Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 21. Juli 2016 - 8 A 132/15

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2016:0721.8A132.15.0A
bei uns veröffentlicht am21.07.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist in A-Stadt Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks A-Straße (Flurstück 77/2 der Flur 10), sowie des dahinter liegenden Grundstücks A-Straßea (Flurstück 77/1). Der Beklagte hat der Beigeladenen für das östlich davon gelegene Grundstück (Flurstück 1/6, … Str. 5) im vereinfachten Verfahren eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 6 Wohneinheiten erteilt. Das Gebäude mit einer Grundfläche von 26,50 m x 7,96 m wird ca. 14 m von der Grundstücksgrenze entfernt errichtet. Es ist vorgesehen, im vorderen Grundstücksbereich 6 Stellplätze anzulegen.

2

Gegen diese Genehmigung legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er im Wesentlichen geltend machte, der Baukörper reiche durch die zurückgesetzte Lage weit in den Ruhebereich seines Gartens hinein, die Autos wären vor dem Schlafzimmerfenster abgestellt, dadurch wäre seine Nachtruhe gestört. Auch die Gartenbenutzung sei gestört und die Bewegungsfreiheit auf dem Grundstück eingeschränkt. Das Vorhaben füge sich nicht ein. Es verletze insbesondere die faktisch vorhandenen Baulinien und die Baugrenze. Entspreche wie hier die Eigenart der näheren Umgebung einem der Gebiete gemäß § 34 Abs. 2 BauGB, so habe der Nachbar einen Anspruch auf die Bewahrung der Gebietsart, der über das Rücksichtnahmegebot hinausgehe.

3

Den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes lehnte die Kammer mit Beschluss vom 30.06.2015 ab (8 B 18/15). Die dagegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos (OVG Schleswig, Beschluss vom 21.07.2015 - 1 MB 16/15 - ).

4

Mit Bescheid vom 31.07.2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Baugenehmigung verstoße nicht gegen nachbarschützende Vorschriften. Das streitige Vorhaben liege in einem Bereich, der im Wesentlichen durch reine Wohnnutzung geprägt sei. Das geplante Gebäude füge sich daher hinsichtlich der Art der Nutzung ein. Dasselbe gelte hinsichtlich der Höhe. Das unmittelbar östlich an das Baugrundstück anschließende Grundstück habe ein Wohngebäude mit einer Firsthöhe von 11,70 m, das geplante Gebäude solle eine Firsthöhe von 10,81 m erreichen. Es könne offenbleiben, ob hier eine faktische Baulinie anzunehmen sei, die das Vorhaben überschreite, weil dieser Umstand in einem Nachbarstreit nur dann relevant sei, wenn das Gebot der Rücksichtnahme verletzt werde. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Die Mindestabstandsfläche gemäß § 6 LBO werde nach den Bauantragsunterlagen eingehalten. Eine ausreichende Belichtung sei gewährleistet. Vor unerwünschten Einsichtsmöglichkeiten von benachbarten Häusern aus bestehe kein Schutz. Auch die Anordnung der Stellplätze sei nicht zu beanstanden. Die Anordnung entspreche den Anforderungen von § 50 Abs. 11 LBO, wonach Stellplätze und Garagen von öffentlichen Verkehrsflächen auf möglichst kurzem Wege erreichbar sein müssten. Mit Wohnnutzung wesensgemäß verbundener Zu- und Abfahrtsverkehr sei zu dulden.

