Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 12. März 2018 - A 7 K 4818/17

bei uns veröffentlicht am12.03.2018

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzes, weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG bzgl. Gambia und wendet sich gegen den Bescheid vom 24.05.2017, mit welchem sein Asylfolgeantrag auf Abänderung des Bescheids vom 14.10.2014 bzgl. der Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG als unzulässig abgelehnt wurde.
Der Kläger, eigenen Angaben zufolge gambischer Staatsangehöriger aus B. vom Volke der Mandingka und islamischen Glaubens, stellte erstmals am ...2012 einen (förmlichen) Asylantrag.
Im Rahmen dieses Asylverfahrens legte der Kläger in Kopie eine Erklärung eines Herrn L. D. mit folgendem Inhalt vor:
„United Democratic Party
to whom it may concern
certification of attestation
Sambou Ceesay
I the undersigned L. D., the national Youth President of the United Democratic Party (UDP) here by confirm that S. C. is a UDP Youth mobilizer in Dippa Kunda K.M.C. He became a member of the UDP in August 2012.
S. C. is an active member oft he U.D.P party he is youth mobilizer for Dippa Kunda K.M.C, During Campaigns led by the party, he was involved in and incident which almost took his life an left a big scar in his stomach.
Mr. C. was involved in a fight with the ruling party members when our meeting was attacked by APRC youth which led tot he death of a ruling party member in Dippa Kunda K.M.C. Due to this incident our party youth leader is arrested an some menbers of our youth wing and fourtunately for him, he managed to escape. His life will be in great danger if he is back in the Gambia. He could lost his life or even disappear without trace.
S. C. is stil a registered member oft he UDP since 2012, with our renewed membership card and among those living abroad wanted by the (APRC) government for purely political reason.
S. C. is an active member oft he U.D.P Mobilizer in Dippa Kunda K.M.C and the youth organizer by all definition and standard, and should be granted the status, Protection als provided for under all international Himan Right Convention.
10 
In the name of human Right the party would be grateful if all assistance is provided for him so that he can continue to do the good work he has done in the Gambia.
11 
Yours sincerely,
L. D.
National Youth President
United Democratic Party
Banjul, The Gambia“
12 
Im Rahmen der persönlichen Anhörung gem. § 25 AsylG am 28.08.2014 gab der Kläger an, in Gambia keinerlei Personaldokumente besessen zu haben. Er habe einen Personalausweis gehabt, nicht aber einen Reisepass, weil er nicht an eine Ausreise gedacht habe. Er habe nur den Mitgliedsausweis seiner Partei (U.D.P.) dabei.
13 
Bis zu seiner Ausreise seit 2001 habe er bei seinen Eltern und seiner Familie in S. im Stadtteil D. K. gelebt. Er habe 12 Jahre die Schule besucht und Abitur gemacht. Dann habe er im Lager gearbeitet und Waren be- und entladen. Auch habe er bei einer Firma in der Hausreinigung gearbeitet. Als Lagerist habe er für die Firma G. B. gearbeitet und für die Reinigung bei T. E.. Die Lagerarbeit habe er zwei Jahre lang gemacht und die Reinigungsarbeit bis zu seiner Ausreise. Dieser Reinigungsfirma habe er dann 2010 gekündigt und sei in die Politik gegangen. Von der Politik könne man nicht leben; er habe Ersparnisse aus seiner Tätigkeit gehabt und außerdem habe sein Vater einen Laden, da hätten sie noch einiger Güter dazugekauft. So habe er seinen Lebensunterhalt bestritten.
14 
Befragt nach seiner Reiseroute gab der Kläger an: Am 08.08.2012 sei er von Serekunda aus mit dem Auto nach B. und von dort weiter in den Senegal. Dort habe er sich drei Wochen lang aufgehalten. Dann sei er mit einem Segelboot, wie sie in Afrika gebaut würden, nach Gibraltar gefahren. Die Fahrt habe 10 Tage gedauert. In Gibraltar habe er auf der Straße gelebt. Dort habe er eine Frau getroffen, die ihn mit Kleidung und Essen versorgt habe und deren Sohn ihn mit dem Privatauto nach Deutschland bis nach Braunschweig gebracht habe. Sie seien am 25.09.2012 losgefahren und seien am 26.09.2012 angekommen.
15 
Befragt nach seinen Fluchtgründen äußerte der Kläger: Er habe Freunde in einer Partei gehabt und sei in diese Partei eingetreten. Der Präsident von Gambia habe 47 Leute umbringen wollen und sie hätten eine Demonstration organisiert gegen dieses Urteil. Diese Demonstration sei auch von der Polizei genehmigt worden. Es seien dann aber die Anhänger des Präsidenten gekommen und hätten sie attackiert. Dabei seien einige Leute verletzt und verhaftet worden; der Kläger sei auch rechts unterhalb des Brustkorbes verletzt worden. Er habe dann aber entkommen können. Das sei im August 2012 gewesen.
16 
Nach dem Vorfall sei er zu einem Freund nach Brikama, bei dem seine Verletzung behandelt worden sei. Dann sei er einen Tag später gleich weiter in den Senegal.
17 
Er sei seit 2012 aktives Mitglied in der UDP. Angemeldet in der Partei sei er bereits seit 2010, aber erst ab 2012 sei er aktiv gewesen. Er habe Leute gerufen und gesagt, dass an dem Tag oder zu einem bestimmten Tag eine Versammlung ist und die kommen sollen. Seinen Mitgliedsausweis habe er nicht mitgenommen.
18 
Auf Frage, woher er das vorgelegte Schriftstück habe, erklärte der Kläger: Wenn man nicht aktiv in der Partei sei, bekomme man so etwas nicht. Er sei aber aktives Mitglied gewesen und habe das als aktives Mitglied von der Partei bekommen. Wenn er nach Gambia zurückkehrte, würde er verhaftet, das sei sicher. Sie könnten ihn auch umbringen. Als er geflüchtet gewesen sei, hab er gehört, dass sie zu ihnen ins Haus gekommen seien. Er habe mit einem seiner Onkel telefoniert, der habe ihm das gesagt. Sein Onkel habe gesagt, dass es gut sei, dass der Kläger nicht mehr da sei, sonst hätten sie ihn mitgenommen und er wäre vielleicht verschwunden. Das seien Leute in Zivil gewesen. Der Onkel habe sofort gewusst, dass es Leute vom Staatsapparat oder so etwas ähnliches waren und dass sie den Kläger mitgenommen hätten. Am dritten Tag seien sie gekommen und hätten seinen Vater mitgenommen. Das sei nicht sein richtiger Vater gewesen, sondern der Bruder seines (leiblichen) Vaters. Der sei dann drei Tage in Haft gewesen und als er zurückgekommen sei, sei er gleich gestorben. Das alles habe ihm sein Onkel gesagt.
19 
Von den aktiven Mitgliedern seien 30 verhaftet worden. Es habe dann sehr viele Klagen beim Parteivorstand gegeben. In einer Diktatur sei es aber so, dass eine Oppositionspartei keinen großen Einfluss habe. Die Opposition habe dann selbst mitbekommen, dass so viele Leute verhaftet worden seien und sie hätten gesagt, dass diese freigelassen werden sollten. Als der Kläger noch in Gambia gewesen sei, habe er mitbekommen, dass nur drei Leute freigelassen worden seien.
20 
Auch 2010 sei er schon einmal verhaftet und von den Leuten des Staatsapparats geschlagen worden. Es sei so, dass wenn die wüssten, dass da Mitglieder einer Partei seien, dass dann alle verhaftet und mitgenommen würden. Sie seien gefragt worden, warum sie gegen die Regierung seien. Sie hätten gesagt, dass sie als Bürger dieses Landes das Recht hätten, sich demokratisch zu äußern. Der Kläger sei drei Tage in Haft gewesen und es habe jeden Tag Schläge und Folter gegeben. Das sei zu der Zeit gewesen, als die Tante des Präsidenten von Gambia gestorben sei. Der Präsident habe dann Voodoo-Leute geholt, die hätten Tausende von Leuten verhaftet und verprügelt. Einer sei daran gestorben und zwei wären schwer krank geworden. Das sei der Grund gewesen, weshalb er Gambia verlassen habe: Er habe eine Infektion am Rücken, wegen derer er in Behandlung sei. Er wisse nicht genau, was das für eine Erkrankung sei, das stehe auf diesem Blatt. Er sei auch beim Landratsamt gewesen wegen einer Weiterbehandlung, diese sei aber noch nicht genehmigt worden.
21 
Der Kläger legte ein Überweisungsschreiben einer radiologischen Praxis an den den Kläger behandelnden Hausarzt vor, wonach der Kläger unter einer unklaren Lumbalgie leide. Der mithilfe einer MRT-Untersuchung ermittelte Befund stellte sich wie folgt dar: „Osteochondrose im Segment LWK 4/5 mit deutlichem grund- und deckplattennahem Marködem sowie breitbasigem dorsalen und rechts intraforaminärem Bandscheibenvorfall. Diskrete breitbasige dorsale Protrusion im Segment LWK 3/4. Unauffällige Darstellung der übrigen LWS-Segmente. Regelrechte Weite von knöcherem Spinalkanal und Neuroforamina. Orthotope Lage des Conus medullaris. Regelrechtes Signalverhalten des Myelons. Thorakolumbaler Übergang unauffällig.
22 
Beurteilung: Deutliche erosive Ostheochondrose im Segment LWK 4/5 mit breitbasigem dorsalen und rechts intraforaminärem Bandscheibenvorfall. Ansonsten weitgehend unauffälliger MRT-Befund der LWS.
23 
Mit Bescheid vom 14.10.2014 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet und jenen auf subsidiären Schutz als unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen.
24 
Zur Begründung der abgelehnten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Asylanerkennung führte das Bundesamt aus, der Kläger habe seine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Der gesamte Sachvortrag des Klägers sei völlig ungeeignet, den Eindruck einer lebensechten Schilderung zu erwecken. Der Kläger müsse sich bereits vorhalten lassen, dass er völlig unbrauchbare Angaben zu seinem Reiseweg und den Umständen seiner Einreise nach Deutschland gemacht habe. Völlig realitätsfern sei die Schilderung, dass der Schleuser im Senegal den Kläger völlig kostenfrei mit einem Boot nach Gibraltar gebracht habe. Ebenso völlig unklar seien die Angaben des Klägers zu seiner Weiterreise. Auch das fluchtbegründend Geschilderte sei realitätsfern und detailarm und vage. Die Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens würden auch noch durch die angeblich von der UDP ausgestellten Schriftstücke untermauert. So habe der Kläger nicht dartun können, wie und woher er diese erhalten haben wolle, zumal die Ausreise nach seiner eigenen Darstellung sehr kurzfristig erfolgt sei. Auch lasse sich der Bescheinigung nicht entnehmen, woher die Erkenntnisse des Unterzeichners zu der persönlichen Situation des Klägers stammten.
25 
Aus demselben Grund komme die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht in Betracht.
26 
Auch die Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG rechtfertige sich weder aus der allgemeinen humanitären Lage in Gambia, noch aus den individuellen Umständen des Klägers. Zwar habe dieser ein Arztschreiben vorgelegt und erklärt, auch weiterhin in ärztlicher Behandlung zu sein. Weitere, neuere Unterlagen habe er aber nicht vorgelegt. Dies lege den Schluss nahe, dass eine Behandlung möglicherweise förderlich wäre, aber eine Nichtbehandlung - sofern überhaupt noch eine Erkrankung vorhanden ist - keine erhebliche und konkrete Gefahr i. S. d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG bedeuten würde. Im Übrigen seien auch in Gambia medizinische Behandlungen möglich.
27 
Das gegen den Bescheid angestrengte Klageverfahren (A 1 K 3961/14) war erfolglos, nachdem jenes auf einstweiligen Rechtsschutz (A 1 K 3962/14) zunächst zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage geführt hatte (Beschluss vom 06.12.2014).
28 
Im Klageverfahren hat der Kläger seine angebliche Membership-Card der UDP, ausgestellt am 10.08.2012, und einen orthopädischen Befundbrief vom 17.03.2015 vorgelegt. Letzterem ist zu entnehmen, dass der Kläger bei einer bestehenden Ostheochondrose L4/5 immer wieder starken Beschwerden im Lumbalbereich ausgesetzt sei. Es seien regelmäßige Therapien erforderlich.
29 
Mit Urteil vom 24.03.2015 hat die damalige Einzelrichterin die Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 14.10.2014 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil sein fluchtbegründendes Vorbringen nicht glaubhaft sei (wird ausgeführt). Dem Kläger drohe auch bei Rückkehr nach Gambia kein ernsthafter Schaden i. S. d. § 4 Abs. 1 AsylG. Der Kläger habe auch keinen auf Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG. Dem vorgelegten Attest vom 17.03.2015 sei schon nicht zu entnehmen, dass sich die Erkrankung des Klägers (Rückenschmerzen) bei Abbruch der derzeitigen Behandlung wesentlich verschlimmern würde. Auch werde mit der Aussage, es sei eine Therapie erforderlich, nicht hinreichend konkretisiert, ob eine solche schon erfolgte oder ob dies lediglich geplant sei.
30 
Das Urteil ist seit dem 18.08.2015 rechtskräftig.
31 
Am 08.12.2016 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag bzgl. der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Feststellung von Abschiebungsverboten. Zur Begründung führt er aus, nunmehr lägen neue Unterlagen (dem Antrag beigefügt) vor, die eine anderweitige Bewertung des Sachverhalts geböten. Das Gericht sei in seiner Entscheidung vom 24.03.2015 davon ausgegangen, dass der Kläger nicht glaubhaft sei. Hiergegen wende sich der Kläger. Ihm sei durch einen Bekannten eine polizeiliche Suchmeldung zugeleitet worden. Dabei handele es sich offensichtlich um ein Dokument, welches in einem Polizeirevier ausgehängt worden sei. Der Kläger werde offensichtlich in Gambia wegen seiner Mitgliedschaft in der UDP und angeblicher Unruhestiftung gesucht. Es werde dabei auf die illegale Demonstration vom 08.08.2012 verwiesen. Die Suchmeldung selbst stamme, wie sich der Buttonangabe auf dem Stempel entnehmen lasse, aus dem August 2012, d. h. einem Zeitpunkt unmittelbar nach dem fraglichen Vorfall. Entgegen der Auffassung des Gerichts sei daher tatsächlich ein Interesse des gambischen Staates am Kläger vorhanden. In einem solchen Fall sei nicht damit zu rechnen, dass dieser ungefährdet nach Gambia einreisen und dort leben könne. In Gambia drohten dem Kläger aufgrund mangelnder rechtsstaatlicher Gewährleistungen willkürliche Verhaftung, Folter und sonstige Repressionen.
32 
Dem formularmäßigen Asylfolgeantrag ist Folgendes zu entnehmen: „The new wanted document shows that I still don’t feel safe in Gambia, that is why I still need your protection beside I had stomach problem also I need treatment.“
33 
Der Kläger legte ein weiteres ärztliches Attest seines ihn behandelnden Hausarztes vom 29.03.2017 vor, wonach er aufgrund einer chronischen Anthrum und Corpus Typ C Gastritis und eines chronischen LSW-Syndroms bei Bandscheibenvorfall L4/5 in kontinuierlicher ärztlicher Behandlung sei.
34 
Im Rahmen der informatorischen Anhörung am 31.03.2017 bzgl. der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG machte der Kläger folgende Angaben:
35 
Er habe Magenschmerzen und einen Bandscheibenvorfall. Dazu sei er auch in Behandlung. Er erhalte auch Medikamente, nämlich Ibuflam 600mg und Pantoprazol 1A-Pharma 20mg. Er sei auch derzeit in Behandlung.
36 
Befragt nach neuen Gründen, aufgrund derer Kläger nicht zurück nach Gambia könne, antwortete dieser: Seine Sicherheit sei dort nicht garantiert. Die neue Regierung habe auch keine Sicherheit, weil die in den Händen von ECOWAS liege. Der Vertrag sei abgelaufen und man habe diesen jetzt verlängert. Er wolle bestärken, dass die Leute unter Jammeh noch nicht verhaftet seien und ihn umbringen würden. Er habe immer noch Angst vor den Junglers, das sei die Mörderbande von Jammeh, die man noch nicht alle festgenommen habe. Dies seien seine Gründe.
37 
Ein Bekannter von ihm habe im Polizeipräsidium in Dippa-Kunda einen Steckbrief von ihm gesehen und fotografiert. Diesen habe er dem Kläger mit dem Handy weitergeleitet. Das Foto sei von 2012. Der Kläger habe es vor drei oder vier Monaten bekommen. Der Bekannte heiße S. S.. Das sei ein Wachmann. Er kenne ihn aus Gambia, er sei 25 Jahre alt. Er sei ein Freund.
38 
Mit Bescheid vom 24.05.2017 lehnte das Bundesamt den Asylfolgeantrag als unzulässig ab. Ferner lehnte es den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 14.10.2014 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG ab und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tage der Abschiebung.
39 
Zur Begründung wird ausgeführt, die erforderliche Änderung der Beweislage dahingehend, dass nunmehr die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes erfüllt wären, sei nicht gegeben. Der Asylantrag sei nicht mangels des vorgelegten Beweismittels abgelehnt worden, sondern aus Gründen mangelnder Glaubhaftmachung im Hinblick auf die vorgetragenen widersprüchlichen zeitlichen Abläufe. Der Folgeantrag sei daher nicht asylverfahrensrelevant, wenn im Folgeantrag lediglich eine Behauptung urkundlich belegt werde, die bereits im ursprünglichen Verfahren als unzureichend gewürdigt worden sei. Außerdem handele es sich bei dem vorgelegten Steckbrief lediglich um ein per Email übermitteltes Foto in minderer Qualität, sodass ohnehin dessen Echtheit nicht nachgewiesen werden könne.
40 
Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen bzgl. der § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG seien vorliegend ebenfalls nicht erfüllt. Hinsichtlich des § 51 Abs. 1 Nr. 1-3 VwVfG gelte das oben Ausgeführte. Bzgl. § 51 Abs. 3 VwVfG (Wiederaufgreifen im weiteren Sinne) bestehe zwar ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung rechtfertigten, seien nicht ersichtlich. Die vorgetragenen Rückenbeschwerden wurden bereits bei der früheren Entscheidung berücksichtigt. Aus dem vorgelegten Attest vom 29.03.2017 bzgl. einer chronischen Gastritis ergebe sich kein Anhaltspunkt für eine Gefahr für Leib oder Leben i. S. d. § 50 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG, weshalb es auf die Frage der Behandelbarkeit im Herkunftsstaat nicht ankomme.
41 
Der Bescheid wurde am 26.05.2017 als Einschreiben zur Post gegeben.
42 
Der Kläger hat am 07.06.2017 die vorliegende Klage erhoben.
43 
Der Kläger beantragt,
44 
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24.05.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG vorliegen.
45 
Die Beklagte beantragt,
46 
die Klage zurückzuweisen.
47 
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtenen Bescheide.
48 
Die Kammer hat mit Beschluss vom 12.01.2018 den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
49 
Das Gericht hat am 28.02.2018 über die Sache mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift, insbesondere deren Anlage, wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
50 
Dem Gericht haben die Behördenakten der Beklagten vorgelegen. Auf diese sowie auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens A 1 K 3961/14 wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
51 
Nach Übertragung des Rechtsstreits durch die Kammer entscheidet der Berichterstatter als Einzelrichter, § 76 Abs. 1 AsylG.
52 
Über die Klage konnte trotz Ausbleiben eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da diese hierauf zuvor in der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden war, § 102 Abs. 2 VwGO.
I.
53 
Die Klage ist als auf die Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 24.05.2017 gerichtete Anfechtungsklage statthaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4/16 - juris Rn. 16). Die vom Kläger beantragte und auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzes bzw. weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG gerichtete Verpflichtungsklage ist unzulässig (BVerwG, a. a. O. juris Rn. 17 unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung, die ein Durchentscheiden des Tatsachengerichts vorsah). Die Anfechtungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere steht ihr nicht die Rechtskraft des Urteils im Verfahren A 1 K 3961/14 vom 24.03.2015 entgegen (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 51 VwVfG Rn. 79 ff. m. w. N.).
II.
54 
Die Klage ist aber unbegründet.
55 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AsylG der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und damit das Asylgesetz und das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der letzten Änderung durch Art. 1 und 2 des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20.07.2017, BGBl I, S. 2780. Dies gilt auch im Falle der Überprüfung einer früheren gerichtlich bestätigten Behördenentscheidung im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens (vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 51 Rn. 49; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, 103 Mai 2015, § 71 Rn. 187).
56 
Ein Asylantrag ist dann im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Gemäß § 71 Abs. 1 AsylG ist nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Der Ausländer hat somit insbesondere darzulegen, dass sich die dem Verwaltungsakt zugrunde gelegte Sach- oder Rechtslage nachträglich zu seinen Gunsten geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Diese Gründe können nur dann zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führen, wenn der Asylbewerber ohne grobes Verschulden außerstande war, sie in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Asylfolgeantrag ist innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen zu stellen (§ 51 Abs. 3 VwVfG). Maßstab der gerichtlichen Prüfung sind dabei nur die Gründe für ein Wiederaufgreifen, die von dem Antragsteller geltend gemacht werden; diesem obliegt es, innerhalb der Ausschlussfrist von drei Monaten die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Folgeantrags, zu denen auch die Fristwahrung selbst gehört, bezüglich aller der von ihm geltend gemachten Wiederaufnahmegründe schlüssig darzulegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.08.1988 – 9 C 47.87 – juris Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.03.2000 – A 12 S 423/00 – juris Rn. 38).
1.
57 
Für die Bejahung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Asylverfahrens wegen Vorliegens neuer, für den Betroffenen günstiger Beweismittel nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ist – neben dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG (dazu 2. und 3.) – notwendig, dass es sich um zulässige Beweismittel i. S. d. § 26 VwVfG handelt, und diese „neu“ sind, wobei die Frage der „Neuheit“ für jeden Wiederaufgreifensgrund separat zu beurteilen ist (vgl. Peuker, in: Knack/Hennecke, VwVfG, § 51 Rn. 54 a. E. m. w. N.; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, 103 Mai 2015, § 71 Rn. 185). Dies ist dann der Fall, wenn sie als solche zur Zeit der Erstentscheidung nicht existent waren oder wenn sie bereits vor Erlass der Erstentscheidung bestanden, aber nicht mehr in das Erstverfahren eingeführt werden konnten oder von der Behörde tatsächlich nicht verwertet worden sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Neuheit der Beweismittel ist - wie § 51 Abs. 2 VwVfG impliziert - der Zeitpunkt der gerichtlichen Erstentscheidung, wenn sich ein gerichtliches Verfahren an das behördliche Erstverfahren angeschlossen hat (indirekt in diesem Sinne auch Peuker, in: Knack/Hennecke, VwVfG, § 51 Rn. 9; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 51 Rn. 131). Schließlich müssen sich die neuen Beweismittel zugunsten des Betroffenen auswirken können (dazu 4.). Insoweit ist die Geeignetheit der neuen Tatsachen für eine dem Asylbewerber günstigere Entscheidung schlüssig darzutun, wobei die Überprüfung der Erstentscheidung auf die Auswirkungen des neuen Beweismittels beschränkt ist (BVerwG, Urteil vom 21.04.1982 - 8 C 75/80 - NJW 1982, 2204, 2205). Es genügt nicht, dass lediglich pauschale Behauptungen aufgestellt werden (vgl. zu diesen Anforderungen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.07.1998 – A 12 S 1006/97 – juris Rn. 22). Die Darlegungen des Folgeantragstellers müssen eine ihm günstigere Entscheidung zumindest als möglich erscheinen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 07.03.1989 – 9 C 59.88 – juris Rn. 15; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.06.1999 – A 6 S 2766/98 – juris Rn. 28).
58 
Ausgehend hiervon sind sowohl das vorgelegte Original des Mitgliedsausweises der UDP (a)) als auch die Kopie/der Scan des Steckbriefes (b)) in diesem Sinne neue Beweismittel.
59 
Unerheblich ist dabei, dass in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers, in welchem die Gründe für die Einleitung des Asylfolgeverfahrens dem Bundesamt mitgeteilt wurden, kein Hinweis auf das Vorliegen des Original-Mitgliedsausweises enthalten war, und auch im weiteren Asylfolgeverfahren vor dem Bundesamt dieser Umstand niemals in Rede stand, sondern erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2018 zu Tage trat. Zwar obliegt es dem Asylfolgeantragsteller, die in Betracht kommenden Wiederaufgreifensgründe zu benennen und diesbezüglich alle Umstände darzulegen, die i. S. d. § 51 Abs. 1 VwVfG das Wiederaufgreifen des Verfahrens begründen (können) sollen (vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 51 Rn. 20 m. w. N.) und ist die inhaltliche Prüfung aus Gründen der Rechtssicherheit und des Zwecks des Wiederaufgreifensverfahrens auf diejenigen Gründe beschränkt, die neu hinzukommen und bzgl. derer der Antragsteller nicht präkludiert ist (vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 51 Rn. 50; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 51 Rn. 36). Kommen jedoch im laufenden (Verwaltungs- oder Gerichts-)Verfahren weitere neue Umstände hinzu, spricht schon die Prozessökonomie dafür, auch diese mit in das Verfahren einzubeziehen (im Sinne eines „weiten“ Verständnisses wegen Art. 34 Abs. 3 VRL a. F. bzw. 40 Abs. 3 VRL n. F. auch Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, 103 Mai 2015, § 71 Rn. 184).
a)
60 
Dem Gericht lag seinerzeit nur die Kopie der Membership Card des Klägers vor, die dessen Prozessbevollmächtigte dem Gericht mit Schriftsatz vom 23.03.2015 übermittelt hatte. Gegenüber der Kopie stellt das in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2018 vorgelegte Original der Membership-Card ein neues Beweismittel dar. Denn anders als die Kopie ist es geeignet, eine Bewertung der Echtheit des Dokuments zuzulassen. Dem Original kommt gegenüber der Kopie daher ein gesteigerter Beweiswert zu. Die Würdigung desselben war der seinerzeit erkennenden Berichterstatterin nicht möglich. Bereits dies rechtfertigt es, die Vorlage der Original-Membership Card des Klägers als neues Beweismittel i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG einzustufen.
b)
61 
Auch der vom Kläger zur Begründung des Asylfolgeantrags vorgelegte Steckbrief (polizeiliche Suchmeldung) ist ein ggü. dem Erstverfahren neues Beweismittel. Zwar liegt dieses nur in Kopie (bzw. als Scan in der Bundesamtsakte) vor, der Inhalt des (Original-)Dokuments wird in der Kopie aber gleichermaßen verkörpert (vgl. Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 26 Rn. 88). Der vorgelegte Steckbrief ist auch insoweit neu, als er im (behördlichen wie gerichtlichen) Erstverfahren noch nicht verfahrensgegenständlich war.
2.
62 
Lediglich bzgl. des Steckbriefes war der Kläger i. S. d. § 51 Abs. 2 VwVfG ohne grobes Verschulden außerstande, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
a)
63 
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 28.02.2018 hat der Kläger angegeben, das Original des Mitgliedsausweises (nur) deshalb in der damaligen mündlichen Verhandlung am 24.03.2015 nicht vorgelegt zu haben, weil die Richterin hiernach nicht gefragt habe. Damit impliziert der Kläger, dass er bereits seinerzeit über das Original sehr wohl verfügt hat. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger in der ersten Bundesamtsanhörung angegeben hat, den Mitgliedsausweis in Gambia gelassen zu haben. Denn damit ist nicht schlüssig dargelegt, wann und wie der Kläger zwischenzeitlich an den Mitgliedsausweis gelangt ist. Insoweit ist der Kläger aber beweisbelastet. Indem der Kläger das ihm wohl bereits damals vorliegende Original des Mitgliedsausweises nicht der Behörde und dem Gericht vorgelegt hat, ist er seinen Mitwirkungspflichten gem. § 15 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 Nr. 5 AsylG nicht nachgekommen und hat es i. S. d. § 51 Abs. 2 VwVfG schuldhaft unterlassen, ebendies zu tun. Insoweit ist ihm jedenfalls ein (grober) Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen. Dem Kläger musste auch klar sein, dass dem Original des Mitgliedsausweises ggü. der Kopie ein deutlich höherer Beweiswert zukommt, sodass er annehmen musste, dass das Bundesamt und das Gericht hieran ein gesteigertes Interesse hatten und er insoweit zur Vorlage verpflichtet war (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.12.2010 – 10 C 13/09 – juris Rn. 30 = BVerwGE 138, 289, 301).
b)
64 
Hinsichtlich des Steckbriefes hat der Kläger glaubhaft geschildert, dass ihm dieser weder während des ersten Asylverfahrens noch im diesbezüglichen Gerichtsverfahren bereits bekannt war, er diesen vielmehr erst im März 2016 von einem Freund aus Gambia per Email zugeschickt bekommen hat. Der Kläger hat es zuvor auch nicht grob fahrlässig unterlassen, sich nach dem Steckbrief zu erkundigen bzw. diesen dem Bundesamt und dem Gericht vorzulegen.
3.
65 
Der Kläger hat das Asylfolgeverfahren bzgl. des Steckbriefes verspätet i. S. d. § 51 Abs. 3 VwVfG eingeleitet. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2018 angab, hat er im März 2016 Kenntnis von dem Steckbrief erhalten und diesen per Mail zugesandt bekommen. Er war daher bereits zu diesem Zeitpunkt gehalten, das Wiederaufgreifen im Asylfolgeverfahren zu beantragen, da er positive Kenntnis des neuen Beweismittels hatte (zu diesem Erfordernis Peuker, in: Knack/Hennecke, VwVfG, § 51 Rn. 54). Tatsächlich erfolgte dies erst mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2016 und damit nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG. Weder das Bundesamt noch das Gericht können von dieser Frist dispensieren oder über diese hinwegsehen. Für das Gericht ergibt sich dies bereits aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung und der Bindung an das Gesetz. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht ersichtlich (vgl. zu dieser Möglichkeit Stein, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch, VwVfG, § 51 Rn. 15).
4.
66 
Selbst wenn man dies anders sehen und § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG als gewahrt ansehen wollte, wirkten sich die neuen Beweismittel nicht dergestalt zugunsten des Klägers aus, dass sie eine Abänderung der Erstentscheidung erforderlich machen oder zumindest möglich erscheinen würden.
67 
Weder ergibt sich die erforderliche Kausalität bei einer formalen Betrachtung der Frage, ob dieser geeignet ist, eine Neubewertung des Vortrages des Klägers zu rechtfertigen (dazu a)), noch bzgl. einer inhaltlichen Prüfung der Frage, ob der Kläger - bei Wahrunterstellung seines Vortrages und Berücksichtigung aller vorliegender Beweismittel - nach wie vor in Gambia verfolgt wird bzw. im Falle einer Rückkehr dorthin verfolgt würde (dazu b)).
a)
68 
Durch den neu vorgelegten Steckbrief lässt sich eine Neubewertung der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrages nicht rechtfertigen. Denn der Steckbrief ist nicht geeignet, die von der seinerzeit erkennenden Berichterstatterin im Verfahren A 1 K 3961/14 angenommene Unglaubhaftigkeit des klägerischen Vortrages bzgl. seiner Fluchtgründe aufzulösen. Im Urteil vom 24.03.2015 hat die damalige Berichterstatterin ausgeführt, der klägerische Vortrag, die Demonstration habe im August 2012 stattgefunden und der Kläger sei am 08.08.2012 ausgereist, sei mit den allgemein verfügbaren Erkenntnismitteln nicht vereinbar, wonach die Öffentlichkeit von der beabsichtigten Hinrichtung der 47 Gefangenen erst am 18. oder 19.08.2012 erfahren habe, weshalb es ausgeschlossen sei, dass bereits zehn oder neun Tage zuvor (d. h. vor der Ausreise des Klägers) eine Demonstration der UDP hiergegen habe geplant werden können (hierzu ferner mittlerweile US Deptartment of State, THE GAMBIA 2012 HUMAN RIGHTS REPORT, S. 2 (https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/693991/695246/695251/695256/16560729/United_States___US_Department_of_State___Human_rights_Report_2012_Gambia%2C_19.04.2013.pdf?nodeid=16560282&vernum=-2; UK Home Office, COIR Report 2013/14 4. Death penalty, S. 15). Diese Einschätzung wird durch den vorgelegten Steckbrief nicht infrage gestellt. Denn er verhält sich zu der Frage, wann die Demonstration stattfand und in welchem Zusammenhang sie zu der beabsichtigten Hinrichtung der 47 Gefangenen stand, nicht. Vielmehr ist er nach dem klägerischen Vortrag dazu bestimmt, darzutun, dass der Kläger nach wie vor in Gambia gesucht und verfolgt wird. Um dies annehmen zu können, muss jedoch - in einem ersten Schritt - zunächst das Verfolgungsschicksal glaubhaft sein und eine solche Verfolgung tragen können. Dies ist nach wie vor nicht der Fall.
69 
Damit kann offenbleiben, ob der vorgelegte Scan des Steckbriefes überhaupt geeignet ist, als Beweismittel eine andere inhaltliche Entscheidung zu rechtfertigen. Insoweit braucht nicht entschieden werden, ob die Kopie des Steckbriefes das Vorliegen eines echten Originals belegen kann, d. h. ob ein solches echtes Original überhaupt existiert, von dem behaupteten Aussteller stammt und den Kläger betrifft (woran der erkennende Einzelrichter nach wie vor erhebliche Zweifel hat, weil der Haftbefehl keine konkrete Straftat bezeichnet und als Datum der Versammlung ebenfalls den 08.08.0212 benennt, vgl. insoweit die Auskunft des AA vom 24.06.2015 an das VG Karlsruhe, Az. 508-9-516.80/48251, Schreiben des VG Karlsruhe vom 26.09.2014 -AZ. A 9 K 1844/14), mithin ob der Kläger tatsächlich staatlicherseits in Gambia gesucht wird.
b)
70 
Selbst bei einer alle vom Kläger in das Verfahren eingeführten Beweismittel berücksichtigenden materiellen Betrachtung (vgl. hierzu Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, 103 Mai 2015, § 71 Rn. 181) ergäbe sich ebenfalls keine gegenüber dem Urteil vom 24.03.2015 (A 1 K 3961/14) abweichende Einschätzung bzgl. der beantragten Schutztatbestände.
71 
Es ist schon nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger seinerzeit wegen seiner angeblichen Beteiligung an einer Versammlung der UDP mit einer staatlichen Verfolgung hätte rechnen müssen. Denn das diesbezügliche Vorbringen verbleibt auch nach der erneuten mündlichen Verhandlung und diesbezüglichen Nachfragen des erkennenden Einzelrichters äußerst vage und damit nicht glaubhaft: Der Kläger vermochte keine Angaben zu Ort und Umständen der Demonstration sowie zum Umfang seiner Beteiligung hieran zu machen. Auch seine Angaben zu seiner Eingliederung in die Organisation der UDP blieben äußerst blass und wenig nachvollziehbar. Es hätte aber erwartet werden können, dass der Kläger den für ihn angeblich fluchtauslösenden Vorfall detailliert und unter Angabe genauer Orts- und Zeitangaben sowie seines Mitwirkungsbeitrags schildert. Dass er dies nicht vermochte, geht zulasten der Glaubhaftigkeit seines Vortrags.
72 
Selbst bei Annahme einer relevanten Vorverfolgung durch Mitglieder des APRC, die dem (damaligen) gambischen Staat zugerechnet werden könnten, und der diesbezüglich anzunehmenden Vermutung für das Fortbestehen einer beachtlichen Verfolgungsfurcht i. S. d. Art. 4 Abs. 4 QRL, bestehen jedenfalls zum jetzt maßgeblichen Zeitpunkt hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die unterstellte Vorverfolgung im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Gambia nicht mehr bestünde.
73 
Denn es sprechen heute stichhaltige Gründe gegen eine unmenschliche Behandlung des Klägers im Fall seiner Rückkehr nach Gambia. Es erscheint nicht mehr beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger noch mit einer Inhaftierung aufgrund der Vorfälle im Jahre 2012 und daran anknüpfend mit einer unmenschlichen Behandlung in Haft zu rechnen hätte.
74 
Der frühere Präsident Gambias Yahya Jammeh, der das Land 22 Jahre lang diktatorisch regierte, hat am 01.12.2016 die Präsidentschaftswahlen verloren. Wahlsieger war der Oppositionelle Adama Barrow. Am 06.04.2017 wählten die Gambier ein neues Parlament. Die langjährige Oppositionspartei des neuen Präsidenten Barrow, die Vereinigte Demokratische Partei (UDP), gewann 31 von 53 zur Wahl stehenden Sitzen in der Nationalversammlung (vgl. BFA Österreich, Länderinformation zur Staatendokumentation Gambia, Stand 25.07.2017, S. 5 f.). Zwar ist die Euphorie nach dem Wahlsieg und der Vereidigung Barrows angesichts nach wie vor bestehender großer Probleme des Landes Ernüchterung gewichen. Jedoch werden seit seinem Amtsantritt erstmals demokratische Grundsätze wie Presse- und Meinungsfreiheit geachtet. In den ersten 100 Tagen von Barrows Präsidentschaft wurden bereits viele politische Häftlinge freigelassen, v.a. Personen, die aufgrund kritischer Meinungsäußerungen inhaftiert worden waren (vgl. BFA Österreich, a.a.O., S. 5). Gambische Journalisten kehrten aus dem senegalesischen Exil in ihr Heimatland zurück (vgl. zum Ganzen UK Home Office, Country Policy and Information Note, Gambia: Political Opinion, Version 2.0, Stand März 2017, S. 25, 27). Seit der Amtsübernahme durch Präsident Barrow erfolgen keine Verhaftungen aus politischen Gründen mehr. Die Aktivitäten der Opposition unterliegen keinen Einschränkungen. Es sind keine Berichte über Folter mehr bekanntgeworden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 26.10.2017, Stand Juli 2017, S. 4, 5), wobei angesichts der mittlerweile frei agierenden Presse davon auszugehen ist, dass derartige Vorfälle aufgegriffen werden würden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Stuttgart vom 21.08.2017). Allerdings sind auch unter der neuen Regierung die Versorgung von Häftlingen und die allgemeinen Haftbedingungen bislang kaum verbessert worden (vgl. den jüngsten Bericht des EASO Country of Origin Information Report: The Gambia - Country Focus, Dezember 2017, S. 35 f.: „The UN special rapporteur states in his report that the prisons were overcrowded und that prisoners were detained for many years without trial for minor offenses. The sanitary facilities and medical care were inadequate, and food was in short supply and of poor quality.“; vgl. auch den Lagebericht des Auswärtigen Amtes, a.a.O., S. 7: „Die Haftbedingungen sind problematisch. Haftanstalten sind überfüllt und in schlechtem baulichen Zustand. Die medizinische Versorgung in den Haftanstalten ist schlecht wie generell in Gambia. Aufgrund Überlastung der Gerichte ziehen sich Strafverfahren mitunter unverhältnismäßig lang hin.“). Zwar wurden zahlreiche Häftlinge freigelassen, sodass insoweit die Überbelegung der Zellen und Gefängnisse verringert werden konnte; bzgl. der (unzureichenden) Haftbedingungen plant die neue Regierung jedoch keine umgehende Verbesserung der (Situation in den) bestehenden Gefängnisse(n), sondern neue Einrichtungen, die internationalen Standards entsprechen sollen. Deren Realisierung steht jedoch noch aus (vgl. wiederum EASO, a.a.O., S. 36).
75 
Unter diesen veränderten Umständen vermag der Berichterstatter nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Kläger derzeit noch eine längerfristige (Untersuchungs-)Haft in Gambia unter menschenrechtswidrigen Haftbedingungen oder eine politisch motivierte und damit diskriminierende Strafverfolgung drohte. Die von ihm geschilderten Vorfälle liegen nun fast sechs Jahre zurück und datieren aus der Zeit vor dem Regierungswechsel. Den Angaben des Klägers zufolge haben die Polizei bzw. Vertreter des „Staatsapparats“ zwar nach seiner Ausreise noch nach ihm gesucht, allerdings liegen ihm selbst seit Abbruch des Kontakts zu seiner Familie (namentlich dem Onkel) keine diesbezüglichen Informationen mehr vor. Darüber hinaus ist letztlich unklar geblieben, ob im Jahr 2012 tatsächlich ein Haftbefehl für den Kläger ausgestellt wurde, der heute noch Grundlage für eine Inhaftierung zumindest bis zur endgültigen Klärung eventueller strafrechtlicher Vorwürfe gegen den Kläger sein könnte.
76 
Aus denselben Gründen scheidet die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gem. § 4 AsylG bzw. die Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK aus. Neue Beweismittel bzgl. der Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hat der Kläger nicht vorgelegt, sodass auch diesbezüglich ein Wiederaufgreifen gem. § 51 Abs. 1 VwVfG ausscheidet.
5.
77 
Der Kläger hat auch gem. § 51 Abs. 5 i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 51 Rn. 15, 18) Neubescheidung (Wiederaufgreifen im weiteren Sinne).
78 
Denn § 51 Abs. 5 VwVfG ist vom Verweis in § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG nicht erfasst, sodass ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne im Asyl(folge)verfahren von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 51 Rn. 15; dies dennoch (ohne Auseinandersetzung mit § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG) prüfend VG Würzburg, Urteil vom 11.01.2018 – W 1 K 16.31332 – juris Rn. 20). Selbst wenn - was vorliegend schon nicht der Fall ist - die Behörde sich auch auf die Prüfung eines Wiederaufgreifens im weiteren Sinne eingelassen hätte, ergäbe sich hier im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung keine abweichende Beurteilung. Denn wie bereits oben ausgeführt, sind die neuen Beweismittel für den Kläger nicht dergestalt günstig, dass sie eine Änderung der ursprünglichen Entscheidung erforderlich machen würden. Schon die notwendige, aber nicht hinreichende Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Entscheidung (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 51 Rn. 18) ist damit nicht gegeben/hinreichend dargetan.

