Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 30. Juli 2015 - 4 A 202/11

bei uns veröffentlicht am30.07.2015

Tenor

Der Gebührenbescheid Trink-/Schmutzwasser vom 7. Oktober 2010, Bescheidsnummer VR 78061, und die Widerspruchsbescheide vom 30. Dezember 2010 werden aufgehoben, soweit darin Trink- und Schmutzwassergebühren über 612,86 € hinaus festgesetzt werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 38 % und die Beklagte zu 62 %.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Trink- und Schmutzwassergebührenbescheid.

2

Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ist – was unstreitig ist - Eigentümerin des bebauten Grundstücks mit der postalischen Adresse A.weg x in Z., bestehend aus dem Flurstück a der Flur b, Gemarkung Z.. Auf dem Grundstück befinden sich offenbar sechs Wohnungen.

3

Für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2009 setzte die Beklagte mit (wohl unanfechtbar gewordenem) Gebührenbescheid Trink-/Schmutzwasser vom 1. Oktober 2009 gegenüber einer „G. GbR“ im Hinblick auf dieses Grundstück entsprechende Gebühren fest.

4

Mit dem hier streitgegenständlichen Gebührenbescheid Trink-/Schmutzwasser vom 7. Oktober 2010, Bescheidsnummer VR 78061, setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin bei einem Trinkwasserverbrauch von 389 m³ im Heranziehungszeitraum vom 1. Oktober 2009 bis 30. September 2010 Trinkwassergebühren in Höhe von 816,96 € und Schmutzwassergebühren in Höhe von 1.615,29 € fest. Die Gebühren wurden laut Bescheid zum 21. Oktober 2010 fällig. Auf das vierte Quartal des Kalenderjahres 2009 entfielen dabei bei offenbar sechs Wohneinheiten und ausgehend von einem Jahresanteil von 92/365stel 64,73 € Grund- und 141,12 € Zusatzgebühren für den Bereich der öffentlichen Einrichtung zur Trinkwasserversorgung sowie 151,23 € Grund- und 255,78 € Zusatzgebühren für den Bereich der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserentsorgung, mithin insgesamt 612,86 €, für die ersten drei Quartale des Kalenderjahres 2010 waren es dann bei einem Jahresanteil von 273/365stel 192,07 € Grund- und 419,04 € Zusatzgebühren für den genannten Bereich Trinkwasser sowie 448,77 € Grund- und 759,51 € Zusatzgebühren für den genannten Bereich Schmutzwasser.

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Zugleich wurden darin neue Abschläge für die beiden Gebührenbereiche festgelegt, wobei der festgesetzte „Gesamtbetrag“ von 405 € (für beide Gebühren) jeweils am 15. Dezember 2010, 15. Februar 2011, 15. April 2011, 15. Juni 2011 und 15. August 2011 fällig gestellt wurde.

6

Schließlich sind dort unter „(w)eitere offene Forderungen/Guthaben (-)“ 112,24 € aufgeführt.

7

Gegen diesen Gebührenbescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 8. Oktober 2010 Widerspruch ein, in dem sie die Gebührenhöhe bestritt und die detaillierte und prüffähige Offenlegung der Kostenkalkulationen sowie die „Ist-Nachkalkulation“ für die zurückliegenden drei Wirtschaftsjahre in attestierter Form erbat.

8

Die Beklagte wies den Widerspruch mit (vier gleichlautenden) Widerspruchsbescheiden vom 30. Dezember 2010 zurück, jeweils adressiert an einen der vier Gesellschafter „für“ die Klägerin. Die Widerspruchsbescheide wurden ihnen am 4. Januar 2011 zugestellt.

9

Für den dort so bezeichneten Abrechnungszeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2011 und die „Verbrauchsstelle“ im A.weg x, Z., erließ die Beklagte sodann, adressiert an die vier Gesellschafter „für“ die Klägerin, jeweils einen weiteren, hier nicht streitgegenständlichen Trink- und Schmutzwassergebührenbescheid vom 7. Oktober 2011.

10

Bereits am 2. Februar 2011 hat die Klägerin die vorliegende Klage gegen den Gebührenbescheid vom 7. Oktober 2010 erhoben, mit der sie vorträgt:

11

Der Bescheid entspreche insgesamt nicht den zugrunde liegenden Satzungen.