5

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger sein Vorbringen weiterverfolgt. Er macht geltend: Bei der Umgebung handele es sich um ein faktisches Baugebiet gemäß § 34 Abs. 2 BauGB (Wohngebiet), in dem gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO bauliche Anlagen im Einzelfall unzulässig seien, „wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen“. Aus Abs. 1 dieser Vorschrift ergebe sich nicht nur das Gebot der Rücksichtnahme, sondern auch ein Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets. Daher hätten alle Eigentümer der im Baugebiet belegenen Grundstücke einen Anspruch auf Abwehr eines Vorhabens, das zwar nach den §§ 2 bis 14 BauNVO zulässig und bei typisierender Betrachtung auch mit dem Gebietscharakter vereinbar sei, aber wegen seines konkreten Umfangs der Eigenart des Baugebiets widerspreche, und zwar auch dann, wenn das eigene Grundstück durch das konkrete Vorhaben - anders als hier - noch gar nicht nachteilig betroffen sei. Problematisch sei hier die Anzahl von 6 Wohnungen in einem einzigen Block sowie vor allem die Lage des streitbefangenen Neubauvorhabens. Die maßgebende nähere Umgebung kenne ein solches Bauvorhaben nicht. Vielmehr seien die Grundstücke in der … Str. 31, 33, 35, 37, 39, 41 und … Str. 1 und 3 mit Einfamilienhäusern bebaut, die sich der Lage nach direkt an der Straße befinden. Deren Eingänge seien zu diesen Straßen ausgerichtet. Anders sei die Lage des angegriffenen Neubauvorhabens, das weit hinten liege und um 90 Grad gedreht sei. Die gebietsprägenden Wohngebäude seien jedoch keine Hinterlandbebauung, für eine solche gebe es in der näheren Umgebung keine Vorbilder. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts füge sich eine rückwärtige Bebauung mit einem Hauptgebäude nach der bebaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn im hinteren Bereich der umliegenden Grundstücke nur Nebenanlagen vorhanden seien (Beschluss vom 06.11.1997 - 4 B 172.97 -, NVwZ-RR 1998, 539). Dabei sei unerheblich, dass auf dem Grundstück der Beigeladenen früher einmal ein sehr kleines älteres Bauvorhaben errichtet worden sei, welches die Beigeladene abgerissen habe. Nach der sogenannten „Sichtbarkeitsrechtsprechung“ gehöre zum Bebauungszusammenhang nur die tatsächlich vorhandene Bebauung. Eine beendete Nutzung verliere ihre bestimmende Kraft, wenn sie endgültig aufgegeben worden sei und nach der Verkehrsauffassung mit ihr nicht mehr gerechnet werde. Das sei hier der Fall.

6

Hinzu komme, dass hier eine faktische hintere Baugrenze deutlich überschritten sei. Insoweit könne ihm nicht entgegengehalten werden, dass auf dem hinter seinem Grundstück liegende Flurstück 77/1 ein kleines Wohngebäude errichtet sei (das die von ihm angenommene faktische Baugrenze ebenfalls überschreite). Insofern handele es sich nämlich um einen Fremdkörper, der für die Bestimmung der hinteren Baugrenze unbeachtlich sei.

7

Der Kläger beantragt,

8

die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 13.02.2015 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie macht geltend, die Baugenehmigung verletze keine drittschützenden Vorschriften. Das Vorbringen des Klägers, das streitige Vorhaben füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein (§ 34 Abs. 1 BauGB), könne nicht zum Erfolg der Klage führen, da diese Vorschrift nicht drittschützend sei. Maßgeblich sei das Gebot der Rücksichtnahme, das sich aus dem Begriff des „Einfügens“ ergebe. Nachbarschutz ergebe sich aus diesem Gebot nur insoweit, als „in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter“ Rücksicht zu nehmen sei (BVerwG, Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1/78 -, juris Rd. 14).

