satz 1 LBauO innerhalb der Abstandsflächen zulässigen baulichen Anlagen zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass sie über keine Aufenthaltsräume verfügen. Zudem streitet zugunsten der Kläger auch nicht die Privilegierung des § 21 a Abs. 4 Nr. 2 BauNVO (1968), wonach bei der Ermittlung der Geschossfläche Stellplätze und Garagen nicht zu berücksichtigen sind, soweit sie höchstens 0,1 der Fläche des Grundstücks in Anspruch nehmen. Der Aufenthaltszwecken dienende hintere Teil des Gebäudes hat gerade seine Funktion als Garage verloren, die darin zu sehen ist, dass es sich um einen umschlossenen Raum zum Abstellen von Kraftfahrzeugen handelt (vgl. § 2 Abs. 8 Satz 2 LBauO). Ist hiernach die Fläche des Wohnzwecken dienenden hinteren Teils der Garage in die Geschossflächenberechnung einzubeziehen, so führt dies zu einer Überschreitung der nach dem Bebauungsplan geltenden Obergrenze, die durch den genehmigten Bestand des Wochenendhauses mit 59,5 m² fast vollständig ausgeschöpft wird.

74

(2) Die Nutzung der Garage für Aufenthaltszwecke lässt allerdings nicht gleichzeitig einen Verstoß gegen die in Nr. 3 Satz 2 der textlichen Festsetzungen vorgesehene Begrenzung der Grundfläche der Wochenendhäuser auf 60 m² erkennen.

75

Mit diesem sich aus § 10 Satz 2 BauNVO (1968) ergebenden Maßstab wird eine von der Festsetzung der Grundfläche der baulichen Anlagen in § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BauNVO (1968) abweichende Zielsetzung verfolgt. Während die Grundfläche der Wochenendhäuser allein das Wochenendhaus als solches in Bezug nimmt, erfasst der Begriff der Grundfläche der baulichen Anlagen in § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BauNVO (1968) neben dem Wochenendhaus selbst noch weitere auf dem Grundstück befindliche bauliche Anlagen, wie z.B. Garagen. Die Festsetzungen zur Grundfläche aller baulichen Anlagen geben den Umfang der Bebauung des Grundstücks und damit die Baudichte vor. Die nach § 10 Satz 2 BauNVO (1968) für Wochenendhausgebiete zwingend festzusetzende zulässige Grundfläche allein der Wochenendhäuser soll eine an der besonderen Eigenart des Gebietes orientierte Bestimmung der Grundrissgröße der das Gebiet prägenden baulichen Anlagen, nämlich der Wochenendhäuser ermöglichen (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Auflage 2008, § 10 Rn. 25). Bei der Grundfläche der Wochenendhäuser handelt es sich - im Gegensatz zur Geschossfläche, die auch auf die innere Ausnutzung abstellt, - um ein auf den äußeren Charakter der Gebäude und ihre nach außen erkennbar werdende Flächeninanspruchnahme abstellendes Kriterium. Hiernach werden von der Festsetzung nur solche Gebäudeteile erfasst, die sich nach ihrem äußeren Eindruck als integrierter Bestandteil eines Wochenendhauses darstellen.

76

Dies ist indessen bei der Garage der Kläger nicht der Fall. Sie ist zwar an das Wochenendhaus angebaut, erweckt aber nach außen hin den Eindruck eines selbstständigen Teilgebäudes, das nicht an der Aufenthaltsfunktion des eigentlichen Wochenendhauses teilhat, sondern der Unterbringung von Kraftfahrzeugen dient. Insbesondere ist weiterhin ein Garagentor vorhanden und die nach Südosten ausgerichtete Längswand der Garage wird nicht durch eine Fensteröffnung durchbrochen. Das Garagengebäude war daher nicht in die Berechnung der Grundfläche des Wochenendhauses einzubeziehen. Die nach außen nicht in Erscheinung tretende Erweiterung der Wohnfläche im Gebäudeinneren wird deshalb allein bei dem – auf die Aufenthaltsräume abstellenden – Merkmal der Geschossfläche berücksichtigt.

77

(3) Der Verstoß gegen die im Bebauungsplan festgesetzte zulässige Geschossfläche ist nicht deshalb unbeachtlich, weil der Plan als unwirksam anzusehen wäre.

78

(a) Eine Unwirksamkeit des Bebauungsplanes ergibt sich nicht bereits daraus, dass er nicht den Vorgaben des gemeinsamen Runderlasses Planung und Ausweisung von Wochenendhausgebieten (MinBl. 1977, Spalte 219) entspricht. Der Runderlass enthält keine für die Antragsgegnerin in Ausübung ihrer Planungshoheit bindenden Vorgaben, so dass ein Verstoß gegen diese Regelungen keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans hat.

79

(b) Der Plan ist zudem durch erneute Bekanntmachung am 19. Juni 1984 wirksam in Kraft getreten.

80

Die Heilung eines ursprünglich verfahrensfehlerhaft erlassenen Bebauungsplans in einem ergänzenden Verfahren (§ 155 a Abs. 5 BBauG, vgl. § 214 Abs. 4 BauGB) würde nur dann keinen gültigen Bebauungsplan hervorbringen, wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingungen nach der Beschlussfassung grundlegend verändert haben oder in der Nachbarschaft ein nachhaltiger Wandel der tatsächlichen Gegebenheiten eingetreten ist, so dass die ursprünglichen Planungsgrundlagen nicht mehr tragfähig sind. Für eine Fehlerhaftigkeit des Abwägungsergebnisses lassen sich im Falle des Bebauungsplanes „Im Binsfeld III“ indes keine Anhaltspunkte feststellen.

81

Zudem scheitert ein wirksames Inkraftsetzen eines Bebauungsplans in einem ergänzenden Verfahren dann, wenn zuvor dessen Funktionslosigkeit eingetreten ist. Von einer derartigen Funktionslosigkeit ist auszugehen, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse im Plangebiet so weit verselbstständigt haben, dass von den planerischen Festsetzungen, die Gegenstand der gemeindlichen Beschlussfassung waren, keine steuernde Wirkung mehr ausgehen kann (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1997 – 4 NB 40.96 – in NVwZ 1997, 893 und juris, Rn. 17 f.). Eine derartige Funktionslosigkeit setzt voraus, dass tatsächliche Verhältnisse eingetreten sind, die die auf sie bezogenen Festsetzungen eines Bebauungsplanes ihrer ordnenden Wirkung beraubten, weil deren Verwirklichung in ihrer ganzen Reichweite auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen ist. Die Abweichung zwischen planerischer Festsetzung und tatsächlicher Situation muss zudem derart offensichtlich sein, dass ein dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetztes Vertrauen nicht mehr als schutzwürdig angesehen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1977 – IV C 39.75 −, BVerwGE 54, 5 und juris, Rn. 35; Urteil vom 17. Juni 1993 – 4 C 7/91 −, NVwZ 1994, 281 und juris, Rn. 19; Urteil vom 28. April 2004 – 4 C 10/03 −, NVwZ 2004, 1244 und juris, Rn. 15; OVG RP, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 8 C 10150/10.OVG −, juris, Rn. 151; Kalb/Külpmann, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 100. Ergänzungslieferung 2011, § 10 Rn. 407). Ob die Voraussetzungen für die Funktionslosigkeit bauplanerischer Regelungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2003 – 4 B 85/03 −, BauR 2004, 1128 und juris Rn. 8).

82

Hiernach kann bei dem Bebauungsplan „Im Binsfeld III“, insbesondere bei den hier entscheidenden Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, keine Funktionslosigkeit zum Zeitpunkt seiner erneuten Bekanntmachung am 13. Juni 1984 angenommen werden.

83

Eine derartige Funktionslosigkeit kann insbesondere nicht auf die von den Klägern durchgeführte Umfrage gestützt werden, nach der von den 187 Bauten, die im Jahr 1984 im Bereich des Wochenendhausgebietes vorhanden gewesen seien, 145 dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt worden seien. Dabei kann außer Betracht bleiben, dass die Angaben der Kläger in einzelnen Fällen nicht nachvollziehbar sind, wenn sie etwa Anwesen als dauerbewohnt bezeichnen, die im Jahre 1984 noch nicht errichtet waren.

84

Eine dem festgesetzten Gebietscharakter entgegenstehende Wohnnutzung kann nämlich im Hinblick auf die Ordnungsfunktion des Bebauungsplanes nur dann Relevanz gewinnen, wenn sie genehmigt oder in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben (vgl. zur Einordnung nach § 34 BauGB: OVG RP, Urteil vom 19. Juli 1984 -12 A 59/82 -). Denn nur unter dieser Voraussetzung kann angenommen werden, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse so verfestigt haben, dass sie dem Geltungsanspruch der Festsetzungen des Bebauungsplanes auf unabsehbare Zeit entgegenstehen. Der Geltungsanspruch einer Norm geht nicht bereits dadurch verloren, dass sich ein großer Teil der Normunterworfenen nicht mehr an die Regelungen hält. Vielmehr muss zusätzlich das Verhalten der für die Überwachung der Vorschrift zuständigen Behörde die Annahme rechtfertigen, dass die tatsächlichen Abweichungen dauerhaft Bestand haben werden und kein schutzwürdiges Vertrauen in die Fortgeltung der Festsetzung mehr rechtfertigen.

85

Zu den von den Klägern aufgelisteten Vorhaben, bei denen im Rahmen ihrer Umfrage eine Dauerwohnnutzung im Jahre 1984 angegeben wurde, kann indessen nicht festgestellt werden, dass diese Nutzung in nennenswertem Umfang von der Beklagten genehmigt oder geduldet worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde lediglich in Einzelfällen eine Dauerwohnnutzung ermöglicht sowie in 25 Fällen eine höhere Grund- oder Geschossfläche als 60 m² zugelassen, wobei bei 20 Anwesen eine Überschreitung von nicht mehr als 5 m² erlaubt wurde. Eine derart geringe Überschreitung erleichtert indessen nicht merkbar die Nutzbarkeit des Anwesens zum dauerhaften Wohnen und damit eine Abkehr von der Wochenendhausnutzung. Bei einer möglichen Gesamtzahl von etwa 240 Häusern, einer überwiegend geringfügigen Abweichung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und einer nicht ins Gewicht fallenden Genehmigung des Dauerwohnens kann hiernach nicht angenommen werden, dass eine Verwirklichung des die Art der Nutzung betreffenden Gebietscharakters im Plangebiet im Juni 1984 nicht mehr möglich gewesen wäre. Dass über die von der Beklagten genannten Fälle hinaus Dauernutzungen - und nicht bloß Wochenendhausnutzungen − genehmigt worden sind, wird auch von den Klägern nicht behauptet. Die Festsetzungen von Kniestock und Dachneigung, von denen ebenfalls Abweichungen zugelassen wurden, sind Teil der Gestaltungssatzung und wirken sich daher auf die Ordnungsfunktion des Bebauungsplanes nicht unmittelbar aus.

86

Im Übrigen haben mögliche Abweichungen von den die Gebietsart charakterisierenden Festsetzungen zum damaligen Zeitpunkt in ihrer Erkennbarkeit keinen solchen Grad erreicht, dass ein in die Fortgeltung der Gebietsfestsetzung gesetztes Vertrauen keinen Schutz mehr verdiente. Dies wird nicht zuletzt daran deutlich, dass das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seiner das Gebiet betreffenden Entscheidung vom 19. Juli 1984 (Az.: 12 A 59/82) bei der Einschätzung nach § 34 BauGB zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das Gebiet sich weiterhin als faktisches Wochenendhausgebiet darstellt.

87

(c) Eine Funktionslosigkeit der Maßfestsetzungen des Bebauungsplans „Im Binsfeld III“ ist auch in der Folgezeit nach der Neubekanntmachung des Plans nicht eingetreten. Dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Wohngebiet bis Ende 2002 durchgreifend geändert hätten, kann anhand des Vortrags der Beteiligten und nach den Verwaltungsakten nicht festgestellt werden. Überdies ist die Beklagte gegenüber einer Dauerwohnnutzung in diesem Gebiet auch nicht untätig geblieben oder hat diese gar geduldet. Vielmehr hat sie in den Jahren 1984 bis 1995 in mehreren Fällen eine melderechtliche Klarstellung bei mit Hauptwohnsitz im Gebiet gemeldeten Anwohnern veranlasst.

88

(d) Auch nach der Verabschiedung des Sanierungskonzeptes durch den Bau- und Planungsausschuss der Beklagten am 16. April 2008 ist hinsichtlich der Gebietsfestsetzung als Wochenendhausgebiet keine Funktionslosigkeit eingetreten.

89

Die Beklagte sieht nach ihrem Sanierungskonzept zwar von einer förmlichen Duldung des Dauerwohnens ab. Andererseits verzichtet sie aber auf eine Kontrolle dieses Umstandes. Zudem sind im Sanierungskonzept keine Maßnahmen vorgesehen, die den Bewohnern der Anwesen gegenüber ergriffen werden sollen, in denen Hauptwohnsitze gemeldet sind. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Beklagte gegen die Dauerwohnnutzung als solche keine Maßnahmen ergreift.

90

Dabei geht der Senat davon aus, dass die Zahl der dauerhaft zu Wohnzwecken genutzten Anwesen höher ist als die im Sanierungskonzept angeführte Zahl von 76 als mit Hauptwohnsitz gemeldeten Anwesen. Denn es ist damit zu rechnen, dass eine größere Anzahl von Personen, die keinen Dauerwohnsitz gemeldet haben, dauerhaft in dem Gebiet wohnt.

91

Dieser Umstand bedeutet indes noch nicht, dass der Bebauungsplan „Im Binsfeld III“ seine Steuerungsfunktion offenkundig verloren hätte, jedenfalls nicht hinsichtlich der hier allein entscheidenden Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung.

92

Für die Prägung eines Wochenendhausgebietes und somit für seinen Gebietscharakter kommt es nicht allein darauf an, in welchem Umfang tatsächlich eine Freizeit- oder eine dauerhafte Nutzung stattfindet. Es gehört zum Kennzeichen solcher Gebiete, dass die Nutzung der Anwesen einem ständigen Wandel unterliegt. Nicht selten findet ein fließender Übergang einer zunächst auf die Wochenenden und die Ferienzeit beschränkten Nutzung hin zu einem Dauerwohnen statt, ohne dass die Grenze exakt bestimmt werden könnte. Weil diese Entwicklung in aller Regel im Verborgenen stattfindet, haben es die Aufsichtsbehörden naturgemäß schwer, dem zu begegnen (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, a.a.O., § 10 BauNVO, Rn. 18; Fickert/Fieseler BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 10 Rn. 23).

93

Der Charakter eines Wochenendhausgebietes wird über den tatsächlichen Umfang der Wohnnutzung hinaus entscheidend auch von dem äußeren Eindruck der vorhandenen Gebäude bestimmt. Denn es ist kennzeichnendes Merkmal eines Wochenendhausgebietes, eine vorübergehende Nutzung auf begrenztem Raum zu ermöglichen (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. August 1985 -1 A 62/84 -, AS 19, 442 und ESOVGRP). Entscheidende Bedeutung zur Wahrung des Gebietscharakters kommt deshalb auch der Beschränkung der Grundfläche des Wochenendhausgebietes nach § 10 Satz 2 BauNVO (1968) zu, die üblicherweise 30 bis 60 m² beträgt (vgl. Söfker a.a.O., § 10 BauNVO, Rn. 22; Fickert/Fieseler, a.a.O. § 10 Rn. 23.1) und die im Plangebiet auf 60 m² beschränkt ist. Wie oben bereits ausgeführt, trägt ein in seinem äußeren Erscheinungsbild derart begrenztes Wohngebäude maßgeblich zum Charakter des Gebietes als Wochenendhausgebiet bei.

94

Diese Verknüpfung einer bloßen Freizeitnutzung mit nach außen erkennbarer Beschränkung des zur Verfügung stehenden Raumes war auch tragende Erwägung des von den Klägern zitierten Urteils des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. August 1985 (-1 A 62/84 -, a.a.O.). Hierin wurde gerade darauf abgestellt, dass mit Billigung der zuständigen Behörde eine baugebietswidrige Dauernutzung von Wohnhäusern auf einer Fläche von bis zu 236 m² entstanden und auch im Bebauungsplan die zulässige Wohnfläche auf maximal 156 m² festgesetzt worden war. Hiermit sei das kennzeichnende Merkmal eines Wochenendhauses, eine Nutzung für vorübergehende Aufenthalte zu Freizeitzwecken auf begrenztem Raum zu ermöglichen, verfehlt worden. Das Gericht sah einen Verstoß gegen § 10 BauNVO und eine falsche Etikettierung des Plangebietes gegeben. Hiernach litt der dieser Entscheidung zugrundeliegende Bebauungsplan aber gerade daran, dass die in einem Wochenendhausgebiet erforderliche Begrenzung der Grundfläche nicht erfolgte.

95

Allein der Verzicht der Beklagten, eine tatsächlich stattfindende Dauernutzung aufzuklären, lässt deshalb noch nicht den Schluss zu, man habe den Charakter des Gebiets als Wochenendhausgebiet aufgegeben. Dem steht entgegen, dass sie nach ihrem Sanierungskonzept jedenfalls bei Überschreitung der zulässigen Grundfläche der Wochenendhäuser als dem für den Eindruck nach außen maßgeblichen Merkmal auf einer Einhaltung der Vorgaben des Bebauungsplanes beharrt und einen Rückbau der diese Grenzen überschreitenden Flächen anstrebt. Dies gilt etwa für die ungenehmigte Errichtung von Anbauten und Wintergärten. Das Sanierungskonzept stellt hiernach ein taugliches Mittel dar, der Festsetzung des Gebietscharakters im Bebauungsplan weiterhin zur Durchsetzung zu verhelfen und den Geltungsanspruch dieser Norm zu untermauern.

96

Erkennt man in dem Umstand der vorübergehenden Freizeitnutzung auf begrenztem Raum das prägende Merkmal eines Wochenendhausgebietes, so vermag der Senat auch nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung nicht festzustellen, dass die im Plangebiet tatsächlich vorhandene Bebauung insgesamt den Charakter eines solchen Wochenendhausgebietes inzwischen offenkundig verloren hätte.

97

Zwar sind in dem Gebiet auch größere Anwesen vorhanden, die zum Teil allerdings bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplanes „Im Binsfeld III“ im Jahre 1984 genehmigt wurden. Im Übrigen entsteht der Eindruck einer verdichteten Bebauung, die sich westlich der Straße „Binsfeld“ vielfach über zwei Reihen erstreckt. Dabei erscheinen die Gebäude aber nicht überdimensioniert, vielmehr kann nach optischer Einschätzung überwiegend davon ausgegangen werden, dass die Grundfläche der Wochenendhäuser weiterhin den durch den Bebauungsplan vorgegebenen Rahmen einhält. Kennzeichnend für das Gebiet ist die kleinräumige Kubatur überwiegend als Einzelhäuser in Erscheinung tretender Gebäude.

98

Im Wesentlichen bleibt auch der Eindruck der Eingeschossigkeit erhalten. Zum Teil wird insbesondere bei den östlich der Straße „Binsfeld“ gelegenen Anwesen zwar der Anschein erweckt, dass das Kellergeschoss entsprechend der Vorschrift 2 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 der Landesbauordnung vom 27. Februar 1974 (GVBl., S. 55) als weiteres Vollgeschoss anzusehen ist und es im Mittel über 1,20 m über die Geländeoberfläche hinausragt. Dieser erste Eindruck wird jedoch vielfach durch eine bei der Ortsbesichtigung festzustellende topographische Besonderheit entkräftet. Die natürliche Geländeoberfläche gestaltet sich in diesem Bereich nämlich in weiten Teilen so, dass sie dammartig vom See her zunächst ansteigt und zur Straße wieder abfällt. Hiernach ist aber in vielen Fällen erkennbar, dass der Mittelwert eines mehr als 1,20 m über die Geländeoberfläche hinausragenden Kellergeschosses nicht erreicht wird. Insgesamt vermittelt das Plangebiet nicht den Charakter eines klassischen Wohngebietes.

99

Die für die Annahme der Funktionslosigkeit erforderliche Erkennbarkeit einer tatsächlichen Entwicklung in Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes wird auch nicht erreicht, soweit Aufenthaltsräume in Speicher- und Kellerräumen errichtet wurden und hierdurch die im Plangebiet zulässige Geschossfläche überschritten wurde. Auch hierzu hält das Sanierungskonzept der Beklagten fest, dass die entsprechende Nutzung der Räume nicht genehmigt, von Kontrollen aber wegen der fehlenden Effizienz abgesehen werden soll. Ein Einschreiten gegen die festgestellten 127 Umnutzungen von Kellerräumen und 15 Fälle umgenutzter Speicher sieht das Konzept wiederum nicht vor. Indessen handelt es sich hierbei um Abweichungen, die die innere Ausnutzung der vorhandenen Räumlichkeiten betreffen und die sich nicht merklich auf die äußere Gestaltung der Gebäude und die hierdurch bewirkte Prägung auswirken. Vielmehr sind die Anwohner, wie auch die Umnutzung von Garagen zeigt, gerade darum bemüht, die abweichende Nutzung der Räume nicht nach außen in Erscheinung treten zu lassen. Die Verstöße gegen die Vorgaben des Planes sind insoweit nicht offensichtlich.

100

bb. Die durch Zugänge mit dem Haupthaus verbundene, grenzständig errichtete Garage verstößt auch gegen das Abstandsflächengebot des § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO.

101

Die Kläger können sich nicht auf die Privilegierung des § 8 Abs. 9 LBauO berufen, wonach Garagen ohne Abstandsflächen gegenüber Grundstücksgrenzen errichtet werden können. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass es sich bei der innerhalb der Abstandsflächen errichteten Garage um ein selbständiges Gebäude handelt. Entscheidend für die Annahme einer Selbstständigkeit in diesem Sinne ist die funktionale Trennung zwischen Hauptgebäude und Garagenanbau, durch die gewährleistet ist, dass die Grenzbebauung nur entsprechend ihrer Funktion als Garage genutzt wird (vgl. OVG RP, Urteil vom 25.11.2009 – 8 A 10636/09.OVG −, AS 38, 130 und juris, Rn. 35). Mangels Eintragung der entsprechenden Baulast können die Abstandsflächen auch nicht nach § 9 Abs. 1 LBauO auf dem Nachbargrundstück ausgewiesen werden.

102

c. Liegen hiernach die tatbestandlichen Voraussetzungen für die die Garage betreffenden Anordnungen vor, so erweist sich die auf die aufgezeigten Verstöße abstellende Ermessensentscheidung der Beklagten jedoch als fehlerhaft.

103

aa. Soweit die bauaufsichtliche Verfügung auf die Verletzung des Abstandsflächengebotes abstellt, erweist sich die Anordnung als ermessensfehlerhaft, weil den Klägern ein Anspruch auf Eintragung einer Baulast zusteht, mit der der aufgezeigte Abstandsflächenverstoß behoben wird, und die Beklagte diese Eintragung in rechtswidriger Weise verweigert.

104

Die Kläger haben im Februar 2011 unter Vorlage einer entsprechenden Einwilligungserklärung ihres Nachbarn den Antrag auf Eintragung einer Baulast gestellt, wonach die Abstandsflächen für die Garage gemäß § 9 Abs. 1 LBauO auf dem Nachbargrundstück ausgewiesen werden. Nach Eintragung einer entsprechenden Baulast würde die Grenzgarage die abstandsrechtlichen Vorschriften einhalten. Nach übereinstimmender Darstellung der Beteiligten sind sowohl die formalen Voraussetzungen für eine Eintragung als auch die tatbestandlichen materiellen Anforderungen des § 9 Abs. 1 LBauO erfüllt. Ist aber der Besteller verfügungsberechtigt, entspricht die Erklärung den Formvorschriften, hat sie einen bestimmten baulastfähigen Inhalt und besteht ein baurechtlicher Bezug, so hat der Begünstigte einen Eintragungsanspruch, wenn er damit – wie im Falle der Kläger - die Voraussetzungen für ein bestimmtes Vorhaben sichert (Schmidt in: Jeromin, a.a.O., § 86 Rn. 43).

105

Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass hierdurch einer den Vorgaben des Bebauungsplanes widersprechenden Nutzung der Garagenräume Vorschub geleistet würde. Die Abstandsflächenregelungen sollen lediglich Konfliktsituationen lösen, die sich unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten ergeben. Eine Berücksichtigung bauplanerischer Gesichtspunkte bei der Entscheidung über die Eintragung einer Baulast ist von der Regelung des § 9 Abs. 1 LBauO nicht abgedeckt.

106

Des Weiteren ist unerheblich, dass der Eintragungsantrag erst nach der letzten Behördenentscheidung, dem Widerspruchsbescheid vom 04. August 2010, gestellt wurde. Die Kläger hatten nämlich bereits im Widerspruchsverfahren darauf verwiesen, dass der Nachbar mit der Ausweisung der Abstandsfläche auf seinem Grundstück einverstanden sei und die Eintragung einer Baulast angestrebt werde. Auf diesen Gesichtspunkt ist die Beklagte in ihren Entscheidungen indes nicht eingegangen. Zudem greift eine Ausnahme von der Regel, dass es im Rahmen der Anfechtungsklage grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt. Die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind nämlich dann maßgeblich, wenn sich – wie im vorliegenden Fall − bei einem noch nicht vollzogenen Verwaltungsakt die Sach- oder Rechtslage inzwischen zugunsten des Klägers in einer Weise geändert hat, dass eine Durchsetzung der angegriffenen behördlichen Maßnahme nunmehr sinnlos geworden ist oder unangemessen erscheinen müsste (BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1989 – 4 B 132/88 −, juris Rn. 5).

107

bb. Soweit die zu der Garage getroffenen Anordnungen mit einem Verstoß gegen bauplanungsrechtliche Vorgaben begründet werden, verletzt die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

108

Der Gleichheitssatz gebietet es, dass die Behörde bei ihrem Vorgehen gegen baurechtswidrige Zustände das ihr eingeräumte Ermessen gleichmäßig ausübt. Sie darf nicht systemlos oder willkürlich handeln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 1995 – 4 B 55/95 −, BRS 57 Nr. 248 und juris Rn. 5).

109

Maßstab für das Vorgehen der Beklagten gegen baurechtliche Verstöße ist das am 16. April 2008 durch den Bau – und Planungsausschuss der Beklagten beschlossene Sanierungskonzept. Die Beklagte hat damit zur Gewährleistung eines abgestimmten Vorgehens, bei dem wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches abweichend behandelt wird, ein Konzept entwickelt, das Grundlage für ihr bauaufsichtliches Vorgehen sein soll. Mit diesem Sanierungskonzept hat sie ihr Vorgehen gegen baurechtliche Verstöße vorab festgelegt und sich damit im Hinblick auf die Ausübung ihres Ermessens selbst gebunden.

110

Was Garagenumnutzungen und das Vorhandensein von Zugängen zwischen Hauptgebäuden und Garagen angeht, so werden im Sanierungskonzept nur Verstöße gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften problematisiert. Hiernach sieht das Sanierungskonzept ein Einschreiten gegen umgenutzte Garagen von vorneherein nur bei einer Verletzung des Abstandsflächenrechtes vor. Ein Vorgehen aus bauplanungsrechtlichen Gründen, wie es hier erstmals im Widerspruchsbescheid als zusätzliches Argument dargelegt worden ist, weicht daher von dem selbst gesetzten Sanierungskonzept ab.

111

Darüber hinaus erweist sich das auf die Bauplanungswidrigkeit der Garagenumnutzung gestützte Vorgehen noch aus einem weiteren Grund als ermessensfehlerhaft.

112

Wenn im Widerspruchsbescheid die Nutzung der Garage zu Aufenthaltszwecken als Überschreitung der im Bebauungsplan erfolgten Festsetzung zur Grundfläche der Wochenendhäuser gewertet wird, ist nach dem oben Gesagten ein solcher Verstoß bereits objektiv nicht gegeben. Soweit in dieser Begründung zugleich ein Verstoß gegen die Festsetzung der Geschossfläche zum Ausdruck kommt, liegt hierin nach Auffassung des Senats die Ungleichbehandlung zweier Sachverhalte, die sich im Wesentlichen als gleich erweisen.

113

Zur Geschossfläche ist nach dem hier maßgeblichen § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO (1968) nicht nur die Fläche der Vollgeschosse zu rechnen, vielmehr wird auch die Fläche von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen erfasst. Mit der so festgelegten Geschossfläche wird also auf die im Wochenendhaus tatsächlich vorhandene Wohnfläche abgestellt.

114

Was die Ausdehnung der Geschossfläche im Gebäudeinneren anbelangt, die also ohne Erweiterung der Grundfläche und die damit einhergehende Vergrößerung des Gebäudekörpers erfolgt, hat sich die Beklagte in ihrem Sanierungskonzept indes dahin festgelegt, dass sie gegen die Schaffung zusätzlicher Aufenthaltsräume in Keller und Speicher und die dadurch herbeigeführte Ausdehnung der Geschossfläche nicht vorgehen wird. Dabei lässt sich die Beklagte von der Überlegung leiten, dass derartige Verstöße im Innern der betroffenen Gebäude erfolgen und nach außen oft nicht erkennbar werden, was zugleich eine dauerhafte Kontrolle wesentlich erschwert. Gleichzeitig bleiben trotz dieser Einschränkung der Kontrolle das äußere Erscheinungsbild und die Kubatur der Anwesen unberührt, so dass sich hierdurch keine wesentlichen Auswirkungen auf den Charakter des Gebietes insgesamt ergeben.

115

Vergleichbare Erwägungen greifen aber auch bei einer Ausdehnung der Wohnfläche in horizontaler Richtung, wie sie bei einer Umnutzung der Garage zu Wohnzwecken vorliegt, sofern auch dabei das äußere Erscheinungsbild der baulichen Anlagen unberührt bleibt. Ebenso wie bei der Erweiterung der Wohnfläche in die Funktionsräume im Keller und Speicher hinein ist auch eine Inanspruchnahme von Teilen der Garage auf das Gebäudeinnere beschränkt und erfolgte oftmals im Verborgenen. Dann ist aber kein sachlicher Grund dafür erkennbar, die eine – vertikale – Überschreitung der Geschossfläche hinzunehmen und gegen den anderen Verstoß – in der horizontalen Nutzung des Gebäudes – einzuschreiten. Erst wenn die Umnutzung der Garage derart erfolgt, dass dadurch nach außen erkennbar ein vergrößertes Wohngebäude entsteht, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit auch mit der Festsetzung zur Grundfläche des Wochenendhauses, woraus sich ein Differenzierungskriterium ergibt.

116

Soweit die Beklagte darauf abstellt, die im Keller und Speicher geschaffenen Aufenthaltsräume führten aus bauordnungsrechtlichen Gründen nicht zu einer Erhöhung der berücksichtigungsfähigen Geschossfläche, vermag dies die festgestellte Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen. Die Beklagte geht in ihrem Konzept nämlich selbst davon aus, dass auch den Vorschriften des Bauordnungsrechtes entsprechende Aufenthaltsräume in Kellern und auf Speichern eingerichtet sein können, sie aber dennoch unbeanstandet bleiben sollen. Zudem ist der Begriff des Aufenthaltsraumes in Anlehnung an die Begriffsbestimmung der Landesbauordnung dadurch definiert, dass es sich um einen Raum handelt, der zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet ist (vgl. 2 Abs. 5 LBauO). Kriterium für die Bestimmung der Aufenthaltsfunktion ist hiernach neben der objektiven Eignung die subjektive Zweckbestimmung (Jeromin, Landesbauordnung, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 77). Auf die weitergehenden Anforderungen der Landesbauordnung für Aufenthaltsräume kommt es hingegen nicht an (vgl. HessVGH, Beschluss vom 08. Dezember 1989 – 4 TG 2896/89 –, juris Rn. 31: BVerwG, Urteil vom 07. Juni 2006 – 4 C 7/05 – NVwZ 2006, 1065 und juris; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 07. Dezember 1994 - 1 L 144/93 -, juris Rn. 38).

117

2. Der Bescheid der Beklagten vom 29. September 2008 erweist sich hingegen als rechtmäßig, soweit den Klägern in Nr. 1 Buchstabe c) der Rückbau der Terrassenüberdachung aufgegeben wurde. Insoweit liegen die Voraussetzungen des § 81 Satz 1 LBauO vor.

118

a. Die von den Klägern angebrachte Terrassenüberdachung verstößt gegen materielles Baurecht. § 2 Abs. 2 der für das Gebiet maßgeblichen Satzung über die äußere Gestaltung von baulichen Anlagen sowie über Erfordernis und Gestaltung von Einfriedungen für das Wochenendhausgebiet „Binsfeld III“ vom 7. Dezember 1977 – Gestaltungssatzung − sieht vor, dass die überdachte Fläche von Loggien und Terrassen 8 m² nicht überschreiten darf. Die Überdachung im Falle der Kläger weist jedoch eine Fläche von 24 m² auf.

119

Insoweit können sich die Kläger nicht darauf berufen, der Geltungsbereich der Satzung sei unbestimmt. Dieser wird vielmehr unter Bezugnahme auf den für das Gebiet geltenden Bebauungsplan exakt umrissen. § 1 der Satzung sieht als Anwendungsbereich das gesamte Wochenendhausgebiet „Im Binsfeld III“ vor. Wie die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, handelt es sich bei dem in der Vorschrift angesprochenen Lageplan als Anlage zur Satzung um ein Exemplar des Bebauungsplanes, das auch weiterhin existiert, so dass der Geltungsbereich sowohl textlich durch Bezugnahme auf den Bebauungsplan als auch zeichnerisch hinreichend bestimmt ist. Da die Planskizze des Bebauungsplanes selbstständiger Teil der Gestaltungssatzung geworden ist, kommt es auf die Wirksamkeit des Bebauungsplanes nicht an.

120

b. Die auf die Terrassenüberdachung bezogene Rückbauverfügung erweist sich auch nicht im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG als rechtswidrig. Soweit das Sanierungskonzept der Beklagten vorsieht, dass Terrassenüberdachungen bis zu einer Fläche von 10 m² nicht zurückgebaut werden müssen, hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass diese Abweichung von der Satzungsregelung nur auf Fälle eines geringfügigen Überschreitens Anwendung finden soll. Sie trägt damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung. Mit der Regelung soll verhindert werden, dass auch bei geringfügigen Überschreitungen der zulässigen Fläche ein vergleichsweise hoher Aufwand für den Rückbau der Überdachung entsteht. Die abweichende Behandlung rechtswidrig errichteter Terrassenüberdachungen bis zu einer Fläche von 10 m² ist damit sachlich gerechtfertigt.

121

3. Die das Gartenhaus betreffende Verfügung in Nr. 1 Buchstabe d) des Bescheides vom 29. September 2008 erweist sich nur teilweise als rechtmäßig.

122

a. Soweit die Beklagte hierin der Klägerin aufgegeben hat, hinsichtlich der nach dem Bebauungsplan unzulässigen Gartenhütte einen Befreiungsantrag zu stellen, hält sich diese Anordnung im Rahmen der Ermächtigungsnorm des § 81 LBauO. Da die Beklagte in ihrem Sanierungskonzept die Erteilung einer Befreiung für Nebenanlagen bis zu einer Fläche von 6 m² nach den §§ 31 Abs. 2 BauGB und 69 Abs. 2 LBauO in Aussicht gestellt hat, können auf diesem Wege in anderer Weise als durch Erlass einer Beseitigungsverfügung rechtmäßige Zustände hergestellt werden. Der Abweichensantrag nach § 69 Satz 2 LBauO tritt dabei an die Stelle des Bauantrages nach § 81 Satz 2 LBauO. Ein solcher Antrag ist auch keine bloße Förmelei, da nur durch Vorlage entsprechender Unterlagen der Gegenstand der Befreiung etwa hinsichtlich des Standortes der Hütte auf dem Grundstück der Kläger eindeutig bestimmt werden kann. Die Einreichung eines Abweichungsantrags bürdet den Klägern auch keine unzumutbaren Lasten auf.

123

b. Die Kläger können sich hinsichtlich der Gerätehütte auch nicht deshalb auf Bestandsschutz berufen, weil diese zu einem Zeitpunkt errichtet wurde, als der für das Gebiet maßgebliche Bebauungsplan noch nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht war und der Ausschluss von Nebenanlagen nicht galt. Der Errichtungszeitpunkt der Gerätehütte kann nämlich nicht mehr exakt festgestellt werden. Der Darstellung der Kläger hält die Beklagte den Umstand entgegen, dass bei der Gebrauchsabnahme am 23. August 1988 und damit nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes keine Mängel festgehalten wurden. Erweist sich aber als unaufklärbar, wann der von einer Beseitigungsverfügung Betroffene die beanstandete Nutzung aufgenommen hat und ob er dementsprechend aus Gründen der formellen oder materiellen Legalität Bestandsschutz genießt, so geht das zu seinen Lasten. Insoweit macht er im Wege einer Einwendung ein Gegenrecht geltend. Er leitet nämlich aus der Vergangenheit ein Recht ab, das es ihm ermöglicht, sich gegen eine behördliche Anordnung durchzusetzen, obgleich die beanstandete Nutzung (derzeit) materiell rechtswidrig ist und dies an sich für eine derartige Verfügung ausreicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1979 - 4 C 86.76 –, DÖV 1979, 601 und juris, Rn. 14; Beschluss vom 05. August 1991 – 4 B 130/91 und juris Rn. 4).

124

c. Als unverhältnismäßig erweist sich indessen die weitergehende Anordnung der Beklagten, das Gerätehaus zu beseitigen, wenn der Befreiungsantrag nicht fristgerecht binnen 6 Wochen nach Bestandskraft der Verfügung gestellt wird. Da rechtmäßige Zustände durch Erteilung der in Aussicht gestellten Befreiung erreicht werden können, ist die Beseitigung der Gerätehütte hierfür nicht erforderlich. Vielmehr kann die Beklagte die Stellung eines Befreiungsantrages mit Einsatz von Zwangsmitteln herbeiführen. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angedeutete Möglichkeit, auf einen Antrag zu verzichten und die Gerätehütte stattdessen freiwillig zu beseitigen, steht den Klägern auch ohne eine entsprechende Anordnung offen.

125

4. Schließlich ist im Hinblick auf die vom Senat nicht beanstandeten Verfügungen auch nicht erkennbar, dass die Beklagte bei ihrem Vorgehen im Bereich des Bebauungsplangebietes das Gleichbehandlungsgebot verletzte und die in ihrem Sanierungskonzept vorgesehenen Maßnahmen nicht konsequent umsetzte. Dabei können sich die Betroffenen nicht allgemein darauf berufen, die Behörde schreite gegen Baurechtsverstöße in vergleichbaren Fällen nicht ein. Art. 3 Abs. 1 GG räumt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht ein. Vielmehr können sie lediglich verlangen, dass die Behörde ihr Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichartig ausübt. Die Behörde muss dabei nicht gleichzeitig vorgehen, sondern kann bei einer Vielzahl von Verstößen nach und nach einschreiten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 1995, a.a.O., juris Rn. 4f.). Die Kläger können sich hiernach nicht auf jede baurechtliche Abweichung, sondern nur auf solche Verstöße berufen, die den bei ihnen beanstandeten Mängeln vergleichbar sind. Hinsichtlich der Anbringung von Terrassenüberdachungen und der Errichtung von Nebenanlagen ist indessen nicht erkennbar, dass die Beklagte in Abkehr von ihrem Sanierungskonzept willkürlich vorginge und nur einzelne Eigentümer herausgriffe. Soweit entsprechende Verstöße bislang in wenigen Einzelfällen ungeahndet geblieben sind, hat die Beklagte eine nachvollziehbare Begründung angeführt, weshalb sie von einem Einschreiten abgesehen hat.

126

5. Die in Nr. 2 des Bescheides enthaltene Zwangsgeldandrohung war aufzuheben, soweit die entsprechende Grundverfügung nach dem zuvor Gesagten keinen Bestand hat, da es an einem Verwaltungsakt als Grundlage der Vollstreckung fehlt. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Zwangsgeldandrohung nach § 66 LVwVG i.Vm. den §§ 61 Abs. 1, 62 und 64 LVwVG vor.

127

6. Ebenfalls aufzuheben ist die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Kostenentscheidung, da hinsichtlich der aufgehobenen Teile der Grundverfügung die Amtshandlung nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 LGebG durch die Kläger veranlasst ist und es dem Senat nicht möglich ist, den Verwaltungsaufwand für den fortbestehenden Teil der Anordnung zu bestimmen.

128

7. Die von den Klägern hilfsweise gestellten Beweisanträge waren abzulehnen.

129

a. Ihr Antrag, für einen großen Teil der Grundstücke die Verwaltungsakten der Beklagten beizuziehen (Nr. 1), bezweckt eine unzulässige „Ausforschung“. Da die Beklagte auf den Beschluss des Senats vom 27. Juli 2011 ausführlich dargelegt hat, welche Verstöße bei den einzelnen Anwesen festgestellt wurden, hätte es zum Beweisantritt einer substantiierten Darlegung der Kläger bedurft, bei welchen konkreten Anwesen die Beklagte fehlerhafte oder unvollständige Angaben gemacht haben soll. Solche Angaben sind nur bezüglich von 14 näher bezeichneten Anwesen erfolgt, bei denen sich Meinungsunterschiede zum Teil aber bereits geklärt haben und die von ihrem zahlenmäßigen Umfang her für die allein maßgebliche Frage der Funktionslosigkeit unerheblich sind.

130

b. Dem Antrag, eine Ortsbesichtigung durchzuführen (Nr. 2), ist das Gericht teilweise nachgekommen. Soweit hiermit die Feststellung weiterer Verstöße gegen baurechtliche Vorschriften erreicht werden soll, erweisen sich die unter Beweis gestellten Tatsachen als unerheblich. Da lediglich 6 Anwesen von der Beklagten nicht besichtigt wurden, ergeben sich wegen der geringen Zahl der betroffenen Gebäude keine Auswirkungen auf die Annahme einer Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes. Auch im Hinblick auf die Ermessensausübung der Beklagten handelt es sich um Einzelfälle, die das Sanierungskonzept und dessen Umsetzung insgesamt nicht in Frage stellen können.

131

c. Auch der Heranziehung sämtlicher Meldeakten innerhalb des Plangebietes seit 1962 (Nr. 3) bedurfte es nicht. Auf die genaue Zahl der mit Hauptwohnsitz Gemeldeten und das melderechtliche Vorgehen der Beklagten hiergegen kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreites nicht an. Für die Beurteilung der Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes ist nicht die melderechtliche Situation entscheidend. Vielmehr ist nach dem zuvor Gesagten maßgeblich, inwieweit eine mögliche dauerhafte Wohnnutzung im Plangebiet nach außen erkennbar und von der Bauaufsichtsbehörde offenkundig hingenommen wird. Hierzu hat der Senat einschlägige Feststellungen getroffen.

132

d. Soweit die Kläger hinsichtlich der Hängigkeit des Geländes im Plangebiet eine weitere Sachaufklärung begehren, erweist sich der Beweisantrag als unerheblich, da die Behörde für ihr Einschreiten nicht an das Vorliegen eines Vollgeschosses anknüpft, vielmehr wegen jeglicher zusätzlicher Aufenthaltsräume – in Vollgeschossen oder sonstigen Geschossen - auf das Geltendmachen von Verstößen gegen die maximale Geschossfläche verzichten will.

133

B. Soweit die Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehren, ihnen die beantragte Nutzungsänderungsgenehmigung zu erteilen, bleibt ihre Klage erfolglos.

134

Den Klägern steht kein Anspruch auf Erlass der Baugenehmigung nach § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO zu. Hiernach ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen.

135

Soweit die Kläger die Genehmigung der Umnutzung eines Teils der Garage zu Aufenthaltszwecken begehren, steht diesem Vorhaben nach dem zuvor Gesagten der Umstand entgegen, dass hiermit gegen die im Bebauungsplan „Im Binsfeld III“ vorgesehene Begrenzung der zulässigen Geschossfläche verstoßen würde.

136

Auch die Umnutzung der Kellerräume ist nicht genehmigungsfähig. Da nach § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO (1968) bei der Geschossflächenberechnung auch die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen als Vollgeschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und Umfassungswände zu berücksichtigen sind, würde die Nutzung eines Kellerraumes als Aufenthaltsraum ebenfalls zu einer Überschreitung der zulässigen Geschossfläche führen. Der genehmigte Bestand schöpft die nach dem Bebauungsplan zulässige Obergrenze von 60 m² mit 59,5 m² indes nahezu vollständig aus.

137

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

138

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus den §§ 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.

139

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO hierfür genannten Gründe vorliegt.

140

Beschluss

141

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,-- €

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. September 2006 - 2 K 1085/05 - geändert.