12

Die Fehlerhaftigkeit des Gebührenbescheids ergebe sich bereits aus der Festsetzung des Erhebungszeitraums. Nach § 6 der Satzung über die Erhebung von Gebühren über die Wasserversorgung vom 3. März 2010 als auch nach § 8 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung vom 3. März 2010 sei der Erhebungszeitraum für die Grund- und Zusatzgebühren das Kalenderjahr. Demzufolge entstehe die Gebührenschuld nach den genannten Satzungsnormen mit Ablauf des Kalenderjahres.

13

Unklar bleibe, woraus die „weitere offene Forderung“ in Höhe von 112,24 € resultiere. Der hinterfragte Betrag könne keine Altforderung aus dem Vorjahr sein. Sie, die Klägerin, habe immer alle Forderungen beglichen, die Beklagte könne sicherlich belegen, woraus die offene Forderung resultieren solle.

14

Gleichzeitig schrieben die benannten Regelungen vor, dass die Abschläge u. a. auch zum 15. Oktober 2010 des jeweiligen Jahres fällig sein sollten. Der Gebührenbescheid setze andere Fälligkeitszeiten fest. Was sei mit der Abschlagszahlung sowohl vom 15. Oktober 2010 als auch mit derjenigen vom 15. Oktober 2011?

15

Unabhängig davon, ob vorliegend die Satzungen in der Fassung vom 3. März 2010 oder in der Fassung vom 1. Dezember 2010 zur Anwendung gelangten, sei es notwendig, dass die Gebührensatzungen mit der Wasserversorgung- bzw. der Schmutzwassersatzung korrespondierten. Die aktuell beschlossenen Satzungen seien erst zum späteren Zeitpunkt in Kraft getreten.

16

Die Satzung müsse für Gebühren, die für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben würden, das Zeitintervall festlegen, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollten. Bei laufenden Jahresgebühren entstehe die Gebührenschuld grundsätzlich, d. h. wenn satzungsgemäß nichts Abweichendes bestimmt werde, erst mit Ablauf des Kalenderjahres. Nach Ablauf des Erhebungszeitraumes würden die Gebühren durch schriftlichen Bescheid festgesetzt, vgl. § 6 Abs. 4 Gebührensatzung Wasser und § 8 Abs. 3 Gebührensatzung Schmutzwasser.

17

Die festgesetzte Gebühr sei zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids noch nicht entstanden gewesen. Das von der Beklagten benannte „rollierende System“ finde weder im Gesetz noch in den Satzungen eine Rechtsgrundlage.

18

Die Gebühr könne auch nur fällig werden, wenn die Abgabenschuld bereits entstanden sei.

19

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

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den Gebührenbescheid der Beklagten über Trink- und Schmutzwasser vom 7. Oktober 2010 unter der Bescheidsnummer VR 0000078061 in Form der Widerspruchsbescheide vom 30. Dezember 2010 aufzuheben.

21

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

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die Klage abzuweisen,

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und trägt dazu vor:

24

Es werde zunächst auf die bisherige Argumentation, insbesondere im Widerspruchsverfahren, verwiesen.

25

Das einschlägige Satzungsrecht des Zweckverbands sei ebenso wenig zu beanstanden wie die Rechtsanwendung im vorliegenden Fall.

26

Erhebungszeitraum sei laut Satzung das Kalenderjahr. Nichtsdestoweniger könne der Verband im rollierenden System je nach erfolgender Ablesung seine Bescheide erlassen, solange Bezugsdatum und ermittelter Verbrauch stimmten. So könne die Abrechnung z. B. auf das Abrechnungsjahr von Objektverwaltungen pp. abgestimmt werden. Wünsche die Klägerin explizit eine Ablesung zum jeweiligen Kalenderjahreswechsel (und liefere die entsprechenden Ablesewerte zur Synchronisierung mit den Unterzählern), werde man dem – wie in anderen Fällen auch – Rechnung tragen. Solange dies nicht geschehe, werde dem satzungsgemäß als Abrechnungszeitraum angegebenen Kalenderjahr genügt, indem im Bescheid der zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres errechnete Wert informatorisch mitgeteilt werde.

27

Die „weitere offene Forderung“ i. H. v. 112,24 € sei eine Altforderung aus dem Vorjahr, die indessen hier nicht angefochten sei, da der Bescheid nach dem Wortlaut der Klage lediglich i. H. v. 2.432,25 € (= Neuforderung) angefochten sei.

