Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 11. Apr. 2014 - 6 A 429/12

bei uns veröffentlicht am11.04.2014

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 514,81 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 vom Hundert über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Dezember 2011 zu zahlen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten für das Jahr 2008 um die Höhe der finanziellen Beteiligung der beklagten Gemeinde K am Finanzierungsbedarf für einen Platz in einer Kindertageseinrichtung des Klägers in der demselben Amt angehörenden Gemeinde A, der von einem Kind in Anspruch genommenen wurde, das im Gebiet der Beklagten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

2

Der Kläger betreibt in der Gemeinde A eine Kindertageseinrichtung, in der 2008 auch ein Kind gefördert wurde, das seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der beklagten Gemeinde hatte, in deren Gebiet keine Kindertageseinrichtung vorgehalten wurde. Letztere zahlte den vom Kläger insoweit errechneten Anteil der Wohnsitzgemeinde im Sinne des § 20 des Gesetzes zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kindertagesförderungsgesetz - KiföG M-V) nicht vollständig und berief sich darauf, dass wegen der sog. auswärtigen Unterbringung des betreffenden Kindes die dadurch entstandenen Mehrkosten gemäß § 21 Abs. 3 KiföG M-V nicht von ihr, sondern von den Eltern zu tragen seien. Der Kläger forderte die Beklagte außergerichtlich erfolglos zur Zahlung des entsprechenden Restbetrages auf.

3

Am 23. Dezember 2011 hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass § 21 Abs. 3 KiföG M-V hier nicht einschlägig sei. Die Vorschrift sei so zu verstehen, dass Eltern, die mit ihren Kindern ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einer amtsangehörigen Gemeinde hätten, ein Wahlrecht bezogen auf den gesamten Bereich des betreffenden Amtes zustehe, ohne dass sie gemäß § 21 Abs. 3 KiföG M-V Mehrkosten zu tragen hätten. Diese Wahlfreiheit der Eltern bezogen auf den gesamten Amtsbereich korrespondiere mit Einflussmöglichkeiten innerhalb des Amtes über die Amtsverwaltung oder den Amtsausschuss auch auf Entgeltverhandlungen im Sinne des § 16 KiföG M-V. Ginge man davon aus, dass § 21 Abs. 3 KiföG M-V hier eingreife, so seien die sog. Mehrkosten zudem fehlerhaft berechnet worden.

4

Der Kläger beantragt,

5

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 514,81 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Bei Auslegung des § 21 Abs. 3 KiföG M-V in dem vom Kläger beschriebenen Sinne wäre die Variante 1 bei amtsangehörigen Gemeinden überflüssig. Auch treffe es nicht zu, dass die anderen Gemeinden im Bereich eines Amtes Einflussmöglichkeiten bezogen auf die Entgeltverhandlungen nach § 16 KiföG M-V hätten, in die lediglich die Standortgemeinden (Belegenheitsgemeinden) einzubeziehen seien. § 21 Abs. 3 KiföG M-V sei daher so zu verstehen, dass die Eltern immer dann Mehrkosten zu tragen haben, wenn sie eine Kindertageseinrichtung wählen, bei der die Gemeinde des gewöhnlichen Aufenthalts keine Einflussmöglichkeiten bezogen auf die Entgeltverhandlungen im Sinne des § 16 KiföG M-V hat. Bei der Frage nach entsprechenden Mehrkosten sei bei Gemeinden, in denen keine Angebote im Sinne des 2 KiföG M-V vorgehalten werden, ausgehend von der Berücksichtigung von sozialräumlichen Gegebenheiten nach dem Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - abzustellen auf den betreffenden Sozialraum.

9

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 7. Januar 2014 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden sowie des Verfahrens 6 A 2039/11, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten, und den von der Beklagtenseite vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10

Die hier zulässige allgemeine Leistungsklage ist begründet.

11

Dem Kläger steht der geltend gemachte Leistungsanspruch gegen die beklagte Gemeinde aus § 20 KiföG M-V in der seinerzeit geltenden Fassung (des Gesetzes v. 12.07.2010, GVOBl. S. 369) zu. Diese Vorschrift ordnet Folgendes an: Soweit der Finanzierungsbedarf des in Anspruch genommenen Platzes in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege nach § 2 nicht vom Land und dem jeweiligen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 19 Abs. 1 und 2 gedeckt wird, hat die Gemeinde, in der das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, diesen in Höhe von mindestens 50 vom Hundert zu tragen. Nach § 20 KiföG M-V anspruchsberechtigt ist der Träger der Kindertageseinrichtung (vgl. auch Baulig/Deiters/Krenz, Kindertagesbetreuung in M-V, § 20 KiföG M-V, S. 4), verpflichtet die Gemeinde des gewöhnlichen Aufenthalts.

12

Dem daraus folgenden und durch die Beklagte nicht vollständig erfüllten Anspruch steht hier § 21 Abs. 3 KiföG M-V nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift haben die Eltern diejenigen Mehrkosten zu tragen, die dadurch entstehen, dass sie eine Kindertageseinrichtung oder Tagespflegeperson wählen, die nicht im Gebiet der Gemeinde des gewöhnlichen Aufenthalts (Variante 1) oder in dem Amtsbereich, zu dem diese Gemeinde gehört (Variante 2), liegt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

13

Dabei kann der Auffassung der Beklagten, § 21 Abs. 3 KiföG M-V sei so zu verstehen, dass die Eltern immer dann Mehrkosten zu tragen hätten, wenn sie eine Kindertageseinrichtung wählen, bei der die Gemeinde des gewöhnlichen Aufenthalts keine Einflussmöglichkeiten bezogen auf die Entgeltverhandlungen im Sinne des § 16 KiföG M-V hat, nicht gefolgt werden (diese Ansicht ablehnend auch OVG Greifswald, Beschl. v. 12.01.2011 – 1 L 255/08 -, wonach sich bezogen auf die „Problematik, zu einer Ausgleichsleistung verpflichtet zu werden, ohne auf die Höhe der Kosten Einfluss nehmen zu können, obwohl die Gemeinde den allgemeinen Betreuungsbedarf abdecken kann“, kein grundsätzlicher Klärungsbedarf besteht; mit den §§ 17, 20 i.V.m. § 3 Abs. 5 [Abs. 6 a.F.] KiföG M-V und dem dort geregelten Wahlrecht der Personensorgeberechtigten habe der Gesetzgeber eine klare Regelung getroffen). Diese Auslegung des § 21 Abs. 3 KiföG M-V hätte zur Folge, dass Eltern auch dann Mehrkosten zu tragen hätten, wenn die betreffenden Kinder in der Gemeinde ihres gewöhnlichen Aufenthalts gar nicht in einer Kindertageseinrichtung hätten betreut werden können und ihnen aus diesem Grunde von vornherein kein Wahlrecht im Sinne des § 21 Abs. 3 KiföG M-V zugestanden hätte.

14

Die Maßgeblichkeit von Sozialräumen im Rahmen des § 21 Abs. 3 KiföG M-V scheidet bereits wegen Verstoßes gegen das für Gesetze geltende Bestimmtheitsgebot aus.

15

Die Variante 1 des § 21 Abs. 3 KiföG M-V ist hier nicht einschlägig, weil eine Kinderbetreuung im Sinne des § 2 KiföG M-V mangels Angebots in der Gemeinde K als Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsgemeinde nicht möglich gewesen wäre. Deshalb wurde hier mangels Wahlmöglichkeit keine Kindertageseinrichtung „gewählt“, die außerhalb des Gebiets der Gemeinde des gewöhnlichen Aufenthalts lag.

16

Die Variante 2 des § 21 Abs. 3 KiföG M-V greift ebenfalls nicht ein, wobei im vorliegenden Fall sogar unentschieden bleiben kann, ob mit „Amtsbereich“ gemeint ist der Zuständigkeitsbereich des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (vgl. hierzu auch Baulig/Deiters/Krenz, Kindertagesbetreuung in M-V, § 21 KiföG M-V, Anm. 4, wonach die Vorschrift dem „Schutz der Gemeinden und der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe des gewöhnlichen Aufenthalts“ diene) oder der Bereich des Amtes im Sinne der §§ 125 ff. der Kommunalverfassung (KV M-V), zu dem die Gemeinde des gewöhnlichen Aufenthalts gehört (vgl. hierzu auch OVG Greifswald, Beschl. v. 16.05.2012 – 1 L 279/11 -, das von der Betreuung von Kindern aus Gemeinden im Amtsbereich des beklagten Amtsvorstehers bzw. Amtes spricht; in einem entsprechenden Sinne wird der Begriff Amtsbereich auch in OVG Schleswig, Urt. v. 18.12.1995 - 5 L 122/95 -, juris Rn. 13, verstanden). In beiden Konstellationen wäre hier nämlich keine Kindertageseinrichtung gewählt worden, die nicht in dem „Amtsbereich“ liegt, zu dem die beklagte Gemeinde des gewöhnlichen Aufenthalts gehört.

17

Den von Beklagtenseite geltend gemachten Verstoß gegen das Konnexitätsprinzip (Art. 72 Abs. 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern) vermag das Gericht bei der hier vorgenommenen Auslegung nicht zu erkennen. Der diesbezügliche pauschale Hinweis lässt bereits außer Acht, dass durch das neue Kindertagesförderungsgesetz die zuvor bestehende Aufgabe den Wohnsitzgemeinden (zuvor nach § 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 4 KitaG M-V) abgenommen wurde, für bedarfsgerechten Bestand und Ausbau von Einrichtungen und Diensten der Kindertagesförderung zu sorgen und den Platzanspruch der Kinder sicherzustellen. Mittlerweile ist diese Aufgabe nach dem Kindertagesförderungsgesetz, wie auch nach dem Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - vorgesehen, allein dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe übertragen worden. Auch dies wäre in eine Vergleichsberechnung zur Ermittlung höherer Kostenbelastung einzustellen (vgl. auch § 4 Abs. 3 KV M-V). Für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sieht das Gericht ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte.