Die Klage gegen die Verfügung der Beklagten vom 08.07.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 14.12.2004 wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen eine Abbruchsanordnung. Sie sind Eigentümer des Grundstücks Flst.-Nr. 3861/1 (...), die Beigeladenen sind Eigentümer des südlich angrenzenden Grundstücks Flst.-Nr. 3861 (...) in ... . Beide mit Einfamilienhäusern bebauten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Im Blechleacker, Im Schuppenacker, Hinterm Dorf, Im Bühl und Vorderhard“ der Gemeinde Ohlsbach in der Fassung der Änderung vom 23.02.1988 mit Bebauungsvorschriften (BBV) vom 07.12.1987 und schriftlichem Teil vom 10.06.1969. Der Bebauungsplan setzt Baufenster mit auf den einzelnen Grundstücken unterschiedlichen seitlichen - nicht vermaßten - Baugrenzen fest. Auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen sind keine Nebenanlagen zulässig, außer Garagen und den erforderlichen Abstellplätzen. Nach § 8 Abs. 1 und 2 der BBV („Grenz- und Gebäudeabstand“) muss der seitliche Grenzabstand der Hauptgebäude von den Nachbargrenzen mindestens 4,00 m betragen und darf der Mindestabstand zwischen den Hauptgebäuden jeweils 8,00 m nicht unterschreiten. Nach § 8 Abs. 3 der BBV gelten „im übrigen …. die Bestimmungen der §§ 7, 8 u. 9 der Landesbauordnung … vom 06.04.1964 … in der Fassung vom 28. Nov.1983 …“.
Das Wohnhaus der Kläger weist auf der Nordseite eine Grenzgarage mit einem angebauten überdachten Wäscheplatz aus Holz auf; die Grenzlänge beträgt insgesamt ca. 17 m. Eine „Überdachung eines Wäscheplatzes“ wurde 1978 genehmigt. Auf der Gebäudesüdseite befinden sich Balkone im EG und OG mit einem Grenzabstand von 2,91 m (Unterseite, vgl. Aufmaßskizze). Den Balkonen schräg gegenüber, ca. 2 m bis 2,20 m nach Westen versetzt, steht auf dem Grundstück der Beigeladenen eine 9 m lange Grenzgarage mit Pultdach. Widerspruch und Klage der Kläger gegen die Genehmigung dieser Garage blieben erfolglos (vgl. Urteil des VG Freiburg vom 17.05.1995 - 2 K 1141/94 -). Im April 1996 beantragten die Kläger eine Baugenehmigung zum Umbau des vorhandenen Südbalkons im Erdgeschoss in einen Wintergarten mit einem Grenzabstand von 2,50 m. Diesen Antrag zogen sie nach Hinweis der Beklagten auf den vorgeschriebenen Grenzabstand und auf Einwendungen der Beigeladenen im August 1996 zurück. Im Januar 1998 reichten die Kläger „Nachtragspläne“ - zum Umbau des Balkons in einen Wintergarten und zur Erweiterung des darunterliegenden Geräteraums mit jeweils einem Grenzabstand von 2,50 m ein. Auch insoweit wies die Beklagte darauf hin, dass die vorgeschriebene Baugrenze erheblich überschritten werde. Im Juli 2004 wurde festgestellt, dass die Kläger unterhalb des Balkons einen nach Süden auskragenden, 5,94 m langen Kelleranbau samt Tür im Rohbau mit einem Grenzabstand von 1,44 m (vgl. Fotos sowie Aufmaßskizze) errichtet hatten.
Mit Verfügung vom 08.07.2004 gab die Beklagte den Klägern auf, den ungenehmigten Erweiterungsbau des Kellergeschosses innerhalb von zwei Monaten ab Bestandskraft zu beseitigen und setzte hierfür eine Gebühr von 100,-- EUR fest. Der Erweiterungsbau, der Teil des Hauptgebäudes sei, widerspreche, wie die Kläger wüssten, den Festsetzungen des Bebauungsplans bezüglich Grenzabstand und Baugrenze von jeweils 4,00 m. Eine Befreiung von diesen nachbarschützenden Festsetzungen sei nicht möglich, da sich die Beigeladenen in ihren Rechten verletzt sähen, sich auch so geäußert hätten und eine Einigung nicht gelungen sei. Zur Herstellung baurechtmäßiger Zustände sehe man im Rahmen des Ermessens keine andere Möglichkeit, als den Abbruch des ungenehmigt errichteten Anbaus anzuordnen. Den Widerspruch der Kläger, den sie unter Hinweis auf die Zulässigkeit des Anbaus als Nebenraum nach § 6 Abs. 1 S. 2 LBO und auf § 14 BauNVO - mit der Zulassungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 5 BauNVO - sowie mit Bedenken gegen die Wirksamkeit von § 8 der Bebauungsvorschriften begründeten, wies das Regierungspräsidium Freiburg im Anschluss an einen Ortstermin (mit Aufmaßskizze) mit Bescheid vom 14.12.2004 zurück: Der Anbau widerspreche den eindeutigen nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans zum Grenzabstand. Die Erweiterung sei auch mehr als nur geringfügig i.S.v. § 23 Abs. 3 BauNVO. Die entsprechenden Ermessensüberlegungen im Ausgangsbescheid seien daher nicht zu beanstanden. Eine Privilegierung nach § 6 Abs. 1 LBO sei schon deswegen ausgeschlossen, weil die entsprechenden Maximalmaße des § 6 Abs. 1 S. 4 LBO (15 m Grenzbebauung) schon durch die Garage mit insgesamt rund 17 m überschritten würden. Der Widerspruchsbescheid wurde den Klägern durch Anordnung per Einschreiben, abgesandt am 25.04.2005, erneut zugestellt.
Mit ihrer am 19.05.2005 erhobenen Klage beantragten die Kläger, die Verfügung der Beklagten und den Widerspruchsbescheid aufzuheben. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen machten sie geltend: Der Anbau sei nach der LBO privilegiert im Grenzbereich zulässig. Die Maße des § 6 Abs. 1 S. 2 LBO würden eingehalten, es handle sich auch um einen privilegierten Nebenraum ohne Verbindung zum Hauptgebäude. § 6 Abs. 1 S. 4 LBO stehe nicht entgegen, selbst wenn die bestehende Grenzbebauung insgesamt 15 m überschreiten sollte. Auf die Höchstmaße des § 6 Abs. 1 S. 4 LBO werde der streitige Anbau nicht angerechnet, weil er einen Grenzabstand von mindestens 1,44 m einhalte. Die Beklagte habe auch versäumt, eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zu prüfen. Das Vorhaben störe niemanden, die Beigeladenen würden nicht beeinträchtigt und auch die Vorgeschichte sei von der Beklagten nicht berücksichtigt worden. Der Abbruch sei insgesamt unverhältnismäßig. Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat - nach erfolgsloser Durchführung eines Mediationsverfahrens - der Klage mit Urteil vom 29.09.2006 - 2 K 1085/05 - stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben: Ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 S. 1 LBO vorlägen, könne offenbleiben. Jedenfalls leide die Abbruchsanordnung an Ermessensfehlern. Die Beklagte habe die Möglichkeit einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 der Bebauungsvorschriften und § 7 Abs. 3 S. 1 der LBO 1983 nicht gesehen und auch nicht geprüft. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 S. 1 Ziff. 2 LBO 1983 lägen vor. Von der streitigen Kellererweiterung gehe keine tatsächliche Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen der Beigeladenen aus, da der Anbau weitgehend durch deren eigene Grenzgarage abgeschirmt werde. Schon deswegen, weil die Beklagte die faktisch wohl gänzlich fehlende Beeinträchtigung der Kläger nicht berücksichtigt habe, sei die Abbruchsverfügung ermessensfehlerhaft. Zwar sei es in der Regel als Ermessenserwägung nicht zu beanstanden, wenn die Behörde zur Herstellung rechtmäßiger Zustände den Abbruch anordne. Dies gelte aber nicht, wenn Ausnahmegründe vorlägen, was bei einer fehlenden faktischen Beeinträchtigung gegeben sei. Dieser Umstand hätte vorliegend besonders deswegen berücksichtigt werden müssen, weil bauordnungsrechtlich die Abstandsflächenvorschriften nicht verletzt würden. Der streitige Anbau falle unter § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 bzw. Abs. 6 LBO. Die Höchstmaße des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LBO würden nicht überschritten. § 6 Abs. 1 S. 4 LBO stehe, soweit er im Rahmen des § 6 Abs. 6 LBO überhaupt Anwendung finde, schon deshalb nicht entgegen, weil es sich bei dem streitigen Anbau nicht um einen Grenzbau handle.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 03.01.2007, abgesandt am 08.01.2007, die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts zugelassen. Mit ihrer am 08.02.2007 eingegangenen Berufungsbegründung macht die Beklagte zusammengefasst geltend: Die Annahme des Verwaltungsgerichts, § 8 Abs. 3 der Bebauungsvorschriften (BBV) stelle eine Ausnahmeregelung i.S.d. § 31 Abs. 1 BauGB dar, sei unzutreffend. Der Verweis in § 8 Abs. 3 der BBV auf die §§ 7 bis 9 der LBO 1983 beinhalte lediglich einen Hinweis auf die damalige bauordnungsrechtliche Rechtslage. Abgesehen davon lägen aber auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 S. 1 Ziff. 2 LBO 1983 für eine Ausnahme nicht vor. Nachbarliche Belange der Beigeladenen würden im Sinne dieser Vorschrift durchaus noch „erheblich“ beeinträchtigt. Denn der streitige Anbau werde nur auf einer Länge von 3,80 m durch die Grenzgarage der Beigeladenen abgeschirmt, auf einer Länge von ca. 2,20 m sei er hingegen von deren Grundstück aus sichtbar. Demnach könne der Beklagten auch nicht vorgehalten werden, bei der Ermessensausübung die fehlende faktische Beeinträchtigung der Beigeladenen nicht berücksichtigt zu haben. Schließlich sei der Anbau auch bauordnungsrechtlich nicht nach § 6 Abs. 1 S. 2 LBO zulässig. § 6 Abs. 1 S. 4 LBO stehe nicht entgegen. Die Vorschrift finde auch auf solche Bauten Anwendung, die - wie hier - noch innerhalb des 2,50 m-Grenzabstands errichtet seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29.09.2006 - 2 K 1085/05 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend: Das Verwaltungsgericht sei zu Recht von einer normativen Regelung in § 8 Abs. 3 der BBV ausgegangen. Auch wenn man diese Vorschrift lediglich als Hinweis auf die Beachtlichkeit der §§ 7 ff. LBO 1983 ansehe, sei verkannt worden, dass § 7 Abs. 3 LBO 1983 tatbestandlich erfüllt sei und eine geringere Abstandsflächentiefe daher zugelassen werden könne. Das Grundstück der Beigeladenen weise die von § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 LBO 1983 geforderte Besonderheit in Gestalt einer geminderten Schutzwürdigkeit auf. Durch die 9,00 m lange wuchtige Grenzgarage mit Pultdach werde die Besonnung des klägerischen Grundstücks stark beeinträchtigt. In Verlängerung der Garagen hätten die Beigeladenen einen nahezu undurchsichtigen Zaun von etwa 2,00 m Höhe errichtet und sich dadurch insgesamt regelrecht abgeschottet. Der Zaun überrage den streitigen Anbau höhenmäßig deutlich. Es spiele daher keine Rolle, dass der Anbau etwa 2,00 m über die Garage hinausrage. Die konkrete Situation auf dem Nachbargrundstück werde durch den Anbau in keiner Weise nachteilig verändert. Im Übrigen sei die Abbruchsverfügung allein deswegen rechtswidrig, weil der Aspekt fehlender faktischer Beeinträchtigungen in die Ermessensentscheidung nicht eingeflossen sei und die Behörde die Interessen der Kläger mit keinem Wort berücksichtigt habe. Der Anbau solle u.a. die altersbedingt erschwerte Gartentätigkeit erleichtern. Die Beklagte sei auch nicht auf das Austauschangebot der Kläger eingegangen, den streitigen Anbau gegen Genehmigung des früher beantragten Wintergartens abzubrechen und dadurch rechtmäßige Zustände herzustellen. Abstandsflächen müsse der Anbau schon nach § 6 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 LBO nicht einhalten, der nicht auf § 6 Abs. 1 S. 4 LBO verweise. Ob die Voraussetzungen einer Ausnahme nach § 8 Abs. 3 der BBV vorliegen, habe die Beklagte von sich aus ohne ausdrücklichen Antrag prüfen müssen.
12 
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat das Grundstück der Kläger und dessen nähere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift verwiesen.
13 
Dem Senat liegen außer den behördlichen Bauakten die Gerichtsakten des vorliegenden und des Verfahrens - 2 K 1141/94 - (Klage gegen die Grenzgarage der Beigeladenen) sowie die Bebauungsplanakten vor. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Der nachgereichte Schriftsatz der Kläger vom 22.06.2007 nebst Anlagen gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gem. § 104 Abs. 3 S. 2 VwGO wieder zu eröffnen, da es auf die Frage, ob und in welchem Umfang die „Überdachung eines Wäscheplatzes“ durch den auszugsweise vorgelegten Baubescheid vom 24.08.1978 genehmigt worden ist, für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt.
15 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage der Kläger zu Unrecht stattgegeben. Entgegen seiner Auffassung ist die streitige Teilabbruchsanordnung vom 08.07.2004 der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2004 rechts- und ermessensfehlerfrei ergangen und verletzt damit Rechte der Kläger nicht (§§ 113 Abs. 1 S. 1, 114 VwGO).
16 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann der (wie hier) teilweise Abbruch einer Anlage angeordnet werden (Ermessensseite), wenn sie formell baurechtswidrig ist und seit ihrer Errichtung fortdauernd im Widerspruch zu materiellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht und nicht auf andere Weise (durch nachträgliche Baugenehmigung, Abweichungen, Ausnahmen oder Befreiungen) rechtmäßige Zustände hergestellt werden können (Tatbestandsseite; vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -; Sauter, LBO, § 65 RdNr. 22). Diesen Anforderungen werden die angefochtenen Bescheide gerecht.
17 
I. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 Satz 1 LBO liegen vor. Genehmigt ist auf der Südseite des Wohnhauses der Kläger ein Balkon im Dachgeschoss und im Erdgeschoss. Der Erdgeschossbalkon von 5,94 m Länge und ca. 2,20 m Tiefe hält zur südlichen Grundstücksgrenze einen Abstand von 2,91 m ein (Unterseite, vgl. Aufmaßskizze in Bauakten). Der vom Abbruch betroffene Gebäudeteil betrifft einen unterhalb des Balkons liegenden, nach Süden auskragenden Kelleranbau mit abfallendem Dach von 5,98 m Länge und einem Grenzabstand von 1,44 m. Der Anbau ist auf der Westseite mit einer Außentür versehen. Innen ist er geschlossen, Verbindungen zum sonstigen Keller gibt es nicht. Der Raum dient als Abstellraum für Gartengeräte und Holz. Die Höhe der grenznahen Außenwand des Anbaus beträgt 1,64 m (über Gelände Nachbargrundstück) bzw. 1,50 m (über Gelände Baugrundstück) an seiner Westecke und 0,90 m bzw. 0,80 m an der Ostecke (vgl. ebenfalls die Aufmaßskizze).
18 
1. Mit diesen Ausmaßen und Grenzabständen ist das vom Abbruch betroffene Vorhaben formell baurechtswidrig. Zwar sind nach § 50 Abs. 1 LBO i.V.m. Nr. 10 des Anhangs Vorbauten ohne Aufenthaltsräume bis 40 cbm Rauminhalt verfahrensfrei. Jedoch ist das Vorhaben vorliegend wegen seiner grenznahen Lage jedenfalls bauplanungsrechtlich befreiungsbedürftig (dazu nachfolgend) und die diesbezüglich nach § 51 Abs. 5 S. 1 LBO erforderliche Befreiung der Baurechtsbehörde wurde weder beantragt noch erteilt.
19 
2. Der streitige Vorbau ist seit seiner Errichtung jedenfalls in bauplanungsrechtlicher Hinsicht auch fortdauernd materiell baurechtswidrig. Denn er verstößt gegen Festsetzungen des Bebauungsplans für die Gewanne „Im Blechleacker, Im Schuppenacker, Hinterm Dorf, Im Bühl und Vorderhard “ der Gemeinde Ohlsbach in der Fassung vom 23.02.1988. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen diesen Bebauungsplan sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Insbesondere sind solche Bedenken nicht gegen § 8 Abs. 3 der Bebauungsvorschriften (BBV) vom 07.12.1987 zu erheben. Diese Bestimmung, wonach „im übrigen... die Bestimmungen der §§ 7,8, u. 9 der Landesbauordnung ..... vom 6.4.1964 ... in der Fassung vom 28. Nov. 1983“ gelten, wäre zwar unzulässig, sollte sie als eigenständige planungsrechtliche Regelung mit statischer Bezugnahme auf die damals geltenden bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen auszulegen sein. Denn § 9 Abs. 1 Nr. 2 BBauG in der damaligen Fassung (BBauG 1977/1986 - anders heute § 9 Abs. 1 Nr. 2 a BauGB 2004) ermächtigt nicht unmittelbar zur Festsetzung von Abstandsflächen, sondern gestattet nur die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen und Bebauungstiefen nach § 23 Abs. 1 BauNVO mit den sich daraus gem. § 23 Abs. 2 - 5 BauNVO ergebenden Rechtsfolgen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.01.2006 - 5 S 2335/05 -, VBlBW 2006, 350). § 8 Abs. 3 der BBV trifft ersichtlich aber keine eigenständige planungsrechtliche Regelung, sondern enthält - wie bereits § 8 Abs. 3 der vorangegangenen BBV vom 12.08.1969 - einen bloßen (deklaratorischen) Hinweis auf die jeweilige bauordnungsrechtliche Rechtslage (so zutreffend auch VGH Bad.-Württ. a.a.O. in einer vergleichbaren Konstellation). Nur dieses Verständnis des § 8 Abs. 3 der BBV macht auch Sinn im Zusammenhang mit der Regelung in § 8 Abs. 1 der BBV (dazu nachfolgend).
20 
Der Verstoß gegen das Bauverbot nach § 23 Abs. 2 S. 1 BauNVO a.F. kann auch nicht durch eine Abweichungsentscheidung beseitigt werden. Vielmehr scheidet die Herstellung (bauplanungsrechtlich) rechtmäßiger Zustände durch eine - allein in Betracht kommende - Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO a.F. (dazu 2.1) oder eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB a.F. (dazu 2.2.) schon aus Rechtsgründen aus.
21 
2.1 Die Voraussetzungen einer Zulassung des Vorbaus im Ermessensweg nach § 23 Abs. 5 BauNVO liegen nicht vor.
22 
a) Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 5 S. 1 BauNVO a.F. sind offensichtlich nicht erfüllt. Zum einen ist der streitige Erweiterungsbau Teil des Hauptgebäudes und damit schon keine Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO (so in einem vergleichbaren Fall BVerwG, Beschluss vom 14.02.1994 - 4 B 18.94 -, UPR 1994, 263 sowie Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 14 RdNr. 4.11). Zum anderen schließt der Bebauungsplan nach § 7 Abs. 2 BBV auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen aber auch alle Nebenanlagen aus, soweit es sich nicht um Garagen und um erforderliche Abstellplätze handelt.
23 
b) Der Vorbau ist entgegen der Auffassung der Kläger ferner auch nicht nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO a.F. zulassungsfähig. Danach können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen bauliche Anlagen zugelassen werden, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können. Die Vorschrift regelt das Zusammenspiel der mit den Mitteln des § 23 Abs. 1 BauNVO bewirkten Festsetzung einer Bauverbotsfläche und den landesrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen. Sie gewährleistet, dass letztere auch innerhalb der nach Planungsrecht nicht überbaubaren Grundstücksflächen zum Tragen kommen können, es sei denn, der Bebauungsplan regelt ausdrücklich Abweichendes. Solche abweichenden Regelungen können je nach Willen des Plangebers nach Umfang und Reichweite unterschiedlich ausfallen. So ist der Plangeber im weitestgehenden Fall - bezogen auf das Landesrecht in Baden-Württemberg - berechtigt, sämtliche nach § 6 Abs. 1 bis 3 LBO privilegierten Gebäude- oder Gebäudeteile, deren Zulassung als Abweichung nach § 6 Abs. 4 LBO und auch deren Zulassungsfähigkeit als Ausnahme oder Befreiung nach § 56 LBO auszuschließen, sofern dafür städtebauliche Gründe ins Feld geführt werden können. Der Plangeber kann über § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO die abstandsrechtliche Privilegierung von Vorhaben aber auch nur teilweise einschränken, etwa indem er nur bestimmte Nutzungen und Anlagetypen ausnimmt. In gleicher Weise ist es möglich, alle oder bestimmte privilegierten Anlagen nicht auf der gesamten Bauverbotsfläche, sondern nur auf Teilen davon zu unterbinden. § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO lässt nach seinem Wortlaut wie nach seinem Zweck all diese Differenzierungen zu (zur Zulässigkeit teilgebietsbezogenen Festsetzungen vgl. auch Fickert/Fieseler a.a.O. § 23 Rn. 22). Im Umfang des jeweiligen Ausschlusses geht der Bebauungsplan dann den landesrechtlichen Bestimmungen als speziellere Vorschrift vor; letztere können nur insoweit ausgenutzt werden, als die aufgrund § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO getroffene Festsetzung dies gestattet (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O mit Rechtsprechungshinweisen); maßgeblich für Art und Umfang des Ausschlusses sind dabei die jeweils im Beurteilungszeitpunkt aktuell geltenden landesrechtlichen Vorschriften (dynamische Verweisung, vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.09.1995 - 8 S 2388/95 -, BauR 1996, 222).
24 
Gemessen daran war die Beklagte hier schon aus Rechtsgründen gehindert, die Zulassung des Kellervorbaus nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO a.F. zu prüfen. Zwar stellt der streitige Kellererweiterungs- oder -vorbau sowohl nach seinen Ausmaßen als auch nach seiner Beschaffenheit und Nutzung (Abstellen von Gartengeräten und Brennholzlagerung) einen nach § 6 Abs. 1 S. 2 LBO privilegierten Gebäudeteil mit Nebenraum dar (zu den Kriterien eines Nebenraums vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -, Juris). Jedoch steht § 8 Abs. 1 der BBV, wonach der seitliche Grenzabstand der Hauptgebäude von den Nachbargrenzen mindestens 4 m betragen muss, der Ausnutzung dieses landesrechtlichen Privilegs entgegen. § 8 Abs. 1 der BBV kann nach seinem Wortlaut und nach seiner systematischen Stellung nicht als baugestalterische Regelung im Rahmen örtlicher Bauvorschriften verstanden werden (zu dieser Möglichkeit vgl. § 74 Abs. 1 Nr. 6 LBO n.F. sowie § 111 Abs. 1 Nr. 7 LBO a.F.). Vielmehr enthält diese Vorschrift eine nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO zulässige bauplanungsrechtliche (sachliche und räumliche) Teilausschlussregelung für bestimmte abstandsflächenrechtlich privilegierte Anlagen. § 8 Abs. 1 BBV bestimmt bei richtiger Auslegung, dass Hauptgebäude auch mit privilegierten Gebäudeteilen bauplanungsrechtlich ausgeschlossen sind, soweit sie - wie hier - näher als 4 m an die Nachbargrenze heranrücken. Im Übrigen sollen, wie sich aus dem Hinweis in § 8 Abs. 3 der BBV ergibt, die jeweils aktuellen landesrechtlichen Bestimmungen des Abstandsflächenrechts fortgelten.
25 
2.2. Die damit allein noch zu prüfenden Voraussetzungen einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen schon aus Rechtsgründen nicht vor. Denn der streitige Vorbau berührt ersichtlich bereits Grundzüge der Planung. Wie sich aus § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 2 der BBV vom 07.12.1987 ergibt, die wörtlich mit den entsprechenden Regelungen im ursprünglichen Bebauungsplan übereinstimmen (vgl. §§ 8 Abs. 1 und 7 Abs. 2 der BBV vom 12.08.1969), war es - im maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Satzungsbeschlüsse (vgl. dazu Senatsurteil vom heutigen Tag - 3 S 881/06 -) ein durchgängiges Konzept des Plangebers, die Wohnhäuser (Hauptgebäude) ausnahmslos mindestens 4 m von den Nachbargrenzen fernzuhalten, innerhalb dieses Bereichs im wesentlichen nur Garagen und notwendige Stellplätze zuzulassen und dadurch eine großzügige aufgelockerte Bebauung des Plangebiets zu erreichen (zu diesem über § 23 Abs. 5 Satz 2 zu sichernden Planungsgrundzug vgl. auch Fickert/Fieseler a.a.O § 23 Rn. 22) . Dieses Konzept ist, wovon der Senat sich beim Augenschein überzeugen konnte, in der Umgebung des klägerischen Grundstücks auch weitgehend umgesetzt worden, der Bebauungsplan ist insofern keinesfalls funktionslos geworden. Würde den Klägern eine Befreiung erteilt, so könnten sich in gleicher Weise auch eine Vielzahl anderer von der Festsetzung des § 8 Abs. 1 BBV betroffener Eigentümer im Plangebiet in gleicher Weise darauf berufen. Die Befreiung würde in diesem Fall als unzulässiger Planersatz wirken und damit die Entscheidung des Plangebers im dafür vorgesehenen Verfahren unzulässig vorweg nehmen. Auch deswegen ist von einem Grundzug der Planung auszugehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.11.2006 - 8 S 361/06 -).
26 
2.3. Darauf, ob der Kellervorbau im Grenzabstand von 1,44 m bauordnungsrechtlich zulässig wäre, kommt es nach Vorstehendem nicht mehr an. Der Senat bemerkt gleichwohl, dass dies wohl nicht der Fall wäre. Denn nach § 6 Abs. 1 S. 4 LBO darf die Grenzbebauung mit privilegierten Vorhaben - dazu gehört auch die grenznahe Bebauung innerhalb der Abstandsflächen - entlang der einzelnen Nachbargrenzen insgesamt 15 m nicht überschreiten. Die Kläger haben indessen bereits an ihrer Nordgrenze als Anbau (privilegierter Abstellraum) an ihre Grenzgarage einen seitlich „überdachten Wäscheplatz“ (Gesamtlänge ca. 17 m) errichtet, wobei offen bleiben kann, ob dieser genehmigt (so nachträglich die Kläger) oder nur geduldet ist. Damit müsste der Kelleranbau objektiv-rechtlich wie in seinem nachbarschützenden Teil einen Abstand von 2,50 m einhalten (vgl. § 6 Abs. 7 LBO). Diese Abstandsflächentiefe wird aber bei weitem unterschritten. Ein Anspruch auf Zulassung einer geringeren Abstandsflächentiefe nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO käme nicht in Betracht. Denn, wie der Augenschein gezeigt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass nachbarliche Belange der Beigeladenen „nicht erheblich“ beeinträchtigt werden. Die Auslegung des Begriffs der nicht erheblichen Beeinträchtigung unterliegt nach der Rechtsprechung aller Senate des erkennenden Gerichtshofs strengen Voraussetzungen. Die Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsfläche stellt nach der Systematik des Gesetzes grundsätzlich eine nicht mehr zumutbare und somit „erhebliche“ Beeinträchtigung nachbarlicher Belange dar, ohne dass es auf das Ausmaß der Unterschreitung oder auf die tatsächliche Intensität der Beeinträchtigung ankommt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch Besonderheiten gekennzeichnet ist, die dieses Interesse der Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsfläche deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen als im Regelfall; m.a.W. müssen auf dem Nachbargrundstück Umstände vorliegen, die eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen (vgl. etwa Beschlüsse vom 18.07.1996 - 3 S 76/96 -, vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -, vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 - und vom 25.01.2000 - 5 S 2996/99 -). Solche Besonderheiten hat der erkennende Gerichtshof etwa dann in Erwägung gezogen, wenn dem in Rede stehenden Vorhaben auf seiner gesamten Breite/Tiefe eine (gemeinsame) Grenzmauer gegenüberliegt mit der Folge, dass sich keinerlei nachteilige Veränderungen auf dem Nachbargrundstück ergeben (Beschluss vom 25.01.2000, a.a.O.). Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Kelleranbau und die Grenzgarage der Beigeladenen liegen sich nur teilweise, nicht aber deckungsgleich gegenüber. Vielmehr ragt der Kellervorbau der Kläger westlich ca. 2,10 m über die Garage hinaus und wird durch die ihm in diesem Bereich gegenüberliegende niedrige Grenzmauer mit aufgesetztem Maschendrahtzaun nicht verdeckt, sondern bleibt gut sichtbar. Auch ist die hinter dem Maschendrahtzaun befindliche Kirschlorbeerhecke nicht durchgehend angelegt, sondern endet etwa auf Höhe der östlichen Außenwand des streitigen Vorbaus. Weiter bis zur Garage kann die Hecke nicht geführt werden, weil sonst die Zufahrt zur Garage verengt und damit behindert würde.
27 
3. Angesichts der mithin „unheilbaren“ Rechtswidrigkeit des von den Klägern errichteten Kellervorbaus, lag es im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, die Beseitigung anzuordnen. Dieses Ermessen hat die Beklagte (in der Fassung des Widerspruchsbescheids) fehlerfrei ausgeübt (§ 114 S. 1 VwGO) Es entspricht regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -). Solche besonderen Umstände auf Seiten der Kläger liegen nicht vor. Die Kläger können sich insbesondere nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie haben mehrfach Bauanträge gestellt und wieder zurückgezogen. Die Beklagte hat jeweils auf die Bestimmungen des Bebauungsplans bezüglich der überbaubaren Grundstücksfläche hingewiesen. Die bauplanungsrechtliche Situation war den Klägern über Jahre bekannt, gleichwohl haben sie ohne die erforderliche Baugenehmigung bzw. jedenfalls ohne die erforderliche Abweichungsentscheidung unerlaubt gebaut. Vor diesem Hintergrund erscheint die Beseitigung des Vorbaus nicht unverhältnismäßig, selbst wenn die Beigeladenen tatsächlich nur in recht geringem Umfang beeinträchtigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach Angaben seines Sohnes bereit und in der Lage ist, den Abbruch selbst und damit preiswert durchzuführen. Dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung des Baurechts gebührt unter diesen Umständen, wovon der Beklagte zutreffend ausgeht, der Vorrang. Der Beklagte ist bei seinen Erwägungen auch nicht von falschen Tatsachen ausgegangen. Er hat die Verfügung nicht angenommen, dass die Beigeladenen durch das angegriffene Vorhaben in faktisch schwerwiegender Weise beeinträchtigt würden.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
29 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
30 
Beschluss vom 13. Juni 2007
31 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
32 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
14 
Der nachgereichte Schriftsatz der Kläger vom 22.06.2007 nebst Anlagen gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gem. § 104 Abs. 3 S. 2 VwGO wieder zu eröffnen, da es auf die Frage, ob und in welchem Umfang die „Überdachung eines Wäscheplatzes“ durch den auszugsweise vorgelegten Baubescheid vom 24.08.1978 genehmigt worden ist, für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt.
15 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage der Kläger zu Unrecht stattgegeben. Entgegen seiner Auffassung ist die streitige Teilabbruchsanordnung vom 08.07.2004 der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2004 rechts- und ermessensfehlerfrei ergangen und verletzt damit Rechte der Kläger nicht (§§ 113 Abs. 1 S. 1, 114 VwGO).
16 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann der (wie hier) teilweise Abbruch einer Anlage angeordnet werden (Ermessensseite), wenn sie formell baurechtswidrig ist und seit ihrer Errichtung fortdauernd im Widerspruch zu materiellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht und nicht auf andere Weise (durch nachträgliche Baugenehmigung, Abweichungen, Ausnahmen oder Befreiungen) rechtmäßige Zustände hergestellt werden können (Tatbestandsseite; vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -; Sauter, LBO, § 65 RdNr. 22). Diesen Anforderungen werden die angefochtenen Bescheide gerecht.
17 
I. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 Satz 1 LBO liegen vor. Genehmigt ist auf der Südseite des Wohnhauses der Kläger ein Balkon im Dachgeschoss und im Erdgeschoss. Der Erdgeschossbalkon von 5,94 m Länge und ca. 2,20 m Tiefe hält zur südlichen Grundstücksgrenze einen Abstand von 2,91 m ein (Unterseite, vgl. Aufmaßskizze in Bauakten). Der vom Abbruch betroffene Gebäudeteil betrifft einen unterhalb des Balkons liegenden, nach Süden auskragenden Kelleranbau mit abfallendem Dach von 5,98 m Länge und einem Grenzabstand von 1,44 m. Der Anbau ist auf der Westseite mit einer Außentür versehen. Innen ist er geschlossen, Verbindungen zum sonstigen Keller gibt es nicht. Der Raum dient als Abstellraum für Gartengeräte und Holz. Die Höhe der grenznahen Außenwand des Anbaus beträgt 1,64 m (über Gelände Nachbargrundstück) bzw. 1,50 m (über Gelände Baugrundstück) an seiner Westecke und 0,90 m bzw. 0,80 m an der Ostecke (vgl. ebenfalls die Aufmaßskizze).
18 
1. Mit diesen Ausmaßen und Grenzabständen ist das vom Abbruch betroffene Vorhaben formell baurechtswidrig. Zwar sind nach § 50 Abs. 1 LBO i.V.m. Nr. 10 des Anhangs Vorbauten ohne Aufenthaltsräume bis 40 cbm Rauminhalt verfahrensfrei. Jedoch ist das Vorhaben vorliegend wegen seiner grenznahen Lage jedenfalls bauplanungsrechtlich befreiungsbedürftig (dazu nachfolgend) und die diesbezüglich nach § 51 Abs. 5 S. 1 LBO erforderliche Befreiung der Baurechtsbehörde wurde weder beantragt noch erteilt.
19 
2. Der streitige Vorbau ist seit seiner Errichtung jedenfalls in bauplanungsrechtlicher Hinsicht auch fortdauernd materiell baurechtswidrig. Denn er verstößt gegen Festsetzungen des Bebauungsplans für die Gewanne „Im Blechleacker, Im Schuppenacker, Hinterm Dorf, Im Bühl und Vorderhard “ der Gemeinde Ohlsbach in der Fassung vom 23.02.1988. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen diesen Bebauungsplan sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Insbesondere sind solche Bedenken nicht gegen § 8 Abs. 3 der Bebauungsvorschriften (BBV) vom 07.12.1987 zu erheben. Diese Bestimmung, wonach „im übrigen... die Bestimmungen der §§ 7,8, u. 9 der Landesbauordnung ..... vom 6.4.1964 ... in der Fassung vom 28. Nov. 1983“ gelten, wäre zwar unzulässig, sollte sie als eigenständige planungsrechtliche Regelung mit statischer Bezugnahme auf die damals geltenden bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen auszulegen sein. Denn § 9 Abs. 1 Nr. 2 BBauG in der damaligen Fassung (BBauG 1977/1986 - anders heute § 9 Abs. 1 Nr. 2 a BauGB 2004) ermächtigt nicht unmittelbar zur Festsetzung von Abstandsflächen, sondern gestattet nur die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen und Bebauungstiefen nach § 23 Abs. 1 BauNVO mit den sich daraus gem. § 23 Abs. 2 - 5 BauNVO ergebenden Rechtsfolgen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.01.2006 - 5 S 2335/05 -, VBlBW 2006, 350). § 8 Abs. 3 der BBV trifft ersichtlich aber keine eigenständige planungsrechtliche Regelung, sondern enthält - wie bereits § 8 Abs. 3 der vorangegangenen BBV vom 12.08.1969 - einen bloßen (deklaratorischen) Hinweis auf die jeweilige bauordnungsrechtliche Rechtslage (so zutreffend auch VGH Bad.-Württ. a.a.O. in einer vergleichbaren Konstellation). Nur dieses Verständnis des § 8 Abs. 3 der BBV macht auch Sinn im Zusammenhang mit der Regelung in § 8 Abs. 1 der BBV (dazu nachfolgend).
20 
Der Verstoß gegen das Bauverbot nach § 23 Abs. 2 S. 1 BauNVO a.F. kann auch nicht durch eine Abweichungsentscheidung beseitigt werden. Vielmehr scheidet die Herstellung (bauplanungsrechtlich) rechtmäßiger Zustände durch eine - allein in Betracht kommende - Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO a.F. (dazu 2.1) oder eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB a.F. (dazu 2.2.) schon aus Rechtsgründen aus.
21 
2.1 Die Voraussetzungen einer Zulassung des Vorbaus im Ermessensweg nach § 23 Abs. 5 BauNVO liegen nicht vor.
22 
a) Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 5 S. 1 BauNVO a.F. sind offensichtlich nicht erfüllt. Zum einen ist der streitige Erweiterungsbau Teil des Hauptgebäudes und damit schon keine Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO (so in einem vergleichbaren Fall BVerwG, Beschluss vom 14.02.1994 - 4 B 18.94 -, UPR 1994, 263 sowie Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 14 RdNr. 4.11). Zum anderen schließt der Bebauungsplan nach § 7 Abs. 2 BBV auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen aber auch alle Nebenanlagen aus, soweit es sich nicht um Garagen und um erforderliche Abstellplätze handelt.
23 
b) Der Vorbau ist entgegen der Auffassung der Kläger ferner auch nicht nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO a.F. zulassungsfähig. Danach können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen bauliche Anlagen zugelassen werden, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können. Die Vorschrift regelt das Zusammenspiel der mit den Mitteln des § 23 Abs. 1 BauNVO bewirkten Festsetzung einer Bauverbotsfläche und den landesrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen. Sie gewährleistet, dass letztere auch innerhalb der nach Planungsrecht nicht überbaubaren Grundstücksflächen zum Tragen kommen können, es sei denn, der Bebauungsplan regelt ausdrücklich Abweichendes. Solche abweichenden Regelungen können je nach Willen des Plangebers nach Umfang und Reichweite unterschiedlich ausfallen. So ist der Plangeber im weitestgehenden Fall - bezogen auf das Landesrecht in Baden-Württemberg - berechtigt, sämtliche nach § 6 Abs. 1 bis 3 LBO privilegierten Gebäude- oder Gebäudeteile, deren Zulassung als Abweichung nach § 6 Abs. 4 LBO und auch deren Zulassungsfähigkeit als Ausnahme oder Befreiung nach § 56 LBO auszuschließen, sofern dafür städtebauliche Gründe ins Feld geführt werden können. Der Plangeber kann über § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO die abstandsrechtliche Privilegierung von Vorhaben aber auch nur teilweise einschränken, etwa indem er nur bestimmte Nutzungen und Anlagetypen ausnimmt. In gleicher Weise ist es möglich, alle oder bestimmte privilegierten Anlagen nicht auf der gesamten Bauverbotsfläche, sondern nur auf Teilen davon zu unterbinden. § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO lässt nach seinem Wortlaut wie nach seinem Zweck all diese Differenzierungen zu (zur Zulässigkeit teilgebietsbezogenen Festsetzungen vgl. auch Fickert/Fieseler a.a.O. § 23 Rn. 22). Im Umfang des jeweiligen Ausschlusses geht der Bebauungsplan dann den landesrechtlichen Bestimmungen als speziellere Vorschrift vor; letztere können nur insoweit ausgenutzt werden, als die aufgrund § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO getroffene Festsetzung dies gestattet (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O mit Rechtsprechungshinweisen); maßgeblich für Art und Umfang des Ausschlusses sind dabei die jeweils im Beurteilungszeitpunkt aktuell geltenden landesrechtlichen Vorschriften (dynamische Verweisung, vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.09.1995 - 8 S 2388/95 -, BauR 1996, 222).
24 
Gemessen daran war die Beklagte hier schon aus Rechtsgründen gehindert, die Zulassung des Kellervorbaus nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO a.F. zu prüfen. Zwar stellt der streitige Kellererweiterungs- oder -vorbau sowohl nach seinen Ausmaßen als auch nach seiner Beschaffenheit und Nutzung (Abstellen von Gartengeräten und Brennholzlagerung) einen nach § 6 Abs. 1 S. 2 LBO privilegierten Gebäudeteil mit Nebenraum dar (zu den Kriterien eines Nebenraums vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -, Juris). Jedoch steht § 8 Abs. 1 der BBV, wonach der seitliche Grenzabstand der Hauptgebäude von den Nachbargrenzen mindestens 4 m betragen muss, der Ausnutzung dieses landesrechtlichen Privilegs entgegen. § 8 Abs. 1 der BBV kann nach seinem Wortlaut und nach seiner systematischen Stellung nicht als baugestalterische Regelung im Rahmen örtlicher Bauvorschriften verstanden werden (zu dieser Möglichkeit vgl. § 74 Abs. 1 Nr. 6 LBO n.F. sowie § 111 Abs. 1 Nr. 7 LBO a.F.). Vielmehr enthält diese Vorschrift eine nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO zulässige bauplanungsrechtliche (sachliche und räumliche) Teilausschlussregelung für bestimmte abstandsflächenrechtlich privilegierte Anlagen. § 8 Abs. 1 BBV bestimmt bei richtiger Auslegung, dass Hauptgebäude auch mit privilegierten Gebäudeteilen bauplanungsrechtlich ausgeschlossen sind, soweit sie - wie hier - näher als 4 m an die Nachbargrenze heranrücken. Im Übrigen sollen, wie sich aus dem Hinweis in § 8 Abs. 3 der BBV ergibt, die jeweils aktuellen landesrechtlichen Bestimmungen des Abstandsflächenrechts fortgelten.
25 
2.2. Die damit allein noch zu prüfenden Voraussetzungen einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen schon aus Rechtsgründen nicht vor. Denn der streitige Vorbau berührt ersichtlich bereits Grundzüge der Planung. Wie sich aus § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 2 der BBV vom 07.12.1987 ergibt, die wörtlich mit den entsprechenden Regelungen im ursprünglichen Bebauungsplan übereinstimmen (vgl. §§ 8 Abs. 1 und 7 Abs. 2 der BBV vom 12.08.1969), war es - im maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Satzungsbeschlüsse (vgl. dazu Senatsurteil vom heutigen Tag - 3 S 881/06 -) ein durchgängiges Konzept des Plangebers, die Wohnhäuser (Hauptgebäude) ausnahmslos mindestens 4 m von den Nachbargrenzen fernzuhalten, innerhalb dieses Bereichs im wesentlichen nur Garagen und notwendige Stellplätze zuzulassen und dadurch eine großzügige aufgelockerte Bebauung des Plangebiets zu erreichen (zu diesem über § 23 Abs. 5 Satz 2 zu sichernden Planungsgrundzug vgl. auch Fickert/Fieseler a.a.O § 23 Rn. 22) . Dieses Konzept ist, wovon der Senat sich beim Augenschein überzeugen konnte, in der Umgebung des klägerischen Grundstücks auch weitgehend umgesetzt worden, der Bebauungsplan ist insofern keinesfalls funktionslos geworden. Würde den Klägern eine Befreiung erteilt, so könnten sich in gleicher Weise auch eine Vielzahl anderer von der Festsetzung des § 8 Abs. 1 BBV betroffener Eigentümer im Plangebiet in gleicher Weise darauf berufen. Die Befreiung würde in diesem Fall als unzulässiger Planersatz wirken und damit die Entscheidung des Plangebers im dafür vorgesehenen Verfahren unzulässig vorweg nehmen. Auch deswegen ist von einem Grundzug der Planung auszugehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.11.2006 - 8 S 361/06 -).
26 
2.3. Darauf, ob der Kellervorbau im Grenzabstand von 1,44 m bauordnungsrechtlich zulässig wäre, kommt es nach Vorstehendem nicht mehr an. Der Senat bemerkt gleichwohl, dass dies wohl nicht der Fall wäre. Denn nach § 6 Abs. 1 S. 4 LBO darf die Grenzbebauung mit privilegierten Vorhaben - dazu gehört auch die grenznahe Bebauung innerhalb der Abstandsflächen - entlang der einzelnen Nachbargrenzen insgesamt 15 m nicht überschreiten. Die Kläger haben indessen bereits an ihrer Nordgrenze als Anbau (privilegierter Abstellraum) an ihre Grenzgarage einen seitlich „überdachten Wäscheplatz“ (Gesamtlänge ca. 17 m) errichtet, wobei offen bleiben kann, ob dieser genehmigt (so nachträglich die Kläger) oder nur geduldet ist. Damit müsste der Kelleranbau objektiv-rechtlich wie in seinem nachbarschützenden Teil einen Abstand von 2,50 m einhalten (vgl. § 6 Abs. 7 LBO). Diese Abstandsflächentiefe wird aber bei weitem unterschritten. Ein Anspruch auf Zulassung einer geringeren Abstandsflächentiefe nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO käme nicht in Betracht. Denn, wie der Augenschein gezeigt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass nachbarliche Belange der Beigeladenen „nicht erheblich“ beeinträchtigt werden. Die Auslegung des Begriffs der nicht erheblichen Beeinträchtigung unterliegt nach der Rechtsprechung aller Senate des erkennenden Gerichtshofs strengen Voraussetzungen. Die Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsfläche stellt nach der Systematik des Gesetzes grundsätzlich eine nicht mehr zumutbare und somit „erhebliche“ Beeinträchtigung nachbarlicher Belange dar, ohne dass es auf das Ausmaß der Unterschreitung oder auf die tatsächliche Intensität der Beeinträchtigung ankommt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch Besonderheiten gekennzeichnet ist, die dieses Interesse der Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsfläche deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen als im Regelfall; m.a.W. müssen auf dem Nachbargrundstück Umstände vorliegen, die eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen (vgl. etwa Beschlüsse vom 18.07.1996 - 3 S 76/96 -, vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -, vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 - und vom 25.01.2000 - 5 S 2996/99 -). Solche Besonderheiten hat der erkennende Gerichtshof etwa dann in Erwägung gezogen, wenn dem in Rede stehenden Vorhaben auf seiner gesamten Breite/Tiefe eine (gemeinsame) Grenzmauer gegenüberliegt mit der Folge, dass sich keinerlei nachteilige Veränderungen auf dem Nachbargrundstück ergeben (Beschluss vom 25.01.2000, a.a.O.). Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Kelleranbau und die Grenzgarage der Beigeladenen liegen sich nur teilweise, nicht aber deckungsgleich gegenüber. Vielmehr ragt der Kellervorbau der Kläger westlich ca. 2,10 m über die Garage hinaus und wird durch die ihm in diesem Bereich gegenüberliegende niedrige Grenzmauer mit aufgesetztem Maschendrahtzaun nicht verdeckt, sondern bleibt gut sichtbar. Auch ist die hinter dem Maschendrahtzaun befindliche Kirschlorbeerhecke nicht durchgehend angelegt, sondern endet etwa auf Höhe der östlichen Außenwand des streitigen Vorbaus. Weiter bis zur Garage kann die Hecke nicht geführt werden, weil sonst die Zufahrt zur Garage verengt und damit behindert würde.
27 
3. Angesichts der mithin „unheilbaren“ Rechtswidrigkeit des von den Klägern errichteten Kellervorbaus, lag es im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, die Beseitigung anzuordnen. Dieses Ermessen hat die Beklagte (in der Fassung des Widerspruchsbescheids) fehlerfrei ausgeübt (§ 114 S. 1 VwGO) Es entspricht regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -). Solche besonderen Umstände auf Seiten der Kläger liegen nicht vor. Die Kläger können sich insbesondere nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie haben mehrfach Bauanträge gestellt und wieder zurückgezogen. Die Beklagte hat jeweils auf die Bestimmungen des Bebauungsplans bezüglich der überbaubaren Grundstücksfläche hingewiesen. Die bauplanungsrechtliche Situation war den Klägern über Jahre bekannt, gleichwohl haben sie ohne die erforderliche Baugenehmigung bzw. jedenfalls ohne die erforderliche Abweichungsentscheidung unerlaubt gebaut. Vor diesem Hintergrund erscheint die Beseitigung des Vorbaus nicht unverhältnismäßig, selbst wenn die Beigeladenen tatsächlich nur in recht geringem Umfang beeinträchtigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach Angaben seines Sohnes bereit und in der Lage ist, den Abbruch selbst und damit preiswert durchzuführen. Dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung des Baurechts gebührt unter diesen Umständen, wovon der Beklagte zutreffend ausgeht, der Vorrang. Der Beklagte ist bei seinen Erwägungen auch nicht von falschen Tatsachen ausgegangen. Er hat die Verfügung nicht angenommen, dass die Beigeladenen durch das angegriffene Vorhaben in faktisch schwerwiegender Weise beeinträchtigt würden.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
29 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
30 
Beschluss vom 13. Juni 2007
31 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
32 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2012 - 5 K 588/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung des Beklagten, einen von ihm errichteten Anbau an ein Wohngebäude abzubrechen.
Der Kläger erwarb im Jahr 2007 das Grundstück Flst.-Nr. ... im Gewann W..., Gemarkung B., U... 13. Zum Zeitpunkt seines Erwerbs war das Grundstück mit einem im Jahr 1985 genehmigten Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m² bebaut. Das Grundstück befindet sich im Bereich des Wochenendhausgebiets „Wanne“. Für dieses Gebiet beschloss der Gemeinderat der Gemeinde B. am 21.3.1961 unter Aufhebung bisher geltender Bestimmungen den Erlass einer „Ortsbausatzung über die Errichtung von Wochenendhäusern auf den Markungen des Gemeindebezirks B.“ (OBS). Nach § 2 OBS sind Wochenendhäuser nur für den vorübergehenden Aufenthalt, insbesondere über das Wochenende oder in Ferienzeiten, bestimmt. Nach § 4 OBS darf die Grundfläche der Wochenendhäuser 35 m² nicht überschreiten.
Schon im Jahr 1994 kam es zu Beschwerden einzelner Grundstückseigentümer gegenüber dem Landratsamt Heilbronn, wonach andere Eigentümer sich über die Regelungen der Ortsbausatzung hinwegsetzten, ihre Wochenendhäuser „schwarz“ erweiterten und zum dauerhaften Wohnen nutzten. Nach einem vom damaligen Dezernenten gebilligten Aktenvermerk vom 9.6.1996 wurde jedoch von einem Einschreiten abgesehen, da es sich um Erweiterungsbauten meist älterer Leute handele und daher mit künftigen Erweiterungen nicht mehr zu rechnen sei. Im Jahr 2007 waren so im Gebiet „Wanne“ eine erhebliche Anzahl von Gebäuden mit einer Grundfläche von mehr als 35 m2 vorhanden sowie eine erhebliche Anzahl von Gebäuden, die zum dauerhaften Wohnen genutzt wurden. Die Voreigentümer des klägerischen Grundstücks schrieben im März 2007 die Stadtverwaltung B.s mit Fragen zur zulässigen Bebauung an und forderten sie zum Einschreiten gegen „illegal erstellte Anbauten“ auf. Dieses Schreiben leitete die Stadtverwaltung mangels Baurechtszuständigkeit an das Landratsamt weiter. Dem Landratsamt kamen in diesem Zusammenhang Zweifel an der Gültigkeit der Ortsbausatzung. In einem von Sachgebietsleiter am 13.4.2007 unterschriebenen Vermerk wurde deswegen vorgeschlagen:
„Weiteres Vorgehen:
1. Erhebung des rechtlichen Status…
2. Zielbesprechung. Bisherigen Baulichkeiten sollen geduldet werden, neue Bauten unter best. festzulegenden Bedingungen genutzt und ggf. neu gebaut werden dürfen. Gemeinde muss hier mit ins Boot genommen werden… Bebauungsplan durch Gemeinde als Ziel“.
Der Bürgermeister der Stadt B. erklärte jedoch im Juni 2007 gegenüber dem Landratsamt, die Aufstellung eine Bebauungsplans sei nicht beabsichtigt. Daraufhin ordnete das Baurechtsamt eine Auflistung der feststellbaren baurechtlichen Verstöße an. Das Vermessungsamt ermittelte danach die Grundflächen der vorhandenen Gebäude und fertigte zwei entsprechende Karten, die das Datum 16.1.2008 tragen Auf dem Grundstück des Klägers ist in den Karten neben einer Garage ein Hauptgebäude mit einer Grundfläche von rund 38 m2 verzeichnet.
Der Sachgebietsleiter der Baurechtsbehörde entschied am 28.3.2008, die Karten dem Bürgermeister zuzuleiten mit der nochmaligen Anregung, einen Bebauungsplan aufzustellen. Falls die Stadt dem nicht nachkomme, würden Bauvorhaben, deren Zustand auf den Karten dokumentiert sei, genehmigt oder zumindest geduldet. Neufälle, die die in den Karten verzeichneten Maße der baulichen Anlagen überschritten, müssten dagegen zurückgebaut werden. Der Bürgermeister antwortete darauf am 17.4.2008, dass für den Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplans zur Legalisierung bisheriger Verstöße „auf gar keinen Fall in Betracht“ komme. Man wünsche sogar, Altfälle aufzugreifen.
Bereits Mitte Dezember 2007 hatte das Landratsamt einen Hinweis auf einen Schwarzbau im Bereich des Unteren Wannenwegs erhalten. Daraufhin stellte ein Baukontrolleur am 31.1.2008 auf dem klägerischen Grundstück einen Erweiterungsbau fest, durch den sich die Grundfläche des entstandenen Gesamtgebäudes auf rund 92 m² erhöht. Mit Verfügung vom 4.2.2008 ordnete das Landratsamt die sofortige Einstellung der Bauarbeiten an und forderte den Kläger auf, Planunterlagen einzureichen. Nach einem Aktenvermerk des Landratsamts über einen erneuten Ortstermin am 27.3.2008 wurde „der Anbau zwischenzeitlich fertig gestellt. Der Innenausbau war bis auf Streicharbeiten (gerade in Garage) abgeschlossen. Daher hat sich Herr H. nicht an den Baustopp gehalten“.
Mit Schreiben vom 28.3.2008 wurde der Kläger zum Erlass einer Abbruchs- und Rückbauanordnung angehört. Mit Schriftsatz vom 2.6.2008 legte er Planunterlagen über den Umfang der Baumaßnahmen vor und führte aus, die Bestimmungen der Ortsbausatzung seien durch die tatsächliche Handhabung und Entwicklung in den letzten Jahren wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Nun ausgerechnet gegen ihn einzuschreiten, sei wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz rechtswidrig.
10 
Mit Verfügung vom 4.9.2008 ordnete das Landratsamt gegenüber dem Kläger an, den errichteten Anbau abzubrechen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Anbau sei formell und materiell baurechtswidrig. Er sei ohne Baugenehmigung im Außenbereich errichtet worden und könne als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB nicht zugelassen werden, da er Bestimmungen der wirksamen Ortsbausatzung verletze und damit öffentliche Belange beeinträchtige. Das Anordnungsermessen sei dahingehend auszuüben, die Beseitigung des Anbaus zu verlangen. Denn das Interesse des Klägers an der Erhaltung einer durch eigenmächtiges Handeln erlangten Position sei gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung baurechtsgemäßer Zustände nachgeordnet. Ein weniger belastendes Mittel stehe nicht zur Verfügung. Die Anordnung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
11 
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 7.10.2008 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Überbauung seines Grundstücks richte sich nicht nach § 35 BauGB, sondern nach § 34 BauGB. Maßgeblich hierfür sei die in der Umgebung tatsächlich vorhandene Bebauung. In diese füge sich sein Bauvorhaben ein.
12 
Mit Bescheid vom 18.1.2011 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der errichtete Anbau sei materiell rechtswidrig, da er gegen § 4 OBS verstoße, der als Bestimmung eines einfachen Bebauungsplans fortgelte. Dieser einfache Bebauungsplan sei auch nicht wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Denn das von ihm umfasste Wochenendhausgebiet bestehe aus 101 Grundstücken. Im März 2010 seien auf 33 Grundstücken Wohnsitze gemeldet gewesen und auf 29 Grundstücken sei die Gebäudegrundfläche von 35 m² überschritten worden. Der ganz überwiegende Teil der Grundstücke werde daher nicht entgegen den Regelungen der Ortsbausatzung genutzt. Die Abbruchsanordnung sei auch ermessensfehlerfrei. Zwar sei sie für den Kläger mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden, doch habe er aufgrund seiner Vorgehensweise das Risiko einer baurechtswidrigen Ausführung selbst zu tragen. Die Abbruchsanordnung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser hindere die Baurechtsbehörde bei Schwarzbauten nicht, auch den Abbruch größerer Bauwerke zu verlangen, denn der Bauherr habe in einem solchen Fall bewusst auf eigenes Risiko gehandelt. Ferner verstoße die Abbruchsanordnung auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Das Landratsamt habe sich dazu entschieden, alle Gebäude mit einer Grundfläche von mehr als 35 m², die in einer vom Vermessungsamt gefertigten Karte eingezeichnet seien, nicht mehr aufzugreifen. Dagegen werde gegen alle Gebäude bzw. Gebäudeteile, die in der Karte eine zulässige Gebäudegrundfläche aufwiesen und später vergrößert würden, vorgegangen.
13 
Der Kläger hat am 18.2.2011 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Mit Urteil vom 9.10.2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage nach Einnahme eines Augenscheins abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtene Abbruchsanordnung sei nicht zu beanstanden. Denn für den Anbau fehle es an einer Baugenehmigung, er verstoße gegen materielles Recht und auf andere Weise als durch den Erlass der Abbruchsanordnung könnten rechtmäßige Zustände nicht hergestellt werden. Die materielle Rechtswidrigkeit lasse sich allerdings nicht auf einen Verstoß gegen die Ortsbausatzung der Gemeinde B. stützen, das die Satzung mangels Bekanntmachung nicht wirksam zustande gekommen sei. Damit richte sich die Zulässigkeit des Anbaus nach § 35 BauGB. Denn das Vorhaben des Klägers liege nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, da sich die in seiner Umgebung vorhandene Bebauung nicht als Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur darstelle. Als im Außenbereich nicht privilegiertes Vorhaben könne der Anbau des Klägers somit nur zugelassen werden, wenn er keine öffentlichen Belange beeinträchtige. Er lasse jedoch die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten. Zudem fehle es an einer ausreichenden Erschließung jedenfalls in abwasserrechtlicher Hinsicht. Das somit eröffnete Ermessen zum Erlass einer Abbruchsanordnung sei fehlerfrei ausgeübt worden. Insbesondere fehle es an Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dieser Grundsatz gebiete es nicht, rechtswidrige Zustände stets „flächendeckend“ zu bekämpfen. Die Baurechtsbehörde müsse sich für ihr Vorgehen nur bestimmte Regeln setzen und diese auch befolgen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz werde nur dann begründet, wenn sie zeitgleich oder später errichtete vergleichbare Vorhaben ungleich behandele. Nach diesen Maßgaben habe das Landratsamt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Denn es sei gegen den klägerischen Anbau noch in dessen Errichtungsphase eingeschritten. Weiter sei glaubhaft, dass seither gegen jeden weiteren bekannt gewordenen Fall eines Ausbaus der Häuser im Gewann Wanne eingeschritten werde.
14 
Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 11.9.2013 die Berufung zugelassen.
15 
Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung geltend, die angefochtene Abbruchsanordnung und der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abbruchsanordnung fehlten und überdies das Anordnungsermessen fehlerhaft ausgeübt worden sei. Der Anordnungstatbestand sei nicht erfüllt, da das vergrößerte Wohnhaus planungsrechtlich zulässig sei. Die Ortsbausatzung der Gemeinde B. über die Bebauung des Wochenendhausgebiets sei nicht wirksam zustande gekommen und damit für die Zulässigkeit des Anbaus ohne Bedeutung. Das Baugrundstück liege in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht verneint, dass der Bebauungskomplex im Bereich Wanne Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sei. Denn dieser Komplex, insbesondere auch entlang des U... Wegs, bestehe aus Wochenendhäusern und massiven Wohnhäusern, häufig mit Grundflächen zwischen 76 m2 bis zu 112 m2. Ob dieser Bebauungskomplex als städtebauliche Einheit in Erscheinung trete oder stark durchgrünt sei, sei für die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur ebenso unerheblich wie seine Entstehungsgeschichte. In die solchermaßen gebildete Umgebungsbebauung füge sich sein Wohngebäude mit Anbau ein. Das gelte auch für das Maß der baulichen Nutzung. Denn die Grundfläche des entstandenen Gesamtgebäudes mit rund 92 m2 füge sich in die Bandbreite der in der Umgebung vorhandenen Grundflächen von Wohnhäusern ein. Nicht anderes gelte für die Zahl der Vollgeschosse, weil das neu entstandene Gebäude nur eines aufweise und seine Firsthöhe mit 4,3 m auf der Südseite dem durch die Umgebung geprägten Rahmen entspreche. Selbst wenn man zur Auffassung komme, der Anbau sei doch rechtswidrig, sei jedenfalls das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden. Denn dem Konzept des Landratsamts für ein bauaufsichtliches Einschreiten liege zugrunde, nur gegen bauliche Anlagen einzuschreiten, die nach dem 16.1.2008, dem Tag der Erstellung der beiden Karten des Vermessungsamts, errichtet worden seien. Zu diesem Stichtag sei sein Anbau aber längst vollständig fertig gestellt gewesen. Dagegen sei das Landratsamt gegen andere bauliche Anlagen, die nach dem 16.1.2008 errichtet worden seien, bislang nicht eingeschritten. In einem Fall, auf dem Grundstück Flst.-Nr. ..., habe das Landratsamt sogar ein Gebäude mit einer Grundfläche von rund 70 m2 genehmigt.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9.10.2012 - 5 K 588/11 - zu ändern und die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 aufzuheben.
18 
Das beklagte Land beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Es erwidert, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abbruchsanordnung lägen vor. Das Vorhabengrundstück liege im Außenbereich. Für die Annahme, dort bestehe ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil, fehle es schon an einer organischen Siedlungsstruktur. Das Verwaltungsgericht habe nach Einnahme eines Augenscheins aus dem Umständen des Einzelfalls zu Recht geschlossen, dass es sich bei der Bebauung im Bereich Wanne um eine Splittersiedlung handele. Selbst wenn das anders zu sehen sein und doch ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorliegen sollte, füge sich das klägerische Vorhaben nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein. Da das Wohnhaus des Klägers durch seine äußere Erscheinungsform die Umgebung dominiere, sei der Rahmen, der zur Beurteilung seines Einfügens zu wählen sei, weit zu ziehen und entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf die auf der nördlichen Seite des U... Wegs belegenen Vorhaben zu beschränken. In den so zu bestimmenden Rahmen füge sich ein Gebäude mit 92 m2 Grundfläche keinesfalls ein. Eines der angrenzenden Wohnhäuser habe z.B. nur eine Grundfläche von 50 m2. Von 68 Wochenend-/Wohnhäusern hätten 49 eine Grundfläche von lediglich bis zu 39 m². Lediglich sieben bis acht hätten eine Grundfläche von 73 bis 94 m². Sei der Anbau somit in jedem Fall planungsrechtlich unzulässig, lasse die Ausübung des Anordnungsermessens keine Fehler erkennen. Das Einschreiten gegen das klägerische Vorhaben sei nicht gleichheitswidrig, zumal es am 16.1.2008 nicht fertiggestellt gewesen sei. Dagegen spreche schon, dass am 31.1.2008 noch ein Gerüst angebracht gewesen sei und selbst am 27.3.2008 noch Malerarbeiten stattgefunden hätten. Was die übrigen Baulichkeiten betreffe, warte das Landratsamt den Ausgang dieses Verfahrens als Musterverfahren ab. Auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... sei zwar im Jahr 1997 ein Gebäude genehmigt worden, doch nur dessen Untergeschoss überschreite die 35 m2 Grenze deutlich, nicht aber seine oberirdische Gebäudeteile.
21 
Der Senat hat das Baugrundstück und dessen nähere Umgebung in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen.
22 
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Akten des Verwaltungsgerichts, des Regierungspräsidiums Stuttgart und des Landratsamts Heilbronn verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Klägers ist auch sonst zulässig, insbesondere - nach Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden - fristgerecht (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) und ausreichend (§ 124a Abs. 3 VwGO) begründet worden. Sie dringt aber in der Sache nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 und den diese bestätigenden Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 zu Recht abgewiesen. Denn beide Bescheide sind rechtmäßig und können daher den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann das Landratsamt als zuständige untere Baurechtsbehörde (§§ 46 Abs. 1 Nr. 3 u. 48 Abs. 1 LBO) den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach dieser Ermächtigungsgrundlage liegen hinsichtlich des Anbaus des Klägers vor. Denn seine Errichtung war und ist baurechtswidrig (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise als durch den Erlass einer Abbruchsanordnung hergestellt werden (II.) und die erfolgte Ausübung des Anordnungsermessens ist nicht zu beanstanden (III.).
I.
25 
Das durch den Anbau des Klägers vergrößerte Wohngebäude verstößt fortlaufend gegen materielles Baurecht.
26 
Ein nach § 65 Satz 1 LBO erforderlicher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf den durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz voraus, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 - BauR 1988, 576 zum vergleichbaren Landesrecht in Rheinland-Pfalz; Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Reichelt/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1128).
27 
Der von dem Kläger errichtete Anbau, der unstreitig nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist, widerspricht dem materiellen Baurecht. Zwar ist die Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, gegen deren Bestimmungen das klägerische Vorhaben verstoßen würde, nie wirksam in Kraft gesetzt worden (dazu 1.). Das Grundstück des Klägers liegt auch nicht im Außenbereich, sondern in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (2.). Doch nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorhaben unzulässig, da es sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (dazu 3.), so dass es keiner Entscheidung des Senats bedarf, ob seine Erschließung gesichert ist.
28 
1. Der Anbau des Klägers verstößt nicht gegen die Bestimmungen der Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, da diese nie Wirksamkeit erlangt hat.
29 
Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten geht der Senat davon aus, dass es an der nach § 174 Abs. 1 BBauG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 WürttBauO 1910 (RegBl. S. 333) erforderlichen Bekanntmachung der Ortsbausatzung nach ihrer Genehmigung durch die damalige Aufsichtsbehörde fehlt, wobei dahinstehen kann, ob sich das Genehmigungserfordernis, wie das Verwaltungsgericht meint, aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Baugestaltung (v. 10.11.1936, RGBl I, S. 938), aus Art. 4 WürttBauO 1910 oder aus § 10 Aufbaugesetz (v. 18.8.1948, RegBl. S. 127) ergab.
30 
2. Das Vorhabengrundstück liegt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern in einem Bebauungszusammenhang, der einen Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet.
31 
Ein vorhandener Bebauungszusammenhang ist als Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen, wenn er nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, st. Rspr seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.66 - BVerwGE 31, 22; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. d. Senats v. 17.10.2003 - 3 S 2298/02 - VBlBW 2004, 345). Das ist beim Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ der Fall.
32 
a) Im Gebiet „Wanne“ befinden sich - abgesehen von einigen Nebengebäuden wie Schuppen - insgesamt rund 69 Häuser. Allerdings ist nicht jede bauliche Anlage geeignet, zu einem „Bebauungszusammenhang“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beizutragen, sondern nur solche, die für eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung maßstabsbildend sind. Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Beschl. v. 2.8.2001 - 4 B 26.01 - BauR 2002, 277; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Abzustellen ist dabei regelmäßig auf den durch die Baugenehmigung vorgegebenen Nutzungszweck (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012 - 3 L 3/08 - juris).
33 
Danach bestünde im Bereich „Wanne“ kein Bebauungszusammenhang, weil kein einziges der vorhandenen Häuser für eine Nutzung zum dauerhaften Wohnen genehmigt worden ist. Eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz gilt aber dann, wenn sich die zuständige Behörde mit einer von den erteilten Baugenehmigungen abweichenden kontinuierlichen Wohnnutzung auf Dauer abgefunden hat (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011, a.a.O.). Das ist hier der Fall. Denn das zuständige Landratsamt hat aktenkundig bereits in den 90er-Jahren auf ein Einschreiten gegenüber den schon damals dauerhaft dort Wohnenden verzichtet. Damit sind derzeit rund 25 Häuser, deren Nutzung zum dauerhaften Wohnen seit langem geduldet wird, in der Umgebung des Grundstücks des Klägers vorhanden.
34 
b) Diese Anzahl maßstabsbildender Baulichkeiten hat das erforderliche Gewicht zur Bildung eines Ortsteils, zumal zur Stadt B. auch eingemeindete Teilorte mit nur rund 30 Einwohnern gehören.
35 
c) Der zusammenhängende Bebauungskomplex aus rund 25 geduldet zum dauerhaften Wohnen benutzten Häusern, rund 45 Wochenendhäusern und einigen Nebengebäuden ist Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Dieser Begriff ist aus der Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) zu verstehen (st. Rspr. d. BVerwG seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.68 - BVerwGE 31, 22; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Der Annahme einer organischen Siedlungsstruktur steht insbesondere entgegen, wenn es sich um eine Anhäufung nur behelfsmäßiger Bauten oder eine völlig regellos angeordnete Bebauung handelt. Dagegen kann nicht gefordert werden, dass die Bebauung nach Art und Zweckbestimmung einheitlich ist. Ebenso unerheblich ist, ob die Infrastruktur des Bebauungskomplexes ein eigenständiges Leben dort gestattet (Urt. des Senats v. 10.9.1998 - 3 S 1866/98 - VBlBW 1999, 139). Zu fragen ist vielmehr, ob die vorhandenen Bauten eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung vorgeben (Urt. des Senats v. 10.7.2006, a.a.O.). Das ist hier der Fall.
36 
Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, es fehle an dem Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur des Bebauungskomplexes im Bereich „Wanne“, primär auf den optischen Eindruck gestützt, wonach dort große durchgrünte Grundstücke mit nur schmalen Wegen vorhanden seien und dem Betrachter nur vereinzelt bauliche Anlagen auffielen, die zudem noch sehr „verschieden“ seinen. Dieser optische Eindruck werde durch Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes bestätigt. Denn der Komplex sei nicht selbständig und natürlich gewachsen, sondern auf Grund der (unerkannt unwirksamen) Ortsbausatzung dort bewusst und gewollt entstanden. Während auf vielen Grundstücken deren Vorgaben eingehalten würden, sei es auf anderen zunehmend zu Abweichungen gekommen.
37 
Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Die - in der Tat vorhandene - starke „Durchgrünung“ steht einer organischen Siedlungsstruktur nicht entgegen. Für die vom Verwaltungsgericht angeführte Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes gilt das Gleiche. Das Vorliegen eines Ortsteils ist ausschließlich nach den äußerlich wahrnehmbaren Verhältnissen zu bestimmen. Auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung kommt es daher nicht an (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2007 - 4 B 7.07 - BauR 2007, 1383; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Bay. VGH, Beschl. v. 18.8.2011 - 1 ZB 10.2244 - juris). Hinzu kommt, dass der Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ nach der Art der vorhandenen baulichen Nutzung einen sehr homogenen Eindruck vermittelt, da er nur aus Wohnhäuser, Wochenendhäuser und den dazugehörigen Nebenanlagen besteht. Auch deren Anordnung entlang der Wege und auf den einzelnen Grundstücken lässt deutlich regelhafte Züge erkennen.
38 
3. Nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre das Vorhaben des Klägers nur dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Gegenstand dieser Prüfung ist dabei nicht etwa nur der Anbau des Klägers, sondern sein durch den Anbau erweitertes Wohnhaus (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BauR 1994, 81). Dieses fügt sich jedenfalls hinsichtlich des Maßes seiner baulichen Nutzung nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein.
39 
a) Die „nähere Umgebung“ des zu beurteilenden Vorhabens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB reicht so weit, wie sich die Ausführung des zu beurteilenden Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.3.2012 - 5 S 1778/11 - BauR 2013, 20). Der die nähere Umgebung prägende Rahmen ist dabei für jedes der in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Merkmale getrennt zu bestimmen (BVerwG, Beschl. v. 6.11.1997 - 4 B 172.97 - ZfBR 1998, 164).
40 
b) Der Senat kann nach dem Ergebnis des eingenommenen Augenscheins offen lassen, ob die das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Grundstücks prägende nähere Umgebung der gesamte Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ bildet, wofür Vieles spricht, oder nur ein engerer Teilbereich, etwa entlang des U... Wegs. Denn in beiden Fällen überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers den Rahmen, wie er durch die nähere Umgebung geprägt wird, löst dadurch auch bodenrechtliche Spannungen aus und fügt sich somit nicht ein.
41 
aa) Zur Bestimmung dieses Rahmens kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf die Bestimmungen der (unwirksamen) Ortsbausatzung abgestellt werden. Beurteilungsmaßstab für das „Sich-Einfügen“ eines Vorhabens ist das tatsächlich in der maßgeblichen Umgebung prägend Vorhandene. Daran ändert sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn die vorhandene Orts- bzw. Bebauungsstruktur das Ergebnis der Verwirklichung eines nichtigen Bebauungsplans ist (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1994 - 4 B 158.93 - BRS 56 Nr. 66). Den Festsetzungen eines solchen Plans kann deshalb auch § 34 BauGB nicht - mittelbar - zur Durchsetzung verhelfen.
42 
Wie sich bereits aus den Akten des Landratsamts ergibt und sich bei dem vom Senat eingenommenen Augenschein bestätigt hat, sind im Gebiet „Wanne“ zahlreiche Wohngebäude vorhanden, die die Festsetzungen der Ortsbausatzung zum Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreiten. Das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers geht jedoch selbst über die den Rahmen mitprägenden größeren vorhandenen Wohngebäude noch hinaus. Zwar bewegt sich die Grundfläche von rund 92 m2 möglicherweise noch im Rahmen der Umgebungsbebauung, da auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... ein Gebäude mit einer sogar noch etwas größeren Grundfläche vorhanden ist. Die Kombination aus einer Grundfläche von rund 92 m2 und der über die gesamte Grundfläche in Erscheinung tretenden beträchtlichen Höhenentwicklung des Gesamtgebäudes des Klägers führt jedoch dazu, dass das Gebäude den Rahmen der Umgebungsbebauung in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet. Hinsichtlich des Vergleichs mit den Grundflächen anderer Wohngebäude hat die Klägervertreterin auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass im Gebiet Wanne entgegen ihres schriftsätzlichen Vortrags kein Wohngebäude mit einer Grundfläche von 112 m2 vorhanden ist. Es gibt nur ein einziges Wohngebäude mit einer der Grundfläche des Vorhabens des Klägers vergleichbar großen Grundfläche, nämlich das Gebäude U... Wegs 22 (so die Bezeichnung in den Karten des Landratsamts) auf dem bereits erwähnten Grundstück FlSt.-Nr. ... Die größten übrigen Wohngebäude haben Grundflächen von jedenfalls unter 85 m2. Dieses einzige Gebäude mit vergleichbar großer Grundfläche U... Weg 22 tritt aber selbst auf seiner hangabwärtigen Nordseite nur als bungalowartiges eingeschossiges Gebäude in Erscheinung. Dagegen besitzt das erweiterte Wohnhaus des Klägers ein nach Norden hin freistehendes Untergeschoss, ein Erdgeschoss und ein Dachgeschoss, wirkt also zur Nordseite hin dreigeschossig. Eine ähnliche optische Wirkung seiner Höhenentwicklung entfaltet zwar das östliche Nachbargebäude U... Weg 15 (Flst.-Nr....), jedoch ist dessen Grundfläche mit 84 m2 wahrnehmbar geringer, zumal ein Teil davon auf einen Anbau entfällt, der nur im Untergeschoss besteht. Die Wohngebäude mit den nächstgrößeren Grundflächen M... Weg 6 und 8 sowie O... Weg 5 haben Grundflächen von 83 m2 oder weniger.
43 
bb) Überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Gesamtgebäudes somit deutlich den Rahmen der durch die Umgebung gebildeten Bebauung, würde es sich nur dann einfügen, wenn es gleichwohl keine bodenrechtlichen Spannungen hervorriefe (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Bodenrechtliche Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Bedürfnis für eine ausgleichende städtebauliche Planung hervorrufen, insbesondere, weil sie eine negative Vorbildwirkung haben (BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Es ist offensichtlich, dass das durch den Anbau vergrößerte Wohngebäude des Klägers eine solche negative Vorbildwirkung hat, weil es selbst die Eigentümer, deren Gebäude die Vorgaben der unwirksamen Ortsbausatzung schon jetzt merklich überschreiten, einen Anreiz dazu geben kann, ihre Gebäude in einer mit dem Vorhaben des Klägers vergleichbaren Weise weiter auszubauen.
II.
44 
Auf andere Weise als durch Erlass einer Abbruchsanordnung lassen sich rechtmäßige Zustände auf dem Grundstück des Klägers nicht herstellen.
45 
Diese Erfordernis des § 65 Satz 1 LBO gebietet die Prüfung, ob nicht Gesetzesverstöße durch Befreiungen oder Ausnahmen nach geheilt werden können oder ob nicht Nebenbestimmungen oder weniger weitreichende Verfügungen ausreichen (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Schlotterbeck, in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Aufl., § 65 Rn. 9). Das ist beim Anbau des Klägers nicht der Fall. Die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau kommt mangels planungsrechtlicher Zulässigkeit nicht in Betracht. Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist nicht möglich, wenn sich die Zulässigkeit des zu beurteilenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 LA 43/13 - BauR 2014, 231; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Sept. 2013, § 31 Rn. 19. Der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung ist zur Erreichung des mit der angefochtenen Verfügung verfolgten Zwecks, den Verstoß gegen Bauplanungsrecht durch einen zu große Grundfläche und ein zu großes Volumen zu beseitigen, offensichtlich nicht geeignet. Das Landratsamt hatte schließlich keine Pflicht, ohne konkrete Angebote des Klägers nach sinnvollen Verkleinerungsmöglichkeiten zu forschen (BVerwG, Beschl. v. 8.2.1994 - 4 B 21.94 - juris m.w.N.). Die Möglichkeit, dem Landratsamt ein solches Angebot zu unterbreiten, steht dem Kläger jedoch weiterhin - etwa auch zur Abwendung einer Vollstreckung - offen.
III.
46 
Die Ausübung des Ermessens durch das beklagten Land lässt keine vom Gericht überprüfbaren Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO, § 40 LVwVfG) erkennen.
47 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 65 Satz 1 LBO und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Sauter, LBO für Bad.-Württ., Stand Nov. 2013, § 65 Rn. 44; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1139). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 11.4.2002 - 4 C 4.01 - NVwZ 2002, 1250 m.w.N.). Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben.
48 
1. Zwar haben sich die Ermessenserwägungen in Ausgangsverfügung und Widerspruchsbescheid noch daran orientiert, das Vorhaben des Klägers verstoße gegen die wirksame Ortsbausatzung, was, wie ausgeführt, nicht zutrifft. Der Beklagte hat jedoch in seinen gerichtlichen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Erwägungen auch für den Fall ergänzt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO), dass das Vorhaben des Klägers in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil verwirklicht worden sein sollte.
49 
2. Der Kläger hält dem Landratsamt vor, es habe durch Erlass der Abbruchsanordnung in zweifacher Weise gleichheitswidrig gehandelt. Denn es habe beschlossen, gegen „Altfälle“ nicht vorzugehen, fordere aber ihn dennoch zum Abbruch seines Anbaus auf, obwohl er ihn vor dem 16.1.2008 bereits vollständig fertiggestellt gehabt habe. Zum anderen lasse das Landratsamt die notwendige Konsequenz gegenüber ihm bekannten „Neufällen“, d.h. der Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen nach dem 16.1.2008, vermissen. Auch mit dieser Argumentation vermag der Kläger nicht durchzudringen.
50 
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass rechtswidrige Zustände, die bei mehreren Grundstücke vorliegen, nicht stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die zuständige Behörde auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzugeben vermag (BVerwG, Beschl. v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR 1992, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.2.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR 1997, 465). Wenn sich innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereichs mehrere rechtswidrige Anlagen befinden und nicht gegen alle eingeschritten wird, muss dem behördlichen Einschreiten allerdings ein der jeweiligen Sachlage angemessenes Konzept zugrunde liegen (Reichelt/Schule, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1141 m.w.N.). Grundvoraussetzung hierfür ist unter anderem eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands. Ist der Träger der Baurechtsbehörde - wie hier - nicht Träger der Bauleitplanung, kann wegen des Gewichts der kommunalen Planungshoheit auch eine Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung geboten sein.
51 
aa) Diesen Verpflichtungen entsprechend ist das Landratsamt bereits lange vor dem Hinweis vom 13.12.2007 auf einen „Schwarzbau“ auf dem Grundstück des Klägers am 13.4.2007 nach einer schriftlichen Forderung des Voreigentümers in Überlegungen über sein künftiges Handeln im Gebiet „Wanne“ eingetreten. Das Ergebnis dieser Überlegungen hat es in einem Aktenvermerk vom 13.4.2007 niedergelegt. Danach sollte die Gültigkeit der Ortsbausatzung geprüft und ggf. bei der Gemeinde B. der Erlass eines Bebauungsplans angeregt werden. Sollte ein Bebauungsplan nicht zustande kommen, sollten die vorhandenen Bauten „auf Grundlage des vom Vermessungsamt erstellten Kartenmaterials akzeptiert“ werden. Neufälle, die in der Karte des Vermessungsamts nicht enthalten seien, sollten dagegen künftig auf das in der Satzung geregelte Maß zurückgebaut werden.
52 
Der Ausdruck des vom Vermessungsamt erstellten Bestandsplans trägt zwar das Datum 16.1.2008. Nach den Darlegungen des Landratsamts beruht dieser Plan aber auf einer Erfassung des Vermessungsamts durch eine Ortsbegehung mit Ausmessung der Gebäude im Dezember 2006. Nachdem der Gemeinderat der Stadt B. im April 2008 die Aufstellung eines Bebauungsplans zur städtebaulichen Neuordnung des Gebiets abgelehnt hatte, legte die Baurechtsbehörde - wie der Vertreter des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - entsprechend dem im April 2007 entwickelten Konzept für ihr künftiges Einschreiten - den in den Karten des Vermessungsamts (mit dem Stand Dezember 2006) eingezeichneten Bestand zugrunde. Dieser darf erhalten bleiben, jede darüberhinausgehende Erweiterung ist zurückzubauen. In diesem Plan ist auf dem Grundstück des Klägers Flst.-Nr. ... nur ein Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m2 eingezeichnet, was auch dem Vortrag des Klägers entspricht, wonach er mit der Errichtung des Anbaus erst im September 2007 begonnen hat.
53 
Der Kläger meint, da er seinen Anbau vor dem 16.1.2008, dem Ausfertigungsdatum der Karte, vollständig errichtet habe, zähle sein Anbau zu den „Altfällen“ des Konzepts des Landratsamts und dürfe bestehen bleiben. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dieser Einwand in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, ob also der Anbau des Klägers am 16.1.2008 bereits fertiggestellt war. Daran bestehen allerdings schon deswegen erhebliche Zweifel, weil ein Baukontrolleur des Landratsamts noch am 31.1.2008 Veranlassung sah, eine Baueinstellung zu verfügen. Der Einwand ist aber unabhängig davon jedenfalls in rechtlicher Hinsicht unbegründet, da der Kläger damit den Bedeutungsgehalt des Einschreitenskonzepts des Landratsamts verkennt. Das Landratsamt hatte schon im April 2007 und damit vor dem Erwerb des Baugrundstücks durch den Kläger die Grundzüge seines künftigen Eingreifens aktenkundig dokumentiert und gleichzeitig die nach der Rechtsprechung erforderlichen Schritte zur Umsetzung des Konzepts eingeleitet. Es ist nicht gleichheitswidrig, wenn das Landratsamt sich dazu entscheidet, auch gegen ein Bauwerk einzuschreiten, das während der für die Umsetzung des Konzepts erforderlichen Maßnahmen (Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung, Erstellung eines Bestandsplans) errichtet worden ist. Die Argumentation des Klägers könnte allenfalls dann verfangen, wenn er sein Bauwerk zwischen dem Zeitpunkt der dem Bestandsplan zugrundeliegenden Ortsbegehung im Dezember 2006 und dem Vermerk über das Einschreitenskonzept im April 2007 errichtet hätte, was aber unzweifelhaft nicht der Fall war.
54 
bb) Ebenso fehlt es an Hinweisen, dass das Landratsamt in gleichheitswidriger Weise gegen später erstellte rechtswidrige bauliche Anlagen nicht vorgeht. Auf der Grundlage der Auffassung des Senats, wonach die vorhandene Bebauung im Gewann Wanne einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bildet und der aus der Umgebungsbebauung abzuleitende Rahmen für das Maß der baulichen Nutzung das in der unwirksamen Ortsbausatzung festgesetzte Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet, wäre nur ein Untätigbleiben bei Neubauten und Anbauten, die den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreiten, gleichheitswidrig. Solche Vorhaben hat der Kläger nicht benannt; sie waren für den Senat bei der Einnahme seines Augenscheins auch nicht erkennbar.
IV.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
57 
Beschluss vom 9. April 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs in seinen Fassungen von 2004 und 2013 entsprechend der Angaben des Klägers zum Zeitwert der Anlage sowie den geschätzte Abbruchskosten auf 100.000 EUR festgesetzt.
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Klägers ist auch sonst zulässig, insbesondere - nach Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden - fristgerecht (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) und ausreichend (§ 124a Abs. 3 VwGO) begründet worden. Sie dringt aber in der Sache nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 und den diese bestätigenden Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 zu Recht abgewiesen. Denn beide Bescheide sind rechtmäßig und können daher den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann das Landratsamt als zuständige untere Baurechtsbehörde (§§ 46 Abs. 1 Nr. 3 u. 48 Abs. 1 LBO) den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach dieser Ermächtigungsgrundlage liegen hinsichtlich des Anbaus des Klägers vor. Denn seine Errichtung war und ist baurechtswidrig (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise als durch den Erlass einer Abbruchsanordnung hergestellt werden (II.) und die erfolgte Ausübung des Anordnungsermessens ist nicht zu beanstanden (III.).
I.
25 
Das durch den Anbau des Klägers vergrößerte Wohngebäude verstößt fortlaufend gegen materielles Baurecht.
26 
Ein nach § 65 Satz 1 LBO erforderlicher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf den durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz voraus, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 - BauR 1988, 576 zum vergleichbaren Landesrecht in Rheinland-Pfalz; Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Reichelt/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1128).
27 
Der von dem Kläger errichtete Anbau, der unstreitig nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist, widerspricht dem materiellen Baurecht. Zwar ist die Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, gegen deren Bestimmungen das klägerische Vorhaben verstoßen würde, nie wirksam in Kraft gesetzt worden (dazu 1.). Das Grundstück des Klägers liegt auch nicht im Außenbereich, sondern in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (2.). Doch nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorhaben unzulässig, da es sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (dazu 3.), so dass es keiner Entscheidung des Senats bedarf, ob seine Erschließung gesichert ist.
28 
1. Der Anbau des Klägers verstößt nicht gegen die Bestimmungen der Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, da diese nie Wirksamkeit erlangt hat.
29 
Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten geht der Senat davon aus, dass es an der nach § 174 Abs. 1 BBauG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 WürttBauO 1910 (RegBl. S. 333) erforderlichen Bekanntmachung der Ortsbausatzung nach ihrer Genehmigung durch die damalige Aufsichtsbehörde fehlt, wobei dahinstehen kann, ob sich das Genehmigungserfordernis, wie das Verwaltungsgericht meint, aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Baugestaltung (v. 10.11.1936, RGBl I, S. 938), aus Art. 4 WürttBauO 1910 oder aus § 10 Aufbaugesetz (v. 18.8.1948, RegBl. S. 127) ergab.
30 
2. Das Vorhabengrundstück liegt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern in einem Bebauungszusammenhang, der einen Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet.
31 
Ein vorhandener Bebauungszusammenhang ist als Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen, wenn er nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, st. Rspr seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.66 - BVerwGE 31, 22; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. d. Senats v. 17.10.2003 - 3 S 2298/02 - VBlBW 2004, 345). Das ist beim Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ der Fall.
32 
a) Im Gebiet „Wanne“ befinden sich - abgesehen von einigen Nebengebäuden wie Schuppen - insgesamt rund 69 Häuser. Allerdings ist nicht jede bauliche Anlage geeignet, zu einem „Bebauungszusammenhang“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beizutragen, sondern nur solche, die für eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung maßstabsbildend sind. Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Beschl. v. 2.8.2001 - 4 B 26.01 - BauR 2002, 277; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Abzustellen ist dabei regelmäßig auf den durch die Baugenehmigung vorgegebenen Nutzungszweck (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012 - 3 L 3/08 - juris).
33 
Danach bestünde im Bereich „Wanne“ kein Bebauungszusammenhang, weil kein einziges der vorhandenen Häuser für eine Nutzung zum dauerhaften Wohnen genehmigt worden ist. Eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz gilt aber dann, wenn sich die zuständige Behörde mit einer von den erteilten Baugenehmigungen abweichenden kontinuierlichen Wohnnutzung auf Dauer abgefunden hat (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011, a.a.O.). Das ist hier der Fall. Denn das zuständige Landratsamt hat aktenkundig bereits in den 90er-Jahren auf ein Einschreiten gegenüber den schon damals dauerhaft dort Wohnenden verzichtet. Damit sind derzeit rund 25 Häuser, deren Nutzung zum dauerhaften Wohnen seit langem geduldet wird, in der Umgebung des Grundstücks des Klägers vorhanden.
34 
b) Diese Anzahl maßstabsbildender Baulichkeiten hat das erforderliche Gewicht zur Bildung eines Ortsteils, zumal zur Stadt B. auch eingemeindete Teilorte mit nur rund 30 Einwohnern gehören.
35 
c) Der zusammenhängende Bebauungskomplex aus rund 25 geduldet zum dauerhaften Wohnen benutzten Häusern, rund 45 Wochenendhäusern und einigen Nebengebäuden ist Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Dieser Begriff ist aus der Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) zu verstehen (st. Rspr. d. BVerwG seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.68 - BVerwGE 31, 22; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Der Annahme einer organischen Siedlungsstruktur steht insbesondere entgegen, wenn es sich um eine Anhäufung nur behelfsmäßiger Bauten oder eine völlig regellos angeordnete Bebauung handelt. Dagegen kann nicht gefordert werden, dass die Bebauung nach Art und Zweckbestimmung einheitlich ist. Ebenso unerheblich ist, ob die Infrastruktur des Bebauungskomplexes ein eigenständiges Leben dort gestattet (Urt. des Senats v. 10.9.1998 - 3 S 1866/98 - VBlBW 1999, 139). Zu fragen ist vielmehr, ob die vorhandenen Bauten eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung vorgeben (Urt. des Senats v. 10.7.2006, a.a.O.). Das ist hier der Fall.
36 
Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, es fehle an dem Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur des Bebauungskomplexes im Bereich „Wanne“, primär auf den optischen Eindruck gestützt, wonach dort große durchgrünte Grundstücke mit nur schmalen Wegen vorhanden seien und dem Betrachter nur vereinzelt bauliche Anlagen auffielen, die zudem noch sehr „verschieden“ seinen. Dieser optische Eindruck werde durch Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes bestätigt. Denn der Komplex sei nicht selbständig und natürlich gewachsen, sondern auf Grund der (unerkannt unwirksamen) Ortsbausatzung dort bewusst und gewollt entstanden. Während auf vielen Grundstücken deren Vorgaben eingehalten würden, sei es auf anderen zunehmend zu Abweichungen gekommen.
37 
Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Die - in der Tat vorhandene - starke „Durchgrünung“ steht einer organischen Siedlungsstruktur nicht entgegen. Für die vom Verwaltungsgericht angeführte Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes gilt das Gleiche. Das Vorliegen eines Ortsteils ist ausschließlich nach den äußerlich wahrnehmbaren Verhältnissen zu bestimmen. Auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung kommt es daher nicht an (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2007 - 4 B 7.07 - BauR 2007, 1383; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Bay. VGH, Beschl. v. 18.8.2011 - 1 ZB 10.2244 - juris). Hinzu kommt, dass der Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ nach der Art der vorhandenen baulichen Nutzung einen sehr homogenen Eindruck vermittelt, da er nur aus Wohnhäuser, Wochenendhäuser und den dazugehörigen Nebenanlagen besteht. Auch deren Anordnung entlang der Wege und auf den einzelnen Grundstücken lässt deutlich regelhafte Züge erkennen.
38 
3. Nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre das Vorhaben des Klägers nur dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Gegenstand dieser Prüfung ist dabei nicht etwa nur der Anbau des Klägers, sondern sein durch den Anbau erweitertes Wohnhaus (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BauR 1994, 81). Dieses fügt sich jedenfalls hinsichtlich des Maßes seiner baulichen Nutzung nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein.
39 
a) Die „nähere Umgebung“ des zu beurteilenden Vorhabens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB reicht so weit, wie sich die Ausführung des zu beurteilenden Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.3.2012 - 5 S 1778/11 - BauR 2013, 20). Der die nähere Umgebung prägende Rahmen ist dabei für jedes der in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Merkmale getrennt zu bestimmen (BVerwG, Beschl. v. 6.11.1997 - 4 B 172.97 - ZfBR 1998, 164).
40 
b) Der Senat kann nach dem Ergebnis des eingenommenen Augenscheins offen lassen, ob die das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Grundstücks prägende nähere Umgebung der gesamte Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ bildet, wofür Vieles spricht, oder nur ein engerer Teilbereich, etwa entlang des U... Wegs. Denn in beiden Fällen überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers den Rahmen, wie er durch die nähere Umgebung geprägt wird, löst dadurch auch bodenrechtliche Spannungen aus und fügt sich somit nicht ein.
41 
aa) Zur Bestimmung dieses Rahmens kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf die Bestimmungen der (unwirksamen) Ortsbausatzung abgestellt werden. Beurteilungsmaßstab für das „Sich-Einfügen“ eines Vorhabens ist das tatsächlich in der maßgeblichen Umgebung prägend Vorhandene. Daran ändert sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn die vorhandene Orts- bzw. Bebauungsstruktur das Ergebnis der Verwirklichung eines nichtigen Bebauungsplans ist (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1994 - 4 B 158.93 - BRS 56 Nr. 66). Den Festsetzungen eines solchen Plans kann deshalb auch § 34 BauGB nicht - mittelbar - zur Durchsetzung verhelfen.
42 
Wie sich bereits aus den Akten des Landratsamts ergibt und sich bei dem vom Senat eingenommenen Augenschein bestätigt hat, sind im Gebiet „Wanne“ zahlreiche Wohngebäude vorhanden, die die Festsetzungen der Ortsbausatzung zum Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreiten. Das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers geht jedoch selbst über die den Rahmen mitprägenden größeren vorhandenen Wohngebäude noch hinaus. Zwar bewegt sich die Grundfläche von rund 92 m2 möglicherweise noch im Rahmen der Umgebungsbebauung, da auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... ein Gebäude mit einer sogar noch etwas größeren Grundfläche vorhanden ist. Die Kombination aus einer Grundfläche von rund 92 m2 und der über die gesamte Grundfläche in Erscheinung tretenden beträchtlichen Höhenentwicklung des Gesamtgebäudes des Klägers führt jedoch dazu, dass das Gebäude den Rahmen der Umgebungsbebauung in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet. Hinsichtlich des Vergleichs mit den Grundflächen anderer Wohngebäude hat die Klägervertreterin auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass im Gebiet Wanne entgegen ihres schriftsätzlichen Vortrags kein Wohngebäude mit einer Grundfläche von 112 m2 vorhanden ist. Es gibt nur ein einziges Wohngebäude mit einer der Grundfläche des Vorhabens des Klägers vergleichbar großen Grundfläche, nämlich das Gebäude U... Wegs 22 (so die Bezeichnung in den Karten des Landratsamts) auf dem bereits erwähnten Grundstück FlSt.-Nr. ... Die größten übrigen Wohngebäude haben Grundflächen von jedenfalls unter 85 m2. Dieses einzige Gebäude mit vergleichbar großer Grundfläche U... Weg 22 tritt aber selbst auf seiner hangabwärtigen Nordseite nur als bungalowartiges eingeschossiges Gebäude in Erscheinung. Dagegen besitzt das erweiterte Wohnhaus des Klägers ein nach Norden hin freistehendes Untergeschoss, ein Erdgeschoss und ein Dachgeschoss, wirkt also zur Nordseite hin dreigeschossig. Eine ähnliche optische Wirkung seiner Höhenentwicklung entfaltet zwar das östliche Nachbargebäude U... Weg 15 (Flst.-Nr....), jedoch ist dessen Grundfläche mit 84 m2 wahrnehmbar geringer, zumal ein Teil davon auf einen Anbau entfällt, der nur im Untergeschoss besteht. Die Wohngebäude mit den nächstgrößeren Grundflächen M... Weg 6 und 8 sowie O... Weg 5 haben Grundflächen von 83 m2 oder weniger.
43 
bb) Überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Gesamtgebäudes somit deutlich den Rahmen der durch die Umgebung gebildeten Bebauung, würde es sich nur dann einfügen, wenn es gleichwohl keine bodenrechtlichen Spannungen hervorriefe (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Bodenrechtliche Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Bedürfnis für eine ausgleichende städtebauliche Planung hervorrufen, insbesondere, weil sie eine negative Vorbildwirkung haben (BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Es ist offensichtlich, dass das durch den Anbau vergrößerte Wohngebäude des Klägers eine solche negative Vorbildwirkung hat, weil es selbst die Eigentümer, deren Gebäude die Vorgaben der unwirksamen Ortsbausatzung schon jetzt merklich überschreiten, einen Anreiz dazu geben kann, ihre Gebäude in einer mit dem Vorhaben des Klägers vergleichbaren Weise weiter auszubauen.
II.
44 
Auf andere Weise als durch Erlass einer Abbruchsanordnung lassen sich rechtmäßige Zustände auf dem Grundstück des Klägers nicht herstellen.
45 
Diese Erfordernis des § 65 Satz 1 LBO gebietet die Prüfung, ob nicht Gesetzesverstöße durch Befreiungen oder Ausnahmen nach geheilt werden können oder ob nicht Nebenbestimmungen oder weniger weitreichende Verfügungen ausreichen (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Schlotterbeck, in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Aufl., § 65 Rn. 9). Das ist beim Anbau des Klägers nicht der Fall. Die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau kommt mangels planungsrechtlicher Zulässigkeit nicht in Betracht. Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist nicht möglich, wenn sich die Zulässigkeit des zu beurteilenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 LA 43/13 - BauR 2014, 231; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Sept. 2013, § 31 Rn. 19. Der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung ist zur Erreichung des mit der angefochtenen Verfügung verfolgten Zwecks, den Verstoß gegen Bauplanungsrecht durch einen zu große Grundfläche und ein zu großes Volumen zu beseitigen, offensichtlich nicht geeignet. Das Landratsamt hatte schließlich keine Pflicht, ohne konkrete Angebote des Klägers nach sinnvollen Verkleinerungsmöglichkeiten zu forschen (BVerwG, Beschl. v. 8.2.1994 - 4 B 21.94 - juris m.w.N.). Die Möglichkeit, dem Landratsamt ein solches Angebot zu unterbreiten, steht dem Kläger jedoch weiterhin - etwa auch zur Abwendung einer Vollstreckung - offen.
III.
46 
Die Ausübung des Ermessens durch das beklagten Land lässt keine vom Gericht überprüfbaren Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO, § 40 LVwVfG) erkennen.
47 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 65 Satz 1 LBO und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Sauter, LBO für Bad.-Württ., Stand Nov. 2013, § 65 Rn. 44; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1139). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 11.4.2002 - 4 C 4.01 - NVwZ 2002, 1250 m.w.N.). Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben.
48 
1. Zwar haben sich die Ermessenserwägungen in Ausgangsverfügung und Widerspruchsbescheid noch daran orientiert, das Vorhaben des Klägers verstoße gegen die wirksame Ortsbausatzung, was, wie ausgeführt, nicht zutrifft. Der Beklagte hat jedoch in seinen gerichtlichen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Erwägungen auch für den Fall ergänzt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO), dass das Vorhaben des Klägers in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil verwirklicht worden sein sollte.
49 
2. Der Kläger hält dem Landratsamt vor, es habe durch Erlass der Abbruchsanordnung in zweifacher Weise gleichheitswidrig gehandelt. Denn es habe beschlossen, gegen „Altfälle“ nicht vorzugehen, fordere aber ihn dennoch zum Abbruch seines Anbaus auf, obwohl er ihn vor dem 16.1.2008 bereits vollständig fertiggestellt gehabt habe. Zum anderen lasse das Landratsamt die notwendige Konsequenz gegenüber ihm bekannten „Neufällen“, d.h. der Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen nach dem 16.1.2008, vermissen. Auch mit dieser Argumentation vermag der Kläger nicht durchzudringen.
50 
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass rechtswidrige Zustände, die bei mehreren Grundstücke vorliegen, nicht stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die zuständige Behörde auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzugeben vermag (BVerwG, Beschl. v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR 1992, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.2.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR 1997, 465). Wenn sich innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereichs mehrere rechtswidrige Anlagen befinden und nicht gegen alle eingeschritten wird, muss dem behördlichen Einschreiten allerdings ein der jeweiligen Sachlage angemessenes Konzept zugrunde liegen (Reichelt/Schule, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1141 m.w.N.). Grundvoraussetzung hierfür ist unter anderem eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands. Ist der Träger der Baurechtsbehörde - wie hier - nicht Träger der Bauleitplanung, kann wegen des Gewichts der kommunalen Planungshoheit auch eine Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung geboten sein.
51 
aa) Diesen Verpflichtungen entsprechend ist das Landratsamt bereits lange vor dem Hinweis vom 13.12.2007 auf einen „Schwarzbau“ auf dem Grundstück des Klägers am 13.4.2007 nach einer schriftlichen Forderung des Voreigentümers in Überlegungen über sein künftiges Handeln im Gebiet „Wanne“ eingetreten. Das Ergebnis dieser Überlegungen hat es in einem Aktenvermerk vom 13.4.2007 niedergelegt. Danach sollte die Gültigkeit der Ortsbausatzung geprüft und ggf. bei der Gemeinde B. der Erlass eines Bebauungsplans angeregt werden. Sollte ein Bebauungsplan nicht zustande kommen, sollten die vorhandenen Bauten „auf Grundlage des vom Vermessungsamt erstellten Kartenmaterials akzeptiert“ werden. Neufälle, die in der Karte des Vermessungsamts nicht enthalten seien, sollten dagegen künftig auf das in der Satzung geregelte Maß zurückgebaut werden.
52 
Der Ausdruck des vom Vermessungsamt erstellten Bestandsplans trägt zwar das Datum 16.1.2008. Nach den Darlegungen des Landratsamts beruht dieser Plan aber auf einer Erfassung des Vermessungsamts durch eine Ortsbegehung mit Ausmessung der Gebäude im Dezember 2006. Nachdem der Gemeinderat der Stadt B. im April 2008 die Aufstellung eines Bebauungsplans zur städtebaulichen Neuordnung des Gebiets abgelehnt hatte, legte die Baurechtsbehörde - wie der Vertreter des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - entsprechend dem im April 2007 entwickelten Konzept für ihr künftiges Einschreiten - den in den Karten des Vermessungsamts (mit dem Stand Dezember 2006) eingezeichneten Bestand zugrunde. Dieser darf erhalten bleiben, jede darüberhinausgehende Erweiterung ist zurückzubauen. In diesem Plan ist auf dem Grundstück des Klägers Flst.-Nr. ... nur ein Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m2 eingezeichnet, was auch dem Vortrag des Klägers entspricht, wonach er mit der Errichtung des Anbaus erst im September 2007 begonnen hat.
53 
Der Kläger meint, da er seinen Anbau vor dem 16.1.2008, dem Ausfertigungsdatum der Karte, vollständig errichtet habe, zähle sein Anbau zu den „Altfällen“ des Konzepts des Landratsamts und dürfe bestehen bleiben. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dieser Einwand in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, ob also der Anbau des Klägers am 16.1.2008 bereits fertiggestellt war. Daran bestehen allerdings schon deswegen erhebliche Zweifel, weil ein Baukontrolleur des Landratsamts noch am 31.1.2008 Veranlassung sah, eine Baueinstellung zu verfügen. Der Einwand ist aber unabhängig davon jedenfalls in rechtlicher Hinsicht unbegründet, da der Kläger damit den Bedeutungsgehalt des Einschreitenskonzepts des Landratsamts verkennt. Das Landratsamt hatte schon im April 2007 und damit vor dem Erwerb des Baugrundstücks durch den Kläger die Grundzüge seines künftigen Eingreifens aktenkundig dokumentiert und gleichzeitig die nach der Rechtsprechung erforderlichen Schritte zur Umsetzung des Konzepts eingeleitet. Es ist nicht gleichheitswidrig, wenn das Landratsamt sich dazu entscheidet, auch gegen ein Bauwerk einzuschreiten, das während der für die Umsetzung des Konzepts erforderlichen Maßnahmen (Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung, Erstellung eines Bestandsplans) errichtet worden ist. Die Argumentation des Klägers könnte allenfalls dann verfangen, wenn er sein Bauwerk zwischen dem Zeitpunkt der dem Bestandsplan zugrundeliegenden Ortsbegehung im Dezember 2006 und dem Vermerk über das Einschreitenskonzept im April 2007 errichtet hätte, was aber unzweifelhaft nicht der Fall war.
54 
bb) Ebenso fehlt es an Hinweisen, dass das Landratsamt in gleichheitswidriger Weise gegen später erstellte rechtswidrige bauliche Anlagen nicht vorgeht. Auf der Grundlage der Auffassung des Senats, wonach die vorhandene Bebauung im Gewann Wanne einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bildet und der aus der Umgebungsbebauung abzuleitende Rahmen für das Maß der baulichen Nutzung das in der unwirksamen Ortsbausatzung festgesetzte Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet, wäre nur ein Untätigbleiben bei Neubauten und Anbauten, die den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreiten, gleichheitswidrig. Solche Vorhaben hat der Kläger nicht benannt; sie waren für den Senat bei der Einnahme seines Augenscheins auch nicht erkennbar.
IV.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
57 
Beschluss vom 9. April 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs in seinen Fassungen von 2004 und 2013 entsprechend der Angaben des Klägers zum Zeitwert der Anlage sowie den geschätzte Abbruchskosten auf 100.000 EUR festgesetzt.
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten der Verfahren zu tragen.

3. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung i.H.v. 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren mit ihren Klagen die Aufhebung der Teilbeseitigungsanordnungen der Beklagten vom 17. Oktober 2013 bezüglich der von den Klägern an der westlichen Grundstücksgrenze errichteten Grenzbebauung.

Die Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. ...der Gemarkung ...(...). Nach Erwerb des Grundstücks im Jahr 2012 errichteten die Kläger entlang der westlichen Grundstücksgrenze zum Nachbaranwesen Fl.Nr. ... der Gemarkung ... (...) einen 1,80 m hohen Holzzaun. Das auf dem klägerischen Grundstück an dieser gemeinsamen Grundstücksgrenze befindliche, von den Voreigentümern errichtete Garten- bzw. Gerätehaus, wurde von den Klägern entfernt. An etwas versetzter Stelle errichteten sie unmittelbar an der Grundstücksgrenze ein neues Gartenhaus (2,50 m x 2,50 m) mit angeschlossenem überdachten Freisitzbereich (3,0 m x 3,0 m).

Im November 2012 baten die Kläger das Dienstleistungszentrum Bau der Beklagten um Auskunft, ob für die Errichtung eines Carports an der Grundstücksgrenze zum Nachbaranwesen „...“ eine Genehmigung erforderlich sei. Mit E-Mail eines Mitarbeiters der Beklagten vom 28. November 2012 wurde den Klägern unter anderem Folgendes mitgeteilt:

„(...) Grundsätzlich können Sie davon ausgehen, dass das geplante Carport gemäß Art. 6 Abs. 9 BayBO an der Grundstücksgrenze zulässig ist, wenn es nicht länger als 9 m und im Mittel nicht höher als 3 m ausgeführt wird. Zudem sind Garagen und Carports gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 BayBO verfahrensfrei, d.h. Sie müssen hierfür keinen Bauantrag einreichen. Dessen ungeachtet sind aber natürlich die öffentlich-rechtlichen Anforderungen einzuhalten, z.B. Abstand von der öffentlichen Verkehrsfläche mindestens 3 m gemäß Garagenordnung. Ob der geplante Standort auch den planungsrechtlichen Vorschriften entspricht, oder ob evtl. eine Befreiung erforderlich ist, können Sie beim Stadtplanungsamt in Erfahrung bringen, Tel. ... oder -.... Sie können aber auch während der allgemeinen Öffnungszeiten zu einer kostenlosen, unverbindlichen Beratung im ... vorbeikommen. (...)

Abschließend muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass diese Beantwortung Ihrer Anfrage die baurechtliche Beurteilung im jetzigen Zeitpunkt ohne volle Kenntnis aller Umstände wiedergibt und dass es sich hierbei nicht um eine verbindliche Zusicherung im Sinne des Art. 38 Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetz handelt.

Diese Auskunft ersetzt nicht ein nötiges bauordnungs- oder denkmalrechtliches Verfahren. Bitte holen Sie vor Baubeginn alle nötigen Genehmigungen ein.“

Die Kläger errichteten daraufhin ohne Einreichung eines Bauantrags an der Grundstücksgrenze zum Anwesen „...“ einen Carport mit einer Länge von 7,55 m, einer Breite von 2,8 m und einer Höhe von 2,2 m.

Auf Grund von Nachbarbeschwerden führte der Außendienst der Bauordnungsbehörde der Beklagten am 23. Juli 2013 eine Ortseinsicht am Anwesen „...“ durch. Mit Schreiben der Bauaufsichtsbehörde vom 6. August 2013 wurden die Kläger aufgefordert, die ohne Baugenehmigung errichtete Kfz-Stellplatzüberdachung (Carport) bis zum 3. September 2013 zu beseitigen oder alternativ eine Abstandsflächenübernahme des betroffenen Nachbarn einzuholen. Der Bevollmächtigte der Kläger teilte mit Schreiben vom 2. September 2013 der Bauordnungsbehörde der Beklagten mit, die Kfz-Stellplatzüberdachung sei auf Grund ihrer Ausmaße genehmigungsfrei sowie abstandsflächenrechtlich nicht relevant. Am 3. September 2013 wurde dem Vertreter der Kläger die Thematik von einem Mitarbeiter der Beklagten fernmündlich nochmals ausführlich erläutert sowie die Frist zur Beseitigung bis zum 30. September 2013 verlängert. Bei einer erneuten Kontrolle durch den Außendienst der Bauordnungsbehörde der Beklagten am 7. Oktober 2013 wurde festgestellt, dass die Kfz-Stellplatzüberdachung weiterhin vorhanden war, aber weder ein Bauantrag noch eine Abstandsflächenübernahme eingereicht worden waren.

Mit Bescheiden vom 17. Oktober 2013 (Az.: ...), zugestellt am 23.10.2013, wurden die Kläger zu 1) und zu 2) verpflichtet, die westliche Grenzbebauung bestehend aus einer Kfz-Stellplatzüberdachung und einem Gartenhaus insoweit zu beseitigen, als diese die zulässige Gesamtlänge von 9,00 m an der westlichen Grundstücksgrenze überschreiten. Den Klägern wurde jeweils eine Vollzugsfrist von einem Monat ab Unanfechtbarkeit des Bescheids eingeräumt. Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist wurde jeweils unter Nr. 2 der Bescheide ein Zwangsgeld von insgesamt 1.000,00 Euro angedroht, wobei klargestellt wurde, dass auf den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) jeweils ein Betrag von 500,00 Euro entfällt.

Zur Begründung heißt es, das Gartenhaus sei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO verfahrensfrei errichtet worden. Jedoch sei die Kfz-Stellplatzüberdachung nach Art. 55 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 57 BayBO genehmigungspflichtig. Eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO sei hier nicht gegeben, da die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO nicht vorlägen. Die beiden Nebengebäude erreichten an der westlichen Grundstücksgrenze zusammen eine Länge von ca. 13,05 m (5,50 m + 7,55 m), so dass die 9-m-Grenze deutlich überschritten werde. Das Vorhaben sei deshalb baugenehmigungspflichtig. Eine Genehmigung liege jedoch nicht vor und könne auch nachträglich nicht erteilt werden, da das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften (insbesondere Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO) widerspreche. Auf Grund der Länge der beiden Nebengebäude (Gartenhaus und Kfz-Stellplatzüberdachung) von insgesamt mehr als 9,00 m an der Grundstücksgrenze erfülle das Vorhaben nicht mehr die Kriterien des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO. Das Gartenhaus habe durch die Errichtung der Kfz-Stellplatzüberdachung die Privilegierung verloren, das Vorhaben sei damit insgesamt abstandsflächenpflichtig. Die Grenzbebauung halte die erforderlichen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück „...“ nicht ein. Die Abstandsflächen kämen komplett auf dem Nachbargrundstück zum Liegen, so dass ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO gegeben sei.

Da eine nachträgliche Genehmigung für die Kfz-Stellplatzüberdachung nicht erteilt werden und auch in anderer Weise kein den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechender rechtmäßiger Zustand geschaffen werden könne, sei die Anordnung der Beseitigung der über die 9,00 m hinausgehenden Grenzbebauung auch unter Berücksichtigung der Belange des Bauherrn in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geboten.

Mit Schriftsatz vom 21. November 2013 haben die Kläger durch ihren Prozessvertreter Klage gegen die beiden Beseitigungsanordnungen vom 17. Oktober 2013 erheben lassen. Zur Begründung wird ausgeführt, die streitgegenständliche Kfz-Stellplatzüberdachung sei verfahrensfrei gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO. Der Carport halte bei isolierter Betrachtung unstreitig die in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO definierten Höchstmaße ein. Der Carport sei jedenfalls nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO verfahrensfrei, da er einen Bruttorauminhalt von lediglich 46,2 m³ habe. Bei dem Carport handele es sich zweifellos um ein Gebäude im Sinne von Art. 2 Abs. 2 BayBO, da er eine selbständige benutzbare überdeckte bauliche Anlage sei, die von Menschen betreten werden könne. Es komme nicht darauf an, dass die bauliche Anlage räumlich vollkommen umschlossen sei. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs komme es auch nicht darauf an, ob der Carport freistehe oder an das Hauptgebäude angebaut sei (vgl. BayVGH, Urteil vom 30.8.1984 – 2 B 83 A 1265). Der Carport stehe auf drei Stützen und verfüge dem zufolge über eine ausreichende Statik, selbst wenn man sich das Hauptgebäude hinwegdenken würde. Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO verweise nicht auf die abstandsflächenrechtliche Vorschrift des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO.

Die Überschreitung der 9,00 m-Grenze durch den Carport und das Gartenhaus mit angeschlossenem überdachten Freisitz, die an der gemeinsamen Grenze zum Nachbargrundstück zusammen eine Länge von ca. 13 m erreichen, sei bei der gebotenen Einzelfallbetrachtung hinnehmbar, da es für die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks ohne Belang sei, ob die Gesamtlänge des Flachdaches eine Länge von 13 m oder nur 9 m habe. Selbst bei einem Rückbau des Flachdachs, um die abstandsflächenrelevante Gebäudeeigenschaft zu verlieren, hätte dies keine Einwirkungen auf die Besonnung, Belichtung und Belüftung des Nachbargrundstücks. Es würde demzufolge pflichtgemäßem Ermessen entsprechen, den Klägern eine isolierte Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO zu erteilen, da die Abweichung unter Berücksichtigung des mit dem Abstandsflächenrecht verfolgten Zwecks und unter Würdigung der öffentlich-rechtlichen geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen ohne Weiteres vereinbar sei.

Die Kläger weisen darauf hin, dass sich auf dem Nachbaranwesen „...“ an der östlichen Grundstücksgrenze ebenfalls ein Gartenhaus befinde, das „Wand an Wand“ mit dem Gartenhaus der Kläger stehe. Beide Gartenhäuser seien daher wechselseitig ohne abstandsflächenrechtliche Relevanz. Auch fänden sich in der unmittelbaren Umgebung des klägerischen Anwesens eine Vielzahl von Grenzsituationen, in denen die „9,0 m-Regel“ überschritten sei. Im Normalfall würden derartige „Verstöße“ von den Behörden auch geduldet, da diese aus städtebaulicher Sicht völlig unbedeutend seien. Sofern die Nachbarn der Kläger durch die Grenzbebauung in ihrem Eigentum beeinträchtigt sein sollten, stünde ihnen der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten offen. Vor diesem Hintergrund erweise sich das bauaufsichtliche Einschreiten der Beklagten – nicht zuletzt im Hinblick auf die zahlreichen geduldeten Vergleichsfälle im gesamten Stadtgebiet – als unverhältnismäßig.

Schließlich sei das Interesse der Kläger an der Beibehaltung des vorhandenen Zustands auch deshalb schutzwürdig, da die Kläger sich vor Errichtung des Carports beim Dienstleistungszentrum Bau der Beklagten ausdrücklich nach der Zulässigkeit der geplanten Baumaßnahme erkundigt hätten. Die von dem Mitarbeiter der Beklagten am 28. November 2012 erteilte Auskunft per E-Mail enthalte keinen Hinweis auf die einzuhaltende Gesamtlänge aller Nebengebäude. Die Längenangabe von 9,0 m habe sich erkennbar allein auf den Carport bezogen. Die Beklagte habe deshalb hier einen Vertrauenstatbestand geschaffen, weshalb zumindest eine (ggf. widerrufliche) Duldung der Grenzbebauung gegenüber der angeordneten Baubeseitigung das mildere bauaufsichtliche Mittel wäre. Insoweit erwiesen sich die angefochtenen Beseitigungsanordnungen auch als unverhältnismäßig.

Die Kläger beantragen,

die Anordnungsbescheide der Beklagten vom 17. Oktober 2013 (... und ...) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Entgegen der Ansicht der Kläger sei der Carport von Anfang an nicht gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. Art. 55 Halbs. 2 BayBO verfahrensfrei gewesen, da es sich nicht um ein „Gebäude“ im Sinne der Vorschrift handele. Bei dem Carport handele es sich auf Grund der baulichen Verbindung mit dem Wohnhaus nicht um eine eigenständige bauliche Anlage. Für eine statische Selbständigkeit fehlten dem Carport entlang der Hauswand eigene Stützen. Die einzelne Stütze am südlichen Ende in der Mitte des Carports genüge hierfür nicht.