28

Auch die Angabe der Fälligkeit der neuen Abschläge sei nicht zu beanstanden bzw. mache jedenfalls den in Rede stehenden Bescheid nicht rechtswidrig. Erstens wäre es in einem Bescheid vom 7. Oktober 2010 inopportun gewesen, sogleich für den 15. Oktober 2010 einen Abschlag fällig zu stellen. Vor dem Abschlag vom 15. November 2011 sei indessen bereits die nächste Abrechnung zu erwarten. Insofern seien zunächst nur fünf Abschläge (zu insgesamt auch nur 5/6 des Gebührenaufkommens i. H. v. rund 2.450 €) fixiert, woraus der Klägerseite kein Nachteil entstehe. Der sechste Abschlag wäre sodann zu gegebener Zeit in der Höhe fixiert worden, die dann (Mitte Oktober 2011) zur Zahlung angestanden hätte, also unter Berücksichtigung bis dahin angefallener weiterer Verbräuche und sich hieraus ergebender weiterer Forderungen oder Guthaben.

29

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 22. und 24. Februar 2011 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 3. Dezember 2014 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Entscheidungsgründe

30

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

31

A. I. Streitgegenständlich sind entgegen der Annahme der Beklagten nicht nur die Festsetzungen der Trink- und Schmutzwassergebühren für den dort genannten Heranziehungszeitraum im angefochtenen Gebührenbescheid vom 7. Oktober 2010. Die von ihr offenbar zur Feststellung des Klageumfangs herangezogene Passage in der Klageschrift enthält lediglich die (zutreffende) Darstellung der Addition der im Bescheid festgesetzten Trink- und Schmutzwassergebühren (2.432,25 €).

32

II. Klageziel ist ausweislich der Klagebegründung auch die Anfechtung der im genannten Gebührenbescheid zugleich festgesetzten Fälligkeiten der Vorauszahlungen („Abschläge“) auf die im nächsten Erhebungszeitraum (dazu später) anfallenden Trink- und Schmutzwassergebühren. Dies entnimmt das Gericht dem fünften Absatz des die Klagebegründung enthaltenden Schriftsatzes der anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 31. Juli 2012. Er lautet:

33

Insgesamt* entspricht der Bescheid nicht den zugrundeliegenden Satzungen.“

34

*Hervorhebung durch das Gericht

35

Da zuvor von der Klägerin eine Diskrepanz zwischen den Satzungsregelungen zu den Abschlagsterminen und den entsprechenden Festsetzungen im Bescheid vom 7. Oktober 2010 ausdrücklich benannt und gefragt wird:

36

„Was ist mit der Abschlagszahlung sowohl vom 15.10.2010 als auch mit der Abschlagszahlung vom 15.10.2011?“,

37

muss das Gericht davon ausgehen, dass auch dieser weitere Regelungsgegenstand des (damit „insgesamt“ angefochtenen) Gebührenbescheids vom 7. Oktober 2010 streitgegenständlich ist, wobei allerdings in der gestellten Frage nur die dort genannten Termine als (rechtswidrigerweise fehlend) moniert werden könnten.

38

Im Ergebnis geht das Gericht aus den nachfolgenden Erwägungen heraus indessen nur von einem Angriff auf die fehlende Festsetzung eines „sechsten“ Fälligkeitstermins aus. Das bestmöglich erreichbare Klageziel wäre insoweit die rechtstreue „sklavische“ Übernahme der bereits dort „zementierten“ (insgesamt sechs) Termine im Regelungsteil zu den Vorauszahlungen des angegriffenen Gebührenbescheids, wobei hier im Rahmen der Ermittlung des Umfangs des Klagebegehrens offen bleiben kann, ob sich dann die Höhe des jeweiligen Abschlags verändert hätte oder nicht. Insofern geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin die von ihr in der aufgeworfenen Frage im Zuge der Klagebegründung konkret genannten „weiteren“ Fälligkeitstermine nicht beide regelungstechnisch vermisst (mit der von ihr wohl kaum beabsichtigten Folge von dann sogar sieben Fälligkeitsterminen der Vorauszahlungen), sondern dass es ihr darum geht, ob nicht noch ein weiterer Fälligkeitstermin im Gleichklang mit der jeweils satzungsmäßigen Anzahl im Regelungsteil des Bescheids vom 7. Oktober 2010 herzustellen gewesen wäre. In diesem Zusammenhang schadet es dann auch nicht, dass die Klägerin ihre eigene vorangegangene Argumentationskette zur Konkordanz zwischen den Satzungsregelungen und den Gebührenfestsetzungen in der Fragestellung zu den Abschlägen aus den Augen verliert und einen – noch „rechtswidrigeren“ - Fälligkeitstermin am 15. Oktober 2010 für die Vorauszahlungen auf die endgültig satzungsrechtlich erst „mit dem Ablauf“ des Erhebungszeitraums des Kalenderjahres 2011 entstehenden und danach festzusetzenden Trink- und Schmutzwassergebühren dieses Jahres (= 2011) moniert, dagegen den im Bescheid festgesetzten Fälligkeitstermin am 15. Dezember 2010 nicht ausdrücklich als rechtswidrig „brandmarkt“.