18

Die Beklagte kann sich im vorliegenden Fall demnach nicht auf § 21 Abs. 3 KiföG M-V stützen, so dass es bei ihrer uneingeschränkten Verpflichtung aus § 20 Abs. 3 KiföG M-V bleibt, den Finanzierungsbedarf bezogen auf den hier in Anspruch genommenen Platz in der Kindertageseinrichtung des Klägers, soweit dieser nicht vom Land und dem jeweiligen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 19 Abs. 1 und 2 KiföG M-V gedeckt wird, in Höhe von mindestens 50 vom Hundert zu tragen. Dass der Betrag, der davon ausgehend mit der Klage geltend gemacht wird, von der Klägerin fehlerhaft errechnet ist, wird auch von der Beklagten nicht behauptet.

19

Für öffentlich-rechtliche Geldforderungen sind Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu entrichten, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht - wie hier - keine gegenteilige Regelung trifft (vgl. etwa OVG Greifswald, Urt. v. 28.08.2007 – 1 L 300/05 –, juris). Der Zinssatz beträgt danach für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO (vgl. hierzu auch VG Frankfurt [Oder], Urt. v. 19.06.2013 – 6 K 1008/10 –, juris; VG Schwerin, Urt. v. 25.08.2011 - 6 A 680/08 -; vgl. aber auch OVG Greifswald, Beschl. v. 16.05.2012 - 1 L 279/11 -). Die Vollstreckungsentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 11. Apr. 2014 - 6 A 429/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 11. Apr. 2014 - 6 A 429/12

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 11. Apr. 2014 - 6 A 429/12 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 188


Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in e

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 11. Apr. 2014 - 6 A 429/12 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 11. Apr. 2014 - 6 A 429/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 28. Aug. 2007 - 1 L 300/05

bei uns veröffentlicht am 28.08.2007

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 06. April 2005 - 6 A 77/04 - teilweise geändert: Der Beklagte zu 1. wird verpflichtet, die Gewährung der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin Frau L. T. (L

Referenzen

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 06. April 2005 - 6 A 77/04 - teilweise geändert:

Der Beklagte zu 1. wird verpflichtet, die Gewährung der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin Frau L. T. (L. T.), geboren am ..., ab Rechtskraft des Urteils in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin die zu Gunsten der Hilfeempfängerin Frau L. T. (L. T.) rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung für die Zeit vom 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles zu erstatten.

Gerichtskosten werden für das erstinstanzliche Verfahren nicht erhoben. Der Beklagte zu 1. trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das erstinstanzliche Verfahren zur Hälfte und seine eigenen außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens selbst. Die Klägerin trägt im erstinstanzlichen Verfahren die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. und die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten selbst.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 1. trägt die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt vom Beklagten zu 1. die Übernahme des Hilfefalles der Hilfeempfängerin Frau L. T. (L. T.) in dessen eigene Zuständigkeit und macht einen sozialhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruch für die von ihr in diesem Hilfefall aufgewandten Sozialhilfekosten geltend.

2

Die Hilfeempfängerin wurde am ... 1933 in Lublin/Polen geboren. Bei ihrer Mutter handelte es sich um Frau A. T., die am ... 1907 in P., Kreis Lublin, geboren worden war. Die Mutter besaß zunächst die polnische Staatsangehörigkeit. Die Hilfeempfängerin lebte wohl bis zum 24. Juli 1940 in Lublin im damaligen sogenannten "Generalgouvernement". Spätestens am 24. Juli 1940 beantragte die Mutter der Hilfeempfängerin ausweislich des Stammblattes Nr. ... bei der Einwandererzentralstelle Nord-Ost, Nebenstelle Lodz/Staatsangehörigkeitsstelle die Einbürgerung. Im Stammblatt ist vermerkt "Rassezugeh. arisch". Mit Verfügung vom 24. Juli 1940 wurde zur Nummer .../Äu verfügt, dass die Einbürgerung antragsgemäß zu vollziehen sei. In der Verfügung heißt es, für das Kind L. sei eine besondere Urkunde zu erstellen. Am 29. November 1940 bestätigte die Mutter den Erhalt der Einbürgerungsurkunde für ihre Tochter, die Hilfeempfängerin. Laut Abschrift der Einbürgerungsurkunde erwarb L. T. in Lublin, geboren am ... 1933 in Lublin, mit dem Zeitpunkt der Aushändigung der Urkunde die deutsche Staatsangehörigkeit (Reichsangehörigkeit) durch Einbürgerung. Vom 08. August 1940 datiert ein Dokument der Staatsangehörigkeitsstelle betreffend A. und L. T. unter Angabe des "Durchschleusungsortes" Lublin sowie des Wohnortes Lublin. Nach Maßgabe der vorliegenden Unterlagen erhielt die Mutter der Hilfeempfängerin einen sogenannten Rückkehrerausweis.

3

Gemäß Sterbeurkunde des Standesbeamten in Te. vom 19. August 1948 verstarb Frau A. T., wohnhaft in N.-G., am ... 1948 um 2.30 Uhr in N.-G.. Das Geburtsdatum der Verstorbenen wird mit dem ... 1907 angegeben. Weiter heißt es, die Verstorbene sei nicht verheiratet gewesen. Die entsprechende Eintragung erfolgte auf mündliche Anzeige der Totenkleiderin Frau L. V. in Te., die als Anzeigende bekannt sei und erklärt habe, aus eigener Wissenschaft von dem Sterbefall unterrichtet zu sein.

4

Unter dem 28. August 1948 bescheinigte der Bezirksarzt für den Bezirk Te... Dr. med. H. K... aus Te... in Mecklenburg, dass L. T. aus Te., N.-G. heimpflegebedürftig sei. Zur Vorgeschichte wurde u.a. angegeben, dass die Hilfeempfängerin ihren Namen nennen könne, nicht jedoch den Geburtstag und Geburtsort.

5

Mit Schreiben vom 21. Oktober 1948 beantragte der Rat der Stadt Te. beim Rat des Kreises Rostock die Heimaufnahme für L. T., geboren am ... 1933, "wohnhaft Te., N.-G.". Dabei wurde Bezug genommen auf einen Antrag der Gemeindeschwester A. P., Te.. Im Antrag heißt es, nachdem das Kinderhaus G. die Aufnahme der Hilfeempfängerin abgelehnt habe, werde gebeten, dieselbe in einem anderen Heim unterzubringen. Das Kind sei infolge eines Bombenangriffes geistesgestört, jedoch nur zeitweilig. Vielleicht werde es möglich sein, das Kind in U. unterzubringen. Da es unmöglich sei, L. T. in N.-G. weiterhin zu halten, werde dringend um Heimaufnahme gebeten. In der Anlage werde ein Rückkehrer-Ausweis der verstorbenen Frau T. sowie eine Pflegebedürftigkeitsbescheinigung übersandt.

6

Auf diesen Antrag hin erteilte der Rat des Kreises Rostock unter dem 30. Oktober 1948 die Genehmigung der Aufnahme der Hilfeempfängerin in der Heil- und Pflegeanstalt U. .

7

Daraufhin wandte sich der Rat der Stadt Te. mit Schreiben vom 15. November 1948 an die Heil- und Pflegeanstalt U. in Betreff "Heimaufnahme für das Kind L. T., geb. ...33, wohnhaft in Te., N.-G.": Auf Veranlassung des Kreissozialamtes werde das hilfsbedürftige Waisenkind L. T. aus Te., N.-G. zur Heimaufnahme nach U. überwiesen. Die Genannte werde am Freitag, den 19. November 1948 in der Pflegeanstalt abgeliefert werden.

8

Bei den dem Gericht vorliegenden Unterlagen findet sich eine entsprechende Wohnungsabmeldung bzw. "Abmeldung bei der polizeilichen Meldebehörde". Darin heißt es, die Hilfeempfängerin sei am 16. November 1948 nach U. in die dortige Pflegeanstalt verzogen. Letzte Wohnung sei Te., N.-G., gewesen. Als Staatsangehörigkeit ist vermerkt: "DR".

9

Am 20. November 1948 erfolgte die Aufnahme der Hilfeempfängerin in die Heil- und Pflegeanstalt U. . Von dort aus wurde sie am 05. September 1954 in das Krankenhaus für Psychiatrie Br. entlassen bzw. dort als Pflegefall aufgenommen. Dort, in der späteren Landesklinik Br. bzw. im heutigen A. Fachklinikum Br. lebt die körperlich (Taubheit) und geistig behinderte Hilfeempfängerin seit ihrer Aufnahme.

10

Ihr wurde, wie bereits zuvor jedenfalls seit 1991, seit dem 01. Januar 1995 Hilfe in besonderen Lebenslagen als Eingliederungshilfe nach den §§ 27 Abs. 2 und 3, 39 Abs. 1, 40 Abs. 1 BSHG a.F. und wohl seit Januar 2005 nach den entsprechenden Vorschriften des SGB XII gewährt, zunächst vom Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg und ab Januar 1996 bis heute von der Klägerin.

11

Mit Schreiben vom 11. Juli 2000 wandte sich die Klägerin an die Stadt Te. zwecks Aktenübergabe und Anmeldung eines Erstattungsanspruchs betreffend die Hilfeempfängerin. Die Hilfeempfängerin erhalte seit 1991 Sozialhilfeleistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte in der Einrichtung Landesklinik Br. und habe den gewöhnlichen Aufenthalt vor der ersten Heimaufnahme im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern begründet; als Anschrift sei Te. ermittelt worden. Die Klägerin beabsichtige, die Hilfegewährung entsprechend § 2 Abs. 3 SGB X bis zum Ende des Monats August 2000 fortzuführen und bitte um Übernahme des Falles bis zum 01. September 2000. Sie melde Kostenerstattung gemäß § 2 Abs. 3 SGB X i.V.m. § 102 Abs. 2 SGB X ab 27. Juni 1993 bis zum Ende der Leistungsgewährung an.