Die Errichtung des Carports sei auch nicht nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO verfahrensfrei. Zwar stelle der Carport für sich betrachtet einen überdachten Stellplatz im Sinne der Vorschrift dar, jedoch sei diese isolierte Betrachtung im Hinblick auf Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO, auf den Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO verweise, nicht möglich. Es handele sich dabei um einen Rechtsgrundverweis, so dass auch Art. 6 Abs. 9 Satz 2 anzuwenden sei. Sämtliche Voraussetzungen des Absatz 9 müssten kumulativ vorliegen (Lechner/Busse, in: Simon/Busse, BayBO, Kommentar Rdn. 66, 70 zu Art. 57 BayBO). Im Gegensatz zu Abs. 9 Satz 2 begrenze Abs. 9 Satz 1 die Gesamtlänge der Grenzbebauung hinsichtlich derselben Grundstücksgrenze auf grundsätzlich 9,00 m.

Die Teil-Beseitigung des Carports und des Gartenhauses habe gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO angeordnet werden können, da eine nachträgliche Genehmigung für den Carport nicht erteilt werden und auch in anderer Weise kein den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechender Zustand geschaffen werden könne. Ein justiziabler Ermessensfehler gemäß § 114 VwGO sei nicht ersichtlich. Insbesondere komme die Zulassung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO (von den Anforderungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO) als milderes Mittel nicht in Betracht. Dies erfordere Gründe, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheide und die etwa bewirkte Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen ließen (VG Würzburg, U.v. 17.4.2012 - W 4 K 11.48 - juris Rdn. 29 unter Bezugnahme auf BayVGH, U.v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231). Eine atypische Fallgestaltung liege hier nicht vor. Es sei nicht erkennbar, warum das Interesse der Kläger an einer größtmöglichen Ausnutzung des Grundstücks derart gewichtig sei, um in diesem Ausmaß den Nachbarn eine Verschlechterung der Belichtung und Belüftung ihrer Anwesen zuzumuten.

Würde die Behörde ihr Ermessen dennoch in dieser Art und Weise ausüben, läge ein Miss- bzw. Fehlgebrauch des Ermessens vor, da sie sich von Erwägungen leiten lassen würde, die mit der Ermächtigungsgrundlage unvereinbar wären. Zu beachten sei hier insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Auch eine Duldung des rechtswidrigen Zustands wäre ermessensfehlerhaft, da auch hier der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt wäre bzw. in gleichgelagerten Fällen Abweichungen zukünftig geduldet werden müssten, was dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage aus Art. 76 Satz 1 BayBO i.V.m. mit Art. 6 BayBO zuwiderlaufen würde. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO überwiege gegenüber dem persönlichen Interesse der Kläger an der verlängerten Grenzbebauung.

Die Kläger hätten durch die Auskunft des Mitarbeiters der Beklagten mit E-Mail vom 28. November 2012 keinen Vertrauensschutz erworben. Die Auskunft habe sich nur auf den geplanten Carport bezogen, während auf ein bereits bestehendes Gartenhaus an derselben Grundstücksgrenze von Seiten der Kläger nicht hingewiesen worden sei. Zudem sei von Seiten des Mitarbeiters der Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Beantwortung der Anfrage „die baurechtliche Beurteilung im jetzigen Zeitpunkt ohne volle Kenntnis aller Umstände wiedergibt und dass es sich hierbei nicht um eine verbindliche Zusicherung im Sinne des Art. 38 BayVwVfG“ handele.

Auch wenn das Gartenhaus der Kläger und das der Nachbarn „Wand an Wand“ stehen sollten, ändere dies nichts daran, dass dies hinsichtlich des Carports gerade nicht der Fall sei. Dieser sei damit abstandsflächenrechtlich von Relevanz.

Die Auffassung der Kläger, ein Rückbau des Flachdachs führe zu keinerlei Verbesserungen in Bezug auf Besonnung, Belichtung und Belüftung des Nachbaranwesens, könne nicht nachvollzogen werden. Jedes an der Grundstücksgrenze errichtete Gebäude führe zu einer Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange. Um einen gerechten Ausgleich der Interessen des Bauherrn an einer Ausnutzung seines Grundstücks und der nachbarlichen Interessen an einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung zu schaffen, habe der Gesetzgeber „feste und durch Messung überprüfbare Maße“ für die Grenzbebauung bestimmt.

Sei, wie vorliegend, offenkundig, dass das Einverständnis des von der Rechtsverletzung betroffenen Grundstücksnachbarn fehle, könne im Regelfall ohne Ermessensfehler weder eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt, noch der illegal errichtete Carport „geduldet“ werden. Da vorliegend die Grenzbebauung das gesetzlich zulässige Maß um immerhin 4 m überschreite, wäre selbst bei einer nachträglichen Zustimmung der Nachbarn zur Vermeidung von Präzedenzfällen eine Rückbauforderung ermessensfehlerfrei möglich.

Die Sichtung der Bauakten zu möglichen Vergleichsfällen habe ergeben, dass die Beklagte aus Gründen der Gleichbehandlung nicht gehindert sei, von den Klägern den teilweisen Rückbau der Grenzbebauung zu verlangen. Im näheren Umfeld gebe es nur einen einzigen Fall, in welchem von der Vollstreckung einer bereits bestandskräftigen Beseitigungsanordnung abgesehen werde. Es handele sich hierbei um den Carport auf dem Anwesen ..., im vorderen, straßenseitigen Grundstücksteil. Weitere Fälle einer Duldung einer formell oder materiell illegalen Grenzbebauung seien nicht bekannt. Soweit die Grenzen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO (bzw. Art. 7 Abs. 4 BayBO a.F.) überschreitende Grenzgebäude im Wege der Abweichung von Abstandsflächenvorschriften genehmigt worden seien, sei dies mit Zustimmung der jeweiligen Nachbarn geschehen.

In der mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2014, in der die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden, kamen die Beteiligten überein, ein Mediationsverfahren unter Beteiligung des Eigentümers des Nachbargrundstücks, Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., durchzuführen. Für den Fall, dass ein Mediationsverfahren (mangels Nachbarbeteiligung) nicht zustande käme, sicherte die Beklagte zu, den Klägern eine Vollzugsfrist bis 30. November 2014 einzuräumen. Die Kläger erklärten, dass sie in diesem Fall eine verfahrensbeendende Erklärung abgeben würden. Unabhängig davon regte das Gericht an, die Beklagte solle vorsorglich aufklären, ob die von den Klägern behauptete Grenzbebauung ... und ... baurechtswidrig sei oder nicht.

Nachdem ein Mediationsverfahren wegen fehlender Bereitschaft des Nachbarn nicht zustande kam, räumte die Beklagte den Klägern – wie zugesagt – mit Schreiben vom 1. Juli 2014 eine Vollzugsfrist bis 30. November 2014 ein. Die Kläger ließen im weiteren Verfahren durch ihren Bevollmächtigten mitteilen, sie sähen sich zur Abgabe einer verfahrensbeendenden Erklärung außerstande, da die Beklagte bisher keine schriftsätzliche Stellungnahme zu den Bezugsfällen ... und ... vorgelegt habe. Solange keine vollständige Bestandsaufnahme der formell und materiell rechtswidrigen Anlagen in der näheren Umgebung erfolgt sei, fehle es an einem dem Gleichheitssatz genügenden bauaufsichtlichen Konzept. Eine (Teil-)Beseitigung des streitgegenständlichen Carports bzw. des Gartenhauses mit Freisitz, wie von der Beklagten im Bescheid vom 17. Oktober 2013 angeordnet, ist bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlungen wird auf die Niederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Klagen sind unbegründet.

Die streitgegenständlichen Bescheide vom 17. Oktober 2013 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten ( § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.

Rechtsgrundlage für die gegenüber den Klägern angeordnete Verpflichtung zur Teil-Beseitigung der ohne Genehmigung errichteten Grenzbebauung in Form einer Kfz-Stellplatzüberdachung (Carport) und eines Gartenhauses ist Art. 76 Satz 1 BayBO.

Die Teil-Beseitigungsanordnungen sind rechtmäßig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO vorliegen (dazu 1.1) und die Beklagte das ihr zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat (dazu 1.2).

1.1

Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung solcher Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert worden sind, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Beseitigung genehmigungspflichtiger Anlagen setzt deren formelle und materielle Baurechtswidrigkeit voraus, die Beseitigung genehmigungsfreier baulicher Anlagen deren materielle Baurechtswidrigkeit.

Der streitgegenständliche Carport, eine bauliche Anlage im Sinne von Art. 76 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO, steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, da es sich zwar um ein verfahrensfreies Vorhaben handelt, dieses aber materiell baurechtswidrig ist.

1.1.1

Die Errichtung des grenzständigen Carports ist nicht nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO verfahrensfrei.

Nach dieser Vorschrift sind Garagen einschließlich überdachter Stellplätze im Sinne des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO, außer im Außenbereich an der Grundstücksgrenze verfahrensfrei. Zwar handelt es sich bei dem Carport um einen überdachten Stellplatz im Sinne des Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO (vgl. dazu auch § 1 Abs. 1 Satz 3GaStellV -, wonach überdachte Stellplätze als offene Garagen gelten). Allerdings erfüllt der Carport hier nicht die Anforderungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO hinsichtlich der höchstzulässigen Gesamtlänge der Grenzbebauung von 9 m je Grundstücksgrenze. Der Carport kann nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit dem bestehenden, ebenfalls grenzständigen Gartenhaus betrachtet werden (vgl. z.B. BayVGH v. 30.6.2009, 1 ZB 07.3058 – juris). Dieses Gartenhaus mit überdachtem Freisitz weist eine Länge von 6 m (2,5 m + 3,5 m) auf und war deshalb für sich betrachtet nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a) BayBO verfahrensfrei. Durch Hinzutreten des 7,5 m langen Carports erreicht die gesamte Grenzbebauung an der westlichen Grundstücksgrenze allerdings eine Länge von 13,05 m und überschreitet damit die zulässige Gesamtlänge von 9 m je Grundstücksgrenze (Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO) um 4,05 m. Eine Verfahrensfreiheit des Carports nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO besteht deshalb nicht.

Allerdings ist die Errichtung des Carports nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO verfahrensfrei. Diese Vorschrift erfasst Gebäude mit einem Brutto-Rauminhalt bis zu 75 m³, außer im Außenbereich. Auch Garagen und überdachte Stellplätze (sog. Carports, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3GaStellV) sind darunter zu subsumieren, da diese ebenfalls als Gebäude im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayBO anzusehen sind, sofern es sich um selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen handelt, die von Menschen betreten werden können. An der Selbständigkeit ändert im vorliegenden Fall auch nichts die bauliche Verbindung mit dem Wohnhaus (ohne Stützen entlang der Hauswand). Entgegen der Auffassung der Beklagten wird der Carport durch den Anbau an das Wohnhaus der Kläger nicht zum Bestandteil des Wohngebäudes (vgl. Lechner/Busse in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 114. EL 2013, Art. 57 Rn. 49).

Der Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO steht nicht entgegen, dass der überdachte grenzständige Carport nicht nach Satz 1 Nr. 1 b verfahrensfrei ist, da die in Art. 57 normierten Ausnahmen grundsätzlich selbständig nebeneinander bestehen (vgl. Lechner/Busse, aaO., Art. 57 Rn. 26 f.).

1.1.2

Letztlich kommt es im vorliegenden Fall auf die Frage der Verfahrensfreiheit nicht entscheidungserheblich an, da der streitgegenständliche Carport jedenfalls materiell rechtswidrig ist. Wie sich aus Art. 55 Abs. 2 BayBO ergibt, muss auch eine nach Art. 57 Abs. 1 BayBO verfahrensfreie bauliche Anlage in Einklang mit den materiell-rechtlichen Anforderungen stehen.

Der streitgegenständliche Carport an der westlichen Grenze des klägerischen Grundstücks erweist sich in bauordnungsrechtlicher Hinsicht wegen Verstoßes gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts ( Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO) als materiell rechtswidrig. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Der grenzständige Carport hält die nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO erforderlichen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück,..., Gemarkung ..., ..., nicht ein. Da eine Abstandsflächenübernahme durch den Nachbarn hier nicht vorliegt (Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO), müssen die Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst liegen ( Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Auch eine Privilegierung nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO ist nicht gegeben, da der streitgegenständliche Carport zusammen mit dem dahinter liegenden Gartenhaus mit Freisitz das zulässige Maß an Grenzbebauung je Grundstücksgrenze von 9 m um 4,05 m überschreitet (dazu oben 1.1.1).

1.2

Die Ermessensausübung durch die Beklagte im Rahmen der streitgegenständlichen Beseitigungsanordnungen ist in den Grenzen des § 114 VwGO nicht zu beanstanden. Entsprechend § 114 Satz 1 VwGO ist die Ermessensentscheidung der Behörde gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. In den Bescheiden vom 17. Oktober 2013 sind die notwendigen tragenden Ermessensgesichtspunkte gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG enthalten.

Die Beklagte hat bei der Ausübung des ihr im Rahmen des Art. 76 Satz 1 BayBO eingeräumten Ermessens insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen.

Die Teil-Beseitigungsanordnungen stellen das mildeste Mittel dar, da der gewünschte Erfolg – die Herstellung rechtmäßiger Zustände - nicht auf andere Weise erreicht werden kann. Angesichts der erheblichen Überschreitung der zulässigen Gesamtlänge je Grundstücksgrenze (13,05 m statt 9 m) kommen weniger belastende Anordnungen als milderes Mittel hier nicht in Betracht.

Insbesondere scheidet die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO von den Anforderungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO aus, da diese eine atypische Fallgestaltung voraussetzt. Die Zulassung einer Abweichung erfordert Gründe, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die etwa bewirkten Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2011 – 2 B 11.2231 – juris Rn. 16; B.v. 5.12.2011 – 2 CS 11.1902 – juris). Solche Gründe sind hier nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist zudem, dass Art. 6 Abs. 9 BayBO bereits eine Ausnahme von dem Grundsatz des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO darstellt; eine nochmalige Ausnahme ist im vorliegenden Fall nicht veranlasst. Hinzu kommt, dass bei der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO vorzunehmenden Abwägung auch die öffentlich-rechtlichen geschützten nachbarlichen Belange zu würdigen sind und der Nachbar im vorliegenden Fall gegenüber der Beklagten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er nicht bereit ist, die Überschreitung der Abstandsflächen zu dulden. Nach alledem überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften gegenüber dem persönlichen Interesse der Kläger an einer verlängerten Grenzbebauung.

Entgegen der Auffassung des Klägervertreters können sich die Kläger auch nicht erfolgreich darauf berufen, eine Duldung der Grenzbebauung wäre hier das mildere Mittel, da die Beklagte mit der per E-Mail erteilten Auskunft vom 28. November 2012 ihnen gegenüber einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Zwar enthielt diese E-Mail keinen Hinweis auf die zulässige Gesamtlänge aller Nebengebäude. Allerdings wurden seitens der Kläger die Voraussetzungen für die Errichtung eines grenzständigen Carports per E-Mail nur ganz allgemein, ohne Einreichung eines schriftlichen Bauantrags und vor allem ohne Erwähnung des bereits vorhandenen, ebenfalls grenzständigen Gartenhauses mit überdachtem Freisitz, erfragt. Der Mitarbeiter der Beklagten hatte bei der Verfassung der E-Mail vom 28. November 2012 also keine Kenntnis aller baurechtlich erheblichen Umstände, worauf er in seiner E-Mail auch ausdrücklich hingewiesen hat. Zudem hat der Mitarbeiter der Beklagten in dieser E-Mail auch darauf hingewiesen, dass es sich bei der Auskunft gerade nicht um eine verbindliche Zusicherung im Sinne des Art. 38 BayVwVfG handelt und die Auskunft nicht ein nötiges bauordnungs- oder denkmalrechtliches Verfahren ersetzt. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Kläger wurde durch die E-Mail mithin nicht erzeugt.

Die Beklagte hat auch insoweit entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehandelt, als sie nicht die vollständige Beseitigung des Carports angeordnet hat, sondern nur den Rückbau der Grenzbebauung bestehend aus einer Kfz-Stellplatzüberdachung und einem Gartenhaus insoweit, als diese eine Gesamtlänge von 9,00 m an der westlichen Grundstücksgrenze zum Nachbaranwesen, ..., hin überschreitet. Es steht damit den Klägern frei, die von ihnen bevorzugte Lösung für den erforderlichen Rückbau der Grenzbebauung auszuwählen.

Schließlich erscheint auch die den Klägern in den Bescheiden vom 17. Oktober 2013 eingeräumte Vollzugsfrist von einem Monat ab Unanfechtbarkeit des Bescheids als angemessen und damit verhältnismäßig.

Ein Ermessensfehler ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ( Art. 3 GG, Art. 118 BV) als gesetzlicher Grenze des Ermessens. Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung kann eine bauordnungsrechtliche Beseitigungsanordnung vom Adressaten nicht alleine mit dem Argument abgewehrt werden, die Behörde schreite gegen Baurechtsverstöße in vergleichbaren anderen Fällen nicht ein; denn Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht ( BVerwG, B.v. 22.4.1995 – 4 B 55/95 – juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 30.09.2014 - 9 ZB 11.1119 - juris). Dennoch hat die Bauaufsichtsbehörde ihre bauordnungsrechtliche Tätigkeit maßgeblich am Gleichheitssatz auszurichten. Dieser verpflichtet die Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich nicht, rechtswidrige Zustände flächendeckend aufzugreifen (vgl. BVerwG, B.v. 19.2.1992 – 7 B 106/91 – NVwZ-RR 1992, 360; BayVGH, B.v. 23.2.2010 – 15 ZB 08.1479 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 30.09.2014 - 9 ZB 11.1119 - juris). Die Behörde darf sich auf ein Vorgehen gegen einzelne Störer beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe hat (BVerwG, B.v. 23.11.1998 - 4 B 99/98; BayVGH, B.v. 21.01.2003 – 14 ZB 02.1303 – juris; B. v. 6.11.2007 - 14 B 06.1933 -, juris; BayVGH, B.v. 30.09.2014 - 9 ZB 11.1119 - juris). Im vorliegenden Fall können sich die Kläger nicht erfolgreich darauf berufen, die Beklagte sei bei Erlass der streitgegenständlichen Baubeseitigungsanordnungen planlos oder systemwidrig und damit willkürlich vorgegangen (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.1998 - 4 B 99/98 - juris). Die Vertreter der Beklagten haben in den mündlichen Verhandlungen nachvollziehbar dargelegt, dass die Bauaufsichtsbehörde im vorliegenden Fall anlassbezogen, nämlich als Reaktion auf eine konkrete Nachbarbeschwerde, vorgegangen ist. Anlass zum Einschreiten hat nach dem Vortrag der Beklagten auch die Tatsache geboten, dass die rechtswidrige Grenzbebauung der Kläger zu den in der Umgebung vorhandenen grenzständigen Anlagen erst im Jahr 2012 hinzugekommen ist. Selbst wenn sich in der Umgebung des klägerischen Grundstücks weitere Schwarzbauten befinden würden, handelt es sich dabei nach den Ausführungen der Beklagten und nach Aktenlage um bauliche Anlagen, die bereits seit vielen Jahren (mindestens seit 10 bis 15 Jahren) bestanden und von den Nachbarn über einen längeren Zeitraum hinweg geduldet worden waren. Die Entstehung neuerer formell und materiell rechtswidriger baulicher Anlagen – wie die der Kläger - bedeutet jedenfalls eine Verschlechterung des vorhandenen Zustands und darf von der Behörde deshalb grundsätzlich vorrangig aufgegriffen werden. Bei Neuanlagen ist die Gefahr von Bezugsfällen grundsätzlich größer als bei den vor vielen Jahren errichteten Altbauten (vgl. BayVGH, B.v. 21.01.2003 – 14 ZB 02.1303 – juris).

Die Beklagte hat zwar in der mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2014 darauf hingewiesen, dass ihr einige der von den Klägern benannten Bezugsfälle bisher noch nicht bekannt waren. Insoweit genügt es, dass die Bauaufsichtsbehörde nach Bekanntwerden dieser Vergleichsfälle ankündigt, auch diese Fälle aufzugreifen und einer bauaufsichtlichen Prüfung zu unterziehen (BayVGH, B.v. 21.01.2003 – 14 ZB 02.1303 – juris). Dies ist hier geschehen, da der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 8. Dezember 2014 erklärt hat, es würden alle in der näheren Umgebung des klägerischen Vorhabens bekannt gewordenen Fälle, die nicht der Bayerischen Bauordnung entsprächen, aufgegriffen und überprüft. Die Beklagte habe auch bereits die von den Klägern benannten Bezugsfälle vor Ort besichtigt und eine Überprüfung veranlasst, ob sie unter Anlegung der Maßstäbe der Bayerischen Bauordnung aufgegriffen werden oder nicht. Für die Kammer besteht kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln.

Nach alledem erscheint das Handeln der Beklagte im vorliegenden Fall nicht als willkürlich, so dass auch insoweit kein Ermessensfehler gegeben ist.

2.

Auch die in den Bescheiden der Beklagten vom 17. Oktober 2013 jeweils enthaltene Zwangsgeldandrohung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für die Zwangsgeldandrohung sind Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG. Die Zwangsgeldandrohung entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 29 Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG). Auch die Höhe des Zwangsgelds ( Art. 31 Abs. 2 Satz 1, Art. 36 Abs. 5 BayVwZVG) begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere steht die Höhe des Zwangsgelds nicht im Missverhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung des Carports für den Kläger (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayVwZVG).

Die Zwangsgeldandrohung ist auch inhaltlich bestimmt ( Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG), da sich der auf den Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 entfallende Teil des angedrohten Zwangsgeldes eindeutig aus dem Bescheidstenor und der dazu ergangenen Begründung ergibt.

3.

Damit bleiben die Klagen ohne Erfolg. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Als im Verfahren Unterlegene haben die Kläger die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
 

Beschluss

Der Streitwert wird festgesetzt auf vor der Verbindung jeweils 3.000,-- EUR, nach der Verbindung auf insgesamt 6.000,-- EUR.


 

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. September 2011 - 8 K 4237/09 - geändert. Der Bescheid des Landratsamts Tübingen vom 15. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides des Regierungspräsidiums Tübingen vom 20. November 2009 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist Landwirt. Das Landratsamt Tübingen erteilte ihm am 24.07.2007 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Milchvieh-Laufstalles mit Melkhaus und geschlossener Güllegrube auf einem Grundstück im Außenbereich der Gemeinde ... Nebenbestimmung Nr. 15 zur Baugenehmigung ordnet als "naturschutzrechtliche Maßnahme" an:
"Die geschlossenen Außenwände des Milchviehlaufstalles sind mit einer sägerauen Holzverschalung zu verkleiden. Sollte ein Anstrich erfolgen, ist ein dunkelbrauner Farbton zu verwenden. Sofern das Melkhaus nicht mit einer sägerauen Holzverschalung verkleidet werden sollte, sind die Außenwände in einem landschaftlich unauffälligen Farbton zu gestalten."
Mit einer ergänzenden Änderungsbaugenehmigung vom 16.01.2008 genehmigte das Landratsamt unter Fortgeltung aller Bestandteile der Baugenehmigung vom 24.07.2007 eine geringere Stallbreite, die Verlängerung des Melkhauses, eine geänderte Dachform und die Verschiebung der Güllegrube.
Der Kläger errichtete das Melkhaus ohne Verkleidung mit sägerauer Holzverschalung und strich die Außenwände in grüner Farbe. Das Landratsamt sah darin einen Verstoß gegen die Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007. Es forderte den Kläger nach einem Augenschein unter Hinweis auf die Möglichkeit einer Vollstreckung der Nebenbestimmung auf, die Außenwände des Melkhauses zur Vermeidung einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes in landschaftlich unauffälligem Farbton zu streichen. Der Kläger lehnte eine Änderung des Außenanstrichs ab. Er wandte ein, er habe bei einem Gespräch mit drei Mitarbeitern des Landratsamts vorgeschlagen, die Behörde möge den Farbton festlegen. Ihm sei geantwortet worden, das überlasse man ihm. Er habe sich daraufhin für Grün entschieden, weil es die in der umgebenden Landschaft dominanteste Farbe sei, wie insbesondere ein Vergleich mit Grünland und Maisschlag zeige.
Mit Bescheid vom 15.06.2009 verfügte das Landratsamt gegenüber dem Kläger:
"1. Für den Fall dass Sie Satz 3 der Auflage Nr. 15 (naturschutzrechtliche Auflage) aus der Baugenehmigung vom 24.07.2007 nicht bis spätestens 28.07.2009 nachkommen und die Außenwände des Melkhauses nicht in einem landschaftlich unauffälligen Farbton anstreichen (alternativ mit einer sägerauen Holzverschalung verkleiden), wird gegen Sie ein Zwangsgeld von 400,-- EUR festgesetzt werden.
2. Für diese Entscheidung wird eine Gebühr in Höhe von 15,-- EUR festgesetzt."
Mit seinem Widerspruch brachte der Kläger vor, die betreffende Nebenbestimmung sei unbestimmt und nicht vollstreckbar. Außerdem sei die Zwangsgeldandrohung ermessensfehlerhaft und verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, weil das Landratsamt ihm die Farbgebung für das Melkhaus auf Nachfrage ausdrücklich selbst überlassen habe.
Das Regierungspräsidium Tübingen wies den Widerspruch mit Bescheid vom 20.11.2009 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23.11.2009 zugestellt.
10 
Am 23.12.2009 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid des Landratsamts Tübingen vom 15.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 20.11.2009 aufzuheben. Der Begriff "landschaftlich unauffälliger Farbton“ sei nirgendwo definiert und auch nicht anhand von Farbskalen bestimmbar. Es wäre dem Landratsamt möglich, den Farbton ebenso genau festzulegen, wie dies für den Fall einer Holzverschalung mit "dunkelbraun" geschehen sei. Die Gefahr, dass einer neuer Farbanstrich aus Sicht des Landratsamtes wiederum als landschaftlich auffällig erscheine, sei ihm nicht zumutbar. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, die Formulierung "landschaftlich unauffälliger Farbton“ meine einen gedeckten Farbton, der im Landschaftsbild nicht heraussteche. Alle bunten, leuchtenden, klaren Farben seien danach unzulässig. Dies folge auch aus dem Zusammenhang mit der für den Fall einer sägerauen Holzverschalung angeordneten Anstrichfarbe "dunkelbraun". Der grellgrüne Anstrich beeinträchtige die natürliche Eigenart der Landschaft und verunstalte das Orts- und Landschaftsbild. Die vom Kläger angegebenen Mitarbeiter des Landratsamts hätten ihm keine freie Farbauswahl zugestanden, sondern einen landschaftlich unauffälligen Farbton verlangt; insoweit werde auf deren schriftliche Äußerungen vom 06.09.2011 verwiesen.
11 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach informatorischer Anhörung eines sachverständigen Zeugen sowie nach Einnahme eines Augenscheins mit Urteil vom 08.09.2011 abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Zwangsgeldandrohung sei nach §§ 2, 18, 19, 20 und 23 LVwVG rechtmäßig. Die Nebenbestimmung Nr. 15 sei bestandskräftig und damit nach § 2 Nr. 1 LVwVG vollstreckbar. Die Kammer habe allerdings erhebliche Zweifel, ob sie i. S. des § 37 Abs. 1 LVwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt sei. Zwar gebe es einen Kernbereich an Farbtönen, die ohne vernünftige Zweifel und subjektiv verschiedene Bewertungsmöglichkeiten "landschaftlich unauffällig" seien, wie etwa viele Braun-, Grau- und Grüntöne. Das vom Kläger gewählte Grün gehöre dazu nicht, weil es im Landschaftsumfeld nicht anzutreffen sei, sich von diesem sehr deutlich abhebe, geradezu hervorsteche, fremd wirke und damit eindeutig zu den Farbtönen gehöre, welche die Formulierung "landschaftlich unauffällig" ausschließe. Jedoch bleibe darüber hinaus noch ein nicht zu vernachlässigender Bereich an Farbtönen, über deren Einordnung als "landschaftlich unauffällig" durchaus verschiedene vernünftige subjektive Bewertungen möglich seien. Gleichwohl könne offen bleiben, ob die Nebenbestimmung Nr. 15 gegen § 37 Abs. 1 LVwVfG verstoße. Denn der Verstoß wäre jedenfalls nicht offensichtlich und die Nebenbestimmung daher allenfalls rechtswidrig, aber nicht nichtig. Offensichtlichkeit setzte voraus, dass der Verwaltungsakt völlig unverständlich und/oder undurchführbar wäre. Das sei hier nicht der Fall, weil es einen bestimmbaren Kernbereich "landschaftlich unauffälliger" Farbtöne gebe. Insoweit habe die Nebenbestimmung einen vollstreckbaren Inhalt. Einer Vollstreckung stehe auch nicht der Einwand entgegen, Mitarbeiter der Behörde hätten ihm bei einem Gespräch im Landratsamt vor Erteilung der Baugenehmigung die Auswahl der Farbe selbst überlassen. In der mündlichen Verhandlung habe sich zweifelsfrei ergeben, dass dem Kläger in diesem Gespräch und danach stets klar gewesen sei, dass er bei der Farbauswahl keine völlig frei Hand gehabt habe, vielmehr nur im Rahmen dessen, was "in die Landschaft passt". Unter Berücksichtigung dessen sowie aller weiteren Umstände des Einzelfalles sei die Vollstreckung nicht missbräuchlich. Das Urteil wurde dem Kläger am 23.09.2011 zugestellt.
12 
Mit seiner am 20.10.2011 eingelegten und zugleich begründeten Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seine Klagebegründung legt ergänzend dar: Die Unbestimmtheit und Nichtvollstreckbarkeit der Nebenbestimmung Nr. 15 folgten aus der Unmöglichkeit, die Grenze zwischen "landschaftlich auffällig“ und "landschaftlich unauffällig“ zu definieren. Es gebe eine Grauzone, in der die Zuordnung eines Farbtons zu dem einen oder anderen in die subjektive Bewertung des Betrachters gestellt sei. Die von ihm gewählte Farbe gehöre zumindest in diese Grauzone. Da sich grüne Farbtöne in der Landschaft wiederfänden, sei sie aber auch zum Kernbereich des Begriffs "landschaftlich unauffälliger Farbton“ zu zählen. Die Auflage habe keinen über eine abstrakt-generelle Regelung entsprechend § 1 Abs. 4 Nr. 1 BNatSchG hinausgehenden Regelungsgehalt. Unklarheiten des Inhalts eines Verwaltungsaktes gingen zudem zu Lasten der Behörde.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichtes Sigmaringen vom 08.09.2011 - 8 K 4237/09 - zu ändern und den Bescheid des Landratsames Tübingen vom 15.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides des Regierungspräsidiums Tübingen vom 20.11.2009 aufzuheben.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und erwidert: Die Beschreibung der Farbe mit den Worten "landschaftlich unauffällig“ oder "dunkelbraune Töne“ sei im Sinne eines Kernbereichs von Farben hinreichend bestimmbar. Sowohl anhand dieser Formulierung als auch durch Auslegung des Gesamtzusammenhangs ergebe sich, dass für den Kläger eindeutig erkennbar sei, was von ihm gefordert werde. Gegen eine Nichtigkeit im Sinne eines schwerwiegenden offensichtlichen Fehlers spreche auch, dass der Kläger selbst keine offenkundigen Fehler bemerkt habe, da er ansonsten gegen die Auflage vorgegangen wäre. Die Auflage wiederhole nicht lediglich den Regelungsgehalt des § 1 Abs. 4 Nr. 1 BNatSchG, sondern konkretisiere vielmehr dieses allgemeine naturschutzrechtliche Verunstaltungsgebot.
18 
Die Beteiligten haben einer Entscheidung über die Berufung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
19 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Landratsamts, des Regierungspräsidiums Tübingen und des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung ist auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Landratsamts Tübingen vom 15.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 20.11.2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn die darin nach § 20 LVwVG verfügte Zwangsgeldandrohung verstößt gegen § 2 LVwVG, weil die mit dem angedrohten Zwangsmittel zu vollstreckende Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 mangels hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit kein vollstreckungsfähiger Verwaltungsakt im Sinne des § 2 LVwVG ist. Sie ist demzufolge ebenso wie die ihr rechtliches Schicksal insoweit teilende (vgl. § 24 LGebG) Gebührenfestsetzung im angefochtenen Bescheid aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22 
Nach § 2 LVwVG können Verwaltungsakte vollstreckt werden, wenn sie unanfechtbar geworden sind oder wenn die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt. Die Vorschrift regelt eine allgemeine Voraussetzung für Maßnahmen, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden, und gilt demzufolge auch bereits für eine Zwangsmittelandrohung nach § 20 LVwVG. Sie ermöglicht nur die Vollstreckung eines im Sinne inhaltlich hinreichender Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 LVwVfG) vollstreckungsfähigen Verwaltungsakts als Grundlage (Titel) der Verwaltungsvollstreckung. Denn die für Einleitung und Durchführung der Verwaltungsvollstreckung erforderliche konkrete Feststellung, dass der Pflichtige seine Verpflichtung aus dem Verwaltungsakt noch nicht erfüllt hat (vgl. auch § 20 Abs. 1 Satz 2 LVwVG), ist nur bei einem inhaltlich hinreichend bestimmten Verwaltungsakt möglich. Ist ein Verwaltungsakt wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht vollstreckungsfähig, schließt dieser Mangel Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung aus (VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 04.11.1980 - 10 S 890/80 - und vom 09.04.1981 - 10 S 2129/80 - VBlBW 1982, 97 <98>; OVG Hamburg, Urteil vom 03.07.1952 - OVG Bf. II 604/51 - VwRspr Bd. 5 Nr. 117; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.01.1998 - 10 B 3029/97 - BRS 60 Nr. 171; Bayerischer VGH, Beschluss vom 04.07.2012 - 22 ZB 12.204 - juris; Fliegauf/Maurer, LVwVG, 2. Auflage, § 1 Rn. 3; Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bundes und der Länder, 1997, S. 177 f.; Sadler, VwVG, VwZG, 8. Auflage, § 6 Rn. 13; Schneider, LVwVG, § 1 Rn. 4). Das gilt auch dann, wenn der Bestimmtheitsmangel "nur" zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts infolge Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 Abs. 1 LVwVfG) führt. Denn auch ein - bestandskräftiger oder sofort vollziehbarer - wirksamer, aber inhaltlich unbestimmter Verwaltungsakt ist nicht vollstreckungsfähig. Insoweit erfährt der tragende Grundsatz des Verwaltungsvollstreckungsrechts, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme auf die Rechtmäßigkeit einer Grundverfügung nicht ankommt (BVerwG, Urteil vom 13.03.1984 - 4 C 31.81 - NJW 1984, 2591 <2592>; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss des 1. Senats vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 - NVwZ 1999, 290), eine Ausnahme. Die Unbestimmtheit der Grundverfügung "infiziert" eine zu ihrer Durchsetzung ergehende Vollstreckungsmaßnahme (vgl. Lemke, a.a.O.).
23 
Das Bestimmtheitsgebot nach § 37 Abs. 1 LVwVfG erfordert zum einen, dass der Adressat einer Regelung in der Lage sein muss zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist. Zum Anderen muss der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts, insbesondere nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und dem mit ihm verfolgten Zweck (BVerwG, Beschluss vom 13.10.2010 - 7 B 50.10 - juris Rn. 8 und Urteil vom 02.07.2008 - 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 m.w.N.). Dabei muss sich die “Regelung“ (§ 35 Satz 1 LVwVfG) nicht unmittelbar und allein aus dem Entscheidungssatz ergeben. Es reicht aus, wenn sie sich aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen, unzweifelhaft erkennen lässt (BVerwG, Urteil vom 25.04.2001 - 6 C 6.00 - BVerwGE 114, 160 m.w.N.). Will oder muss die Behörde dem Betroffenen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Freiheit überlassen, selbst auszuwählen, mit welchem Mittel das mit dem Verwaltungsakt verfolgte Ziel erreicht werden soll, kann oder muss sie sich auf die Angabe eines Zieles beschränken. Das gilt gerade auch bei Verpflichtungen, welche in die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Verfügungsbefugnis über das Grundeigentum eingreifen. Insoweit kann es demzufolge geboten sein, die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Anordnung zur Durchsetzung baurechtlicher Vorschriften gering zu halten (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 - 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335 <339, 341>). Auch ein solcher, nur das Ziel regelnder Verwaltungsakt kann vollstreckungsfähig sein, vorausgesetzt, das Ziel ist inhaltlich hinreichend bestimmt bezeichnet (vgl. Lemke, a.a.O. S. 179).
24 
Gemessen daran ist die mit dem angedrohten Zwangsmittel zu vollstreckende Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 "Sofern das Melkhaus nicht mit einer sägerauen Holzverschalung verkleidet werden sollte, sind die Außenwände in einem landschaftlich unauffälligem Farbton zu gestalten." kein vollstreckungsfähiger Verwaltungsakt i. S. des § 2 LVwVG. Sie ist inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.
25 
Die Nebenbestimmung schreibt dem Kläger unter der - hier eingetretenen - Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG), dass das genehmigte Melkhaus nicht mit einer sägerauen Holzverschalung verkleidet wird, zur Sicherstellung der gesetzlichen, insbesondere naturschutzrechtlichen (vgl. §§ 13 ff. BNatSchG), Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO) ein positives Tun im Sinne einer erzwingbaren Auflage vor (§ 36 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG). Die Auflage bezeichnet zwar den Gegenstand dieser Handlungspflicht (Außenwände des Melkhauses) hinreichend bestimmt. Das trifft aber nicht für ihren weiteren Regelungsgehalt "in einem landschaftlich unauffälligem Farbton zu gestalten" zu. Insoweit ist der im objektiven Erklärungswert der Auflage zum Ausdruck kommende behördliche Wille unterschiedlicher subjektiver Bewertung zugänglich.
26 
Das Landratsamt hat sich zur Erreichung des mit der Auflage verfolgten naturschutzrechtlichen Zieles, eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die farbliche Gestaltung der Außenwände des Melkhauses zu vermeiden, erkennbar darauf beschränken wollen, dem Kläger als Bauherrn lediglich dieses Ziel vorzuschreiben, ihm aber die Auswahl der konkreten Farbe selbst zu überlassen. Das ist zwar - wie dargelegt - im Grundsatz rechtlich nicht zu beanstanden. Sie hat ihr naturschutzrechtliches Ziel jedoch, auch wenn die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Anordnung zur Durchsetzung baurechtlicher Vorschriften gegebenenfalls gering zu halten sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990. a.a.O.), inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Ihre Formulierung "landschaftlich unauffälliger Farbton" eröffnet einen weiten Wertungsspielraum, der ohne eine weitere Konkretisierung offen lässt, welcher farbliche Außenanstrich noch oder nicht mehr zulässig ist. Sie bezieht sich nach der auch für den Kläger erkennbaren Zielrichtung der - nicht weiter begründeten - Auflage zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 zwar nicht auf irgendeine Landschaft, sondern nur auf diejenige in der Umgebung des Melkhauses. Sie präzisiert aber nicht hinreichend, welche - dem Kläger prinzipiell freigestellte - Farbtöne in dieser Landschaft "auffällig" oder "unauffällig" sind. Zwar mag die Formulierung einzelne für jeden vor Ort und zu jeder Jahreszeit und Witterung eindeutig als landschaftlich auffällig erkennbare Farbtöne wie Rot oder Gelb ausschließen oder umgekehrt für jeden dort eindeutig als landschaftlich unauffällig erkennbare Farbtöne in Dunkelbraun zulassen. Im Übrigen ist jedoch in Anbetracht sowohl der Variationsbreite möglicher Farbtöne (vgl. etwa den RAL-Farbkatalog) und Lichtverhältnisse als auch jahreszeitlich- und witterungsbedingt unterschiedlicher Farben der Landschaft selbst (grüne Wiesen im Sommer, weiße schneebedeckte Wiesen im Winter) eine klare, keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugängliche und insbesondere auch für eine mögliche Vollstreckung der Auflage nötige Abgrenzung eines "landschaftlich auffälligen" von einem "landschaftlich unauffälligen" Farbanstrich des genehmigten Melkhauses in der konkreten Umgebung des Bauvorhabens nicht möglich. Das gilt gerade auch für grüne Farbtöne, wie der RAL-Farbkatalog verdeutlicht.
27 
Will die Behörde eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch den Außenanstrich eines Gebäudes im Außenbereich vermeiden, muss sie deshalb entweder dem Bauherrn - vor allem, wenn er damit einverstanden ist - eine Auswahl zulässiger konkreter Farbtöne positiv vorgeben oder aber, wenn sie nicht übermäßig in seine Verfügungsbefugnis eingreifen will, sich darauf beschränken, nur eine Auswahl unzulässiger konkreter Farbtöne zu bezeichnen. Dass dies ohne Weiteres möglich und zumutbar ist, zeigt schon die Tatsache, dass das Landratsamt in Satz 2 derselben Nebenbestimmung für den Anstrich der sägerauen Holzverschalung des Milchviehlaufstalles den Farbton "dunkelbraun" vorgeschrieben hat. Es ist auch nicht Aufgabe des Klägers, sich nach Erlass der Baugenehmigung bei der Behörde nach der Zulässigkeit des von ihm gewählten Farbtons zu erkundigen. Aus § 36 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 37 Abs. 1 LVwVfG folgt vielmehr das Gegenteil. Schon aus dem Regelungsgehalt der Auflage selbst muss hinreichend bestimmt oder jedenfalls bestimmbar sein, welcher Farbanstrich vorgeschrieben ist. Unklarheiten muss der Adressat nicht in Eigeninitiative aufklären. Diese gehen vielmehr zu Lasten der Behörde (BVerwG, Urteil vom 12.01.1973 - VII C 3.71 - BVerwGE 41, 306, und vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301 <317>; Kopp/Ramsauer VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 37 Rn. 5).
28 
Nicht gefolgt werden kann der sinngemäßen Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Regelungsgehalt der streitigen Auflage sei jedenfalls hinsichtlich solcher Farbtöne hinreichend bestimmt und vollstreckungsfähig, die "ohne vernünftige Zweifel und ohne vernünftige subjektiv verschiedene Bewertungsmöglichkeiten" als landschaftlich unauffällig oder auffällig anzusehen seien. Einer solchen, gleichsam geltungserhaltend-reduzierenden Auslegung der Nebenbestimmung steht hier bereits der erkennbare Wille der Behörde entgegen, dem Kläger nur das Ziel vorzuschreiben, ihm aber die Auswahl der konkreten farblichen Gestaltung selbst zu überlassen. Ungeachtet dessen schließen aber auch Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgebots sowie die berechtigten Interessen des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts eine solche Auslegung aus. Das Bestimmtheitsgebot dient der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit. Unklarheiten im objektiven Erklärungswert gehen zu Lasten der Behörde (BVerwG, Urteile vom 12.01.1973 und vom 18.04.1997, a.a.O.). Nach der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht ließe sich in vielen Fällen unbestimmt weit gefasster Handlungsgebote im Nachhinein ein bestimmbarer und vollstreckungsfähiger "Kern" identifizieren. Denn jedem unbestimmten Handlungsgebot wird zumeist auch irgendeine Handlung zuzuordnen sein, die eindeutig darunter oder auch nicht mehr darunter fällt, unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt den Anforderungen des § 37 Abs. 1 LVwVfG entspricht oder nicht. Dadurch würde der Zweck des Bestimmtheitsgebots unterlaufen, gerade auch die Grenzen des durch den Verwaltungsakt geforderten Handelns hinreichend bestimmt aufzuzeigen. Die Behörde könnte den Verfügungssatz des Handlungsgebots in der Grundverfügung zunächst unbestimmt weit fassen und im Vollstreckungsverfahren geltend machen, jedenfalls ein ganz bestimmtes, von ihr selbst - im Nachhinein bezeichnetes - Handeln sei vom Verwaltungsakt erfasst und der Verwaltungsakt insoweit vollstreckungsfähig. Damit würden Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgebots verfehlt, dem Adressaten schon mit Erlass der Grundverfügung zu verdeutlichen, welches konkrete Tun von ihm erwartet wird, und eine ohne Weiteres vollstreckungsfähige Grundlage zu schaffen.
29 
Das Landratsamt hat die streitige Auflage schließlich auch nicht nachträglich durch eine präzisierende Ergänzung inhaltlich hinreichend bestimmt gemacht (vgl. zu dieser Möglichkeit Sadler, a.a.O. Rn. 6). Die in der Begründung der angefochtenen Zwangsmittelandrohung und im dazu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums angestellten Erwägungen zur Auslegung der Auflage sind schon deshalb keine solche Ergänzung, weil sie lediglich zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Zwangsmittelandrohung dienen. Ob im Übrigen der vorhandene grüne Anstrich des Melkhauses gegen baurechtliche oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, insbesondere weil er - wie der Beklagte geltend macht - das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt oder gar verunstaltet, ist für die Rechtmäßigkeit der ausschließlich zur Durchsetzung der Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 ergangenen Zwangsgeldandrohung unerheblich.
30 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Beschluss vom 10. Januar 2013
32 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 200,00 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG, in Anlehnung an Nr. 1.6.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327).
33 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
20 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung ist auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Landratsamts Tübingen vom 15.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 20.11.2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn die darin nach § 20 LVwVG verfügte Zwangsgeldandrohung verstößt gegen § 2 LVwVG, weil die mit dem angedrohten Zwangsmittel zu vollstreckende Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 mangels hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit kein vollstreckungsfähiger Verwaltungsakt im Sinne des § 2 LVwVG ist. Sie ist demzufolge ebenso wie die ihr rechtliches Schicksal insoweit teilende (vgl. § 24 LGebG) Gebührenfestsetzung im angefochtenen Bescheid aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22 
Nach § 2 LVwVG können Verwaltungsakte vollstreckt werden, wenn sie unanfechtbar geworden sind oder wenn die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt. Die Vorschrift regelt eine allgemeine Voraussetzung für Maßnahmen, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden, und gilt demzufolge auch bereits für eine Zwangsmittelandrohung nach § 20 LVwVG. Sie ermöglicht nur die Vollstreckung eines im Sinne inhaltlich hinreichender Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 LVwVfG) vollstreckungsfähigen Verwaltungsakts als Grundlage (Titel) der Verwaltungsvollstreckung. Denn die für Einleitung und Durchführung der Verwaltungsvollstreckung erforderliche konkrete Feststellung, dass der Pflichtige seine Verpflichtung aus dem Verwaltungsakt noch nicht erfüllt hat (vgl. auch § 20 Abs. 1 Satz 2 LVwVG), ist nur bei einem inhaltlich hinreichend bestimmten Verwaltungsakt möglich. Ist ein Verwaltungsakt wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht vollstreckungsfähig, schließt dieser Mangel Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung aus (VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 04.11.1980 - 10 S 890/80 - und vom 09.04.1981 - 10 S 2129/80 - VBlBW 1982, 97 <98>; OVG Hamburg, Urteil vom 03.07.1952 - OVG Bf. II 604/51 - VwRspr Bd. 5 Nr. 117; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.01.1998 - 10 B 3029/97 - BRS 60 Nr. 171; Bayerischer VGH, Beschluss vom 04.07.2012 - 22 ZB 12.204 - juris; Fliegauf/Maurer, LVwVG, 2. Auflage, § 1 Rn. 3; Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bundes und der Länder, 1997, S. 177 f.; Sadler, VwVG, VwZG, 8. Auflage, § 6 Rn. 13; Schneider, LVwVG, § 1 Rn. 4). Das gilt auch dann, wenn der Bestimmtheitsmangel "nur" zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts infolge Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 Abs. 1 LVwVfG) führt. Denn auch ein - bestandskräftiger oder sofort vollziehbarer - wirksamer, aber inhaltlich unbestimmter Verwaltungsakt ist nicht vollstreckungsfähig. Insoweit erfährt der tragende Grundsatz des Verwaltungsvollstreckungsrechts, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme auf die Rechtmäßigkeit einer Grundverfügung nicht ankommt (BVerwG, Urteil vom 13.03.1984 - 4 C 31.81 - NJW 1984, 2591 <2592>; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss des 1. Senats vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 - NVwZ 1999, 290), eine Ausnahme. Die Unbestimmtheit der Grundverfügung "infiziert" eine zu ihrer Durchsetzung ergehende Vollstreckungsmaßnahme (vgl. Lemke, a.a.O.).
23 
Das Bestimmtheitsgebot nach § 37 Abs. 1 LVwVfG erfordert zum einen, dass der Adressat einer Regelung in der Lage sein muss zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist. Zum Anderen muss der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts, insbesondere nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und dem mit ihm verfolgten Zweck (BVerwG, Beschluss vom 13.10.2010 - 7 B 50.10 - juris Rn. 8 und Urteil vom 02.07.2008 - 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 m.w.N.). Dabei muss sich die “Regelung“ (§ 35 Satz 1 LVwVfG) nicht unmittelbar und allein aus dem Entscheidungssatz ergeben. Es reicht aus, wenn sie sich aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen, unzweifelhaft erkennen lässt (BVerwG, Urteil vom 25.04.2001 - 6 C 6.00 - BVerwGE 114, 160 m.w.N.). Will oder muss die Behörde dem Betroffenen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Freiheit überlassen, selbst auszuwählen, mit welchem Mittel das mit dem Verwaltungsakt verfolgte Ziel erreicht werden soll, kann oder muss sie sich auf die Angabe eines Zieles beschränken. Das gilt gerade auch bei Verpflichtungen, welche in die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Verfügungsbefugnis über das Grundeigentum eingreifen. Insoweit kann es demzufolge geboten sein, die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Anordnung zur Durchsetzung baurechtlicher Vorschriften gering zu halten (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 - 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335 <339, 341>). Auch ein solcher, nur das Ziel regelnder Verwaltungsakt kann vollstreckungsfähig sein, vorausgesetzt, das Ziel ist inhaltlich hinreichend bestimmt bezeichnet (vgl. Lemke, a.a.O. S. 179).
24 
Gemessen daran ist die mit dem angedrohten Zwangsmittel zu vollstreckende Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 "Sofern das Melkhaus nicht mit einer sägerauen Holzverschalung verkleidet werden sollte, sind die Außenwände in einem landschaftlich unauffälligem Farbton zu gestalten." kein vollstreckungsfähiger Verwaltungsakt i. S. des § 2 LVwVG. Sie ist inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.
25 
Die Nebenbestimmung schreibt dem Kläger unter der - hier eingetretenen - Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG), dass das genehmigte Melkhaus nicht mit einer sägerauen Holzverschalung verkleidet wird, zur Sicherstellung der gesetzlichen, insbesondere naturschutzrechtlichen (vgl. §§ 13 ff. BNatSchG), Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO) ein positives Tun im Sinne einer erzwingbaren Auflage vor (§ 36 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG). Die Auflage bezeichnet zwar den Gegenstand dieser Handlungspflicht (Außenwände des Melkhauses) hinreichend bestimmt. Das trifft aber nicht für ihren weiteren Regelungsgehalt "in einem landschaftlich unauffälligem Farbton zu gestalten" zu. Insoweit ist der im objektiven Erklärungswert der Auflage zum Ausdruck kommende behördliche Wille unterschiedlicher subjektiver Bewertung zugänglich.
26 
Das Landratsamt hat sich zur Erreichung des mit der Auflage verfolgten naturschutzrechtlichen Zieles, eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die farbliche Gestaltung der Außenwände des Melkhauses zu vermeiden, erkennbar darauf beschränken wollen, dem Kläger als Bauherrn lediglich dieses Ziel vorzuschreiben, ihm aber die Auswahl der konkreten Farbe selbst zu überlassen. Das ist zwar - wie dargelegt - im Grundsatz rechtlich nicht zu beanstanden. Sie hat ihr naturschutzrechtliches Ziel jedoch, auch wenn die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Anordnung zur Durchsetzung baurechtlicher Vorschriften gegebenenfalls gering zu halten sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990. a.a.O.), inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Ihre Formulierung "landschaftlich unauffälliger Farbton" eröffnet einen weiten Wertungsspielraum, der ohne eine weitere Konkretisierung offen lässt, welcher farbliche Außenanstrich noch oder nicht mehr zulässig ist. Sie bezieht sich nach der auch für den Kläger erkennbaren Zielrichtung der - nicht weiter begründeten - Auflage zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 zwar nicht auf irgendeine Landschaft, sondern nur auf diejenige in der Umgebung des Melkhauses. Sie präzisiert aber nicht hinreichend, welche - dem Kläger prinzipiell freigestellte - Farbtöne in dieser Landschaft "auffällig" oder "unauffällig" sind. Zwar mag die Formulierung einzelne für jeden vor Ort und zu jeder Jahreszeit und Witterung eindeutig als landschaftlich auffällig erkennbare Farbtöne wie Rot oder Gelb ausschließen oder umgekehrt für jeden dort eindeutig als landschaftlich unauffällig erkennbare Farbtöne in Dunkelbraun zulassen. Im Übrigen ist jedoch in Anbetracht sowohl der Variationsbreite möglicher Farbtöne (vgl. etwa den RAL-Farbkatalog) und Lichtverhältnisse als auch jahreszeitlich- und witterungsbedingt unterschiedlicher Farben der Landschaft selbst (grüne Wiesen im Sommer, weiße schneebedeckte Wiesen im Winter) eine klare, keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugängliche und insbesondere auch für eine mögliche Vollstreckung der Auflage nötige Abgrenzung eines "landschaftlich auffälligen" von einem "landschaftlich unauffälligen" Farbanstrich des genehmigten Melkhauses in der konkreten Umgebung des Bauvorhabens nicht möglich. Das gilt gerade auch für grüne Farbtöne, wie der RAL-Farbkatalog verdeutlicht.
27 
Will die Behörde eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch den Außenanstrich eines Gebäudes im Außenbereich vermeiden, muss sie deshalb entweder dem Bauherrn - vor allem, wenn er damit einverstanden ist - eine Auswahl zulässiger konkreter Farbtöne positiv vorgeben oder aber, wenn sie nicht übermäßig in seine Verfügungsbefugnis eingreifen will, sich darauf beschränken, nur eine Auswahl unzulässiger konkreter Farbtöne zu bezeichnen. Dass dies ohne Weiteres möglich und zumutbar ist, zeigt schon die Tatsache, dass das Landratsamt in Satz 2 derselben Nebenbestimmung für den Anstrich der sägerauen Holzverschalung des Milchviehlaufstalles den Farbton "dunkelbraun" vorgeschrieben hat. Es ist auch nicht Aufgabe des Klägers, sich nach Erlass der Baugenehmigung bei der Behörde nach der Zulässigkeit des von ihm gewählten Farbtons zu erkundigen. Aus § 36 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 37 Abs. 1 LVwVfG folgt vielmehr das Gegenteil. Schon aus dem Regelungsgehalt der Auflage selbst muss hinreichend bestimmt oder jedenfalls bestimmbar sein, welcher Farbanstrich vorgeschrieben ist. Unklarheiten muss der Adressat nicht in Eigeninitiative aufklären. Diese gehen vielmehr zu Lasten der Behörde (BVerwG, Urteil vom 12.01.1973 - VII C 3.71 - BVerwGE 41, 306, und vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301 <317>; Kopp/Ramsauer VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 37 Rn. 5).
28 
Nicht gefolgt werden kann der sinngemäßen Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Regelungsgehalt der streitigen Auflage sei jedenfalls hinsichtlich solcher Farbtöne hinreichend bestimmt und vollstreckungsfähig, die "ohne vernünftige Zweifel und ohne vernünftige subjektiv verschiedene Bewertungsmöglichkeiten" als landschaftlich unauffällig oder auffällig anzusehen seien. Einer solchen, gleichsam geltungserhaltend-reduzierenden Auslegung der Nebenbestimmung steht hier bereits der erkennbare Wille der Behörde entgegen, dem Kläger nur das Ziel vorzuschreiben, ihm aber die Auswahl der konkreten farblichen Gestaltung selbst zu überlassen. Ungeachtet dessen schließen aber auch Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgebots sowie die berechtigten Interessen des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts eine solche Auslegung aus. Das Bestimmtheitsgebot dient der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit. Unklarheiten im objektiven Erklärungswert gehen zu Lasten der Behörde (BVerwG, Urteile vom 12.01.1973 und vom 18.04.1997, a.a.O.). Nach der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht ließe sich in vielen Fällen unbestimmt weit gefasster Handlungsgebote im Nachhinein ein bestimmbarer und vollstreckungsfähiger "Kern" identifizieren. Denn jedem unbestimmten Handlungsgebot wird zumeist auch irgendeine Handlung zuzuordnen sein, die eindeutig darunter oder auch nicht mehr darunter fällt, unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt den Anforderungen des § 37 Abs. 1 LVwVfG entspricht oder nicht. Dadurch würde der Zweck des Bestimmtheitsgebots unterlaufen, gerade auch die Grenzen des durch den Verwaltungsakt geforderten Handelns hinreichend bestimmt aufzuzeigen. Die Behörde könnte den Verfügungssatz des Handlungsgebots in der Grundverfügung zunächst unbestimmt weit fassen und im Vollstreckungsverfahren geltend machen, jedenfalls ein ganz bestimmtes, von ihr selbst - im Nachhinein bezeichnetes - Handeln sei vom Verwaltungsakt erfasst und der Verwaltungsakt insoweit vollstreckungsfähig. Damit würden Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgebots verfehlt, dem Adressaten schon mit Erlass der Grundverfügung zu verdeutlichen, welches konkrete Tun von ihm erwartet wird, und eine ohne Weiteres vollstreckungsfähige Grundlage zu schaffen.
29 
Das Landratsamt hat die streitige Auflage schließlich auch nicht nachträglich durch eine präzisierende Ergänzung inhaltlich hinreichend bestimmt gemacht (vgl. zu dieser Möglichkeit Sadler, a.a.O. Rn. 6). Die in der Begründung der angefochtenen Zwangsmittelandrohung und im dazu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums angestellten Erwägungen zur Auslegung der Auflage sind schon deshalb keine solche Ergänzung, weil sie lediglich zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Zwangsmittelandrohung dienen. Ob im Übrigen der vorhandene grüne Anstrich des Melkhauses gegen baurechtliche oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, insbesondere weil er - wie der Beklagte geltend macht - das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt oder gar verunstaltet, ist für die Rechtmäßigkeit der ausschließlich zur Durchsetzung der Nebenbestimmung Nr. 15 Satz 3 zur Baugenehmigung vom 24.07.2007 ergangenen Zwangsgeldandrohung unerheblich.
30 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Beschluss vom 10. Januar 2013
32 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 200,00 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG, in Anlehnung an Nr. 1.6.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327).
33 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13. Januar 2011 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 29. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. August 2010 hinsichtlich der Verfügungen Nr. 1 Buchstaben a) und b), hinsichtlich der in Nr. 2 zu Nr. 1 Buchstaben a) und b) ergangenen Zwangsgeldandrohungen und hinsichtlich der Kostenfestsetzung aufgehoben sowie hinsichtlich der Verfügungen Nr. 1 Buchstabe d) und Nr. 2 insoweit aufgehoben, als die Beseitigung des Gartenhauses aufgegeben und bei Nichtbeachtung ein Zwangsgeld angedroht wurde.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben die Kläger 5/8 und die Beklagte 3/8 zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Beteiligten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweils andere Beteiligte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen eine Rückbauverfügung der Beklagten und begehren die Baugenehmigung für eine geänderte Nutzung ihres Anwesens.