39

III. Das Klagebegehren der Klägerin beinhaltet schließlich auch Angriffe gegen die im Bescheid benannten „weitere(n) offene(n) Forderungen … 112,24 EUR“, wie sie seit der Klagebegründung mit Schriftsatz vom 31. Juli 2012 formuliert und trotz der Replik der Beklagten mit Schriftsatz vom 26. November 2014 bis heute aufrechterhalten sind, wie der Schriftsatz der Klägerin vom 16. Dezember 2014 zeigt.

40

B. Die so umfänglich erfasste Klage hat nur teilweise Erfolg.

41

I. Die Anfechtungsklage gegen die Festsetzungen der Trink- und Schmutzwassergebühren im angefochtenen Gebührenbescheid ist überwiegend begründet.

42

Soweit darin Trink- und Schmutzwassergebühren für den Erhebungszeitraum vom 1. Oktober 2009 bis 31. Dezember 2009 festgesetzt werden, ist der streitgegenständliche Gebührenbescheid vom 7. Oktober 2010 – ebenso wie der jeweilige Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2010 – zwar rechtmäßig. Anderes gilt für die festgesetzten ersten drei Quartale des Jahres 2010: Insoweit ist der Gebührenbescheid – ebenso wie der Widerspruchsbescheid - rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

43

Zur jeweiligen einschlägigen Satzungsrechtslage ist zu bemerken, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung des Zweckverbandes W. - Gebührensatzung Wasser - vom 3. März 2010 in den insoweit unveränderten Fassungen der beiden ersten Änderungssatzungen jeweils vom 1. Dezember 2010 bzw. § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung des Zweckverbandes W. - Gebührensatzung Schmutzwasser - vom 3. März 2010 in den insoweit ebenso unveränderten Fassungen der beiden ersten Änderungssatzungen jeweils vom 1. Dezember 2010, die jeweils rückwirkend mindestens bis in das Jahr 2006 erlassen worden sind, lauten:

44

„(1) Der Erhebungszeitraum für die Grund- und Zusatzgebühr(en)* ist das Kalenderjahr …
(2) Die Gebührenschuld entsteht mit dem Ablauf des jeweiligen Erhebungszeitraumes …“
* Die Mehrzahl findet sich nur in der Gebührensatzung Schmutzwasser, Anm. des Gerichts.

45

Nach der Änderung der entsprechenden Regelungen in dem jeweiligen Gebührensatzungswerk – zuvor galt ein Erhebungszeitraum von „12 Monaten“ und die Entstehung der Gebührenschuld mit Erlass und Fälligkeit des Gebührenbescheids - durfte die Beklagte nicht mehr ein von ihr sog. „rollierendes System“ für die Erhebungszeiträume mit der Folge „variabler“ Entstehungszeitpunkte der jeweiligen Gebührenschulden einsetzen, also irgendeinen Erhebungszeitraum, der nur in der Summe einem Jahr entspricht, wählen. Seither ist sie vielmehr grundsätzlich – Ausnahmen werden in der jeweiligen Gebührensatzung nur für Benutzungsgebühren gemacht, die im laufenden Kalenderjahr erstmalig anfallen - an den satzungsmäßigen Erhebungszeitraum des Kalenderjahres gebunden, dessen Ablauf dann auch erst die jeweilige Gebührenschuld entstehen lässt.

46

Durch die im angefochtenen Bescheid jeweils teilumfängliche Heranziehung für zwei satzungsrechtliche Erhebungszeiträume, also ein „Crossover“ von Quartalen der Kalenderjahre 2009 und 2010, muss nach Auffassung des Gerichts allerdings differenziert werden.