Gründe

 
51 
Nach Übertragung des Rechtsstreits durch die Kammer entscheidet der Berichterstatter als Einzelrichter, § 76 Abs. 1 AsylG.
52 
Über die Klage konnte trotz Ausbleiben eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da diese hierauf zuvor in der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden war, § 102 Abs. 2 VwGO.
I.
53 
Die Klage ist als auf die Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 24.05.2017 gerichtete Anfechtungsklage statthaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4/16 - juris Rn. 16). Die vom Kläger beantragte und auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzes bzw. weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG gerichtete Verpflichtungsklage ist unzulässig (BVerwG, a. a. O. juris Rn. 17 unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung, die ein Durchentscheiden des Tatsachengerichts vorsah). Die Anfechtungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere steht ihr nicht die Rechtskraft des Urteils im Verfahren A 1 K 3961/14 vom 24.03.2015 entgegen (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 51 VwVfG Rn. 79 ff. m. w. N.).
II.
54 
Die Klage ist aber unbegründet.
55 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AsylG der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und damit das Asylgesetz und das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der letzten Änderung durch Art. 1 und 2 des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20.07.2017, BGBl I, S. 2780. Dies gilt auch im Falle der Überprüfung einer früheren gerichtlich bestätigten Behördenentscheidung im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens (vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 51 Rn. 49; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, 103 Mai 2015, § 71 Rn. 187).
56 
Ein Asylantrag ist dann im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Gemäß § 71 Abs. 1 AsylG ist nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Der Ausländer hat somit insbesondere darzulegen, dass sich die dem Verwaltungsakt zugrunde gelegte Sach- oder Rechtslage nachträglich zu seinen Gunsten geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Diese Gründe können nur dann zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führen, wenn der Asylbewerber ohne grobes Verschulden außerstande war, sie in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Asylfolgeantrag ist innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen zu stellen (§ 51 Abs. 3 VwVfG). Maßstab der gerichtlichen Prüfung sind dabei nur die Gründe für ein Wiederaufgreifen, die von dem Antragsteller geltend gemacht werden; diesem obliegt es, innerhalb der Ausschlussfrist von drei Monaten die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Folgeantrags, zu denen auch die Fristwahrung selbst gehört, bezüglich aller der von ihm geltend gemachten Wiederaufnahmegründe schlüssig darzulegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.08.1988 – 9 C 47.87 – juris Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.03.2000 – A 12 S 423/00 – juris Rn. 38).
1.
57 
Für die Bejahung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Asylverfahrens wegen Vorliegens neuer, für den Betroffenen günstiger Beweismittel nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ist – neben dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG (dazu 2. und 3.) – notwendig, dass es sich um zulässige Beweismittel i. S. d. § 26 VwVfG handelt, und diese „neu“ sind, wobei die Frage der „Neuheit“ für jeden Wiederaufgreifensgrund separat zu beurteilen ist (vgl. Peuker, in: Knack/Hennecke, VwVfG, § 51 Rn. 54 a. E. m. w. N.; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, 103 Mai 2015, § 71 Rn. 185). Dies ist dann der Fall, wenn sie als solche zur Zeit der Erstentscheidung nicht existent waren oder wenn sie bereits vor Erlass der Erstentscheidung bestanden, aber nicht mehr in das Erstverfahren eingeführt werden konnten oder von der Behörde tatsächlich nicht verwertet worden sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Neuheit der Beweismittel ist - wie § 51 Abs. 2 VwVfG impliziert - der Zeitpunkt der gerichtlichen Erstentscheidung, wenn sich ein gerichtliches Verfahren an das behördliche Erstverfahren angeschlossen hat (indirekt in diesem Sinne auch Peuker, in: Knack/Hennecke, VwVfG, § 51 Rn. 9; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 51 Rn. 131). Schließlich müssen sich die neuen Beweismittel zugunsten des Betroffenen auswirken können (dazu 4.). Insoweit ist die Geeignetheit der neuen Tatsachen für eine dem Asylbewerber günstigere Entscheidung schlüssig darzutun, wobei die Überprüfung der Erstentscheidung auf die Auswirkungen des neuen Beweismittels beschränkt ist (BVerwG, Urteil vom 21.04.1982 - 8 C 75/80 - NJW 1982, 2204, 2205). Es genügt nicht, dass lediglich pauschale Behauptungen aufgestellt werden (vgl. zu diesen Anforderungen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.07.1998 – A 12 S 1006/97 – juris Rn. 22). Die Darlegungen des Folgeantragstellers müssen eine ihm günstigere Entscheidung zumindest als möglich erscheinen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 07.03.1989 – 9 C 59.88 – juris Rn. 15; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.06.1999 – A 6 S 2766/98 – juris Rn. 28).
58 
Ausgehend hiervon sind sowohl das vorgelegte Original des Mitgliedsausweises der UDP (a)) als auch die Kopie/der Scan des Steckbriefes (b)) in diesem Sinne neue Beweismittel.
59 
Unerheblich ist dabei, dass in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers, in welchem die Gründe für die Einleitung des Asylfolgeverfahrens dem Bundesamt mitgeteilt wurden, kein Hinweis auf das Vorliegen des Original-Mitgliedsausweises enthalten war, und auch im weiteren Asylfolgeverfahren vor dem Bundesamt dieser Umstand niemals in Rede stand, sondern erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2018 zu Tage trat. Zwar obliegt es dem Asylfolgeantragsteller, die in Betracht kommenden Wiederaufgreifensgründe zu benennen und diesbezüglich alle Umstände darzulegen, die i. S. d. § 51 Abs. 1 VwVfG das Wiederaufgreifen des Verfahrens begründen (können) sollen (vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 51 Rn. 20 m. w. N.) und ist die inhaltliche Prüfung aus Gründen der Rechtssicherheit und des Zwecks des Wiederaufgreifensverfahrens auf diejenigen Gründe beschränkt, die neu hinzukommen und bzgl. derer der Antragsteller nicht präkludiert ist (vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 51 Rn. 50; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 51 Rn. 36). Kommen jedoch im laufenden (Verwaltungs- oder Gerichts-)Verfahren weitere neue Umstände hinzu, spricht schon die Prozessökonomie dafür, auch diese mit in das Verfahren einzubeziehen (im Sinne eines „weiten“ Verständnisses wegen Art. 34 Abs. 3 VRL a. F. bzw. 40 Abs. 3 VRL n. F. auch Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, 103 Mai 2015, § 71 Rn. 184).
a)
60 
Dem Gericht lag seinerzeit nur die Kopie der Membership Card des Klägers vor, die dessen Prozessbevollmächtigte dem Gericht mit Schriftsatz vom 23.03.2015 übermittelt hatte. Gegenüber der Kopie stellt das in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2018 vorgelegte Original der Membership-Card ein neues Beweismittel dar. Denn anders als die Kopie ist es geeignet, eine Bewertung der Echtheit des Dokuments zuzulassen. Dem Original kommt gegenüber der Kopie daher ein gesteigerter Beweiswert zu. Die Würdigung desselben war der seinerzeit erkennenden Berichterstatterin nicht möglich. Bereits dies rechtfertigt es, die Vorlage der Original-Membership Card des Klägers als neues Beweismittel i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG einzustufen.
b)
61 
Auch der vom Kläger zur Begründung des Asylfolgeantrags vorgelegte Steckbrief (polizeiliche Suchmeldung) ist ein ggü. dem Erstverfahren neues Beweismittel. Zwar liegt dieses nur in Kopie (bzw. als Scan in der Bundesamtsakte) vor, der Inhalt des (Original-)Dokuments wird in der Kopie aber gleichermaßen verkörpert (vgl. Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 26 Rn. 88). Der vorgelegte Steckbrief ist auch insoweit neu, als er im (behördlichen wie gerichtlichen) Erstverfahren noch nicht verfahrensgegenständlich war.
2.
62 
Lediglich bzgl. des Steckbriefes war der Kläger i. S. d. § 51 Abs. 2 VwVfG ohne grobes Verschulden außerstande, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
a)
63 
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 28.02.2018 hat der Kläger angegeben, das Original des Mitgliedsausweises (nur) deshalb in der damaligen mündlichen Verhandlung am 24.03.2015 nicht vorgelegt zu haben, weil die Richterin hiernach nicht gefragt habe. Damit impliziert der Kläger, dass er bereits seinerzeit über das Original sehr wohl verfügt hat. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger in der ersten Bundesamtsanhörung angegeben hat, den Mitgliedsausweis in Gambia gelassen zu haben. Denn damit ist nicht schlüssig dargelegt, wann und wie der Kläger zwischenzeitlich an den Mitgliedsausweis gelangt ist. Insoweit ist der Kläger aber beweisbelastet. Indem der Kläger das ihm wohl bereits damals vorliegende Original des Mitgliedsausweises nicht der Behörde und dem Gericht vorgelegt hat, ist er seinen Mitwirkungspflichten gem. § 15 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 Nr. 5 AsylG nicht nachgekommen und hat es i. S. d. § 51 Abs. 2 VwVfG schuldhaft unterlassen, ebendies zu tun. Insoweit ist ihm jedenfalls ein (grober) Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen. Dem Kläger musste auch klar sein, dass dem Original des Mitgliedsausweises ggü. der Kopie ein deutlich höherer Beweiswert zukommt, sodass er annehmen musste, dass das Bundesamt und das Gericht hieran ein gesteigertes Interesse hatten und er insoweit zur Vorlage verpflichtet war (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.12.2010 – 10 C 13/09 – juris Rn. 30 = BVerwGE 138, 289, 301).
b)
64 
Hinsichtlich des Steckbriefes hat der Kläger glaubhaft geschildert, dass ihm dieser weder während des ersten Asylverfahrens noch im diesbezüglichen Gerichtsverfahren bereits bekannt war, er diesen vielmehr erst im März 2016 von einem Freund aus Gambia per Email zugeschickt bekommen hat. Der Kläger hat es zuvor auch nicht grob fahrlässig unterlassen, sich nach dem Steckbrief zu erkundigen bzw. diesen dem Bundesamt und dem Gericht vorzulegen.
3.
65 
Der Kläger hat das Asylfolgeverfahren bzgl. des Steckbriefes verspätet i. S. d. § 51 Abs. 3 VwVfG eingeleitet. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2018 angab, hat er im März 2016 Kenntnis von dem Steckbrief erhalten und diesen per Mail zugesandt bekommen. Er war daher bereits zu diesem Zeitpunkt gehalten, das Wiederaufgreifen im Asylfolgeverfahren zu beantragen, da er positive Kenntnis des neuen Beweismittels hatte (zu diesem Erfordernis Peuker, in: Knack/Hennecke, VwVfG, § 51 Rn. 54). Tatsächlich erfolgte dies erst mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2016 und damit nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG. Weder das Bundesamt noch das Gericht können von dieser Frist dispensieren oder über diese hinwegsehen. Für das Gericht ergibt sich dies bereits aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung und der Bindung an das Gesetz. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht ersichtlich (vgl. zu dieser Möglichkeit Stein, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch, VwVfG, § 51 Rn. 15).
4.
66 
Selbst wenn man dies anders sehen und § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG als gewahrt ansehen wollte, wirkten sich die neuen Beweismittel nicht dergestalt zugunsten des Klägers aus, dass sie eine Abänderung der Erstentscheidung erforderlich machen oder zumindest möglich erscheinen würden.
67 
Weder ergibt sich die erforderliche Kausalität bei einer formalen Betrachtung der Frage, ob dieser geeignet ist, eine Neubewertung des Vortrages des Klägers zu rechtfertigen (dazu a)), noch bzgl. einer inhaltlichen Prüfung der Frage, ob der Kläger - bei Wahrunterstellung seines Vortrages und Berücksichtigung aller vorliegender Beweismittel - nach wie vor in Gambia verfolgt wird bzw. im Falle einer Rückkehr dorthin verfolgt würde (dazu b)).
a)
68 
Durch den neu vorgelegten Steckbrief lässt sich eine Neubewertung der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrages nicht rechtfertigen. Denn der Steckbrief ist nicht geeignet, die von der seinerzeit erkennenden Berichterstatterin im Verfahren A 1 K 3961/14 angenommene Unglaubhaftigkeit des klägerischen Vortrages bzgl. seiner Fluchtgründe aufzulösen. Im Urteil vom 24.03.2015 hat die damalige Berichterstatterin ausgeführt, der klägerische Vortrag, die Demonstration habe im August 2012 stattgefunden und der Kläger sei am 08.08.2012 ausgereist, sei mit den allgemein verfügbaren Erkenntnismitteln nicht vereinbar, wonach die Öffentlichkeit von der beabsichtigten Hinrichtung der 47 Gefangenen erst am 18. oder 19.08.2012 erfahren habe, weshalb es ausgeschlossen sei, dass bereits zehn oder neun Tage zuvor (d. h. vor der Ausreise des Klägers) eine Demonstration der UDP hiergegen habe geplant werden können (hierzu ferner mittlerweile US Deptartment of State, THE GAMBIA 2012 HUMAN RIGHTS REPORT, S. 2 (https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/693991/695246/695251/695256/16560729/United_States___US_Department_of_State___Human_rights_Report_2012_Gambia%2C_19.04.2013.pdf?nodeid=16560282&vernum=-2; UK Home Office, COIR Report 2013/14 4. Death penalty, S. 15). Diese Einschätzung wird durch den vorgelegten Steckbrief nicht infrage gestellt. Denn er verhält sich zu der Frage, wann die Demonstration stattfand und in welchem Zusammenhang sie zu der beabsichtigten Hinrichtung der 47 Gefangenen stand, nicht. Vielmehr ist er nach dem klägerischen Vortrag dazu bestimmt, darzutun, dass der Kläger nach wie vor in Gambia gesucht und verfolgt wird. Um dies annehmen zu können, muss jedoch - in einem ersten Schritt - zunächst das Verfolgungsschicksal glaubhaft sein und eine solche Verfolgung tragen können. Dies ist nach wie vor nicht der Fall.
69 
Damit kann offenbleiben, ob der vorgelegte Scan des Steckbriefes überhaupt geeignet ist, als Beweismittel eine andere inhaltliche Entscheidung zu rechtfertigen. Insoweit braucht nicht entschieden werden, ob die Kopie des Steckbriefes das Vorliegen eines echten Originals belegen kann, d. h. ob ein solches echtes Original überhaupt existiert, von dem behaupteten Aussteller stammt und den Kläger betrifft (woran der erkennende Einzelrichter nach wie vor erhebliche Zweifel hat, weil der Haftbefehl keine konkrete Straftat bezeichnet und als Datum der Versammlung ebenfalls den 08.08.0212 benennt, vgl. insoweit die Auskunft des AA vom 24.06.2015 an das VG Karlsruhe, Az. 508-9-516.80/48251, Schreiben des VG Karlsruhe vom 26.09.2014 -AZ. A 9 K 1844/14), mithin ob der Kläger tatsächlich staatlicherseits in Gambia gesucht wird.
b)
70 
Selbst bei einer alle vom Kläger in das Verfahren eingeführten Beweismittel berücksichtigenden materiellen Betrachtung (vgl. hierzu Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, 103 Mai 2015, § 71 Rn. 181) ergäbe sich ebenfalls keine gegenüber dem Urteil vom 24.03.2015 (A 1 K 3961/14) abweichende Einschätzung bzgl. der beantragten Schutztatbestände.
71 
Es ist schon nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger seinerzeit wegen seiner angeblichen Beteiligung an einer Versammlung der UDP mit einer staatlichen Verfolgung hätte rechnen müssen. Denn das diesbezügliche Vorbringen verbleibt auch nach der erneuten mündlichen Verhandlung und diesbezüglichen Nachfragen des erkennenden Einzelrichters äußerst vage und damit nicht glaubhaft: Der Kläger vermochte keine Angaben zu Ort und Umständen der Demonstration sowie zum Umfang seiner Beteiligung hieran zu machen. Auch seine Angaben zu seiner Eingliederung in die Organisation der UDP blieben äußerst blass und wenig nachvollziehbar. Es hätte aber erwartet werden können, dass der Kläger den für ihn angeblich fluchtauslösenden Vorfall detailliert und unter Angabe genauer Orts- und Zeitangaben sowie seines Mitwirkungsbeitrags schildert. Dass er dies nicht vermochte, geht zulasten der Glaubhaftigkeit seines Vortrags.
72 
Selbst bei Annahme einer relevanten Vorverfolgung durch Mitglieder des APRC, die dem (damaligen) gambischen Staat zugerechnet werden könnten, und der diesbezüglich anzunehmenden Vermutung für das Fortbestehen einer beachtlichen Verfolgungsfurcht i. S. d. Art. 4 Abs. 4 QRL, bestehen jedenfalls zum jetzt maßgeblichen Zeitpunkt hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die unterstellte Vorverfolgung im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Gambia nicht mehr bestünde.
73 
Denn es sprechen heute stichhaltige Gründe gegen eine unmenschliche Behandlung des Klägers im Fall seiner Rückkehr nach Gambia. Es erscheint nicht mehr beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger noch mit einer Inhaftierung aufgrund der Vorfälle im Jahre 2012 und daran anknüpfend mit einer unmenschlichen Behandlung in Haft zu rechnen hätte.
74 
Der frühere Präsident Gambias Yahya Jammeh, der das Land 22 Jahre lang diktatorisch regierte, hat am 01.12.2016 die Präsidentschaftswahlen verloren. Wahlsieger war der Oppositionelle Adama Barrow. Am 06.04.2017 wählten die Gambier ein neues Parlament. Die langjährige Oppositionspartei des neuen Präsidenten Barrow, die Vereinigte Demokratische Partei (UDP), gewann 31 von 53 zur Wahl stehenden Sitzen in der Nationalversammlung (vgl. BFA Österreich, Länderinformation zur Staatendokumentation Gambia, Stand 25.07.2017, S. 5 f.). Zwar ist die Euphorie nach dem Wahlsieg und der Vereidigung Barrows angesichts nach wie vor bestehender großer Probleme des Landes Ernüchterung gewichen. Jedoch werden seit seinem Amtsantritt erstmals demokratische Grundsätze wie Presse- und Meinungsfreiheit geachtet. In den ersten 100 Tagen von Barrows Präsidentschaft wurden bereits viele politische Häftlinge freigelassen, v.a. Personen, die aufgrund kritischer Meinungsäußerungen inhaftiert worden waren (vgl. BFA Österreich, a.a.O., S. 5). Gambische Journalisten kehrten aus dem senegalesischen Exil in ihr Heimatland zurück (vgl. zum Ganzen UK Home Office, Country Policy and Information Note, Gambia: Political Opinion, Version 2.0, Stand März 2017, S. 25, 27). Seit der Amtsübernahme durch Präsident Barrow erfolgen keine Verhaftungen aus politischen Gründen mehr. Die Aktivitäten der Opposition unterliegen keinen Einschränkungen. Es sind keine Berichte über Folter mehr bekanntgeworden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 26.10.2017, Stand Juli 2017, S. 4, 5), wobei angesichts der mittlerweile frei agierenden Presse davon auszugehen ist, dass derartige Vorfälle aufgegriffen werden würden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Stuttgart vom 21.08.2017). Allerdings sind auch unter der neuen Regierung die Versorgung von Häftlingen und die allgemeinen Haftbedingungen bislang kaum verbessert worden (vgl. den jüngsten Bericht des EASO Country of Origin Information Report: The Gambia - Country Focus, Dezember 2017, S. 35 f.: „The UN special rapporteur states in his report that the prisons were overcrowded und that prisoners were detained for many years without trial for minor offenses. The sanitary facilities and medical care were inadequate, and food was in short supply and of poor quality.“; vgl. auch den Lagebericht des Auswärtigen Amtes, a.a.O., S. 7: „Die Haftbedingungen sind problematisch. Haftanstalten sind überfüllt und in schlechtem baulichen Zustand. Die medizinische Versorgung in den Haftanstalten ist schlecht wie generell in Gambia. Aufgrund Überlastung der Gerichte ziehen sich Strafverfahren mitunter unverhältnismäßig lang hin.“). Zwar wurden zahlreiche Häftlinge freigelassen, sodass insoweit die Überbelegung der Zellen und Gefängnisse verringert werden konnte; bzgl. der (unzureichenden) Haftbedingungen plant die neue Regierung jedoch keine umgehende Verbesserung der (Situation in den) bestehenden Gefängnisse(n), sondern neue Einrichtungen, die internationalen Standards entsprechen sollen. Deren Realisierung steht jedoch noch aus (vgl. wiederum EASO, a.a.O., S. 36).
75 
Unter diesen veränderten Umständen vermag der Berichterstatter nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Kläger derzeit noch eine längerfristige (Untersuchungs-)Haft in Gambia unter menschenrechtswidrigen Haftbedingungen oder eine politisch motivierte und damit diskriminierende Strafverfolgung drohte. Die von ihm geschilderten Vorfälle liegen nun fast sechs Jahre zurück und datieren aus der Zeit vor dem Regierungswechsel. Den Angaben des Klägers zufolge haben die Polizei bzw. Vertreter des „Staatsapparats“ zwar nach seiner Ausreise noch nach ihm gesucht, allerdings liegen ihm selbst seit Abbruch des Kontakts zu seiner Familie (namentlich dem Onkel) keine diesbezüglichen Informationen mehr vor. Darüber hinaus ist letztlich unklar geblieben, ob im Jahr 2012 tatsächlich ein Haftbefehl für den Kläger ausgestellt wurde, der heute noch Grundlage für eine Inhaftierung zumindest bis zur endgültigen Klärung eventueller strafrechtlicher Vorwürfe gegen den Kläger sein könnte.
76 
Aus denselben Gründen scheidet die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gem. § 4 AsylG bzw. die Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK aus. Neue Beweismittel bzgl. der Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hat der Kläger nicht vorgelegt, sodass auch diesbezüglich ein Wiederaufgreifen gem. § 51 Abs. 1 VwVfG ausscheidet.
5.
77 
Der Kläger hat auch gem. § 51 Abs. 5 i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 51 Rn. 15, 18) Neubescheidung (Wiederaufgreifen im weiteren Sinne).
78 
Denn § 51 Abs. 5 VwVfG ist vom Verweis in § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG nicht erfasst, sodass ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne im Asyl(folge)verfahren von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 51 Rn. 15; dies dennoch (ohne Auseinandersetzung mit § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG) prüfend VG Würzburg, Urteil vom 11.01.2018 – W 1 K 16.31332 – juris Rn. 20). Selbst wenn - was vorliegend schon nicht der Fall ist - die Behörde sich auch auf die Prüfung eines Wiederaufgreifens im weiteren Sinne eingelassen hätte, ergäbe sich hier im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung keine abweichende Beurteilung. Denn wie bereits oben ausgeführt, sind die neuen Beweismittel für den Kläger nicht dergestalt günstig, dass sie eine Änderung der ursprünglichen Entscheidung erforderlich machen würden. Schon die notwendige, aber nicht hinreichende Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Entscheidung (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 51 Rn. 18) ist damit nicht gegeben/hinreichend dargetan.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 12. März 2018 - A 7 K 4818/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 12. März 2018 - A 7 K 4818/17

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 12. März 2018 - A 7 K 4818/17 zitiert 18 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens


(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen g

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erhebliche

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 49 Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29 Unzulässige Anträge


(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1.ein anderer Staata)nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oderb)auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahr

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 76 Einzelrichter


(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist od

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 25 Anhörung


(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über W

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 71 Folgeantrag


(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 50 Ausreisepflicht


(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. (2) Der Ausländer hat da

Zivilprozessordnung - ZPO | § 580 Restitutionsklage


Die Restitutionsklage findet statt:1.wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;2.wenn eine Urkunde, auf die das Urteil

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 15 Allgemeine Mitwirkungspflichten


(1) Der Ausländer ist persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dies gilt auch, wenn er sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt. (2) Er ist insbesondere verpflichtet, 1. den mit der Ausführung dieses Gese

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 26 Beweismittel


(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere 1. Auskünfte jeder Art einholen,2. Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehm

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 12. März 2018 - A 7 K 4818/17 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 12. März 2018 - A 7 K 4818/17 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 11. Jan. 2018 - W 1 K 16.31332

bei uns veröffentlicht am 11.01.2018

Tenor I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. August 2016 verpflichtet festzustellen, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich A

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 14. Dez. 2016 - 1 C 4/16

bei uns veröffentlicht am 14.12.2016

Tatbestand 1 Die Kläger, nach eigenen Angaben afghanische Staatsangehörige, wenden sich gegen die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 09. Dez. 2010 - 10 C 13/09

bei uns veröffentlicht am 09.12.2010

Tatbestand 1 Die Klägerin, eine iranische Staatsangehörige, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Verfahren mit dem Ziel der Anerkennung als ausländischer Flüchtling, auf Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 oder ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt ist.