12

Mit Schreiben vom 18. Juli 2000 erklärte die Stadt Te. im Namen des Beklagten zu 1., die Hilfeempfängerin sei nicht in Te. gemeldet gewesen. Eine Kostenübernahme könne nicht stattfinden. Mit Schreiben vom 02. November 2000 bat die Klägerin die Stadt Te. nochmals um Prüfung der Zuständigkeit zur Übernahme des Hilfefalles. Unter dem 15. November 2000 übersandte die Stadt Te... die Akte der Hilfeempfängerin zur weiteren Bearbeitung an den Beklagten zu 1. Der Beklagte zu 1. wandte sich mit Schreiben vom 24. Januar 2001 an den Beklagten zu 2. und teilte mit, man habe die Unterlagen zur Übernahme des Hilfefalles in die Zuständigkeit des Beklagten zu 1. und gleichzeitig den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin für die Hilfeempfängerin geprüft. Der Beklagte zu 1. halte die Krankenblätter als Nachweis für den gewöhnlichen Aufenthalt vor Heimaufnahme für nicht ausreichend. Weitere Ermittlungen seien erfolglos geblieben.

13

Am 27. Dezember 2000 hat die Klägerin - zunächst nur gegen den Beklagten zu 2. - wegen Kostenerstattung gemäß § 2 Abs. 3 SGB X Klage erhoben (Az. 6 A 3107/00 VG Schwerin). Den Beklagten zu 1. hat sie mit am 19. Juni 2002 eingegangenen Schriftsatz in das Verfahren einbezogen.

14

Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen,

15

die Hilfeempfängerin habe ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor Heimaufnahme in N.-G. bei Te., Land Mecklenburg-Vorpommern, mithin im Bereich des Beklagten zu 1. gehabt. Seitdem habe sich die Hilfeempfängerin ununterbrochen in Einrichtungen aufgehalten. Folglich habe sie auch keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Mit Wirksamwerden des § 97 Abs. 2 BSHG n.F. sei der Beklagte örtlich zuständig geworden. Im Hinblick auf das Vorbringen des Beklagten zu 1., dass der gewöhnliche Aufenthalt der Hilfeempfängerin im Landkreis Bad Doberan vor Aufnahme in eine Einrichtung von der Klägerin nicht substantiiert dargestellt worden sei, werde darauf hingewiesen, dass dem Amt für Soziales und Wohnen der Klägerin als Beweis lediglich die Kopie des Krankenblattes der Heil- und Pflegeanstalt U. vorliege. Aus diesem gehe hervor, das der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Hilfeempfängerin vor Aufnahme in die Pflegeanstalt Te. in N.-G. gewesen sei. Andere Beweise könnten hierzu nicht beigebracht werden. Bezüglich der Anmeldung des Kostenerstattungsanspruchs greife der Grundgedanke des § 5 Abs. 2 BSHG Platz.

16

Die Klägerin habe gegen den Beklagten zu 1. einen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X. Sie sei gemäß den §§ 2 Abs. 1, 2a AG-BSHG Brandenburg i.V.m. § 100 Abs. 1 BSHG sachlich zuständig für Hilfe in besonderen Lebenslagen für die in § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG genannten Personen, wenn es wegen deren Behinderung oder Leidens erforderlich sei, die Hilfe in einer Einrichtung zu erbringen. Die Hilfeempfängerin gehöre zu diesem Personenkreis; sie erhalte Hilfe in besonderen Lebenslagen. Wegen ihrer Behinderung sei es erforderlich, die Hilfe stationär zu erbringen. Die Klägerin sei auch aktivlegitimiert.

17

Mit am 30. November 2001 eingegangenem Schriftsatz vom 19. November 2001 hat die Klägerin ihren Kostenerstattungsanspruch für die Zeit vom 01. Januar 1996 bis zum 30. Juni 2001 nach Maßgabe einer kurzen Berechnung beziffert. Im Zeitraum vom 01. Januar 1995 bis zum 28. Februar 2001 seien ihr Kosten in Höhe von 337.275,33 DM entstanden.

18

Nach einer entsprechenden Klageänderung mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2003 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 12. Januar 2004 - 6 A 3107/00 - getrennt und die Klage, soweit sie nunmehr allein gegen den Beklagten zu 1. gerichtet worden ist, unter dem Az. 6 A 77/04 fortgeführt. Ferner hat das Verwaltungsgericht das Verfahren zum Az. 6 A 3107/00 wegen der sinngemäßen Rücknahme der Klage gegen den Beklagten zu 2. eingestellt.

19

Mit am 30. Dezember 2004 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag hat die Klägerin ihre Klage erweiternd erneut gegen den Beklagten zu 2. als weiteren Beklagten gerichtet. Ihrem am 06. Januar 2005 eingegangenen Schriftsatz im Original hat die Klägerin Kostenaufstellungen für die Jahre 1999 bis August 2004 beigefügt. Es ergebe sich ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 174.560,49 Euro.

20

Zuletzt hat die Klägerin beantragt,

21

den Beklagten zu 1., den Landkreis Bad Doberan, zu verurteilen, die Gewährung der Sozialhilfe an die Hilfeempfängerin L. T., geboren am ... 1933, unverzüglich in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen,

22

festzustellen, dass der Beklagte zu 1., der Landkreis Bad Doberan, verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, die rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin L. T. für die Zeit vom 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu erstatten,

23

festzustellen, dass der Beklagte zu 2., das Land Mecklenburg-Vorpommern, verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, die rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin L. T. für die Zeit vom 01.07.1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu erstatten

24

Im Übrigen hat die Klägerin - wie schon zuvor schriftsätzlich - in der mündlichen Verhandlung die Klage für Leistungszeiträume vor dem 01. Juli 1999 zurückgenommen.

25

Der Beklagte zu 1. hat beantragt,

26

die Klage abzuweisen.

27

Der Beklagte zu 2. hat beantragt,

28

die Klage abzuweisen.

29

Der Beklagte zu 2. hat im Wesentlichen vorgetragen,

30

der Klägerin stünden die Ansprüche auf Übernahme der Hilfegewährung und Kostenerstattung aus § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X gegen das beklagte Land nicht zu. Der Beklagte zu 2. sei nicht passivlegitimiert. Die Klägerin sei zudem im Hinblick auf die Zuständigkeitsbestimmungen des Landes Brandenburg nicht aktivlegitimiert.

31

Mit Urteil vom 06. April 2005 - 6 A 77/04 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

32

Soweit die Klage zurückgenommen worden sei, sei das Verfahren einzustellen.

33

Soweit der Beklagte zu 2. auf Kostenerstattung in Anspruch genommen werde, sei dieser bereits nicht zuständig für die begehrte Kostenerstattung. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald sei der überörtliche Träger der Sozialhilfe für die Erfüllung von Kostenerstattungsansprüchen nach § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1991/§ 2 Abs. 3 Satz 3 SGB X nicht passivlegitimiert, und zwar auch, soweit es um Zeiträume gehe, die vor dem 01. Januar 2002 lägen.

34

Aber auch die Klage gegen den Beklagten zu 1. - für den Beklagten zu 2. gelte dies ebenso - habe keinen Erfolg. Der Beklagte zu 2. habe den Hilfefall weder in eigene Zuständigkeit zu übernehmen, noch sei er zur Kostenerstattung für die Sozialhilfekosten verpflichtet. Die Hilfeempfängerin habe nicht im Sinne von § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Aufnahme in einer Einrichtung oder in den letzten zwei Monaten vor Aufnahme im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu 2. gehabt. Das Gericht sei auf der Grundlage der durch die Beteiligten beigebrachten Unterlagen nicht hinreichend davon überzeugt, dass die damals noch minderjährige Hilfeempfängerin bis unmittelbar vor der von dann an ununterbrochenen fortdauernden Unterbringung in brandenburgischen Einrichtungen nach Maßgabe des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Gebiet des heutigen Beklagten zu 1. (oder Beklagten zu 2.) gehabt habe. Das Verwaltungsgericht führt dies ausführlich mit Blick auf die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebene Aktenlage aus. Diese nachhaltenden Zweifel am letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Hilfeempfängerin vor der Heimaufnahme auf dem Gebiet des heutigen Beklagten zu 1. - entsprechendes gelte auch für das Gebiet des Beklagten zu 2. - gingen zu Lasten der dafür nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast nachweispflichtigen Klägerin. Anhaltspunkte für eine weitergehende Amtsermittlung sehe das Gericht nicht.

35

Das Urteil wurde der Klägerin am 28. Juni 2005 zugestellt.

36

Am 27. Juli 2005 hat die Klägerin Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und diesen Antrag mit am 26. August 2005 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie hat dabei umfangreiche Unterlagen zum Schicksal bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin vor und nach ihrer erstmaligen Aufnahme in einer Einrichtung vorgelegt.

37

Mit Beschluss vom 05. Juni 2007 hat der Senat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 06. April 2005 - 6 A 77/04 - zugelassen, soweit mit dem Urteil die Klage gegen den Beklagten zu 1. abgewiesen worden ist, hingegen, soweit mit dem Urteil die Klage gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen worden ist, den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Der Beschluss ist der Klägerin am 13. Juni 2007 zugestellt worden.

38

Mit am 09. Juli 2007 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin Fristverlängerung bis zum 31. Juli 2007 zur Abgabe der Berufungsbegründung beantragt, die entsprechend bewilligt wurde. Mit am 31. Juli 2007 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin ihre Berufung begründet.

39

Sie trägt im Wesentlichen vor,

40

die Berufung sei begründet, weil das erstinstanzliche Urteil zu Unrecht gegenüber dem Beklagten zu 1. sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht Ansprüche der Klägerin wegen fehlenden gewöhnlichen Aufenthaltes negiere. Die Klägerin habe sowohl einen Kostenerstattungsanspruch als auch einen Anspruch auf Übernahme des Hilfefalles.