12

Das Rücksichtnahmegebot werde jedoch nicht verletzt. Die Nutzungsart Wohnen werde unstreitig durch das Bauvorhaben eingehalten. Grundsätzlich führe für die Bewohner eines Wohngebiets das Hinzutreten einer verdichteten Bebauung nicht zu unzumutbaren Belästigungen. Die von der Beigeladenen geplante Errichtung von 6 Wohnungen sei nicht als „rücksichtslos“ zu bewerten, da die Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden kein bodenrechtlich relevanter Gesichtspunkt im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB sei. Für den Kläger ergäben sich keine Beeinträchtigungen hinsichtlich der Benutzung seines Gartens und der Bewegungsfreiheit auf dem Grundstück. Auch das Maß der Nutzung iSv § 34 Abs. 1 BauGB sei nicht nachbarschützend. Auch insofern könne eine Rücksichtslosigkeit nicht festgestellt werden. Nördlich, östlich und südlich des Grundstücks der Beigeladenen befinde sich größere Bebauung, die der Kläger in seiner Betrachtung völlig außer Acht lasse, wenn er meine, dass es sich bei dem Mehrfamilienhaus um ein „Unikat“ handele. Die überplante Fläche des geplanten Vorhabens betrage 210,94 qm. Die überbaute Fläche des Grundstücks Stettiner Str. 7 betrage 325 qm und die des Grundstücks Stettiner Str. 3/3a betrage bzgl. der genehmigten Hauptnutzung 165 qm.

13

Unstreitig seien die Abstandsflächen eingehalten, damit sei eine ausreichende Belichtung und Besonnung gewährleistet. In solchen Situationen sei das Gebot der Rücksichtnahme im Regelfall nicht verletzt. Ein Sonderfall, bei dem es dennoch zu einer erdrückenden Wirkung komme, sei hier vorliegend nicht gegeben. Das Vorhaben der Beigeladenen entspreche der Höhe nach etwa dem Gebäude in der Stettiner Straße und führe gerade auch durch die versetzte Lage dazu, dass das Wohnhaus des Klägers nicht bedrängt werde.

14

Auch die erhöhte Stellplatzzahl sei zumutbar. Aus den Wertungen des Gesetzes ergebe sich, dass die mit den auf den Baugrundstücken errichteten Stellplätzen verbundenen Verkehrsimmissionen grundsätzlich zumutbar seien (§ 6 Abs. 7 und 8 LBO, § 50 Abs. 11 LBO). Auch faktische Baulinien seien nicht drittschützend. Der Gebietserhaltungsanspruch sei nicht verletzt. Dieser gebe kein Abwehrrecht gegen eine Hinterlandbebauung. Zweifelhaft sei zunächst, ob der vom Kläger geltend gemachte Gebietsprägungserhaltungsanspruch überhaupt aus dem Gesetz abgeleitet werden könne. Wenn ein solcher überhaupt anzuerkennen sei, beziehe er sich allein auf die Art der baulichen Nutzung. Dieser sei jedenfalls nicht in dem Sinne zu verstehen, dass unabhängig von der individuellen Beeinträchtigung und der Art der Nutzung des geplanten Bauvorhabens ein Abwehranspruch die Erhaltung einer vorhandenen Bebauung mit Einzel- oder Doppelhäusern mit geringer Grundflächenzahl gewährleiste, also eine Verdichtung der baulichen Nutzbarkeit verhindere.

15

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

16

die Klage abzuweisen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des gegenseitigen Vorbringens wird auf den Akteninhalt und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

18

Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in geschützten Rechten.

20

Wie schon in den Beschlüssen der Kammer (vom 30.06.2015 - 8 B 18/15 -) und des Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 21.07.2015 - 1 MB 16/15), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, ausgeführt wurde, hat die Klage, die gegen die einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung gerichtet ist, nur dann Erfolg, wenn die Baugenehmigung den klagenden Grundstückseigentümer in geschützten Nachbarrechten verletzt. Auf nachbarschützenden Normen des Bauordnungsrechts kann der Kläger sich nicht berufen, weil die Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß § 69 LBO ergangen ist, so dass die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Vorschriften dieses Gesetzes nicht geprüft wird und daher den Kläger auch nicht in seinen Rechten verletzen kann.