(2) Der Ausländer hat alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.

(3) Ein späteres Vorbringen des Ausländers kann unberücksichtigt bleiben, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Der Ausländer ist hierauf und auf § 36 Absatz 4 Satz 3 hinzuweisen.

(4) Bei einem Ausländer, der verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, soll die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Asylantragstellung erfolgen. Einer besonderen Ladung des Ausländers und seines Bevollmächtigten bedarf es nicht. Entsprechendes gilt, wenn dem Ausländer bei oder innerhalb einer Woche nach der Antragstellung der Termin für die Anhörung mitgeteilt wird. Kann die Anhörung nicht an demselben Tag stattfinden, sind der Ausländer und sein Bevollmächtigter von dem Anhörungstermin unverzüglich zu verständigen.

(5) Bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt. In diesem Falle ist dem Ausländer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben.

(6) Die Anhörung ist nicht öffentlich. An ihr können Personen, die sich als Vertreter des Bundes, eines Landes oder des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ausweisen, teilnehmen. Der Ausländer kann sich bei der Anhörung von einem Bevollmächtigten oder Beistand im Sinne des § 14 des Verwaltungsverfahrensgesetzes begleiten lassen. Das Bundesamt kann die Anhörung auch dann durchführen, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand trotz einer mit angemessener Frist erfolgten Ladung nicht an ihr teilnimmt. Satz 4 gilt nicht, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand seine Nichtteilnahme vor Beginn der Anhörung genügend entschuldigt. Anderen Personen kann der Leiter des Bundesamtes oder die von ihm beauftragte Person die Anwesenheit gestatten.

(7) Die Anhörung kann in geeigneten Fällen ausnahmsweise im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.

(8) Über die Anhörung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthält. Dem Ausländer ist eine Kopie der Niederschrift auszuhändigen oder mit der Entscheidung des Bundesamtes zuzustellen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Tatbestand

1

Die Kläger, nach eigenen Angaben afghanische Staatsangehörige, wenden sich gegen die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren.

2

Sie reisten im Juli 2012 in das Bundesgebiet ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Aufgrund von Eurodac-Treffern stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) fest, dass die Kläger zuvor bereits in Ungarn Asyl beantragt hatten, und richtete ein Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn. Mit Antwortschreiben vom 30. Juli 2012 bestätigten die ungarischen Behörden, dass der Kläger zu 1 zusammen mit seiner Familie im April 2012 dort Asyl beantragt habe. Wegen des Verschwindens der Familie sei das Asylverfahren beendet worden. Es werde zugestimmt, die Kläger wieder aufzunehmen, um über ihre Asylanträge zu entscheiden.

3

Nachdem eine Überstellung der Kläger nach Ungarn nicht erfolgt war, stellte das Bundesamt Ende Januar 2013 fest, dass wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist im nationalen Verfahren zu entscheiden sei.

4

Mit Bescheiden vom 13. und 17. Juni 2014 lehnte das Bundesamt hinsichtlich aller Kläger die Durchführung von weiteren Asylverfahren ab (Nr. 1), stellte aber jeweils fest, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt (Nr. 2). Zur Begründung führte es aus, es handele sich bei dem Asylantrag nach der erfolglosen Durchführung eines Asylverfahrens in Ungarn jeweils um einen Zweitantrag. Ein weiteres Asylverfahren sei nicht durchzuführen, da Wiederaufgreifensgründe im Sinne von § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Die humanitären Bedingungen in Afghanistan führten jedoch zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG.

5

Mit ihrer zunächst erhobenen Verpflichtungsklage begehrten die Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzes. Sie hätten glaubhaft geschildert, dass der Klägerin zu 3 in Afghanistan die Zwangsverheiratung drohe. Von einem Zweitantrag sei nicht auszugehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nahmen die Kläger ihre Verpflichtungsanträge auf richterlichen Hinweis zurück und beantragten nur noch, jeweils die Nr. 1 der Bescheide vom 13. und 17. Juni 2014 aufzuheben.

6

Das Verwaltungsgericht gab dieser Klage statt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Anfechtungsklage sei die statthafte Klageart, wenn - wie vorliegend - Streit darüber bestehe, ob ein Anwendungsfall des § 71a AsylG gegeben sei. Im Unterschied zum Folgeverfahren nach § 71 AsylG seien hier zwei Mitgliedstaaten beteiligt und müsse deshalb zunächst die Verfahrenssituation ermittelt, also festgestellt werden, ob überhaupt eine "Zweitantragssituation" vorliege. Insoweit sei den Klägern das Recht einzuräumen, zunächst isoliert die sie beschwerende Wertung als Zweitantrag zu beseitigen und damit den Weg freizumachen für ein vom Bundesamt durchzuführendes Asylverfahren.

7

Die Klage sei auch begründet. Die Ablehnung der Anträge auf Durchführung von weiteren Asylverfahren sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Ein "erfolgloser Abschluss" (§ 71a AsylG) des in Ungarn eingeleiteten Asylverfahrens liege nicht vor, weil das Erstverfahren in Ungarn noch nicht endgültig beendet sei. Ungarn habe sich damit einverstanden erklärt, die Kläger wieder aufzunehmen, um über deren Asylbegehren zu entscheiden. Dies entspreche den Auskünften des Auswärtigen Amtes zum ungarischen Asylverfahrensrecht. Danach sei ein endgültiger Verfahrensabschluss mit der Folge, dass ein neuerliches Asylbegehren als Folgeantrag gewertet werde, nur anzunehmen, wenn ein vorheriges Asylverfahren in der Sache unanfechtbar negativ abgeschlossen oder das Asylverfahren nach ausdrücklicher schriftlicher Rücknahme des Asylbegehrens unanfechtbar eingestellt worden sei. Sei ein Asylverfahren hingegen ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden, könne der Antragsteller seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen. Ausgehend davon liege auch in Deutschland keine "Zweitantragssituation" vor, sondern müsse über das Asylbegehren erstmals entschieden werden. Denn die Dublin II-VO enthalte keine Regelung, nach der der Zuständigkeitsübergang auch zu einem formellen oder materiellen Rechtsverlust führen könnte.

8

Die Beklagte macht mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe den Anwendungsbereich von § 71a AsylG fehlerhaft zu eng bestimmt. Im Unterschied zu der das Folgeantragsverfahren betreffenden Regelung des § 71 AsylG beziehe sich § 71a AsylG nicht nur auf die in jener Vorschrift angeführten Konstellationen der Rücknahme oder unanfechtbaren Ablehnung eines früheren Asylantrags, sondern richte sich mit der Formulierung vom "erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens" auf einen potentiell weitergehenden Kreis von Fallgestaltungen. Ein erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens liege immer auch dann vor, wenn ein in dem Mitgliedstaat vorausgegangenes behördliches Asylverfahren ohne inhaltliche Prüfung einen formellen Abschluss gefunden habe. Dabei sei unerheblich, ob und unter welchen Voraussetzungen im sicheren Drittstaat die Möglichkeit einer Wiedereröffnung oder einer anderweitigen Fortführung bzw. Prüfung der bis zum Verfahrensabschluss bestehenden Schutzgründe bestehe. Nicht zuletzt die aktuelle Entscheidung des EuGH vom 17. März 2016 (Rs. C-695/15) belege, dass Unionsrecht gerade nicht fordere, auf die zur Wiederaufnahme bzw. Verfahrensfortführung im sicheren Drittstaat bestehende Rechtslage abzustellen. Die Asylverfahrensrichtlinie a.F. stelle es den Mitgliedstaaten frei, ob sie die Wiedereröffnung eines eingestellten Verfahrens ermöglichten. Dieser dem innerstaatlichen Normgeber unionsrechtlich eröffnete Gestaltungsspielraum würde erheblich beeinträchtigt, wenn dem Berufungsgericht zu folgen wäre. Sei die Prüfung des Asylantrags in Deutschland durchzuführen, müssten auch die hier geltenden Gesetze Anwendung finden.

9

Die Kläger verteidigen die angegriffene Entscheidung.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren in Ziffer 1 der Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 13. und 17. Juni 2014 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

12

Die von den Klägern erhobene Anfechtungsklage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (1.). Sie ist auch begründet, denn die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, liegen nicht vor (2.). Die Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (3.) und verletzt die Kläger in ihren Rechten (4.).

13

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert mit Wirkung vom 10. November 2016 durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es jetzt entschiede, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen des Asylgesetzes zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

14

1. Zu Recht haben die Vorinstanzen die nach Rücknahme der Verpflichtungsanträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nur noch anhängige Anfechtungsklage in der vorliegenden prozessualen Konstellation als statthaft angesehen.

15

Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 AsylG bzw. - hier - § 71a AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes der Sache nach als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar. Mit dem Integrationsgesetz hat der Gesetzgeber zur besseren Übersichtlichkeit und Vereinfachung der Rechtsanwendung in § 29 Abs. 1 AsylG die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit eines Asylantrags in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8615 S. 51). Hierzu zählt gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG nunmehr auch der - materiellrechtlich unverändert geregelte - Fall, dass im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG oder eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

16

Jedenfalls seit Inkrafttreten dieser Neuregelung ist die Entscheidung, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG stellt, ebenso wie die hier noch ergangene - gleichbedeutende - Ablehnung der Durchführung eines weiteres Asylverfahrens, einen der Bestandskraft fähigen, anfechtbaren Verwaltungsakt dar (vgl. zur bisherigen Rechtslage Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Dezember 2016, § 71a Rn. 39). Sie verschlechtert die Rechtsstellung der Kläger, weil damit ohne inhaltliche Prüfung festgestellt wird, dass ihr Asylvorbringen nicht zur Schutzgewährung führt und darüber hinaus auch im Falle eines weiteren Asylantrags abgeschnitten wird, weil ein Folgeantrag, um den es sich gemäß § 71a Abs. 5 i.V.m. § 71 AsylG handeln würde, nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu einem weiteren Asylverfahren führen kann. Ferner erlischt mit der nach § 71a Abs. 4 i.V.m. §§ 34, 36 Abs. 1 und 3 AsylG regelmäßig zu erlassenden, sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung auch die Aufenthaltsgestattung (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG). Der Asylsuchende muss die Aufhebung des Bescheids, mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (siehe auch BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 12).

17

Die Anfechtungsklage ist nicht wegen des Vorrangs einer Verpflichtungsklage im Hinblick darauf unzulässig, dass für das von den Klägern endgültig verfolgte Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zum Folgeantrag eine Verpflichtung der Gerichte zum "Durchentscheiden" angenommen und dementsprechend die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageart betrachtet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 <172 ff.>), hält der Senat daran mit Blick auf die Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts nicht mehr fest.

18

Anknüpfend an die stärkere Betonung des behördlichen Asylverfahrens, der hierfür in der für die EU-Mitgliedstaaten verbindlichen Verfahrensrichtlinie enthaltenen, speziellen Verfahrensgarantien sowie der dort vorgesehenen eigenen Kategorie unzulässiger Asylanträge (vgl. Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft - Asylverfahrensrichtlinie a.F. - bzw. Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes - Asylverfahrensrichtlinie n.F. -) hat der Gesetzgeber mit der zusammenfassenden Regelung verschiedener Unzulässigkeitstatbestände in § 29 Abs. 1 AsylG das Verfahren strukturiert und dem Bundesamt nicht nur eine Entscheidungsform eröffnet, sondern eine mehrstufige Prüfung vorgegeben. Erweist sich ein Asylantrag schon als unzulässig, ist eine eigenständig geregelte Unzulässigkeitsentscheidung zu treffen. Zugleich hat das Bundesamt über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zu entscheiden (§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Diese Prüfungsstufe ist bei Anträgen, die das Bundesamt als Zweitantrag einstuft, auf die Fragen beschränkt, ob es sich tatsächlich um einen derartigen Antrag handelt und ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, also die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 AsylG vorliegen (§ 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71a Abs. 1 AsylG). Die weitere in § 71a Abs. 1 AsylG genannte Voraussetzung, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, muss an dieser Stelle bereits feststehen. Andernfalls wäre eine - vorrangige - Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu treffen. Denn die Dublin-Verordnungen regeln abschließend die Zuständigkeit zur Prüfung eines in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags. Erst wenn ein Mitgliedstaat danach zuständig ist, kann er einen Asylantrag - wie hier - aus den Gründen des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig ablehnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - BVerwGE 153, 234 Rn. 20).

19

Diese klare Gliederung der Prüfung von Anträgen, für die die Bundesrepublik Deutschland zuständig ist, in eine Entscheidung, ob ein Zweitantrag nach § 71a AsylG vorliegt und ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist (Zulässigkeitsprüfung) und die weitere Entscheidung, ob die materiellrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind (Sachprüfung), hat auch in eigenständigen Verfahrensvorgaben für die erste Prüfungsstufe Ausdruck gefunden. In § 71a Abs. 2 AsylG wird das "Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist", besonders geregelt (vgl. zum Verfahren der Zulässigkeitsprüfung allgemein auch § 29 Abs. 2 bis 4 AsylG). Es liegt nahe, damit auch spezialgesetzliche, prozessuale Konsequenzen zu verbinden und den Streitgegenstand einer Klage nach einer derartigen Unzulässigkeitsentscheidung auf die vom Bundesamt bis dahin nur geprüfte Zulässigkeit des Asylantrags beschränkt zu sehen (siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. März 1993 - 2 BvR 1988/92 - InfAuslR 1993, 229 = juris Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1987 - 9 C 251.86 - BVerwGE 77, 323 ff., jeweils zur partiell vergleichbaren Rechtslage nach dem AsylVfG 1982). Dafür spricht schließlich auch § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG, wonach das Bundesamt bei einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung das Asylverfahren fortzuführen hat. Diese Regelung gilt zwar unmittelbar nur für den Fall eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG, dessen in § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG geregelte, besondere Rechtsfolgen nicht verallgemeinerungsfähig sind. Letzteres gilt jedoch nicht für den in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken. Dieser ist auf den Fall der Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG übertragbar und lässt darauf schließen, dass die verweigerte sachliche Prüfung vorrangig von der mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Fachbehörde nachzuholen ist (ähnlich bereits BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 13 und 17). Ausgehend davon kommt auch ein eingeschränkter, auf die Durchführung eines (gegebenenfalls weiteren) Asylverfahrens gerichteter Verpflichtungsantrag nicht in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit automatisch verpflichtet ist.

20

Die von der jüngeren Asylgesetzgebung verfolgten Beschleunigungsziele, auf die der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Sie rechtfertigen es bei der derzeitigen Ausgestaltung des nationalen Asylverfahrensrechts und der unionsrechtlichen Vorgaben nicht, bei Folge- und (vermeintlichen) Zweitanträgen, welche entgegen der Einschätzung des Bundesamts zur Durchführung eines (weiteren) Asylverfahrens führen müssen, den nach dem Asylgesetz auf die Unzulässigkeitsentscheidung begrenzten Streitgegenstand auf die sachliche Verpflichtung zur Schutzgewähr zu erweitern und dann unter Rückgriff auf das allgemeine Verwaltungsprozessrecht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) die erstmalige Sachentscheidung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu verlagern. Für bestimmte Fallgestaltungen stehen dem Bundesamt im Übrigen selbst Beschleunigungsmöglichkeiten zur Verfügung, die eine eventuelle Verlängerung der Gesamtverfahrensdauer bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Berechtigung zu internationalem Schutz zumindest abmildern können. Hierzu zählt die Option, offensichtlich unbegründete Anträge nach § 30 AsylG abzulehnen und eine Abschiebungsandrohung mit verkürzter Ausreisefrist zu erlassen, sowie bei Folgeanträgen nunmehr auch die Möglichkeit, das Asylverfahren beschleunigt durchzuführen (§ 30a Abs. 1 Nr. 4 AsylG). Nicht zu entscheiden ist, ob und unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt in Fällen des § 29 Abs. 1 AsylG neben einer Unzulässigkeitsentscheidung vorsorglich und in dem gehörigen Verfahren im Interesse einer Beschleunigung auch ausdrücklich (hilfsweise) eine Sachentscheidung treffen kann. Dass nach § 31 Abs. 3 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen ist, "ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen", und sich das Bundesamt zumindest insoweit sachlich mit einem Schutzbegehren zu befassen hat, ersetzt diese Prüfung nicht, weil sie nicht bezogen ist auf die - dem nationalen Abschiebungsschutz vorrangige Frage der - Anerkennung als Asylberechtigter bzw. Gewährung internationalen Schutzes (§ 1 Abs. 1 AsylG) und einen anderen Streitgegenstand betrifft. Dieser Streitgegenstand kann - in Fällen, in denen das Bundesamt die Unzulässigkeitsentscheidung mit der Feststellung verbunden hat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vorliegen - durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage hilfsweise mit der Verpflichtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden.

21

Vor der Aufhebung einer rechtswidrigen Unzulässigkeitsentscheidung hat das Gericht zu prüfen, ob die Entscheidung auf der Grundlage eines anderen, auf gleicher Stufe stehenden Unzulässigkeitstatbestandes aufrechterhalten bleiben kann. Wird die Unzulässigkeitsentscheidung auf die Anfechtungsklage hin aufgehoben, ist auch eine gegebenenfalls ergangene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, nebst Abschiebungsandrohung aufzuheben. Denn beide Entscheidungen sind dann jedenfalls verfrüht ergangen (vgl. entsprechend BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 19).

22

2. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung von Bundesrecht angenommen, dass die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, nicht vorliegen.

23

Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

24

Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

25

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die in § 71 AsylG vorgesehene besondere Behandlung von Folgeanträgen auf den Fall erstreckt, dass dem Asylantrag des Antragstellers ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder Vertragsstaat vorausgegangen ist.

26

Der Senat kann offenlassen, ob gegen die mitgliedstaatsübergreifende Anwendung des unionsrechtlich ermöglichten Folgeantragskonzepts (vgl. Art. 32 bis 34 Asylverfahrensrichtlinie a.F. bzw. Art. 40 bis 42 Asylverfahrensrichtlinie n.F.) grundsätzliche unionsrechtliche Bedenken bestehen (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2016, § 71a Rn. 3 ff.). Keiner Entscheidung bedarf auch die Frage, ob die Aufnahme der Folge- und Zweitanträge, bei denen keine Gründe für ein Wiederaufgreifen vorliegen, in den Katalog der Unzulässigkeitstatbestände des § 29 Abs. 1 AsylG bereits mit der Asylverfahrensrichtlinie a.F. - ihre Anwendbarkeit unterstellt - vereinbar war und ob und in welcher Weise Art. 25 Abs. 2 Buchst. f i.V.m. Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung "nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens" zusätzlich begrenzt.

27

Die Voraussetzungen für die Nichtdurchführung eines (weiteren) Asylverfahrens nach § 71a Abs. 1 AsylG liegen hier schon deshalb nicht vor, weil die Asylanträge der Kläger keine Zweitanträge im Sinne dieser Vorschrift sind. Ihren Anträgen ist kein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) vorausgegangen.

28

Zwar ist Ungarn als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG, für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten: Im vorliegenden Fall richtet sich die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 S. 1) - Dublin II-VO, weil Asylantrag und Wiederaufnahmegesuch vor dem maßgeblichen Stichtag (1. Januar 2014) gestellt worden sind (vgl. die Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags auf internationalen Schutz - Dublin III-VO).

29

Es fehlt indes an einem "erfolglosen Abschluss" der von den Klägern in Ungarn eingeleiteten Asylverfahren. Ein erfolgloser Abschluss des in einem anderen Mitgliedstaat betriebenen Asylverfahrens setzt voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist. Eine Einstellung ist nicht in diesem Sinne endgültig, wenn das (Erst-)Verfahren noch wiedereröffnet werden kann (a). Ob eine solche Wiedereröffnung bzw. Wiederaufnahme möglich ist, ist nach der Rechtslage des Staates zu beurteilen, in dem das Asylverfahren durchgeführt worden ist (b). Nach diesen Maßstäben ist das von den Klägern in Ungarn betriebene und dort eingestellte Asylverfahren vorliegend nicht erfolglos abgeschlossen (c).

30

a) Dem Wortlaut nach umfasst die Tatbestandsvoraussetzung "nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens" jede Art des formellen Abschlusses eines Asylverfahrens ohne Zuerkennung eines Schutzstatus. Für die nähere Konkretisierung der möglichen Varianten und der Anforderungen an den Verfahrensabschluss kann auf die Parallelregelung zum Folgeantrag in § 71 Abs. 1 AsylG zurückgegriffen werden, wonach es sich um eine Rücknahme oder eine unanfechtbare Ablehnung des Antrags handeln kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber mit der abweichenden Formulierung in § 71a Abs. 1 AsylG inhaltlich weitere Tatbestände hätte erfassen wollen. Denn der Sinn und Zweck des § 71a AsylG ist darauf beschränkt, den Zweitantrag dem Folgeantrag und damit die asylrechtliche Entscheidung des Drittstaats einer asylrechtlichen Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland gleichzustellen (BT-Drs. 12/4450 S. 27; siehe auch Hailbronner, in: Ausländerrecht, Ordner 4, Stand November 2016, § 71a AsylVfG Rn. 14 f.).

31

Der Begriff der Rücknahme in § 71 Abs. 1 AsylG erfasst nach der bis zum 16. März 2016 geltenden Rechtslage uneingeschränkt auch die Fälle, in denen der Asylantrag nach § 33 Abs. 1 AsylG wegen Nichtbetreibens des Verfahrens als zurückgenommen gilt. Dies macht nicht zuletzt § 32 Abs. 2 AsylG deutlich. Anders stellt sich dies nach der am 17. März 2016 in Kraft getretenen grundlegenden Neufassung des § 33 AsylG durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) dar: Nach § 33 Abs. 5 Satz 2 bis 6 AsylG kann nunmehr ein Ausländer, dessen Verfahren wegen Nichtbetreibens eingestellt worden ist, einmalig die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Ein neuer Asylantrag gilt als derartiger Wiederaufnahmeantrag und ist als Erstantrag zu behandeln, sofern seit der Einstellung des Asylverfahrens noch keine neun Monate vergangen sind und das Asylverfahren noch nicht nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war. Infolge dieser - erkennbar vorrangigen - Spezialregelung ist der Begriff der Rücknahme in § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG nunmehr bereits nach nationalem Recht dahin einschränkend auszulegen, dass er die Fälle der fiktiven Rücknahme nach § 33 Abs. 1 und 3 AsylG nur noch unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG umfasst, wenn also die Einstellung des Asylverfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens neun Monate zurückliegt oder das Asylverfahren bereits einmal wieder aufgenommen worden war.

32

Steht die bestehende Wiederaufnahmemöglichkeit somit nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben (Umkehrschluss aus § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG) der Behandlung als Folgeantrag entgegen, muss dies - wegen der bezweckten Gleichstellung - auch für den Zweitantrag gelten. Hinzu kommt ein systematisches Argument innerhalb des § 71a AsylG: Liegt ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren im Sinne des § 71a AsylG im Falle der Antragsablehnung erst vor, wenn diese Ablehnung unanfechtbar ist (vgl. dazu OLG Köln, Beschluss vom 20. Juli 2007 - 16 Wx 150/07 - juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Ordner 4, Stand November 2016, § 71a AsylVfG Rn. 15), ist ein erfolgloser Abschluss auch im Falle der Verfahrenseinstellung nach (ausdrücklicher oder stillschweigender/fingierter) Rücknahme nur anzunehmen, wenn das konkrete Asyl(erst)verfahren endgültig - d.h. ohne die Möglichkeit einer Wiederaufnahme auf Antrag des Asylbewerbers - beendet ist (zum unionsrechtlichen Begriff der "rechtskräftigen" bzw. "bestandskräftigen" Entscheidung s. Art. 2 Buchst. d Asylverfahrensrichtlinie a.F. bzw. Art. 2 Buchst. e Asylverfahrensrichtlinie n.F.). Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die beiden Varianten des erfolglosen Abschlusses eines Asylverfahrens, die jeweils dieselbe Rechtsfolge bewirken, insoweit unterschiedlichen Anforderungen unterliegen sollten.

33

b) Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Frage, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat zuvor betriebenes Asylverfahren dort durch bestandskräftige Ablehnung oder endgültige Einstellung beendet worden ist, insgesamt nach dem betreffenden ausländischen Asylverfahrensrecht richtet. § 71a Abs. 1 AsylG knüpft an einen abgeschlossenen, im Ausland geschehenen Vorgang an, der insgesamt dem ausländischen Recht unterfällt. Der enge Zusammenhang des Verwaltungsakts und seiner Bestandskraft gebietet, die Frage, ob eine ausländische Verwaltungsentscheidung noch anfechtbar bzw. revidierbar ist, nach ausländischem und nicht deutschem Recht zu beantworten. Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten lässt zwar Raum dafür, die Rechts- und Bestandskraft einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung als Tatbestandsvoraussetzung für die innerstaatliche Rechtsanwendung heranzuziehen; sie erlaubt aber keine Erstreckung des nationalen Verfahrensrechts auf die Beurteilung dieser Vorfrage.

34

Die hier noch anwendbare Dublin II-VO beschränkt sich auf die Regelung der internationalen Zuständigkeit; ihr lässt sich indes keine Grundlage für eine Handhabung entnehmen, nach der der Zuständigkeitsübergang auf einen anderen Mitgliedstaat mit einer Verschlechterung der verfahrensrechtlichen Rechtsstellung verbunden wäre. Sie berechtigt insbesondere nicht dazu, an einen Zuständigkeitsübergang nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO einen Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte, nicht nach Folgeantragsgrundsätzen erfolgende Antragsprüfung zu knüpfen, wenn dieses Recht im zuvor zuständigen Staat nach dem dort geltenden Asylverfahrensrecht noch bestand (vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 - NVwZ 2015, 1155 = juris Rn. 36).

35

Dem steht der Hinweis der Beklagten, bei Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags müsse diese Prüfung auch nach deutschen Gesetzen erfolgen, nicht entgegen. Er trifft zwar insoweit zu, als nicht jede rechtliche Schlechterstellung durch einen Zuständigkeitsübergang ausgeschlossen ist. So darf ein durch Ablauf der Überstellungsfrist zuständig gewordener Staat einen Asylantrag nach Art. 3 Abs. 3 Dublin III-VO (vergleichbar: Art. 3 Abs. 3 Dublin II-VO) auch dann ablehnen, wenn der ursprünglich zuständige Staat vom Drittstaatskonzept keinen Gebrauch macht (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/15 [ECLI:EU:C:2016:188], PPU - NVwZ 2016, 753). Von dieser Fallkonstellation unterscheidet sich die hier relevante Regelung zum Zweitantrag aber dadurch, dass der deutsche Gesetzgeber darin den Prüfungsumfang vom Abschluss eines in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Verwaltungsverfahrens abhängig macht. Damit knüpft die gesetzliche Regelung selbst an einen nach der ausländischen Rechtsordnung zu beurteilenden Tatbestand an.

36

Zu keinem anderen Ergebnis führt die weitere Aussage des EuGH in der vorgenannten Entscheidung, Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO verpflichte die zuständigen Behörden des zuständigen Mitgliedstaats bei Wiederaufnahme eines Asylbewerbers nicht, das Verfahren zur Prüfung seines Antrags in dem Stadium wiederaufzunehmen, in dem es von diesen Behörden eingestellt worden war. In diesem Zusammenhang weist der EuGH auch auf Art. 28 Abs. 2 letzter Unterabsatz Asylverfahrensrichtlinie n.F. hin, wonach die Mitgliedstaaten der Asylbehörde die Wiederaufnahme der Prüfung in dem Verfahrensabschnitt, in dem sie eingestellt wurde, gestatten können, aber nicht müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/12 - Rn. 67; ebenso Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 4 Asylverfahrensrichtlinie a.F.). Daraus kann etwa folgen, dass eine bereits erfolgte Anhörung nicht zwingend wiederholt werden muss. Ungeachtet der unterschiedlichen Verfahrenskonstellation rechtfertigen diese Bemerkungen aber nicht den Schluss, dass ein Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte Antragsprüfung durch bloßen Zuständigkeitsübergang mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. Die Begriffe "Verfahrensabschnitt" bzw. "Stadium" beziehen sich nach dem Verständnis des EuGH zweifelsfrei nicht auf die Frage, ob es sich um ein Erst- oder ein Folgeverfahren handelt. Denn der EuGH betont ausdrücklich, dass die Prüfung des Antrags den für Erstanträge vorgesehenen Anforderungen entsprechen muss.

37

Nach den vorstehenden Ausführungen kann auch der Einwand der Beklagten nicht durchgreifen, bei Anwendung ungarischen Rechts werde der dem innerstaatlichen Normgeber zustehende Gestaltungsspielraum beeinträchtigt, den die Asylverfahrensrichtlinie a.F. den Mitgliedstaaten im vorliegenden Kontext einräume. Es trifft zwar zu, dass Art. 20 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie a.F. - anders als Art. 28 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie n.F. - den Mitgliedstaaten noch nicht bindend vorgibt, eine Wiedereröffnung von Asylverfahren vorzusehen, die wegen stillschweigender Antragsrücknahme oder Nichtbetreiben des Verfahrens eingestellt worden sind, sondern wahlweise auch die Behandlung eines hiernach gestellten Antrags als Folgeantrag akzeptiert. Dieses Wahlrecht steht allerdings bei der hier in Rede stehenden mitgliedstaatsübergreifenden Anwendung des Folgeantragskonzepts - deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht unterstellt - dem Staat zu, in dem das Verfahren durchgeführt worden ist, hier mithin Ungarn. Aus der Verwendung des Plurals in Art. 20 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie a.F. ("Die Mitgliedstaaten stellen sicher ...") kann nichts anderes geschlossen werden. Wenn in dieser Regelung von einem Asylbewerber die Rede ist, "der sich nach Einstellung der Antragsprüfung gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels wieder bei der zuständigen Behörde meldet, so beschreibt dies einen Vorgang innerhalb ein und desselben Mitgliedstaates und keine länderübergreifende Situation.