2

Die Klägerin zu 2) ist Erbbauberechtigte an dem Grundstück Flurstück-Nr. … in Speyer (Binsfeld 13). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 002 "Im Binsfeld III (Wochenendhausgebiet)", der ein Wochenendhausgebiet festsetzt und in Nr. 3 der textlichen Festsetzungen bestimmt, dass die Grundfläche der Wochenendhäuser 60 m² nicht überschreiten darf. In Nr. 4 der textlichen Festsetzungen wird die zulässige Geschossfläche ebenfalls auf 60 m² beschränkt. Nach Nr. 10 Satz 2 der textlichen Festsetzungen sind Nebenanlagen aller Art unzulässig. Der am 19. Juli 1977 als Satzung beschlossene Bebauungsplan wurde am 13. Juni 1984 erneut bekannt gemacht. Überdies wird das Gebiet von der Satzung über die äußere Gestaltung von baulichen Anlagen sowie über Erfordernis und Gestaltung von Einfriedungen für das Wochenendhausgebiet "Im Binsfeld III" vom 7. Dezember 1977 erfasst. Diese Satzung sieht in § 2 Abs. 2 vor, dass die überdachte Fläche von Loggien oder Terrassen 8 m² nicht übersteigen darf.

3

Am 11. Juni 1980/2. Dezember 1982 wurde den Klägern die Genehmigung zur Errichtung eines Wochenendhauses mit Garage für ihr Grundstück erteilt. Die der Genehmigung zugrunde liegenden Bauunterlagen sahen ein unterkellertes eingeschossiges Wochenendhaus mit einer überbauten Fläche von 59,5 m² vor. Die im Westen des Grundstücks hieran angebaute Garage sollte über einen nur über einen Einstieg von außen zugänglichen Keller verfügen und grenzständig errichtet werden. Zugänge zwischen Haus und Garage waren nicht vorgesehen. Bei der Rohbauabnahme am 21. Dezember 1982 wurden eine Trennwand in der Garage sowie die Nutzung von Aufenthaltsräumen im Keller beanstandet. Am 23. August 1988 erfolgte seitens der Beklagten eine Gebrauchsabnahme, bei der keine Beanstandungen festgehalten wurden.

4

Nach einer Ortsbesichtigung am 19. Oktober 2006 listete die Beklagte in einem Schreiben vom 23. November 2006 Abweichungen von der erteilten Baugenehmigung auf. Hiernach würden Keller und Garage als Aufenthaltsräume genutzt. Vom Keller des Wohnhauses bestehe ein Zugang zu den Garagenunterkellerungsräumen. Zudem bestehe eine Verbindung unmittelbar vom Erdgeschoss des Hauptgebäudes zur Garage. Die Terrassenüberdachung weise eine Fläche von 24 m² auf. Weiterhin sei ein Gartenhaus mit einer Grundfläche von 5 m² errichtet worden. Mit Schreiben vom 6. Juni 2008, das mit "Anhörung nach § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)" überschrieben war, informierte die Beklagte die Kläger darüber, welche Maßnahmen nach ihrem Sanierungskonzept zur Beseitigung der festgestellten Mängel erforderlich seien und kündigte für den Fall, dass die Kläger bis zum 31. August 2008 nicht tätig würden, den Erlass einer Ordnungsverfügung an.

5

Mit Bescheid vom 29. September 2008 gab die Beklagte den Klägern auf, die Garage wieder ihrer genehmigten Nutzung zuzuführen. Zudem müsse die Verbindungstür zum Wohnhaus entfernt werden. Die direkte Verbindung zwischen Wochenendhaus und Garagenunterkellerungsraum sei dauerhaft zu verschließen. Die Terrassenüberdachung solle auf das zulässige Maß von 8 m² reduziert werden. Für das Gartenhaus sei ein Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu stellen, anderenfalls sei das Gerätehaus zu beseitigen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte darauf, dass Garagen in den Abstandsflächen anderer Gebäude oder ohne eigene Abstandsflächen nur dann zulässig seien, wenn sie keine Aufenthaltsräume oder Feuerstätten aufwiesen. Zudem müsse es sich um selbstständige Gebäude handeln. Die Terrassenüberdachung gehe über das in der Gestaltungssatzung zulässige Maß hinaus. Zudem seien Nebenanlagen nach den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht zulässig. Am 29. Oktober 2008 erhoben die Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch.

6

Mit am 19. März 2009 bei der Beklagten eingegangenem Antrag begehrten die Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Kellerraums sowie eines Teils der Garage in Aufenthaltsräume ohne bauliche Veränderungen am genehmigten Bestand. Nachdem die Beklagte die Kläger zu einer möglichen Ablehnung ihres Antrags angehört hatte, lehnte sie die Erteilung einer Baugenehmigung mit Bescheid vom 12. Mai 2009 ab. Die beantragte Nutzungsänderung könne nicht erteilt werden, da die nach dem Bebauungsplan höchstzulässige Grund- bzw. Geschossfläche von 60 m² überschritten werde und Aufenthaltsräume in den Grenzabstandsflächen nicht zulässig seien. Hiergegen erhoben die Kläger am 16. Juni 2009 Widerspruch.

7

Die Widersprüche wurden vom Stadtrechtsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Stadtrechtsausschuss an, dass die bauaufsichtliche Verfügung rechtmäßig sei, da die beanstandeten Maßnahmen ohne die erforderliche Genehmigung erfolgt seien und auch nicht genehmigt werden könnten. Durch die Umnutzung der Garage verstoße das Vorhaben gegen die Bestimmungen des Bebauungsplans "Im Binsfeld III", wonach die zulässige Grundfläche auf 60 m² beschränkt sei. Die Grundfläche der Garage könne nur dann von der Berechnung ausgenommen werden, wenn das Gebäude auch tatsächlich als Garage genutzt werde. Der Bebauungsplan erweise sich auch nicht als funktionslos. Die Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans im Gebiet beruhten nicht auf rechtswidrigen Genehmigungen der Beklagten. Zudem hätten Verstöße vielfach erst nach einer Besichtigung der Objekte festgestellt werden können. Überdies liege ein Verstoß gegen abstandsflächenrechtliche Vorschriften vor, da die Garage wegen der Durchgänge zum Haupthaus nicht mehr als selbstständiges Gebäude angesehen werden könne. Für Nebengebäude, die nach dem Bebauungsplan unzulässig seien, sehe das Sanierungskonzept der Beklagten eine Befreiungsmöglichkeit bis zu einer Grundfläche von 6 m² vor. Insoweit habe die Beklagte verlangen können, dass für das Gerätehaus entweder ein Befreiungsantrag zu stellen oder dieses zu beseitigen sei. Da sich die derzeitige Nutzung von Garage und Keller als materiell baurechtswidrig erweise, könne auch die beantragte Baugenehmigung nicht erteilt werden.

8

Am 2. September 2010 haben die Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen dargelegt haben, dass die Beklagte sie vor Erlass der bauaufsichtlichen Anordnung nicht ordnungsgemäß angehört habe. Das Gartenhaus sei bereits vor der erneuten Bekanntmachung des Bebauungsplans im Jahre 1982 fertiggestellt gewesen. Ihr Nachbar habe zwischenzeitlich der Eintragung einer Baulast zur Ausweisung der Abstandsflächen für die Garage auf seinem Grundstück zugestimmt. Bereits im Zeitpunkt der erneuten Bekanntgabe des Bebauungsplans habe das Plangebiet überwiegend der Dauerwohnnutzung gedient, so dass bereits damals das Planungsziel eines Wochenendhausgebietes nicht mehr erreichbar gewesen sei. Zudem hätte die Bekanntmachung nicht ohne erneute Abwägung erfolgen dürfen. Die bauaufsichtliche Anordnung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Beklagte zahlreiche Vorhaben im Bereich Binsfeld, die gegen baurechtliche Vorschriften verstoßen hätten, entweder genehmigt oder geduldet habe.

9

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ein Dauerwohnen im Gebiet zu keinem Zeitpunkt legalisiert oder geduldet worden sei. Nur in wenigen Fällen seien vor Inkrafttreten des Bebauungsplans von den Festsetzungen abweichende Vorhaben genehmigt worden. In einem etwa 40 Jahre zurückliegenden Fall sei eine Genehmigung durch das Fehlverhalten eines Dezernenten in Abweichung von den Vorgaben des Bebauungsplans erteilt worden.

10

Mit Urteil vom 13. Januar 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung angeführt, dass die beantragte Baugenehmigung nicht erteilt werden könne, da die Umnutzung von Keller und Garage in einen Wohnraum dem Bebauungsplan widerspreche. Eine Aufenthaltsnutzung des Kellergeschosses führe zu einer Überschreitung der zulässigen Geschossfläche. Entsprechend werde durch die Umnutzung eines Teils der Garage die zulässige Grund- und Geschossfläche ebenfalls nicht eingehalten. Eine erneute Abwägungsentscheidung des Stadtrates vor der Neubekanntmachung des Bebauungsplans sei nicht erforderlich gewesen. Der Bebauungsplan habe zudem zum damaligen Zeitpunkt seine Ordnungsfunktion erfüllen können, da die weit überwiegende Zahl der Bauherren ihre Vorhaben entsprechend den Vorgaben des Bebauungsplans ausgeführt hätten. Der Bebauungsplan sei auch zwischenzeitlich nicht funktionslos geworden, da lediglich 76 von 247 Anwesen dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt würden. Die Aufenthaltsnutzung der Garage verstoße gegen die abstandsflächenrechtlichen Vorschriften, weshalb den Klägern kein Sachbescheidungsinteresse für die Erteilung einer Baugenehmigung zustehe.

11

Auch die Rückbauverfügung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kläger seien ordnungsgemäß angehört worden. Die Rückführung der Garage in ihren genehmigten Zustand sei gerechtfertigt, da es sich wegen der Verbindung zum Wohnhaus um kein selbständiges Nebengebäude mehr handele. Die Terrassenüberdachung gehe über die nach der Gestaltungssatzung zulässige Fläche von 8 m² hinaus und sei hierauf zu reduzieren. Auch ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Veränderungen bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplans vorgenommen worden seien. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor, da nicht erkennbar sei, dass die Beklagte unter Abweichung von ihrem Sanierungskonzept gegen vergleichbare Verstöße nicht vorgehe. Dass den Klägern zunächst aufgegeben worden sei, für das Gartenhaus einen Befreiungsantrag zu stellen, entspreche dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

12

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren weiter und führen ergänzend aus, dass der Bebauungsplan bereits im Zeitpunkt seiner erneuten Bekanntmachung seine Ordnungsaufgabe nicht mehr habe erfüllen können, da nach einer von ihnen durchgeführten Anwohnerbefragung zum damaligen Zeitpunkt bereits 145 von 187 vorhandenen Anwesen dauerhaft bewohnt worden seien. Auch das Verwaltungsgericht spreche in einer Entscheidung aus dem Jahre 2005 davon, dass lediglich 20 v.H. der Gebäude als Wochenendhäuser genutzt würden. Die bauplanungsrechtliche Beurteilung ihres Anwesens richte sich daher nach § 34 BauGB. Zudem habe die Beklagte im Baugenehmigungsverfahren in rechtswidriger Weise die Vollständigkeit ihres Bauantrags nicht schriftlich bestätigt.

13

Die bauaufsichtliche Verfügung sei verfahrensfehlerhaft ergangen, da bei der Anhörung hierzu nicht auf das Recht zur Akteneinsicht hingewiesen worden sei. Die Gestaltungssatzung lasse ihren genauen Anwendungsbereich nicht erkennen. Nicht nachvollziehbar sei, dass nach dem Sanierungskonzept der Beklagten überdachte Terrassen bis zu einer Größe von 10 m² geduldet würden, sie ihre Überdachung allerdings auf eine Fläche von 8 m² zurückbauen müssten. Die Eintragung einer Baulast werde von der Beklagten rechtswidrig verweigert. Die Gartenhütte sei vor Errichtung des Wohnhauses entstanden und daher bestandsgeschützt. Im Hinblick auf die Auflistung der Beklagten zur Erteilung von Genehmigungen im Plangebiet, die über die Festsetzungen des Bebauungsplanes hinausgingen, sowie zu ihrem Vorgehen gegen baurechtliche Verstöße führen die Kläger aus, dass die Darstellung eine Reihe von Abweichungen von den baurechtlichen Vorgaben nicht erfasse. Dies betreffe im Wesentlichen unzulässige Überdachungen, Überschreitungen der zulässigen Wohnfläche, Abweichungen von der Geschosszahl und der Kniestockhöhe.

14

Die Kläger beantragen,

15

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. vom 13. Januar 2011 die Verfügungen vom 29. September 2008 und vom 12. Mai 2009 sowie den Widerspruchsbescheid vom 4. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung für die Umnutzung der Garage und des Kellers ihres Anwesens zu erteilen.

16

Hilfsweise beantragen sie,

17

1. alle vollständigen Original-Verwaltungs(bau)akten für sämtliche Wohngrundstücke folgender Straßenzüge im Binsfeld beizuziehen, und zwar

18

- Binsfeld ungerade Haus-Nummern 3 – 221

19

- Binsfeld gerade Haus-Nummern 2a – 120

20

- Wildentenweg gerade Haus-Nummern 2 – 42

21

- Wildentenweg ungerade Haus-Nummern 3 – 33

22

- Biersiedersee Haus-Nr. 15

23

- Biersiederstück ungerade Haus-Nummern 1 – 15

24

- Biersiederstück gerade Hausnummer 2 – 20

25

- Mondsee Haus-Nummern 2 und 4

26

und nach Beiziehung Einsicht in diese Akten beim Oberverwaltungsgericht zu gewähren,

27

2. zum Beweis der Tatsache, dass auf den Grundstücken der Erschließungsstraßen

28

- Binsfeld

29

- Wildentenweg

30

- Biersiedersee

31

- Biersiedestück

32

- Mondsee

33

über die von der Beklagten und Berufungsbeklagten in der Vorlage 0506/2008 vom 16.04.2008 hinaus festgestellten baurechtlichen Verstöße gegen den Bebauungsplan „Binsfeld III“ in den noch nicht besichtigten Gebäuden weitere massive Baurechtsverstöße gegen den Bebauungsplan „Binsfeld III“ festgestellt werden können, insbesondere hinsichtlich

34

a) Grundfläche (größer als 60 qm)

35

b) GRZ größer 0,2

36

c) GFZ größer 0,2

37

d) Nutzung grenzständiger Garagen zu Wohnzwecken

38

e) Nutzung der Kellerräume zu Wohnzwecken

39

f) Terrassenüberdachungen und Wintergärten

40

die Durchführung richterlichen Augenscheins vor Ort,

41

3. zum Beweis der Tatsache, dass auf den Grundstücken der Erschließungsstraßen

42

- Binsfeld

43

- Wildentenweg

44

- Biersiedersee

45

- Biersiederstück

46

- Mondsee

47

im Zeitraum von 1962 bis heute von Anfang an Meldungen von Bewohnern mit Erstwohnsitz durch die Beklagte entgegengenommen worden sind und in keinem einzigen Fall melderechtliche Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um in Fällen, in denen eine Anmeldung mit Hauptwohnsitz erfolgte, hiergegen einzuschreiten oder diese mit Verweis auf eine angebliche Unzulässigkeit des Dauerwohnens im vorbezeichneten Gebiet abzulehnen,

48

alle Meldeakten aller in den vorbenannten Wohnbauvorhaben (Binsfeld, Wildentenweg, Biersiedersee, Biersiederstück und Mondsee) gemeldeter Bürger beizuziehen, Akteneinsicht in die beigezogenen Akten zu gewähren und diese Akten richterlich in Augenschein zu nehmen,

49

4. zum Beweis der Tatsache, dass es im Plangebiet des verfahrensgegenständlichen B-Plans „Im Binsfeld III“ keine „Hanglagen“ gibt, sondern die Grundstücke, bis auf den unmittelbaren Uferbereich, jeweils in etwa die gleiche, natürliche Geländehöhe über NN aufweisen,

50

1. eine Ortsbesichtigung durchzuführen,

51

2. eine Auskunft durch einen amtlichen Vermesser einzuholen.

52

Die Beklagte beantragt,

53

die Berufung zurückzuweisen.

54

Sie führt hierzu in Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens aus, der Eintragung einer Baulast stehe entgegen, dass hierdurch einem Verstoß gegen bauplanerische Festsetzungen Vorschub geleistet würde. Da bei der Gebrauchsabnahme im Jahre 1988 keine Mängel festgestellt worden seien, sei auch hinsichtlich des Gartenhauses davon auszugehen, dass dieses erst nach diesem Zeitpunkt errichtet worden sei. Das Verwaltungsgericht habe in seinem Urteil aus dem Jahre 2005 keine Feststellungen zum Umfang der Dauerwohnnutzung getroffen. Das Vorhandensein von Erstwohnsitzen könne von ihr nicht kontinuierlich festgestellt werden, da ein Datenabgleich mit den Einwohnermeldedaten nicht möglich sei. Die Angaben der Kläger zu den Nutzungen im Jahre 1984 seien unschlüssig, da einige Anwesen als dauerhaft bewohnt angegeben worden seien, die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht errichtet gewesen seien. Soweit die Kläger bei mehreren Gebäuden eine mehrgeschossige Bebauung beanstandeten, beruhe dieser Eindruck darauf, dass es sich um in Hanglage errichtete Häuser handele. Die Beklagte gehe systematisch gegen baurechtliche Verstöße vor. Sie habe vor Erstellung des Sanierungskonzeptes bei nahezu allen Anwesen im Binsfeld Bauzustandsbesichtigungen vorgenommen und lediglich bei solchen Gebäuden hierauf verzichtet, bei denen von vorneherein keine Anhaltspunkte für baurechtliche Verstöße ersichtlich gewesen seien. In 76 Fällen seien Aufforderungen zur Mängelbeseitigung ergangen. Für 38 Anwesen seien bauaufsichtliche Verfügungen erlassen worden. Auf den Aufklärungsbeschluss des Senats vom 27. Juli 2011 führt die Beklagte ergänzend aus, dass vor der erneuten Bekanntmachung des Bebauungsplanes am 19. Juni 1984 in 44 Fällen Baugenehmigungen erteilt worden seien, die Überschreitungen der Festsetzungen des Bebauungsplanes zugelassen hätten. Nach diesem Zeitpunkt sei dies bei 5 Anwesen der Fall gewesen. Zwischen Juni 1984 und Dezember 2002 sei sie in 33 Fällen gegen Verstöße vorgegangen, die unter anderem die Meldung mit Hauptwohnsitz im Plangebiet betroffen hätten. Den Klägern sei in einigen Fällen zuzugestehen, dass einzelne baurechtliche Verstöße im Plangebiet bislang nicht erfasst seien. Sie nehme die Hinweise zum Anlass, entsprechende Verfahren einzuleiten.

55

Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2011 durch Ortsbesichtigung Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

56

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Behörden- und Widerspruchsakten (4 Hefter) verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

57

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

58

Das Verwaltungsgericht hätte der Anfechtungsklage gegen die bauaufsichtliche Verfügung vom 29. September 2008 überwiegend stattgeben müssen, da sie sich zu einem großen Teil als ermessensfehlerhaft erweist. Im Übrigen, insbesondere hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens, ist die Berufung unbegründet.

59

A. Die Anfechtungsklage gegen die bauaufsichtliche Verfügung ist teilweise begründet.

60

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, soweit den Klägern aufgegeben wurde, die Garage ihrer genehmigten Nutzung zuzuführen, die Verbindungstür zum Wohnhaus zu entfernen, die entsprechenden Öffnungen zuzumauern, Einbauten, die der Garagennutzung widersprechen, zu entfernen, die Verbindung zwischen Wochenendhaus und Garagenunterkellerungsraum dauerhaft zu verschließen, das Gartenhaus zu beseitigen, wenn nicht fristgerecht ein Befreiungsantrag gestellt wird, und soweit die Beklagte ihnen bei Nichtbefolgung dieser Verfügungsteile ein Zwangsgeld angedroht und ihnen gegenüber die Kosten der Amtshandlung festgesetzt hat.

61

I. Die Anordnung der Beklagten verstößt allerdings nicht bereits gegen Form- oder Verfahrensvorschriften.

62

Die Kläger sind vor ihrem Erlass ordnungsgemäß angehört worden. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift. Das Anhörungsrecht soll ihm ermöglichen, zu dem ins Auge gefassten Ergebnis eines Verwaltungsverfahrens Stellung zu nehmen. Hierzu ist erforderlich, dass er Kenntnis von allen der Behörde bekannten, für die Entscheidung erheblichen Tatsachen erlangt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011 § 28 Rn. 12 f.; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 28 Rn. 34). Die Kläger wurden von der Beklagten mit Schreiben vom 6. Juni 2008 über den geplanten Inhalt der gegen sie vorgesehenen Verfügung informiert. Gleichzeitig wurde ihnen Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu zu äußern. Dabei bezog sich die Beklagte auf ein weiteres Schreiben vom 23. November 2006, mit dem den Klägern die bei einer Ortsbesichtigung festgestellten Abweichungen von der Baugenehmigung mitgeteilt wurden. Neben dieser Anhörungsmöglichkeit besteht für die Beteiligten nach § 29 Abs. 1 VwVfG das Recht auf Einsichtnahme in die Behördenakten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Die Behörde ist im Rahmen der Anhörung indessen nicht verpflichtet, auf die Möglichkeit der Akteneinsicht gesondert hinzuweisen. Ein entsprechender Hinweis ist lediglich dann vorzusehen, wenn die Anhörung selbst durch die Möglichkeit der Akteneinsicht erfolgen soll (vgl. Bonk/Kallerhoff, a.a.O., § 28 Rn. 46). Im Übrigen ist ein möglicher Fehler der Anhörung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG durch deren Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt worden.

63

II. Der Bescheid der Beklagten erweist sich aber inhaltlich als teilweise rechtswidrig.

64

1. Soweit die Kläger in Nummer 1 Buchstaben a) und b) des Tenors des Bescheides vom 29. September dazu aufgefordert wurden, die Garage der genehmigten Nutzung zuzuführen und die Zugänge zwischen Wohnhaus und Garagengebäude dauerhaft zu verschließen, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Anordnung nach den §§ 59 Abs. 1 Satz 1 und 81 Satz 1 Landesbauordnung – LBauO − zwar vor, indessen hat die Beklagte das ihr hiernach zustehende Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt.

65

Nach § 81 Satz 1 LBauO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung baulicher Anlagen anordnen oder deren Benutzung untersagen, wenn diese gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, die Änderung, die Instandhaltung oder die Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Nach der Generalklausel des § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO hat die Bauaufsichtsbehörde allgemein nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zur Einhaltung baurechtlicher und sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften bei den genannten Vorgängen zu treffen.

66

Die Nutzung des rückwärtigen Teils der Garage der Kläger zu Aufenthaltszwecken erweist sich als formell und materiell baurechtswidrig.

67

a. Diese Garagennutzung bedarf einer Genehmigung, die den Klägern aber bislang nicht erteilt wurde, so dass die Nutzung auch nicht bestandsgeschützt ist.

68

Die Nutzung eines Teiles der Garage zu Aufenthaltszwecken bedarf gemäß § 61 LBauO einer bauaufsichtlichen Genehmigung. Nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 a LBauO sind Nutzungsänderungen von Gebäuden und Räumen, die nicht im Außenbereich liegen, nur dann genehmigungsfrei, wenn für die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen als für die bisherige Nutzung gelten. Derartige geänderte öffentliche Anforderungen gelten für die neue Nutzung dann, wenn sich aus einer anderen oder derselben Vorschrift andersartige Anforderungen für die bisherige Nutzung zwingend ergeben, wenn also die veränderte Nutzung nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften anders zu beurteilen ist als die bisherige Nutzung (vgl. Jeromin, LBauO RP, 2. Aufl. 2008, § 62 Rn. 108). Geänderte baurechtliche Anforderungen, die eine Genehmigungspflicht begründen, ergeben sich hinsichtlich der Garagennutzung schon insoweit, als hiervon die abstandsflächenrechtliche Betrachtung nach § 8 Abs. 9 LBauO abhängt, wonach ohne Abstandsflächen nur Garagen oder sonstige Gebäude ohne Aufenthaltsräume zulässig sind. Zudem gelten für Garagen unabhängig von der Frage der Einbeziehung in die Grund- oder Geschossflächenberechnung nach den Bestimmungen des für das Gebiet maßgeblichen Bebauungsplans Nr. 002 „Im Binsfeld III (Wochenendhausgebiet)“ auch andere bauplanerische Anforderungen als für Gebäude mit Aufenthaltsräumen (vgl. etwa § 12 BauNVO).

69

Die hiernach erforderliche Nutzungsänderungsgenehmigung ist den Klägern indessen nicht erteilt worden. Insbesondere können sie sich nicht auf die Genehmigungsfiktion des § 66 Abs. 4 Satz 2 und Satz 5 LBauO berufen. Die Fiktion greift nämlich nur dann, wenn die Bauaufsichtsbehörde die Vollständigkeit des Bauantrags unter Angabe des Datums ihrer Feststellung gemäß § 60 Abs. 4 Satz 1 LBauO schriftlich bestätigt hat. Das Gesetz knüpft die Genehmigungsfiktion aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht an den Eingang des vollständigen Bauantrages, sondern erst an die Feststellung der Vollständigkeit. Insoweit lässt sich der Landesbauordnung keine Regelung entnehmen, wonach die Fristen des § 65 Abs. 2 Nr. 1 LBauO und des § 66 Abs. 4 Satz 2 LBauO miteinander zu verbinden sind und die Genehmigungsfiktion einen Monat und 10 Tage nach Abgabe der vollständigen Antragsunterlagen greift (vgl. OVG RP, Urteil vom 20. Februar 2002 – 8 A 11330/01.OVG –, BRS 65 Nr. 171 und juris, Rn. 16; Urteil vom 04. Juli 2007 – 8 A 10160/07.OVG −, BauR 2007, 1718; Beschluss vom 15. Februar 2011 – 8 A 11208/10.OVG −).

70

b. Die Nutzung der Garage zu Aufenthaltszwecken erweist sich auch als materiell baurechtswidrig, da sie einerseits entgegen § 30 Abs. 1 BauGB gegen die Bestimmungen des Bebauungsplanes „Im Binsfeld III“ verstößt und andererseits die Vorgaben der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nach § 8 LBauO nicht einhält.

71

aa. Die Teilnutzung der Garage als Aufenthaltsraum verstößt gegen Nr. 4 Satz 2 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 002 „Im Binsfeld III (Wochenendhausgebiet)“, wonach die Geschossfläche 60 m² nicht überschreiten darf.

72

(1) Maßgeblich für die Bestimmung der bei der Ermittlung der Geschossfläche zu berücksichtigenden Teilflächen ist die Baunutzungsverordnung in der zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bauleitplanes geltenden Fassung (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 97. Ergänzungslieferung 2010, Vorbem. zur BauNVO, Rn. 4). Hiernach ist hinsichtlich des Bebauungsplanes „Im Binsfeld III (Wochenendhausgebiet)“ auf § 20 Abs. 2 der Baunutzungsverordnung in der Neufassung vom 26. November 1968 (BGBl. I S. 1237) – BauNVO (1968) abzustellen. Nach dieser Vorschrift ist die Geschossfläche nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände sind mitzurechnen.

73

Die zu Wohnzwecken genutzte hintere Garagenhälfte ist als Teil des Erdgeschosses des Wochenendhauses, das als Vollgeschoss zu werten ist, in die Geschossflächenberechnung einzubeziehen. Die Kläger profitieren nicht von der Ausnahme in § 20 Abs. 3 BauNVO (1968), wonach bauliche Anlagen und Gebäudeteile im Sinne des § 19 Abs. 4 BauNVO (1968) bei der Ermittlung der Geschossfläche unberücksichtigt bleiben. Nach dieser Vorschrift werden auf die zulässige Grundfläche die Grundflächen von Nebenanlagen im Sinne des § 14 nicht angerechnet. Das gilt gleichermaßen für Balkone, Loggien, Terrassen und für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht im Bauwich oder in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können. Die nach § 8 Abs. 9 Satz 1 LBauO innerhalb der Abstandsflächen zulässigen baulichen Anlagen zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass sie über keine Aufenthaltsräume verfügen. Zudem streitet zugunsten der Kläger auch nicht die Privilegierung des § 21 a Abs. 4 Nr. 2 BauNVO (1968), wonach bei der Ermittlung der Geschossfläche Stellplätze und Garagen nicht zu berücksichtigen sind, soweit sie höchstens 0,1 der Fläche des Grundstücks in Anspruch nehmen. Der Aufenthaltszwecken dienende hintere Teil des Gebäudes hat gerade seine Funktion als Garage verloren, die darin zu sehen ist, dass es sich um einen umschlossenen Raum zum Abstellen von Kraftfahrzeugen handelt (vgl. § 2 Abs. 8 Satz 2 LBauO). Ist hiernach die Fläche des Wohnzwecken dienenden hinteren Teils der Garage in die Geschossflächenberechnung einzubeziehen, so führt dies zu einer Überschreitung der nach dem Bebauungsplan geltenden Obergrenze, die durch den genehmigten Bestand des Wochenendhauses mit 59,5 m² fast vollständig ausgeschöpft wird.

74

(2) Die Nutzung der Garage für Aufenthaltszwecke lässt allerdings nicht gleichzeitig einen Verstoß gegen die in Nr. 3 Satz 2 der textlichen Festsetzungen vorgesehene Begrenzung der Grundfläche der Wochenendhäuser auf 60 m² erkennen.

75

Mit diesem sich aus § 10 Satz 2 BauNVO (1968) ergebenden Maßstab wird eine von der Festsetzung der Grundfläche der baulichen Anlagen in § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BauNVO (1968) abweichende Zielsetzung verfolgt. Während die Grundfläche der Wochenendhäuser allein das Wochenendhaus als solches in Bezug nimmt, erfasst der Begriff der Grundfläche der baulichen Anlagen in § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BauNVO (1968) neben dem Wochenendhaus selbst noch weitere auf dem Grundstück befindliche bauliche Anlagen, wie z.B. Garagen. Die Festsetzungen zur Grundfläche aller baulichen Anlagen geben den Umfang der Bebauung des Grundstücks und damit die Baudichte vor. Die nach § 10 Satz 2 BauNVO (1968) für Wochenendhausgebiete zwingend festzusetzende zulässige Grundfläche allein der Wochenendhäuser soll eine an der besonderen Eigenart des Gebietes orientierte Bestimmung der Grundrissgröße der das Gebiet prägenden baulichen Anlagen, nämlich der Wochenendhäuser ermöglichen (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Auflage 2008, § 10 Rn. 25). Bei der Grundfläche der Wochenendhäuser handelt es sich - im Gegensatz zur Geschossfläche, die auch auf die innere Ausnutzung abstellt, - um ein auf den äußeren Charakter der Gebäude und ihre nach außen erkennbar werdende Flächeninanspruchnahme abstellendes Kriterium. Hiernach werden von der Festsetzung nur solche Gebäudeteile erfasst, die sich nach ihrem äußeren Eindruck als integrierter Bestandteil eines Wochenendhauses darstellen.

76

Dies ist indessen bei der Garage der Kläger nicht der Fall. Sie ist zwar an das Wochenendhaus angebaut, erweckt aber nach außen hin den Eindruck eines selbstständigen Teilgebäudes, das nicht an der Aufenthaltsfunktion des eigentlichen Wochenendhauses teilhat, sondern der Unterbringung von Kraftfahrzeugen dient. Insbesondere ist weiterhin ein Garagentor vorhanden und die nach Südosten ausgerichtete Längswand der Garage wird nicht durch eine Fensteröffnung durchbrochen. Das Garagengebäude war daher nicht in die Berechnung der Grundfläche des Wochenendhauses einzubeziehen. Die nach außen nicht in Erscheinung tretende Erweiterung der Wohnfläche im Gebäudeinneren wird deshalb allein bei dem – auf die Aufenthaltsräume abstellenden – Merkmal der Geschossfläche berücksichtigt.

77

(3) Der Verstoß gegen die im Bebauungsplan festgesetzte zulässige Geschossfläche ist nicht deshalb unbeachtlich, weil der Plan als unwirksam anzusehen wäre.

78

(a) Eine Unwirksamkeit des Bebauungsplanes ergibt sich nicht bereits daraus, dass er nicht den Vorgaben des gemeinsamen Runderlasses Planung und Ausweisung von Wochenendhausgebieten (MinBl. 1977, Spalte 219) entspricht. Der Runderlass enthält keine für die Antragsgegnerin in Ausübung ihrer Planungshoheit bindenden Vorgaben, so dass ein Verstoß gegen diese Regelungen keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans hat.

79

(b) Der Plan ist zudem durch erneute Bekanntmachung am 19. Juni 1984 wirksam in Kraft getreten.

80

Die Heilung eines ursprünglich verfahrensfehlerhaft erlassenen Bebauungsplans in einem ergänzenden Verfahren (§ 155 a Abs. 5 BBauG, vgl. § 214 Abs. 4 BauGB) würde nur dann keinen gültigen Bebauungsplan hervorbringen, wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingungen nach der Beschlussfassung grundlegend verändert haben oder in der Nachbarschaft ein nachhaltiger Wandel der tatsächlichen Gegebenheiten eingetreten ist, so dass die ursprünglichen Planungsgrundlagen nicht mehr tragfähig sind. Für eine Fehlerhaftigkeit des Abwägungsergebnisses lassen sich im Falle des Bebauungsplanes „Im Binsfeld III“ indes keine Anhaltspunkte feststellen.

81

Zudem scheitert ein wirksames Inkraftsetzen eines Bebauungsplans in einem ergänzenden Verfahren dann, wenn zuvor dessen Funktionslosigkeit eingetreten ist. Von einer derartigen Funktionslosigkeit ist auszugehen, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse im Plangebiet so weit verselbstständigt haben, dass von den planerischen Festsetzungen, die Gegenstand der gemeindlichen Beschlussfassung waren, keine steuernde Wirkung mehr ausgehen kann (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1997 – 4 NB 40.96 – in NVwZ 1997, 893 und juris, Rn. 17 f.). Eine derartige Funktionslosigkeit setzt voraus, dass tatsächliche Verhältnisse eingetreten sind, die die auf sie bezogenen Festsetzungen eines Bebauungsplanes ihrer ordnenden Wirkung beraubten, weil deren Verwirklichung in ihrer ganzen Reichweite auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen ist. Die Abweichung zwischen planerischer Festsetzung und tatsächlicher Situation muss zudem derart offensichtlich sein, dass ein dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetztes Vertrauen nicht mehr als schutzwürdig angesehen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1977 – IV C 39.75 −, BVerwGE 54, 5 und juris, Rn. 35; Urteil vom 17. Juni 1993 – 4 C 7/91 −, NVwZ 1994, 281 und juris, Rn. 19; Urteil vom 28. April 2004 – 4 C 10/03 −, NVwZ 2004, 1244 und juris, Rn. 15; OVG RP, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 8 C 10150/10.OVG −, juris, Rn. 151; Kalb/Külpmann, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 100. Ergänzungslieferung 2011, § 10 Rn. 407). Ob die Voraussetzungen für die Funktionslosigkeit bauplanerischer Regelungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2003 – 4 B 85/03 −, BauR 2004, 1128 und juris Rn. 8).

82

Hiernach kann bei dem Bebauungsplan „Im Binsfeld III“, insbesondere bei den hier entscheidenden Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, keine Funktionslosigkeit zum Zeitpunkt seiner erneuten Bekanntmachung am 13. Juni 1984 angenommen werden.

83

Eine derartige Funktionslosigkeit kann insbesondere nicht auf die von den Klägern durchgeführte Umfrage gestützt werden, nach der von den 187 Bauten, die im Jahr 1984 im Bereich des Wochenendhausgebietes vorhanden gewesen seien, 145 dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt worden seien. Dabei kann außer Betracht bleiben, dass die Angaben der Kläger in einzelnen Fällen nicht nachvollziehbar sind, wenn sie etwa Anwesen als dauerbewohnt bezeichnen, die im Jahre 1984 noch nicht errichtet waren.

84

Eine dem festgesetzten Gebietscharakter entgegenstehende Wohnnutzung kann nämlich im Hinblick auf die Ordnungsfunktion des Bebauungsplanes nur dann Relevanz gewinnen, wenn sie genehmigt oder in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben (vgl. zur Einordnung nach § 34 BauGB: OVG RP, Urteil vom 19. Juli 1984 -12 A 59/82 -). Denn nur unter dieser Voraussetzung kann angenommen werden, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse so verfestigt haben, dass sie dem Geltungsanspruch der Festsetzungen des Bebauungsplanes auf unabsehbare Zeit entgegenstehen. Der Geltungsanspruch einer Norm geht nicht bereits dadurch verloren, dass sich ein großer Teil der Normunterworfenen nicht mehr an die Regelungen hält. Vielmehr muss zusätzlich das Verhalten der für die Überwachung der Vorschrift zuständigen Behörde die Annahme rechtfertigen, dass die tatsächlichen Abweichungen dauerhaft Bestand haben werden und kein schutzwürdiges Vertrauen in die Fortgeltung der Festsetzung mehr rechtfertigen.

85

Zu den von den Klägern aufgelisteten Vorhaben, bei denen im Rahmen ihrer Umfrage eine Dauerwohnnutzung im Jahre 1984 angegeben wurde, kann indessen nicht festgestellt werden, dass diese Nutzung in nennenswertem Umfang von der Beklagten genehmigt oder geduldet worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde lediglich in Einzelfällen eine Dauerwohnnutzung ermöglicht sowie in 25 Fällen eine höhere Grund- oder Geschossfläche als 60 m² zugelassen, wobei bei 20 Anwesen eine Überschreitung von nicht mehr als 5 m² erlaubt wurde. Eine derart geringe Überschreitung erleichtert indessen nicht merkbar die Nutzbarkeit des Anwesens zum dauerhaften Wohnen und damit eine Abkehr von der Wochenendhausnutzung. Bei einer möglichen Gesamtzahl von etwa 240 Häusern, einer überwiegend geringfügigen Abweichung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und einer nicht ins Gewicht fallenden Genehmigung des Dauerwohnens kann hiernach nicht angenommen werden, dass eine Verwirklichung des die Art der Nutzung betreffenden Gebietscharakters im Plangebiet im Juni 1984 nicht mehr möglich gewesen wäre. Dass über die von der Beklagten genannten Fälle hinaus Dauernutzungen - und nicht bloß Wochenendhausnutzungen − genehmigt worden sind, wird auch von den Klägern nicht behauptet. Die Festsetzungen von Kniestock und Dachneigung, von denen ebenfalls Abweichungen zugelassen wurden, sind Teil der Gestaltungssatzung und wirken sich daher auf die Ordnungsfunktion des Bebauungsplanes nicht unmittelbar aus.

86

Im Übrigen haben mögliche Abweichungen von den die Gebietsart charakterisierenden Festsetzungen zum damaligen Zeitpunkt in ihrer Erkennbarkeit keinen solchen Grad erreicht, dass ein in die Fortgeltung der Gebietsfestsetzung gesetztes Vertrauen keinen Schutz mehr verdiente. Dies wird nicht zuletzt daran deutlich, dass das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seiner das Gebiet betreffenden Entscheidung vom 19. Juli 1984 (Az.: 12 A 59/82) bei der Einschätzung nach § 34 BauGB zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das Gebiet sich weiterhin als faktisches Wochenendhausgebiet darstellt.

87

(c) Eine Funktionslosigkeit der Maßfestsetzungen des Bebauungsplans „Im Binsfeld III“ ist auch in der Folgezeit nach der Neubekanntmachung des Plans nicht eingetreten. Dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Wohngebiet bis Ende 2002 durchgreifend geändert hätten, kann anhand des Vortrags der Beteiligten und nach den Verwaltungsakten nicht festgestellt werden. Überdies ist die Beklagte gegenüber einer Dauerwohnnutzung in diesem Gebiet auch nicht untätig geblieben oder hat diese gar geduldet. Vielmehr hat sie in den Jahren 1984 bis 1995 in mehreren Fällen eine melderechtliche Klarstellung bei mit Hauptwohnsitz im Gebiet gemeldeten Anwohnern veranlasst.

88

(d) Auch nach der Verabschiedung des Sanierungskonzeptes durch den Bau- und Planungsausschuss der Beklagten am 16. April 2008 ist hinsichtlich der Gebietsfestsetzung als Wochenendhausgebiet keine Funktionslosigkeit eingetreten.

89

Die Beklagte sieht nach ihrem Sanierungskonzept zwar von einer förmlichen Duldung des Dauerwohnens ab. Andererseits verzichtet sie aber auf eine Kontrolle dieses Umstandes. Zudem sind im Sanierungskonzept keine Maßnahmen vorgesehen, die den Bewohnern der Anwesen gegenüber ergriffen werden sollen, in denen Hauptwohnsitze gemeldet sind. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Beklagte gegen die Dauerwohnnutzung als solche keine Maßnahmen ergreift.

90

Dabei geht der Senat davon aus, dass die Zahl der dauerhaft zu Wohnzwecken genutzten Anwesen höher ist als die im Sanierungskonzept angeführte Zahl von 76 als mit Hauptwohnsitz gemeldeten Anwesen. Denn es ist damit zu rechnen, dass eine größere Anzahl von Personen, die keinen Dauerwohnsitz gemeldet haben, dauerhaft in dem Gebiet wohnt.

91

Dieser Umstand bedeutet indes noch nicht, dass der Bebauungsplan „Im Binsfeld III“ seine Steuerungsfunktion offenkundig verloren hätte, jedenfalls nicht hinsichtlich der hier allein entscheidenden Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung.

92

Für die Prägung eines Wochenendhausgebietes und somit für seinen Gebietscharakter kommt es nicht allein darauf an, in welchem Umfang tatsächlich eine Freizeit- oder eine dauerhafte Nutzung stattfindet. Es gehört zum Kennzeichen solcher Gebiete, dass die Nutzung der Anwesen einem ständigen Wandel unterliegt. Nicht selten findet ein fließender Übergang einer zunächst auf die Wochenenden und die Ferienzeit beschränkten Nutzung hin zu einem Dauerwohnen statt, ohne dass die Grenze exakt bestimmt werden könnte. Weil diese Entwicklung in aller Regel im Verborgenen stattfindet, haben es die Aufsichtsbehörden naturgemäß schwer, dem zu begegnen (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, a.a.O., § 10 BauNVO, Rn. 18; Fickert/Fieseler BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 10 Rn. 23).

93

Der Charakter eines Wochenendhausgebietes wird über den tatsächlichen Umfang der Wohnnutzung hinaus entscheidend auch von dem äußeren Eindruck der vorhandenen Gebäude bestimmt. Denn es ist kennzeichnendes Merkmal eines Wochenendhausgebietes, eine vorübergehende Nutzung auf begrenztem Raum zu ermöglichen (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. August 1985 -1 A 62/84 -, AS 19, 442 und ESOVGRP). Entscheidende Bedeutung zur Wahrung des Gebietscharakters kommt deshalb auch der Beschränkung der Grundfläche des Wochenendhausgebietes nach § 10 Satz 2 BauNVO (1968) zu, die üblicherweise 30 bis 60 m² beträgt (vgl. Söfker a.a.O., § 10 BauNVO, Rn. 22; Fickert/Fieseler, a.a.O. § 10 Rn. 23.1) und die im Plangebiet auf 60 m² beschränkt ist. Wie oben bereits ausgeführt, trägt ein in seinem äußeren Erscheinungsbild derart begrenztes Wohngebäude maßgeblich zum Charakter des Gebietes als Wochenendhausgebiet bei.

94

Diese Verknüpfung einer bloßen Freizeitnutzung mit nach außen erkennbarer Beschränkung des zur Verfügung stehenden Raumes war auch tragende Erwägung des von den Klägern zitierten Urteils des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. August 1985 (-1 A 62/84 -, a.a.O.). Hierin wurde gerade darauf abgestellt, dass mit Billigung der zuständigen Behörde eine baugebietswidrige Dauernutzung von Wohnhäusern auf einer Fläche von bis zu 236 m² entstanden und auch im Bebauungsplan die zulässige Wohnfläche auf maximal 156 m² festgesetzt worden war. Hiermit sei das kennzeichnende Merkmal eines Wochenendhauses, eine Nutzung für vorübergehende Aufenthalte zu Freizeitzwecken auf begrenztem Raum zu ermöglichen, verfehlt worden. Das Gericht sah einen Verstoß gegen § 10 BauNVO und eine falsche Etikettierung des Plangebietes gegeben. Hiernach litt der dieser Entscheidung zugrundeliegende Bebauungsplan aber gerade daran, dass die in einem Wochenendhausgebiet erforderliche Begrenzung der Grundfläche nicht erfolgte.

95

Allein der Verzicht der Beklagten, eine tatsächlich stattfindende Dauernutzung aufzuklären, lässt deshalb noch nicht den Schluss zu, man habe den Charakter des Gebiets als Wochenendhausgebiet aufgegeben. Dem steht entgegen, dass sie nach ihrem Sanierungskonzept jedenfalls bei Überschreitung der zulässigen Grundfläche der Wochenendhäuser als dem für den Eindruck nach außen maßgeblichen Merkmal auf einer Einhaltung der Vorgaben des Bebauungsplanes beharrt und einen Rückbau der diese Grenzen überschreitenden Flächen anstrebt. Dies gilt etwa für die ungenehmigte Errichtung von Anbauten und Wintergärten. Das Sanierungskonzept stellt hiernach ein taugliches Mittel dar, der Festsetzung des Gebietscharakters im Bebauungsplan weiterhin zur Durchsetzung zu verhelfen und den Geltungsanspruch dieser Norm zu untermauern.

96

Erkennt man in dem Umstand der vorübergehenden Freizeitnutzung auf begrenztem Raum das prägende Merkmal eines Wochenendhausgebietes, so vermag der Senat auch nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung nicht festzustellen, dass die im Plangebiet tatsächlich vorhandene Bebauung insgesamt den Charakter eines solchen Wochenendhausgebietes inzwischen offenkundig verloren hätte.

97

Zwar sind in dem Gebiet auch größere Anwesen vorhanden, die zum Teil allerdings bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplanes „Im Binsfeld III“ im Jahre 1984 genehmigt wurden. Im Übrigen entsteht der Eindruck einer verdichteten Bebauung, die sich westlich der Straße „Binsfeld“ vielfach über zwei Reihen erstreckt. Dabei erscheinen die Gebäude aber nicht überdimensioniert, vielmehr kann nach optischer Einschätzung überwiegend davon ausgegangen werden, dass die Grundfläche der Wochenendhäuser weiterhin den durch den Bebauungsplan vorgegebenen Rahmen einhält. Kennzeichnend für das Gebiet ist die kleinräumige Kubatur überwiegend als Einzelhäuser in Erscheinung tretender Gebäude.

98

Im Wesentlichen bleibt auch der Eindruck der Eingeschossigkeit erhalten. Zum Teil wird insbesondere bei den östlich der Straße „Binsfeld“ gelegenen Anwesen zwar der Anschein erweckt, dass das Kellergeschoss entsprechend der Vorschrift 2 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 der Landesbauordnung vom 27. Februar 1974 (GVBl., S. 55) als weiteres Vollgeschoss anzusehen ist und es im Mittel über 1,20 m über die Geländeoberfläche hinausragt. Dieser erste Eindruck wird jedoch vielfach durch eine bei der Ortsbesichtigung festzustellende topographische Besonderheit entkräftet. Die natürliche Geländeoberfläche gestaltet sich in diesem Bereich nämlich in weiten Teilen so, dass sie dammartig vom See her zunächst ansteigt und zur Straße wieder abfällt. Hiernach ist aber in vielen Fällen erkennbar, dass der Mittelwert eines mehr als 1,20 m über die Geländeoberfläche hinausragenden Kellergeschosses nicht erreicht wird. Insgesamt vermittelt das Plangebiet nicht den Charakter eines klassischen Wohngebietes.

99

Die für die Annahme der Funktionslosigkeit erforderliche Erkennbarkeit einer tatsächlichen Entwicklung in Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes wird auch nicht erreicht, soweit Aufenthaltsräume in Speicher- und Kellerräumen errichtet wurden und hierdurch die im Plangebiet zulässige Geschossfläche überschritten wurde. Auch hierzu hält das Sanierungskonzept der Beklagten fest, dass die entsprechende Nutzung der Räume nicht genehmigt, von Kontrollen aber wegen der fehlenden Effizienz abgesehen werden soll. Ein Einschreiten gegen die festgestellten 127 Umnutzungen von Kellerräumen und 15 Fälle umgenutzter Speicher sieht das Konzept wiederum nicht vor. Indessen handelt es sich hierbei um Abweichungen, die die innere Ausnutzung der vorhandenen Räumlichkeiten betreffen und die sich nicht merklich auf die äußere Gestaltung der Gebäude und die hierdurch bewirkte Prägung auswirken. Vielmehr sind die Anwohner, wie auch die Umnutzung von Garagen zeigt, gerade darum bemüht, die abweichende Nutzung der Räume nicht nach außen in Erscheinung treten zu lassen. Die Verstöße gegen die Vorgaben des Planes sind insoweit nicht offensichtlich.

100

bb. Die durch Zugänge mit dem Haupthaus verbundene, grenzständig errichtete Garage verstößt auch gegen das Abstandsflächengebot des § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO.