47

Der Gebührenbescheid vom 7. Oktober 2010 durfte die Trink- und Schmutzwassergebühren für das Kalenderjahr 2009, den satzungsgemäßen Erhebungszeitraum, festsetzen. Sie waren im Zeitpunkt des Erlasses des Gebührenbescheids nach der o. g. jeweiligen Satzung mit entsprechender Rückwirkung mit Ablauf des Kalenderjahres, also mit Ablauf des 31. Dezember 2009 (vgl. zu dieser Formulierung im Gegensatz zu „nach Ablauf“ des Erhebungszeitraums OVG Magdeburg, Beschl. v. 6. Juli 2010 – 4 L 106/10 -, juris Rn. 3; Siemers, in: Aussprung/ders./Holz/Seppelt, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Stand: Juli 2014, § 6 Erl. 8.2) entstanden. Dabei kann letztlich offen bleiben, ob – was hier wegen des vorangegangenen, noch auf den Grundlagen der vorangegangenen Gebührensatzungen erlassenen Gebührenbescheids vom 1. Oktober 2009 für die ersten drei Quartale des Jahre 2009 faktisch der Fall ist – das rückwirkend maßgeblich gewordene Kalenderjahr 2009 damit vollständig abgerechnet werden sollte bzw. erfasst worden ist oder werden konnte. Erhebungszeitraum ist stets das Kalenderjahr, selbst wenn die Behörde dafür nicht den gesamten Zeitraum des Kalenderjahres zugrunde legt, sondern nur Teile davon (hier: das letzte Quartal des Kalenderjahres 2009).

48

Im krassen Kontrast dazu steht dagegen die Festsetzung der Trink- und Schmutzwassergebühren für den nachfolgenden satzungsrechtlich maßgeblichen Erhebungszeitraum, das Kalenderjahr 2010. Diese Gebühren waren weder im Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung vom 7. Oktober 2010 noch zum Zeitpunkt der getroffenen Widerspruchsentscheidung vom 30. Dezember 2010 bereits entstanden. Nach den genannten neuen Satzungsbestimmungen war die jeweilige Gebührenschuld vielmehr erst mit dem Ablauf des jeweiligen Erhebungszeitraums, also des jeweiligen Kalenderjahres und damit vorliegend mit Ablauf des Silvestertages 2010, entstanden, zwar damit noch am Ende des Kalenderjahres 2010, aber noch nicht zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 30. Dezember 2010. Da es insoweit im Benutzungsgebührenrecht kein abweichendes materielles Recht gibt, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage derjenige der letzten Behördenentscheidung, hier also derjenige des Erlasses des Widerspruchsbescheids (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21. Dez. 1989 – 7 B 21/89 –, juris Rn. 4 m. w. N.; BVerwG, Urt. vom 27. Sept. 1995 – 11 C 34/94 –, BVerwGE 99, 249 = juris, Rn. 9; Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 97 f. m. w. N.).

49

Die davon offenbar (sogar bewusst) vorgenommene Abweichung in der Bescheidungspraxis der Trink- und Schmutzwassergebühren seit Inkrafttreten der neuen Satzungsbestimmungen stellt sich als (grob) rechtswidrig dar, gleichsam als Rebellion der Verwaltung gegen den „Souverän“ des materiellen Regelungswerks, die Verbandsversammlung, und greift in gleichem Maße in die Rechte der Gebührenpflichtigen ein. Die Dinge werden sogar noch auf den Kopf gestellt durch das nur scheinbar bürgerfreundliche, in Wahrheit aber groteske Angebot der Beklagten, der Gebührenpflichtige könne sich doch äußern, wenn er – auf den Punkt gebracht - eine satzungsgemäße Abrechnung der Gebühren wünsche; man komme dem dann auch nach. Umgekehrt ist in der Rechtswirklichkeit allein vorstellbar, dass ein Gebührenschuldner die satzungswidrige Festsetzung und Entstehung „seiner“ Trink- und/oder Schmutzwassergebühren außerhalb des jeweiligen Kalenderjahrs begehrt und die Beklagte darin einwilligt; denn dann gilt: „Wo kein Kläger, da kein Richter“ (nullo actore nullus iudex).