41

Auf der Grundlage der inzwischen vorgelegten Unterlagen lasse sich vom rechtlichen wie tatsächlichen her ein gewöhnlicher Aufenthalt der damals minderjährigen Hilfeempfängerin L. T. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu 1. bejahen. Das Verwaltungsgericht habe zudem die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Klägerin überdehnt. Ausschlaggebend sei insbesondere, dass sich die Hilfeempfängerin nach Aktenlage mehrere Monate und damit einen längeren Zeitraum im Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufgehalten habe; eine längere tatsächliche Verweildauer reiche regelmäßig zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes aus. Die Hilfeempfängerin sei damals minderjährig gewesen. Demnach habe nur derjenige den Aufenthalt bestimmen können, der auch die Personensorge nach § 1626 BGB für das geschäftsunfähige Kind gemäß § 104 Nr. 2 BGB ausgeübt habe. Der damalige Kreis Rostock habe den Aufenthaltsort für das Kind bestimmt und per Erklärung auch die Kosten für die Unterbringung übernommen.

42

Der geltend gemachte Prozesszinsanspruch ergebe sich aus den §§ 288, 291 BGB analog. Für den Zeitraum vom 01. Juli 1999 bis August 2004 habe sie mit am 06. Januar 2005 dort eingegangenem Schriftsatz vom 30. Dezember 2004 dem erstinstanzlichen Gericht die monatlichen Sozialhilfeaufstellungen für den sogenannten Zeitraum überreicht, sodass für diesen Teilbetrag des Kostenerstattungsanspruchs in Höhe von insgesamt 169.309,65 Euro der Prozesszinsanspruch auch ab diesem Zeitpunkt, nämlich dem 06. Januar 2005 entstanden sei. Denn wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 22. Februar 2001 - 5 C 34.00 - ausführe, reiche es im Rahmen einer Feststellungsklage für das Zusprechen von Prozesszinsen aus, dass der Kläger seine aufgewendeten Kosten nach Zeit und Betrag genauestens substantiiert habe, sodass der Umfang der Geldleistung - wie hier für den vorgenannten Zeitraum - jederzeit rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden könne. Abweichende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtslage bei der Verpflichtungsklage sei vorliegend nicht übertragbar.

43

Einwände gegen die mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2004 überreichten monatlichen Kostenaufstellungen habe der Beklagte nicht geltend gemacht.

44

Mit Schriftsatz vom 15. August 2007 hat die Klägerin die erbrachten Leistungen auf 282.774,53 Euro für den Zeitraum 07/1999 bis 30.04.2007 beziffert.

45

Die Klägerin beantragt,

46

1. den Beklagten zu 1. zu verurteilen, die Gewährung der Sozialhilfe an die Hilfeempfängerin L. T., geb. am ... 1933, unverzüglich in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen,

47

2. in Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 06. April 2005 festzustellen, dass der Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin die rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin L. T. für die Zeit vom 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles nebst 4 % Zinsen (aus 177.326,00 Euro) seit Rechtshängigkeit (seit dem 06.01.2005) zu erstatten.

48

Der Beklagte zu 1. beantragt,

49

die Berufung zurückzuweisen,

50

und trägt vor,

51

auch die neu vorgelegten Unterlagen erbrächten nicht den hinreichenden Nachweis dafür, dass die Hilfeempfängerin vor erstmaliger Aufnahme in einer Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich begründet habe. Selbst wenn von einem tatsächlichen Aufenthalt der Hilfeempfängerin auszugehen gewesen wäre, fehle es an der für den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I erforderlichen subjektiven Komponente. Grundsätzlich komme es bei Minderjährigen, erst recht bei geistig behinderten Menschen auf den Willen der Sorgeberechtigten an. Bezüglich der Mutter werde nun behauptet, dass diese am ... 1948 in N.-G. verstorben sei. Hieraus solle wohl der Wille der Mutter der Hilfeempfängerin zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts geschlossen werden. Als Beweis für diese Behauptung werde in Kopie eine Sterbeurkunde datiert vom 19. August 1948 vorgelegt. Diese Sterbeurkunde habe jedoch bezüglich des gewöhnlichen Aufenthalts der Hilfeempfängerin keinerlei Beweiskraft. Aus ihr ergebe sich lediglich, dass am ...1948 eine Frau namens A. T. aus N.-G. verstorben sei. Ausgestellt worden sei diese Urkunde aufgrund der mündlichen Anzeige der Frau L. V. aus Te.. Aus der Urkunde gehe nicht hervor, dass es sich hier um die Mutter der Hilfeempfängerin gehandelt habe. Ebenso gut habe es sich um eine Verwandte handeln können. Wie das Verwaltungsgericht bereits ausgeführt habe, bestünden auf Grund der Herkunft der Hilfeempfängerin Zweifel, ob der Name T. überhaupt der wirkliche Name der Hilfeempfängerin sei, sodass es auch möglich sei, dass die Hilfeempfängerin überhaupt nicht mit der A. T. verwandt sei. Da auch weiterhin offen bleibe, ob statt auf den Willen der Eltern auf den eines bestellten Vormunds habe zurückgegriffen werden können, müsse auf den tatsächlichen Willen der damals noch minderjährigen Hilfeempfängerin zurückgegriffen werden. Wie bereits in der Urteilsbegründung auf Seite 9 richtig herausgearbeitet worden sei, dürfte die Willensbildung zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts bei einem zumindest zeitweilig geistig behinderten Mädchen prinzipiell schwer nachvollziehbar sein. Dass ein solcher Wille der Hilfeempfängerin, sich überhaupt bzw. weiterhin in N.-G. zukunftsoffen bis auf weiteres aufzuhalten, wenig wahrscheinlich sei, gehe aus den Akten hervor. Dort heiße es, dass es unmöglich sei, die Hilfeempfängerin weiterhin in N.-G. zu halten. Dies spreche gegen den tatsächlichen Willen der Hilfeempfängerin, in N.-G. ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. Die materielle Beweislast liege bei der Klägerin.

52

Der Beklagte zu 1. hat zudem die Höhe der geltend gemachten Kosten mangels Vorliegen entsprechender Nachweise bestritten. Bei der Kostenentscheidung müsse berücksichtigt werden, dass die Nachweise zum gewöhnlichen Aufenthalt erst im Zulassungsverfahren vorgelegt worden seien und der Beklagte für das Berufungsverfahren keinen Anlass gegeben habe.

53

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

54

Die zulässige Berufung der Klägerin hat - soweit sie durch den Senat zugelassen worden ist - im Wesentlichen Erfolg.

55

Gegenstand der Berufung ist nach ihrer nur teilweisen Zulassung - nur soweit sie gegen den Beklagten zu 1. gerichtet ist - zum einen das Begehren der Klägerin, ihrer Leistungsklage gerichtet auf Verurteilung des Beklagten zu 1. zur Übernahme des Hilfefalles in eigene Zuständigkeit möge stattgegeben werden. Zum anderen begehrt sie mit ihrer Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens eines Kostenerstattungsanspruchs dem Grunde nach für den Leistungszeitraum ab dem 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles nebst Zinsen in näher bezeichneter Höhe.

56

Die Berufung ist im Wesentlichen hinsichtlich des Anspruchs auf Übernahme des Hilfefalles (1.) und des auf Feststellung des Anspruchs auf Kostenerstattung dem Grunde nach gerichteten Begehrens (2.) begründet; unbegründet ist sie hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Zinsforderung (3.).

57

1. Die zulässige allgemeine Leistungsklage gerichtet auf Verurteilung des Beklagten zu 1. zur Übernahme des Hilfefalles in die eigene Zuständigkeit ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1. einen Anspruch darauf, dass dieser die Gewährung der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin Frau L. T. (L. T.), geb. am ...1933, ab Rechtskraft des Urteils in die eigene Zuständigkeit übernimmt.

58

Anspruchsgrundlage für das Übernahmebegehren der Klägerin ist § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Hat die örtliche Zuständigkeit gewechselt, muss nach dieser Vorschrift die bisher zuständige Behörde die Leistungen noch solange erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Dieser Norm ist nicht nur zu entnehmen, dass die bisher örtlich zuständige Behörde dem Hilfeempfänger gegenüber zur Leistung verpflichtet bleibt. Mit dieser Verpflichtung geht vielmehr der Anspruch einher, von der örtlich zuständig gewordenen Behörde die Fortsetzung der Leistung und mithin die Übernahme des Hilfefalles in die eigene Zuständigkeit verlangen zu können. Anderenfalls hätte es die zuständig gewordene Behörde in der Hand, hinsichtlich der Übernahme durch schlichtes Unterlassen die gesetzliche Zuständigkeitsordnung zu umgehen und die bisher zuständige Behörde bei fortdauernder Belastung mit dem Verwaltungsaufwand für den Hilfefall auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X zu verweisen.

59

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X liegen nach Überzeugung des Senats vor.

60

Die örtliche Zuständigkeit für die zur Zeit durch die Klägerin an Frau L. T. erbrachten Leistungen der Sozialhilfe hat durch Art. 7 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I 944) gewechselt. Nach dem bis dahin geltenden § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG a.F. war für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende tatsächlich aufhielt. Es galt das reine Aufenthaltsprinzip. Ab dem In-Kraft-Treten des FKPG zum 27. Juni 1993 (vgl. Art. 43 Abs. 1 FKPG) wurde in § 97 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BSHG bestimmt, dass für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat (Satz 1). War bei Einsetzen der Sozialhilfe der Hilfeempfänger aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Hilfebeginn ein solcher Fall ein, dann ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend (Satz 2).