101

Die Kläger können sich nicht auf die Privilegierung des § 8 Abs. 9 LBauO berufen, wonach Garagen ohne Abstandsflächen gegenüber Grundstücksgrenzen errichtet werden können. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass es sich bei der innerhalb der Abstandsflächen errichteten Garage um ein selbständiges Gebäude handelt. Entscheidend für die Annahme einer Selbstständigkeit in diesem Sinne ist die funktionale Trennung zwischen Hauptgebäude und Garagenanbau, durch die gewährleistet ist, dass die Grenzbebauung nur entsprechend ihrer Funktion als Garage genutzt wird (vgl. OVG RP, Urteil vom 25.11.2009 – 8 A 10636/09.OVG −, AS 38, 130 und juris, Rn. 35). Mangels Eintragung der entsprechenden Baulast können die Abstandsflächen auch nicht nach § 9 Abs. 1 LBauO auf dem Nachbargrundstück ausgewiesen werden.

102

c. Liegen hiernach die tatbestandlichen Voraussetzungen für die die Garage betreffenden Anordnungen vor, so erweist sich die auf die aufgezeigten Verstöße abstellende Ermessensentscheidung der Beklagten jedoch als fehlerhaft.

103

aa. Soweit die bauaufsichtliche Verfügung auf die Verletzung des Abstandsflächengebotes abstellt, erweist sich die Anordnung als ermessensfehlerhaft, weil den Klägern ein Anspruch auf Eintragung einer Baulast zusteht, mit der der aufgezeigte Abstandsflächenverstoß behoben wird, und die Beklagte diese Eintragung in rechtswidriger Weise verweigert.

104

Die Kläger haben im Februar 2011 unter Vorlage einer entsprechenden Einwilligungserklärung ihres Nachbarn den Antrag auf Eintragung einer Baulast gestellt, wonach die Abstandsflächen für die Garage gemäß § 9 Abs. 1 LBauO auf dem Nachbargrundstück ausgewiesen werden. Nach Eintragung einer entsprechenden Baulast würde die Grenzgarage die abstandsrechtlichen Vorschriften einhalten. Nach übereinstimmender Darstellung der Beteiligten sind sowohl die formalen Voraussetzungen für eine Eintragung als auch die tatbestandlichen materiellen Anforderungen des § 9 Abs. 1 LBauO erfüllt. Ist aber der Besteller verfügungsberechtigt, entspricht die Erklärung den Formvorschriften, hat sie einen bestimmten baulastfähigen Inhalt und besteht ein baurechtlicher Bezug, so hat der Begünstigte einen Eintragungsanspruch, wenn er damit – wie im Falle der Kläger - die Voraussetzungen für ein bestimmtes Vorhaben sichert (Schmidt in: Jeromin, a.a.O., § 86 Rn. 43).

105

Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass hierdurch einer den Vorgaben des Bebauungsplanes widersprechenden Nutzung der Garagenräume Vorschub geleistet würde. Die Abstandsflächenregelungen sollen lediglich Konfliktsituationen lösen, die sich unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten ergeben. Eine Berücksichtigung bauplanerischer Gesichtspunkte bei der Entscheidung über die Eintragung einer Baulast ist von der Regelung des § 9 Abs. 1 LBauO nicht abgedeckt.

106

Des Weiteren ist unerheblich, dass der Eintragungsantrag erst nach der letzten Behördenentscheidung, dem Widerspruchsbescheid vom 04. August 2010, gestellt wurde. Die Kläger hatten nämlich bereits im Widerspruchsverfahren darauf verwiesen, dass der Nachbar mit der Ausweisung der Abstandsfläche auf seinem Grundstück einverstanden sei und die Eintragung einer Baulast angestrebt werde. Auf diesen Gesichtspunkt ist die Beklagte in ihren Entscheidungen indes nicht eingegangen. Zudem greift eine Ausnahme von der Regel, dass es im Rahmen der Anfechtungsklage grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt. Die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind nämlich dann maßgeblich, wenn sich – wie im vorliegenden Fall − bei einem noch nicht vollzogenen Verwaltungsakt die Sach- oder Rechtslage inzwischen zugunsten des Klägers in einer Weise geändert hat, dass eine Durchsetzung der angegriffenen behördlichen Maßnahme nunmehr sinnlos geworden ist oder unangemessen erscheinen müsste (BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1989 – 4 B 132/88 −, juris Rn. 5).

107

bb. Soweit die zu der Garage getroffenen Anordnungen mit einem Verstoß gegen bauplanungsrechtliche Vorgaben begründet werden, verletzt die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

108

Der Gleichheitssatz gebietet es, dass die Behörde bei ihrem Vorgehen gegen baurechtswidrige Zustände das ihr eingeräumte Ermessen gleichmäßig ausübt. Sie darf nicht systemlos oder willkürlich handeln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 1995 – 4 B 55/95 −, BRS 57 Nr. 248 und juris Rn. 5).

109

Maßstab für das Vorgehen der Beklagten gegen baurechtliche Verstöße ist das am 16. April 2008 durch den Bau – und Planungsausschuss der Beklagten beschlossene Sanierungskonzept. Die Beklagte hat damit zur Gewährleistung eines abgestimmten Vorgehens, bei dem wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches abweichend behandelt wird, ein Konzept entwickelt, das Grundlage für ihr bauaufsichtliches Vorgehen sein soll. Mit diesem Sanierungskonzept hat sie ihr Vorgehen gegen baurechtliche Verstöße vorab festgelegt und sich damit im Hinblick auf die Ausübung ihres Ermessens selbst gebunden.

110

Was Garagenumnutzungen und das Vorhandensein von Zugängen zwischen Hauptgebäuden und Garagen angeht, so werden im Sanierungskonzept nur Verstöße gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften problematisiert. Hiernach sieht das Sanierungskonzept ein Einschreiten gegen umgenutzte Garagen von vorneherein nur bei einer Verletzung des Abstandsflächenrechtes vor. Ein Vorgehen aus bauplanungsrechtlichen Gründen, wie es hier erstmals im Widerspruchsbescheid als zusätzliches Argument dargelegt worden ist, weicht daher von dem selbst gesetzten Sanierungskonzept ab.

111

Darüber hinaus erweist sich das auf die Bauplanungswidrigkeit der Garagenumnutzung gestützte Vorgehen noch aus einem weiteren Grund als ermessensfehlerhaft.

112

Wenn im Widerspruchsbescheid die Nutzung der Garage zu Aufenthaltszwecken als Überschreitung der im Bebauungsplan erfolgten Festsetzung zur Grundfläche der Wochenendhäuser gewertet wird, ist nach dem oben Gesagten ein solcher Verstoß bereits objektiv nicht gegeben. Soweit in dieser Begründung zugleich ein Verstoß gegen die Festsetzung der Geschossfläche zum Ausdruck kommt, liegt hierin nach Auffassung des Senats die Ungleichbehandlung zweier Sachverhalte, die sich im Wesentlichen als gleich erweisen.

113

Zur Geschossfläche ist nach dem hier maßgeblichen § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO (1968) nicht nur die Fläche der Vollgeschosse zu rechnen, vielmehr wird auch die Fläche von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen erfasst. Mit der so festgelegten Geschossfläche wird also auf die im Wochenendhaus tatsächlich vorhandene Wohnfläche abgestellt.

114

Was die Ausdehnung der Geschossfläche im Gebäudeinneren anbelangt, die also ohne Erweiterung der Grundfläche und die damit einhergehende Vergrößerung des Gebäudekörpers erfolgt, hat sich die Beklagte in ihrem Sanierungskonzept indes dahin festgelegt, dass sie gegen die Schaffung zusätzlicher Aufenthaltsräume in Keller und Speicher und die dadurch herbeigeführte Ausdehnung der Geschossfläche nicht vorgehen wird. Dabei lässt sich die Beklagte von der Überlegung leiten, dass derartige Verstöße im Innern der betroffenen Gebäude erfolgen und nach außen oft nicht erkennbar werden, was zugleich eine dauerhafte Kontrolle wesentlich erschwert. Gleichzeitig bleiben trotz dieser Einschränkung der Kontrolle das äußere Erscheinungsbild und die Kubatur der Anwesen unberührt, so dass sich hierdurch keine wesentlichen Auswirkungen auf den Charakter des Gebietes insgesamt ergeben.

115

Vergleichbare Erwägungen greifen aber auch bei einer Ausdehnung der Wohnfläche in horizontaler Richtung, wie sie bei einer Umnutzung der Garage zu Wohnzwecken vorliegt, sofern auch dabei das äußere Erscheinungsbild der baulichen Anlagen unberührt bleibt. Ebenso wie bei der Erweiterung der Wohnfläche in die Funktionsräume im Keller und Speicher hinein ist auch eine Inanspruchnahme von Teilen der Garage auf das Gebäudeinnere beschränkt und erfolgte oftmals im Verborgenen. Dann ist aber kein sachlicher Grund dafür erkennbar, die eine – vertikale – Überschreitung der Geschossfläche hinzunehmen und gegen den anderen Verstoß – in der horizontalen Nutzung des Gebäudes – einzuschreiten. Erst wenn die Umnutzung der Garage derart erfolgt, dass dadurch nach außen erkennbar ein vergrößertes Wohngebäude entsteht, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit auch mit der Festsetzung zur Grundfläche des Wochenendhauses, woraus sich ein Differenzierungskriterium ergibt.

116

Soweit die Beklagte darauf abstellt, die im Keller und Speicher geschaffenen Aufenthaltsräume führten aus bauordnungsrechtlichen Gründen nicht zu einer Erhöhung der berücksichtigungsfähigen Geschossfläche, vermag dies die festgestellte Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen. Die Beklagte geht in ihrem Konzept nämlich selbst davon aus, dass auch den Vorschriften des Bauordnungsrechtes entsprechende Aufenthaltsräume in Kellern und auf Speichern eingerichtet sein können, sie aber dennoch unbeanstandet bleiben sollen. Zudem ist der Begriff des Aufenthaltsraumes in Anlehnung an die Begriffsbestimmung der Landesbauordnung dadurch definiert, dass es sich um einen Raum handelt, der zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet ist (vgl. 2 Abs. 5 LBauO). Kriterium für die Bestimmung der Aufenthaltsfunktion ist hiernach neben der objektiven Eignung die subjektive Zweckbestimmung (Jeromin, Landesbauordnung, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 77). Auf die weitergehenden Anforderungen der Landesbauordnung für Aufenthaltsräume kommt es hingegen nicht an (vgl. HessVGH, Beschluss vom 08. Dezember 1989 – 4 TG 2896/89 –, juris Rn. 31: BVerwG, Urteil vom 07. Juni 2006 – 4 C 7/05 – NVwZ 2006, 1065 und juris; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 07. Dezember 1994 - 1 L 144/93 -, juris Rn. 38).

117

2. Der Bescheid der Beklagten vom 29. September 2008 erweist sich hingegen als rechtmäßig, soweit den Klägern in Nr. 1 Buchstabe c) der Rückbau der Terrassenüberdachung aufgegeben wurde. Insoweit liegen die Voraussetzungen des § 81 Satz 1 LBauO vor.

118

a. Die von den Klägern angebrachte Terrassenüberdachung verstößt gegen materielles Baurecht. § 2 Abs. 2 der für das Gebiet maßgeblichen Satzung über die äußere Gestaltung von baulichen Anlagen sowie über Erfordernis und Gestaltung von Einfriedungen für das Wochenendhausgebiet „Binsfeld III“ vom 7. Dezember 1977 – Gestaltungssatzung − sieht vor, dass die überdachte Fläche von Loggien und Terrassen 8 m² nicht überschreiten darf. Die Überdachung im Falle der Kläger weist jedoch eine Fläche von 24 m² auf.

119

Insoweit können sich die Kläger nicht darauf berufen, der Geltungsbereich der Satzung sei unbestimmt. Dieser wird vielmehr unter Bezugnahme auf den für das Gebiet geltenden Bebauungsplan exakt umrissen. § 1 der Satzung sieht als Anwendungsbereich das gesamte Wochenendhausgebiet „Im Binsfeld III“ vor. Wie die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, handelt es sich bei dem in der Vorschrift angesprochenen Lageplan als Anlage zur Satzung um ein Exemplar des Bebauungsplanes, das auch weiterhin existiert, so dass der Geltungsbereich sowohl textlich durch Bezugnahme auf den Bebauungsplan als auch zeichnerisch hinreichend bestimmt ist. Da die Planskizze des Bebauungsplanes selbstständiger Teil der Gestaltungssatzung geworden ist, kommt es auf die Wirksamkeit des Bebauungsplanes nicht an.

120

b. Die auf die Terrassenüberdachung bezogene Rückbauverfügung erweist sich auch nicht im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG als rechtswidrig. Soweit das Sanierungskonzept der Beklagten vorsieht, dass Terrassenüberdachungen bis zu einer Fläche von 10 m² nicht zurückgebaut werden müssen, hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass diese Abweichung von der Satzungsregelung nur auf Fälle eines geringfügigen Überschreitens Anwendung finden soll. Sie trägt damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung. Mit der Regelung soll verhindert werden, dass auch bei geringfügigen Überschreitungen der zulässigen Fläche ein vergleichsweise hoher Aufwand für den Rückbau der Überdachung entsteht. Die abweichende Behandlung rechtswidrig errichteter Terrassenüberdachungen bis zu einer Fläche von 10 m² ist damit sachlich gerechtfertigt.

121

3. Die das Gartenhaus betreffende Verfügung in Nr. 1 Buchstabe d) des Bescheides vom 29. September 2008 erweist sich nur teilweise als rechtmäßig.

122

a. Soweit die Beklagte hierin der Klägerin aufgegeben hat, hinsichtlich der nach dem Bebauungsplan unzulässigen Gartenhütte einen Befreiungsantrag zu stellen, hält sich diese Anordnung im Rahmen der Ermächtigungsnorm des § 81 LBauO. Da die Beklagte in ihrem Sanierungskonzept die Erteilung einer Befreiung für Nebenanlagen bis zu einer Fläche von 6 m² nach den §§ 31 Abs. 2 BauGB und 69 Abs. 2 LBauO in Aussicht gestellt hat, können auf diesem Wege in anderer Weise als durch Erlass einer Beseitigungsverfügung rechtmäßige Zustände hergestellt werden. Der Abweichensantrag nach § 69 Satz 2 LBauO tritt dabei an die Stelle des Bauantrages nach § 81 Satz 2 LBauO. Ein solcher Antrag ist auch keine bloße Förmelei, da nur durch Vorlage entsprechender Unterlagen der Gegenstand der Befreiung etwa hinsichtlich des Standortes der Hütte auf dem Grundstück der Kläger eindeutig bestimmt werden kann. Die Einreichung eines Abweichungsantrags bürdet den Klägern auch keine unzumutbaren Lasten auf.

123

b. Die Kläger können sich hinsichtlich der Gerätehütte auch nicht deshalb auf Bestandsschutz berufen, weil diese zu einem Zeitpunkt errichtet wurde, als der für das Gebiet maßgebliche Bebauungsplan noch nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht war und der Ausschluss von Nebenanlagen nicht galt. Der Errichtungszeitpunkt der Gerätehütte kann nämlich nicht mehr exakt festgestellt werden. Der Darstellung der Kläger hält die Beklagte den Umstand entgegen, dass bei der Gebrauchsabnahme am 23. August 1988 und damit nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes keine Mängel festgehalten wurden. Erweist sich aber als unaufklärbar, wann der von einer Beseitigungsverfügung Betroffene die beanstandete Nutzung aufgenommen hat und ob er dementsprechend aus Gründen der formellen oder materiellen Legalität Bestandsschutz genießt, so geht das zu seinen Lasten. Insoweit macht er im Wege einer Einwendung ein Gegenrecht geltend. Er leitet nämlich aus der Vergangenheit ein Recht ab, das es ihm ermöglicht, sich gegen eine behördliche Anordnung durchzusetzen, obgleich die beanstandete Nutzung (derzeit) materiell rechtswidrig ist und dies an sich für eine derartige Verfügung ausreicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1979 - 4 C 86.76 –, DÖV 1979, 601 und juris, Rn. 14; Beschluss vom 05. August 1991 – 4 B 130/91 und juris Rn. 4).

124

c. Als unverhältnismäßig erweist sich indessen die weitergehende Anordnung der Beklagten, das Gerätehaus zu beseitigen, wenn der Befreiungsantrag nicht fristgerecht binnen 6 Wochen nach Bestandskraft der Verfügung gestellt wird. Da rechtmäßige Zustände durch Erteilung der in Aussicht gestellten Befreiung erreicht werden können, ist die Beseitigung der Gerätehütte hierfür nicht erforderlich. Vielmehr kann die Beklagte die Stellung eines Befreiungsantrages mit Einsatz von Zwangsmitteln herbeiführen. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angedeutete Möglichkeit, auf einen Antrag zu verzichten und die Gerätehütte stattdessen freiwillig zu beseitigen, steht den Klägern auch ohne eine entsprechende Anordnung offen.

125

4. Schließlich ist im Hinblick auf die vom Senat nicht beanstandeten Verfügungen auch nicht erkennbar, dass die Beklagte bei ihrem Vorgehen im Bereich des Bebauungsplangebietes das Gleichbehandlungsgebot verletzte und die in ihrem Sanierungskonzept vorgesehenen Maßnahmen nicht konsequent umsetzte. Dabei können sich die Betroffenen nicht allgemein darauf berufen, die Behörde schreite gegen Baurechtsverstöße in vergleichbaren Fällen nicht ein. Art. 3 Abs. 1 GG räumt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht ein. Vielmehr können sie lediglich verlangen, dass die Behörde ihr Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichartig ausübt. Die Behörde muss dabei nicht gleichzeitig vorgehen, sondern kann bei einer Vielzahl von Verstößen nach und nach einschreiten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 1995, a.a.O., juris Rn. 4f.). Die Kläger können sich hiernach nicht auf jede baurechtliche Abweichung, sondern nur auf solche Verstöße berufen, die den bei ihnen beanstandeten Mängeln vergleichbar sind. Hinsichtlich der Anbringung von Terrassenüberdachungen und der Errichtung von Nebenanlagen ist indessen nicht erkennbar, dass die Beklagte in Abkehr von ihrem Sanierungskonzept willkürlich vorginge und nur einzelne Eigentümer herausgriffe. Soweit entsprechende Verstöße bislang in wenigen Einzelfällen ungeahndet geblieben sind, hat die Beklagte eine nachvollziehbare Begründung angeführt, weshalb sie von einem Einschreiten abgesehen hat.

126

5. Die in Nr. 2 des Bescheides enthaltene Zwangsgeldandrohung war aufzuheben, soweit die entsprechende Grundverfügung nach dem zuvor Gesagten keinen Bestand hat, da es an einem Verwaltungsakt als Grundlage der Vollstreckung fehlt. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Zwangsgeldandrohung nach § 66 LVwVG i.Vm. den §§ 61 Abs. 1, 62 und 64 LVwVG vor.

127

6. Ebenfalls aufzuheben ist die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Kostenentscheidung, da hinsichtlich der aufgehobenen Teile der Grundverfügung die Amtshandlung nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 LGebG durch die Kläger veranlasst ist und es dem Senat nicht möglich ist, den Verwaltungsaufwand für den fortbestehenden Teil der Anordnung zu bestimmen.

128

7. Die von den Klägern hilfsweise gestellten Beweisanträge waren abzulehnen.

129

a. Ihr Antrag, für einen großen Teil der Grundstücke die Verwaltungsakten der Beklagten beizuziehen (Nr. 1), bezweckt eine unzulässige „Ausforschung“. Da die Beklagte auf den Beschluss des Senats vom 27. Juli 2011 ausführlich dargelegt hat, welche Verstöße bei den einzelnen Anwesen festgestellt wurden, hätte es zum Beweisantritt einer substantiierten Darlegung der Kläger bedurft, bei welchen konkreten Anwesen die Beklagte fehlerhafte oder unvollständige Angaben gemacht haben soll. Solche Angaben sind nur bezüglich von 14 näher bezeichneten Anwesen erfolgt, bei denen sich Meinungsunterschiede zum Teil aber bereits geklärt haben und die von ihrem zahlenmäßigen Umfang her für die allein maßgebliche Frage der Funktionslosigkeit unerheblich sind.

130

b. Dem Antrag, eine Ortsbesichtigung durchzuführen (Nr. 2), ist das Gericht teilweise nachgekommen. Soweit hiermit die Feststellung weiterer Verstöße gegen baurechtliche Vorschriften erreicht werden soll, erweisen sich die unter Beweis gestellten Tatsachen als unerheblich. Da lediglich 6 Anwesen von der Beklagten nicht besichtigt wurden, ergeben sich wegen der geringen Zahl der betroffenen Gebäude keine Auswirkungen auf die Annahme einer Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes. Auch im Hinblick auf die Ermessensausübung der Beklagten handelt es sich um Einzelfälle, die das Sanierungskonzept und dessen Umsetzung insgesamt nicht in Frage stellen können.

131

c. Auch der Heranziehung sämtlicher Meldeakten innerhalb des Plangebietes seit 1962 (Nr. 3) bedurfte es nicht. Auf die genaue Zahl der mit Hauptwohnsitz Gemeldeten und das melderechtliche Vorgehen der Beklagten hiergegen kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreites nicht an. Für die Beurteilung der Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes ist nicht die melderechtliche Situation entscheidend. Vielmehr ist nach dem zuvor Gesagten maßgeblich, inwieweit eine mögliche dauerhafte Wohnnutzung im Plangebiet nach außen erkennbar und von der Bauaufsichtsbehörde offenkundig hingenommen wird. Hierzu hat der Senat einschlägige Feststellungen getroffen.

132

d. Soweit die Kläger hinsichtlich der Hängigkeit des Geländes im Plangebiet eine weitere Sachaufklärung begehren, erweist sich der Beweisantrag als unerheblich, da die Behörde für ihr Einschreiten nicht an das Vorliegen eines Vollgeschosses anknüpft, vielmehr wegen jeglicher zusätzlicher Aufenthaltsräume – in Vollgeschossen oder sonstigen Geschossen - auf das Geltendmachen von Verstößen gegen die maximale Geschossfläche verzichten will.

133

B. Soweit die Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehren, ihnen die beantragte Nutzungsänderungsgenehmigung zu erteilen, bleibt ihre Klage erfolglos.

134

Den Klägern steht kein Anspruch auf Erlass der Baugenehmigung nach § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO zu. Hiernach ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen.

135

Soweit die Kläger die Genehmigung der Umnutzung eines Teils der Garage zu Aufenthaltszwecken begehren, steht diesem Vorhaben nach dem zuvor Gesagten der Umstand entgegen, dass hiermit gegen die im Bebauungsplan „Im Binsfeld III“ vorgesehene Begrenzung der zulässigen Geschossfläche verstoßen würde.

136

Auch die Umnutzung der Kellerräume ist nicht genehmigungsfähig. Da nach § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO (1968) bei der Geschossflächenberechnung auch die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen als Vollgeschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und Umfassungswände zu berücksichtigen sind, würde die Nutzung eines Kellerraumes als Aufenthaltsraum ebenfalls zu einer Überschreitung der zulässigen Geschossfläche führen. Der genehmigte Bestand schöpft die nach dem Bebauungsplan zulässige Obergrenze von 60 m² mit 59,5 m² indes nahezu vollständig aus.

137

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

138

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus den §§ 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.

139

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO hierfür genannten Gründe vorliegt.

140

Beschluss

141

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,-- €

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. September 2006 - 2 K 1085/05 - geändert.