38

c) Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, das von den Klägern in Ungarn eingeleitete Asylverfahren als nicht erfolglos abgeschlossen im Sinne von § 71a AsylG anzusehen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Kläger im Falle einer Rückkehr nach Ungarn das dort eingeleitete Asylverfahren ohne inhaltliche Beschränkung ihres Vortrags wie ein Erstverfahren weiterbetreiben können. Nach Auskünften des Auswärtigen Amtes vom 12. März 2015 (an das VG Freiburg) und vom 19. November 2014 (an das VG Düsseldorf) zur Ausgestaltung des ungarischen Asylverfahrens werde in Fällen, in denen ein vorheriges Asylverfahren ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden sei ("discontinuation"), ein erneutes Asylbegehren behandelt wie ein Erstverfahren, insbesondere könne der Antragsteller seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen. Dies werde bestätigt durch die Zustimmungserklärung der ungarischen Behörden, die sich damit einverstanden erklärt hätten, die Kläger wieder aufzunehmen und über das Asylbegehren zu entscheiden. Im Ergebnis würde somit das Verfahren fortgeführt bzw. wiederaufgenommen, wenn die Kläger nach Ungarn zurückkehren würden.

39

An diese nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Inhalt des ungarischen Rechts ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil sie nach § 173 VwGO i.V.m. § 293 ZPO zur Tatsachenfeststellung zählen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 C 13.03 - BVerwGE 120, 298 <302 f.>).

40

Keiner Entscheidung bedarf, auf welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung der Frage abzustellen ist, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführtes Asylverfahren im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG erfolglos abgeschlossen ist. Insoweit kommen in erster Linie der Zeitpunkt der Asylantragstellung in Deutschland oder der Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs in Betracht. Diese Frage kann hier dahinstehen, da die Kläger auch zu dem späteren Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs noch die Möglichkeit hatten, die Asylverfahren in Ungarn weiter zu betreiben. Denn aus den Feststellungen des Berufungsgerichts zum ungarischen Asylverfahrensrecht ergibt sich nicht, dass das Recht, ein wegen Fortzugs eingestelltes Asylverfahren wieder aufzunehmen, nur befristet bestanden hätte (zur Möglichkeit einer Befristung auf mindestens neun Monate vgl. nunmehr Art. 28 Abs. 2 Unterabs. 2 Asylverfahrensrichtlinie n.F.). Hierfür liegen bezogen auf den hier relevanten Zeitraum bis Ende Januar 2013 auch keine Anhaltspunkte vor.

41

3. Die Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben. Der insoweit allein in Betracht kommende Unzulässigkeitstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG greift schon deshalb nicht ein, weil Deutschland für die Durchführung der hier in Rede stehenden Asylverfahren aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO zuständig ist. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Gemäß § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG schließt die Einreise aus einem sicheren Drittstaat die Berufung auf Art. 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes jedoch nicht aus, wenn die Bundesrepublik Deutschland - wie hier - aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies gilt nicht nur bei einer originären Zuständigkeit Deutschlands, sondern auch bei einem nachträglichen Zuständigkeitswechsel.

42

Diese Regelung nimmt § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG mit in Bezug: Mit der Aufnahme des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG in den Katalog der Unzulässigkeitsgründe sollte die zuvor bestehende Möglichkeit, einen Asylantrag nach § 26a AsylG abzulehnen, inhaltlich nicht verändert werden. In § 31 Abs. 4 AsylG ist weiterhin von einer Ablehnung "nach § 26a" - jetzt - als unzulässig die Rede. Im Gesetzgebungsverfahren hat die Bundesregierung zudem betont, durch den expliziten Verweis im künftigen § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auf § 26a AsylG komme zum Ausdruck, dass die dort geregelten Anforderungen auch weiterhin - im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit des Asylantrags - zu beachten sind. Wie im geltenden Recht setze der künftige § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG daher voraus, dass der Drittstaat die - unverändert gebliebenen - Voraussetzungen des § 26a AsylG erfülle und durch Aufnahme in Anlage I des Asylgesetzes als sicherer Drittstaat eingestuft worden sei (BT-Drs. 18/8883 S. 10). Ob § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG mit Unionsrecht vereinbar ist, bedarf hier mithin keiner Entscheidung.

43

4. Die Ablehnung der Durchführung von (weiteren) Asylverfahren verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihr aus dem Unionsrecht folgender Anspruch auf Prüfung ihres Schutzbegehrens durch einen Mitgliedstaat der EU ist verletzt, wenn das Bundesamt - wie hier - als auch nach eigener Auffassung international zuständige Behörde es rechtswidrig ablehnt, ein Asylverfahren durchzuführen.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG sind nicht gegeben.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,
2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
§ 19 Abs. 1 findet keine Anwendung.

(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.

(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Falls die Behörde Zeugen und Sachverständige herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Der Ausländer ist persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dies gilt auch, wenn er sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt.

(2) Er ist insbesondere verpflichtet,

1.
den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden die erforderlichen Angaben mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich zu machen;
2.
das Bundesamt unverzüglich zu unterrichten, wenn ihm ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist;
3.
den gesetzlichen und behördlichen Anordnungen, sich bei bestimmten Behörden oder Einrichtungen zu melden oder dort persönlich zu erscheinen, Folge zu leisten;
4.
seinen Pass oder Passersatz den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
5.
alle erforderlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, die in seinem Besitz sind, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
6.
im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken und auf Verlangen alle Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
7.
die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden.

(3) Erforderliche Urkunden und sonstige Unterlagen nach Absatz 2 Nr. 5 sind insbesondere

1.
alle Urkunden und Unterlagen, die neben dem Pass oder Passersatz für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können,
2.
von anderen Staaten erteilte Visa, Aufenthaltstitel und sonstige Grenzübertrittspapiere,
3.
Flugscheine und sonstige Fahrausweise,
4.
Unterlagen über den Reiseweg vom Herkunftsland in das Bundesgebiet, die benutzten Beförderungsmittel und über den Aufenthalt in anderen Staaten nach der Ausreise aus dem Herkunftsland und vor der Einreise in das Bundesgebiet sowie
5.
alle sonstigen Urkunden und Unterlagen, auf die der Ausländer sich beruft oder die für die zu treffenden asyl- und ausländerrechtlichen Entscheidungen und Maßnahmen einschließlich der Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sind.

(4) Die mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden können den Ausländer und Sachen, die von ihm mitgeführt werden, durchsuchen, wenn der Ausländer seinen Verpflichtungen nach Absatz 2 Nr. 4 und 5 nicht nachkommt sowie nicht gemäß Absatz 2 Nummer 6 auf Verlangen die Datenträger vorlegt, aushändigt oder überlässt und Anhaltspunkte bestehen, dass er im Besitz solcher Unterlagen oder Datenträger ist. Der Ausländer darf nur von einer Person gleichen Geschlechts durchsucht werden.

(5) Durch die Rücknahme des Asylantrags werden die Mitwirkungspflichten des Ausländers nicht beendet.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine iranische Staatsangehörige, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

2

Die 1985 in Teheran geborene Klägerin reiste im Juli 2001 zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. August 2001 ab. Die Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24. Juni 2003 rechtskräftig ab.

3

Im Dezember 2004 stellte die Klägerin einen Asylfolgeantrag. Zur Begründung berief sie sich auf Nachfluchtaktivitäten für die Arbeiterkommunistische Partei Irans. Mit Bescheid vom 11. Juli 2005 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab.

4

Während des Klageverfahrens teilten ihre neuen Verfahrensbevollmächtigten am 30. März 2007 mit, dass die Klägerin bereits am 23. März 2003 zum christlichen Glauben konvertiert sei. Sie habe sich zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde taufen lassen, besuche Gottesdienste und nehme wöchentlich an einem Bibelkreis teil. Da sie in Abkehr vom Islam ihren christlichen Glauben öffentlich praktiziere, müsse sie bei einer Rückkehr in den Iran mit einer Verfolgung aus religiösen Gründen rechnen. Von der Änderung der Rechtslage durch die Richtlinie 2004/83/EG - sog. Qualifikationsrichtlinie - habe sie erst jetzt erfahren.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu ihrem Glaubensübertritt näher befragt und die Klage sodann abgewiesen. Es hat in seinem Urteil vom 14. Mai 2007 letztlich offengelassen, ob der Glaubensübertritt der Klägerin und ihre kirchlichen Aktivitäten lediglich asyltaktische Hintergründe hätten oder auf einer wirklichen religiösen Überzeugung beruhten. Selbst wenn man Letzteres unterstelle, sei eine religiöse Verfolgung der Klägerin, die sich weder in herausgehobener Position für ihren Glauben eingesetzt noch missionarische Aktivitäten entfaltet habe, im Iran nicht wahrscheinlich.

6

Nach Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Oberverwaltungsgericht die Beteiligten unter näherer Darlegung seiner Einschätzung der Sach- und Rechtslage darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden. Es erachte die Berufung einstimmig für begründet und halte eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Daraufhin hat die Beklagte angeregt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, damit das Oberverwaltungsgericht sich einen persönlichen Eindruck von der Klägerin und deren Glaubwürdigkeit verschaffen könne. Das Berufungsgericht ist dem nicht gefolgt, sondern hat den Beteiligten mitgeteilt, dass es weiterhin beabsichtige, durch Beschluss zu entscheiden.

7

Mit Beschluss vom 30. Juli 2009 hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung der Klägerin verpflichtet. Es hat das Vorliegen der Wiederaufgreifensvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bejaht und darauf abgestellt, dass sich mit Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG am 10. Oktober 2006 die Rechtslage zugunsten der Klägerin geändert habe. Die Antragsfrist sei gewahrt, da die Klägerin erst durch ihren neuen Prozessbevollmächtigten von der Rechtsänderung erfahren habe. Unschädlich sei, dass sie die im März 2003 erfolgte Taufe nicht schon im ersten Asylverfahren geltend gemacht habe, da dieses Vorbringen unter der damaligen Rechtslage nicht zum Erfolg hätte führen können. Zudem habe sich die Sachlage durch den Beschluss des iranischen Parlaments zum Entwurf eines Apostasiestrafgesetzes im September 2008 zugunsten der Klägerin geändert.

8

Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG erweitere den Schutzbereich des Flüchtlingsrechts um die Religionsausübung in der Öffentlichkeit. Allerdings stelle nicht jede Beeinträchtigung der so verstandenen Ausübung der Religionsfreiheit eine Verfolgung dar. Unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie sei es einem Glaubenswechsler aber nicht mehr zuzumuten, öffentlich praktizierten Riten der Glaubensgemeinschaft wie Gottesdiensten oder Prozessionen fernzubleiben, um staatliche Sanktionen zu vermeiden. Der Glaubensangehörige sei auch verfolgt, wenn er aus Furcht vor staatlicher Repression zu unzumutbaren Ausweichhandlungen genötigt sei. Berufe sich der Schutzsuchende auf eine Verfolgungsgefährdung wegen Konversion zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion, müsse festgestellt werden, dass die Hinwendung zu dem angenommenen Glauben auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruhe. Erst wenn der neue Glauben die religiöse Identität des Schutzsuchenden in dieser Weise präge, könne ihm nicht angesonnen werden, in seinem Heimatland aus Angst vor Sanktionen auf die Religionsausübung zu verzichten.

9

Moslemische Apostaten, die sich dem Christentum zugewandt hätten, unterlägen im Iran einer Verfolgungsgefahr bereits dann, wenn sie ihre Abkehr vom Islam dadurch nach außen sichtbar werden ließen, dass sie in Ausübung ihres neu gewonnenen Glaubens an öffentlichen Riten wie Gottesdiensten und Prozessionen teilnehmen wollten. Einem besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage eines vom Islam zum Christentum übergetretenen Iraners sei die Rückkehr in den Iran unzumutbar, wenn er dort seinen christlichen Glauben auch außerhalb von Hausgemeinden praktizieren wolle. Die Lage habe sich durch das am 9. September 2008 vom iranischen Parlament in erster Lesung beschlossene strafbewehrte Apostasieverbot verschärft.

10

Hiernach drohe der Klägerin im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrelevante Verfolgung. Denn sie sei aufgrund einer echten Glaubensentscheidung zum Christentum konvertiert und der christliche Glaube präge nunmehr ihre religiöse Identität. Sie habe eine Taufurkunde sowie Bescheinigungen vorgelegt, dass sie Mitglied einer christlich-iranischen Gemeinde sei und dort regelmäßig Gottesdienste und Bibelstunden besuche. Ihrer gleichzeitig getauften Mutter und Schwester sei aufgrund von deren Konversion Flüchtlingsschutz zuerkannt worden. Bei ihrer Befragung durch das Verwaltungsgericht habe sie ihren persönlichen Weg zum christlichen Glauben nachvollziehbar geschildert und hinreichende Kenntnisse über die christliche Religion offenbart. Die Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts werde nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass sie sich für die strikt antireligiöse Arbeiterkommunistische Partei Irans betätigt habe. Dazu habe sie vor dem Verwaltungsgericht nachvollziehbar ausgeführt, dass ihr Glaube in der Partei als Privatsache respektiert worden sei und sie sich als Sozialistin von den religionsfeindlich eingestellten Kommunisten abgrenze. Aufgrund ihrer Charakterisierung der Partei erscheine die Formulierung ihres früheren Prozessbevollmächtigten, sie habe sich bei der Anhörung vor dem Bundesamt als überzeugte Kommunistin gezeigt, nicht als Widerspruch zu ihren persönlichen Einlassungen, sondern als missverständliche Bewertung. Der Sachverhalt sei ausreichend geklärt und es bestehe kein Anlass, die Klägerin erneut zur Ernsthaftigkeit ihres Glaubenswechsels anzuhören.

11

Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 AsylVfG stehe der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entgegen, weil die Klägerin bereits vor Abschluss des Ausgangsverfahrens getauft worden sei. Abgesehen davon habe sie sich aufgrund einer ernstlichen Gewissensentscheidung und nicht lediglich aus asyltaktischen Gründen vom Islam ab- und dem Christentum zugewandt.

12

Die Beklagte hat die vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision eingelegt und rügt die Verletzung formellen wie sachlichen Rechts. Sie macht im Hinblick auf die Feststellung der Ernsthaftigkeit der Konversion einen Verfahrensfehler wegen der Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung geltend. Sachlich sei die Klägerin mit dem Vorbringen der Konversion gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG präkludiert, da sie diesen Umstand schon in dem im August abgeschlossenen Erstverfahren hätte geltend machen können. Ob dieses Vorbringen möglicherweise nicht ausgereicht hätte, die Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung zu tragen, sei unerheblich. Zudem sei die Konversion nicht fristgerecht gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG geltend gemacht worden.

13

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

14

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Er rügt, das Berufungsgericht habe § 28 Abs. 2 AsylVfG nicht angewendet.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist begründet, da die von der Beklagten angebrachten Verfahrensrügen durchgreifen. Das Berufungsgericht hat seine Pflicht zur Sachaufklärung sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verletzt, da es die Klägerin nicht persönlich angehört hat (1.). Zudem hat es über die Berufung unter Verstoß gegen § 130a Satz 1 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss entschieden (2.). Auf diesen Verfahrensmängeln beruht die angegriffene Entscheidung, so dass der Beschluss aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

16

1. Das Berufungsgericht hat seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 Abs. 1 VwGO) verletzt. Denn es hat die gebotene Aufklärungsmaßnahme nicht ergriffen, die Klägerin persönlich zur Ernsthaftigkeit ihres Glaubenswechsels anzuhören und sich zu dieser inneren Tatsache einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen. Um diese Aufklärung zu erreichen, hatte die Beklagte nach der ersten Anhörungsmitteilung auf der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren bestanden.

17

a) Die Ernsthaftigkeit der Konversion erweist sich nach dem materiellrechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts, der bei der Prüfung auf Verfahrensfehler selbst dann zugrunde zu legen ist, wenn er verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>), als entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass eine Flüchtlingsanerkennung wegen der Gefahr religiöser Verfolgung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - nur dann in Betracht kommt, wenn die Hinwendung zu dem angenommenen Glauben auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht nur auf Opportunitätserwägungen beruht. Nur wenn die Konversion die religiöse Identität des Schutzsuchenden in dieser Weise präge, könne ihm nicht angesonnen werden, in seinem Heimatland auf die Religionsausübung zu verzichten, um staatlichen Verfolgungsmaßnahmen zu entgehen (BA S. 9 f.).

18

b) Auf der Grundlage dieses materiellrechtlichen Ansatzes lag es nahe und hätte sich dem Berufungsgericht in der hier vorliegenden Prozesssituation aufdrängen müssen, die Klägerin persönlich anzuhören, um sich für die gerichtliche Beweiswürdigung einen unmittelbaren Eindruck von ihr zu verschaffen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt es zwar grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es einen im ersten Rechtszug gehörten Zeugen oder Beteiligten erneut vernimmt. Es kann dessen schriftlich festgehaltene Aussage auch ohne nochmalige Vernehmung zu dem unverändert gebliebenen Beweisthema selbstständig würdigen. Von der erneuten Anhörung des Zeugen oder Beteiligten darf das Berufungsgericht jedoch dann nicht absehen, wenn es die Glaubwürdigkeit des in erster Instanz Vernommenen abweichend vom Erstrichter beurteilen will und es für diese Beurteilung auf den persönlichen Eindruck von dem Zeugen oder Beteiligten ankommt (vgl. etwa Beschlüsse vom 20. November 2001 - BVerwG 1 B 297.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 251 und vom 28. April 2000 - BVerwG 9 B 137.00 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 235). Diese Ausnahme greift - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat (BA S. 22 f.) - nicht, da das Verwaltungsgericht nach Anhörung der Klägerin zwar erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Konversion geäußert hatte, diese Frage aber letztlich offengelassen hat.

19

Damit hat es aber nicht sein Bewenden, denn im Berufungsverfahren ist eine persönliche Anhörung des Asylbewerbers im Wege der "informatorischen Befragung" (§ 103 Abs. 3, § 104 Abs. 1 VwGO) oder der Parteivernehmung (§ 96 Abs. 1 Satz 2, § 98 VwGO i.V.m. §§ 450 ff. ZPO) auch dann geboten, wenn die Vorinstanz - wie hier - hinsichtlich eines zentralen Punkts seines tatsächlichen Vorbringens keine Feststellungen getroffen, sondern seine Glaubwürdigkeit insoweit offengelassen hat. Denn der Ausländer, der politische Verfolgung geltend macht, befindet sich hinsichtlich seines individuellen Verfolgungsschicksals typischerweise in Beweisnot und ist als "Zeuge in eigener Sache" zumeist das einzige Beweismittel. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an, so dass seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung maßgebliche Bedeutung zuzumessen ist (Urteil vom 16. April 1985 - BVerwG 9 C 109.84 - BVerwGE 71, 180 <182>). Soweit die tatrichterliche Würdigung des individuellen Vorbringens des Asylbewerbers wesentlich von seiner Glaubwürdigkeit abhängt, wird vom Gericht hierüber in aller Regel nur nach einer persönlichen Anhörung des Asylbewerbers entschieden werden können (Beschluss vom 10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 259 = NVwZ 2002, 1381 m.w.N. auch zu Ausnahmen). Das gilt nicht nur hinsichtlich der Würdigung seiner Angaben zum Vorfluchtschicksal, sondern in gleicher Weise für die innere Tatsache der ernsthaften, die Persönlichkeit des Asylbewerbers prägenden Glaubensüberzeugung. Stellt das Berufungsgericht diese nach seinem materiellrechtlichen Ansatz zentrale anspruchsbegründende Tatsache der Flüchtlingsanerkennung, zu der das Verwaltungsgericht sich nicht abschließend verhalten hat und über die das Bundesamt noch nicht zu entscheiden hatte, im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung allein aufgrund der Aktenlage fest, verletzt es in aller Regel - und so auch hier - die Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 Abs. 1 VwGO).

20

c) Der angefochtene Beschluss beruht auf den festgestellten Verfahrensverstößen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei einer persönlichen Anhörung der Klägerin deren Vorbringen zur Ernsthaftigkeit ihrer Konversion zum Christentum in anderer Weise gewürdigt und daraus geschlossen hätte, dass ihr eine Verfolgung aus religiösen Gründen nicht mit der notwendigen beachtlichen Wahrscheinlichkeit droht.

21

2. Das Oberverwaltungsgericht hat mit seiner Verfahrensweise darüber hinaus § 130a Satz 1 VwGO verletzt. Da die Beteiligten nicht gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, hätte es wegen der außergewöhnlich großen Schwierigkeit der Sache über die Berufung nicht durch Beschluss gemäß § 130a Satz 1 VwGO entscheiden dürfen.

22

a) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet über eine Berufung grundsätzlich durch Urteil, das aufgrund mündlicher Verhandlung ergeht (§ 125 i.V.m. § 101 VwGO). Ist eine Berufung unzulässig, kann sie nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss verworfen werden (§ 125 Abs. 2 VwGO). Nach der Vorschrift des § 130a Satz 1 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht auch dann über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Ist das sich auf die Begründetheit oder Unbegründetheit der Berufung beziehende Einstimmigkeitserfordernis (vgl. Beschluss vom 20. Januar 1998 - BVerwG 3 B 1.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 19 S. 12 f.) erfüllt, steht die Entscheidung, ob ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss befunden wird, im Ermessen des Gerichts. Die Vorschrift enthält keine expliziten materiellen Vorgaben für die richterliche Entscheidung, ob von der Durchführung der mündlichen Verhandlung abgesehen wird oder nicht. Die Grenzen des dem Berufungsgerichts eingeräumten Ermessens sind weit gezogen. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung für die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens nur darauf überprüfen, ob das Oberverwaltungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Beschlüsse vom 12. März 1999 - BVerwG 4 B 112.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 35 S. 5 m.w.N. und vom 25. September 2003 - BVerwG 4 B 68.03 - NVwZ 2004, 108 <109>). Ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung ist seitens des Revisionsgerichts nur zu beanstanden, wenn es auf sachfremden Erwägungen oder einer groben Fehleinschätzung des Berufungsgerichts beruht (vgl. Beschluss vom 3. Februar 1999 - BVerwG 4 B 4.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 33 S. 2 m.w.N.).

23

Auch wenn § 130a VwGO keine ausdrücklichen Einschränkungen enthält, hat das Berufungsgericht bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen, dass sich die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung im System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nach der Ausgestaltung des Prozessrechts als gesetzlicher Regelfall und Kernstück auch des Berufungsverfahrens erweist (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 1 VwGO). Ausnahmen davon bedürfen gesonderter gesetzlicher Regelung. Diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis liegt die Vorstellung zugrunde, dass die gerichtliche Entscheidung grundsätzlich das Ergebnis eines diskursiven Prozesses zwischen Gericht und Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung sein soll. Davon geht auch § 104 Abs. 1 VwGO aus, der dem Vorsitzenden des Gerichts die Pflicht auferlegt, in der mündlichen Verhandlung die Streitsache mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu erörtern. Das Rechtsgespräch erfüllt zudem den Zweck, die Ergebnisrichtigkeit der gerichtlichen Entscheidung zu fördern. Das ergibt sich nicht zuletzt aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 EMRK, der aus dieser Verfahrensgarantie im Einzelfall die Notwendigkeit herleitet, auch in der zweiten Instanz mündlich zu verhandeln. Der Gerichtshof stellt bei Verfahrensordnungen, in denen im Berufungsrechtszug auch Tatfragen zu entscheiden sind, darauf ab, ob im konkreten Fall zentrale strittige Tatfragen zur Entscheidung anstehen und ob für die tatsächliche Feststellung die Entscheidungsfindung allein aufgrund der Aktenlage sachgerecht möglich ist (EGMR, Urteile vom 29. Oktober 1991 - Nr. 22/1990/213/275 - Helmers - NJW 1992, 1813 Nr. 36 unter Rückgriff auf das Urteil vom 26. Mai 1988 - Ekbatani, Serie A Nr. 134 Tz. 27; vom 29. Oktober 1991 - Nr. 35/1990/226/290 - Andersson - EuGRZ 1991, 419 und vom 29. Oktober 1991 - Nr. 36/1990/227/291 - Fejde - EuGRZ 1991, 420). Diese vom Gerichtshof zu Art. 6 Abs. 1 EMRK entwickelten Anforderungen sind bei konventionskonformer Anwendung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 130a VwGO vom Berufungsgericht zu berücksichtigten und gestatten es in diesen Fällen nicht, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen (Beschluss vom 12. März 1999 a.a.O.). Das gilt auch in der vorliegenden asylrechtlichen Streitigkeit, da der deutsche Gesetzgeber das Verfahrensprinzip der öffentlichen mündlichen Verhandlung aus Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein und ohne Rücksicht auf die Anwendbarkeit der auf "zivilrechtliche Ansprüche" beschränkten Vorschrift im Einzelfall gewahrt wissen wollte (Urteil vom 14. März 2002 - BVerwG 1 C 15.01 - BVerwGE 116, 123 <127 f.>).

24

Bei der Ermessensentscheidung gemäß § 130a Satz 1 VwGO dürfen die Funktionen der mündlichen Verhandlung und ihre daraus erwachsende Bedeutung für den Rechtsschutz nicht aus dem Blick geraten. Das Gebot, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die Rechtssache auch im Interesse der Ergebnisrichtigkeit mit den Beteiligten zu erörtern, wird umso stärker, je schwieriger die vom Gericht zu treffende Entscheidung ist. Mit dem Grad der Schwierigkeit der Rechtssache wächst daher zugleich auch das Gewicht der Gründe, die gegen die Anwendung des § 130a VwGO und für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sprechen (vgl. dazu Urteile vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <214> und vom 21. März 2000 - BVerwG 9 C 39.99 - BVerwGE 111, 69 <74>). Die Grenzen des von § 130a Satz 1 VwGO eröffneten Ermessens werden überschritten, wenn im vereinfachten Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, obwohl die Sache - das Maß des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO übersteigend - in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht außergewöhnlich große Schwierigkeiten aufweist (Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 213); abzustellen ist insoweit auf die Gesamtumstände des Einzelfalles. Die Notwendigkeit, eine Rechtsnorm nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik oder Sinn und Zweck auszulegen, begründet für sich genommen noch keine außergewöhnlich große Schwierigkeit einer Rechtssache, insbesondere wenn das Berufungsgericht sich mit der Auslegung der Norm bereits befasst hat und seine Rechtsprechung lediglich fortführt (Beschluss vom 10. Juni 2008 - BVerwG 3 B 107.07 - juris Rn. 4). Stellt sich aber in einem Berufungsverfahren eine Vielzahl von ungeklärten Rechtsfragen und damit ein vielschichtiger Streitstoff, über den erstmalig zu befinden ist, spricht das für eine außergewöhnlich große Schwierigkeit (Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 218; Beschluss vom 10. Juni 2008 a.a.O. Rn. 5). In einem Asylprozess kann sich die besondere Komplexität des Streitstoffs in tatsächlicher Hinsicht auch daraus ergeben, dass aufgrund veränderter Umstände erstmals eine neue Beurteilung der allgemeinen Lage im Heimatstaat des Betroffenen geboten ist.

25

b) Auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung erweist sich die Vorgehensweise des Berufungsgerichts hier als fehlerhaft, denn der vorliegende Fall weist sowohl in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht einen außergewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad auf. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich das u.a. aus der auch in der Rechtsprechung des Berufungsgerichts noch nicht abschließend geklärten flüchtlingsrechtlichen Beurteilung einer religiöser Verfolgung (vgl. dazu die Vorlagebeschlüsse des Senats vom 9. Dezember 2010 - BVerwG 10 C 19.09 und 10 C 21.09) insbesondere aufgrund eines Glaubenswechsels in einem Asylfolgeverfahren (§ 28 Abs. 2 AsylVfG). Zudem bestand eine hohe Komplexität in tatsächlicher Hinsicht, denn das Berufungsgericht hatte - soweit ersichtlich erstmals - die Verfolgungsgefahr für nicht exponiert tätige, zum Christentum konvertierte Muslime im Iran zu beurteilen, u.a. mit Blick auf den Beschluss des Iranischen Parlaments zur Strafbewehrung des Apostasieverbots vom September 2008 (BA S. 11 - 21). Jedenfalls hat es dazu in der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht auf ältere eigene Entscheidungen verwiesen. Im Übrigen legte auch der Umstand, dass das Berufungsgericht eine abschließende Entscheidung nicht allein aufgrund der Aktenlage fällen durfte, sondern noch eine persönliche Anhörung der Klägerin erforderlich war (vgl. oben Rn. 18), die Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Blick auf die oben genannten Anforderungen des Gerichtshofs zu Art. 6 EMRK nahe.

26

c) Da das Berufungsgericht sich im Rahmen seines Ermessens nach § 130a VwGO unter den gegebenen Umständen nicht für Durchführung eines vereinfachten Berufungsverfahrens entscheiden durfte, verstößt der angefochtene Beschluss gegen § 101 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Eine unter Verstoß gegen § 101 Abs. 1 VwGO ergangene Entscheidung verletzt zugleich den Anspruch der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs und stellt damit einen absoluten Revisionsgrund im Sinne von § 138 Nr. 3 VwGO dar (vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 221 m.w.N.).

27

d) Die auf dem Verstoß gegen § 130a, § 101 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO beruhende Gehörsverletzung erfasst die Berufungsentscheidung in ihrer Gesamtheit und lässt sich nicht auf einzelne Tatsachenfeststellungen eingrenzen (vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 221 m.w.N.). Daher fehlen dem Revisionsgericht die für eine eigene abschließende Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

28

3. Sollte sich in dem erneuten Berufungsverfahren die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachlage und insbesondere die Ernsthaftigkeit der Konversion - wie in der angefochtenen Entscheidung angenommen - bestätigen, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass entgegen der Ansicht der Beklagten die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens erfüllt sein dürften. Allerdings hat der Wiederaufgreifensgrund der nachträglichen Änderung der Sachlage (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG) nicht vorgelegen. Denn der durch die Taufe am 23. März 2003 dokumentierte Wechsel der Klägerin zum christlichen Glauben ist nicht nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Erstverfahren am 24. Juni 2003 eingetreten. Auf den vom Berufungsgericht als Wiederaufgreifensgrund zusätzlich hervorgehobenen Beschluss des Iranischen Parlaments vom 9. September 2008 über den Entwurf eines Apostasiestrafgesetzes und die dadurch eingetretene Verschärfung der Verfolgungsgefahr (BA S. 6) hat sich die Klägerin nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG berufen, so dass auch dieser Umstand nicht die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens rechtfertigt. Denn weder das Bundesamt noch die Verwaltungsgerichte sind befugt, ihrer Entscheidung über die Wiederaufnahme andere als vom Antragsteller geltend gemachte Gründe zugrunde zu legen (Urteile vom 30. August 1988 - BVerwG 9 C 47.87 - Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG Nr. 8 und vom 13. Mai 1993 - BVerwG 9 C 49.92 - InfAuslR 1993, 357 - insoweit in BVerwGE 92, 278 nicht abgedruckt). Die dreimonatige Ausschlussfrist gilt auch für im gerichtlichen Verfahren neu vorgebrachte Wiederaufgreifensgründe (Urteil vom 10. Februar 1998 - BVerwG 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 <176 f.>).