50

Es spielt für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit dieses satzungswidrigen Verwaltungshandelns auch keine Rolle, ob es für die Beklagte „gute“ und nachvollziehbare Gründe geben könnte, den jeweiligen Erhebungszeitraum und damit das Entstehen der Trink- bzw. Schmutzwassergebühren nicht im gesamten Zweckverbandsgebiet an einem bzw. auf einen Tag festzulegen, nämlich den Ablauf des Silvestertags des jeweiligen Kalenderjahres. Wenn die Beklagte als Verwaltung in ihrer Praxis bei dieser materiellen Rechtslage Erschwernisse für die Bearbeitung der entsprechenden Gebühren sieht, mag und muss vielmehr sie an die Verbandsversammlung mit dem Ansinnen herantreten, zu anderen Erhebungszeiträumen und damit Entstehungszeitpunkten durch entsprechende Änderungen der Gebührensatzungen zu kommen, etwa durch eine Anlage, in der z. B. geordnet nach Gemeinden der jeweilige (jährliche, aber nicht kalenderjährliche) Erhebungszeitraum ausdrückt aufgeführt wird (so geregelt beim Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverband B-Stadt-Bützow-Sternberg), soweit es Bedenken gegen die vormalige Regelungen gibt. Stattdessen eigenmächtig bzw. selbstherrlich von der jeweiligen Satzungsrechtslage abzuweichen, steht der Verwaltung aber unter keinem Gesichtspunkt zu.

51

II. Die Anfechtungsklage gegen die im Bescheid vom 7. Oktober 2010 zugleich (terminlich teilweise abweichend von den Bestimmungen in den jeweiligen Gebührensatzungen, vgl. § 6 Abs. 4 Satz 3 der Gebührensatzung Wasser vom 3. März 2010 in den Fassungen der ersten beiden Änderungssatzungen vom 1. Dezember 2010 und § 8 Abs. 3 Satz 3 der Gebührensatzung Schmutzwasser vom 3. März 2010 in den Fassungen der ersten beiden Änderungssatzungen vom 1. Dezember 2010) festgesetzten Fälligkeiten der „Abschläge“, also der Vorauszahlungen (vgl. § 6 Abs. 6 des Kommunalabgabengesetzes - KAG M-V) auf die im nächsten Erhebungszeitraum, satzungsrechtlich mithin im Kalenderjahr 2011, voraussichtlich anfallenden Trink- und Schmutzwassergebühren ist dagegen, soweit sie in der Klage angegriffen werden, unzulässig (geworden).

52

Die Klage ist nunmehr unstatthaft und deshalb unzulässig geworden. Die festgesetzten Vorauszahlungen auf die prognostizierten Benutzungsgebühren des Kalenderjahres 2011 bzw. ihre teilweise satzungswidrig festgesetzten Fälligkeiten haben sich jedenfalls durch Zeitablauf erledigt. Inzwischen gibt es bereits einen endgültigen (wenngleich möglicherweise noch nicht bestandskräftigen) Trink- und Schmutzwassergebührenbescheid vom 7. Oktober 2011 für die endgültig festgesetzten Gebühren, der zudem nunmehr den „Behaltensgrund“ für etwaige darauf geleistete Vorauszahlungen sichert, unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist oder nicht.

53

Dieser übliche Lauf der Dinge im Benutzungsgebührenrecht dürfte der anwaltlich vertretenen Klägerin ebenso wie jedenfalls das „überholende“ Ereignis, das Vorliegen eines nachfolgenden „endgültigen“ Gebührenbescheids, bekannt sein, ohne dass sie diese Umstände zum Anlass genommen hat, den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt zu erklären.

54

Eine Umdeutung der insoweit erhobenen Anfechtungs- in eine Fortsetzungsfeststellungsklage scheidet bereits wegen der anwaltlichen Vertretung aus, erschiene aber auch im Übrigen nicht zulässig. Die Klägerin hat auch insoweit nicht den endgültigen, aber ggf. noch nicht bestandskräftigen Gebührenbescheid zur Ablösung des vorliegenden Verwaltungsakts über Vorauszahlungen (Abschläge) in das schon anhängige Klageverfahren im Wege der Klageänderung einbezogen (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 18. Februar 2009 – 4 L 36/08 -, juris). Ob eine solche Einbeziehung (statt eines damaligen Eilrechtsschutzantrags während der laufenden Fälligkeitstermine) überhaupt Sinn gemacht hätte, eine sachdienliche Klageänderung darstellte bzw. ein anerkennungswürdiges Rechtsschutzinteresse beinhaltete, soweit lediglich die terminliche Festlegung der Abschlagsfälligkeiten entgegen der Satzungsrechtslage (und nicht deren Höhe) moniert wird, muss deshalb nicht geklärt werden.

55

Insofern kann ebenfalls offen bleiben, ob hier das Fehlen der zwei genannten Fälligkeitstermine (15.10.2010 und 15.10.2011) für die Klägerin keine Beschwer darstellt. Satzungsgemäß waren die errechneten Vorauszahlungen jedenfalls auf sechs Termine in zweimonatigem Abstand festgelegt und im Bescheid zu übernehmen gewesen, vorliegend sind es dagegen im Bescheid vom 7. Oktober 2010 nur fünf Termine.