21

Auch nachbarschützende Normen des Bauplanungsrechts werden nicht verletzt. Der Gebietserhaltungsanspruch, der unabhängig von der individuellen Beeinträchtigung einen Abwehranspruch gewähren kann, setzt voraus, dass das Vorhaben seiner Art nach in dem maßgeblichen Gebiet nicht zulässig und deswegen geeignet ist, das nachbarliche Austauschverhältnis zu stören. Das Grundstück des Klägers und der Beigeladenen liegen in einem Gebiet, für das die Beklagte einen Bebauungsplan nicht aufgestellt hat. Angesichts der in der maßgeblichen Umgebung vorherrschenden Wohnbebauung ist unabhängig davon, ob es sich um ein faktisches reines oder allgemeines Wohngebiet (oder um eine durch eine überwiegende Wohnbebauung geprägte Gemengelage handelt, je nachdem wie groß der maßgebliche Bereich gezogen wird) ein neu errichtetes Wohngebäude, das ein vorher vorhanden gewesenes (kleines) Wohnhaus ersetzt, der Art nach nicht geeignet, das nachbarliche Austauschverhältnis zu stören.

22

Der Kläger macht insofern auch in erster Linie geltend, dass das Vorhaben der Beigeladenen aufgrund seiner Massigkeit und seiner Lage mit der in der Umgebung vorhandenen Bebauung nicht vereinbar sei. Einen rechtlichen Ansatz für die Berücksichtigung eines solchen Gesichtspunkts bietet § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, wonach die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen „im Einzelfall“ unzulässig (sind), wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenheit des Baugebiets widersprechen. Ob sich hieraus ein genereller „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“ ableiten lässt, was in dem oben erwähnten Beschluss des OVG Schleswig (1 MB 16/15 Umdr. S. 5) und von der Beklagten in Zweifel gezogen wird, kann offenbleiben, weil selbst, wenn ein solcher Anspruch anzuerkennen ist, die Voraussetzungen hier nicht gegeben sind. Entscheidend ist insofern nicht, ob es insofern einen eigenständigen Abwehranspruch gibt, sondern, wo im Einzelfall die Grenze zur Unzulässigkeit eines der Art nach zulässigen Vorhabens liegt, wenn es „nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets“ widerspricht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Die Rechtsprechung hat die Maßstäbe dahingehend konkretisiert, dass - soweit der Umfang betroffen ist - „Quantität in Qualität umschlagen“ muss (BVerwG, Urteil vom 16.03.1995 - 4 C 3/94 -, juris, Rd. 17: Eine nach Art und Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich zulässiger Gewerbebetrieb widerspricht wegen seiner Betriebsgröße der Eigenart eines bestimmten Baugebiets, eine besonders große Vergnügungsstätte verändert den Charakter eines Gebiets oder ein Warenhaus würde wegen seiner Größe die Verkehrsverhältnisse des Baugebiets nachhaltig beeinflussen). Eine Anlage widerspricht danach hinsichtlich ihres Umfangs der Eigenart eines Gebiets dann, wenn sie offensichtlich (signifikant) aus dem Rahmen fällt, so dass die Unangemessenheit augenscheinlich ist (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 15 BauNVO, Rd. 17). Jedenfalls kann die Errichtung von Mehrfamilienhäusern nicht mit der Begründung abgewehrt werden, eine derartige Nutzung passe nicht in das Wohngebiet, weil das Vorhaben einem für das Baugebiet charakteristischen harmonischen Erscheinungsbild, etwa im Sinne einer vorrangigen Bebauung mit Einzel- oder Doppelhäusern mit geringer Grundflächenzahl nicht entspreche (Beschluss der Kammer vom 18.12.2014 - 8 B 37/14 - juris, Rd. 10 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