Die Klage gegen die Verfügung der Beklagten vom 08.07.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 14.12.2004 wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen eine Abbruchsanordnung. Sie sind Eigentümer des Grundstücks Flst.-Nr. 3861/1 (...), die Beigeladenen sind Eigentümer des südlich angrenzenden Grundstücks Flst.-Nr. 3861 (...) in ... . Beide mit Einfamilienhäusern bebauten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Im Blechleacker, Im Schuppenacker, Hinterm Dorf, Im Bühl und Vorderhard“ der Gemeinde Ohlsbach in der Fassung der Änderung vom 23.02.1988 mit Bebauungsvorschriften (BBV) vom 07.12.1987 und schriftlichem Teil vom 10.06.1969. Der Bebauungsplan setzt Baufenster mit auf den einzelnen Grundstücken unterschiedlichen seitlichen - nicht vermaßten - Baugrenzen fest. Auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen sind keine Nebenanlagen zulässig, außer Garagen und den erforderlichen Abstellplätzen. Nach § 8 Abs. 1 und 2 der BBV („Grenz- und Gebäudeabstand“) muss der seitliche Grenzabstand der Hauptgebäude von den Nachbargrenzen mindestens 4,00 m betragen und darf der Mindestabstand zwischen den Hauptgebäuden jeweils 8,00 m nicht unterschreiten. Nach § 8 Abs. 3 der BBV gelten „im übrigen …. die Bestimmungen der §§ 7, 8 u. 9 der Landesbauordnung … vom 06.04.1964 … in der Fassung vom 28. Nov.1983 …“.
Das Wohnhaus der Kläger weist auf der Nordseite eine Grenzgarage mit einem angebauten überdachten Wäscheplatz aus Holz auf; die Grenzlänge beträgt insgesamt ca. 17 m. Eine „Überdachung eines Wäscheplatzes“ wurde 1978 genehmigt. Auf der Gebäudesüdseite befinden sich Balkone im EG und OG mit einem Grenzabstand von 2,91 m (Unterseite, vgl. Aufmaßskizze). Den Balkonen schräg gegenüber, ca. 2 m bis 2,20 m nach Westen versetzt, steht auf dem Grundstück der Beigeladenen eine 9 m lange Grenzgarage mit Pultdach. Widerspruch und Klage der Kläger gegen die Genehmigung dieser Garage blieben erfolglos (vgl. Urteil des VG Freiburg vom 17.05.1995 - 2 K 1141/94 -). Im April 1996 beantragten die Kläger eine Baugenehmigung zum Umbau des vorhandenen Südbalkons im Erdgeschoss in einen Wintergarten mit einem Grenzabstand von 2,50 m. Diesen Antrag zogen sie nach Hinweis der Beklagten auf den vorgeschriebenen Grenzabstand und auf Einwendungen der Beigeladenen im August 1996 zurück. Im Januar 1998 reichten die Kläger „Nachtragspläne“ - zum Umbau des Balkons in einen Wintergarten und zur Erweiterung des darunterliegenden Geräteraums mit jeweils einem Grenzabstand von 2,50 m ein. Auch insoweit wies die Beklagte darauf hin, dass die vorgeschriebene Baugrenze erheblich überschritten werde. Im Juli 2004 wurde festgestellt, dass die Kläger unterhalb des Balkons einen nach Süden auskragenden, 5,94 m langen Kelleranbau samt Tür im Rohbau mit einem Grenzabstand von 1,44 m (vgl. Fotos sowie Aufmaßskizze) errichtet hatten.
Mit Verfügung vom 08.07.2004 gab die Beklagte den Klägern auf, den ungenehmigten Erweiterungsbau des Kellergeschosses innerhalb von zwei Monaten ab Bestandskraft zu beseitigen und setzte hierfür eine Gebühr von 100,-- EUR fest. Der Erweiterungsbau, der Teil des Hauptgebäudes sei, widerspreche, wie die Kläger wüssten, den Festsetzungen des Bebauungsplans bezüglich Grenzabstand und Baugrenze von jeweils 4,00 m. Eine Befreiung von diesen nachbarschützenden Festsetzungen sei nicht möglich, da sich die Beigeladenen in ihren Rechten verletzt sähen, sich auch so geäußert hätten und eine Einigung nicht gelungen sei. Zur Herstellung baurechtmäßiger Zustände sehe man im Rahmen des Ermessens keine andere Möglichkeit, als den Abbruch des ungenehmigt errichteten Anbaus anzuordnen. Den Widerspruch der Kläger, den sie unter Hinweis auf die Zulässigkeit des Anbaus als Nebenraum nach § 6 Abs. 1 S. 2 LBO und auf § 14 BauNVO - mit der Zulassungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 5 BauNVO - sowie mit Bedenken gegen die Wirksamkeit von § 8 der Bebauungsvorschriften begründeten, wies das Regierungspräsidium Freiburg im Anschluss an einen Ortstermin (mit Aufmaßskizze) mit Bescheid vom 14.12.2004 zurück: Der Anbau widerspreche den eindeutigen nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans zum Grenzabstand. Die Erweiterung sei auch mehr als nur geringfügig i.S.v. § 23 Abs. 3 BauNVO. Die entsprechenden Ermessensüberlegungen im Ausgangsbescheid seien daher nicht zu beanstanden. Eine Privilegierung nach § 6 Abs. 1 LBO sei schon deswegen ausgeschlossen, weil die entsprechenden Maximalmaße des § 6 Abs. 1 S. 4 LBO (15 m Grenzbebauung) schon durch die Garage mit insgesamt rund 17 m überschritten würden. Der Widerspruchsbescheid wurde den Klägern durch Anordnung per Einschreiben, abgesandt am 25.04.2005, erneut zugestellt.
Mit ihrer am 19.05.2005 erhobenen Klage beantragten die Kläger, die Verfügung der Beklagten und den Widerspruchsbescheid aufzuheben. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen machten sie geltend: Der Anbau sei nach der LBO privilegiert im Grenzbereich zulässig. Die Maße des § 6 Abs. 1 S. 2 LBO würden eingehalten, es handle sich auch um einen privilegierten Nebenraum ohne Verbindung zum Hauptgebäude. § 6 Abs. 1 S. 4 LBO stehe nicht entgegen, selbst wenn die bestehende Grenzbebauung insgesamt 15 m überschreiten sollte. Auf die Höchstmaße des § 6 Abs. 1 S. 4 LBO werde der streitige Anbau nicht angerechnet, weil er einen Grenzabstand von mindestens 1,44 m einhalte. Die Beklagte habe auch versäumt, eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zu prüfen. Das Vorhaben störe niemanden, die Beigeladenen würden nicht beeinträchtigt und auch die Vorgeschichte sei von der Beklagten nicht berücksichtigt worden. Der Abbruch sei insgesamt unverhältnismäßig. Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat - nach erfolgsloser Durchführung eines Mediationsverfahrens - der Klage mit Urteil vom 29.09.2006 - 2 K 1085/05 - stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben: Ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 S. 1 LBO vorlägen, könne offenbleiben. Jedenfalls leide die Abbruchsanordnung an Ermessensfehlern. Die Beklagte habe die Möglichkeit einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 der Bebauungsvorschriften und § 7 Abs. 3 S. 1 der LBO 1983 nicht gesehen und auch nicht geprüft. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 S. 1 Ziff. 2 LBO 1983 lägen vor. Von der streitigen Kellererweiterung gehe keine tatsächliche Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen der Beigeladenen aus, da der Anbau weitgehend durch deren eigene Grenzgarage abgeschirmt werde. Schon deswegen, weil die Beklagte die faktisch wohl gänzlich fehlende Beeinträchtigung der Kläger nicht berücksichtigt habe, sei die Abbruchsverfügung ermessensfehlerhaft. Zwar sei es in der Regel als Ermessenserwägung nicht zu beanstanden, wenn die Behörde zur Herstellung rechtmäßiger Zustände den Abbruch anordne. Dies gelte aber nicht, wenn Ausnahmegründe vorlägen, was bei einer fehlenden faktischen Beeinträchtigung gegeben sei. Dieser Umstand hätte vorliegend besonders deswegen berücksichtigt werden müssen, weil bauordnungsrechtlich die Abstandsflächenvorschriften nicht verletzt würden. Der streitige Anbau falle unter § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 bzw. Abs. 6 LBO. Die Höchstmaße des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LBO würden nicht überschritten. § 6 Abs. 1 S. 4 LBO stehe, soweit er im Rahmen des § 6 Abs. 6 LBO überhaupt Anwendung finde, schon deshalb nicht entgegen, weil es sich bei dem streitigen Anbau nicht um einen Grenzbau handle.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 03.01.2007, abgesandt am 08.01.2007, die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts zugelassen. Mit ihrer am 08.02.2007 eingegangenen Berufungsbegründung macht die Beklagte zusammengefasst geltend: Die Annahme des Verwaltungsgerichts, § 8 Abs. 3 der Bebauungsvorschriften (BBV) stelle eine Ausnahmeregelung i.S.d. § 31 Abs. 1 BauGB dar, sei unzutreffend. Der Verweis in § 8 Abs. 3 der BBV auf die §§ 7 bis 9 der LBO 1983 beinhalte lediglich einen Hinweis auf die damalige bauordnungsrechtliche Rechtslage. Abgesehen davon lägen aber auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 S. 1 Ziff. 2 LBO 1983 für eine Ausnahme nicht vor. Nachbarliche Belange der Beigeladenen würden im Sinne dieser Vorschrift durchaus noch „erheblich“ beeinträchtigt. Denn der streitige Anbau werde nur auf einer Länge von 3,80 m durch die Grenzgarage der Beigeladenen abgeschirmt, auf einer Länge von ca. 2,20 m sei er hingegen von deren Grundstück aus sichtbar. Demnach könne der Beklagten auch nicht vorgehalten werden, bei der Ermessensausübung die fehlende faktische Beeinträchtigung der Beigeladenen nicht berücksichtigt zu haben. Schließlich sei der Anbau auch bauordnungsrechtlich nicht nach § 6 Abs. 1 S. 2 LBO zulässig. § 6 Abs. 1 S. 4 LBO stehe nicht entgegen. Die Vorschrift finde auch auf solche Bauten Anwendung, die - wie hier - noch innerhalb des 2,50 m-Grenzabstands errichtet seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29.09.2006 - 2 K 1085/05 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend: Das Verwaltungsgericht sei zu Recht von einer normativen Regelung in § 8 Abs. 3 der BBV ausgegangen. Auch wenn man diese Vorschrift lediglich als Hinweis auf die Beachtlichkeit der §§ 7 ff. LBO 1983 ansehe, sei verkannt worden, dass § 7 Abs. 3 LBO 1983 tatbestandlich erfüllt sei und eine geringere Abstandsflächentiefe daher zugelassen werden könne. Das Grundstück der Beigeladenen weise die von § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 LBO 1983 geforderte Besonderheit in Gestalt einer geminderten Schutzwürdigkeit auf. Durch die 9,00 m lange wuchtige Grenzgarage mit Pultdach werde die Besonnung des klägerischen Grundstücks stark beeinträchtigt. In Verlängerung der Garagen hätten die Beigeladenen einen nahezu undurchsichtigen Zaun von etwa 2,00 m Höhe errichtet und sich dadurch insgesamt regelrecht abgeschottet. Der Zaun überrage den streitigen Anbau höhenmäßig deutlich. Es spiele daher keine Rolle, dass der Anbau etwa 2,00 m über die Garage hinausrage. Die konkrete Situation auf dem Nachbargrundstück werde durch den Anbau in keiner Weise nachteilig verändert. Im Übrigen sei die Abbruchsverfügung allein deswegen rechtswidrig, weil der Aspekt fehlender faktischer Beeinträchtigungen in die Ermessensentscheidung nicht eingeflossen sei und die Behörde die Interessen der Kläger mit keinem Wort berücksichtigt habe. Der Anbau solle u.a. die altersbedingt erschwerte Gartentätigkeit erleichtern. Die Beklagte sei auch nicht auf das Austauschangebot der Kläger eingegangen, den streitigen Anbau gegen Genehmigung des früher beantragten Wintergartens abzubrechen und dadurch rechtmäßige Zustände herzustellen. Abstandsflächen müsse der Anbau schon nach § 6 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 LBO nicht einhalten, der nicht auf § 6 Abs. 1 S. 4 LBO verweise. Ob die Voraussetzungen einer Ausnahme nach § 8 Abs. 3 der BBV vorliegen, habe die Beklagte von sich aus ohne ausdrücklichen Antrag prüfen müssen.
12 
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat das Grundstück der Kläger und dessen nähere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift verwiesen.
13 
Dem Senat liegen außer den behördlichen Bauakten die Gerichtsakten des vorliegenden und des Verfahrens - 2 K 1141/94 - (Klage gegen die Grenzgarage der Beigeladenen) sowie die Bebauungsplanakten vor. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Der nachgereichte Schriftsatz der Kläger vom 22.06.2007 nebst Anlagen gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gem. § 104 Abs. 3 S. 2 VwGO wieder zu eröffnen, da es auf die Frage, ob und in welchem Umfang die „Überdachung eines Wäscheplatzes“ durch den auszugsweise vorgelegten Baubescheid vom 24.08.1978 genehmigt worden ist, für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt.
15 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage der Kläger zu Unrecht stattgegeben. Entgegen seiner Auffassung ist die streitige Teilabbruchsanordnung vom 08.07.2004 der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2004 rechts- und ermessensfehlerfrei ergangen und verletzt damit Rechte der Kläger nicht (§§ 113 Abs. 1 S. 1, 114 VwGO).
16 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann der (wie hier) teilweise Abbruch einer Anlage angeordnet werden (Ermessensseite), wenn sie formell baurechtswidrig ist und seit ihrer Errichtung fortdauernd im Widerspruch zu materiellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht und nicht auf andere Weise (durch nachträgliche Baugenehmigung, Abweichungen, Ausnahmen oder Befreiungen) rechtmäßige Zustände hergestellt werden können (Tatbestandsseite; vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -; Sauter, LBO, § 65 RdNr. 22). Diesen Anforderungen werden die angefochtenen Bescheide gerecht.
17 
I. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 Satz 1 LBO liegen vor. Genehmigt ist auf der Südseite des Wohnhauses der Kläger ein Balkon im Dachgeschoss und im Erdgeschoss. Der Erdgeschossbalkon von 5,94 m Länge und ca. 2,20 m Tiefe hält zur südlichen Grundstücksgrenze einen Abstand von 2,91 m ein (Unterseite, vgl. Aufmaßskizze in Bauakten). Der vom Abbruch betroffene Gebäudeteil betrifft einen unterhalb des Balkons liegenden, nach Süden auskragenden Kelleranbau mit abfallendem Dach von 5,98 m Länge und einem Grenzabstand von 1,44 m. Der Anbau ist auf der Westseite mit einer Außentür versehen. Innen ist er geschlossen, Verbindungen zum sonstigen Keller gibt es nicht. Der Raum dient als Abstellraum für Gartengeräte und Holz. Die Höhe der grenznahen Außenwand des Anbaus beträgt 1,64 m (über Gelände Nachbargrundstück) bzw. 1,50 m (über Gelände Baugrundstück) an seiner Westecke und 0,90 m bzw. 0,80 m an der Ostecke (vgl. ebenfalls die Aufmaßskizze).
18 
1. Mit diesen Ausmaßen und Grenzabständen ist das vom Abbruch betroffene Vorhaben formell baurechtswidrig. Zwar sind nach § 50 Abs. 1 LBO i.V.m. Nr. 10 des Anhangs Vorbauten ohne Aufenthaltsräume bis 40 cbm Rauminhalt verfahrensfrei. Jedoch ist das Vorhaben vorliegend wegen seiner grenznahen Lage jedenfalls bauplanungsrechtlich befreiungsbedürftig (dazu nachfolgend) und die diesbezüglich nach § 51 Abs. 5 S. 1 LBO erforderliche Befreiung der Baurechtsbehörde wurde weder beantragt noch erteilt.
19 
2. Der streitige Vorbau ist seit seiner Errichtung jedenfalls in bauplanungsrechtlicher Hinsicht auch fortdauernd materiell baurechtswidrig. Denn er verstößt gegen Festsetzungen des Bebauungsplans für die Gewanne „Im Blechleacker, Im Schuppenacker, Hinterm Dorf, Im Bühl und Vorderhard “ der Gemeinde Ohlsbach in der Fassung vom 23.02.1988. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen diesen Bebauungsplan sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Insbesondere sind solche Bedenken nicht gegen § 8 Abs. 3 der Bebauungsvorschriften (BBV) vom 07.12.1987 zu erheben. Diese Bestimmung, wonach „im übrigen... die Bestimmungen der §§ 7,8, u. 9 der Landesbauordnung ..... vom 6.4.1964 ... in der Fassung vom 28. Nov. 1983“ gelten, wäre zwar unzulässig, sollte sie als eigenständige planungsrechtliche Regelung mit statischer Bezugnahme auf die damals geltenden bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen auszulegen sein. Denn § 9 Abs. 1 Nr. 2 BBauG in der damaligen Fassung (BBauG 1977/1986 - anders heute § 9 Abs. 1 Nr. 2 a BauGB 2004) ermächtigt nicht unmittelbar zur Festsetzung von Abstandsflächen, sondern gestattet nur die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen und Bebauungstiefen nach § 23 Abs. 1 BauNVO mit den sich daraus gem. § 23 Abs. 2 - 5 BauNVO ergebenden Rechtsfolgen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.01.2006 - 5 S 2335/05 -, VBlBW 2006, 350). § 8 Abs. 3 der BBV trifft ersichtlich aber keine eigenständige planungsrechtliche Regelung, sondern enthält - wie bereits § 8 Abs. 3 der vorangegangenen BBV vom 12.08.1969 - einen bloßen (deklaratorischen) Hinweis auf die jeweilige bauordnungsrechtliche Rechtslage (so zutreffend auch VGH Bad.-Württ. a.a.O. in einer vergleichbaren Konstellation). Nur dieses Verständnis des § 8 Abs. 3 der BBV macht auch Sinn im Zusammenhang mit der Regelung in § 8 Abs. 1 der BBV (dazu nachfolgend).
20 
Der Verstoß gegen das Bauverbot nach § 23 Abs. 2 S. 1 BauNVO a.F. kann auch nicht durch eine Abweichungsentscheidung beseitigt werden. Vielmehr scheidet die Herstellung (bauplanungsrechtlich) rechtmäßiger Zustände durch eine - allein in Betracht kommende - Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO a.F. (dazu 2.1) oder eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB a.F. (dazu 2.2.) schon aus Rechtsgründen aus.
21 
2.1 Die Voraussetzungen einer Zulassung des Vorbaus im Ermessensweg nach § 23 Abs. 5 BauNVO liegen nicht vor.
22 
a) Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 5 S. 1 BauNVO a.F. sind offensichtlich nicht erfüllt. Zum einen ist der streitige Erweiterungsbau Teil des Hauptgebäudes und damit schon keine Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO (so in einem vergleichbaren Fall BVerwG, Beschluss vom 14.02.1994 - 4 B 18.94 -, UPR 1994, 263 sowie Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 14 RdNr. 4.11). Zum anderen schließt der Bebauungsplan nach § 7 Abs. 2 BBV auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen aber auch alle Nebenanlagen aus, soweit es sich nicht um Garagen und um erforderliche Abstellplätze handelt.
23 
b) Der Vorbau ist entgegen der Auffassung der Kläger ferner auch nicht nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO a.F. zulassungsfähig. Danach können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen bauliche Anlagen zugelassen werden, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können. Die Vorschrift regelt das Zusammenspiel der mit den Mitteln des § 23 Abs. 1 BauNVO bewirkten Festsetzung einer Bauverbotsfläche und den landesrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen. Sie gewährleistet, dass letztere auch innerhalb der nach Planungsrecht nicht überbaubaren Grundstücksflächen zum Tragen kommen können, es sei denn, der Bebauungsplan regelt ausdrücklich Abweichendes. Solche abweichenden Regelungen können je nach Willen des Plangebers nach Umfang und Reichweite unterschiedlich ausfallen. So ist der Plangeber im weitestgehenden Fall - bezogen auf das Landesrecht in Baden-Württemberg - berechtigt, sämtliche nach § 6 Abs. 1 bis 3 LBO privilegierten Gebäude- oder Gebäudeteile, deren Zulassung als Abweichung nach § 6 Abs. 4 LBO und auch deren Zulassungsfähigkeit als Ausnahme oder Befreiung nach § 56 LBO auszuschließen, sofern dafür städtebauliche Gründe ins Feld geführt werden können. Der Plangeber kann über § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO die abstandsrechtliche Privilegierung von Vorhaben aber auch nur teilweise einschränken, etwa indem er nur bestimmte Nutzungen und Anlagetypen ausnimmt. In gleicher Weise ist es möglich, alle oder bestimmte privilegierten Anlagen nicht auf der gesamten Bauverbotsfläche, sondern nur auf Teilen davon zu unterbinden. § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO lässt nach seinem Wortlaut wie nach seinem Zweck all diese Differenzierungen zu (zur Zulässigkeit teilgebietsbezogenen Festsetzungen vgl. auch Fickert/Fieseler a.a.O. § 23 Rn. 22). Im Umfang des jeweiligen Ausschlusses geht der Bebauungsplan dann den landesrechtlichen Bestimmungen als speziellere Vorschrift vor; letztere können nur insoweit ausgenutzt werden, als die aufgrund § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO getroffene Festsetzung dies gestattet (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O mit Rechtsprechungshinweisen); maßgeblich für Art und Umfang des Ausschlusses sind dabei die jeweils im Beurteilungszeitpunkt aktuell geltenden landesrechtlichen Vorschriften (dynamische Verweisung, vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.09.1995 - 8 S 2388/95 -, BauR 1996, 222).
24 
Gemessen daran war die Beklagte hier schon aus Rechtsgründen gehindert, die Zulassung des Kellervorbaus nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO a.F. zu prüfen. Zwar stellt der streitige Kellererweiterungs- oder -vorbau sowohl nach seinen Ausmaßen als auch nach seiner Beschaffenheit und Nutzung (Abstellen von Gartengeräten und Brennholzlagerung) einen nach § 6 Abs. 1 S. 2 LBO privilegierten Gebäudeteil mit Nebenraum dar (zu den Kriterien eines Nebenraums vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -, Juris). Jedoch steht § 8 Abs. 1 der BBV, wonach der seitliche Grenzabstand der Hauptgebäude von den Nachbargrenzen mindestens 4 m betragen muss, der Ausnutzung dieses landesrechtlichen Privilegs entgegen. § 8 Abs. 1 der BBV kann nach seinem Wortlaut und nach seiner systematischen Stellung nicht als baugestalterische Regelung im Rahmen örtlicher Bauvorschriften verstanden werden (zu dieser Möglichkeit vgl. § 74 Abs. 1 Nr. 6 LBO n.F. sowie § 111 Abs. 1 Nr. 7 LBO a.F.). Vielmehr enthält diese Vorschrift eine nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO zulässige bauplanungsrechtliche (sachliche und räumliche) Teilausschlussregelung für bestimmte abstandsflächenrechtlich privilegierte Anlagen. § 8 Abs. 1 BBV bestimmt bei richtiger Auslegung, dass Hauptgebäude auch mit privilegierten Gebäudeteilen bauplanungsrechtlich ausgeschlossen sind, soweit sie - wie hier - näher als 4 m an die Nachbargrenze heranrücken. Im Übrigen sollen, wie sich aus dem Hinweis in § 8 Abs. 3 der BBV ergibt, die jeweils aktuellen landesrechtlichen Bestimmungen des Abstandsflächenrechts fortgelten.
25 
2.2. Die damit allein noch zu prüfenden Voraussetzungen einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen schon aus Rechtsgründen nicht vor. Denn der streitige Vorbau berührt ersichtlich bereits Grundzüge der Planung. Wie sich aus § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 2 der BBV vom 07.12.1987 ergibt, die wörtlich mit den entsprechenden Regelungen im ursprünglichen Bebauungsplan übereinstimmen (vgl. §§ 8 Abs. 1 und 7 Abs. 2 der BBV vom 12.08.1969), war es - im maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Satzungsbeschlüsse (vgl. dazu Senatsurteil vom heutigen Tag - 3 S 881/06 -) ein durchgängiges Konzept des Plangebers, die Wohnhäuser (Hauptgebäude) ausnahmslos mindestens 4 m von den Nachbargrenzen fernzuhalten, innerhalb dieses Bereichs im wesentlichen nur Garagen und notwendige Stellplätze zuzulassen und dadurch eine großzügige aufgelockerte Bebauung des Plangebiets zu erreichen (zu diesem über § 23 Abs. 5 Satz 2 zu sichernden Planungsgrundzug vgl. auch Fickert/Fieseler a.a.O § 23 Rn. 22) . Dieses Konzept ist, wovon der Senat sich beim Augenschein überzeugen konnte, in der Umgebung des klägerischen Grundstücks auch weitgehend umgesetzt worden, der Bebauungsplan ist insofern keinesfalls funktionslos geworden. Würde den Klägern eine Befreiung erteilt, so könnten sich in gleicher Weise auch eine Vielzahl anderer von der Festsetzung des § 8 Abs. 1 BBV betroffener Eigentümer im Plangebiet in gleicher Weise darauf berufen. Die Befreiung würde in diesem Fall als unzulässiger Planersatz wirken und damit die Entscheidung des Plangebers im dafür vorgesehenen Verfahren unzulässig vorweg nehmen. Auch deswegen ist von einem Grundzug der Planung auszugehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.11.2006 - 8 S 361/06 -).
26 
2.3. Darauf, ob der Kellervorbau im Grenzabstand von 1,44 m bauordnungsrechtlich zulässig wäre, kommt es nach Vorstehendem nicht mehr an. Der Senat bemerkt gleichwohl, dass dies wohl nicht der Fall wäre. Denn nach § 6 Abs. 1 S. 4 LBO darf die Grenzbebauung mit privilegierten Vorhaben - dazu gehört auch die grenznahe Bebauung innerhalb der Abstandsflächen - entlang der einzelnen Nachbargrenzen insgesamt 15 m nicht überschreiten. Die Kläger haben indessen bereits an ihrer Nordgrenze als Anbau (privilegierter Abstellraum) an ihre Grenzgarage einen seitlich „überdachten Wäscheplatz“ (Gesamtlänge ca. 17 m) errichtet, wobei offen bleiben kann, ob dieser genehmigt (so nachträglich die Kläger) oder nur geduldet ist. Damit müsste der Kelleranbau objektiv-rechtlich wie in seinem nachbarschützenden Teil einen Abstand von 2,50 m einhalten (vgl. § 6 Abs. 7 LBO). Diese Abstandsflächentiefe wird aber bei weitem unterschritten. Ein Anspruch auf Zulassung einer geringeren Abstandsflächentiefe nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO käme nicht in Betracht. Denn, wie der Augenschein gezeigt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass nachbarliche Belange der Beigeladenen „nicht erheblich“ beeinträchtigt werden. Die Auslegung des Begriffs der nicht erheblichen Beeinträchtigung unterliegt nach der Rechtsprechung aller Senate des erkennenden Gerichtshofs strengen Voraussetzungen. Die Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsfläche stellt nach der Systematik des Gesetzes grundsätzlich eine nicht mehr zumutbare und somit „erhebliche“ Beeinträchtigung nachbarlicher Belange dar, ohne dass es auf das Ausmaß der Unterschreitung oder auf die tatsächliche Intensität der Beeinträchtigung ankommt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch Besonderheiten gekennzeichnet ist, die dieses Interesse der Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsfläche deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen als im Regelfall; m.a.W. müssen auf dem Nachbargrundstück Umstände vorliegen, die eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen (vgl. etwa Beschlüsse vom 18.07.1996 - 3 S 76/96 -, vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -, vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 - und vom 25.01.2000 - 5 S 2996/99 -). Solche Besonderheiten hat der erkennende Gerichtshof etwa dann in Erwägung gezogen, wenn dem in Rede stehenden Vorhaben auf seiner gesamten Breite/Tiefe eine (gemeinsame) Grenzmauer gegenüberliegt mit der Folge, dass sich keinerlei nachteilige Veränderungen auf dem Nachbargrundstück ergeben (Beschluss vom 25.01.2000, a.a.O.). Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Kelleranbau und die Grenzgarage der Beigeladenen liegen sich nur teilweise, nicht aber deckungsgleich gegenüber. Vielmehr ragt der Kellervorbau der Kläger westlich ca. 2,10 m über die Garage hinaus und wird durch die ihm in diesem Bereich gegenüberliegende niedrige Grenzmauer mit aufgesetztem Maschendrahtzaun nicht verdeckt, sondern bleibt gut sichtbar. Auch ist die hinter dem Maschendrahtzaun befindliche Kirschlorbeerhecke nicht durchgehend angelegt, sondern endet etwa auf Höhe der östlichen Außenwand des streitigen Vorbaus. Weiter bis zur Garage kann die Hecke nicht geführt werden, weil sonst die Zufahrt zur Garage verengt und damit behindert würde.
27 
3. Angesichts der mithin „unheilbaren“ Rechtswidrigkeit des von den Klägern errichteten Kellervorbaus, lag es im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, die Beseitigung anzuordnen. Dieses Ermessen hat die Beklagte (in der Fassung des Widerspruchsbescheids) fehlerfrei ausgeübt (§ 114 S. 1 VwGO) Es entspricht regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -). Solche besonderen Umstände auf Seiten der Kläger liegen nicht vor. Die Kläger können sich insbesondere nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie haben mehrfach Bauanträge gestellt und wieder zurückgezogen. Die Beklagte hat jeweils auf die Bestimmungen des Bebauungsplans bezüglich der überbaubaren Grundstücksfläche hingewiesen. Die bauplanungsrechtliche Situation war den Klägern über Jahre bekannt, gleichwohl haben sie ohne die erforderliche Baugenehmigung bzw. jedenfalls ohne die erforderliche Abweichungsentscheidung unerlaubt gebaut. Vor diesem Hintergrund erscheint die Beseitigung des Vorbaus nicht unverhältnismäßig, selbst wenn die Beigeladenen tatsächlich nur in recht geringem Umfang beeinträchtigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach Angaben seines Sohnes bereit und in der Lage ist, den Abbruch selbst und damit preiswert durchzuführen. Dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung des Baurechts gebührt unter diesen Umständen, wovon der Beklagte zutreffend ausgeht, der Vorrang. Der Beklagte ist bei seinen Erwägungen auch nicht von falschen Tatsachen ausgegangen. Er hat die Verfügung nicht angenommen, dass die Beigeladenen durch das angegriffene Vorhaben in faktisch schwerwiegender Weise beeinträchtigt würden.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
29 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
30 
Beschluss vom 13. Juni 2007
31 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
32 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
14 
Der nachgereichte Schriftsatz der Kläger vom 22.06.2007 nebst Anlagen gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gem. § 104 Abs. 3 S. 2 VwGO wieder zu eröffnen, da es auf die Frage, ob und in welchem Umfang die „Überdachung eines Wäscheplatzes“ durch den auszugsweise vorgelegten Baubescheid vom 24.08.1978 genehmigt worden ist, für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt.
15 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage der Kläger zu Unrecht stattgegeben. Entgegen seiner Auffassung ist die streitige Teilabbruchsanordnung vom 08.07.2004 der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2004 rechts- und ermessensfehlerfrei ergangen und verletzt damit Rechte der Kläger nicht (§§ 113 Abs. 1 S. 1, 114 VwGO).
16 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann der (wie hier) teilweise Abbruch einer Anlage angeordnet werden (Ermessensseite), wenn sie formell baurechtswidrig ist und seit ihrer Errichtung fortdauernd im Widerspruch zu materiellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht und nicht auf andere Weise (durch nachträgliche Baugenehmigung, Abweichungen, Ausnahmen oder Befreiungen) rechtmäßige Zustände hergestellt werden können (Tatbestandsseite; vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -; Sauter, LBO, § 65 RdNr. 22). Diesen Anforderungen werden die angefochtenen Bescheide gerecht.
17 
I. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 Satz 1 LBO liegen vor. Genehmigt ist auf der Südseite des Wohnhauses der Kläger ein Balkon im Dachgeschoss und im Erdgeschoss. Der Erdgeschossbalkon von 5,94 m Länge und ca. 2,20 m Tiefe hält zur südlichen Grundstücksgrenze einen Abstand von 2,91 m ein (Unterseite, vgl. Aufmaßskizze in Bauakten). Der vom Abbruch betroffene Gebäudeteil betrifft einen unterhalb des Balkons liegenden, nach Süden auskragenden Kelleranbau mit abfallendem Dach von 5,98 m Länge und einem Grenzabstand von 1,44 m. Der Anbau ist auf der Westseite mit einer Außentür versehen. Innen ist er geschlossen, Verbindungen zum sonstigen Keller gibt es nicht. Der Raum dient als Abstellraum für Gartengeräte und Holz. Die Höhe der grenznahen Außenwand des Anbaus beträgt 1,64 m (über Gelände Nachbargrundstück) bzw. 1,50 m (über Gelände Baugrundstück) an seiner Westecke und 0,90 m bzw. 0,80 m an der Ostecke (vgl. ebenfalls die Aufmaßskizze).
18 
1. Mit diesen Ausmaßen und Grenzabständen ist das vom Abbruch betroffene Vorhaben formell baurechtswidrig. Zwar sind nach § 50 Abs. 1 LBO i.V.m. Nr. 10 des Anhangs Vorbauten ohne Aufenthaltsräume bis 40 cbm Rauminhalt verfahrensfrei. Jedoch ist das Vorhaben vorliegend wegen seiner grenznahen Lage jedenfalls bauplanungsrechtlich befreiungsbedürftig (dazu nachfolgend) und die diesbezüglich nach § 51 Abs. 5 S. 1 LBO erforderliche Befreiung der Baurechtsbehörde wurde weder beantragt noch erteilt.
19 
2. Der streitige Vorbau ist seit seiner Errichtung jedenfalls in bauplanungsrechtlicher Hinsicht auch fortdauernd materiell baurechtswidrig. Denn er verstößt gegen Festsetzungen des Bebauungsplans für die Gewanne „Im Blechleacker, Im Schuppenacker, Hinterm Dorf, Im Bühl und Vorderhard “ der Gemeinde Ohlsbach in der Fassung vom 23.02.1988. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen diesen Bebauungsplan sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Insbesondere sind solche Bedenken nicht gegen § 8 Abs. 3 der Bebauungsvorschriften (BBV) vom 07.12.1987 zu erheben. Diese Bestimmung, wonach „im übrigen... die Bestimmungen der §§ 7,8, u. 9 der Landesbauordnung ..... vom 6.4.1964 ... in der Fassung vom 28. Nov. 1983“ gelten, wäre zwar unzulässig, sollte sie als eigenständige planungsrechtliche Regelung mit statischer Bezugnahme auf die damals geltenden bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen auszulegen sein. Denn § 9 Abs. 1 Nr. 2 BBauG in der damaligen Fassung (BBauG 1977/1986 - anders heute § 9 Abs. 1 Nr. 2 a BauGB 2004) ermächtigt nicht unmittelbar zur Festsetzung von Abstandsflächen, sondern gestattet nur die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen und Bebauungstiefen nach § 23 Abs. 1 BauNVO mit den sich daraus gem. § 23 Abs. 2 - 5 BauNVO ergebenden Rechtsfolgen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.01.2006 - 5 S 2335/05 -, VBlBW 2006, 350). § 8 Abs. 3 der BBV trifft ersichtlich aber keine eigenständige planungsrechtliche Regelung, sondern enthält - wie bereits § 8 Abs. 3 der vorangegangenen BBV vom 12.08.1969 - einen bloßen (deklaratorischen) Hinweis auf die jeweilige bauordnungsrechtliche Rechtslage (so zutreffend auch VGH Bad.-Württ. a.a.O. in einer vergleichbaren Konstellation). Nur dieses Verständnis des § 8 Abs. 3 der BBV macht auch Sinn im Zusammenhang mit der Regelung in § 8 Abs. 1 der BBV (dazu nachfolgend).
20 
Der Verstoß gegen das Bauverbot nach § 23 Abs. 2 S. 1 BauNVO a.F. kann auch nicht durch eine Abweichungsentscheidung beseitigt werden. Vielmehr scheidet die Herstellung (bauplanungsrechtlich) rechtmäßiger Zustände durch eine - allein in Betracht kommende - Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO a.F. (dazu 2.1) oder eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB a.F. (dazu 2.2.) schon aus Rechtsgründen aus.
21 
2.1 Die Voraussetzungen einer Zulassung des Vorbaus im Ermessensweg nach § 23 Abs. 5 BauNVO liegen nicht vor.
22 
a) Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 5 S. 1 BauNVO a.F. sind offensichtlich nicht erfüllt. Zum einen ist der streitige Erweiterungsbau Teil des Hauptgebäudes und damit schon keine Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO (so in einem vergleichbaren Fall BVerwG, Beschluss vom 14.02.1994 - 4 B 18.94 -, UPR 1994, 263 sowie Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 14 RdNr. 4.11). Zum anderen schließt der Bebauungsplan nach § 7 Abs. 2 BBV auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen aber auch alle Nebenanlagen aus, soweit es sich nicht um Garagen und um erforderliche Abstellplätze handelt.
23 
b) Der Vorbau ist entgegen der Auffassung der Kläger ferner auch nicht nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO a.F. zulassungsfähig. Danach können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen bauliche Anlagen zugelassen werden, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können. Die Vorschrift regelt das Zusammenspiel der mit den Mitteln des § 23 Abs. 1 BauNVO bewirkten Festsetzung einer Bauverbotsfläche und den landesrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen. Sie gewährleistet, dass letztere auch innerhalb der nach Planungsrecht nicht überbaubaren Grundstücksflächen zum Tragen kommen können, es sei denn, der Bebauungsplan regelt ausdrücklich Abweichendes. Solche abweichenden Regelungen können je nach Willen des Plangebers nach Umfang und Reichweite unterschiedlich ausfallen. So ist der Plangeber im weitestgehenden Fall - bezogen auf das Landesrecht in Baden-Württemberg - berechtigt, sämtliche nach § 6 Abs. 1 bis 3 LBO privilegierten Gebäude- oder Gebäudeteile, deren Zulassung als Abweichung nach § 6 Abs. 4 LBO und auch deren Zulassungsfähigkeit als Ausnahme oder Befreiung nach § 56 LBO auszuschließen, sofern dafür städtebauliche Gründe ins Feld geführt werden können. Der Plangeber kann über § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO die abstandsrechtliche Privilegierung von Vorhaben aber auch nur teilweise einschränken, etwa indem er nur bestimmte Nutzungen und Anlagetypen ausnimmt. In gleicher Weise ist es möglich, alle oder bestimmte privilegierten Anlagen nicht auf der gesamten Bauverbotsfläche, sondern nur auf Teilen davon zu unterbinden. § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO lässt nach seinem Wortlaut wie nach seinem Zweck all diese Differenzierungen zu (zur Zulässigkeit teilgebietsbezogenen Festsetzungen vgl. auch Fickert/Fieseler a.a.O. § 23 Rn. 22). Im Umfang des jeweiligen Ausschlusses geht der Bebauungsplan dann den landesrechtlichen Bestimmungen als speziellere Vorschrift vor; letztere können nur insoweit ausgenutzt werden, als die aufgrund § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO getroffene Festsetzung dies gestattet (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O mit Rechtsprechungshinweisen); maßgeblich für Art und Umfang des Ausschlusses sind dabei die jeweils im Beurteilungszeitpunkt aktuell geltenden landesrechtlichen Vorschriften (dynamische Verweisung, vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.09.1995 - 8 S 2388/95 -, BauR 1996, 222).
24 
Gemessen daran war die Beklagte hier schon aus Rechtsgründen gehindert, die Zulassung des Kellervorbaus nach § 23 Abs. 5 S. 2 BauNVO a.F. zu prüfen. Zwar stellt der streitige Kellererweiterungs- oder -vorbau sowohl nach seinen Ausmaßen als auch nach seiner Beschaffenheit und Nutzung (Abstellen von Gartengeräten und Brennholzlagerung) einen nach § 6 Abs. 1 S. 2 LBO privilegierten Gebäudeteil mit Nebenraum dar (zu den Kriterien eines Nebenraums vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -, Juris). Jedoch steht § 8 Abs. 1 der BBV, wonach der seitliche Grenzabstand der Hauptgebäude von den Nachbargrenzen mindestens 4 m betragen muss, der Ausnutzung dieses landesrechtlichen Privilegs entgegen. § 8 Abs. 1 der BBV kann nach seinem Wortlaut und nach seiner systematischen Stellung nicht als baugestalterische Regelung im Rahmen örtlicher Bauvorschriften verstanden werden (zu dieser Möglichkeit vgl. § 74 Abs. 1 Nr. 6 LBO n.F. sowie § 111 Abs. 1 Nr. 7 LBO a.F.). Vielmehr enthält diese Vorschrift eine nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO zulässige bauplanungsrechtliche (sachliche und räumliche) Teilausschlussregelung für bestimmte abstandsflächenrechtlich privilegierte Anlagen. § 8 Abs. 1 BBV bestimmt bei richtiger Auslegung, dass Hauptgebäude auch mit privilegierten Gebäudeteilen bauplanungsrechtlich ausgeschlossen sind, soweit sie - wie hier - näher als 4 m an die Nachbargrenze heranrücken. Im Übrigen sollen, wie sich aus dem Hinweis in § 8 Abs. 3 der BBV ergibt, die jeweils aktuellen landesrechtlichen Bestimmungen des Abstandsflächenrechts fortgelten.
25 
2.2. Die damit allein noch zu prüfenden Voraussetzungen einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen schon aus Rechtsgründen nicht vor. Denn der streitige Vorbau berührt ersichtlich bereits Grundzüge der Planung. Wie sich aus § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 2 der BBV vom 07.12.1987 ergibt, die wörtlich mit den entsprechenden Regelungen im ursprünglichen Bebauungsplan übereinstimmen (vgl. §§ 8 Abs. 1 und 7 Abs. 2 der BBV vom 12.08.1969), war es - im maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Satzungsbeschlüsse (vgl. dazu Senatsurteil vom heutigen Tag - 3 S 881/06 -) ein durchgängiges Konzept des Plangebers, die Wohnhäuser (Hauptgebäude) ausnahmslos mindestens 4 m von den Nachbargrenzen fernzuhalten, innerhalb dieses Bereichs im wesentlichen nur Garagen und notwendige Stellplätze zuzulassen und dadurch eine großzügige aufgelockerte Bebauung des Plangebiets zu erreichen (zu diesem über § 23 Abs. 5 Satz 2 zu sichernden Planungsgrundzug vgl. auch Fickert/Fieseler a.a.O § 23 Rn. 22) . Dieses Konzept ist, wovon der Senat sich beim Augenschein überzeugen konnte, in der Umgebung des klägerischen Grundstücks auch weitgehend umgesetzt worden, der Bebauungsplan ist insofern keinesfalls funktionslos geworden. Würde den Klägern eine Befreiung erteilt, so könnten sich in gleicher Weise auch eine Vielzahl anderer von der Festsetzung des § 8 Abs. 1 BBV betroffener Eigentümer im Plangebiet in gleicher Weise darauf berufen. Die Befreiung würde in diesem Fall als unzulässiger Planersatz wirken und damit die Entscheidung des Plangebers im dafür vorgesehenen Verfahren unzulässig vorweg nehmen. Auch deswegen ist von einem Grundzug der Planung auszugehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.11.2006 - 8 S 361/06 -).
26 
2.3. Darauf, ob der Kellervorbau im Grenzabstand von 1,44 m bauordnungsrechtlich zulässig wäre, kommt es nach Vorstehendem nicht mehr an. Der Senat bemerkt gleichwohl, dass dies wohl nicht der Fall wäre. Denn nach § 6 Abs. 1 S. 4 LBO darf die Grenzbebauung mit privilegierten Vorhaben - dazu gehört auch die grenznahe Bebauung innerhalb der Abstandsflächen - entlang der einzelnen Nachbargrenzen insgesamt 15 m nicht überschreiten. Die Kläger haben indessen bereits an ihrer Nordgrenze als Anbau (privilegierter Abstellraum) an ihre Grenzgarage einen seitlich „überdachten Wäscheplatz“ (Gesamtlänge ca. 17 m) errichtet, wobei offen bleiben kann, ob dieser genehmigt (so nachträglich die Kläger) oder nur geduldet ist. Damit müsste der Kelleranbau objektiv-rechtlich wie in seinem nachbarschützenden Teil einen Abstand von 2,50 m einhalten (vgl. § 6 Abs. 7 LBO). Diese Abstandsflächentiefe wird aber bei weitem unterschritten. Ein Anspruch auf Zulassung einer geringeren Abstandsflächentiefe nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO käme nicht in Betracht. Denn, wie der Augenschein gezeigt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass nachbarliche Belange der Beigeladenen „nicht erheblich“ beeinträchtigt werden. Die Auslegung des Begriffs der nicht erheblichen Beeinträchtigung unterliegt nach der Rechtsprechung aller Senate des erkennenden Gerichtshofs strengen Voraussetzungen. Die Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsfläche stellt nach der Systematik des Gesetzes grundsätzlich eine nicht mehr zumutbare und somit „erhebliche“ Beeinträchtigung nachbarlicher Belange dar, ohne dass es auf das Ausmaß der Unterschreitung oder auf die tatsächliche Intensität der Beeinträchtigung ankommt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch Besonderheiten gekennzeichnet ist, die dieses Interesse der Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsfläche deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen als im Regelfall; m.a.W. müssen auf dem Nachbargrundstück Umstände vorliegen, die eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen (vgl. etwa Beschlüsse vom 18.07.1996 - 3 S 76/96 -, vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -, vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 - und vom 25.01.2000 - 5 S 2996/99 -). Solche Besonderheiten hat der erkennende Gerichtshof etwa dann in Erwägung gezogen, wenn dem in Rede stehenden Vorhaben auf seiner gesamten Breite/Tiefe eine (gemeinsame) Grenzmauer gegenüberliegt mit der Folge, dass sich keinerlei nachteilige Veränderungen auf dem Nachbargrundstück ergeben (Beschluss vom 25.01.2000, a.a.O.). Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Kelleranbau und die Grenzgarage der Beigeladenen liegen sich nur teilweise, nicht aber deckungsgleich gegenüber. Vielmehr ragt der Kellervorbau der Kläger westlich ca. 2,10 m über die Garage hinaus und wird durch die ihm in diesem Bereich gegenüberliegende niedrige Grenzmauer mit aufgesetztem Maschendrahtzaun nicht verdeckt, sondern bleibt gut sichtbar. Auch ist die hinter dem Maschendrahtzaun befindliche Kirschlorbeerhecke nicht durchgehend angelegt, sondern endet etwa auf Höhe der östlichen Außenwand des streitigen Vorbaus. Weiter bis zur Garage kann die Hecke nicht geführt werden, weil sonst die Zufahrt zur Garage verengt und damit behindert würde.
27 
3. Angesichts der mithin „unheilbaren“ Rechtswidrigkeit des von den Klägern errichteten Kellervorbaus, lag es im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, die Beseitigung anzuordnen. Dieses Ermessen hat die Beklagte (in der Fassung des Widerspruchsbescheids) fehlerfrei ausgeübt (§ 114 S. 1 VwGO) Es entspricht regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -). Solche besonderen Umstände auf Seiten der Kläger liegen nicht vor. Die Kläger können sich insbesondere nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie haben mehrfach Bauanträge gestellt und wieder zurückgezogen. Die Beklagte hat jeweils auf die Bestimmungen des Bebauungsplans bezüglich der überbaubaren Grundstücksfläche hingewiesen. Die bauplanungsrechtliche Situation war den Klägern über Jahre bekannt, gleichwohl haben sie ohne die erforderliche Baugenehmigung bzw. jedenfalls ohne die erforderliche Abweichungsentscheidung unerlaubt gebaut. Vor diesem Hintergrund erscheint die Beseitigung des Vorbaus nicht unverhältnismäßig, selbst wenn die Beigeladenen tatsächlich nur in recht geringem Umfang beeinträchtigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach Angaben seines Sohnes bereit und in der Lage ist, den Abbruch selbst und damit preiswert durchzuführen. Dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung des Baurechts gebührt unter diesen Umständen, wovon der Beklagte zutreffend ausgeht, der Vorrang. Der Beklagte ist bei seinen Erwägungen auch nicht von falschen Tatsachen ausgegangen. Er hat die Verfügung nicht angenommen, dass die Beigeladenen durch das angegriffene Vorhaben in faktisch schwerwiegender Weise beeinträchtigt würden.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
29 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
30 
Beschluss vom 13. Juni 2007
31 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
32 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2012 - 5 K 588/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung des Beklagten, einen von ihm errichteten Anbau an ein Wohngebäude abzubrechen.
Der Kläger erwarb im Jahr 2007 das Grundstück Flst.-Nr. ... im Gewann W..., Gemarkung B., U... 13. Zum Zeitpunkt seines Erwerbs war das Grundstück mit einem im Jahr 1985 genehmigten Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m² bebaut. Das Grundstück befindet sich im Bereich des Wochenendhausgebiets „Wanne“. Für dieses Gebiet beschloss der Gemeinderat der Gemeinde B. am 21.3.1961 unter Aufhebung bisher geltender Bestimmungen den Erlass einer „Ortsbausatzung über die Errichtung von Wochenendhäusern auf den Markungen des Gemeindebezirks B.“ (OBS). Nach § 2 OBS sind Wochenendhäuser nur für den vorübergehenden Aufenthalt, insbesondere über das Wochenende oder in Ferienzeiten, bestimmt. Nach § 4 OBS darf die Grundfläche der Wochenendhäuser 35 m² nicht überschreiten.
Schon im Jahr 1994 kam es zu Beschwerden einzelner Grundstückseigentümer gegenüber dem Landratsamt Heilbronn, wonach andere Eigentümer sich über die Regelungen der Ortsbausatzung hinwegsetzten, ihre Wochenendhäuser „schwarz“ erweiterten und zum dauerhaften Wohnen nutzten. Nach einem vom damaligen Dezernenten gebilligten Aktenvermerk vom 9.6.1996 wurde jedoch von einem Einschreiten abgesehen, da es sich um Erweiterungsbauten meist älterer Leute handele und daher mit künftigen Erweiterungen nicht mehr zu rechnen sei. Im Jahr 2007 waren so im Gebiet „Wanne“ eine erhebliche Anzahl von Gebäuden mit einer Grundfläche von mehr als 35 m2 vorhanden sowie eine erhebliche Anzahl von Gebäuden, die zum dauerhaften Wohnen genutzt wurden. Die Voreigentümer des klägerischen Grundstücks schrieben im März 2007 die Stadtverwaltung B.s mit Fragen zur zulässigen Bebauung an und forderten sie zum Einschreiten gegen „illegal erstellte Anbauten“ auf. Dieses Schreiben leitete die Stadtverwaltung mangels Baurechtszuständigkeit an das Landratsamt weiter. Dem Landratsamt kamen in diesem Zusammenhang Zweifel an der Gültigkeit der Ortsbausatzung. In einem von Sachgebietsleiter am 13.4.2007 unterschriebenen Vermerk wurde deswegen vorgeschlagen:
„Weiteres Vorgehen:
1. Erhebung des rechtlichen Status…
2. Zielbesprechung. Bisherigen Baulichkeiten sollen geduldet werden, neue Bauten unter best. festzulegenden Bedingungen genutzt und ggf. neu gebaut werden dürfen. Gemeinde muss hier mit ins Boot genommen werden… Bebauungsplan durch Gemeinde als Ziel“.
Der Bürgermeister der Stadt B. erklärte jedoch im Juni 2007 gegenüber dem Landratsamt, die Aufstellung eine Bebauungsplans sei nicht beabsichtigt. Daraufhin ordnete das Baurechtsamt eine Auflistung der feststellbaren baurechtlichen Verstöße an. Das Vermessungsamt ermittelte danach die Grundflächen der vorhandenen Gebäude und fertigte zwei entsprechende Karten, die das Datum 16.1.2008 tragen Auf dem Grundstück des Klägers ist in den Karten neben einer Garage ein Hauptgebäude mit einer Grundfläche von rund 38 m2 verzeichnet.
Der Sachgebietsleiter der Baurechtsbehörde entschied am 28.3.2008, die Karten dem Bürgermeister zuzuleiten mit der nochmaligen Anregung, einen Bebauungsplan aufzustellen. Falls die Stadt dem nicht nachkomme, würden Bauvorhaben, deren Zustand auf den Karten dokumentiert sei, genehmigt oder zumindest geduldet. Neufälle, die die in den Karten verzeichneten Maße der baulichen Anlagen überschritten, müssten dagegen zurückgebaut werden. Der Bürgermeister antwortete darauf am 17.4.2008, dass für den Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplans zur Legalisierung bisheriger Verstöße „auf gar keinen Fall in Betracht“ komme. Man wünsche sogar, Altfälle aufzugreifen.
Bereits Mitte Dezember 2007 hatte das Landratsamt einen Hinweis auf einen Schwarzbau im Bereich des Unteren Wannenwegs erhalten. Daraufhin stellte ein Baukontrolleur am 31.1.2008 auf dem klägerischen Grundstück einen Erweiterungsbau fest, durch den sich die Grundfläche des entstandenen Gesamtgebäudes auf rund 92 m² erhöht. Mit Verfügung vom 4.2.2008 ordnete das Landratsamt die sofortige Einstellung der Bauarbeiten an und forderte den Kläger auf, Planunterlagen einzureichen. Nach einem Aktenvermerk des Landratsamts über einen erneuten Ortstermin am 27.3.2008 wurde „der Anbau zwischenzeitlich fertig gestellt. Der Innenausbau war bis auf Streicharbeiten (gerade in Garage) abgeschlossen. Daher hat sich Herr H. nicht an den Baustopp gehalten“.
Mit Schreiben vom 28.3.2008 wurde der Kläger zum Erlass einer Abbruchs- und Rückbauanordnung angehört. Mit Schriftsatz vom 2.6.2008 legte er Planunterlagen über den Umfang der Baumaßnahmen vor und führte aus, die Bestimmungen der Ortsbausatzung seien durch die tatsächliche Handhabung und Entwicklung in den letzten Jahren wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Nun ausgerechnet gegen ihn einzuschreiten, sei wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz rechtswidrig.
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Mit Verfügung vom 4.9.2008 ordnete das Landratsamt gegenüber dem Kläger an, den errichteten Anbau abzubrechen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Anbau sei formell und materiell baurechtswidrig. Er sei ohne Baugenehmigung im Außenbereich errichtet worden und könne als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB nicht zugelassen werden, da er Bestimmungen der wirksamen Ortsbausatzung verletze und damit öffentliche Belange beeinträchtige. Das Anordnungsermessen sei dahingehend auszuüben, die Beseitigung des Anbaus zu verlangen. Denn das Interesse des Klägers an der Erhaltung einer durch eigenmächtiges Handeln erlangten Position sei gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung baurechtsgemäßer Zustände nachgeordnet. Ein weniger belastendes Mittel stehe nicht zur Verfügung. Die Anordnung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
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Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 7.10.2008 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Überbauung seines Grundstücks richte sich nicht nach § 35 BauGB, sondern nach § 34 BauGB. Maßgeblich hierfür sei die in der Umgebung tatsächlich vorhandene Bebauung. In diese füge sich sein Bauvorhaben ein.
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Mit Bescheid vom 18.1.2011 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der errichtete Anbau sei materiell rechtswidrig, da er gegen § 4 OBS verstoße, der als Bestimmung eines einfachen Bebauungsplans fortgelte. Dieser einfache Bebauungsplan sei auch nicht wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Denn das von ihm umfasste Wochenendhausgebiet bestehe aus 101 Grundstücken. Im März 2010 seien auf 33 Grundstücken Wohnsitze gemeldet gewesen und auf 29 Grundstücken sei die Gebäudegrundfläche von 35 m² überschritten worden. Der ganz überwiegende Teil der Grundstücke werde daher nicht entgegen den Regelungen der Ortsbausatzung genutzt. Die Abbruchsanordnung sei auch ermessensfehlerfrei. Zwar sei sie für den Kläger mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden, doch habe er aufgrund seiner Vorgehensweise das Risiko einer baurechtswidrigen Ausführung selbst zu tragen. Die Abbruchsanordnung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser hindere die Baurechtsbehörde bei Schwarzbauten nicht, auch den Abbruch größerer Bauwerke zu verlangen, denn der Bauherr habe in einem solchen Fall bewusst auf eigenes Risiko gehandelt. Ferner verstoße die Abbruchsanordnung auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Das Landratsamt habe sich dazu entschieden, alle Gebäude mit einer Grundfläche von mehr als 35 m², die in einer vom Vermessungsamt gefertigten Karte eingezeichnet seien, nicht mehr aufzugreifen. Dagegen werde gegen alle Gebäude bzw. Gebäudeteile, die in der Karte eine zulässige Gebäudegrundfläche aufwiesen und später vergrößert würden, vorgegangen.
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Der Kläger hat am 18.2.2011 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Mit Urteil vom 9.10.2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage nach Einnahme eines Augenscheins abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtene Abbruchsanordnung sei nicht zu beanstanden. Denn für den Anbau fehle es an einer Baugenehmigung, er verstoße gegen materielles Recht und auf andere Weise als durch den Erlass der Abbruchsanordnung könnten rechtmäßige Zustände nicht hergestellt werden. Die materielle Rechtswidrigkeit lasse sich allerdings nicht auf einen Verstoß gegen die Ortsbausatzung der Gemeinde B. stützen, das die Satzung mangels Bekanntmachung nicht wirksam zustande gekommen sei. Damit richte sich die Zulässigkeit des Anbaus nach § 35 BauGB. Denn das Vorhaben des Klägers liege nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, da sich die in seiner Umgebung vorhandene Bebauung nicht als Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur darstelle. Als im Außenbereich nicht privilegiertes Vorhaben könne der Anbau des Klägers somit nur zugelassen werden, wenn er keine öffentlichen Belange beeinträchtige. Er lasse jedoch die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten. Zudem fehle es an einer ausreichenden Erschließung jedenfalls in abwasserrechtlicher Hinsicht. Das somit eröffnete Ermessen zum Erlass einer Abbruchsanordnung sei fehlerfrei ausgeübt worden. Insbesondere fehle es an Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dieser Grundsatz gebiete es nicht, rechtswidrige Zustände stets „flächendeckend“ zu bekämpfen. Die Baurechtsbehörde müsse sich für ihr Vorgehen nur bestimmte Regeln setzen und diese auch befolgen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz werde nur dann begründet, wenn sie zeitgleich oder später errichtete vergleichbare Vorhaben ungleich behandele. Nach diesen Maßgaben habe das Landratsamt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Denn es sei gegen den klägerischen Anbau noch in dessen Errichtungsphase eingeschritten. Weiter sei glaubhaft, dass seither gegen jeden weiteren bekannt gewordenen Fall eines Ausbaus der Häuser im Gewann Wanne eingeschritten werde.
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Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 11.9.2013 die Berufung zugelassen.
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Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung geltend, die angefochtene Abbruchsanordnung und der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abbruchsanordnung fehlten und überdies das Anordnungsermessen fehlerhaft ausgeübt worden sei. Der Anordnungstatbestand sei nicht erfüllt, da das vergrößerte Wohnhaus planungsrechtlich zulässig sei. Die Ortsbausatzung der Gemeinde B. über die Bebauung des Wochenendhausgebiets sei nicht wirksam zustande gekommen und damit für die Zulässigkeit des Anbaus ohne Bedeutung. Das Baugrundstück liege in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht verneint, dass der Bebauungskomplex im Bereich Wanne Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sei. Denn dieser Komplex, insbesondere auch entlang des U... Wegs, bestehe aus Wochenendhäusern und massiven Wohnhäusern, häufig mit Grundflächen zwischen 76 m2 bis zu 112 m2. Ob dieser Bebauungskomplex als städtebauliche Einheit in Erscheinung trete oder stark durchgrünt sei, sei für die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur ebenso unerheblich wie seine Entstehungsgeschichte. In die solchermaßen gebildete Umgebungsbebauung füge sich sein Wohngebäude mit Anbau ein. Das gelte auch für das Maß der baulichen Nutzung. Denn die Grundfläche des entstandenen Gesamtgebäudes mit rund 92 m2 füge sich in die Bandbreite der in der Umgebung vorhandenen Grundflächen von Wohnhäusern ein. Nicht anderes gelte für die Zahl der Vollgeschosse, weil das neu entstandene Gebäude nur eines aufweise und seine Firsthöhe mit 4,3 m auf der Südseite dem durch die Umgebung geprägten Rahmen entspreche. Selbst wenn man zur Auffassung komme, der Anbau sei doch rechtswidrig, sei jedenfalls das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden. Denn dem Konzept des Landratsamts für ein bauaufsichtliches Einschreiten liege zugrunde, nur gegen bauliche Anlagen einzuschreiten, die nach dem 16.1.2008, dem Tag der Erstellung der beiden Karten des Vermessungsamts, errichtet worden seien. Zu diesem Stichtag sei sein Anbau aber längst vollständig fertig gestellt gewesen. Dagegen sei das Landratsamt gegen andere bauliche Anlagen, die nach dem 16.1.2008 errichtet worden seien, bislang nicht eingeschritten. In einem Fall, auf dem Grundstück Flst.-Nr. ..., habe das Landratsamt sogar ein Gebäude mit einer Grundfläche von rund 70 m2 genehmigt.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9.10.2012 - 5 K 588/11 - zu ändern und die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 aufzuheben.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Es erwidert, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abbruchsanordnung lägen vor. Das Vorhabengrundstück liege im Außenbereich. Für die Annahme, dort bestehe ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil, fehle es schon an einer organischen Siedlungsstruktur. Das Verwaltungsgericht habe nach Einnahme eines Augenscheins aus dem Umständen des Einzelfalls zu Recht geschlossen, dass es sich bei der Bebauung im Bereich Wanne um eine Splittersiedlung handele. Selbst wenn das anders zu sehen sein und doch ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorliegen sollte, füge sich das klägerische Vorhaben nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein. Da das Wohnhaus des Klägers durch seine äußere Erscheinungsform die Umgebung dominiere, sei der Rahmen, der zur Beurteilung seines Einfügens zu wählen sei, weit zu ziehen und entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf die auf der nördlichen Seite des U... Wegs belegenen Vorhaben zu beschränken. In den so zu bestimmenden Rahmen füge sich ein Gebäude mit 92 m2 Grundfläche keinesfalls ein. Eines der angrenzenden Wohnhäuser habe z.B. nur eine Grundfläche von 50 m2. Von 68 Wochenend-/Wohnhäusern hätten 49 eine Grundfläche von lediglich bis zu 39 m². Lediglich sieben bis acht hätten eine Grundfläche von 73 bis 94 m². Sei der Anbau somit in jedem Fall planungsrechtlich unzulässig, lasse die Ausübung des Anordnungsermessens keine Fehler erkennen. Das Einschreiten gegen das klägerische Vorhaben sei nicht gleichheitswidrig, zumal es am 16.1.2008 nicht fertiggestellt gewesen sei. Dagegen spreche schon, dass am 31.1.2008 noch ein Gerüst angebracht gewesen sei und selbst am 27.3.2008 noch Malerarbeiten stattgefunden hätten. Was die übrigen Baulichkeiten betreffe, warte das Landratsamt den Ausgang dieses Verfahrens als Musterverfahren ab. Auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... sei zwar im Jahr 1997 ein Gebäude genehmigt worden, doch nur dessen Untergeschoss überschreite die 35 m2 Grenze deutlich, nicht aber seine oberirdische Gebäudeteile.
21 
Der Senat hat das Baugrundstück und dessen nähere Umgebung in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen.
22 
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Akten des Verwaltungsgerichts, des Regierungspräsidiums Stuttgart und des Landratsamts Heilbronn verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Klägers ist auch sonst zulässig, insbesondere - nach Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden - fristgerecht (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) und ausreichend (§ 124a Abs. 3 VwGO) begründet worden. Sie dringt aber in der Sache nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 und den diese bestätigenden Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 zu Recht abgewiesen. Denn beide Bescheide sind rechtmäßig und können daher den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann das Landratsamt als zuständige untere Baurechtsbehörde (§§ 46 Abs. 1 Nr. 3 u. 48 Abs. 1 LBO) den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach dieser Ermächtigungsgrundlage liegen hinsichtlich des Anbaus des Klägers vor. Denn seine Errichtung war und ist baurechtswidrig (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise als durch den Erlass einer Abbruchsanordnung hergestellt werden (II.) und die erfolgte Ausübung des Anordnungsermessens ist nicht zu beanstanden (III.).
I.
25 
Das durch den Anbau des Klägers vergrößerte Wohngebäude verstößt fortlaufend gegen materielles Baurecht.
26 
Ein nach § 65 Satz 1 LBO erforderlicher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf den durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz voraus, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 - BauR 1988, 576 zum vergleichbaren Landesrecht in Rheinland-Pfalz; Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Reichelt/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1128).
27 
Der von dem Kläger errichtete Anbau, der unstreitig nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist, widerspricht dem materiellen Baurecht. Zwar ist die Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, gegen deren Bestimmungen das klägerische Vorhaben verstoßen würde, nie wirksam in Kraft gesetzt worden (dazu 1.). Das Grundstück des Klägers liegt auch nicht im Außenbereich, sondern in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (2.). Doch nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorhaben unzulässig, da es sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (dazu 3.), so dass es keiner Entscheidung des Senats bedarf, ob seine Erschließung gesichert ist.
28 
1. Der Anbau des Klägers verstößt nicht gegen die Bestimmungen der Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, da diese nie Wirksamkeit erlangt hat.
29 
Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten geht der Senat davon aus, dass es an der nach § 174 Abs. 1 BBauG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 WürttBauO 1910 (RegBl. S. 333) erforderlichen Bekanntmachung der Ortsbausatzung nach ihrer Genehmigung durch die damalige Aufsichtsbehörde fehlt, wobei dahinstehen kann, ob sich das Genehmigungserfordernis, wie das Verwaltungsgericht meint, aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Baugestaltung (v. 10.11.1936, RGBl I, S. 938), aus Art. 4 WürttBauO 1910 oder aus § 10 Aufbaugesetz (v. 18.8.1948, RegBl. S. 127) ergab.
30 
2. Das Vorhabengrundstück liegt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern in einem Bebauungszusammenhang, der einen Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet.
31 
Ein vorhandener Bebauungszusammenhang ist als Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen, wenn er nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, st. Rspr seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.66 - BVerwGE 31, 22; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. d. Senats v. 17.10.2003 - 3 S 2298/02 - VBlBW 2004, 345). Das ist beim Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ der Fall.
32 
a) Im Gebiet „Wanne“ befinden sich - abgesehen von einigen Nebengebäuden wie Schuppen - insgesamt rund 69 Häuser. Allerdings ist nicht jede bauliche Anlage geeignet, zu einem „Bebauungszusammenhang“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beizutragen, sondern nur solche, die für eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung maßstabsbildend sind. Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Beschl. v. 2.8.2001 - 4 B 26.01 - BauR 2002, 277; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Abzustellen ist dabei regelmäßig auf den durch die Baugenehmigung vorgegebenen Nutzungszweck (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012 - 3 L 3/08 - juris).
33 
Danach bestünde im Bereich „Wanne“ kein Bebauungszusammenhang, weil kein einziges der vorhandenen Häuser für eine Nutzung zum dauerhaften Wohnen genehmigt worden ist. Eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz gilt aber dann, wenn sich die zuständige Behörde mit einer von den erteilten Baugenehmigungen abweichenden kontinuierlichen Wohnnutzung auf Dauer abgefunden hat (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011, a.a.O.). Das ist hier der Fall. Denn das zuständige Landratsamt hat aktenkundig bereits in den 90er-Jahren auf ein Einschreiten gegenüber den schon damals dauerhaft dort Wohnenden verzichtet. Damit sind derzeit rund 25 Häuser, deren Nutzung zum dauerhaften Wohnen seit langem geduldet wird, in der Umgebung des Grundstücks des Klägers vorhanden.
34 
b) Diese Anzahl maßstabsbildender Baulichkeiten hat das erforderliche Gewicht zur Bildung eines Ortsteils, zumal zur Stadt B. auch eingemeindete Teilorte mit nur rund 30 Einwohnern gehören.
35 
c) Der zusammenhängende Bebauungskomplex aus rund 25 geduldet zum dauerhaften Wohnen benutzten Häusern, rund 45 Wochenendhäusern und einigen Nebengebäuden ist Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Dieser Begriff ist aus der Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) zu verstehen (st. Rspr. d. BVerwG seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.68 - BVerwGE 31, 22; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Der Annahme einer organischen Siedlungsstruktur steht insbesondere entgegen, wenn es sich um eine Anhäufung nur behelfsmäßiger Bauten oder eine völlig regellos angeordnete Bebauung handelt. Dagegen kann nicht gefordert werden, dass die Bebauung nach Art und Zweckbestimmung einheitlich ist. Ebenso unerheblich ist, ob die Infrastruktur des Bebauungskomplexes ein eigenständiges Leben dort gestattet (Urt. des Senats v. 10.9.1998 - 3 S 1866/98 - VBlBW 1999, 139). Zu fragen ist vielmehr, ob die vorhandenen Bauten eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung vorgeben (Urt. des Senats v. 10.7.2006, a.a.O.). Das ist hier der Fall.
36 
Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, es fehle an dem Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur des Bebauungskomplexes im Bereich „Wanne“, primär auf den optischen Eindruck gestützt, wonach dort große durchgrünte Grundstücke mit nur schmalen Wegen vorhanden seien und dem Betrachter nur vereinzelt bauliche Anlagen auffielen, die zudem noch sehr „verschieden“ seinen. Dieser optische Eindruck werde durch Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes bestätigt. Denn der Komplex sei nicht selbständig und natürlich gewachsen, sondern auf Grund der (unerkannt unwirksamen) Ortsbausatzung dort bewusst und gewollt entstanden. Während auf vielen Grundstücken deren Vorgaben eingehalten würden, sei es auf anderen zunehmend zu Abweichungen gekommen.
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Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Die - in der Tat vorhandene - starke „Durchgrünung“ steht einer organischen Siedlungsstruktur nicht entgegen. Für die vom Verwaltungsgericht angeführte Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes gilt das Gleiche. Das Vorliegen eines Ortsteils ist ausschließlich nach den äußerlich wahrnehmbaren Verhältnissen zu bestimmen. Auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung kommt es daher nicht an (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2007 - 4 B 7.07 - BauR 2007, 1383; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Bay. VGH, Beschl. v. 18.8.2011 - 1 ZB 10.2244 - juris). Hinzu kommt, dass der Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ nach der Art der vorhandenen baulichen Nutzung einen sehr homogenen Eindruck vermittelt, da er nur aus Wohnhäuser, Wochenendhäuser und den dazugehörigen Nebenanlagen besteht. Auch deren Anordnung entlang der Wege und auf den einzelnen Grundstücken lässt deutlich regelhafte Züge erkennen.
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3. Nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre das Vorhaben des Klägers nur dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Gegenstand dieser Prüfung ist dabei nicht etwa nur der Anbau des Klägers, sondern sein durch den Anbau erweitertes Wohnhaus (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BauR 1994, 81). Dieses fügt sich jedenfalls hinsichtlich des Maßes seiner baulichen Nutzung nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein.
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a) Die „nähere Umgebung“ des zu beurteilenden Vorhabens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB reicht so weit, wie sich die Ausführung des zu beurteilenden Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.3.2012 - 5 S 1778/11 - BauR 2013, 20). Der die nähere Umgebung prägende Rahmen ist dabei für jedes der in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Merkmale getrennt zu bestimmen (BVerwG, Beschl. v. 6.11.1997 - 4 B 172.97 - ZfBR 1998, 164).
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b) Der Senat kann nach dem Ergebnis des eingenommenen Augenscheins offen lassen, ob die das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Grundstücks prägende nähere Umgebung der gesamte Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ bildet, wofür Vieles spricht, oder nur ein engerer Teilbereich, etwa entlang des U... Wegs. Denn in beiden Fällen überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers den Rahmen, wie er durch die nähere Umgebung geprägt wird, löst dadurch auch bodenrechtliche Spannungen aus und fügt sich somit nicht ein.
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aa) Zur Bestimmung dieses Rahmens kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf die Bestimmungen der (unwirksamen) Ortsbausatzung abgestellt werden. Beurteilungsmaßstab für das „Sich-Einfügen“ eines Vorhabens ist das tatsächlich in der maßgeblichen Umgebung prägend Vorhandene. Daran ändert sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn die vorhandene Orts- bzw. Bebauungsstruktur das Ergebnis der Verwirklichung eines nichtigen Bebauungsplans ist (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1994 - 4 B 158.93 - BRS 56 Nr. 66). Den Festsetzungen eines solchen Plans kann deshalb auch § 34 BauGB nicht - mittelbar - zur Durchsetzung verhelfen.
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Wie sich bereits aus den Akten des Landratsamts ergibt und sich bei dem vom Senat eingenommenen Augenschein bestätigt hat, sind im Gebiet „Wanne“ zahlreiche Wohngebäude vorhanden, die die Festsetzungen der Ortsbausatzung zum Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreiten. Das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers geht jedoch selbst über die den Rahmen mitprägenden größeren vorhandenen Wohngebäude noch hinaus. Zwar bewegt sich die Grundfläche von rund 92 m2 möglicherweise noch im Rahmen der Umgebungsbebauung, da auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... ein Gebäude mit einer sogar noch etwas größeren Grundfläche vorhanden ist. Die Kombination aus einer Grundfläche von rund 92 m2 und der über die gesamte Grundfläche in Erscheinung tretenden beträchtlichen Höhenentwicklung des Gesamtgebäudes des Klägers führt jedoch dazu, dass das Gebäude den Rahmen der Umgebungsbebauung in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet. Hinsichtlich des Vergleichs mit den Grundflächen anderer Wohngebäude hat die Klägervertreterin auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass im Gebiet Wanne entgegen ihres schriftsätzlichen Vortrags kein Wohngebäude mit einer Grundfläche von 112 m2 vorhanden ist. Es gibt nur ein einziges Wohngebäude mit einer der Grundfläche des Vorhabens des Klägers vergleichbar großen Grundfläche, nämlich das Gebäude U... Wegs 22 (so die Bezeichnung in den Karten des Landratsamts) auf dem bereits erwähnten Grundstück FlSt.-Nr. ... Die größten übrigen Wohngebäude haben Grundflächen von jedenfalls unter 85 m2. Dieses einzige Gebäude mit vergleichbar großer Grundfläche U... Weg 22 tritt aber selbst auf seiner hangabwärtigen Nordseite nur als bungalowartiges eingeschossiges Gebäude in Erscheinung. Dagegen besitzt das erweiterte Wohnhaus des Klägers ein nach Norden hin freistehendes Untergeschoss, ein Erdgeschoss und ein Dachgeschoss, wirkt also zur Nordseite hin dreigeschossig. Eine ähnliche optische Wirkung seiner Höhenentwicklung entfaltet zwar das östliche Nachbargebäude U... Weg 15 (Flst.-Nr....), jedoch ist dessen Grundfläche mit 84 m2 wahrnehmbar geringer, zumal ein Teil davon auf einen Anbau entfällt, der nur im Untergeschoss besteht. Die Wohngebäude mit den nächstgrößeren Grundflächen M... Weg 6 und 8 sowie O... Weg 5 haben Grundflächen von 83 m2 oder weniger.
43 
bb) Überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Gesamtgebäudes somit deutlich den Rahmen der durch die Umgebung gebildeten Bebauung, würde es sich nur dann einfügen, wenn es gleichwohl keine bodenrechtlichen Spannungen hervorriefe (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Bodenrechtliche Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Bedürfnis für eine ausgleichende städtebauliche Planung hervorrufen, insbesondere, weil sie eine negative Vorbildwirkung haben (BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Es ist offensichtlich, dass das durch den Anbau vergrößerte Wohngebäude des Klägers eine solche negative Vorbildwirkung hat, weil es selbst die Eigentümer, deren Gebäude die Vorgaben der unwirksamen Ortsbausatzung schon jetzt merklich überschreiten, einen Anreiz dazu geben kann, ihre Gebäude in einer mit dem Vorhaben des Klägers vergleichbaren Weise weiter auszubauen.
II.
44 
Auf andere Weise als durch Erlass einer Abbruchsanordnung lassen sich rechtmäßige Zustände auf dem Grundstück des Klägers nicht herstellen.
45 
Diese Erfordernis des § 65 Satz 1 LBO gebietet die Prüfung, ob nicht Gesetzesverstöße durch Befreiungen oder Ausnahmen nach geheilt werden können oder ob nicht Nebenbestimmungen oder weniger weitreichende Verfügungen ausreichen (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Schlotterbeck, in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Aufl., § 65 Rn. 9). Das ist beim Anbau des Klägers nicht der Fall. Die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau kommt mangels planungsrechtlicher Zulässigkeit nicht in Betracht. Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist nicht möglich, wenn sich die Zulässigkeit des zu beurteilenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 LA 43/13 - BauR 2014, 231; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Sept. 2013, § 31 Rn. 19. Der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung ist zur Erreichung des mit der angefochtenen Verfügung verfolgten Zwecks, den Verstoß gegen Bauplanungsrecht durch einen zu große Grundfläche und ein zu großes Volumen zu beseitigen, offensichtlich nicht geeignet. Das Landratsamt hatte schließlich keine Pflicht, ohne konkrete Angebote des Klägers nach sinnvollen Verkleinerungsmöglichkeiten zu forschen (BVerwG, Beschl. v. 8.2.1994 - 4 B 21.94 - juris m.w.N.). Die Möglichkeit, dem Landratsamt ein solches Angebot zu unterbreiten, steht dem Kläger jedoch weiterhin - etwa auch zur Abwendung einer Vollstreckung - offen.
III.
46 
Die Ausübung des Ermessens durch das beklagten Land lässt keine vom Gericht überprüfbaren Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO, § 40 LVwVfG) erkennen.
47 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 65 Satz 1 LBO und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Sauter, LBO für Bad.-Württ., Stand Nov. 2013, § 65 Rn. 44; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1139). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 11.4.2002 - 4 C 4.01 - NVwZ 2002, 1250 m.w.N.). Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben.
48 
1. Zwar haben sich die Ermessenserwägungen in Ausgangsverfügung und Widerspruchsbescheid noch daran orientiert, das Vorhaben des Klägers verstoße gegen die wirksame Ortsbausatzung, was, wie ausgeführt, nicht zutrifft. Der Beklagte hat jedoch in seinen gerichtlichen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Erwägungen auch für den Fall ergänzt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO), dass das Vorhaben des Klägers in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil verwirklicht worden sein sollte.
49 
2. Der Kläger hält dem Landratsamt vor, es habe durch Erlass der Abbruchsanordnung in zweifacher Weise gleichheitswidrig gehandelt. Denn es habe beschlossen, gegen „Altfälle“ nicht vorzugehen, fordere aber ihn dennoch zum Abbruch seines Anbaus auf, obwohl er ihn vor dem 16.1.2008 bereits vollständig fertiggestellt gehabt habe. Zum anderen lasse das Landratsamt die notwendige Konsequenz gegenüber ihm bekannten „Neufällen“, d.h. der Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen nach dem 16.1.2008, vermissen. Auch mit dieser Argumentation vermag der Kläger nicht durchzudringen.
50 
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass rechtswidrige Zustände, die bei mehreren Grundstücke vorliegen, nicht stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die zuständige Behörde auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzugeben vermag (BVerwG, Beschl. v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR 1992, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.2.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR 1997, 465). Wenn sich innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereichs mehrere rechtswidrige Anlagen befinden und nicht gegen alle eingeschritten wird, muss dem behördlichen Einschreiten allerdings ein der jeweiligen Sachlage angemessenes Konzept zugrunde liegen (Reichelt/Schule, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1141 m.w.N.). Grundvoraussetzung hierfür ist unter anderem eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands. Ist der Träger der Baurechtsbehörde - wie hier - nicht Träger der Bauleitplanung, kann wegen des Gewichts der kommunalen Planungshoheit auch eine Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung geboten sein.
51 
aa) Diesen Verpflichtungen entsprechend ist das Landratsamt bereits lange vor dem Hinweis vom 13.12.2007 auf einen „Schwarzbau“ auf dem Grundstück des Klägers am 13.4.2007 nach einer schriftlichen Forderung des Voreigentümers in Überlegungen über sein künftiges Handeln im Gebiet „Wanne“ eingetreten. Das Ergebnis dieser Überlegungen hat es in einem Aktenvermerk vom 13.4.2007 niedergelegt. Danach sollte die Gültigkeit der Ortsbausatzung geprüft und ggf. bei der Gemeinde B. der Erlass eines Bebauungsplans angeregt werden. Sollte ein Bebauungsplan nicht zustande kommen, sollten die vorhandenen Bauten „auf Grundlage des vom Vermessungsamt erstellten Kartenmaterials akzeptiert“ werden. Neufälle, die in der Karte des Vermessungsamts nicht enthalten seien, sollten dagegen künftig auf das in der Satzung geregelte Maß zurückgebaut werden.
52 
Der Ausdruck des vom Vermessungsamt erstellten Bestandsplans trägt zwar das Datum 16.1.2008. Nach den Darlegungen des Landratsamts beruht dieser Plan aber auf einer Erfassung des Vermessungsamts durch eine Ortsbegehung mit Ausmessung der Gebäude im Dezember 2006. Nachdem der Gemeinderat der Stadt B. im April 2008 die Aufstellung eines Bebauungsplans zur städtebaulichen Neuordnung des Gebiets abgelehnt hatte, legte die Baurechtsbehörde - wie der Vertreter des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - entsprechend dem im April 2007 entwickelten Konzept für ihr künftiges Einschreiten - den in den Karten des Vermessungsamts (mit dem Stand Dezember 2006) eingezeichneten Bestand zugrunde. Dieser darf erhalten bleiben, jede darüberhinausgehende Erweiterung ist zurückzubauen. In diesem Plan ist auf dem Grundstück des Klägers Flst.-Nr. ... nur ein Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m2 eingezeichnet, was auch dem Vortrag des Klägers entspricht, wonach er mit der Errichtung des Anbaus erst im September 2007 begonnen hat.
53 
Der Kläger meint, da er seinen Anbau vor dem 16.1.2008, dem Ausfertigungsdatum der Karte, vollständig errichtet habe, zähle sein Anbau zu den „Altfällen“ des Konzepts des Landratsamts und dürfe bestehen bleiben. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dieser Einwand in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, ob also der Anbau des Klägers am 16.1.2008 bereits fertiggestellt war. Daran bestehen allerdings schon deswegen erhebliche Zweifel, weil ein Baukontrolleur des Landratsamts noch am 31.1.2008 Veranlassung sah, eine Baueinstellung zu verfügen. Der Einwand ist aber unabhängig davon jedenfalls in rechtlicher Hinsicht unbegründet, da der Kläger damit den Bedeutungsgehalt des Einschreitenskonzepts des Landratsamts verkennt. Das Landratsamt hatte schon im April 2007 und damit vor dem Erwerb des Baugrundstücks durch den Kläger die Grundzüge seines künftigen Eingreifens aktenkundig dokumentiert und gleichzeitig die nach der Rechtsprechung erforderlichen Schritte zur Umsetzung des Konzepts eingeleitet. Es ist nicht gleichheitswidrig, wenn das Landratsamt sich dazu entscheidet, auch gegen ein Bauwerk einzuschreiten, das während der für die Umsetzung des Konzepts erforderlichen Maßnahmen (Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung, Erstellung eines Bestandsplans) errichtet worden ist. Die Argumentation des Klägers könnte allenfalls dann verfangen, wenn er sein Bauwerk zwischen dem Zeitpunkt der dem Bestandsplan zugrundeliegenden Ortsbegehung im Dezember 2006 und dem Vermerk über das Einschreitenskonzept im April 2007 errichtet hätte, was aber unzweifelhaft nicht der Fall war.
54 
bb) Ebenso fehlt es an Hinweisen, dass das Landratsamt in gleichheitswidriger Weise gegen später erstellte rechtswidrige bauliche Anlagen nicht vorgeht. Auf der Grundlage der Auffassung des Senats, wonach die vorhandene Bebauung im Gewann Wanne einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bildet und der aus der Umgebungsbebauung abzuleitende Rahmen für das Maß der baulichen Nutzung das in der unwirksamen Ortsbausatzung festgesetzte Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet, wäre nur ein Untätigbleiben bei Neubauten und Anbauten, die den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreiten, gleichheitswidrig. Solche Vorhaben hat der Kläger nicht benannt; sie waren für den Senat bei der Einnahme seines Augenscheins auch nicht erkennbar.
IV.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
57 
Beschluss vom 9. April 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs in seinen Fassungen von 2004 und 2013 entsprechend der Angaben des Klägers zum Zeitwert der Anlage sowie den geschätzte Abbruchskosten auf 100.000 EUR festgesetzt.
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Klägers ist auch sonst zulässig, insbesondere - nach Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden - fristgerecht (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) und ausreichend (§ 124a Abs. 3 VwGO) begründet worden. Sie dringt aber in der Sache nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 und den diese bestätigenden Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 zu Recht abgewiesen. Denn beide Bescheide sind rechtmäßig und können daher den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann das Landratsamt als zuständige untere Baurechtsbehörde (§§ 46 Abs. 1 Nr. 3 u. 48 Abs. 1 LBO) den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach dieser Ermächtigungsgrundlage liegen hinsichtlich des Anbaus des Klägers vor. Denn seine Errichtung war und ist baurechtswidrig (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise als durch den Erlass einer Abbruchsanordnung hergestellt werden (II.) und die erfolgte Ausübung des Anordnungsermessens ist nicht zu beanstanden (III.).
I.
25 
Das durch den Anbau des Klägers vergrößerte Wohngebäude verstößt fortlaufend gegen materielles Baurecht.
26 
Ein nach § 65 Satz 1 LBO erforderlicher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf den durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz voraus, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 - BauR 1988, 576 zum vergleichbaren Landesrecht in Rheinland-Pfalz; Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Reichelt/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1128).
27 
Der von dem Kläger errichtete Anbau, der unstreitig nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist, widerspricht dem materiellen Baurecht. Zwar ist die Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, gegen deren Bestimmungen das klägerische Vorhaben verstoßen würde, nie wirksam in Kraft gesetzt worden (dazu 1.). Das Grundstück des Klägers liegt auch nicht im Außenbereich, sondern in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (2.). Doch nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorhaben unzulässig, da es sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (dazu 3.), so dass es keiner Entscheidung des Senats bedarf, ob seine Erschließung gesichert ist.
28 
1. Der Anbau des Klägers verstößt nicht gegen die Bestimmungen der Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, da diese nie Wirksamkeit erlangt hat.
29 
Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten geht der Senat davon aus, dass es an der nach § 174 Abs. 1 BBauG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 WürttBauO 1910 (RegBl. S. 333) erforderlichen Bekanntmachung der Ortsbausatzung nach ihrer Genehmigung durch die damalige Aufsichtsbehörde fehlt, wobei dahinstehen kann, ob sich das Genehmigungserfordernis, wie das Verwaltungsgericht meint, aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Baugestaltung (v. 10.11.1936, RGBl I, S. 938), aus Art. 4 WürttBauO 1910 oder aus § 10 Aufbaugesetz (v. 18.8.1948, RegBl. S. 127) ergab.
30 
2. Das Vorhabengrundstück liegt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern in einem Bebauungszusammenhang, der einen Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet.
31 
Ein vorhandener Bebauungszusammenhang ist als Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen, wenn er nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, st. Rspr seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.66 - BVerwGE 31, 22; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. d. Senats v. 17.10.2003 - 3 S 2298/02 - VBlBW 2004, 345). Das ist beim Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ der Fall.
32 
a) Im Gebiet „Wanne“ befinden sich - abgesehen von einigen Nebengebäuden wie Schuppen - insgesamt rund 69 Häuser. Allerdings ist nicht jede bauliche Anlage geeignet, zu einem „Bebauungszusammenhang“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beizutragen, sondern nur solche, die für eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung maßstabsbildend sind. Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Beschl. v. 2.8.2001 - 4 B 26.01 - BauR 2002, 277; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Abzustellen ist dabei regelmäßig auf den durch die Baugenehmigung vorgegebenen Nutzungszweck (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012 - 3 L 3/08 - juris).
33 
Danach bestünde im Bereich „Wanne“ kein Bebauungszusammenhang, weil kein einziges der vorhandenen Häuser für eine Nutzung zum dauerhaften Wohnen genehmigt worden ist. Eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz gilt aber dann, wenn sich die zuständige Behörde mit einer von den erteilten Baugenehmigungen abweichenden kontinuierlichen Wohnnutzung auf Dauer abgefunden hat (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011, a.a.O.). Das ist hier der Fall. Denn das zuständige Landratsamt hat aktenkundig bereits in den 90er-Jahren auf ein Einschreiten gegenüber den schon damals dauerhaft dort Wohnenden verzichtet. Damit sind derzeit rund 25 Häuser, deren Nutzung zum dauerhaften Wohnen seit langem geduldet wird, in der Umgebung des Grundstücks des Klägers vorhanden.
34 
b) Diese Anzahl maßstabsbildender Baulichkeiten hat das erforderliche Gewicht zur Bildung eines Ortsteils, zumal zur Stadt B. auch eingemeindete Teilorte mit nur rund 30 Einwohnern gehören.
35 
c) Der zusammenhängende Bebauungskomplex aus rund 25 geduldet zum dauerhaften Wohnen benutzten Häusern, rund 45 Wochenendhäusern und einigen Nebengebäuden ist Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Dieser Begriff ist aus der Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) zu verstehen (st. Rspr. d. BVerwG seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.68 - BVerwGE 31, 22; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Der Annahme einer organischen Siedlungsstruktur steht insbesondere entgegen, wenn es sich um eine Anhäufung nur behelfsmäßiger Bauten oder eine völlig regellos angeordnete Bebauung handelt. Dagegen kann nicht gefordert werden, dass die Bebauung nach Art und Zweckbestimmung einheitlich ist. Ebenso unerheblich ist, ob die Infrastruktur des Bebauungskomplexes ein eigenständiges Leben dort gestattet (Urt. des Senats v. 10.9.1998 - 3 S 1866/98 - VBlBW 1999, 139). Zu fragen ist vielmehr, ob die vorhandenen Bauten eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung vorgeben (Urt. des Senats v. 10.7.2006, a.a.O.). Das ist hier der Fall.
36 
Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, es fehle an dem Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur des Bebauungskomplexes im Bereich „Wanne“, primär auf den optischen Eindruck gestützt, wonach dort große durchgrünte Grundstücke mit nur schmalen Wegen vorhanden seien und dem Betrachter nur vereinzelt bauliche Anlagen auffielen, die zudem noch sehr „verschieden“ seinen. Dieser optische Eindruck werde durch Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes bestätigt. Denn der Komplex sei nicht selbständig und natürlich gewachsen, sondern auf Grund der (unerkannt unwirksamen) Ortsbausatzung dort bewusst und gewollt entstanden. Während auf vielen Grundstücken deren Vorgaben eingehalten würden, sei es auf anderen zunehmend zu Abweichungen gekommen.
37 
Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Die - in der Tat vorhandene - starke „Durchgrünung“ steht einer organischen Siedlungsstruktur nicht entgegen. Für die vom Verwaltungsgericht angeführte Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes gilt das Gleiche. Das Vorliegen eines Ortsteils ist ausschließlich nach den äußerlich wahrnehmbaren Verhältnissen zu bestimmen. Auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung kommt es daher nicht an (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2007 - 4 B 7.07 - BauR 2007, 1383; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Bay. VGH, Beschl. v. 18.8.2011 - 1 ZB 10.2244 - juris). Hinzu kommt, dass der Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ nach der Art der vorhandenen baulichen Nutzung einen sehr homogenen Eindruck vermittelt, da er nur aus Wohnhäuser, Wochenendhäuser und den dazugehörigen Nebenanlagen besteht. Auch deren Anordnung entlang der Wege und auf den einzelnen Grundstücken lässt deutlich regelhafte Züge erkennen.
38 
3. Nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre das Vorhaben des Klägers nur dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Gegenstand dieser Prüfung ist dabei nicht etwa nur der Anbau des Klägers, sondern sein durch den Anbau erweitertes Wohnhaus (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BauR 1994, 81). Dieses fügt sich jedenfalls hinsichtlich des Maßes seiner baulichen Nutzung nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein.
39 
a) Die „nähere Umgebung“ des zu beurteilenden Vorhabens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB reicht so weit, wie sich die Ausführung des zu beurteilenden Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.3.2012 - 5 S 1778/11 - BauR 2013, 20). Der die nähere Umgebung prägende Rahmen ist dabei für jedes der in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Merkmale getrennt zu bestimmen (BVerwG, Beschl. v. 6.11.1997 - 4 B 172.97 - ZfBR 1998, 164).
40 
b) Der Senat kann nach dem Ergebnis des eingenommenen Augenscheins offen lassen, ob die das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Grundstücks prägende nähere Umgebung der gesamte Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ bildet, wofür Vieles spricht, oder nur ein engerer Teilbereich, etwa entlang des U... Wegs. Denn in beiden Fällen überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers den Rahmen, wie er durch die nähere Umgebung geprägt wird, löst dadurch auch bodenrechtliche Spannungen aus und fügt sich somit nicht ein.
41 
aa) Zur Bestimmung dieses Rahmens kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf die Bestimmungen der (unwirksamen) Ortsbausatzung abgestellt werden. Beurteilungsmaßstab für das „Sich-Einfügen“ eines Vorhabens ist das tatsächlich in der maßgeblichen Umgebung prägend Vorhandene. Daran ändert sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn die vorhandene Orts- bzw. Bebauungsstruktur das Ergebnis der Verwirklichung eines nichtigen Bebauungsplans ist (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1994 - 4 B 158.93 - BRS 56 Nr. 66). Den Festsetzungen eines solchen Plans kann deshalb auch § 34 BauGB nicht - mittelbar - zur Durchsetzung verhelfen.
42 
Wie sich bereits aus den Akten des Landratsamts ergibt und sich bei dem vom Senat eingenommenen Augenschein bestätigt hat, sind im Gebiet „Wanne“ zahlreiche Wohngebäude vorhanden, die die Festsetzungen der Ortsbausatzung zum Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreiten. Das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers geht jedoch selbst über die den Rahmen mitprägenden größeren vorhandenen Wohngebäude noch hinaus. Zwar bewegt sich die Grundfläche von rund 92 m2 möglicherweise noch im Rahmen der Umgebungsbebauung, da auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... ein Gebäude mit einer sogar noch etwas größeren Grundfläche vorhanden ist. Die Kombination aus einer Grundfläche von rund 92 m2 und der über die gesamte Grundfläche in Erscheinung tretenden beträchtlichen Höhenentwicklung des Gesamtgebäudes des Klägers führt jedoch dazu, dass das Gebäude den Rahmen der Umgebungsbebauung in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet. Hinsichtlich des Vergleichs mit den Grundflächen anderer Wohngebäude hat die Klägervertreterin auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass im Gebiet Wanne entgegen ihres schriftsätzlichen Vortrags kein Wohngebäude mit einer Grundfläche von 112 m2 vorhanden ist. Es gibt nur ein einziges Wohngebäude mit einer der Grundfläche des Vorhabens des Klägers vergleichbar großen Grundfläche, nämlich das Gebäude U... Wegs 22 (so die Bezeichnung in den Karten des Landratsamts) auf dem bereits erwähnten Grundstück FlSt.-Nr. ... Die größten übrigen Wohngebäude haben Grundflächen von jedenfalls unter 85 m2. Dieses einzige Gebäude mit vergleichbar großer Grundfläche U... Weg 22 tritt aber selbst auf seiner hangabwärtigen Nordseite nur als bungalowartiges eingeschossiges Gebäude in Erscheinung. Dagegen besitzt das erweiterte Wohnhaus des Klägers ein nach Norden hin freistehendes Untergeschoss, ein Erdgeschoss und ein Dachgeschoss, wirkt also zur Nordseite hin dreigeschossig. Eine ähnliche optische Wirkung seiner Höhenentwicklung entfaltet zwar das östliche Nachbargebäude U... Weg 15 (Flst.-Nr....), jedoch ist dessen Grundfläche mit 84 m2 wahrnehmbar geringer, zumal ein Teil davon auf einen Anbau entfällt, der nur im Untergeschoss besteht. Die Wohngebäude mit den nächstgrößeren Grundflächen M... Weg 6 und 8 sowie O... Weg 5 haben Grundflächen von 83 m2 oder weniger.
43 
bb) Überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Gesamtgebäudes somit deutlich den Rahmen der durch die Umgebung gebildeten Bebauung, würde es sich nur dann einfügen, wenn es gleichwohl keine bodenrechtlichen Spannungen hervorriefe (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Bodenrechtliche Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Bedürfnis für eine ausgleichende städtebauliche Planung hervorrufen, insbesondere, weil sie eine negative Vorbildwirkung haben (BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Es ist offensichtlich, dass das durch den Anbau vergrößerte Wohngebäude des Klägers eine solche negative Vorbildwirkung hat, weil es selbst die Eigentümer, deren Gebäude die Vorgaben der unwirksamen Ortsbausatzung schon jetzt merklich überschreiten, einen Anreiz dazu geben kann, ihre Gebäude in einer mit dem Vorhaben des Klägers vergleichbaren Weise weiter auszubauen.
II.
44 
Auf andere Weise als durch Erlass einer Abbruchsanordnung lassen sich rechtmäßige Zustände auf dem Grundstück des Klägers nicht herstellen.
45 
Diese Erfordernis des § 65 Satz 1 LBO gebietet die Prüfung, ob nicht Gesetzesverstöße durch Befreiungen oder Ausnahmen nach geheilt werden können oder ob nicht Nebenbestimmungen oder weniger weitreichende Verfügungen ausreichen (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Schlotterbeck, in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Aufl., § 65 Rn. 9). Das ist beim Anbau des Klägers nicht der Fall. Die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau kommt mangels planungsrechtlicher Zulässigkeit nicht in Betracht. Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist nicht möglich, wenn sich die Zulässigkeit des zu beurteilenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 LA 43/13 - BauR 2014, 231; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Sept. 2013, § 31 Rn. 19. Der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung ist zur Erreichung des mit der angefochtenen Verfügung verfolgten Zwecks, den Verstoß gegen Bauplanungsrecht durch einen zu große Grundfläche und ein zu großes Volumen zu beseitigen, offensichtlich nicht geeignet. Das Landratsamt hatte schließlich keine Pflicht, ohne konkrete Angebote des Klägers nach sinnvollen Verkleinerungsmöglichkeiten zu forschen (BVerwG, Beschl. v. 8.2.1994 - 4 B 21.94 - juris m.w.N.). Die Möglichkeit, dem Landratsamt ein solches Angebot zu unterbreiten, steht dem Kläger jedoch weiterhin - etwa auch zur Abwendung einer Vollstreckung - offen.
III.
46 
Die Ausübung des Ermessens durch das beklagten Land lässt keine vom Gericht überprüfbaren Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO, § 40 LVwVfG) erkennen.
47 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 65 Satz 1 LBO und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Sauter, LBO für Bad.-Württ., Stand Nov. 2013, § 65 Rn. 44; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1139). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 11.4.2002 - 4 C 4.01 - NVwZ 2002, 1250 m.w.N.). Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben.
48 
1. Zwar haben sich die Ermessenserwägungen in Ausgangsverfügung und Widerspruchsbescheid noch daran orientiert, das Vorhaben des Klägers verstoße gegen die wirksame Ortsbausatzung, was, wie ausgeführt, nicht zutrifft. Der Beklagte hat jedoch in seinen gerichtlichen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Erwägungen auch für den Fall ergänzt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO), dass das Vorhaben des Klägers in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil verwirklicht worden sein sollte.
49 
2. Der Kläger hält dem Landratsamt vor, es habe durch Erlass der Abbruchsanordnung in zweifacher Weise gleichheitswidrig gehandelt. Denn es habe beschlossen, gegen „Altfälle“ nicht vorzugehen, fordere aber ihn dennoch zum Abbruch seines Anbaus auf, obwohl er ihn vor dem 16.1.2008 bereits vollständig fertiggestellt gehabt habe. Zum anderen lasse das Landratsamt die notwendige Konsequenz gegenüber ihm bekannten „Neufällen“, d.h. der Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen nach dem 16.1.2008, vermissen. Auch mit dieser Argumentation vermag der Kläger nicht durchzudringen.
50 
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass rechtswidrige Zustände, die bei mehreren Grundstücke vorliegen, nicht stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die zuständige Behörde auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzugeben vermag (BVerwG, Beschl. v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR 1992, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.2.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR 1997, 465). Wenn sich innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereichs mehrere rechtswidrige Anlagen befinden und nicht gegen alle eingeschritten wird, muss dem behördlichen Einschreiten allerdings ein der jeweiligen Sachlage angemessenes Konzept zugrunde liegen (Reichelt/Schule, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1141 m.w.N.). Grundvoraussetzung hierfür ist unter anderem eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands. Ist der Träger der Baurechtsbehörde - wie hier - nicht Träger der Bauleitplanung, kann wegen des Gewichts der kommunalen Planungshoheit auch eine Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung geboten sein.
51 
aa) Diesen Verpflichtungen entsprechend ist das Landratsamt bereits lange vor dem Hinweis vom 13.12.2007 auf einen „Schwarzbau“ auf dem Grundstück des Klägers am 13.4.2007 nach einer schriftlichen Forderung des Voreigentümers in Überlegungen über sein künftiges Handeln im Gebiet „Wanne“ eingetreten. Das Ergebnis dieser Überlegungen hat es in einem Aktenvermerk vom 13.4.2007 niedergelegt. Danach sollte die Gültigkeit der Ortsbausatzung geprüft und ggf. bei der Gemeinde B. der Erlass eines Bebauungsplans angeregt werden. Sollte ein Bebauungsplan nicht zustande kommen, sollten die vorhandenen Bauten „auf Grundlage des vom Vermessungsamt erstellten Kartenmaterials akzeptiert“ werden. Neufälle, die in der Karte des Vermessungsamts nicht enthalten seien, sollten dagegen künftig auf das in der Satzung geregelte Maß zurückgebaut werden.
52 
Der Ausdruck des vom Vermessungsamt erstellten Bestandsplans trägt zwar das Datum 16.1.2008. Nach den Darlegungen des Landratsamts beruht dieser Plan aber auf einer Erfassung des Vermessungsamts durch eine Ortsbegehung mit Ausmessung der Gebäude im Dezember 2006. Nachdem der Gemeinderat der Stadt B. im April 2008 die Aufstellung eines Bebauungsplans zur städtebaulichen Neuordnung des Gebiets abgelehnt hatte, legte die Baurechtsbehörde - wie der Vertreter des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - entsprechend dem im April 2007 entwickelten Konzept für ihr künftiges Einschreiten - den in den Karten des Vermessungsamts (mit dem Stand Dezember 2006) eingezeichneten Bestand zugrunde. Dieser darf erhalten bleiben, jede darüberhinausgehende Erweiterung ist zurückzubauen. In diesem Plan ist auf dem Grundstück des Klägers Flst.-Nr. ... nur ein Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m2 eingezeichnet, was auch dem Vortrag des Klägers entspricht, wonach er mit der Errichtung des Anbaus erst im September 2007 begonnen hat.
53 
Der Kläger meint, da er seinen Anbau vor dem 16.1.2008, dem Ausfertigungsdatum der Karte, vollständig errichtet habe, zähle sein Anbau zu den „Altfällen“ des Konzepts des Landratsamts und dürfe bestehen bleiben. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dieser Einwand in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, ob also der Anbau des Klägers am 16.1.2008 bereits fertiggestellt war. Daran bestehen allerdings schon deswegen erhebliche Zweifel, weil ein Baukontrolleur des Landratsamts noch am 31.1.2008 Veranlassung sah, eine Baueinstellung zu verfügen. Der Einwand ist aber unabhängig davon jedenfalls in rechtlicher Hinsicht unbegründet, da der Kläger damit den Bedeutungsgehalt des Einschreitenskonzepts des Landratsamts verkennt. Das Landratsamt hatte schon im April 2007 und damit vor dem Erwerb des Baugrundstücks durch den Kläger die Grundzüge seines künftigen Eingreifens aktenkundig dokumentiert und gleichzeitig die nach der Rechtsprechung erforderlichen Schritte zur Umsetzung des Konzepts eingeleitet. Es ist nicht gleichheitswidrig, wenn das Landratsamt sich dazu entscheidet, auch gegen ein Bauwerk einzuschreiten, das während der für die Umsetzung des Konzepts erforderlichen Maßnahmen (Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung, Erstellung eines Bestandsplans) errichtet worden ist. Die Argumentation des Klägers könnte allenfalls dann verfangen, wenn er sein Bauwerk zwischen dem Zeitpunkt der dem Bestandsplan zugrundeliegenden Ortsbegehung im Dezember 2006 und dem Vermerk über das Einschreitenskonzept im April 2007 errichtet hätte, was aber unzweifelhaft nicht der Fall war.
54 
bb) Ebenso fehlt es an Hinweisen, dass das Landratsamt in gleichheitswidriger Weise gegen später erstellte rechtswidrige bauliche Anlagen nicht vorgeht. Auf der Grundlage der Auffassung des Senats, wonach die vorhandene Bebauung im Gewann Wanne einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bildet und der aus der Umgebungsbebauung abzuleitende Rahmen für das Maß der baulichen Nutzung das in der unwirksamen Ortsbausatzung festgesetzte Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet, wäre nur ein Untätigbleiben bei Neubauten und Anbauten, die den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreiten, gleichheitswidrig. Solche Vorhaben hat der Kläger nicht benannt; sie waren für den Senat bei der Einnahme seines Augenscheins auch nicht erkennbar.
IV.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
57 
Beschluss vom 9. April 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs in seinen Fassungen von 2004 und 2013 entsprechend der Angaben des Klägers zum Zeitwert der Anlage sowie den geschätzte Abbruchskosten auf 100.000 EUR festgesetzt.
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten der Verfahren zu tragen.

3. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung i.H.v. 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren mit ihren Klagen die Aufhebung der Teilbeseitigungsanordnungen der Beklagten vom 17. Oktober 2013 bezüglich der von den Klägern an der westlichen Grundstücksgrenze errichteten Grenzbebauung.

Die Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. ...der Gemarkung ...(...). Nach Erwerb des Grundstücks im Jahr 2012 errichteten die Kläger entlang der westlichen Grundstücksgrenze zum Nachbaranwesen Fl.Nr. ... der Gemarkung ... (...) einen 1,80 m hohen Holzzaun. Das auf dem klägerischen Grundstück an dieser gemeinsamen Grundstücksgrenze befindliche, von den Voreigentümern errichtete Garten- bzw. Gerätehaus, wurde von den Klägern entfernt. An etwas versetzter Stelle errichteten sie unmittelbar an der Grundstücksgrenze ein neues Gartenhaus (2,50 m x 2,50 m) mit angeschlossenem überdachten Freisitzbereich (3,0 m x 3,0 m).

Im November 2012 baten die Kläger das Dienstleistungszentrum Bau der Beklagten um Auskunft, ob für die Errichtung eines Carports an der Grundstücksgrenze zum Nachbaranwesen „...“ eine Genehmigung erforderlich sei. Mit E-Mail eines Mitarbeiters der Beklagten vom 28. November 2012 wurde den Klägern unter anderem Folgendes mitgeteilt:

„(...) Grundsätzlich können Sie davon ausgehen, dass das geplante Carport gemäß Art. 6 Abs. 9 BayBO an der Grundstücksgrenze zulässig ist, wenn es nicht länger als 9 m und im Mittel nicht höher als 3 m ausgeführt wird. Zudem sind Garagen und Carports gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 BayBO verfahrensfrei, d.h. Sie müssen hierfür keinen Bauantrag einreichen. Dessen ungeachtet sind aber natürlich die öffentlich-rechtlichen Anforderungen einzuhalten, z.B. Abstand von der öffentlichen Verkehrsfläche mindestens 3 m gemäß Garagenordnung. Ob der geplante Standort auch den planungsrechtlichen Vorschriften entspricht, oder ob evtl. eine Befreiung erforderlich ist, können Sie beim Stadtplanungsamt in Erfahrung bringen, Tel. ... oder -.... Sie können aber auch während der allgemeinen Öffnungszeiten zu einer kostenlosen, unverbindlichen Beratung im ... vorbeikommen. (...)

Abschließend muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass diese Beantwortung Ihrer Anfrage die baurechtliche Beurteilung im jetzigen Zeitpunkt ohne volle Kenntnis aller Umstände wiedergibt und dass es sich hierbei nicht um eine verbindliche Zusicherung im Sinne des Art. 38 Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetz handelt.

Diese Auskunft ersetzt nicht ein nötiges bauordnungs- oder denkmalrechtliches Verfahren. Bitte holen Sie vor Baubeginn alle nötigen Genehmigungen ein.“

Die Kläger errichteten daraufhin ohne Einreichung eines Bauantrags an der Grundstücksgrenze zum Anwesen „...“ einen Carport mit einer Länge von 7,55 m, einer Breite von 2,8 m und einer Höhe von 2,2 m.

Auf Grund von Nachbarbeschwerden führte der Außendienst der Bauordnungsbehörde der Beklagten am 23. Juli 2013 eine Ortseinsicht am Anwesen „...“ durch. Mit Schreiben der Bauaufsichtsbehörde vom 6. August 2013 wurden die Kläger aufgefordert, die ohne Baugenehmigung errichtete Kfz-Stellplatzüberdachung (Carport) bis zum 3. September 2013 zu beseitigen oder alternativ eine Abstandsflächenübernahme des betroffenen Nachbarn einzuholen. Der Bevollmächtigte der Kläger teilte mit Schreiben vom 2. September 2013 der Bauordnungsbehörde der Beklagten mit, die Kfz-Stellplatzüberdachung sei auf Grund ihrer Ausmaße genehmigungsfrei sowie abstandsflächenrechtlich nicht relevant. Am 3. September 2013 wurde dem Vertreter der Kläger die Thematik von einem Mitarbeiter der Beklagten fernmündlich nochmals ausführlich erläutert sowie die Frist zur Beseitigung bis zum 30. September 2013 verlängert. Bei einer erneuten Kontrolle durch den Außendienst der Bauordnungsbehörde der Beklagten am 7. Oktober 2013 wurde festgestellt, dass die Kfz-Stellplatzüberdachung weiterhin vorhanden war, aber weder ein Bauantrag noch eine Abstandsflächenübernahme eingereicht worden waren.

Mit Bescheiden vom 17. Oktober 2013 (Az.: ...), zugestellt am 23.10.2013, wurden die Kläger zu 1) und zu 2) verpflichtet, die westliche Grenzbebauung bestehend aus einer Kfz-Stellplatzüberdachung und einem Gartenhaus insoweit zu beseitigen, als diese die zulässige Gesamtlänge von 9,00 m an der westlichen Grundstücksgrenze überschreiten. Den Klägern wurde jeweils eine Vollzugsfrist von einem Monat ab Unanfechtbarkeit des Bescheids eingeräumt. Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist wurde jeweils unter Nr. 2 der Bescheide ein Zwangsgeld von insgesamt 1.000,00 Euro angedroht, wobei klargestellt wurde, dass auf den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) jeweils ein Betrag von 500,00 Euro entfällt.

Zur Begründung heißt es, das Gartenhaus sei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO verfahrensfrei errichtet worden. Jedoch sei die Kfz-Stellplatzüberdachung nach Art. 55 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 57 BayBO genehmigungspflichtig. Eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO sei hier nicht gegeben, da die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO nicht vorlägen. Die beiden Nebengebäude erreichten an der westlichen Grundstücksgrenze zusammen eine Länge von ca. 13,05 m (5,50 m + 7,55 m), so dass die 9-m-Grenze deutlich überschritten werde. Das Vorhaben sei deshalb baugenehmigungspflichtig. Eine Genehmigung liege jedoch nicht vor und könne auch nachträglich nicht erteilt werden, da das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften (insbesondere Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO) widerspreche. Auf Grund der Länge der beiden Nebengebäude (Gartenhaus und Kfz-Stellplatzüberdachung) von insgesamt mehr als 9,00 m an der Grundstücksgrenze erfülle das Vorhaben nicht mehr die Kriterien des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO. Das Gartenhaus habe durch die Errichtung der Kfz-Stellplatzüberdachung die Privilegierung verloren, das Vorhaben sei damit insgesamt abstandsflächenpflichtig. Die Grenzbebauung halte die erforderlichen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück „...“ nicht ein. Die Abstandsflächen kämen komplett auf dem Nachbargrundstück zum Liegen, so dass ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO gegeben sei.

Da eine nachträgliche Genehmigung für die Kfz-Stellplatzüberdachung nicht erteilt werden und auch in anderer Weise kein den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechender rechtmäßiger Zustand geschaffen werden könne, sei die Anordnung der Beseitigung der über die 9,00 m hinausgehenden Grenzbebauung auch unter Berücksichtigung der Belange des Bauherrn in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geboten.

Mit Schriftsatz vom 21. November 2013 haben die Kläger durch ihren Prozessvertreter Klage gegen die beiden Beseitigungsanordnungen vom 17. Oktober 2013 erheben lassen. Zur Begründung wird ausgeführt, die streitgegenständliche Kfz-Stellplatzüberdachung sei verfahrensfrei gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO. Der Carport halte bei isolierter Betrachtung unstreitig die in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO definierten Höchstmaße ein. Der Carport sei jedenfalls nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO verfahrensfrei, da er einen Bruttorauminhalt von lediglich 46,2 m³ habe. Bei dem Carport handele es sich zweifellos um ein Gebäude im Sinne von Art. 2 Abs. 2 BayBO, da er eine selbständige benutzbare überdeckte bauliche Anlage sei, die von Menschen betreten werden könne. Es komme nicht darauf an, dass die bauliche Anlage räumlich vollkommen umschlossen sei. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs komme es auch nicht darauf an, ob der Carport freistehe oder an das Hauptgebäude angebaut sei (vgl. BayVGH, Urteil vom 30.8.1984 – 2 B 83 A 1265). Der Carport stehe auf drei Stützen und verfüge dem zufolge über eine ausreichende Statik, selbst wenn man sich das Hauptgebäude hinwegdenken würde. Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO verweise nicht auf die abstandsflächenrechtliche Vorschrift des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO.

Die Überschreitung der 9,00 m-Grenze durch den Carport und das Gartenhaus mit angeschlossenem überdachten Freisitz, die an der gemeinsamen Grenze zum Nachbargrundstück zusammen eine Länge von ca. 13 m erreichen, sei bei der gebotenen Einzelfallbetrachtung hinnehmbar, da es für die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks ohne Belang sei, ob die Gesamtlänge des Flachdaches eine Länge von 13 m oder nur 9 m habe. Selbst bei einem Rückbau des Flachdachs, um die abstandsflächenrelevante Gebäudeeigenschaft zu verlieren, hätte dies keine Einwirkungen auf die Besonnung, Belichtung und Belüftung des Nachbargrundstücks. Es würde demzufolge pflichtgemäßem Ermessen entsprechen, den Klägern eine isolierte Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO zu erteilen, da die Abweichung unter Berücksichtigung des mit dem Abstandsflächenrecht verfolgten Zwecks und unter Würdigung der öffentlich-rechtlichen geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen ohne Weiteres vereinbar sei.

Die Kläger weisen darauf hin, dass sich auf dem Nachbaranwesen „...“ an der östlichen Grundstücksgrenze ebenfalls ein Gartenhaus befinde, das „Wand an Wand“ mit dem Gartenhaus der Kläger stehe. Beide Gartenhäuser seien daher wechselseitig ohne abstandsflächenrechtliche Relevanz. Auch fänden sich in der unmittelbaren Umgebung des klägerischen Anwesens eine Vielzahl von Grenzsituationen, in denen die „9,0 m-Regel“ überschritten sei. Im Normalfall würden derartige „Verstöße“ von den Behörden auch geduldet, da diese aus städtebaulicher Sicht völlig unbedeutend seien. Sofern die Nachbarn der Kläger durch die Grenzbebauung in ihrem Eigentum beeinträchtigt sein sollten, stünde ihnen der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten offen. Vor diesem Hintergrund erweise sich das bauaufsichtliche Einschreiten der Beklagten – nicht zuletzt im Hinblick auf die zahlreichen geduldeten Vergleichsfälle im gesamten Stadtgebiet – als unverhältnismäßig.

Schließlich sei das Interesse der Kläger an der Beibehaltung des vorhandenen Zustands auch deshalb schutzwürdig, da die Kläger sich vor Errichtung des Carports beim Dienstleistungszentrum Bau der Beklagten ausdrücklich nach der Zulässigkeit der geplanten Baumaßnahme erkundigt hätten. Die von dem Mitarbeiter der Beklagten am 28. November 2012 erteilte Auskunft per E-Mail enthalte keinen Hinweis auf die einzuhaltende Gesamtlänge aller Nebengebäude. Die Längenangabe von 9,0 m habe sich erkennbar allein auf den Carport bezogen. Die Beklagte habe deshalb hier einen Vertrauenstatbestand geschaffen, weshalb zumindest eine (ggf. widerrufliche) Duldung der Grenzbebauung gegenüber der angeordneten Baubeseitigung das mildere bauaufsichtliche Mittel wäre. Insoweit erwiesen sich die angefochtenen Beseitigungsanordnungen auch als unverhältnismäßig.

Die Kläger beantragen,

die Anordnungsbescheide der Beklagten vom 17. Oktober 2013 (... und ...) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Entgegen der Ansicht der Kläger sei der Carport von Anfang an nicht gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. Art. 55 Halbs. 2 BayBO verfahrensfrei gewesen, da es sich nicht um ein „Gebäude“ im Sinne der Vorschrift handele. Bei dem Carport handele es sich auf Grund der baulichen Verbindung mit dem Wohnhaus nicht um eine eigenständige bauliche Anlage. Für eine statische Selbständigkeit fehlten dem Carport entlang der Hauswand eigene Stützen. Die einzelne Stütze am südlichen Ende in der Mitte des Carports genüge hierfür nicht.

Die Errichtung des Carports sei auch nicht nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO verfahrensfrei. Zwar stelle der Carport für sich betrachtet einen überdachten Stellplatz im Sinne der Vorschrift dar, jedoch sei diese isolierte Betrachtung im Hinblick auf Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO, auf den Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO verweise, nicht möglich. Es handele sich dabei um einen Rechtsgrundverweis, so dass auch Art. 6 Abs. 9 Satz 2 anzuwenden sei. Sämtliche Voraussetzungen des Absatz 9 müssten kumulativ vorliegen (Lechner/Busse, in: Simon/Busse, BayBO, Kommentar Rdn. 66, 70 zu Art. 57 BayBO). Im Gegensatz zu Abs. 9 Satz 2 begrenze Abs. 9 Satz 1 die Gesamtlänge der Grenzbebauung hinsichtlich derselben Grundstücksgrenze auf grundsätzlich 9,00 m.

Die Teil-Beseitigung des Carports und des Gartenhauses habe gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO angeordnet werden können, da eine nachträgliche Genehmigung für den Carport nicht erteilt werden und auch in anderer Weise kein den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechender Zustand geschaffen werden könne. Ein justiziabler Ermessensfehler gemäß § 114 VwGO sei nicht ersichtlich. Insbesondere komme die Zulassung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO (von den Anforderungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO) als milderes Mittel nicht in Betracht. Dies erfordere Gründe, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheide und die etwa bewirkte Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen ließen (VG Würzburg, U.v. 17.4.2012 - W 4 K 11.48 - juris Rdn. 29 unter Bezugnahme auf BayVGH, U.v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231). Eine atypische Fallgestaltung liege hier nicht vor. Es sei nicht erkennbar, warum das Interesse der Kläger an einer größtmöglichen Ausnutzung des Grundstücks derart gewichtig sei, um in diesem Ausmaß den Nachbarn eine Verschlechterung der Belichtung und Belüftung ihrer Anwesen zuzumuten.

Würde die Behörde ihr Ermessen dennoch in dieser Art und Weise ausüben, läge ein Miss- bzw. Fehlgebrauch des Ermessens vor, da sie sich von Erwägungen leiten lassen würde, die mit der Ermächtigungsgrundlage unvereinbar wären. Zu beachten sei hier insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Auch eine Duldung des rechtswidrigen Zustands wäre ermessensfehlerhaft, da auch hier der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt wäre bzw. in gleichgelagerten Fällen Abweichungen zukünftig geduldet werden müssten, was dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage aus Art. 76 Satz 1 BayBO i.V.m. mit Art. 6 BayBO zuwiderlaufen würde. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO überwiege gegenüber dem persönlichen Interesse der Kläger an der verlängerten Grenzbebauung.

Die Kläger hätten durch die Auskunft des Mitarbeiters der Beklagten mit E-Mail vom 28. November 2012 keinen Vertrauensschutz erworben. Die Auskunft habe sich nur auf den geplanten Carport bezogen, während auf ein bereits bestehendes Gartenhaus an derselben Grundstücksgrenze von Seiten der Kläger nicht hingewiesen worden sei. Zudem sei von Seiten des Mitarbeiters der Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Beantwortung der Anfrage „die baurechtliche Beurteilung im jetzigen Zeitpunkt ohne volle Kenntnis aller Umstände wiedergibt und dass es sich hierbei nicht um eine verbindliche Zusicherung im Sinne des Art. 38 BayVwVfG“ handele.

Auch wenn das Gartenhaus der Kläger und das der Nachbarn „Wand an Wand“ stehen sollten, ändere dies nichts daran, dass dies hinsichtlich des Carports gerade nicht der Fall sei. Dieser sei damit abstandsflächenrechtlich von Relevanz.

Die Auffassung der Kläger, ein Rückbau des Flachdachs führe zu keinerlei Verbesserungen in Bezug auf Besonnung, Belichtung und Belüftung des Nachbaranwesens, könne nicht nachvollzogen werden. Jedes an der Grundstücksgrenze errichtete Gebäude führe zu einer Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange. Um einen gerechten Ausgleich der Interessen des Bauherrn an einer Ausnutzung seines Grundstücks und der nachbarlichen Interessen an einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung zu schaffen, habe der Gesetzgeber „feste und durch Messung überprüfbare Maße“ für die Grenzbebauung bestimmt.

Sei, wie vorliegend, offenkundig, dass das Einverständnis des von der Rechtsverletzung betroffenen Grundstücksnachbarn fehle, könne im Regelfall ohne Ermessensfehler weder eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt, noch der illegal errichtete Carport „geduldet“ werden. Da vorliegend die Grenzbebauung das gesetzlich zulässige Maß um immerhin 4 m überschreite, wäre selbst bei einer nachträglichen Zustimmung der Nachbarn zur Vermeidung von Präzedenzfällen eine Rückbauforderung ermessensfehlerfrei möglich.

Die Sichtung der Bauakten zu möglichen Vergleichsfällen habe ergeben, dass die Beklagte aus Gründen der Gleichbehandlung nicht gehindert sei, von den Klägern den teilweisen Rückbau der Grenzbebauung zu verlangen. Im näheren Umfeld gebe es nur einen einzigen Fall, in welchem von der Vollstreckung einer bereits bestandskräftigen Beseitigungsanordnung abgesehen werde. Es handele sich hierbei um den Carport auf dem Anwesen ..., im vorderen, straßenseitigen Grundstücksteil. Weitere Fälle einer Duldung einer formell oder materiell illegalen Grenzbebauung seien nicht bekannt. Soweit die Grenzen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO (bzw. Art. 7 Abs. 4 BayBO a.F.) überschreitende Grenzgebäude im Wege der Abweichung von Abstandsflächenvorschriften genehmigt worden seien, sei dies mit Zustimmung der jeweiligen Nachbarn geschehen.

In der mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2014, in der die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden, kamen die Beteiligten überein, ein Mediationsverfahren unter Beteiligung des Eigentümers des Nachbargrundstücks, Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., durchzuführen. Für den Fall, dass ein Mediationsverfahren (mangels Nachbarbeteiligung) nicht zustande käme, sicherte die Beklagte zu, den Klägern eine Vollzugsfrist bis 30. November 2014 einzuräumen. Die Kläger erklärten, dass sie in diesem Fall eine verfahrensbeendende Erklärung abgeben würden. Unabhängig davon regte das Gericht an, die Beklagte solle vorsorglich aufklären, ob die von den Klägern behauptete Grenzbebauung ... und ... baurechtswidrig sei oder nicht.

Nachdem ein Mediationsverfahren wegen fehlender Bereitschaft des Nachbarn nicht zustande kam, räumte die Beklagte den Klägern – wie zugesagt – mit Schreiben vom 1. Juli 2014 eine Vollzugsfrist bis 30. November 2014 ein. Die Kläger ließen im weiteren Verfahren durch ihren Bevollmächtigten mitteilen, sie sähen sich zur Abgabe einer verfahrensbeendenden Erklärung außerstande, da die Beklagte bisher keine schriftsätzliche Stellungnahme zu den Bezugsfällen ... und ... vorgelegt habe. Solange keine vollständige Bestandsaufnahme der formell und materiell rechtswidrigen Anlagen in der näheren Umgebung erfolgt sei, fehle es an einem dem Gleichheitssatz genügenden bauaufsichtlichen Konzept. Eine (Teil-)Beseitigung des streitgegenständlichen Carports bzw. des Gartenhauses mit Freisitz, wie von der Beklagten im Bescheid vom 17. Oktober 2013 angeordnet, ist bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlungen wird auf die Niederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Klagen sind unbegründet.

Die streitgegenständlichen Bescheide vom 17. Oktober 2013 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten ( § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.

Rechtsgrundlage für die gegenüber den Klägern angeordnete Verpflichtung zur Teil-Beseitigung der ohne Genehmigung errichteten Grenzbebauung in Form einer Kfz-Stellplatzüberdachung (Carport) und eines Gartenhauses ist Art. 76 Satz 1 BayBO.

Die Teil-Beseitigungsanordnungen sind rechtmäßig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO vorliegen (dazu 1.1) und die Beklagte das ihr zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat (dazu 1.2).

1.1

Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung solcher Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert worden sind, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Beseitigung genehmigungspflichtiger Anlagen setzt deren formelle und materielle Baurechtswidrigkeit voraus, die Beseitigung genehmigungsfreier baulicher Anlagen deren materielle Baurechtswidrigkeit.

Der streitgegenständliche Carport, eine bauliche Anlage im Sinne von Art. 76 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO, steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, da es sich zwar um ein verfahrensfreies Vorhaben handelt, dieses aber materiell baurechtswidrig ist.

1.1.1

Die Errichtung des grenzständigen Carports ist nicht nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO verfahrensfrei.

Nach dieser Vorschrift sind Garagen einschließlich überdachter Stellplätze im Sinne des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO, außer im Außenbereich an der Grundstücksgrenze verfahrensfrei. Zwar handelt es sich bei dem Carport um einen überdachten Stellplatz im Sinne des Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO (vgl. dazu auch § 1 Abs. 1 Satz 3GaStellV -, wonach überdachte Stellplätze als offene Garagen gelten). Allerdings erfüllt der Carport hier nicht die Anforderungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO hinsichtlich der höchstzulässigen Gesamtlänge der Grenzbebauung von 9 m je Grundstücksgrenze. Der Carport kann nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit dem bestehenden, ebenfalls grenzständigen Gartenhaus betrachtet werden (vgl. z.B. BayVGH v. 30.6.2009, 1 ZB 07.3058 – juris). Dieses Gartenhaus mit überdachtem Freisitz weist eine Länge von 6 m (2,5 m + 3,5 m) auf und war deshalb für sich betrachtet nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a) BayBO verfahrensfrei. Durch Hinzutreten des 7,5 m langen Carports erreicht die gesamte Grenzbebauung an der westlichen Grundstücksgrenze allerdings eine Länge von 13,05 m und überschreitet damit die zulässige Gesamtlänge von 9 m je Grundstücksgrenze (Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO) um 4,05 m. Eine Verfahrensfreiheit des Carports nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO besteht deshalb nicht.

Allerdings ist die Errichtung des Carports nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO verfahrensfrei. Diese Vorschrift erfasst Gebäude mit einem Brutto-Rauminhalt bis zu 75 m³, außer im Außenbereich. Auch Garagen und überdachte Stellplätze (sog. Carports, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3GaStellV) sind darunter zu subsumieren, da diese ebenfalls als Gebäude im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayBO anzusehen sind, sofern es sich um selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen handelt, die von Menschen betreten werden können. An der Selbständigkeit ändert im vorliegenden Fall auch nichts die bauliche Verbindung mit dem Wohnhaus (ohne Stützen entlang der Hauswand). Entgegen der Auffassung der Beklagten wird der Carport durch den Anbau an das Wohnhaus der Kläger nicht zum Bestandteil des Wohngebäudes (vgl. Lechner/Busse in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 114. EL 2013, Art. 57 Rn. 49).

Der Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO steht nicht entgegen, dass der überdachte grenzständige Carport nicht nach Satz 1 Nr. 1 b verfahrensfrei ist, da die in Art. 57 normierten Ausnahmen grundsätzlich selbständig nebeneinander bestehen (vgl. Lechner/Busse, aaO., Art. 57 Rn. 26 f.).

1.1.2

Letztlich kommt es im vorliegenden Fall auf die Frage der Verfahrensfreiheit nicht entscheidungserheblich an, da der streitgegenständliche Carport jedenfalls materiell rechtswidrig ist. Wie sich aus Art. 55 Abs. 2 BayBO ergibt, muss auch eine nach Art. 57 Abs. 1 BayBO verfahrensfreie bauliche Anlage in Einklang mit den materiell-rechtlichen Anforderungen stehen.

Der streitgegenständliche Carport an der westlichen Grenze des klägerischen Grundstücks erweist sich in bauordnungsrechtlicher Hinsicht wegen Verstoßes gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts ( Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO) als materiell rechtswidrig. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Der grenzständige Carport hält die nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO erforderlichen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück,..., Gemarkung ..., ..., nicht ein. Da eine Abstandsflächenübernahme durch den Nachbarn hier nicht vorliegt (Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO), müssen die Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst liegen ( Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Auch eine Privilegierung nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO ist nicht gegeben, da der streitgegenständliche Carport zusammen mit dem dahinter liegenden Gartenhaus mit Freisitz das zulässige Maß an Grenzbebauung je Grundstücksgrenze von 9 m um 4,05 m überschreitet (dazu oben 1.1.1).

1.2

Die Ermessensausübung durch die Beklagte im Rahmen der streitgegenständlichen Beseitigungsanordnungen ist in den Grenzen des § 114 VwGO nicht zu beanstanden. Entsprechend § 114 Satz 1 VwGO ist die Ermessensentscheidung der Behörde gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. In den Bescheiden vom 17. Oktober 2013 sind die notwendigen tragenden Ermessensgesichtspunkte gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG enthalten.

Die Beklagte hat bei der Ausübung des ihr im Rahmen des Art. 76 Satz 1 BayBO eingeräumten Ermessens insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen.

Die Teil-Beseitigungsanordnungen stellen das mildeste Mittel dar, da der gewünschte Erfolg – die Herstellung rechtmäßiger Zustände - nicht auf andere Weise erreicht werden kann. Angesichts der erheblichen Überschreitung der zulässigen Gesamtlänge je Grundstücksgrenze (13,05 m statt 9 m) kommen weniger belastende Anordnungen als milderes Mittel hier nicht in Betracht.

Insbesondere scheidet die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO von den Anforderungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO aus, da diese eine atypische Fallgestaltung voraussetzt. Die Zulassung einer Abweichung erfordert Gründe, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die etwa bewirkten Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2011 – 2 B 11.2231 – juris Rn. 16; B.v. 5.12.2011 – 2 CS 11.1902 – juris). Solche Gründe sind hier nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist zudem, dass Art. 6 Abs. 9 BayBO bereits eine Ausnahme von dem Grundsatz des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO darstellt; eine nochmalige Ausnahme ist im vorliegenden Fall nicht veranlasst. Hinzu kommt, dass bei der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO vorzunehmenden Abwägung auch die öffentlich-rechtlichen geschützten nachbarlichen Belange zu würdigen sind und der Nachbar im vorliegenden Fall gegenüber der Beklagten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er nicht bereit ist, die Überschreitung der Abstandsflächen zu dulden. Nach alledem überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften gegenüber dem persönlichen Interesse der Kläger an einer verlängerten Grenzbebauung.

Entgegen der Auffassung des Klägervertreters können sich die Kläger auch nicht erfolgreich darauf berufen, eine Duldung der Grenzbebauung wäre hier das mildere Mittel, da die Beklagte mit der per E-Mail erteilten Auskunft vom 28. November 2012 ihnen gegenüber einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Zwar enthielt diese E-Mail keinen Hinweis auf die zulässige Gesamtlänge aller Nebengebäude. Allerdings wurden seitens der Kläger die Voraussetzungen für die Errichtung eines grenzständigen Carports per E-Mail nur ganz allgemein, ohne Einreichung eines schriftlichen Bauantrags und vor allem ohne Erwähnung des bereits vorhandenen, ebenfalls grenzständigen Gartenhauses mit überdachtem Freisitz, erfragt. Der Mitarbeiter der Beklagten hatte bei der Verfassung der E-Mail vom 28. November 2012 also keine Kenntnis aller baurechtlich erheblichen Umstände, worauf er in seiner E-Mail auch ausdrücklich hingewiesen hat. Zudem hat der Mitarbeiter der Beklagten in dieser E-Mail auch darauf hingewiesen, dass es sich bei der Auskunft gerade nicht um eine verbindliche Zusicherung im Sinne des Art. 38 BayVwVfG handelt und die Auskunft nicht ein nötiges bauordnungs- oder denkmalrechtliches Verfahren ersetzt. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Kläger wurde durch die E-Mail mithin nicht erzeugt.

Die Beklagte hat auch insoweit entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehandelt, als sie nicht die vollständige Beseitigung des Carports angeordnet hat, sondern nur den Rückbau der Grenzbebauung bestehend aus einer Kfz-Stellplatzüberdachung und einem Gartenhaus insoweit, als diese eine Gesamtlänge von 9,00 m an der westlichen Grundstücksgrenze zum Nachbaranwesen, ..., hin überschreitet. Es steht damit den Klägern frei, die von ihnen bevorzugte Lösung für den erforderlichen Rückbau der Grenzbebauung auszuwählen.

Schließlich erscheint auch die den Klägern in den Bescheiden vom 17. Oktober 2013 eingeräumte Vollzugsfrist von einem Monat ab Unanfechtbarkeit des Bescheids als angemessen und damit verhältnismäßig.

Ein Ermessensfehler ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ( Art. 3 GG, Art. 118 BV) als gesetzlicher Grenze des Ermessens. Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung kann eine bauordnungsrechtliche Beseitigungsanordnung vom Adressaten nicht alleine mit dem Argument abgewehrt werden, die Behörde schreite gegen Baurechtsverstöße in vergleichbaren anderen Fällen nicht ein; denn Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht ( BVerwG, B.v. 22.4.1995 – 4 B 55/95 – juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 30.09.2014 - 9 ZB 11.1119 - juris). Dennoch hat die Bauaufsichtsbehörde ihre bauordnungsrechtliche Tätigkeit maßgeblich am Gleichheitssatz auszurichten. Dieser verpflichtet die Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich nicht, rechtswidrige Zustände flächendeckend aufzugreifen (vgl. BVerwG, B.v. 19.2.1992 – 7 B 106/91 – NVwZ-RR 1992, 360; BayVGH, B.v. 23.2.2010 – 15 ZB 08.1479 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 30.09.2014 - 9 ZB 11.1119 - juris). Die Behörde darf sich auf ein Vorgehen gegen einzelne Störer beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe hat (BVerwG, B.v. 23.11.1998 - 4 B 99/98; BayVGH, B.v. 21.01.2003 – 14 ZB 02.1303 – juris; B. v. 6.11.2007 - 14 B 06.1933 -, juris; BayVGH, B.v. 30.09.2014 - 9 ZB 11.1119 - juris). Im vorliegenden Fall können sich die Kläger nicht erfolgreich darauf berufen, die Beklagte sei bei Erlass der streitgegenständlichen Baubeseitigungsanordnungen planlos oder systemwidrig und damit willkürlich vorgegangen (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.1998 - 4 B 99/98 - juris). Die Vertreter der Beklagten haben in den mündlichen Verhandlungen nachvollziehbar dargelegt, dass die Bauaufsichtsbehörde im vorliegenden Fall anlassbezogen, nämlich als Reaktion auf eine konkrete Nachbarbeschwerde, vorgegangen ist. Anlass zum Einschreiten hat nach dem Vortrag der Beklagten auch die Tatsache geboten, dass die rechtswidrige Grenzbebauung der Kläger zu den in der Umgebung vorhandenen grenzständigen Anlagen erst im Jahr 2012 hinzugekommen ist. Selbst wenn sich in der Umgebung des klägerischen Grundstücks weitere Schwarzbauten befinden würden, handelt es sich dabei nach den Ausführungen der Beklagten und nach Aktenlage um bauliche Anlagen, die bereits seit vielen Jahren (mindestens seit 10 bis 15 Jahren) bestanden und von den Nachbarn über einen längeren Zeitraum hinweg geduldet worden waren. Die Entstehung neuerer formell und materiell rechtswidriger baulicher Anlagen – wie die der Kläger - bedeutet jedenfalls eine Verschlechterung des vorhandenen Zustands und darf von der Behörde deshalb grundsätzlich vorrangig aufgegriffen werden. Bei Neuanlagen ist die Gefahr von Bezugsfällen grundsätzlich größer als bei den vor vielen Jahren errichteten Altbauten (vgl. BayVGH, B.v. 21.01.2003 – 14 ZB 02.1303 – juris).

Die Beklagte hat zwar in der mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2014 darauf hingewiesen, dass ihr einige der von den Klägern benannten Bezugsfälle bisher noch nicht bekannt waren. Insoweit genügt es, dass die Bauaufsichtsbehörde nach Bekanntwerden dieser Vergleichsfälle ankündigt, auch diese Fälle aufzugreifen und einer bauaufsichtlichen Prüfung zu unterziehen (BayVGH, B.v. 21.01.2003 – 14 ZB 02.1303 – juris). Dies ist hier geschehen, da der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 8. Dezember 2014 erklärt hat, es würden alle in der näheren Umgebung des klägerischen Vorhabens bekannt gewordenen Fälle, die nicht der Bayerischen Bauordnung entsprächen, aufgegriffen und überprüft. Die Beklagte habe auch bereits die von den Klägern benannten Bezugsfälle vor Ort besichtigt und eine Überprüfung veranlasst, ob sie unter Anlegung der Maßstäbe der Bayerischen Bauordnung aufgegriffen werden oder nicht. Für die Kammer besteht kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln.

Nach alledem erscheint das Handeln der Beklagte im vorliegenden Fall nicht als willkürlich, so dass auch insoweit kein Ermessensfehler gegeben ist.

2.

Auch die in den Bescheiden der Beklagten vom 17. Oktober 2013 jeweils enthaltene Zwangsgeldandrohung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für die Zwangsgeldandrohung sind Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG. Die Zwangsgeldandrohung entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 29 Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG). Auch die Höhe des Zwangsgelds ( Art. 31 Abs. 2 Satz 1, Art. 36 Abs. 5 BayVwZVG) begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere steht die Höhe des Zwangsgelds nicht im Missverhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung des Carports für den Kläger (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayVwZVG).

Die Zwangsgeldandrohung ist auch inhaltlich bestimmt ( Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG), da sich der auf den Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 entfallende Teil des angedrohten Zwangsgeldes eindeutig aus dem Bescheidstenor und der dazu ergangenen Begründung ergibt.

3.

Damit bleiben die Klagen ohne Erfolg. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Als im Verfahren Unterlegene haben die Kläger die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
 

Beschluss

Der Streitwert wird festgesetzt auf vor der Verbindung jeweils 3.000,-- EUR, nach der Verbindung auf insgesamt 6.000,-- EUR.


 

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.