29

Jedenfalls mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) am 28. August 2007 lag jedoch der Wiederaufgreifensgrund einer nachträglichen Änderung der Rechtslage vor (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG). Es ist zwar noch nicht abschließend geklärt, ob sich durch Umsetzung der Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG in § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG die Rechtslage mit Blick auf die Verfolgung aus religiösen Gründen zugunsten der Betroffenen geändert hat. Aber die durch die Zweifel über die Auslegung der unionsrechtlichen Vorgaben bewirkte Unsicherheit reicht aus, um ein Asylverfahren wiederaufzugreifen und diese Frage prüfen zu lassen. Auf die Änderung der Rechtslage hat sich die Klägerin auch rechtzeitig berufen. Denn jedenfalls im Flüchtlingsrecht ist aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit hier für den Beginn der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht auf den Ablauf der Umsetzungsfrist (Art. 38 Abs. 1 Richtlinie 2004/83/EG), sondern auf die Bekanntmachung im Gesetzblatt dokumentierte Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber abzustellen.

30

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin insoweit mit ihrem Vorbringen der Taufe und der Glaubensausübung nicht gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG präkludiert. Denn ein grobes Verschulden liegt nicht vor, wenn ein Asylbewerber Umstände im vorangegangenen Verfahren nicht vorgebracht hat, die mit Blick auf die damals geltende Rechtslage oder die damals gegebene Sachlage vorzutragen kein Anlass bestand. Allein aufgrund der Taufe hätte sich die unverfolgt ausgereiste Klägerin nach damaliger Sach- und Rechtslage nicht mit Erfolg auf eine ihr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende religiöse Verfolgung berufen können. Dann kann ihr die mangelnde Geltendmachung der Taufe im Erstverfahren auch nicht entgegengehalten werden. Denn in Fällen evident fehlender Relevanz eines nicht vorgetragenen Umstands für den Ausgang des Erstverfahrens kann dem Betreffenden nicht der Vorwurf gemacht werden, die ihm gebotene Sorgfalt in schwerwiegender Weise außer Acht gelassen zu haben (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, II-§ 71 Rn. 204, Stand Dezember 2007).

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,
2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
§ 19 Abs. 1 findet keine Anwendung.

(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.

(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. August 2016 verpflichtet festzustellen, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger wurde eigenen Angaben zufolge am … in der Provinz Maydan-Wardak geboren. Er sei afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er habe sein Heimatland im Jahr 2007 oder 2008 in den Iran verlassen. Er habe dann im Iran, der Türkei und Griechenland gelebt und sei 2011 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, wo er am 7. Juni 2011 einen Asylantrag gestellt hat. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 9. November 2011 und sodann durch Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 26. September 2012 (Az. W 2 K 11.30384) unanfechtbar abgelehnt.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2013 stellte der Kläger einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens mit dem Antrag, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, der Antragsteller sei psychisch erkrankt. Seit der Ablehnung seines Antrages leide er unter zunehmenden gesundheitlichen Problemen körperlicher und psychischer Art. Am 24. Januar 2013 sei er vom Notarzt auf die Intensivstation des Universitätsklinikums eingeliefert worden. Es sei ein psychomotorischer Erregungszustand bei posttraumatischer Belastungsstörung diagnostiziert worden. Am 25. Januar 2013 sei der Kläger in die geschlossene Akutstation des psychiatrischen Klinikums in Lohr verlegt worden. Dort seien Anpassungsstörungen und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden. Es sei zu Selbstverletzungsverhalten gekommen und der Antragsteller habe geäußert, dass er nicht mehr leben wolle. Nach eigenen Angaben habe er versucht, sich zu erhängen. Unter dem 9. Mai 2013 sei bei dem Antragsteller durch einen Primärtherapeuten/Traumatherapeuten des Vereins Exilio eine mittelgradige Depression diagnostiziert worden mit einem bedenklich hohen Wert an Suizidalität sowie der Zusatzdiagnose einer vorsätzlichen Selbstschädigung. Der Antragsteller benötige dringend psychische Behandlung. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan sei bei dem Antragsteller, der sich in fachärztlicher und therapeutischer Behandlung befinde, aufgrund der psychologischen Stellungnahme mit einer heftigen gesundheitlichen Verschlechterung zu rechnen, dies insbesondere unter Berücksichtigung seiner grundsätzlichen Bereitschaft zum Suizid. Nach den aktuellen Erkenntnismitteln sei in Afghanistan die erforderliche Behandlung bei psychischen Erkrankungen nicht gewährleistet. Zur Behandlung psychischer Erkrankungen stünden nur sehr limitierte Einrichtungen und höchst rudimentäre Behandlungsmethoden zur Verfügung.

Dem Antrag waren Atteste des Universitätsklinikums Würzburg vom 7. Februar 2013, des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin in Lohr am Main vom 8. März 2013 sowie eine psychologische Stellungnahme des Vereins Exilio vom 14. Juni 2013 beigefügt. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde ein fachärztliches Attest der neurologisch-psychiatrischen Praxis Dres. B … vom 3. Juli 2013 sowie ein psychologisch-psychotherapeutischer Befundbericht der Dipl.-Psychologin M* … vom 21. Oktober 2013 vorgelegt.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 1. August 2016 lehnte dieses den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 9. November 2011 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des AufenthG ab. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG seien nicht gegeben, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG lägen nicht vor, da aufgrund der geltend gemachten gesundheitlichen Probleme des Antragstellers keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass aufgrund dessen nunmehr eine günstigere Entscheidung möglich sei. Auch eine Abänderung der Entscheidung nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG sei nicht möglich. Sofern eine Suizidandrohung Folge der Angst vor einer Abschiebung sei, handele es sich um ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, welches im vorliegenden Verfahren keine Rolle spiele. Gleiches gelte für die Frage der Reisefähigkeit oder negative Folgen eines Abbruchs einer in Deutschland begonnenen Therapie. Eine reine Verdachtsdiagnose, vorliegend betreffend eine Borderline-Erkrankung, reiche nicht aus, um ein entsprechendes Krankheitsbild feststellen zu können. Hinsichtlich der anderweitigen Erkrankungen lasse sich aus den ärztlichen Unterlagen nicht entnehmen, wie sich die gesundheitliche Entwicklung im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan konkret darstellen werde. Eine plastische Beschreibung dessen, was passieren würde, wenn der Kläger keine kontinuierliche Weiterbehandlung im Heimatstaat erhalte, lasse sich den Attesten ebenfalls nicht entnehmen. Zudem seien seit dem Jahr 2013 keine weiteren Atteste mehr eingereicht worden, so dass unklar sei, ob sich der Kläger überhaupt noch in Behandlung befinde. Die vorliegenden Atteste böten auch keinen Anlass für eine weitere Sachaufklärung. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sei unter Zugrundelegung der Mindestanforderungen des Bundesverwaltungsgerichtsurteils vom 11. September 2007 nicht nachvollziehbar begründet. Da in den Attesten nicht einmal das Trauma konkret benannt werde, könne nicht nachvollzogen werden, auf welcher Grundlage die Diagnose erfolge. Da somit bereits die Erkrankung nicht nachvollziehbar dargelegt werde, sei es auch nicht erforderlich, die hieraus resultierenden Gesundheitsgefahren im Heimatstaat sowie eine etwaige Behandelbarkeit der Erkrankung aufzuklären. Falls der Kläger weiterhin an einer depressiven Störung leiden sollte, so könne diese in Afghanistan adäquat behandelt werden. Es gebe eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser, die kostenfrei medizinische Versorgung böten. Auch psychische Erkrankungen seien in Afghanistan grundsätzlich behandelbar. Das afghanische Gesundheitsministerium habe in den letzten Jahren verschiedene Maßnahmen ergriffen, um deren Behandelbarkeit zu verbessern. Psychotherapie könne beispielsweise in Kabul durchgeführt werden. Schließlich sei auch den ärztlichen Attesten nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller aufgrund seiner Erkrankungen nicht in der Lage sei, einen Lebensneustart in seiner Heimat zu bewältigen. Der Kläger habe bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 9. August 2011 angegeben, über mehrere Verwandte in Kabul zu verfügen. Somit gebe es einen Familienverband, auf dessen Unterstützung der Kläger verwiesen werden könne. Auch sei der Kläger in Afghanistan einer Berufstätigkeit im landwirtschaftlichen Bereich nachgegangen.

Gegen den am 5. August 2016 zur Post gegebenen Bescheid ließ der Kläger am 22. August 2016 beim Verwaltungsgericht Würzburg Klage erheben.

Zur Begründung wurde vorgetragen, der Kläger befinde sich aktuell nicht regelmäßig in Behandlung, nehme aber die verschriebenen Medikamente ein. Er habe sehr große Angst davor, seine Ausbildung zu verlieren, die in stabilisiere, wenn er durch Arztbesuche abwesend sei und einräumen müsse, dass er psychisch krank sei. Allerdings sei der Behandlungskontakt nie abgerissen, ein Termin bei Frau Dr. B. sei für den 27. November 2017 anberaumt. Die medizinische Versorgung in Afghanistan sei äußerst lückenhaft und überlastet, so dass der Kläger die erforderliche Behandlung dort nicht erreichen könne. Auch fehle es an einem unterstützenden Familienumfeld für seine Behandlung, da seine Restfamilie mittlerweile ebenfalls aus Afghanistan geflohen sei. So sei ein minderjähriger Bruder nunmehr auch in Deutschland. Seine Mutter befinde sich mit einem weiteren Bruder und einer Schwester in einem Lager im Iran. Im Laufe des Verfahrens wurden zudem weitere fachärztliche und psychologische gutachterliche Stellungnahmen vorgelegt.

Der Kläger ließ beantragen,

Der Bescheid des Bundesamtes vom 1. August 2016 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit E-Mail vom 2. November 2016 hat das Gericht eine Stellungnahme der deutschen Botschaft in Kabul zur Erhältlichkeit bestimmter vom Kläger eingenommener Medikamente sowie etwaig hierfür entstehender Kosten und der Möglichkeit einer Psychotherapie eingeholt. Die Deutsche Botschaft hat hierauf am 31. Januar 2017 sowie 6. Februar 2017 mitgeteilt, dass es nach Auskunft des afghanischen Außenministeriums landesweit zahlreiche Kliniken gebe, die psychisch erkrankte Personen kostenlos behandelten. Die erwähnten Medikamente stünden nicht auf der Medikamentenliste, seien aber in Apotheken legal zu erwerben. Zu den Kosten der Medikamente bestünden keine Kenntnisse.

Durch Beschluss des Gerichtes vom 6. Juni 2017 wurde Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf psychiatrischen Fachgebiet durch Prof. V. zur Frage des psychiatrischen Gesundheitszustandes des Klägers sowie hieraus resultierender Folgen bei etwaig fehlender Behandlungsmöglichkeit im Heimatland. Prof. V. erstattete unter dem 21. August 2017 sein Gutachten und teilte zu den aufgeworfenen Fragen im Wesentlichen mit, dass der Kläger unter einer mittelgradig depressiven Episode (ICD-10: F32.1) leide. Die Kriterien einer PTBS seien nicht erfüllt. Dieser Diagnose stehe auch die erstmalige Geltendmachung der psychischen Beschwerden im Jahre 2013 nicht entgegen. Dringend solle zumindest eine suffiziente medikamentöse Therapie, z.B. mit Venlafaxin, unter Überwachung der Konzentration des Medikamentes im Blutplasma durchgeführt werden. Alternativ könne auch eine Psychotherapie oder eine Kombination beider Verfahren durchgeführt werden. Die berufliche Belastbarkeit sei eingeschränkt, allerdings nicht so weit, als der Proband nicht der derzeit ausgeübten handwerklichen Tätigkeit als Dachdecker nachkommen könne, wenngleich mit größeren Anstrengungen und Schwierigkeiten. Falls die Behandlung in Afghanistan nicht fortgesetzt werden könne, werde sich wahrscheinlich eine Verschlechterung einstellen, wobei zu bemerken sei, dass aktuell praktisch auch keine Behandlung erfolge. Im Rahmen einer Verschlechterung einer Depression könne immer auch eine lebensbedrohliche Suizidalität entstehen, wobei aktuell ohne Behandlung keine solche vorhanden sei.

Durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 1. September 2016 wurde der beantragte einstweilige Rechtsschutz abgelehnt, da es an einem Anordnungsgrund mangele.

Durch Beschluss vom 7. November 2017 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.

Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Afghanistan, Stand Januar 2018, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2018 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 1. August 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) einen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch aus § 51 Abs. 1 VwVfG auf ein Wiederaufgreifen des durch rechtskräftiges Urteil vom 26. September 2012 abgeschlossenen Verfahrens hinsichtlich des Nichtvorliegens von Abschiebungsverboten, da ein Wiederaufgreifensantrag nach § 51 Abs. 3 VwVfG binnen drei Monaten gestellt werden muss, diese Frist jedoch versäumt wurde. Die Frist beginnt hierbei mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erlangt hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die positive Kenntnis aller insoweit maßgeblichen Tatsachen, nicht dagegen deren zutreffende rechtliche Einordnung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 51 Rn. 47). Dem Kläger waren nach seinen stationären Aufenthalten im Universitätsklinikum Würzburg sowie im Bezirksklinikum Lohr, die bis zum 19. Februar 2013 angedauert haben, spätestens durch den ausführlichen Arztbrief vom 8. März 2013, der dem Kläger u.a. eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierte, alle erforderlichen Tatsachen für das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes bekannt, sodass eine Antragstellung am 10. Juli 2013 jedenfalls nicht mehr innerhalb der Drei-Monatsfrist erfolgt ist.

Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Abänderung des ablehnenden Bescheides nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 49 Abs. 1 VwVfG hinsichtlich der Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 21.3.2000 – 9 C 41/99 – juris). Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 49 Abs. 1 VwVfG verdichtet sich zu einem Rechtsanspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens (und sodann auch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes) und erlaubt eine abschließende gerichtliche Entscheidung zugunsten des Klägers, wenn ein Festhalten an der bestandskräftigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 AufenthG zu einem schlechthin unerträglich Ergebnis führen würde und damit das Ermessen auf Null reduziert ist. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Ausländer im Falle einer Abschiebung einer extremen individuellen Gefahrensituation ausgesetzt wäre (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.2004 – 1 C 15/03 – juris; Funke-Kaiser, GK AsylG, § 71 AsylG Rn. 349 ff.). So liegt der Fall hier, da der Kläger nach Überzeugung des Gerichts aufgrund seiner individuellen Situation, insbesondere aufgrund der zwischenzeitlich bei ihm eingetretenen schwerwiegenden psychischen Erkrankung in Kombination mit den außerordentlich schwierigen allgemeinen Verhältnissen in Afghanistan, bei seiner Rückkehr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre, § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre beim Kläger der Fall, wenn er nach Afghanistan zurückkehren müsste. Der Kläger muss befürchten, aufgrund der dortigen Lage unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Zwar macht der Kläger nicht geltend, dass ihm näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern beruft sich auf die allgemein schlechte Lage in seinem Heimatland. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen im vorliegenden Einzelfall jedoch eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist (vgl. etwa BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 13a B 17.30030 – juris; U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284, B.v. 11.01.2017 – 13a ZB 16.30878).

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; BayVGH v. 21.11.2014, a.a.O., juris Rn. 16 ff.). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden könne, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014, a.a.O. Rn. 19). Eine solche ist jedoch bei dem Kläger gegeben.

Die aktuelle Lage in Afghanistan und in der Hauptstadt Kabul stellen sich wie folgt dar:

Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (a.a.O. S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch.

Aus der Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes für Afghanistan vom 28. Juli 2017 ergibt sich insoweit nichts grundlegend Abweichendes: In fast allen Regionen werde von der Bevölkerung die Arbeitslosigkeit als das größte Problem genannt. Die Zahl der neu hinzugekommenen Binnenvertriebenen sei im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 25% gesunken. Die afghanische Regierung habe unter Beteiligung der internationalen Geberschaft sowie internationaler Organisationen mit der Schaffung einer Koordinierungseinheit zur Reintegration der Binnenflüchtlinge und Rückkehrer reagiert. Ein Großteil der internationalen Geberschaft habe zu-dem beschlossen, die Finanzmittel für humanitäre Hilfe im Rahmen eines Hilfsappells des UN-Koordinierungsbüros für humanitäre Angelegenheit OCHA aufzustocken. Trotz internationaler Hilfe übersteige der derzeitige Versorgungsbedarf allerdings das vorhandene Maß an Unterstützungsmaß-nahmen seitens der Regierung.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 14. September 2017, Seite 27 ff.) führt aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt bleibe, wobei der Anteil der notleidenden Bevölkerung im Verlaufe des Jahres 2016 um 13% angestiegen sei; 2017 benötigten 9,3 Millionen Afghanen dringend humanitäre Hilfe. Die Arbeitslosenquote sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte rasant angestiegen und inzwischen auch in städtischen Gebieten hoch. Gleichzeitig seien die Löhne in Gebieten, welche von Rückkehrströmen betroffen seien, signifikant gesunken. Nach wie vor seien die meisten Menschen in der Land- und Viehwirtschaft oder als Tagelöhner tätig. Die zunehmenden Rückkehrströme hätten zu einem enormen Anstieg an Unterkunftsbedarf geführt, weshalb sich insbesondere in der Hauptstadt Kabul die Wohnraumsituation extrem verschärft habe. Rund 68% der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu adäquaten Sanitätsinstallationen und ca. 45% keinen Zugang zu aufbereitetem Trinkwasser. Rund 40% der Bevölkerung sei von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Die Zahl der von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffenen Menschen steige an und umfasse inzwischen 1,6 Millionen Personen. In Gebieten, die von hohen Rückkehrströmen betroffen waren, seien die Lebensmittelpreise stark angestiegen. Etwa 9 Millionen Menschen, in besonderem Maße Frauen und Kinder, hätten keinen oder nur beschränkten Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, welchen es auch an angemessener Ausstattung mangele. Im Jahr 2016 sei der Druck zur Rückkehr auf afghanische Flüchtlinge im Iran und in Pakistan dramatisch angestiegen; Kabul sowie die Provinzen im Norden, Nordosten und Osten des Landes seien in besonderem Maße betroffen gewesen. Rückkehrende fänden oft keine adäquate Unterkunft; sie lebten oft in notdürftigen Behausungen mit schlechten Sanitäranlagen. Der eingeschränkte Zugang zu Land, Nahrungsmitteln und Trinkwasser und die begrenzten Möglichkeiten zur Existenzsicherung stellten eine enorme Herausforderung für diesen Personenkreis dar. Aufgrund der äußerst schwierigen Lebensbedingungen würden Rückkehrende oft zu intern Vertriebenen, deren Zahl Ende 2016 auf etwa 1,4 Millionen Menschen geschätzt worden sei und deren Lage sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert habe. Auch für Flüchtlinge aus Europa gestalte sich eine Rückkehr schwierig. Die Bevölkerung Kabuls solle sich binnen nur sechs Jahren verdreifacht haben. Dort lebten etwa 75% der Bevölkerung in informellen und behelfsmäßigen Behausungen, die oft weder ans Wasserversorgungsnetz noch an die Kanalisation angeschlossen seien. Der Zugang zu Lebensmitteln habe sich rasant verschlechtert, was unter anderem auf die mangelnden Arbeitsmöglichkeiten zurückzuführen sei. Armut sei weit verbreitet. Beinahe die Hälfte der Bevölkerung Kabuls könne sich keine medizinische Behandlung leisten. Die große Zahl der Rückkehrenden und intern Vertriebenen führe zur Überlastung der bereits äußerst stark beanspruchten Infrastruktur zur Erbringung der Grunddienstleistungen in der Hauptstadt Kabul aber auch andernorts, insbesondere in den wichtigsten Provinzstädten und Bezirken.

Dies zugrunde gelegt steht einer Rückführung des Klägers nach Afghanistan ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG entgegen, auch wenn die obergerichtliche Rechtsprechung im Regelfall davon ausgeht, dass für alleinstehende, gesunde, arbeitsfähige junge Männer bei einer Rückkehr nach Afghanistan kein Abschiebungsverbot festzustellen ist (vgl. etwa BayVGH, B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris). Denn abweichend von den Verhältnissen im Regelfall befindet sich der hiesige Kläger nach Überzeugung des Gerichts in einer besonderen Ausnahmesituation; insbesondere leidet der Kläger vorliegend an einer schwerwiegenden behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung, die eine Abschiebung entgegensteht.

Die besondere Situation des Klägers ist vorliegend zunächst dadurch gekennzeichnet, dass er insoweit glaubhaft bereits in seinem Asylerstverfahren vorgetragen hat, dass er in Afghanistan nur zwei Jahre lang die Schule besucht hat. Dies hat er im hiesigen Verfahren bestätigt und erläuternd ausgeführt, dass er auch in diesen beiden Jahren häufig nicht beim Unterricht anwesend gewesen sei, unter anderem wegen seiner Fußverletzung durch einen Granatensplitter. Er könne daher in seiner Muttersprache Dari nicht Schreiben nur ein kleines bisschen Lesen. Damit ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Kläger praktisch um einen Analphabeten handelt. Der Kläger verfügt darüber hinaus auch nicht über besondere berufliche Fähigkeiten, nachdem er in Afghanistan keinen Beruf erlernt hat, sondern lediglich in der Landwirtschaft mitgearbeitet hat. In Deutschland absolviert der Kläger derzeit eine Berufsausbildung als Dachdecker, die er jedoch noch nicht abgeschlossen hat. Das Gericht ist überdies davon überzeugt, dass diese relativ einfache Tätigkeit dem Kläger in Afghanistan keine relevanten Erwerbsvorteile auf dem Arbeitsmarkt wird schaffen können. Der Kläger hat sein Heimatland bereits vor rund zehn Jahren im Alter von etwa 14 Jahren verlassen, so dass er die schwierigen negativen Entwicklungen in Afghanistan in den letzten Jahren und die derzeit herrschenden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht kennt. Auch hat er aufgrund seines jungen Alters bei Verlassen des Heimatlandes niemals gelernt, in Afghanistan auf eigenen Füßen zu stehen und dort für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Das Gericht ist zudem davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland für eine Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft und insbesondere in das dortige Arbeitsleben nicht auf die Unterstützung seiner Familie zurückgreifen kann, da er insoweit glaubhaft und angesichts der in Afghanistan herrschenden massiven Sicherheitsprobleme auch plausibel erklärt hat, dass– im Gegensatz zur Situation bei seinem Asylerstverfahren – mittlerweile seine gesamte verbliebene Kernfamilie das Land ebenfalls verlassen habe und nunmehr im Iran ansässig sei. Hintergrund sei gewesen, dass seine Mutter eine Arbeit bei einem örtlichen (staatlichen) Kommandanten angenommen habe, dem sie Informationen über die örtlichen Taliban weitergegeben habe. Hiervon hätten die Taliban Kenntnis erlangt und in der Folge die Familie ins Visier ihrer Verfolgung genommen. Dies erscheint dem Gericht auch angesichts der aktuellen Erkenntnismittellage glaubhaft. Darüber hinaus sei ein Onkel Beamter gewesen, welcher bei einem Anschlag der Taliban ums Leben gekommen sei. Zu diesem und seinen Cousins habe er jedoch auch keinen Kontakt, was insbesondere auch in Anbetracht der langjährigen Abwesenheit aus Afghanistan nachvollziehbar ist. Vor diesem Hintergrund ist nach Überzeugung des Gerichts nicht zu erwarten, dass der Kläger in Afghanistan finanzielle Unterstützung durch seine Familie erwarten kann, zumal durch die Flucht in den Iran die wirtschaftliche Existenzgrundlage in der Landwirtschaft aufgegeben werden musste.

Über vorstehende Ausführungen hinaus ist vorliegend von entscheidender Bedeutung, dass es sich bei dem Kläger nicht um einen gesunden jungen Mann handelt, bei dem nach überzeugender obergerichtlicher Rechtsprechung ein nationales Abschiebungsverbot nicht infrage kommt, da sich für diese Bevölkerungsgruppe aus den allgemeinen Verhältnissen noch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ergibt. Der Kläger leidet demgegenüber jedoch an einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10: F32.1), was sich in überzeugender Weise aus dem vom Gericht eingeholten psychiatrischen Fachgutachten des Prof. V. vom 21. August 2017 ergibt. Der Gutachter diagnostiziert dabei in jeder Hinsicht nachvollziehbar und widerspruchsfrei die genannte psychische Erkrankung; Aggravations- oder Dissimulationstendenzen schließt er aus. Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen bestehen nicht. Auch geht die Begutachtung von einem korrekten Sachverhalt aus. Insbesondere hat das Gericht den Gutachter bereits im Gutachtensauftrag auf die rechtskräftig festgestellte Unglaubhaftigkeit des persönlichen Verfolgungsvortrages des Klägers im Asylerstverfahren hingewiesen. Der Gutachter hat sodann ausweislich der korrekt zugrunde gelegten Biografie des Klägers sowie dem erhobenen psychischen Befund (vgl. S. 32 f., 37 f., 42 des Gutachtens) diese Vorkommnisse bei seiner Begutachtung auch nicht berücksichtigt, sondern erlebte allgemeine Kriegshandlungen in Afghanistan, die dort erlittene Granatensplitterverletzung (die durchgängig seit der Einreise des Klägers in die Bundesrepublik erwähnt wird) sowie lebensbedrohliche Ereignisse auf dem Flucht Weg nach Europa. Diese Vorkommnisse erscheinen dem Gericht angesichts der allgemeinen und gerichtsbekannten Verhältnisse in Afghanistan und auf der Fluchtroute nach Europa auch glaubhaft. Dass zur Zeit der Anwesenheit des Klägers in Afghanistan ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt in der Herkunftsprovinz des Klägers, Maydan-Wardak, geherrscht hat, ergibt sich bereits aus dem rechtskräftigen Urteil im Asylerstverfahren (vgl. dort S. 19). Der Annahme einer mittelgradig depressiven Episode steht nach der überzeugenden Einschätzung des Gutachters ausdrücklich auch nicht entgegen, dass diese Erkrankung erstmals im Jahre 2013 und somit längere Zeit nach der Einreise des Klägers erstmals diagnostiziert wurde. Ebenso verhält es sich mit der aktuell ausgeübten handwerklichen Tätigkeit (vgl. S. 55 des Gutachtens). Die Beklagte ist dem Ergebnis des Gutachtens überdies auch nicht entgegengetreten. Auch aus der mündlichen Verhandlung hat der erkennende Einzelrichter den Eindruck gewonnen, dass der Kläger sehr bedrückt ist und unter erheblichen psychischen Beeinträchtigungen leidet.

Ohne dass es hier entscheidungserheblich darauf ankäme, ist festzustellen, dass der Kläger nicht an einer posttraumatische Belastungsstörung sowie einer schweren depressiven Episode leidet. Zwar werden diese Erkrankungen privatärztlich, letztmalig am 29. November 2017 durch Frau Dr. B., diagnostiziert; der gerichtlich bestellte Gutachter erläutert jedoch umfangreich und nachvollziehbar, dass diese Erkrankungen nicht vorliegen, da hinsichtlich der posttraumatischen Belastungsstörung der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen den dramatischen Lebensereignissen und dem Beginn der Symptomatik eindeutig nicht gegeben ist (vgl. Gutachten S. 43 ff.) bzw. die schwere Ausprägung einer depressiven Episode im Ergebnis nicht festgestellt werden kann (vgl. S. 52 f.; zur Auseinandersetzung mit den vorliegenden privatärztlichen Gutachten vgl. S. 53 f.).

Des Weiteren ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung (zunächst ohne zeitliche Beschränkung) dringend einer adäquaten Behandlung bedarf. Der Gutachter führt hierzu überzeugend aus, dass der Kläger mindestens eine suffiziente medikamentöse Therapie, z.B. mit Venlafaxin, unter Überwachung der Konzentration des Medikamentes im Blutplasma erhalten müsse. Alternativ könne auch eine Psychotherapie oder eine Kombination beider Verfahren durchgeführt werden. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger in diesem Zusammenhang auch glaubhaft versichert, dass er früher ein Medikament eingenommen habe, das ihn sehr müde gemacht habe. Nun habe er von Frau Dr. B. ein neues Medikament namens Sertralin erhalten. Er nehme dieses nun regelmäßig ein, lediglich ab und zu vergesse er es einmal. Wenn ihm dies passiere, dann gehe es ihm sehr schlecht; das Medikament beruhige ihn.

In Anbetracht dieser behandlungsbedürftigen Erkrankung ist nicht davon auszugehen, dass es dem Kläger in Afghanistan gelingen wird, seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Denn wenn er das zur Behandlung seiner Erkrankung dringend erforderliche Medikament nicht einnimmt, hat dies entsprechend der glaubhaften Einvernahme des Klägers in der mündlichen Verhandlung zur Folge, dass es ihm dann sehr schlecht geht. Dies erscheint vor dem Hintergrund der Art und Schwere der Erkrankung und der gutachterlich bestätigten Notwendigkeit der Medikamenteneinnahme auch in jeder Hinsicht plausibel. Zudem wird in dem Gutachten nachvollziehbar ausgeführt, dass sich bei einer fehlenden Behandlung wahrscheinlich eine Verschlechterung der Erkrankung einstellen wird, wobei im Rahmen einer Depression immer auch eine lebensbedrohliche Suizidalität entstehen könne.

Unter diesen Umständen ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger bei den äußerst schwierigen Bedingungen des afghanischen Arbeitsmarktes in dem harten Verdrängungswettbewerb um die wenigen und häufig körperlich anstrengenden Hilfsarbeiten, die allein für den Kläger infrage kommen, mit der enormen Zahl der uneingeschränkt gesunden und leistungsfähigen jungen Männer bestehen kann, wenn er unter den Auswirkungen seiner Erkrankung und hierbei insbesondere unter einer ausgeprägten Antriebslosigkeit sowie verminderter Konzentrationsfähigkeit leidet (vgl. S. 41 des Gutachtens). Diese Einschränkungen haben bereits in der Vergangenheit im Rahmen seiner Ausbildung in Deutschland zu Beschwerden seines Chefs und einer Kündigungsandrohung geführt, da er müde und schwach sei (vgl. Niederschrift S. 2, Gutachten S. 35). Auch der Gutachter bestätigt, dass die berufliche Belastbarkeit des Klägers aufgrund der Depression eingeschränkt ist und er seiner Tätigkeit nur mit größeren Anstrengungen und Schwierigkeiten nachkommen kann (vgl. S. 56 des Gutachtens). Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich diese bereits in Deutschland manifestierten Probleme im Zusammenhang mit der beruflichen Belastbarkeit in Afghanistan unter den dort herrschenden äußerst prekären allgemeinen Lebensverhältnissen und den erheblich schwierigeren Bedingungen am Arbeitsmarkt potenzieren werden, so dass der Kläger dort – anders als in Deutschland – am Arbeitsmarkt nicht wird Fuß fassen können und seinen Lebensunterhalt nicht wird verdienen können. Dieser Einschätzung steht auch nicht entgegen, dass der Gutachter ausführt, dass der Kläger zum Untersuchungszeitpunkt tatsächlich keine ausreichende Behandlung durchgeführt hat. Denn die bereits mehrfach erwähnten erheblich schwierigeren Lebensumstände in Afghanistan lassen unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen nicht den Schluss zu, dass der Kläger in Afghanistan ohne ausreichende Behandlung wird arbeiten und damit überleben können. Überdies ist zu bedenken, dass der Gutachter – wie erläutert – eine Behandlung für objektiv dringend erforderlich hält und diese vom Kläger allein aus dem Grunde (vorübergehend) eingeschränkt (nicht abgebrochen) wurde, um die in Deutschland angetretene Lehrstelle nicht zu verlieren. Zudem hat er in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass die Einschränkung der Behandlung zu einer gesundheitlichen Verschlechterung geführt habe, woraufhin er sich wieder an seine Fachärztin gewandt habe und nunmehr ein neues Medikament regelmäßig einnehme.