61

Dass die Hilfeempfängerin stationärer Hilfe bedurfte und bedarf, kann nach Aktenlage nicht zweifelhaft sein. Die Hilfeempfängerin befindet sich seit 1948 ununterbrochen in einer Einrichtung bzw. stationärer Unterbringung. Das Bild der hierfür ursächlichen Behinderung der Hilfeempfängerin ergibt sich insbesondere aus dem Sachstandsbericht und Hilfeplan vom 18. Mai 1999. Am 10. Juni 1998 wurde zudem eine Abhängigkeit von Unterstützung und Hilfe im Klinikrahmen unter dem Blickwinkel des Hospitalismus festgestellt. Der Beklagte zu 1. hat diesbezüglich unsubstantiiert formulierte Zweifel in der mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt.

62

Die örtliche Zuständigkeit hat am 27. Juni 1993 vom sachlich zuständigen Sozialhilfeträger am tatsächlichen Aufenthaltsort der Hilfeempfängerin in Br. - der Klägerin - nach Maßgabe dieser Bestimmung zum sachlich zuständigen Sozialhilfeträger für den Ort N.-G., Te., in Mecklenburg-Vorpommern, - dem Beklagten zu 1. - gewechselt. Die Hilfeempfängerin hatte nach Überzeugung des Senats im Zeitpunkt der Aufnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt in N.-G., Te., in Mecklenburg-Vorpommern gehabt.

63

Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist dabei, da sich aus dem Bundessozialhilfegesetz nichts Abweichendes ergab (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB I), auf § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.09.2002 - 5 C 46.01 -, NVwZ 2003, 616; 18.05.2000 - 5 C 27.99 -, BVerwGE 111, 213 - jeweils zitiert nach juris). Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Zur Begründung eines "gewöhnlichen Aufenthalts" ist ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich; es genügt vielmehr, dass der Betreffende sich an dem Ort oder in dem Gebiet "bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehung hat (vgl. zum Ganzen Urt. des Senats v. 18.09.2003 - 1 L 124/03 -, juris).

64

Im vorliegenden Fall ist bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes zu berücksichtigen, dass die Hilfeempfängerin 1933 geboren ist und folglich im Jahre 1948 minderjähriges Kind war.

65

Der gewöhnliche Aufenthalt bei Kindern bestimmt sich in der Regel, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der minderjährige Hilfeempfänger einen davon abweichenden gewöhnlichen Aufenthalt oder einen abweichenden tatsächlichen Aufenthalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.09.2002 - 5 C 46.01 -, NVwZ 2003, 616, zitiert nach juris) genommen hat, zunächst nach dem Aufenthalt der Eltern bzw. nach dem Aufenthalt des mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils. Auch ansonsten kommt es grundsätzlich für die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts von Kindern auf den Willen der Eltern bzw. des Aufenthaltsbestimmungsberechtigten an, soweit der Ausführung des Willens nicht objektive Umstände entgegenstehen (BVerwG, Urt. v. 26.09.2002 - 5 C 46.01 -, NVwZ 2003, 616; Urt. v. 15.05.1986 - 5 C 68.94 -, BVerwGE 74, 206 - jeweils zitiert nach juris; VG Meiningen, Urteil vom 07.02.1996 - 8 K 627/94 -, zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen auch Urt. des Senats v. 18.09.2003 - 1 L 124/03 -, juris).

66

Als Umstände, welche die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts erkennen lassen, sind grundsätzlich sowohl subjektive als auch objektive Elemente heranzuziehen. Für das subjektive Element ist dabei nicht ein rechtserheblicher, sondern der tatsächliche, ausdrücklich oder konkludent geäußerte Wille maßgeblich. Ist der Betreffende nicht fähig, einen entsprechenden Willen zu bilden oder ist er an einer solchen Willensbildung durch objektive Gegebenheiten gehindert, scheitert indes daran die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht. Vielmehr sind in solchen Fällen, wenn auch nicht auf die Willensbildung des gesetzlichen Vertreters oder Betreuers abgestellt werden kann, die objektiven Umstände i.S.v. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I allein entscheidend (vgl. zum Ganzen VG Aachen, Urt. v. 21.12.2006 - 2 K 3116/03 -, juris, m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 26.09.2002 - 5 C 46.01 -, NVwZ 2003, 616). Die Bestimmung eines Aufenthalts als gewöhnlicher Aufenthalt und dessen Abgrenzung zu einem Aufenthalt nur vorübergehenden Charakters hat dann maßgeblich nach den "tatsächlichen Umständen", d.h. nach objektiven Gesichtspunkten zu erfolgen. Dem inneren Willen und der (subjektiven) Absicht des Hilfesuchenden kommt demgegenüber eine nur untergeordnete Rolle zu (vgl. VG Cottbus, Urt. v. 11.05.2006 - 5 K 118/02 -, juris, m.w.N.).

67

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ergibt sich auf der Basis der vorliegenden Unterlagen folgendes:

68

Hinsichtlich der Identität der Hilfeempfängerin bestehen keine vernünftigen Zweifel, dass es sich bei ihr um die zusammen mit ihrer Mutter A. T. am 29. November 1940 eingebürgerte, am ...1933 geborene L. T. handelt, wobei die Schreibweise des Namens später offensichtlich wechselte. Eine inzwischen vorliegende, am 19. August 1948 in Te. ausgestellte Sterbeurkunde gibt den Namen der Verstorbenen mit A. T., ihr Geburtsdatum mit dem ...1907 und als Geburtsort P. an. Diese Angaben stimmen überein mit den Angaben über die Mutter im Einbürgerungsverfahren. Es bestehen daher schon hiervon ausgehend keine Zweifel, dass es sich bei der Verstorbenen um die am 29. November 1940 eingebürgerte Frau A. T. handelte. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann ausgeschlossen werden, dass es sich bei der Verstorbenen um einen Fall von zufälliger Gleichheit des Namens, des Geburtsdatums und des Geburtsortes handelt. Die Identität der Frau A. T. räumt inzwischen auch der Beklagte zu 1. im Hinblick auf die Bestätigung einer Zeitzeugin ein.

69

Handelte es sich aber bei der Verstorbenen um die eingebürgerte Frau A. T., kann in der Hilfeempfängerin zweifellos ihre Tochter L. T. (L. T.) erkannt werden, die sich - entsprechend aller Wahrscheinlichkeit - als minderjährige Tochter offenkundig bei ihrer Mutter aufgehalten hat. Die Hilfeempfängerin hat ihren Namen selbst zudem so angegeben und wurde - soweit dem Senat hierzu Unterlagen vorliegen - ebenso von allen Personen und staatlichen Stellen, die nach dem Tod der Mutter aktenkundig mit ihr in Berührung kamen, entsprechend namentlich bezeichnet. Es liegt anders gewendet außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass sich ein anderes Kind einfach den Namen der Tochter der am selben Ort verstorbenen Frau A. T. beigelegt hätte und entsprechend von den damals vor Ort befindlichen Personen und Behörden namentlich benannt worden wäre.

70

Ebensowenig bestehen vernünftige Zweifel daran, dass die Mutter Frau A. T. in N.-G., Te., im Gebiet des Beklagten zu 1. wohnhaft war bzw. dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Eine entsprechende Angabe findet sich in der Sterbeurkunde. Sie ist zudem in N.-G. verstorben. Auch der Beklagte hat durch eigene Ermittlungen diesen Sachverhalt inzwischen bestätigt.

71

Daraus wiederum folgt, dass Frau A. T. bis zu ihrem Tod am ...1948 zusammen mit ihrer Tochter, letztere auf der Grundlage des der Mutter zukommenden Aufenthaltsbestimmungsrechts, ihren tatsächlichen und gewöhnlichen Aufenthalt in N.-G., Te., begründet hatte.

72

Am 20. November 1948, also gut drei Monate später, ist die Hilfeempfängerin dann erstmals in einer Einrichtung, der Heil- und Pflegeanstalt U., aufgenommen worden.

73

Dass der zuvor durch die Mutter für die Hilfeempfängerin in N.-G., Te., begründete gewöhnliche Aufenthalt sich bis zum Zeitpunkt der Aufnahme noch einmal geändert haben könnte, ist nicht ersichtlich. Zum einen bestand die mütterliche Aufenthaltsbestimmung für die Tochter auch nach dem Tod der Mutter "bis auf Weiteres", also bis zu dem Zeitpunkt einer neuen Aufenthaltsbestimmung durch einen dazu rechtlich Befugten, nach Auffassung des Senats fort. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die in ihren geistigen Fähigkeiten schwer beeinträchtigte Hilfeempfängerin willens oder überhaupt dazu in der Lage gewesen wäre, für sich selbständig einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt zu bestimmen. Wenn der Beklagte zu 1. darauf verweist, in den Akten heiße es, die Hilfeempfängerin sei unmöglich weiter in N.-G. "zu halten", und daraus schlussfolgern will, die Hilfeempfängerin habe den starken Willen gehabt, den Ort zu verlassen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Angesichts der Gesamtumstände - Nachkriegszeit, Tod der Mutter, schwere geistige und gesundheitliche Beeinträchtigung der Hilfeempfängerin - muss die entsprechende Formulierung so verstanden werden, dass damit gesagt sein sollte, die Hilfeempfängerin könne in N.-G. nicht im erforderlichen Maße ihren Bedürfnissen entsprechend versorgt und gepflegt werden.