56

III. Die Klage wegen der im Bescheid vom 7. Oktober 2010 mitgeteilten „offenen“ Forderung(en) hat ebenfalls keinen Erfolg. Auch sie ist – von vornherein – unzulässig.

57

Dieser Teil des Bescheids trifft keine („zweite“ bzw. erneute und damit ggf. noch einmal angreifbare) Regelung i. S. des § 118 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V, sondern ist bei gehöriger Auslegung als bloße Nachricht zu verstehen, dass aus – noch anfechtbaren, angefochtenen oder bestandskräftigen, jedenfalls aber kraft Gesetzes sofort vollziehbaren - Trink- und/oder Schmutzwassergebührenbescheiden für frühere Erhebungszeiträume noch nicht alle dort festgesetzten Gebühren von dem Gebührenschuldner beglichen seien.

58

Entsteht darüber Streit, so muss der Gebührenschuldner von dem Gebührengläubiger grundsätzlich vor Anrufung des Gerichts den Erlass eines sog. Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V verlangen und regelmäßig auch ein Vorverfahren erfolglos durchführen lassen. Gegenstand dieses Bescheids ist die Entscheidung darüber, ob ein bestimmter Anspruch aus einem Abgabenschuldverhältnis verwirklicht ist oder nicht, d. h. ob der Abgabenschuldner wirksam und in welchem Umfang gezahlt hat bzw. ob und in welchem Umfang der Abgabenanspruch durch andere Rechtsakte (z. B. Aufrechnung oder Anrechnung nicht vom Leistenden zweckbestimmter Zahlungen nach Maßgabe des entsprechend anwendbaren § 366 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) oder sonstige Einflüsse des Abgabenrechts (z. B. Zahlungsverjährung) erloschen ist (vgl. Kruse, in: Tipke/ders., Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, Stand: Juni 2015, § 218 Rn. 17 m. w. N.).

59

Erst wenn der Abgabengläubiger sich dem verweigert oder jedenfalls nicht innerhalb einer angemessenen Frist i. S. des § 75 VwGO über das genannte Begehren des Abgabenschuldners sachlich entscheidet bzw. über einen nach Erlass des Abrechnungsbescheids eingelegten Widerspruch nicht wiederum binnen angemessener Frist i. S. des § 75 VwGO über diesen Rechtsbehelf entscheidet, kann bei der dann vorliegenden Untätigkeit des Abgabengläubigers abweichend von § 68 VwGO zulässigerweise „sofort“ das Gericht (bei fehlender Bescheidung in Form einer Verpflichtungs- und bei fehlendem Widerspruchsbescheid nach erlassenem Abrechnungsbescheid in Gestalt einer Anfechtungs-) angerufen werden.

60

Daran fehlt es hier aber, da die Idee zum Bestreiten der nachrichtlich mitgeteilten „offenen“ Forderung in der Höhe von 112,24 € erst im Rahmen der anwaltlichen Vertretung im Laufe des Klageverfahrens geboren und formuliert worden ist. Insbesondere ist dieser Punkt in der Begründung ihres Widerspruchs von der (dort noch nicht anwaltlich vertretenen) Klägerin nicht angesprochen worden, sodass die Beklagte auch keine Veranlassung gehabt hat, bereits in diesem Zusammenhang über den Erlass eines Abrechnungsbescheids nachzudenken bzw. ihn vorzunehmen hatte.

61

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

62

Von Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sieht das Gericht ab (vgl. § 167 Abs. 2 VwGO), da auf Beklagtenseite ein insolvenzunfähiger Zweckverband und damit ein kraft Gesetzes stets zahlungsfähiger Schuldner steht.

63

Gründe, die Berufung nach den §§ 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

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(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden

Abgabenordnung - AO 1977 | § 118 Begriff des Verwaltungsakts


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemein

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Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 30. Juli 2015 - 4 A 202/11 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 30. Juli 2015 - 4 A 202/11 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 06. Juli 2010 - 4 L 106/10

bei uns veröffentlicht am 06.07.2010

Gründe 1 Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. An der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. 2 ..
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 30. Juli 2015 - 4 A 202/11.