Weiterhin ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger die erforderliche Behandlung, welche die Auswirkungen seiner Erkrankung abmildert, in Afghanistan nicht wird finanzieren können, falls diese dort überhaupt erhältlich sein sollte (vgl. zur fehlenden Behandlungsmöglichkeit: BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064; u.v. 17.3.2016 – 13a B 16.30007, jeweils juris). Das Gericht geht davon aus, dass es dem Kläger nicht möglich sein wird, das erforderliche Antidepressivum, aktuell Sertralin, sowie die erforderliche Überwachung der Konzentration des Medikaments im Blutplasma (und schon gar nicht eine ergänzende Psychotherapie), vgl. Gutachten S. 56, zusätzlich zu den erforderlichen Geldmittel zur Bestreitung des gewöhnlichen allgemeinen Lebensunterhalts – insbesondere angesichts der beschriebenen Einschränkungen der beruflichen Belastbarkeit – zu finanzieren. Zwar hat jeder Bürger nach der afghanischen Verfassung ein Anrecht auf freie medizinische Versorgung, allerdings gilt dies nur für die staatlichen Krankenhäuser und Einrichtungen, welche die kostenlose Versorgung stets nur im Rahmen der momentanen Verfügbarkeit anbieten können. So ist oftmals die medikamentöse Versorgung in diesen Einrichtungen stark eingeschränkt; die Krankenhausapotheken halten nur eine sehr limitierte Auswahl und Anzahl an Medikamenten kostenfrei vor. Aus diesem Grund muss in der täglichen Praxis oftmals der behandelnde Krankenhausarzt ein Rezept ausstellen, das in privaten Apotheken kostenpflichtig eingelöst werden muss (vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft in Kabul vom 29.4.2009; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung vom 5.4.2017, S. 4). Aufgrund dieser Erkenntnismittellage geht das Gericht davon aus, dass der Kläger das erforderliche Medikament und die ergänzende ärztliche Überwachung des Medikaments im Blutplasma in Afghanistan nicht kostenfrei erhalten wird, was im Übrigen auch mit der vom Gericht eingeholten Auskunft im vorliegenden Verfahren hinsichtlich der Medikamente Venlafaxin, Quetiapin und Zopiclon übereinstimmt (vgl. E-Mail der Deutschen Botschaft Kabul vom 31. Januar 2017). Aufgrund obiger Ausführungen ist schließlich auch nicht davon auszugehen, dass Familienangehörige den Kläger bei der Finanzierung der erforderlichen Behandlung unterstützen könnten.

Im Rahmen einer Gesamtschau steht damit vorliegend ernsthaft zu befürchten, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine ausweglose Lage geraten würde, die ihm nicht zugemutet werden kann. Ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG war daher unter Abänderung des Bescheides des Bundesamts vom 9. Dezember 2016 festzustellen.

Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 08.09.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Tatbestand

1

Die Kläger, nach eigenen Angaben afghanische Staatsangehörige, wenden sich gegen die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren.

2

Sie reisten im Juli 2012 in das Bundesgebiet ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Aufgrund von Eurodac-Treffern stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) fest, dass die Kläger zuvor bereits in Ungarn Asyl beantragt hatten, und richtete ein Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn. Mit Antwortschreiben vom 30. Juli 2012 bestätigten die ungarischen Behörden, dass der Kläger zu 1 zusammen mit seiner Familie im April 2012 dort Asyl beantragt habe. Wegen des Verschwindens der Familie sei das Asylverfahren beendet worden. Es werde zugestimmt, die Kläger wieder aufzunehmen, um über ihre Asylanträge zu entscheiden.

3

Nachdem eine Überstellung der Kläger nach Ungarn nicht erfolgt war, stellte das Bundesamt Ende Januar 2013 fest, dass wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist im nationalen Verfahren zu entscheiden sei.

4

Mit Bescheiden vom 13. und 17. Juni 2014 lehnte das Bundesamt hinsichtlich aller Kläger die Durchführung von weiteren Asylverfahren ab (Nr. 1), stellte aber jeweils fest, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt (Nr. 2). Zur Begründung führte es aus, es handele sich bei dem Asylantrag nach der erfolglosen Durchführung eines Asylverfahrens in Ungarn jeweils um einen Zweitantrag. Ein weiteres Asylverfahren sei nicht durchzuführen, da Wiederaufgreifensgründe im Sinne von § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Die humanitären Bedingungen in Afghanistan führten jedoch zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG.

5

Mit ihrer zunächst erhobenen Verpflichtungsklage begehrten die Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzes. Sie hätten glaubhaft geschildert, dass der Klägerin zu 3 in Afghanistan die Zwangsverheiratung drohe. Von einem Zweitantrag sei nicht auszugehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nahmen die Kläger ihre Verpflichtungsanträge auf richterlichen Hinweis zurück und beantragten nur noch, jeweils die Nr. 1 der Bescheide vom 13. und 17. Juni 2014 aufzuheben.

6

Das Verwaltungsgericht gab dieser Klage statt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Anfechtungsklage sei die statthafte Klageart, wenn - wie vorliegend - Streit darüber bestehe, ob ein Anwendungsfall des § 71a AsylG gegeben sei. Im Unterschied zum Folgeverfahren nach § 71 AsylG seien hier zwei Mitgliedstaaten beteiligt und müsse deshalb zunächst die Verfahrenssituation ermittelt, also festgestellt werden, ob überhaupt eine "Zweitantragssituation" vorliege. Insoweit sei den Klägern das Recht einzuräumen, zunächst isoliert die sie beschwerende Wertung als Zweitantrag zu beseitigen und damit den Weg freizumachen für ein vom Bundesamt durchzuführendes Asylverfahren.

7

Die Klage sei auch begründet. Die Ablehnung der Anträge auf Durchführung von weiteren Asylverfahren sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Ein "erfolgloser Abschluss" (§ 71a AsylG) des in Ungarn eingeleiteten Asylverfahrens liege nicht vor, weil das Erstverfahren in Ungarn noch nicht endgültig beendet sei. Ungarn habe sich damit einverstanden erklärt, die Kläger wieder aufzunehmen, um über deren Asylbegehren zu entscheiden. Dies entspreche den Auskünften des Auswärtigen Amtes zum ungarischen Asylverfahrensrecht. Danach sei ein endgültiger Verfahrensabschluss mit der Folge, dass ein neuerliches Asylbegehren als Folgeantrag gewertet werde, nur anzunehmen, wenn ein vorheriges Asylverfahren in der Sache unanfechtbar negativ abgeschlossen oder das Asylverfahren nach ausdrücklicher schriftlicher Rücknahme des Asylbegehrens unanfechtbar eingestellt worden sei. Sei ein Asylverfahren hingegen ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden, könne der Antragsteller seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen. Ausgehend davon liege auch in Deutschland keine "Zweitantragssituation" vor, sondern müsse über das Asylbegehren erstmals entschieden werden. Denn die Dublin II-VO enthalte keine Regelung, nach der der Zuständigkeitsübergang auch zu einem formellen oder materiellen Rechtsverlust führen könnte.

8

Die Beklagte macht mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe den Anwendungsbereich von § 71a AsylG fehlerhaft zu eng bestimmt. Im Unterschied zu der das Folgeantragsverfahren betreffenden Regelung des § 71 AsylG beziehe sich § 71a AsylG nicht nur auf die in jener Vorschrift angeführten Konstellationen der Rücknahme oder unanfechtbaren Ablehnung eines früheren Asylantrags, sondern richte sich mit der Formulierung vom "erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens" auf einen potentiell weitergehenden Kreis von Fallgestaltungen. Ein erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens liege immer auch dann vor, wenn ein in dem Mitgliedstaat vorausgegangenes behördliches Asylverfahren ohne inhaltliche Prüfung einen formellen Abschluss gefunden habe. Dabei sei unerheblich, ob und unter welchen Voraussetzungen im sicheren Drittstaat die Möglichkeit einer Wiedereröffnung oder einer anderweitigen Fortführung bzw. Prüfung der bis zum Verfahrensabschluss bestehenden Schutzgründe bestehe. Nicht zuletzt die aktuelle Entscheidung des EuGH vom 17. März 2016 (Rs. C-695/15) belege, dass Unionsrecht gerade nicht fordere, auf die zur Wiederaufnahme bzw. Verfahrensfortführung im sicheren Drittstaat bestehende Rechtslage abzustellen. Die Asylverfahrensrichtlinie a.F. stelle es den Mitgliedstaaten frei, ob sie die Wiedereröffnung eines eingestellten Verfahrens ermöglichten. Dieser dem innerstaatlichen Normgeber unionsrechtlich eröffnete Gestaltungsspielraum würde erheblich beeinträchtigt, wenn dem Berufungsgericht zu folgen wäre. Sei die Prüfung des Asylantrags in Deutschland durchzuführen, müssten auch die hier geltenden Gesetze Anwendung finden.

9

Die Kläger verteidigen die angegriffene Entscheidung.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren in Ziffer 1 der Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 13. und 17. Juni 2014 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

12

Die von den Klägern erhobene Anfechtungsklage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (1.). Sie ist auch begründet, denn die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, liegen nicht vor (2.). Die Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (3.) und verletzt die Kläger in ihren Rechten (4.).

13

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert mit Wirkung vom 10. November 2016 durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es jetzt entschiede, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen des Asylgesetzes zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

14

1. Zu Recht haben die Vorinstanzen die nach Rücknahme der Verpflichtungsanträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nur noch anhängige Anfechtungsklage in der vorliegenden prozessualen Konstellation als statthaft angesehen.

15

Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 AsylG bzw. - hier - § 71a AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes der Sache nach als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar. Mit dem Integrationsgesetz hat der Gesetzgeber zur besseren Übersichtlichkeit und Vereinfachung der Rechtsanwendung in § 29 Abs. 1 AsylG die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit eines Asylantrags in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8615 S. 51). Hierzu zählt gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG nunmehr auch der - materiellrechtlich unverändert geregelte - Fall, dass im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG oder eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

16

Jedenfalls seit Inkrafttreten dieser Neuregelung ist die Entscheidung, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG stellt, ebenso wie die hier noch ergangene - gleichbedeutende - Ablehnung der Durchführung eines weiteres Asylverfahrens, einen der Bestandskraft fähigen, anfechtbaren Verwaltungsakt dar (vgl. zur bisherigen Rechtslage Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Dezember 2016, § 71a Rn. 39). Sie verschlechtert die Rechtsstellung der Kläger, weil damit ohne inhaltliche Prüfung festgestellt wird, dass ihr Asylvorbringen nicht zur Schutzgewährung führt und darüber hinaus auch im Falle eines weiteren Asylantrags abgeschnitten wird, weil ein Folgeantrag, um den es sich gemäß § 71a Abs. 5 i.V.m. § 71 AsylG handeln würde, nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu einem weiteren Asylverfahren führen kann. Ferner erlischt mit der nach § 71a Abs. 4 i.V.m. §§ 34, 36 Abs. 1 und 3 AsylG regelmäßig zu erlassenden, sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung auch die Aufenthaltsgestattung (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG). Der Asylsuchende muss die Aufhebung des Bescheids, mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (siehe auch BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 12).

17

Die Anfechtungsklage ist nicht wegen des Vorrangs einer Verpflichtungsklage im Hinblick darauf unzulässig, dass für das von den Klägern endgültig verfolgte Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zum Folgeantrag eine Verpflichtung der Gerichte zum "Durchentscheiden" angenommen und dementsprechend die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageart betrachtet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 <172 ff.>), hält der Senat daran mit Blick auf die Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts nicht mehr fest.

18

Anknüpfend an die stärkere Betonung des behördlichen Asylverfahrens, der hierfür in der für die EU-Mitgliedstaaten verbindlichen Verfahrensrichtlinie enthaltenen, speziellen Verfahrensgarantien sowie der dort vorgesehenen eigenen Kategorie unzulässiger Asylanträge (vgl. Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft - Asylverfahrensrichtlinie a.F. - bzw. Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes - Asylverfahrensrichtlinie n.F. -) hat der Gesetzgeber mit der zusammenfassenden Regelung verschiedener Unzulässigkeitstatbestände in § 29 Abs. 1 AsylG das Verfahren strukturiert und dem Bundesamt nicht nur eine Entscheidungsform eröffnet, sondern eine mehrstufige Prüfung vorgegeben. Erweist sich ein Asylantrag schon als unzulässig, ist eine eigenständig geregelte Unzulässigkeitsentscheidung zu treffen. Zugleich hat das Bundesamt über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zu entscheiden (§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Diese Prüfungsstufe ist bei Anträgen, die das Bundesamt als Zweitantrag einstuft, auf die Fragen beschränkt, ob es sich tatsächlich um einen derartigen Antrag handelt und ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, also die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 AsylG vorliegen (§ 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71a Abs. 1 AsylG). Die weitere in § 71a Abs. 1 AsylG genannte Voraussetzung, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, muss an dieser Stelle bereits feststehen. Andernfalls wäre eine - vorrangige - Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu treffen. Denn die Dublin-Verordnungen regeln abschließend die Zuständigkeit zur Prüfung eines in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags. Erst wenn ein Mitgliedstaat danach zuständig ist, kann er einen Asylantrag - wie hier - aus den Gründen des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig ablehnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - BVerwGE 153, 234 Rn. 20).

19

Diese klare Gliederung der Prüfung von Anträgen, für die die Bundesrepublik Deutschland zuständig ist, in eine Entscheidung, ob ein Zweitantrag nach § 71a AsylG vorliegt und ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist (Zulässigkeitsprüfung) und die weitere Entscheidung, ob die materiellrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind (Sachprüfung), hat auch in eigenständigen Verfahrensvorgaben für die erste Prüfungsstufe Ausdruck gefunden. In § 71a Abs. 2 AsylG wird das "Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist", besonders geregelt (vgl. zum Verfahren der Zulässigkeitsprüfung allgemein auch § 29 Abs. 2 bis 4 AsylG). Es liegt nahe, damit auch spezialgesetzliche, prozessuale Konsequenzen zu verbinden und den Streitgegenstand einer Klage nach einer derartigen Unzulässigkeitsentscheidung auf die vom Bundesamt bis dahin nur geprüfte Zulässigkeit des Asylantrags beschränkt zu sehen (siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. März 1993 - 2 BvR 1988/92 - InfAuslR 1993, 229 = juris Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1987 - 9 C 251.86 - BVerwGE 77, 323 ff., jeweils zur partiell vergleichbaren Rechtslage nach dem AsylVfG 1982). Dafür spricht schließlich auch § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG, wonach das Bundesamt bei einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung das Asylverfahren fortzuführen hat. Diese Regelung gilt zwar unmittelbar nur für den Fall eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG, dessen in § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG geregelte, besondere Rechtsfolgen nicht verallgemeinerungsfähig sind. Letzteres gilt jedoch nicht für den in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken. Dieser ist auf den Fall der Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG übertragbar und lässt darauf schließen, dass die verweigerte sachliche Prüfung vorrangig von der mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Fachbehörde nachzuholen ist (ähnlich bereits BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 13 und 17). Ausgehend davon kommt auch ein eingeschränkter, auf die Durchführung eines (gegebenenfalls weiteren) Asylverfahrens gerichteter Verpflichtungsantrag nicht in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit automatisch verpflichtet ist.

20

Die von der jüngeren Asylgesetzgebung verfolgten Beschleunigungsziele, auf die der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Sie rechtfertigen es bei der derzeitigen Ausgestaltung des nationalen Asylverfahrensrechts und der unionsrechtlichen Vorgaben nicht, bei Folge- und (vermeintlichen) Zweitanträgen, welche entgegen der Einschätzung des Bundesamts zur Durchführung eines (weiteren) Asylverfahrens führen müssen, den nach dem Asylgesetz auf die Unzulässigkeitsentscheidung begrenzten Streitgegenstand auf die sachliche Verpflichtung zur Schutzgewähr zu erweitern und dann unter Rückgriff auf das allgemeine Verwaltungsprozessrecht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) die erstmalige Sachentscheidung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu verlagern. Für bestimmte Fallgestaltungen stehen dem Bundesamt im Übrigen selbst Beschleunigungsmöglichkeiten zur Verfügung, die eine eventuelle Verlängerung der Gesamtverfahrensdauer bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Berechtigung zu internationalem Schutz zumindest abmildern können. Hierzu zählt die Option, offensichtlich unbegründete Anträge nach § 30 AsylG abzulehnen und eine Abschiebungsandrohung mit verkürzter Ausreisefrist zu erlassen, sowie bei Folgeanträgen nunmehr auch die Möglichkeit, das Asylverfahren beschleunigt durchzuführen (§ 30a Abs. 1 Nr. 4 AsylG). Nicht zu entscheiden ist, ob und unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt in Fällen des § 29 Abs. 1 AsylG neben einer Unzulässigkeitsentscheidung vorsorglich und in dem gehörigen Verfahren im Interesse einer Beschleunigung auch ausdrücklich (hilfsweise) eine Sachentscheidung treffen kann. Dass nach § 31 Abs. 3 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen ist, "ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen", und sich das Bundesamt zumindest insoweit sachlich mit einem Schutzbegehren zu befassen hat, ersetzt diese Prüfung nicht, weil sie nicht bezogen ist auf die - dem nationalen Abschiebungsschutz vorrangige Frage der - Anerkennung als Asylberechtigter bzw. Gewährung internationalen Schutzes (§ 1 Abs. 1 AsylG) und einen anderen Streitgegenstand betrifft. Dieser Streitgegenstand kann - in Fällen, in denen das Bundesamt die Unzulässigkeitsentscheidung mit der Feststellung verbunden hat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vorliegen - durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage hilfsweise mit der Verpflichtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden.

21

Vor der Aufhebung einer rechtswidrigen Unzulässigkeitsentscheidung hat das Gericht zu prüfen, ob die Entscheidung auf der Grundlage eines anderen, auf gleicher Stufe stehenden Unzulässigkeitstatbestandes aufrechterhalten bleiben kann. Wird die Unzulässigkeitsentscheidung auf die Anfechtungsklage hin aufgehoben, ist auch eine gegebenenfalls ergangene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, nebst Abschiebungsandrohung aufzuheben. Denn beide Entscheidungen sind dann jedenfalls verfrüht ergangen (vgl. entsprechend BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 19).

22

2. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung von Bundesrecht angenommen, dass die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, nicht vorliegen.

23

Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

24

Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

25

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die in § 71 AsylG vorgesehene besondere Behandlung von Folgeanträgen auf den Fall erstreckt, dass dem Asylantrag des Antragstellers ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder Vertragsstaat vorausgegangen ist.

26

Der Senat kann offenlassen, ob gegen die mitgliedstaatsübergreifende Anwendung des unionsrechtlich ermöglichten Folgeantragskonzepts (vgl. Art. 32 bis 34 Asylverfahrensrichtlinie a.F. bzw. Art. 40 bis 42 Asylverfahrensrichtlinie n.F.) grundsätzliche unionsrechtliche Bedenken bestehen (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2016, § 71a Rn. 3 ff.). Keiner Entscheidung bedarf auch die Frage, ob die Aufnahme der Folge- und Zweitanträge, bei denen keine Gründe für ein Wiederaufgreifen vorliegen, in den Katalog der Unzulässigkeitstatbestände des § 29 Abs. 1 AsylG bereits mit der Asylverfahrensrichtlinie a.F. - ihre Anwendbarkeit unterstellt - vereinbar war und ob und in welcher Weise Art. 25 Abs. 2 Buchst. f i.V.m. Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung "nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens" zusätzlich begrenzt.

27

Die Voraussetzungen für die Nichtdurchführung eines (weiteren) Asylverfahrens nach § 71a Abs. 1 AsylG liegen hier schon deshalb nicht vor, weil die Asylanträge der Kläger keine Zweitanträge im Sinne dieser Vorschrift sind. Ihren Anträgen ist kein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) vorausgegangen.

28

Zwar ist Ungarn als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG, für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten: Im vorliegenden Fall richtet sich die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 S. 1) - Dublin II-VO, weil Asylantrag und Wiederaufnahmegesuch vor dem maßgeblichen Stichtag (1. Januar 2014) gestellt worden sind (vgl. die Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags auf internationalen Schutz - Dublin III-VO).

29

Es fehlt indes an einem "erfolglosen Abschluss" der von den Klägern in Ungarn eingeleiteten Asylverfahren. Ein erfolgloser Abschluss des in einem anderen Mitgliedstaat betriebenen Asylverfahrens setzt voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist. Eine Einstellung ist nicht in diesem Sinne endgültig, wenn das (Erst-)Verfahren noch wiedereröffnet werden kann (a). Ob eine solche Wiedereröffnung bzw. Wiederaufnahme möglich ist, ist nach der Rechtslage des Staates zu beurteilen, in dem das Asylverfahren durchgeführt worden ist (b). Nach diesen Maßstäben ist das von den Klägern in Ungarn betriebene und dort eingestellte Asylverfahren vorliegend nicht erfolglos abgeschlossen (c).

30

a) Dem Wortlaut nach umfasst die Tatbestandsvoraussetzung "nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens" jede Art des formellen Abschlusses eines Asylverfahrens ohne Zuerkennung eines Schutzstatus. Für die nähere Konkretisierung der möglichen Varianten und der Anforderungen an den Verfahrensabschluss kann auf die Parallelregelung zum Folgeantrag in § 71 Abs. 1 AsylG zurückgegriffen werden, wonach es sich um eine Rücknahme oder eine unanfechtbare Ablehnung des Antrags handeln kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber mit der abweichenden Formulierung in § 71a Abs. 1 AsylG inhaltlich weitere Tatbestände hätte erfassen wollen. Denn der Sinn und Zweck des § 71a AsylG ist darauf beschränkt, den Zweitantrag dem Folgeantrag und damit die asylrechtliche Entscheidung des Drittstaats einer asylrechtlichen Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland gleichzustellen (BT-Drs. 12/4450 S. 27; siehe auch Hailbronner, in: Ausländerrecht, Ordner 4, Stand November 2016, § 71a AsylVfG Rn. 14 f.).

31

Der Begriff der Rücknahme in § 71 Abs. 1 AsylG erfasst nach der bis zum 16. März 2016 geltenden Rechtslage uneingeschränkt auch die Fälle, in denen der Asylantrag nach § 33 Abs. 1 AsylG wegen Nichtbetreibens des Verfahrens als zurückgenommen gilt. Dies macht nicht zuletzt § 32 Abs. 2 AsylG deutlich. Anders stellt sich dies nach der am 17. März 2016 in Kraft getretenen grundlegenden Neufassung des § 33 AsylG durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) dar: Nach § 33 Abs. 5 Satz 2 bis 6 AsylG kann nunmehr ein Ausländer, dessen Verfahren wegen Nichtbetreibens eingestellt worden ist, einmalig die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Ein neuer Asylantrag gilt als derartiger Wiederaufnahmeantrag und ist als Erstantrag zu behandeln, sofern seit der Einstellung des Asylverfahrens noch keine neun Monate vergangen sind und das Asylverfahren noch nicht nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war. Infolge dieser - erkennbar vorrangigen - Spezialregelung ist der Begriff der Rücknahme in § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG nunmehr bereits nach nationalem Recht dahin einschränkend auszulegen, dass er die Fälle der fiktiven Rücknahme nach § 33 Abs. 1 und 3 AsylG nur noch unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG umfasst, wenn also die Einstellung des Asylverfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens neun Monate zurückliegt oder das Asylverfahren bereits einmal wieder aufgenommen worden war.

32

Steht die bestehende Wiederaufnahmemöglichkeit somit nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben (Umkehrschluss aus § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG) der Behandlung als Folgeantrag entgegen, muss dies - wegen der bezweckten Gleichstellung - auch für den Zweitantrag gelten. Hinzu kommt ein systematisches Argument innerhalb des § 71a AsylG: Liegt ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren im Sinne des § 71a AsylG im Falle der Antragsablehnung erst vor, wenn diese Ablehnung unanfechtbar ist (vgl. dazu OLG Köln, Beschluss vom 20. Juli 2007 - 16 Wx 150/07 - juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Ordner 4, Stand November 2016, § 71a AsylVfG Rn. 15), ist ein erfolgloser Abschluss auch im Falle der Verfahrenseinstellung nach (ausdrücklicher oder stillschweigender/fingierter) Rücknahme nur anzunehmen, wenn das konkrete Asyl(erst)verfahren endgültig - d.h. ohne die Möglichkeit einer Wiederaufnahme auf Antrag des Asylbewerbers - beendet ist (zum unionsrechtlichen Begriff der "rechtskräftigen" bzw. "bestandskräftigen" Entscheidung s. Art. 2 Buchst. d Asylverfahrensrichtlinie a.F. bzw. Art. 2 Buchst. e Asylverfahrensrichtlinie n.F.). Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die beiden Varianten des erfolglosen Abschlusses eines Asylverfahrens, die jeweils dieselbe Rechtsfolge bewirken, insoweit unterschiedlichen Anforderungen unterliegen sollten.

33

b) Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Frage, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat zuvor betriebenes Asylverfahren dort durch bestandskräftige Ablehnung oder endgültige Einstellung beendet worden ist, insgesamt nach dem betreffenden ausländischen Asylverfahrensrecht richtet. § 71a Abs. 1 AsylG knüpft an einen abgeschlossenen, im Ausland geschehenen Vorgang an, der insgesamt dem ausländischen Recht unterfällt. Der enge Zusammenhang des Verwaltungsakts und seiner Bestandskraft gebietet, die Frage, ob eine ausländische Verwaltungsentscheidung noch anfechtbar bzw. revidierbar ist, nach ausländischem und nicht deutschem Recht zu beantworten. Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten lässt zwar Raum dafür, die Rechts- und Bestandskraft einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung als Tatbestandsvoraussetzung für die innerstaatliche Rechtsanwendung heranzuziehen; sie erlaubt aber keine Erstreckung des nationalen Verfahrensrechts auf die Beurteilung dieser Vorfrage.

34

Die hier noch anwendbare Dublin II-VO beschränkt sich auf die Regelung der internationalen Zuständigkeit; ihr lässt sich indes keine Grundlage für eine Handhabung entnehmen, nach der der Zuständigkeitsübergang auf einen anderen Mitgliedstaat mit einer Verschlechterung der verfahrensrechtlichen Rechtsstellung verbunden wäre. Sie berechtigt insbesondere nicht dazu, an einen Zuständigkeitsübergang nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO einen Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte, nicht nach Folgeantragsgrundsätzen erfolgende Antragsprüfung zu knüpfen, wenn dieses Recht im zuvor zuständigen Staat nach dem dort geltenden Asylverfahrensrecht noch bestand (vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 - NVwZ 2015, 1155 = juris Rn. 36).

35

Dem steht der Hinweis der Beklagten, bei Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags müsse diese Prüfung auch nach deutschen Gesetzen erfolgen, nicht entgegen. Er trifft zwar insoweit zu, als nicht jede rechtliche Schlechterstellung durch einen Zuständigkeitsübergang ausgeschlossen ist. So darf ein durch Ablauf der Überstellungsfrist zuständig gewordener Staat einen Asylantrag nach Art. 3 Abs. 3 Dublin III-VO (vergleichbar: Art. 3 Abs. 3 Dublin II-VO) auch dann ablehnen, wenn der ursprünglich zuständige Staat vom Drittstaatskonzept keinen Gebrauch macht (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/15 [ECLI:EU:C:2016:188], PPU - NVwZ 2016, 753). Von dieser Fallkonstellation unterscheidet sich die hier relevante Regelung zum Zweitantrag aber dadurch, dass der deutsche Gesetzgeber darin den Prüfungsumfang vom Abschluss eines in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Verwaltungsverfahrens abhängig macht. Damit knüpft die gesetzliche Regelung selbst an einen nach der ausländischen Rechtsordnung zu beurteilenden Tatbestand an.

36

Zu keinem anderen Ergebnis führt die weitere Aussage des EuGH in der vorgenannten Entscheidung, Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO verpflichte die zuständigen Behörden des zuständigen Mitgliedstaats bei Wiederaufnahme eines Asylbewerbers nicht, das Verfahren zur Prüfung seines Antrags in dem Stadium wiederaufzunehmen, in dem es von diesen Behörden eingestellt worden war. In diesem Zusammenhang weist der EuGH auch auf Art. 28 Abs. 2 letzter Unterabsatz Asylverfahrensrichtlinie n.F. hin, wonach die Mitgliedstaaten der Asylbehörde die Wiederaufnahme der Prüfung in dem Verfahrensabschnitt, in dem sie eingestellt wurde, gestatten können, aber nicht müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/12 - Rn. 67; ebenso Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 4 Asylverfahrensrichtlinie a.F.). Daraus kann etwa folgen, dass eine bereits erfolgte Anhörung nicht zwingend wiederholt werden muss. Ungeachtet der unterschiedlichen Verfahrenskonstellation rechtfertigen diese Bemerkungen aber nicht den Schluss, dass ein Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte Antragsprüfung durch bloßen Zuständigkeitsübergang mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. Die Begriffe "Verfahrensabschnitt" bzw. "Stadium" beziehen sich nach dem Verständnis des EuGH zweifelsfrei nicht auf die Frage, ob es sich um ein Erst- oder ein Folgeverfahren handelt. Denn der EuGH betont ausdrücklich, dass die Prüfung des Antrags den für Erstanträge vorgesehenen Anforderungen entsprechen muss.

37

Nach den vorstehenden Ausführungen kann auch der Einwand der Beklagten nicht durchgreifen, bei Anwendung ungarischen Rechts werde der dem innerstaatlichen Normgeber zustehende Gestaltungsspielraum beeinträchtigt, den die Asylverfahrensrichtlinie a.F. den Mitgliedstaaten im vorliegenden Kontext einräume. Es trifft zwar zu, dass Art. 20 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie a.F. - anders als Art. 28 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie n.F. - den Mitgliedstaaten noch nicht bindend vorgibt, eine Wiedereröffnung von Asylverfahren vorzusehen, die wegen stillschweigender Antragsrücknahme oder Nichtbetreiben des Verfahrens eingestellt worden sind, sondern wahlweise auch die Behandlung eines hiernach gestellten Antrags als Folgeantrag akzeptiert. Dieses Wahlrecht steht allerdings bei der hier in Rede stehenden mitgliedstaatsübergreifenden Anwendung des Folgeantragskonzepts - deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht unterstellt - dem Staat zu, in dem das Verfahren durchgeführt worden ist, hier mithin Ungarn. Aus der Verwendung des Plurals in Art. 20 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie a.F. ("Die Mitgliedstaaten stellen sicher ...") kann nichts anderes geschlossen werden. Wenn in dieser Regelung von einem Asylbewerber die Rede ist, "der sich nach Einstellung der Antragsprüfung gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels wieder bei der zuständigen Behörde meldet, so beschreibt dies einen Vorgang innerhalb ein und desselben Mitgliedstaates und keine länderübergreifende Situation.

38

c) Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, das von den Klägern in Ungarn eingeleitete Asylverfahren als nicht erfolglos abgeschlossen im Sinne von § 71a AsylG anzusehen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Kläger im Falle einer Rückkehr nach Ungarn das dort eingeleitete Asylverfahren ohne inhaltliche Beschränkung ihres Vortrags wie ein Erstverfahren weiterbetreiben können. Nach Auskünften des Auswärtigen Amtes vom 12. März 2015 (an das VG Freiburg) und vom 19. November 2014 (an das VG Düsseldorf) zur Ausgestaltung des ungarischen Asylverfahrens werde in Fällen, in denen ein vorheriges Asylverfahren ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden sei ("discontinuation"), ein erneutes Asylbegehren behandelt wie ein Erstverfahren, insbesondere könne der Antragsteller seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen. Dies werde bestätigt durch die Zustimmungserklärung der ungarischen Behörden, die sich damit einverstanden erklärt hätten, die Kläger wieder aufzunehmen und über das Asylbegehren zu entscheiden. Im Ergebnis würde somit das Verfahren fortgeführt bzw. wiederaufgenommen, wenn die Kläger nach Ungarn zurückkehren würden.

39

An diese nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Inhalt des ungarischen Rechts ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil sie nach § 173 VwGO i.V.m. § 293 ZPO zur Tatsachenfeststellung zählen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 C 13.03 - BVerwGE 120, 298 <302 f.>).