74

Zum anderen zwingen - mit der vorstehenden Erwägung im Ergebnis übereinstimmend - maßgeblich und selbständig tragend die sich aus den vorliegenden Unterlagen ergebenden objektiven Gesichtspunkte zu der Annahme, dass der gewöhnliche Aufenthalt der Hilfeempfängerin am bisherigen Ort des gewöhnlichen Aufenthalts bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme fortbestand. Aus den schriftlichen Äußerungen sämtlicher staatlicher Stellen aus der damaligen Zeit geht hervor, dass die Hilfeempfängerin nach dem Tod der Mutter weiter in N.-G., Te., wohnhaft blieb bzw. sich dort tatsächlich aufhielt und auch - nach dem Willen der eingeschalteten staatlichen Stellen - solange aufhalten sollte, bis eine - erforderliche - anderweitige Unterbringung für sie gefunden war. Unmittelbar vor der Heimaufnahme heißt es insbesondere in dem Schreiben des Rates der Stadt Te. vom 15. November 1948 noch einmal, dass die Hilfeempfängerin am 19. November 1948 "aus Te., N.-G. zur Heimaufnahme nach U. überwiesen" werde. Dass die Hilfeempfängerin "bis auf Weiteres" vor Ort in Te. blieb, erscheint auch naheliegend. Es ist nicht ersichtlich, dass die Hilfeempfängerin zwischenzeitlich bei irgendwelchen - unbekannten - Verwandten hätte untergebracht werden können. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es die staatlichen Stellen bis zur Klärung ihrer weiteren Unterbringung und Versorgung bei dem gewöhnlichen Aufenthalt in N.-G., Te., beließen, wo sich anscheinend die Gemeindeschwester P. um sie kümmerte.

75

Nach alledem bestehen für den Senat keine vernünftigen Zweifel, dass die Hilfeempfängerin im Zeitpunkt der Aufnahme ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu 1. hatte; dies gilt erst recht unter Berücksichtigung des Aspekts, dass angesichts der naturgemäßen Schwierigkeiten der Sachverhaltsaufklärung insoweit die Anforderungen an den Nachweis des gewöhnlichen Aufenthalts nicht überspannt werden dürfen (vgl. VG Saarlouis, Urt. v. 29.11.2002 - 4 K 275/00 -, juris).

76

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Hilfeempfängerin später noch einmal anderenorts einen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb einer Einrichtung im Sinne von § 97 Abs. 4 BSHG (vgl. §109 BSHG) begründet haben könnte.

77

Der Anspruch auf Übernahme des Hilfefalls in die eigene Zuständigkeit ist gegen die Behörde zu richten, die zum jetzigen Zeitpunkt örtlich und sachlich für die Hilfegewährung zuständig ist. Dies ist nach § 3 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII-AG M-V) vom 20. Dezember 2004 (GVOBl. M-V S. 546) wie schon nach dem Gesetz zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes (AG-BSHG) vom 17.12.2001 (GVOBl. S. 612) i.V.m. den §§ 39 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG bzw. den §§ 53 ff., 97 SGB XII seit dem 01. Januar 2002 der Beklagte zu 1. als örtlicher Träger der Sozialhilfe.

78

2. Auch die Feststellungsklage hinsichtlich des Bestehens eines Kostenerstattungsanspruchs dem Grunde nach für die von der Klägerin zu Gunsten der Hilfeempfängerin Frau L. T. (L. T.) rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung und für den Leistungszeitraum ab dem 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles ist zulässig und begründet.

79

§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Zwar ist für eine Feststellungsklage grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis zu versagen bzw. ist diese subsidiär, wenn die Erhebung einer Leistungsklage möglich ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt aber in den Fällen vor, in denen die Ausführung des Urteils durch den Schuldner - wie bei Behörden wegen der verfassungsrechtlichen Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) - mit Sicherheit auch ohne einen vollstreckbaren Titel zu erwarten ist. Dann ist - wie im vorliegenden Fall - die Feststellungsklage als eine der Leistungsklage gleichwertige Rechtsschutzform anzuerkennen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2001 - 5 C 34.00 -, BVerwGE, 114, 61; vom 28.05.1998 - 2 C 28.97 -, NJW 1998, 3368 - jeweils zitiert nach juris; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Urt. v. 30.05.2007 - 1 L 539/04 -).

80

Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Kostenerstattung für den Leistungszeitraum vom 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles ist § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X.

81

Hat die örtliche Zuständigkeit gewechselt, muss die bisher zuständige Behörde gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X die Leistungen noch solange erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Diese hat nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X der bisher zuständigen Behörde die nach dem Zuständigkeitswechsel noch erbrachten Leistungen auf Anforderung zu erstatten. § 102 Abs. 2 SGB X gilt entsprechend (Satz 3).

82

Die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X als lex specialis gegenüber §105 SGBX (vgl. OVG Weimar, Urt. v. 26.05.2004 - 3 KO 76/04 -, ThürVBl. 2004, 284 - zitiert nach juris; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Urt. v. 30.05.2007 - 1 L 539/04 -) liegen vor.

83

Zunächst ist die Klägerin - nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. etwa Urt. v. 22.11.2005 - 1 L 496/04 -) aktivlegitimiert, obwohl sie nach §2 des Brandenburgischen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes i.V.m. Art. 4 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Funktionalreform im Land Brandenburg vom 13.07.1994 (GVOBl. Brandenburg S. 382) erst zum 01.01.1996 als örtlicher Träger der Sozialhilfe und damit nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit für die Gewährung von Eingliederungshilfe sachlich zuständig geworden ist. Eine Verneinung der Aktivlegitimation würde letztendlich dazu führen würde, dass weder das Land Brandenburg als überörtlicher Träger noch der Kläger als örtlicher Träger einen Anspruch geltend machen könnten: Im Zeitpunkt des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit war das Land sachlich zuständig. Das Land kann aber vorliegend deshalb keine Erstattung verlangen, weil es für den vorliegend streitigen Zeitraum keine Leistungen erbracht hat. Die Klägerin hat zwar Leistungen erbracht, wäre aber im Zeitpunkt des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit nicht sachlich zuständig gewesen. Dass dieses Resultat nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand (so auch insgesamt VG Schwerin, Urt. v. 07. Januar 2005 - 6 A 3384/02 -, S. 10 f. des Urteilsumdrucks <1 L 82/05>).

84

Der Beklagte zu 1. ist auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. ausführlich Urt. v. 22.11.2005 - 1 L 496/04 u.a. -, juris), an der festzuhalten ist, nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften auch passivlegitimiert bzw. richtiger Beklagter in Ansehung von Kostenerstattungsansprüchen, auch für Leistungszeiträume vor dem 01. Januar 2002: Der Beklagte zu 1. ist als sachlich und örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe gemäß §97 Abs. 1 SGB XII M-V i.V.m. §§ 1, 3 des insoweit am 01. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII-AG - vom 20. Dezember 2004 (GVOBl. M-V, S.546) ohne eine zeitliche Begrenzung auf Leistungszeiträume ab dem 01. Januar 2002 erstattungspflichtig. Diese Regelung entspricht mit Blick auf die Geltendmachung und Gewährung von Kostenerstattung den Vorläuferregelungen der §§1, 3 des am 01. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes - AG-BSHG - vom 17. Dezember 2001 (GVOBl. M-V, S. 612, berichtigt 2002, S. 470). Gemäß § 3 Satz 1 SGB XII-AG M-V sind entsprechend der Regelung des § 3 Satz 1 AG-BSHG die örtlichen Träger der Sozialhilfe - dies sind gem. § 1 SGB XII-AG M-V die Landkreise und die kreisfreien Städte - für die in § 8 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Leistungen einschließlich insbesondere der Geltendmachung und Gewährung von Kostenerstattungen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X sachlich zuständig und ermöglichen die personenzentrierte und lebensfeldorientierte Leistungserbringung.

85

Dass der erforderliche Zuständigkeitswechsel i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X vorliegt, wurde bereits (siehe unter 1.) ausgeführt.

86

Der Anspruch besteht dem Grunde nach nur für die von der Klägerin im Zeitraum vom 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Sozialhilfe.

87

Die Frist des § 111 Satz 1 SGB X, wonach der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht, hat die Klägerin mit Blick auf den Leistungszeitraum, für den Kostenerstattung dem Grunde nach beantragt ist, eingehalten. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat (§ 111 Satz 2 SGB X).

88

"Geltend machen" im Sinne von § 111 SGB X ist sowohl die gerichtliche als auch die außerhalb eines förmlichen Verfahrens abgegebene Erklärung mit dem erkennbaren Willen der Rechtssicherung und dem ausreichend deutlich formulierten Erstattungsbegehren (vgl. v. Wulffen, in: ders., SGB X, 4. Aufl., § 111 Rn. 4). Die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind - hier die Hilfebedürftigkeit -, und der Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht wurde, sind dabei hinreichend konkret mitzuteilen (vgl. zu den Anforderungen v. Wulffen, in: ders., SGB X, 4. Aufl., § 111 Rn. 4; vgl. zum Ganzen Senatsurteile vom 15.09.2004 - 1 L 106/02 - und - 1 L 107/02 -, LKV 2005, 510, 514). Die rechtssichernde Funktion des Geltendmachens von Kostenerstattungsansprüchen erfordert, dass der unbedingte Wille des Sozialleistungsträgers erkennbar wird, einen solchen etwa bestehenden Anspruch auch durchsetzen zu wollen. § 111 Satz 1 SGB X erfasst auch die Fälle des § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 10.02.2005 - 6 B 21/03 -, juris; OVG Weimar, Urt. v. 26.05.2004 - 3 KO 76/04 -, ThürVBl. 2004, 284 - zitiert nach juris, m.w.N.). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, die "Ansprüche auf Erstattung" ohne Einschränkung auf bestimmte Erstattungsansprüche ausschließt, und aus Sinn und Zweck der Vorschrift, zu einer schnellen Klarstellung der Verhältnisse zu kommen. Für die Wahrung der Ausschlussfrist erforderlich, aber auch hinreichend, ist die erkennbar auf Rechtssicherung gerichtete Mitteilung, dass für welchen Hilfeempfänger welche Sozialleistung gewährt wird bzw. wurde und dass und für welche Leistung Erstattung begehrt wird. Dazu müssen die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind und der Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht worden ist, hinreichend konkret mitgeteilt werden. Der Anspruch muss zudem gegen den Erstattungspflichtigen selbst geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.04.2003 - 5 C 18/02 -, FEVS 54, 495; vgl. zum Ganzen Urt. des Senats vom 22. November 2005 - 1 L 496/04 -).