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 05. Jan. 2017 - 4 A 2868/15 SN

bei uns veröffentlicht am 05.01.2017

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Wasser- und Schmutzwassergebühren. 2 Die Klägerin ist Eigentümerin der in N. gelegenen fünf Grun

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Gründe

1

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. An der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

2

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden ist (BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 - 1 BvR 814/09 -, zitiert nach juris). Hier greift der Beklagte die tragenden rechtlichen Erwägungen des angegriffenen Urteils an. Es gelingt ihm aber nicht, diese mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen.

3

Das angegriffene Urteil ist darauf gestützt, dass die Festsetzungsfrist für die streitgegenständliche Gebühr vor der Erstellung des Gebührenbescheides abgelaufen war. Hierfür war nach den Entscheidungsgründen des Urteils maßgeblich, dass die Gebührenschuld, die - nach der nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten maßgeblichen Satzungsbestimmung - mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, noch am 31. Dezember 2003 und nicht erst am 1. Januar 2004 entstanden war, so dass die Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2007 ablief, während die Gebühr erst mit Bescheid vom 17. Dezember 2008 festgesetzt worden war.

4

Der Beklagte wendet hiergegen ein, nach der maßgeblichen Satzungsbestimmung entstehe die Gebührenschuld für das Jahr 2003 erst am 1. Januar 2004, so dass Festsetzungsverjährung erst mit Ablauf des 31. Dezember 2008 eintrete. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Satzungsbestimmung („mit Ablauf des Kalenderjahres“) und einem Umkehrschluss aus der Formulierung des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Auch das Verwaltungsgericht habe in einem anderen Verfahren diese Rechtsauffassung vertreten.

5

Unerheblich für die Frage nach ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der Entscheidung ist zunächst, dass das Verwaltungsgericht Halle in einem anderen Verfahren die vom Beklagten nun mit der Begründung des Zulassungsantrages vorgebrachte Rechtsauffassung zur Auslegung der Formulierung „mit Ablauf des Kalenderjahres“ aus der in Rede stehenden Gebührensatzung vertreten hatte. Mit der Verfügung vom 23. Juni 2009 waren dem Beklagten die Aufgabe dieser bisherigen Rechtsprechung angekündigt und die Gründe hierfür erläutert worden.

6

Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten spricht der Wortlaut der in Rede stehenden Satzungsbestimmung nicht gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung. Die Präposition „mit“ hat nach allgemeinem Sprachgebrauch eine Bedeutung, die den mit dieser Präposition angeschlossenen Begriff in eine bezeichnete Menge einschließt. Die Präposition drückt eine Zugehörigkeit und ein Einbezogensein aus (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Auflage). Die vom Beklagten für „juristisch deckungsgleich“ gehaltenen Formulierungen „mit Ablauf“ und „nach Ablauf“ sind dies ihrem Wortsinn nach nicht. Vielmehr ist nach dem Sprachgebrauch eindeutig, dass die Formulierung „mit Ablauf“ den Ablauf der Zeiteinheit einschließt, während die Formulierung „nach Ablauf“ eine Zeiteinheit bezeichnet, die sich an den Ablauf - von diesem durch eine Zäsur getrennt - erst anschließt. Dies ist in den vom Verwaltungsgericht ausdrücklich in Bezug genommenen Entscheidungsgründen des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Juni 1966 - 5 AZR 521/65 -, NJW 1966, 2082, für die Auslegung der wortgleichen Formulierung in § 188 BGB näher erläutert (vgl. zur wortgleichen Begrifflichkeit in § 170 AO auch BFH, Urt. v. 21.04.2010 - X R 1/08 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20). Die Begründung des Zulassungsantrages setzt sich hiermit nicht auseinander und kann schon deshalb nicht überzeugen. Die Argumentation des Beklagten mit dem Wortlaut der Satzungsbestimmung ist nicht schlüssig, weil sie nicht erklären kann, wieso unterschiedliche Worte („mit“ und „nach“) denselben Sinn vermitteln sollen.

7

Eine schlüssige Gegenargumentation liegt auch nicht in der Berufung auf einen Umkehrschluss aus § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Vielmehr sind die dort gebrauchte Formulierung „mit dem Schluss des Jahres“ und die in Rede stehende Formulierung der Satzung „mit dem Ablauf des Kalenderjahres“ nach dem Sprachgebrauch inhaltsgleich, da sie beide die Präposition „mit“ verwenden und im Übrigen mit den Substantiven „Ablauf“ und „Schluss“ synonym gebrauchte Worte anschließen. Es ist daher nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Regelung einen Umkehrschluss rechtfertigen sollte.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

9

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

10

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.

(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.

(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Ist der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt.

(2) Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.