40

Keiner Entscheidung bedarf, auf welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung der Frage abzustellen ist, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführtes Asylverfahren im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG erfolglos abgeschlossen ist. Insoweit kommen in erster Linie der Zeitpunkt der Asylantragstellung in Deutschland oder der Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs in Betracht. Diese Frage kann hier dahinstehen, da die Kläger auch zu dem späteren Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs noch die Möglichkeit hatten, die Asylverfahren in Ungarn weiter zu betreiben. Denn aus den Feststellungen des Berufungsgerichts zum ungarischen Asylverfahrensrecht ergibt sich nicht, dass das Recht, ein wegen Fortzugs eingestelltes Asylverfahren wieder aufzunehmen, nur befristet bestanden hätte (zur Möglichkeit einer Befristung auf mindestens neun Monate vgl. nunmehr Art. 28 Abs. 2 Unterabs. 2 Asylverfahrensrichtlinie n.F.). Hierfür liegen bezogen auf den hier relevanten Zeitraum bis Ende Januar 2013 auch keine Anhaltspunkte vor.

41

3. Die Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben. Der insoweit allein in Betracht kommende Unzulässigkeitstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG greift schon deshalb nicht ein, weil Deutschland für die Durchführung der hier in Rede stehenden Asylverfahren aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO zuständig ist. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Gemäß § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG schließt die Einreise aus einem sicheren Drittstaat die Berufung auf Art. 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes jedoch nicht aus, wenn die Bundesrepublik Deutschland - wie hier - aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies gilt nicht nur bei einer originären Zuständigkeit Deutschlands, sondern auch bei einem nachträglichen Zuständigkeitswechsel.

42

Diese Regelung nimmt § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG mit in Bezug: Mit der Aufnahme des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG in den Katalog der Unzulässigkeitsgründe sollte die zuvor bestehende Möglichkeit, einen Asylantrag nach § 26a AsylG abzulehnen, inhaltlich nicht verändert werden. In § 31 Abs. 4 AsylG ist weiterhin von einer Ablehnung "nach § 26a" - jetzt - als unzulässig die Rede. Im Gesetzgebungsverfahren hat die Bundesregierung zudem betont, durch den expliziten Verweis im künftigen § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auf § 26a AsylG komme zum Ausdruck, dass die dort geregelten Anforderungen auch weiterhin - im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit des Asylantrags - zu beachten sind. Wie im geltenden Recht setze der künftige § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG daher voraus, dass der Drittstaat die - unverändert gebliebenen - Voraussetzungen des § 26a AsylG erfülle und durch Aufnahme in Anlage I des Asylgesetzes als sicherer Drittstaat eingestuft worden sei (BT-Drs. 18/8883 S. 10). Ob § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG mit Unionsrecht vereinbar ist, bedarf hier mithin keiner Entscheidung.

43

4. Die Ablehnung der Durchführung von (weiteren) Asylverfahren verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihr aus dem Unionsrecht folgender Anspruch auf Prüfung ihres Schutzbegehrens durch einen Mitgliedstaat der EU ist verletzt, wenn das Bundesamt - wie hier - als auch nach eigener Auffassung international zuständige Behörde es rechtswidrig ablehnt, ein Asylverfahren durchzuführen.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG sind nicht gegeben.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,
2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
§ 19 Abs. 1 findet keine Anwendung.

(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.

(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Falls die Behörde Zeugen und Sachverständige herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Der Ausländer ist persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dies gilt auch, wenn er sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt.

(2) Er ist insbesondere verpflichtet,

1.
den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden die erforderlichen Angaben mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich zu machen;
2.
das Bundesamt unverzüglich zu unterrichten, wenn ihm ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist;
3.
den gesetzlichen und behördlichen Anordnungen, sich bei bestimmten Behörden oder Einrichtungen zu melden oder dort persönlich zu erscheinen, Folge zu leisten;
4.
seinen Pass oder Passersatz den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
5.
alle erforderlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, die in seinem Besitz sind, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
6.
im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken und auf Verlangen alle Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
7.
die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden.

(3) Erforderliche Urkunden und sonstige Unterlagen nach Absatz 2 Nr. 5 sind insbesondere

1.
alle Urkunden und Unterlagen, die neben dem Pass oder Passersatz für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können,
2.
von anderen Staaten erteilte Visa, Aufenthaltstitel und sonstige Grenzübertrittspapiere,
3.
Flugscheine und sonstige Fahrausweise,
4.
Unterlagen über den Reiseweg vom Herkunftsland in das Bundesgebiet, die benutzten Beförderungsmittel und über den Aufenthalt in anderen Staaten nach der Ausreise aus dem Herkunftsland und vor der Einreise in das Bundesgebiet sowie
5.
alle sonstigen Urkunden und Unterlagen, auf die der Ausländer sich beruft oder die für die zu treffenden asyl- und ausländerrechtlichen Entscheidungen und Maßnahmen einschließlich der Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sind.

(4) Die mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden können den Ausländer und Sachen, die von ihm mitgeführt werden, durchsuchen, wenn der Ausländer seinen Verpflichtungen nach Absatz 2 Nr. 4 und 5 nicht nachkommt sowie nicht gemäß Absatz 2 Nummer 6 auf Verlangen die Datenträger vorlegt, aushändigt oder überlässt und Anhaltspunkte bestehen, dass er im Besitz solcher Unterlagen oder Datenträger ist. Der Ausländer darf nur von einer Person gleichen Geschlechts durchsucht werden.

(5) Durch die Rücknahme des Asylantrags werden die Mitwirkungspflichten des Ausländers nicht beendet.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine iranische Staatsangehörige, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

2

Die 1985 in Teheran geborene Klägerin reiste im Juli 2001 zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. August 2001 ab. Die Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24. Juni 2003 rechtskräftig ab.

3

Im Dezember 2004 stellte die Klägerin einen Asylfolgeantrag. Zur Begründung berief sie sich auf Nachfluchtaktivitäten für die Arbeiterkommunistische Partei Irans. Mit Bescheid vom 11. Juli 2005 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab.

4

Während des Klageverfahrens teilten ihre neuen Verfahrensbevollmächtigten am 30. März 2007 mit, dass die Klägerin bereits am 23. März 2003 zum christlichen Glauben konvertiert sei. Sie habe sich zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde taufen lassen, besuche Gottesdienste und nehme wöchentlich an einem Bibelkreis teil. Da sie in Abkehr vom Islam ihren christlichen Glauben öffentlich praktiziere, müsse sie bei einer Rückkehr in den Iran mit einer Verfolgung aus religiösen Gründen rechnen. Von der Änderung der Rechtslage durch die Richtlinie 2004/83/EG - sog. Qualifikationsrichtlinie - habe sie erst jetzt erfahren.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu ihrem Glaubensübertritt näher befragt und die Klage sodann abgewiesen. Es hat in seinem Urteil vom 14. Mai 2007 letztlich offengelassen, ob der Glaubensübertritt der Klägerin und ihre kirchlichen Aktivitäten lediglich asyltaktische Hintergründe hätten oder auf einer wirklichen religiösen Überzeugung beruhten. Selbst wenn man Letzteres unterstelle, sei eine religiöse Verfolgung der Klägerin, die sich weder in herausgehobener Position für ihren Glauben eingesetzt noch missionarische Aktivitäten entfaltet habe, im Iran nicht wahrscheinlich.

6

Nach Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Oberverwaltungsgericht die Beteiligten unter näherer Darlegung seiner Einschätzung der Sach- und Rechtslage darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden. Es erachte die Berufung einstimmig für begründet und halte eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Daraufhin hat die Beklagte angeregt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, damit das Oberverwaltungsgericht sich einen persönlichen Eindruck von der Klägerin und deren Glaubwürdigkeit verschaffen könne. Das Berufungsgericht ist dem nicht gefolgt, sondern hat den Beteiligten mitgeteilt, dass es weiterhin beabsichtige, durch Beschluss zu entscheiden.

7

Mit Beschluss vom 30. Juli 2009 hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung der Klägerin verpflichtet. Es hat das Vorliegen der Wiederaufgreifensvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bejaht und darauf abgestellt, dass sich mit Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG am 10. Oktober 2006 die Rechtslage zugunsten der Klägerin geändert habe. Die Antragsfrist sei gewahrt, da die Klägerin erst durch ihren neuen Prozessbevollmächtigten von der Rechtsänderung erfahren habe. Unschädlich sei, dass sie die im März 2003 erfolgte Taufe nicht schon im ersten Asylverfahren geltend gemacht habe, da dieses Vorbringen unter der damaligen Rechtslage nicht zum Erfolg hätte führen können. Zudem habe sich die Sachlage durch den Beschluss des iranischen Parlaments zum Entwurf eines Apostasiestrafgesetzes im September 2008 zugunsten der Klägerin geändert.

8

Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG erweitere den Schutzbereich des Flüchtlingsrechts um die Religionsausübung in der Öffentlichkeit. Allerdings stelle nicht jede Beeinträchtigung der so verstandenen Ausübung der Religionsfreiheit eine Verfolgung dar. Unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie sei es einem Glaubenswechsler aber nicht mehr zuzumuten, öffentlich praktizierten Riten der Glaubensgemeinschaft wie Gottesdiensten oder Prozessionen fernzubleiben, um staatliche Sanktionen zu vermeiden. Der Glaubensangehörige sei auch verfolgt, wenn er aus Furcht vor staatlicher Repression zu unzumutbaren Ausweichhandlungen genötigt sei. Berufe sich der Schutzsuchende auf eine Verfolgungsgefährdung wegen Konversion zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion, müsse festgestellt werden, dass die Hinwendung zu dem angenommenen Glauben auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruhe. Erst wenn der neue Glauben die religiöse Identität des Schutzsuchenden in dieser Weise präge, könne ihm nicht angesonnen werden, in seinem Heimatland aus Angst vor Sanktionen auf die Religionsausübung zu verzichten.

9

Moslemische Apostaten, die sich dem Christentum zugewandt hätten, unterlägen im Iran einer Verfolgungsgefahr bereits dann, wenn sie ihre Abkehr vom Islam dadurch nach außen sichtbar werden ließen, dass sie in Ausübung ihres neu gewonnenen Glaubens an öffentlichen Riten wie Gottesdiensten und Prozessionen teilnehmen wollten. Einem besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage eines vom Islam zum Christentum übergetretenen Iraners sei die Rückkehr in den Iran unzumutbar, wenn er dort seinen christlichen Glauben auch außerhalb von Hausgemeinden praktizieren wolle. Die Lage habe sich durch das am 9. September 2008 vom iranischen Parlament in erster Lesung beschlossene strafbewehrte Apostasieverbot verschärft.

10

Hiernach drohe der Klägerin im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrelevante Verfolgung. Denn sie sei aufgrund einer echten Glaubensentscheidung zum Christentum konvertiert und der christliche Glaube präge nunmehr ihre religiöse Identität. Sie habe eine Taufurkunde sowie Bescheinigungen vorgelegt, dass sie Mitglied einer christlich-iranischen Gemeinde sei und dort regelmäßig Gottesdienste und Bibelstunden besuche. Ihrer gleichzeitig getauften Mutter und Schwester sei aufgrund von deren Konversion Flüchtlingsschutz zuerkannt worden. Bei ihrer Befragung durch das Verwaltungsgericht habe sie ihren persönlichen Weg zum christlichen Glauben nachvollziehbar geschildert und hinreichende Kenntnisse über die christliche Religion offenbart. Die Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts werde nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass sie sich für die strikt antireligiöse Arbeiterkommunistische Partei Irans betätigt habe. Dazu habe sie vor dem Verwaltungsgericht nachvollziehbar ausgeführt, dass ihr Glaube in der Partei als Privatsache respektiert worden sei und sie sich als Sozialistin von den religionsfeindlich eingestellten Kommunisten abgrenze. Aufgrund ihrer Charakterisierung der Partei erscheine die Formulierung ihres früheren Prozessbevollmächtigten, sie habe sich bei der Anhörung vor dem Bundesamt als überzeugte Kommunistin gezeigt, nicht als Widerspruch zu ihren persönlichen Einlassungen, sondern als missverständliche Bewertung. Der Sachverhalt sei ausreichend geklärt und es bestehe kein Anlass, die Klägerin erneut zur Ernsthaftigkeit ihres Glaubenswechsels anzuhören.

11

Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 AsylVfG stehe der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entgegen, weil die Klägerin bereits vor Abschluss des Ausgangsverfahrens getauft worden sei. Abgesehen davon habe sie sich aufgrund einer ernstlichen Gewissensentscheidung und nicht lediglich aus asyltaktischen Gründen vom Islam ab- und dem Christentum zugewandt.

12

Die Beklagte hat die vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision eingelegt und rügt die Verletzung formellen wie sachlichen Rechts. Sie macht im Hinblick auf die Feststellung der Ernsthaftigkeit der Konversion einen Verfahrensfehler wegen der Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung geltend. Sachlich sei die Klägerin mit dem Vorbringen der Konversion gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG präkludiert, da sie diesen Umstand schon in dem im August abgeschlossenen Erstverfahren hätte geltend machen können. Ob dieses Vorbringen möglicherweise nicht ausgereicht hätte, die Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung zu tragen, sei unerheblich. Zudem sei die Konversion nicht fristgerecht gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG geltend gemacht worden.

13

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

14

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Er rügt, das Berufungsgericht habe § 28 Abs. 2 AsylVfG nicht angewendet.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist begründet, da die von der Beklagten angebrachten Verfahrensrügen durchgreifen. Das Berufungsgericht hat seine Pflicht zur Sachaufklärung sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verletzt, da es die Klägerin nicht persönlich angehört hat (1.). Zudem hat es über die Berufung unter Verstoß gegen § 130a Satz 1 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss entschieden (2.). Auf diesen Verfahrensmängeln beruht die angegriffene Entscheidung, so dass der Beschluss aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

16

1. Das Berufungsgericht hat seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 Abs. 1 VwGO) verletzt. Denn es hat die gebotene Aufklärungsmaßnahme nicht ergriffen, die Klägerin persönlich zur Ernsthaftigkeit ihres Glaubenswechsels anzuhören und sich zu dieser inneren Tatsache einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen. Um diese Aufklärung zu erreichen, hatte die Beklagte nach der ersten Anhörungsmitteilung auf der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren bestanden.

17

a) Die Ernsthaftigkeit der Konversion erweist sich nach dem materiellrechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts, der bei der Prüfung auf Verfahrensfehler selbst dann zugrunde zu legen ist, wenn er verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>), als entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass eine Flüchtlingsanerkennung wegen der Gefahr religiöser Verfolgung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - nur dann in Betracht kommt, wenn die Hinwendung zu dem angenommenen Glauben auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht nur auf Opportunitätserwägungen beruht. Nur wenn die Konversion die religiöse Identität des Schutzsuchenden in dieser Weise präge, könne ihm nicht angesonnen werden, in seinem Heimatland auf die Religionsausübung zu verzichten, um staatlichen Verfolgungsmaßnahmen zu entgehen (BA S. 9 f.).

18

b) Auf der Grundlage dieses materiellrechtlichen Ansatzes lag es nahe und hätte sich dem Berufungsgericht in der hier vorliegenden Prozesssituation aufdrängen müssen, die Klägerin persönlich anzuhören, um sich für die gerichtliche Beweiswürdigung einen unmittelbaren Eindruck von ihr zu verschaffen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt es zwar grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es einen im ersten Rechtszug gehörten Zeugen oder Beteiligten erneut vernimmt. Es kann dessen schriftlich festgehaltene Aussage auch ohne nochmalige Vernehmung zu dem unverändert gebliebenen Beweisthema selbstständig würdigen. Von der erneuten Anhörung des Zeugen oder Beteiligten darf das Berufungsgericht jedoch dann nicht absehen, wenn es die Glaubwürdigkeit des in erster Instanz Vernommenen abweichend vom Erstrichter beurteilen will und es für diese Beurteilung auf den persönlichen Eindruck von dem Zeugen oder Beteiligten ankommt (vgl. etwa Beschlüsse vom 20. November 2001 - BVerwG 1 B 297.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 251 und vom 28. April 2000 - BVerwG 9 B 137.00 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 235). Diese Ausnahme greift - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat (BA S. 22 f.) - nicht, da das Verwaltungsgericht nach Anhörung der Klägerin zwar erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Konversion geäußert hatte, diese Frage aber letztlich offengelassen hat.

19

Damit hat es aber nicht sein Bewenden, denn im Berufungsverfahren ist eine persönliche Anhörung des Asylbewerbers im Wege der "informatorischen Befragung" (§ 103 Abs. 3, § 104 Abs. 1 VwGO) oder der Parteivernehmung (§ 96 Abs. 1 Satz 2, § 98 VwGO i.V.m. §§ 450 ff. ZPO) auch dann geboten, wenn die Vorinstanz - wie hier - hinsichtlich eines zentralen Punkts seines tatsächlichen Vorbringens keine Feststellungen getroffen, sondern seine Glaubwürdigkeit insoweit offengelassen hat. Denn der Ausländer, der politische Verfolgung geltend macht, befindet sich hinsichtlich seines individuellen Verfolgungsschicksals typischerweise in Beweisnot und ist als "Zeuge in eigener Sache" zumeist das einzige Beweismittel. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an, so dass seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung maßgebliche Bedeutung zuzumessen ist (Urteil vom 16. April 1985 - BVerwG 9 C 109.84 - BVerwGE 71, 180 <182>). Soweit die tatrichterliche Würdigung des individuellen Vorbringens des Asylbewerbers wesentlich von seiner Glaubwürdigkeit abhängt, wird vom Gericht hierüber in aller Regel nur nach einer persönlichen Anhörung des Asylbewerbers entschieden werden können (Beschluss vom 10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 259 = NVwZ 2002, 1381 m.w.N. auch zu Ausnahmen). Das gilt nicht nur hinsichtlich der Würdigung seiner Angaben zum Vorfluchtschicksal, sondern in gleicher Weise für die innere Tatsache der ernsthaften, die Persönlichkeit des Asylbewerbers prägenden Glaubensüberzeugung. Stellt das Berufungsgericht diese nach seinem materiellrechtlichen Ansatz zentrale anspruchsbegründende Tatsache der Flüchtlingsanerkennung, zu der das Verwaltungsgericht sich nicht abschließend verhalten hat und über die das Bundesamt noch nicht zu entscheiden hatte, im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung allein aufgrund der Aktenlage fest, verletzt es in aller Regel - und so auch hier - die Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 Abs. 1 VwGO).

20

c) Der angefochtene Beschluss beruht auf den festgestellten Verfahrensverstößen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei einer persönlichen Anhörung der Klägerin deren Vorbringen zur Ernsthaftigkeit ihrer Konversion zum Christentum in anderer Weise gewürdigt und daraus geschlossen hätte, dass ihr eine Verfolgung aus religiösen Gründen nicht mit der notwendigen beachtlichen Wahrscheinlichkeit droht.

21

2. Das Oberverwaltungsgericht hat mit seiner Verfahrensweise darüber hinaus § 130a Satz 1 VwGO verletzt. Da die Beteiligten nicht gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, hätte es wegen der außergewöhnlich großen Schwierigkeit der Sache über die Berufung nicht durch Beschluss gemäß § 130a Satz 1 VwGO entscheiden dürfen.

22

a) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet über eine Berufung grundsätzlich durch Urteil, das aufgrund mündlicher Verhandlung ergeht (§ 125 i.V.m. § 101 VwGO). Ist eine Berufung unzulässig, kann sie nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss verworfen werden (§ 125 Abs. 2 VwGO). Nach der Vorschrift des § 130a Satz 1 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht auch dann über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Ist das sich auf die Begründetheit oder Unbegründetheit der Berufung beziehende Einstimmigkeitserfordernis (vgl. Beschluss vom 20. Januar 1998 - BVerwG 3 B 1.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 19 S. 12 f.) erfüllt, steht die Entscheidung, ob ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss befunden wird, im Ermessen des Gerichts. Die Vorschrift enthält keine expliziten materiellen Vorgaben für die richterliche Entscheidung, ob von der Durchführung der mündlichen Verhandlung abgesehen wird oder nicht. Die Grenzen des dem Berufungsgerichts eingeräumten Ermessens sind weit gezogen. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung für die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens nur darauf überprüfen, ob das Oberverwaltungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Beschlüsse vom 12. März 1999 - BVerwG 4 B 112.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 35 S. 5 m.w.N. und vom 25. September 2003 - BVerwG 4 B 68.03 - NVwZ 2004, 108 <109>). Ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung ist seitens des Revisionsgerichts nur zu beanstanden, wenn es auf sachfremden Erwägungen oder einer groben Fehleinschätzung des Berufungsgerichts beruht (vgl. Beschluss vom 3. Februar 1999 - BVerwG 4 B 4.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 33 S. 2 m.w.N.).

23

Auch wenn § 130a VwGO keine ausdrücklichen Einschränkungen enthält, hat das Berufungsgericht bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen, dass sich die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung im System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nach der Ausgestaltung des Prozessrechts als gesetzlicher Regelfall und Kernstück auch des Berufungsverfahrens erweist (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 1 VwGO). Ausnahmen davon bedürfen gesonderter gesetzlicher Regelung. Diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis liegt die Vorstellung zugrunde, dass die gerichtliche Entscheidung grundsätzlich das Ergebnis eines diskursiven Prozesses zwischen Gericht und Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung sein soll. Davon geht auch § 104 Abs. 1 VwGO aus, der dem Vorsitzenden des Gerichts die Pflicht auferlegt, in der mündlichen Verhandlung die Streitsache mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu erörtern. Das Rechtsgespräch erfüllt zudem den Zweck, die Ergebnisrichtigkeit der gerichtlichen Entscheidung zu fördern. Das ergibt sich nicht zuletzt aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 EMRK, der aus dieser Verfahrensgarantie im Einzelfall die Notwendigkeit herleitet, auch in der zweiten Instanz mündlich zu verhandeln. Der Gerichtshof stellt bei Verfahrensordnungen, in denen im Berufungsrechtszug auch Tatfragen zu entscheiden sind, darauf ab, ob im konkreten Fall zentrale strittige Tatfragen zur Entscheidung anstehen und ob für die tatsächliche Feststellung die Entscheidungsfindung allein aufgrund der Aktenlage sachgerecht möglich ist (EGMR, Urteile vom 29. Oktober 1991 - Nr. 22/1990/213/275 - Helmers - NJW 1992, 1813 Nr. 36 unter Rückgriff auf das Urteil vom 26. Mai 1988 - Ekbatani, Serie A Nr. 134 Tz. 27; vom 29. Oktober 1991 - Nr. 35/1990/226/290 - Andersson - EuGRZ 1991, 419 und vom 29. Oktober 1991 - Nr. 36/1990/227/291 - Fejde - EuGRZ 1991, 420). Diese vom Gerichtshof zu Art. 6 Abs. 1 EMRK entwickelten Anforderungen sind bei konventionskonformer Anwendung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 130a VwGO vom Berufungsgericht zu berücksichtigten und gestatten es in diesen Fällen nicht, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen (Beschluss vom 12. März 1999 a.a.O.). Das gilt auch in der vorliegenden asylrechtlichen Streitigkeit, da der deutsche Gesetzgeber das Verfahrensprinzip der öffentlichen mündlichen Verhandlung aus Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein und ohne Rücksicht auf die Anwendbarkeit der auf "zivilrechtliche Ansprüche" beschränkten Vorschrift im Einzelfall gewahrt wissen wollte (Urteil vom 14. März 2002 - BVerwG 1 C 15.01 - BVerwGE 116, 123 <127 f.>).

24

Bei der Ermessensentscheidung gemäß § 130a Satz 1 VwGO dürfen die Funktionen der mündlichen Verhandlung und ihre daraus erwachsende Bedeutung für den Rechtsschutz nicht aus dem Blick geraten. Das Gebot, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die Rechtssache auch im Interesse der Ergebnisrichtigkeit mit den Beteiligten zu erörtern, wird umso stärker, je schwieriger die vom Gericht zu treffende Entscheidung ist. Mit dem Grad der Schwierigkeit der Rechtssache wächst daher zugleich auch das Gewicht der Gründe, die gegen die Anwendung des § 130a VwGO und für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sprechen (vgl. dazu Urteile vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <214> und vom 21. März 2000 - BVerwG 9 C 39.99 - BVerwGE 111, 69 <74>). Die Grenzen des von § 130a Satz 1 VwGO eröffneten Ermessens werden überschritten, wenn im vereinfachten Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, obwohl die Sache - das Maß des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO übersteigend - in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht außergewöhnlich große Schwierigkeiten aufweist (Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 213); abzustellen ist insoweit auf die Gesamtumstände des Einzelfalles. Die Notwendigkeit, eine Rechtsnorm nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik oder Sinn und Zweck auszulegen, begründet für sich genommen noch keine außergewöhnlich große Schwierigkeit einer Rechtssache, insbesondere wenn das Berufungsgericht sich mit der Auslegung der Norm bereits befasst hat und seine Rechtsprechung lediglich fortführt (Beschluss vom 10. Juni 2008 - BVerwG 3 B 107.07 - juris Rn. 4). Stellt sich aber in einem Berufungsverfahren eine Vielzahl von ungeklärten Rechtsfragen und damit ein vielschichtiger Streitstoff, über den erstmalig zu befinden ist, spricht das für eine außergewöhnlich große Schwierigkeit (Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 218; Beschluss vom 10. Juni 2008 a.a.O. Rn. 5). In einem Asylprozess kann sich die besondere Komplexität des Streitstoffs in tatsächlicher Hinsicht auch daraus ergeben, dass aufgrund veränderter Umstände erstmals eine neue Beurteilung der allgemeinen Lage im Heimatstaat des Betroffenen geboten ist.

25

b) Auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung erweist sich die Vorgehensweise des Berufungsgerichts hier als fehlerhaft, denn der vorliegende Fall weist sowohl in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht einen außergewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad auf. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich das u.a. aus der auch in der Rechtsprechung des Berufungsgerichts noch nicht abschließend geklärten flüchtlingsrechtlichen Beurteilung einer religiöser Verfolgung (vgl. dazu die Vorlagebeschlüsse des Senats vom 9. Dezember 2010 - BVerwG 10 C 19.09 und 10 C 21.09) insbesondere aufgrund eines Glaubenswechsels in einem Asylfolgeverfahren (§ 28 Abs. 2 AsylVfG). Zudem bestand eine hohe Komplexität in tatsächlicher Hinsicht, denn das Berufungsgericht hatte - soweit ersichtlich erstmals - die Verfolgungsgefahr für nicht exponiert tätige, zum Christentum konvertierte Muslime im Iran zu beurteilen, u.a. mit Blick auf den Beschluss des Iranischen Parlaments zur Strafbewehrung des Apostasieverbots vom September 2008 (BA S. 11 - 21). Jedenfalls hat es dazu in der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht auf ältere eigene Entscheidungen verwiesen. Im Übrigen legte auch der Umstand, dass das Berufungsgericht eine abschließende Entscheidung nicht allein aufgrund der Aktenlage fällen durfte, sondern noch eine persönliche Anhörung der Klägerin erforderlich war (vgl. oben Rn. 18), die Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Blick auf die oben genannten Anforderungen des Gerichtshofs zu Art. 6 EMRK nahe.

26

c) Da das Berufungsgericht sich im Rahmen seines Ermessens nach § 130a VwGO unter den gegebenen Umständen nicht für Durchführung eines vereinfachten Berufungsverfahrens entscheiden durfte, verstößt der angefochtene Beschluss gegen § 101 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Eine unter Verstoß gegen § 101 Abs. 1 VwGO ergangene Entscheidung verletzt zugleich den Anspruch der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs und stellt damit einen absoluten Revisionsgrund im Sinne von § 138 Nr. 3 VwGO dar (vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 221 m.w.N.).

27

d) Die auf dem Verstoß gegen § 130a, § 101 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO beruhende Gehörsverletzung erfasst die Berufungsentscheidung in ihrer Gesamtheit und lässt sich nicht auf einzelne Tatsachenfeststellungen eingrenzen (vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 221 m.w.N.). Daher fehlen dem Revisionsgericht die für eine eigene abschließende Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

28

3. Sollte sich in dem erneuten Berufungsverfahren die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachlage und insbesondere die Ernsthaftigkeit der Konversion - wie in der angefochtenen Entscheidung angenommen - bestätigen, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass entgegen der Ansicht der Beklagten die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens erfüllt sein dürften. Allerdings hat der Wiederaufgreifensgrund der nachträglichen Änderung der Sachlage (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG) nicht vorgelegen. Denn der durch die Taufe am 23. März 2003 dokumentierte Wechsel der Klägerin zum christlichen Glauben ist nicht nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Erstverfahren am 24. Juni 2003 eingetreten. Auf den vom Berufungsgericht als Wiederaufgreifensgrund zusätzlich hervorgehobenen Beschluss des Iranischen Parlaments vom 9. September 2008 über den Entwurf eines Apostasiestrafgesetzes und die dadurch eingetretene Verschärfung der Verfolgungsgefahr (BA S. 6) hat sich die Klägerin nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG berufen, so dass auch dieser Umstand nicht die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens rechtfertigt. Denn weder das Bundesamt noch die Verwaltungsgerichte sind befugt, ihrer Entscheidung über die Wiederaufnahme andere als vom Antragsteller geltend gemachte Gründe zugrunde zu legen (Urteile vom 30. August 1988 - BVerwG 9 C 47.87 - Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG Nr. 8 und vom 13. Mai 1993 - BVerwG 9 C 49.92 - InfAuslR 1993, 357 - insoweit in BVerwGE 92, 278 nicht abgedruckt). Die dreimonatige Ausschlussfrist gilt auch für im gerichtlichen Verfahren neu vorgebrachte Wiederaufgreifensgründe (Urteil vom 10. Februar 1998 - BVerwG 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 <176 f.>).

29

Jedenfalls mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) am 28. August 2007 lag jedoch der Wiederaufgreifensgrund einer nachträglichen Änderung der Rechtslage vor (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG). Es ist zwar noch nicht abschließend geklärt, ob sich durch Umsetzung der Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG in § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG die Rechtslage mit Blick auf die Verfolgung aus religiösen Gründen zugunsten der Betroffenen geändert hat. Aber die durch die Zweifel über die Auslegung der unionsrechtlichen Vorgaben bewirkte Unsicherheit reicht aus, um ein Asylverfahren wiederaufzugreifen und diese Frage prüfen zu lassen. Auf die Änderung der Rechtslage hat sich die Klägerin auch rechtzeitig berufen. Denn jedenfalls im Flüchtlingsrecht ist aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit hier für den Beginn der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht auf den Ablauf der Umsetzungsfrist (Art. 38 Abs. 1 Richtlinie 2004/83/EG), sondern auf die Bekanntmachung im Gesetzblatt dokumentierte Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber abzustellen.

30

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin insoweit mit ihrem Vorbringen der Taufe und der Glaubensausübung nicht gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG präkludiert. Denn ein grobes Verschulden liegt nicht vor, wenn ein Asylbewerber Umstände im vorangegangenen Verfahren nicht vorgebracht hat, die mit Blick auf die damals geltende Rechtslage oder die damals gegebene Sachlage vorzutragen kein Anlass bestand. Allein aufgrund der Taufe hätte sich die unverfolgt ausgereiste Klägerin nach damaliger Sach- und Rechtslage nicht mit Erfolg auf eine ihr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende religiöse Verfolgung berufen können. Dann kann ihr die mangelnde Geltendmachung der Taufe im Erstverfahren auch nicht entgegengehalten werden. Denn in Fällen evident fehlender Relevanz eines nicht vorgetragenen Umstands für den Ausgang des Erstverfahrens kann dem Betreffenden nicht der Vorwurf gemacht werden, die ihm gebotene Sorgfalt in schwerwiegender Weise außer Acht gelassen zu haben (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, II-§ 71 Rn. 204, Stand Dezember 2007).

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,
2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
§ 19 Abs. 1 findet keine Anwendung.

(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.