89

Die Klägerin hat ihren Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 11. Juli 2000 bei der Stadt Te. angemeldet bzw. geltend gemacht; das Schreiben ist ausweislich des von diesem Tag stammenden Antwortschreibens der Stadt Te. dort spätestens am 18. Juli 2000 eingegangen. Das Schreiben entspricht inhaltlich dem vorstehend erläuterten Maßstab. Dem Schreiben lässt sich hinreichend entnehmen, dass die Klägerin Frau L. T. Sozialhilfeleistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte in einer bestimmten Einrichtung - also durch stationäre Unterbringung - leiste, insoweit ab dem 27. Juni 1993 Kostenerstattung verlange und Frau T. bis zur Heimaufnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Te. gehabt habe. Im Hinblick darauf, dass der Bürgermeister der Stadt Te. "im Namen des Landkreises Bad Doberan" mit Schreiben vom 18. Juli 2000 eine Kostenübernahme abgelehnt hat, der Landkreis wiederum nach § 1 Satz 3 AufgabenDVO BSHG vom 04. August 1992 (GVOBl. M-V, S. 528) i.V.m. § 4 Abs. 1 AG-BSHG i.d.F. vom 31. Januar 1992 (GVOBl. M-V, S. 60) für die Entgegennahme von Anmeldungen von Kostenerstattung zuständig war, musste sich das Land Mecklenburg-Vorpommern als damaliger überörtlicher Träger und Erstattungspflichtiger die Anmeldung - im Übrigen auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 5 Abs. 2 Satz 1 BSHG a.F. - zurechnen lassen; diese Zurechnungspflicht trifft nach dem Übergang der Erstattungspflicht den örtlichen Träger nach Maßgabe des AG-BSHG vom 17. Dezember 2001, den Beklagten zu 1.

90

Da die laufenden Sozialhilfeleistungen an die Hilfeempfängerin monatlich erbracht worden sein dürften, musste die Geltendmachung beginnend für die Zeit vom 01. Juli 1999 nach § 26 SGB X i.V.m. den §§ 187 bis 193 BGB spätestens bis zum 31. Juli 2000 erfolgen, da der 31. Juli 1999 der letzte Tag des Leistungszeitraumes war, für den am 01. Juli 1999 eine Zahlung erfolgt ist (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 10.02.2005 - 6 B 21/03 -, juris, S. 7.; vgl. Urt. des Senats v. 22.11.2005 - 1 L 496/04 -). Diese Frist hat die Klägerin mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen eingehalten.

91

3. Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Zinsforderung von 4% Zinsen aus 177.326,00 Euro seit dem 06. Januar 2005 ist die Berufung unbegründet und folglich zurückzuweisen. Einen Zinsanspruch kann die Klägerin im Hinblick darauf, dass ihre Feststellungsklage in der ersten wie auch in der Berufungsinstanz lediglich auf eine Feststellung ihres Kostenerstattungsanspruchs dem Grunde nach gerichtet war, nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht gelten machen, weil der Kostenerstattungsanspruch nicht der Höhe nach feststeht bzw. zwischen den Beteiligten diese Höhe nicht unstreitig ist.

92

Zunächst stellt der Senat jedoch klar, dass er an seiner im Urteil vom 18. September 2003 - 1 L 124/03 - (juris) vertretenen Auffassung, für Ansprüche aus § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X sei wegen §108 Abs. 2 Satz 1 SGB X eine Geltendmachung von Prozesszinsen grundsätzlich ausgeschlossen, nicht mehr festhält, so dass der Anspruch der Klägerin nicht bereits hieran scheitert. Der Senat schließt sich insoweit nach nochmaliger Prüfung dem gegenteiligen, umfassend begründeten Standpunkt des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 22.02.2001 - 5 C 34.00 -, BVerwGE 114, 61 - zitiert nach juris; vgl. auch OVG Magdeburg, Beschl. vom 08.05.2006 - 3 L 325/05 -, juris) an: Danach bezweckt § 108 Abs. 2 SGB X den Schutz der finanziellen Leistungsfähigkeit der Leistungsträger auf der untersten Stufe des Systems der sozialen Sicherung. Diese sollen daraus, dass sie häufig als "Vorschusskasse" der anderen Sozialleistungsträger in Anspruch genommen werden, keine finanziellen Nachteile haben. § 108 Abs. 2 SGB X hat demzufolge nur das Verhältnis der Leistungsträger der untersten Stufe des Systems der sozialen Sicherung zu den anderen Leistungsträgern im Blick und will sie diesen gegenüber aus Gründen des stufenübergreifenden Lastenausgleichs privilegieren. Aus einer solchen Norm lässt sich deshalb, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes im Gesetz gesagt ist, im Gegenschluss lediglich ableiten, dass den privilegierten Leistungsträgern untereinander keine Lastenausgleichszinsen i.S. des § 108 Abs. 2 SGB X zustehen, nicht aber, dass sie auch ansonsten - aus anderen Rechtsgründen - eine Verzinsung ihrer Erstattungsansprüche nicht sollten beanspruchen können. Dies gilt umso mehr, als die in § 108 Abs. 2 SGB X privilegierten Leistungsträger früher sämtlich dem Einzugsbereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterfielen und dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, ihm sei der dort in Geltung befindliche allgemeine Grundsatz des Verwaltungsrechts über die Verzinsung öffentlich- rechtlicher Geldforderungen während des Prozesses nicht bekannt gewesen. Während Verzugs- und andere materiellrechtliche Zinsen in den der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte unterfallenden Gebieten des öffentlichen Rechts grundsätzlich nur Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gewährt werden, ist die Rechtslage hinsichtlich der Gewährung von Prozesszinsen grundsätzlich anders: Prozesszinsen sind nur dann ausgeschlossen, wenn das einschlägige Fachrecht eine Regelung enthält, die den allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts außer Kraft setzt. Das muss zwar nicht notwendig ausdrücklich erfolgen, aber in Anbetracht der gegenüber Verzugs- und ähnlichen Zinsen andersartigen rechtlichen Ausgangslage hinreichend deutlich. Will also der Gesetzgeber mit einer Verzugszinsenausschlussregelung gleichzeitig auch Prozesszinsen erfassen, muss er dies deutlich zum Ausdruck bringen, da weder Wortlaut noch Zweck einer Verzugszinsenregelung wegen der Wesensverschiedenheit der beiden Zinsarten ansonsten Prozesszinsen erfassen könnten. Nichts anderes gilt im Verhältnis zwischen Prozesszinsen und den in § 108 Abs. 2 SGB X geregelten "Lastenausgleichszinsen" zwischen Leistungsträgern unterschiedlicher Stufen des sozialen Sicherungssystems.

93

Die Voraussetzungen für den von der Klägerin aus § 291 BGB in sinngemäßer Anwendung abgeleiteten Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit bzw. dem von der Klägerin bezeichneten Zeitpunkt liegen jedoch nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Geltendmachung von Prozesszinsen im Verwaltungsprozess, der sich der Senat anschließt, nicht vor.

94

Das Bundesverwaltungsgericht stellt zwar in ständiger Rechtsprechung als allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts den Satz heraus, dass für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten sind, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2001 - 5 C 34.00 -, BVerwGE 114, 61 m.w.N. - zitiert nach juris).

95

Mit Blick darauf, dass der Feststellungsklage vielfach überhaupt die Fähigkeit abgesprochen wird, einen Anspruch auf Prozesszinsen zur Entstehung zu bringen, hat es auch klargestellt, dass dies im Verwaltungsprozess nicht ausnahmslos gelten kann: Die Rechtshängigkeit der Geldschuld, die §291 BGB als zwingende Voraussetzung für das Entstehen von Prozesszinsen aufstellt, kann zwar bei der Feststellungsklage auch im Verwaltungsrechtsstreit im Regelfall nur dem Grunde nach eintreten und dann eine Prozesszinsenpflicht nicht rechtfertigen. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Feststellungsklage als eine der Leistungsklage gleichwertige Rechtsschutzform anerkannt ist, kann ihr die Fähigkeit, Rechtshängigkeitszinsen auszulösen, aber nicht abgesprochen werden. Dies setzt jedoch voraus, dass nicht über die Höhe der Geldschuld, sondern (nur) über ihren Grund Streit besteht. Anders gewendet können Prozesszinsen hinsichtlich einer Feststellungsklage, die sich auf das Bestehen eines Anspruchs dem Grunde nach bezieht, nicht verlangt werden, wenn die zu verzinsende Geldschuld der Höhe nach gerade noch nicht feststeht bzw. nicht unstreitig ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, a.a.O.; vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 21.04.2005 - 1 A 3099/03 -, IÖD 2006, 64; Urt. v. 07.11.2003 - 12 A 3187/01 -, FEVS 55, 495 - jeweils zitiert nach juris). Maßgeblich kommt es danach jedenfalls auch auf die Umstände des Einzelfalles an.

96

Für den Fall einer Verpflichtungsklage hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 28.05.1998 - 2 C 28/97 -, DVBl. 1998, 1082) - nach Auffassung des Senats insoweit auf die Feststellungsklage gerichtet auf Feststellung eines sozialhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs dem Grunde nach übertragbar - als Voraussetzung einer Verzinsung formuliert, dass die in Rede stehende Verpflichtung in der Weise konkretisiert sein muss, dass der Umfang der zugesprochenen Geldforderung feststeht, die Geldforderung also eindeutig bestimmt sei. Die Geldforderung muss zwar nach Klageantrag und Urteilsausspruch nicht in jedem Falle der Höhe nach beziffert sein. Ausreichend ist, dass die Geldschuld rein rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann. Soweit mit dem Verpflichtungsausspruch im Hinblick auf die Ermittlung der zugesprochene Geldforderung noch eine weitere Rechtsanwendung erforderlich ist, steht dies jedoch dem Anspruch auf Prozesszinsen entgegen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 28.05.1998 - 2 C 28/97 -, DVBl. 1998, 1082).