(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. August 2016 verpflichtet festzustellen, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger wurde eigenen Angaben zufolge am … in der Provinz Maydan-Wardak geboren. Er sei afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er habe sein Heimatland im Jahr 2007 oder 2008 in den Iran verlassen. Er habe dann im Iran, der Türkei und Griechenland gelebt und sei 2011 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, wo er am 7. Juni 2011 einen Asylantrag gestellt hat. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 9. November 2011 und sodann durch Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 26. September 2012 (Az. W 2 K 11.30384) unanfechtbar abgelehnt.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2013 stellte der Kläger einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens mit dem Antrag, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, der Antragsteller sei psychisch erkrankt. Seit der Ablehnung seines Antrages leide er unter zunehmenden gesundheitlichen Problemen körperlicher und psychischer Art. Am 24. Januar 2013 sei er vom Notarzt auf die Intensivstation des Universitätsklinikums eingeliefert worden. Es sei ein psychomotorischer Erregungszustand bei posttraumatischer Belastungsstörung diagnostiziert worden. Am 25. Januar 2013 sei der Kläger in die geschlossene Akutstation des psychiatrischen Klinikums in Lohr verlegt worden. Dort seien Anpassungsstörungen und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden. Es sei zu Selbstverletzungsverhalten gekommen und der Antragsteller habe geäußert, dass er nicht mehr leben wolle. Nach eigenen Angaben habe er versucht, sich zu erhängen. Unter dem 9. Mai 2013 sei bei dem Antragsteller durch einen Primärtherapeuten/Traumatherapeuten des Vereins Exilio eine mittelgradige Depression diagnostiziert worden mit einem bedenklich hohen Wert an Suizidalität sowie der Zusatzdiagnose einer vorsätzlichen Selbstschädigung. Der Antragsteller benötige dringend psychische Behandlung. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan sei bei dem Antragsteller, der sich in fachärztlicher und therapeutischer Behandlung befinde, aufgrund der psychologischen Stellungnahme mit einer heftigen gesundheitlichen Verschlechterung zu rechnen, dies insbesondere unter Berücksichtigung seiner grundsätzlichen Bereitschaft zum Suizid. Nach den aktuellen Erkenntnismitteln sei in Afghanistan die erforderliche Behandlung bei psychischen Erkrankungen nicht gewährleistet. Zur Behandlung psychischer Erkrankungen stünden nur sehr limitierte Einrichtungen und höchst rudimentäre Behandlungsmethoden zur Verfügung.

Dem Antrag waren Atteste des Universitätsklinikums Würzburg vom 7. Februar 2013, des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin in Lohr am Main vom 8. März 2013 sowie eine psychologische Stellungnahme des Vereins Exilio vom 14. Juni 2013 beigefügt. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde ein fachärztliches Attest der neurologisch-psychiatrischen Praxis Dres. B … vom 3. Juli 2013 sowie ein psychologisch-psychotherapeutischer Befundbericht der Dipl.-Psychologin M* … vom 21. Oktober 2013 vorgelegt.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 1. August 2016 lehnte dieses den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 9. November 2011 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des AufenthG ab. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG seien nicht gegeben, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG lägen nicht vor, da aufgrund der geltend gemachten gesundheitlichen Probleme des Antragstellers keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass aufgrund dessen nunmehr eine günstigere Entscheidung möglich sei. Auch eine Abänderung der Entscheidung nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG sei nicht möglich. Sofern eine Suizidandrohung Folge der Angst vor einer Abschiebung sei, handele es sich um ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, welches im vorliegenden Verfahren keine Rolle spiele. Gleiches gelte für die Frage der Reisefähigkeit oder negative Folgen eines Abbruchs einer in Deutschland begonnenen Therapie. Eine reine Verdachtsdiagnose, vorliegend betreffend eine Borderline-Erkrankung, reiche nicht aus, um ein entsprechendes Krankheitsbild feststellen zu können. Hinsichtlich der anderweitigen Erkrankungen lasse sich aus den ärztlichen Unterlagen nicht entnehmen, wie sich die gesundheitliche Entwicklung im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan konkret darstellen werde. Eine plastische Beschreibung dessen, was passieren würde, wenn der Kläger keine kontinuierliche Weiterbehandlung im Heimatstaat erhalte, lasse sich den Attesten ebenfalls nicht entnehmen. Zudem seien seit dem Jahr 2013 keine weiteren Atteste mehr eingereicht worden, so dass unklar sei, ob sich der Kläger überhaupt noch in Behandlung befinde. Die vorliegenden Atteste böten auch keinen Anlass für eine weitere Sachaufklärung. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sei unter Zugrundelegung der Mindestanforderungen des Bundesverwaltungsgerichtsurteils vom 11. September 2007 nicht nachvollziehbar begründet. Da in den Attesten nicht einmal das Trauma konkret benannt werde, könne nicht nachvollzogen werden, auf welcher Grundlage die Diagnose erfolge. Da somit bereits die Erkrankung nicht nachvollziehbar dargelegt werde, sei es auch nicht erforderlich, die hieraus resultierenden Gesundheitsgefahren im Heimatstaat sowie eine etwaige Behandelbarkeit der Erkrankung aufzuklären. Falls der Kläger weiterhin an einer depressiven Störung leiden sollte, so könne diese in Afghanistan adäquat behandelt werden. Es gebe eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser, die kostenfrei medizinische Versorgung böten. Auch psychische Erkrankungen seien in Afghanistan grundsätzlich behandelbar. Das afghanische Gesundheitsministerium habe in den letzten Jahren verschiedene Maßnahmen ergriffen, um deren Behandelbarkeit zu verbessern. Psychotherapie könne beispielsweise in Kabul durchgeführt werden. Schließlich sei auch den ärztlichen Attesten nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller aufgrund seiner Erkrankungen nicht in der Lage sei, einen Lebensneustart in seiner Heimat zu bewältigen. Der Kläger habe bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 9. August 2011 angegeben, über mehrere Verwandte in Kabul zu verfügen. Somit gebe es einen Familienverband, auf dessen Unterstützung der Kläger verwiesen werden könne. Auch sei der Kläger in Afghanistan einer Berufstätigkeit im landwirtschaftlichen Bereich nachgegangen.

Gegen den am 5. August 2016 zur Post gegebenen Bescheid ließ der Kläger am 22. August 2016 beim Verwaltungsgericht Würzburg Klage erheben.

Zur Begründung wurde vorgetragen, der Kläger befinde sich aktuell nicht regelmäßig in Behandlung, nehme aber die verschriebenen Medikamente ein. Er habe sehr große Angst davor, seine Ausbildung zu verlieren, die in stabilisiere, wenn er durch Arztbesuche abwesend sei und einräumen müsse, dass er psychisch krank sei. Allerdings sei der Behandlungskontakt nie abgerissen, ein Termin bei Frau Dr. B. sei für den 27. November 2017 anberaumt. Die medizinische Versorgung in Afghanistan sei äußerst lückenhaft und überlastet, so dass der Kläger die erforderliche Behandlung dort nicht erreichen könne. Auch fehle es an einem unterstützenden Familienumfeld für seine Behandlung, da seine Restfamilie mittlerweile ebenfalls aus Afghanistan geflohen sei. So sei ein minderjähriger Bruder nunmehr auch in Deutschland. Seine Mutter befinde sich mit einem weiteren Bruder und einer Schwester in einem Lager im Iran. Im Laufe des Verfahrens wurden zudem weitere fachärztliche und psychologische gutachterliche Stellungnahmen vorgelegt.

Der Kläger ließ beantragen,

Der Bescheid des Bundesamtes vom 1. August 2016 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit E-Mail vom 2. November 2016 hat das Gericht eine Stellungnahme der deutschen Botschaft in Kabul zur Erhältlichkeit bestimmter vom Kläger eingenommener Medikamente sowie etwaig hierfür entstehender Kosten und der Möglichkeit einer Psychotherapie eingeholt. Die Deutsche Botschaft hat hierauf am 31. Januar 2017 sowie 6. Februar 2017 mitgeteilt, dass es nach Auskunft des afghanischen Außenministeriums landesweit zahlreiche Kliniken gebe, die psychisch erkrankte Personen kostenlos behandelten. Die erwähnten Medikamente stünden nicht auf der Medikamentenliste, seien aber in Apotheken legal zu erwerben. Zu den Kosten der Medikamente bestünden keine Kenntnisse.

Durch Beschluss des Gerichtes vom 6. Juni 2017 wurde Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf psychiatrischen Fachgebiet durch Prof. V. zur Frage des psychiatrischen Gesundheitszustandes des Klägers sowie hieraus resultierender Folgen bei etwaig fehlender Behandlungsmöglichkeit im Heimatland. Prof. V. erstattete unter dem 21. August 2017 sein Gutachten und teilte zu den aufgeworfenen Fragen im Wesentlichen mit, dass der Kläger unter einer mittelgradig depressiven Episode (ICD-10: F32.1) leide. Die Kriterien einer PTBS seien nicht erfüllt. Dieser Diagnose stehe auch die erstmalige Geltendmachung der psychischen Beschwerden im Jahre 2013 nicht entgegen. Dringend solle zumindest eine suffiziente medikamentöse Therapie, z.B. mit Venlafaxin, unter Überwachung der Konzentration des Medikamentes im Blutplasma durchgeführt werden. Alternativ könne auch eine Psychotherapie oder eine Kombination beider Verfahren durchgeführt werden. Die berufliche Belastbarkeit sei eingeschränkt, allerdings nicht so weit, als der Proband nicht der derzeit ausgeübten handwerklichen Tätigkeit als Dachdecker nachkommen könne, wenngleich mit größeren Anstrengungen und Schwierigkeiten. Falls die Behandlung in Afghanistan nicht fortgesetzt werden könne, werde sich wahrscheinlich eine Verschlechterung einstellen, wobei zu bemerken sei, dass aktuell praktisch auch keine Behandlung erfolge. Im Rahmen einer Verschlechterung einer Depression könne immer auch eine lebensbedrohliche Suizidalität entstehen, wobei aktuell ohne Behandlung keine solche vorhanden sei.

Durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 1. September 2016 wurde der beantragte einstweilige Rechtsschutz abgelehnt, da es an einem Anordnungsgrund mangele.

Durch Beschluss vom 7. November 2017 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.

Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Afghanistan, Stand Januar 2018, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2018 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 1. August 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) einen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch aus § 51 Abs. 1 VwVfG auf ein Wiederaufgreifen des durch rechtskräftiges Urteil vom 26. September 2012 abgeschlossenen Verfahrens hinsichtlich des Nichtvorliegens von Abschiebungsverboten, da ein Wiederaufgreifensantrag nach § 51 Abs. 3 VwVfG binnen drei Monaten gestellt werden muss, diese Frist jedoch versäumt wurde. Die Frist beginnt hierbei mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erlangt hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die positive Kenntnis aller insoweit maßgeblichen Tatsachen, nicht dagegen deren zutreffende rechtliche Einordnung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 51 Rn. 47). Dem Kläger waren nach seinen stationären Aufenthalten im Universitätsklinikum Würzburg sowie im Bezirksklinikum Lohr, die bis zum 19. Februar 2013 angedauert haben, spätestens durch den ausführlichen Arztbrief vom 8. März 2013, der dem Kläger u.a. eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierte, alle erforderlichen Tatsachen für das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes bekannt, sodass eine Antragstellung am 10. Juli 2013 jedenfalls nicht mehr innerhalb der Drei-Monatsfrist erfolgt ist.

Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Abänderung des ablehnenden Bescheides nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 49 Abs. 1 VwVfG hinsichtlich der Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 21.3.2000 – 9 C 41/99 – juris). Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 49 Abs. 1 VwVfG verdichtet sich zu einem Rechtsanspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens (und sodann auch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes) und erlaubt eine abschließende gerichtliche Entscheidung zugunsten des Klägers, wenn ein Festhalten an der bestandskräftigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 AufenthG zu einem schlechthin unerträglich Ergebnis führen würde und damit das Ermessen auf Null reduziert ist. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Ausländer im Falle einer Abschiebung einer extremen individuellen Gefahrensituation ausgesetzt wäre (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.2004 – 1 C 15/03 – juris; Funke-Kaiser, GK AsylG, § 71 AsylG Rn. 349 ff.). So liegt der Fall hier, da der Kläger nach Überzeugung des Gerichts aufgrund seiner individuellen Situation, insbesondere aufgrund der zwischenzeitlich bei ihm eingetretenen schwerwiegenden psychischen Erkrankung in Kombination mit den außerordentlich schwierigen allgemeinen Verhältnissen in Afghanistan, bei seiner Rückkehr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre, § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre beim Kläger der Fall, wenn er nach Afghanistan zurückkehren müsste. Der Kläger muss befürchten, aufgrund der dortigen Lage unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Zwar macht der Kläger nicht geltend, dass ihm näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern beruft sich auf die allgemein schlechte Lage in seinem Heimatland. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen im vorliegenden Einzelfall jedoch eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist (vgl. etwa BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 13a B 17.30030 – juris; U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284, B.v. 11.01.2017 – 13a ZB 16.30878).

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; BayVGH v. 21.11.2014, a.a.O., juris Rn. 16 ff.). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden könne, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014, a.a.O. Rn. 19). Eine solche ist jedoch bei dem Kläger gegeben.

Die aktuelle Lage in Afghanistan und in der Hauptstadt Kabul stellen sich wie folgt dar:

Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (a.a.O. S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch.

Aus der Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes für Afghanistan vom 28. Juli 2017 ergibt sich insoweit nichts grundlegend Abweichendes: In fast allen Regionen werde von der Bevölkerung die Arbeitslosigkeit als das größte Problem genannt. Die Zahl der neu hinzugekommenen Binnenvertriebenen sei im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 25% gesunken. Die afghanische Regierung habe unter Beteiligung der internationalen Geberschaft sowie internationaler Organisationen mit der Schaffung einer Koordinierungseinheit zur Reintegration der Binnenflüchtlinge und Rückkehrer reagiert. Ein Großteil der internationalen Geberschaft habe zu-dem beschlossen, die Finanzmittel für humanitäre Hilfe im Rahmen eines Hilfsappells des UN-Koordinierungsbüros für humanitäre Angelegenheit OCHA aufzustocken. Trotz internationaler Hilfe übersteige der derzeitige Versorgungsbedarf allerdings das vorhandene Maß an Unterstützungsmaß-nahmen seitens der Regierung.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 14. September 2017, Seite 27 ff.) führt aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt bleibe, wobei der Anteil der notleidenden Bevölkerung im Verlaufe des Jahres 2016 um 13% angestiegen sei; 2017 benötigten 9,3 Millionen Afghanen dringend humanitäre Hilfe. Die Arbeitslosenquote sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte rasant angestiegen und inzwischen auch in städtischen Gebieten hoch. Gleichzeitig seien die Löhne in Gebieten, welche von Rückkehrströmen betroffen seien, signifikant gesunken. Nach wie vor seien die meisten Menschen in der Land- und Viehwirtschaft oder als Tagelöhner tätig. Die zunehmenden Rückkehrströme hätten zu einem enormen Anstieg an Unterkunftsbedarf geführt, weshalb sich insbesondere in der Hauptstadt Kabul die Wohnraumsituation extrem verschärft habe. Rund 68% der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu adäquaten Sanitätsinstallationen und ca. 45% keinen Zugang zu aufbereitetem Trinkwasser. Rund 40% der Bevölkerung sei von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Die Zahl der von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffenen Menschen steige an und umfasse inzwischen 1,6 Millionen Personen. In Gebieten, die von hohen Rückkehrströmen betroffen waren, seien die Lebensmittelpreise stark angestiegen. Etwa 9 Millionen Menschen, in besonderem Maße Frauen und Kinder, hätten keinen oder nur beschränkten Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, welchen es auch an angemessener Ausstattung mangele. Im Jahr 2016 sei der Druck zur Rückkehr auf afghanische Flüchtlinge im Iran und in Pakistan dramatisch angestiegen; Kabul sowie die Provinzen im Norden, Nordosten und Osten des Landes seien in besonderem Maße betroffen gewesen. Rückkehrende fänden oft keine adäquate Unterkunft; sie lebten oft in notdürftigen Behausungen mit schlechten Sanitäranlagen. Der eingeschränkte Zugang zu Land, Nahrungsmitteln und Trinkwasser und die begrenzten Möglichkeiten zur Existenzsicherung stellten eine enorme Herausforderung für diesen Personenkreis dar. Aufgrund der äußerst schwierigen Lebensbedingungen würden Rückkehrende oft zu intern Vertriebenen, deren Zahl Ende 2016 auf etwa 1,4 Millionen Menschen geschätzt worden sei und deren Lage sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert habe. Auch für Flüchtlinge aus Europa gestalte sich eine Rückkehr schwierig. Die Bevölkerung Kabuls solle sich binnen nur sechs Jahren verdreifacht haben. Dort lebten etwa 75% der Bevölkerung in informellen und behelfsmäßigen Behausungen, die oft weder ans Wasserversorgungsnetz noch an die Kanalisation angeschlossen seien. Der Zugang zu Lebensmitteln habe sich rasant verschlechtert, was unter anderem auf die mangelnden Arbeitsmöglichkeiten zurückzuführen sei. Armut sei weit verbreitet. Beinahe die Hälfte der Bevölkerung Kabuls könne sich keine medizinische Behandlung leisten. Die große Zahl der Rückkehrenden und intern Vertriebenen führe zur Überlastung der bereits äußerst stark beanspruchten Infrastruktur zur Erbringung der Grunddienstleistungen in der Hauptstadt Kabul aber auch andernorts, insbesondere in den wichtigsten Provinzstädten und Bezirken.

Dies zugrunde gelegt steht einer Rückführung des Klägers nach Afghanistan ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG entgegen, auch wenn die obergerichtliche Rechtsprechung im Regelfall davon ausgeht, dass für alleinstehende, gesunde, arbeitsfähige junge Männer bei einer Rückkehr nach Afghanistan kein Abschiebungsverbot festzustellen ist (vgl. etwa BayVGH, B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris). Denn abweichend von den Verhältnissen im Regelfall befindet sich der hiesige Kläger nach Überzeugung des Gerichts in einer besonderen Ausnahmesituation; insbesondere leidet der Kläger vorliegend an einer schwerwiegenden behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung, die eine Abschiebung entgegensteht.

Die besondere Situation des Klägers ist vorliegend zunächst dadurch gekennzeichnet, dass er insoweit glaubhaft bereits in seinem Asylerstverfahren vorgetragen hat, dass er in Afghanistan nur zwei Jahre lang die Schule besucht hat. Dies hat er im hiesigen Verfahren bestätigt und erläuternd ausgeführt, dass er auch in diesen beiden Jahren häufig nicht beim Unterricht anwesend gewesen sei, unter anderem wegen seiner Fußverletzung durch einen Granatensplitter. Er könne daher in seiner Muttersprache Dari nicht Schreiben nur ein kleines bisschen Lesen. Damit ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Kläger praktisch um einen Analphabeten handelt. Der Kläger verfügt darüber hinaus auch nicht über besondere berufliche Fähigkeiten, nachdem er in Afghanistan keinen Beruf erlernt hat, sondern lediglich in der Landwirtschaft mitgearbeitet hat. In Deutschland absolviert der Kläger derzeit eine Berufsausbildung als Dachdecker, die er jedoch noch nicht abgeschlossen hat. Das Gericht ist überdies davon überzeugt, dass diese relativ einfache Tätigkeit dem Kläger in Afghanistan keine relevanten Erwerbsvorteile auf dem Arbeitsmarkt wird schaffen können. Der Kläger hat sein Heimatland bereits vor rund zehn Jahren im Alter von etwa 14 Jahren verlassen, so dass er die schwierigen negativen Entwicklungen in Afghanistan in den letzten Jahren und die derzeit herrschenden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht kennt. Auch hat er aufgrund seines jungen Alters bei Verlassen des Heimatlandes niemals gelernt, in Afghanistan auf eigenen Füßen zu stehen und dort für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Das Gericht ist zudem davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland für eine Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft und insbesondere in das dortige Arbeitsleben nicht auf die Unterstützung seiner Familie zurückgreifen kann, da er insoweit glaubhaft und angesichts der in Afghanistan herrschenden massiven Sicherheitsprobleme auch plausibel erklärt hat, dass– im Gegensatz zur Situation bei seinem Asylerstverfahren – mittlerweile seine gesamte verbliebene Kernfamilie das Land ebenfalls verlassen habe und nunmehr im Iran ansässig sei. Hintergrund sei gewesen, dass seine Mutter eine Arbeit bei einem örtlichen (staatlichen) Kommandanten angenommen habe, dem sie Informationen über die örtlichen Taliban weitergegeben habe. Hiervon hätten die Taliban Kenntnis erlangt und in der Folge die Familie ins Visier ihrer Verfolgung genommen. Dies erscheint dem Gericht auch angesichts der aktuellen Erkenntnismittellage glaubhaft. Darüber hinaus sei ein Onkel Beamter gewesen, welcher bei einem Anschlag der Taliban ums Leben gekommen sei. Zu diesem und seinen Cousins habe er jedoch auch keinen Kontakt, was insbesondere auch in Anbetracht der langjährigen Abwesenheit aus Afghanistan nachvollziehbar ist. Vor diesem Hintergrund ist nach Überzeugung des Gerichts nicht zu erwarten, dass der Kläger in Afghanistan finanzielle Unterstützung durch seine Familie erwarten kann, zumal durch die Flucht in den Iran die wirtschaftliche Existenzgrundlage in der Landwirtschaft aufgegeben werden musste.

Über vorstehende Ausführungen hinaus ist vorliegend von entscheidender Bedeutung, dass es sich bei dem Kläger nicht um einen gesunden jungen Mann handelt, bei dem nach überzeugender obergerichtlicher Rechtsprechung ein nationales Abschiebungsverbot nicht infrage kommt, da sich für diese Bevölkerungsgruppe aus den allgemeinen Verhältnissen noch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ergibt. Der Kläger leidet demgegenüber jedoch an einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10: F32.1), was sich in überzeugender Weise aus dem vom Gericht eingeholten psychiatrischen Fachgutachten des Prof. V. vom 21. August 2017 ergibt. Der Gutachter diagnostiziert dabei in jeder Hinsicht nachvollziehbar und widerspruchsfrei die genannte psychische Erkrankung; Aggravations- oder Dissimulationstendenzen schließt er aus. Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen bestehen nicht. Auch geht die Begutachtung von einem korrekten Sachverhalt aus. Insbesondere hat das Gericht den Gutachter bereits im Gutachtensauftrag auf die rechtskräftig festgestellte Unglaubhaftigkeit des persönlichen Verfolgungsvortrages des Klägers im Asylerstverfahren hingewiesen. Der Gutachter hat sodann ausweislich der korrekt zugrunde gelegten Biografie des Klägers sowie dem erhobenen psychischen Befund (vgl. S. 32 f., 37 f., 42 des Gutachtens) diese Vorkommnisse bei seiner Begutachtung auch nicht berücksichtigt, sondern erlebte allgemeine Kriegshandlungen in Afghanistan, die dort erlittene Granatensplitterverletzung (die durchgängig seit der Einreise des Klägers in die Bundesrepublik erwähnt wird) sowie lebensbedrohliche Ereignisse auf dem Flucht Weg nach Europa. Diese Vorkommnisse erscheinen dem Gericht angesichts der allgemeinen und gerichtsbekannten Verhältnisse in Afghanistan und auf der Fluchtroute nach Europa auch glaubhaft. Dass zur Zeit der Anwesenheit des Klägers in Afghanistan ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt in der Herkunftsprovinz des Klägers, Maydan-Wardak, geherrscht hat, ergibt sich bereits aus dem rechtskräftigen Urteil im Asylerstverfahren (vgl. dort S. 19). Der Annahme einer mittelgradig depressiven Episode steht nach der überzeugenden Einschätzung des Gutachters ausdrücklich auch nicht entgegen, dass diese Erkrankung erstmals im Jahre 2013 und somit längere Zeit nach der Einreise des Klägers erstmals diagnostiziert wurde. Ebenso verhält es sich mit der aktuell ausgeübten handwerklichen Tätigkeit (vgl. S. 55 des Gutachtens). Die Beklagte ist dem Ergebnis des Gutachtens überdies auch nicht entgegengetreten. Auch aus der mündlichen Verhandlung hat der erkennende Einzelrichter den Eindruck gewonnen, dass der Kläger sehr bedrückt ist und unter erheblichen psychischen Beeinträchtigungen leidet.

Ohne dass es hier entscheidungserheblich darauf ankäme, ist festzustellen, dass der Kläger nicht an einer posttraumatische Belastungsstörung sowie einer schweren depressiven Episode leidet. Zwar werden diese Erkrankungen privatärztlich, letztmalig am 29. November 2017 durch Frau Dr. B., diagnostiziert; der gerichtlich bestellte Gutachter erläutert jedoch umfangreich und nachvollziehbar, dass diese Erkrankungen nicht vorliegen, da hinsichtlich der posttraumatischen Belastungsstörung der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen den dramatischen Lebensereignissen und dem Beginn der Symptomatik eindeutig nicht gegeben ist (vgl. Gutachten S. 43 ff.) bzw. die schwere Ausprägung einer depressiven Episode im Ergebnis nicht festgestellt werden kann (vgl. S. 52 f.; zur Auseinandersetzung mit den vorliegenden privatärztlichen Gutachten vgl. S. 53 f.).

Des Weiteren ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung (zunächst ohne zeitliche Beschränkung) dringend einer adäquaten Behandlung bedarf. Der Gutachter führt hierzu überzeugend aus, dass der Kläger mindestens eine suffiziente medikamentöse Therapie, z.B. mit Venlafaxin, unter Überwachung der Konzentration des Medikamentes im Blutplasma erhalten müsse. Alternativ könne auch eine Psychotherapie oder eine Kombination beider Verfahren durchgeführt werden. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger in diesem Zusammenhang auch glaubhaft versichert, dass er früher ein Medikament eingenommen habe, das ihn sehr müde gemacht habe. Nun habe er von Frau Dr. B. ein neues Medikament namens Sertralin erhalten. Er nehme dieses nun regelmäßig ein, lediglich ab und zu vergesse er es einmal. Wenn ihm dies passiere, dann gehe es ihm sehr schlecht; das Medikament beruhige ihn.

In Anbetracht dieser behandlungsbedürftigen Erkrankung ist nicht davon auszugehen, dass es dem Kläger in Afghanistan gelingen wird, seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Denn wenn er das zur Behandlung seiner Erkrankung dringend erforderliche Medikament nicht einnimmt, hat dies entsprechend der glaubhaften Einvernahme des Klägers in der mündlichen Verhandlung zur Folge, dass es ihm dann sehr schlecht geht. Dies erscheint vor dem Hintergrund der Art und Schwere der Erkrankung und der gutachterlich bestätigten Notwendigkeit der Medikamenteneinnahme auch in jeder Hinsicht plausibel. Zudem wird in dem Gutachten nachvollziehbar ausgeführt, dass sich bei einer fehlenden Behandlung wahrscheinlich eine Verschlechterung der Erkrankung einstellen wird, wobei im Rahmen einer Depression immer auch eine lebensbedrohliche Suizidalität entstehen könne.

Unter diesen Umständen ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger bei den äußerst schwierigen Bedingungen des afghanischen Arbeitsmarktes in dem harten Verdrängungswettbewerb um die wenigen und häufig körperlich anstrengenden Hilfsarbeiten, die allein für den Kläger infrage kommen, mit der enormen Zahl der uneingeschränkt gesunden und leistungsfähigen jungen Männer bestehen kann, wenn er unter den Auswirkungen seiner Erkrankung und hierbei insbesondere unter einer ausgeprägten Antriebslosigkeit sowie verminderter Konzentrationsfähigkeit leidet (vgl. S. 41 des Gutachtens). Diese Einschränkungen haben bereits in der Vergangenheit im Rahmen seiner Ausbildung in Deutschland zu Beschwerden seines Chefs und einer Kündigungsandrohung geführt, da er müde und schwach sei (vgl. Niederschrift S. 2, Gutachten S. 35). Auch der Gutachter bestätigt, dass die berufliche Belastbarkeit des Klägers aufgrund der Depression eingeschränkt ist und er seiner Tätigkeit nur mit größeren Anstrengungen und Schwierigkeiten nachkommen kann (vgl. S. 56 des Gutachtens). Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich diese bereits in Deutschland manifestierten Probleme im Zusammenhang mit der beruflichen Belastbarkeit in Afghanistan unter den dort herrschenden äußerst prekären allgemeinen Lebensverhältnissen und den erheblich schwierigeren Bedingungen am Arbeitsmarkt potenzieren werden, so dass der Kläger dort – anders als in Deutschland – am Arbeitsmarkt nicht wird Fuß fassen können und seinen Lebensunterhalt nicht wird verdienen können. Dieser Einschätzung steht auch nicht entgegen, dass der Gutachter ausführt, dass der Kläger zum Untersuchungszeitpunkt tatsächlich keine ausreichende Behandlung durchgeführt hat. Denn die bereits mehrfach erwähnten erheblich schwierigeren Lebensumstände in Afghanistan lassen unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen nicht den Schluss zu, dass der Kläger in Afghanistan ohne ausreichende Behandlung wird arbeiten und damit überleben können. Überdies ist zu bedenken, dass der Gutachter – wie erläutert – eine Behandlung für objektiv dringend erforderlich hält und diese vom Kläger allein aus dem Grunde (vorübergehend) eingeschränkt (nicht abgebrochen) wurde, um die in Deutschland angetretene Lehrstelle nicht zu verlieren. Zudem hat er in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass die Einschränkung der Behandlung zu einer gesundheitlichen Verschlechterung geführt habe, woraufhin er sich wieder an seine Fachärztin gewandt habe und nunmehr ein neues Medikament regelmäßig einnehme.

Weiterhin ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger die erforderliche Behandlung, welche die Auswirkungen seiner Erkrankung abmildert, in Afghanistan nicht wird finanzieren können, falls diese dort überhaupt erhältlich sein sollte (vgl. zur fehlenden Behandlungsmöglichkeit: BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064; u.v. 17.3.2016 – 13a B 16.30007, jeweils juris). Das Gericht geht davon aus, dass es dem Kläger nicht möglich sein wird, das erforderliche Antidepressivum, aktuell Sertralin, sowie die erforderliche Überwachung der Konzentration des Medikaments im Blutplasma (und schon gar nicht eine ergänzende Psychotherapie), vgl. Gutachten S. 56, zusätzlich zu den erforderlichen Geldmittel zur Bestreitung des gewöhnlichen allgemeinen Lebensunterhalts – insbesondere angesichts der beschriebenen Einschränkungen der beruflichen Belastbarkeit – zu finanzieren. Zwar hat jeder Bürger nach der afghanischen Verfassung ein Anrecht auf freie medizinische Versorgung, allerdings gilt dies nur für die staatlichen Krankenhäuser und Einrichtungen, welche die kostenlose Versorgung stets nur im Rahmen der momentanen Verfügbarkeit anbieten können. So ist oftmals die medikamentöse Versorgung in diesen Einrichtungen stark eingeschränkt; die Krankenhausapotheken halten nur eine sehr limitierte Auswahl und Anzahl an Medikamenten kostenfrei vor. Aus diesem Grund muss in der täglichen Praxis oftmals der behandelnde Krankenhausarzt ein Rezept ausstellen, das in privaten Apotheken kostenpflichtig eingelöst werden muss (vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft in Kabul vom 29.4.2009; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung vom 5.4.2017, S. 4). Aufgrund dieser Erkenntnismittellage geht das Gericht davon aus, dass der Kläger das erforderliche Medikament und die ergänzende ärztliche Überwachung des Medikaments im Blutplasma in Afghanistan nicht kostenfrei erhalten wird, was im Übrigen auch mit der vom Gericht eingeholten Auskunft im vorliegenden Verfahren hinsichtlich der Medikamente Venlafaxin, Quetiapin und Zopiclon übereinstimmt (vgl. E-Mail der Deutschen Botschaft Kabul vom 31. Januar 2017). Aufgrund obiger Ausführungen ist schließlich auch nicht davon auszugehen, dass Familienangehörige den Kläger bei der Finanzierung der erforderlichen Behandlung unterstützen könnten.

Im Rahmen einer Gesamtschau steht damit vorliegend ernsthaft zu befürchten, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine ausweglose Lage geraten würde, die ihm nicht zugemutet werden kann. Ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG war daher unter Abänderung des Bescheides des Bundesamts vom 9. Dezember 2016 festzustellen.

Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 08.09.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.