97

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes kommt die von der Klägerin begehrte Verzinsung nicht in Betracht. Die Höhe des von der Klägerin mit ihrer Feststellungsklage dem Grunde nach geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs bzw. der damit letztendlich begehrten Geldschuld war nicht im vorstehenden Sinne unstreitig bzw. stand nicht fest.

98

Dies folgt zum einen bereits aus dem Umstand, dass der von der Klägerin geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch zukunftsoffen - "bis zur Übernahme des Hilfefalles" - formuliert ist, folglich weder hinsichtlich der zeitlichen Dauer noch der Art der bis zu diesem Zeitpunkt zukünftig noch von der Klägerin zu erbringenden und dann vom Beklagten zu 1. zu erstattenden - rechtmäßigen - Leistungen der Sozialhilfe bestimmt oder nur bestimmbar ist.

99

Darüber hinaus lagen dem Beklagten zu 1. jedenfalls zum Teil die Verwaltungsakten der Klägerin betreffend den Hilfefall zunächst nicht vor, so dass auch unter diesem Blickwinkel die Annahme einer unstreitigen Forderungshöhe zunächst schon deshalb grundsätzlich ausschied. Dies gilt zumindest bis zur Kenntnisnahme der entsprechenden Unterlagen durch den Beklagten zu 1. unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung.

100

Der Beklagte zu 1. hat zudem mit Schriftsatz vom 10. August 2007 mit dem Hinweis darauf, dass ihm eine Prüfung der sachlichen Richtigkeit nicht möglich sei, die Höhe der Forderung der Klägerin zumindest schlüssig bestritten. Er hat auch danach - insbesondere nicht in der mündlichen Verhandlung - die Höhe der Forderung der Klägerin weder ausdrücklich noch schlüssig unstreitig gestellt. Dies gilt auch konkret bezogen auf den von der Klägerin in ihrem Antrag genannten Betrag, auf den sie die Zahlung von Zinsen begehrt. Angemerkt sei dazu, dass die Klägerin selbst insoweit ohne nähere Erläuterung divergierende Beträge (Schriftsatz v. 30.07.2007: 169.309,65 Euro; Antrag: 177.326,00 Euro) nennt.

101

Der Umstand, dass die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2004 tabellarische Aufstellungen zu den von ihr erbrachten Leistungen an das Verwaltungsgericht übersandt hat, rechtfertigt schon im Ansatz nicht die Schlussfolgerung im vorstehenden Sinne, die Höhe der Forderung bzw. des Kostenerstattungsanspruchs sei ab diesem Zeitpunkt rechnerisch eindeutig bestimmbar und deshalb unstreitig gewesen. Denn diese Kostenaufstellungen waren weder für das Gericht noch für den Beklagten zu 1. inhaltlich hinreichend nachvollziehbar.

102

Maßgeblich zu beachten ist zudem, dass trotz des stattgebenden Urteils hinsichtlich eines Kostenerstattungsanspruchs für rechtmäßig aufgewendete Kosten die Ermittlung der Höhe dieser "rechtmäßig" aufgewendeten Kosten prinzipiell noch eine rechtliche Überprüfung und damit Rechtsanwendung bezüglich der von der Klägerin erbrachten Leistungen erfordert. Insoweit ist grundsätzlich denkbar, dass es anschließend noch zu Streit über die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs in Anwendung der früher und aktuell einschlägigen Bestimmungen des BSHG bzw. SGB XII und im Hinblick auf einzelne in der Vergangenheit erbrachte Leistungen der Klägerin kommen könnte. Folglich ist die Höhe der Geldschuld auch unter diesem Blickwinkel nicht im erforderlichen Maße unstreitig bzw. steht ihre Höhe gerade noch nicht fest.

103

Der Umstand, dass der Beklagte nicht schon vor seinem Schriftsatz vom 10. August 2007 ausdrücklich zur Höhe des Kostenerstattungsanspruchs Stellung genommen hat, kann grundsätzlich nicht zu einer abweichenden Bewertung in dem Sinne führen, dass damit die von der Klägerin geltend gemachte Höhe zugestanden und damit unstreitig sei. Aus dem Urteil des VGH München vom 10. März 2003 - 12 B 02.1913 - (BayVBl. 2004, 246 bzw. juris) folgt nichts anderes. Einerseits ist der dort entschiedene Sachverhalt nicht mit dem Vorliegenden vergleichbar; andererseits geht diese Entscheidung nicht auf die vorstehend dargestellten, vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze ein. Für den Beklagten zu 1. bestand mit Blick auf den zentralen Streitpunkt des Verfahrens, nämlich die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts der Hilfeempfängerin im Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme, keine zwingende Veranlassung, sich hierzu zu erklären. Außerdem hatte der Beklagte zu 2. mit Schriftsatz vom 17. März 2005 ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs unabhängig vom grundsätzlichen Anspruch jedenfalls ungeklärt und damit nicht unstreitig sei. Diesen Vortrag musste der Beklagte zu1. folglich nicht unbedingt wiederholen.

104

In den Blick zu nehmen ist zudem das landesrechtliche Refinanzierungssystem gemäß § 3 Abs. 4 des Sozialhilfefinanzierungsgesetzes M-V, das eine Erstattung der von den örtlichen Trägern erbrachten Kostenerstattungsleistung in Altfällen durch das Land unter einen Zustimmungsvorbehalt durch das Land stellt. Diese gesetzliche Bestimmung muss den jeweiligen Anspruchstellern, die wie die Klägerin von einem örtlichen Träger im Land Mecklenburg-Vorpommern Kostenerstattung begehren, bekannt sein bzw. es muss unterstellt werden, dass die entsprechende Kenntnis vorhanden ist. Dann aber liegt es auf der Hand, dass seitens des örtlichen Trägers solange ein Kostenerstattungsanspruch auch der Höhe nach nicht unstreitig gestellt wird bzw. - faktisch - gestellt werden kann, als ihm nicht die entsprechende schriftliche Zustimmung durch das Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern vorliegt. Denn die Erstattung durch das Land setzt voraus, dass die örtlichen Träger zur Kostenerstattung nach § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X auch der Höhe nach verpflichtet waren (vgl. § 3 Abs. 4 Nr. 2 SozhfinanzG M-V). In Anbetracht dieser Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern kann der Anspruchsberechtigte deshalb grundsätzlich solange nicht davon ausgehen, sein Anspruch sei der Höhe nach unstreitig, als der zur Kostenerstattung in Anspruch genommene örtliche Träger nicht mit Blick auf eine bereits vorliegende Zustimmung des Sozialministeriums Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich oder nach den Umständen des Einzelfalles hinreichend deutlich schlüssig den Anspruch der Höhe nach anerkennt. Mit anderen Worten schließt grundsätzlich das Fehlen einer solchen Zustimmung die Annahme aus, der in Anspruch genommene örtliche Träger stelle die Forderung der Höhe nach unstreitig, es sei denn, es liegt im Einzelfall eine ausdrückliche oder hinreichend deutliche schlüssige entsprechende Erklärung seinerseits vor. Dies ist indes vorliegend nicht der Fall.

105

4. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 188 Satz 2 VwGO. Aufgrund von §194 Abs. 5 i.V.m. § 188 Satz 2 2. Halbsatz VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S.3987) ist das nach dem 01. Januar 2002 beim Oberverwaltungsgericht eingegangene Berufungsverfahren nicht gerichtskostenfrei (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.05.2004 - 5 KSt 1/04 u.a. -, juris). Soweit die Berufung der Klägerin hinsichtlich der Zinsnebenforderung zurückgewiesen worden ist, ist ihr Unterliegen gering im Sinne von § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Es kam entgegen dem Vorbringen des Beklagten zu 1. nicht in Betracht, der Klägerin - teilweise - Kosten des Berufungsverfahrens nach § 155 Abs. 4 VwGO aufzuerlegen. Nach dieser Bestimmung können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Der Beklagte zu 1. meint, im Hinblick auf die erst im Zulassungsverfahren von der Klägerin überreichten Unterlagen habe er keinen Anlass für das Berufungsverfahren gegeben. Diese Argumentation führt nicht zu der Schlussfolgerung, das Berufungsverfahren bzw. durch seine Durchführung entstandene Kosten seien von der Klägerin verschuldet. Auch eine seitens der Klägerin früher erfolgte Einführung der vom Beklagten zu 1. erwähnten Unterlagen in das gerichtliche Verfahren hätte die Durchführung eines Berufungsverfahrens für die Klägerin nicht entbehrlich gemacht. Der Beklagte zu 1. hat nämlich selbst nach entsprechender Einführung erst im Zulassungsverfahren noch den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin dem Grunde nach bestritten und auch in der mündlichen Verhandlung noch einen gewöhnlichen Aufenthalt der Hilfeempfängerin in seinem Zuständigkeitsbereich im Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme in Frage gestellt. Der Beklagte zu 1. hat also gerade nicht nach Kenntniserlangung von den erwähnten Unterlagen den Anspruch der Klägerin dem Grunde nach anerkannt. Unabhängig vom Zeitpunkt der Einführung der Unterlagen in das gerichtliche Verfahren hat er folglich "Anlass für das Berufungsverfahren gegeben"; die späte Einführung war nicht ursächlich dafür, dass die Klägerin das Berufungsverfahren durchführen musste. Zudem ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 26. August 2005, dass sie hinsichtlich der späten Vorlage der Dokumente kein Verschulden trifft; zumindest übt der Senat insoweit das ihm zustehende Ermessen dahingehend aus, dass kein hinreichender Grund besteht, die Klägerin mit den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten.

106

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

107

Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.