23

Nach alledem ist zwar nachvollziehbar, dass der Kläger sich durch das relativ massige Wohnhaus mit 6 Wohneinheiten auf dem Nachbargrundstück bedrängt fühlt, eine „signifikante“ Abweichung von den in der Nachbarschaft vorhandenen Wohnbauvorhaben ist jedoch nicht gegeben. Das ergibt sich aus dem im Verwaltungsvorgang befindlichen Luftbild (Bl. 73) sowie den weiteren Fotografien (Bl. 93 f). Dort ist, insbesondere auf dem Foto Bl. 94 zu erkennen, dass sich östlich vom Baugrundstück ( … Str. 7, Flurstück 1/17) ein Wohngebäude befindet, dem das Vorhaben der Beigeladenen in der Größe entspricht. Soweit der Kläger sich nur auf die westlich von seinem Grundstück befindlichen Wohngebäude bezieht, die dem Charakter von Einfamilienhäusern entsprechen, wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass für die Beurteilung des Gebiets (und der „Gebietsprägung“) die Grundstücke in der Umgebung in den Blick zu nehmen sind, die durch das zu beurteilende Grundstück geprägt werden und die wiederum das fragliche Grundstück prägen. Nach diesem Maßstab kann entgegen der Ansicht des Klägers die Bebauung auf dem Eckgrundstück Stettiner Str. 7 nicht ausgeblendet werden. Es handelt sich insofern nicht um einen Fremdkörper, sondern um ein in der Nachbarschaft liegendes und damit das Baugrundstück beeinflussendes Vorhaben. Zwar handelt es sich um ein Eckgrundstück, es ist jedoch von einem Standpunkt vor dem Grundstück der Beigeladenen aus gut sichtbar, so dass die prägende Wirkung nicht zweifelhaft ist. Die Gebäude in der Umgebung - also auch in der Straße „ … “ - weichen nicht in einer solchen Weise eklatant von den Gebäuden in der … Straße und der … Straße ab, dass sie wegen andersartiger Struktur gesondert zu betrachten wären. Das ergibt sich nicht nur aus dem in dem Verwaltungsvorgang vorhandenen Kartenmaterial (Auszug aus der Fachdatenkarte Beiakte Bl. 95, 97) sowie auch aus dem Luftbild (Beiakte Bl. 73), sondern wurde durch den Augenschein bestätigt, der im Rahmen der mündlichen Verhandlung ermöglicht wurde, die vor dem Grundstück des Klägers stattgefunden hat.

24

Der Einwand des Klägers, er werde durch die Lage und die Massigkeit des Gebäudes in der Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigt, kann daher nur unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Rücksichtnahmegebots berücksichtigt werden. Insoweit ist schon in dem Beschluss der Kammer ausgeführt worden, dass das Vorhaben der Beigeladenen, das nach den genehmigten Bauvorlagen den Mindestabstand einhält, das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt. Eine Sonderkonstellation, bei der trotz Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen ein Vorhaben als rücksichtslos zu bewerten ist, weil es sich um „einen seltenen Fall einer wirklich bedrängenden oder erdrückenden Wirkung handelt, die zu erkennbar gravierenden Problemen im Verhältnis der Nachbarn zueinander führt, die durch die Wahrung von Abstandsflächen allein nicht bewältigt werden kann“ (OVG Schleswig, Beschluss vom 11.10.2010 - 1 MB 16/10 -) liegt hier erkennbar nicht vor. Zwar ist die Grundfläche des streitigen Gebäudes auf dem relativ schmalen aber langen Grundstück mit 26,50 m relativ lang, dadurch, dass das Gebäude „nach hinten verschoben“ ist und Stellplätze im vorderen Bereich eingerichtet werden, wird jedoch allenfalls der Gartenbereich und das Hinterliegergrundstück … Str. 3a beeinflusst. Diese optischen Auswirkungen überschreiten jedoch nicht die Grenze von der Lästigkeit zur Rücksichtslosigkeit. Wie in dem genannten Beschluss, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, ausgeführt wird, kann keine Rede davon sein, dass das Wohngebäude des Klägers „erdrückt“, „abgeriegelt“ oder „eingemauert“ wird. Vielmehr handelt es sich um den Fall einer in städtischen Wohngebieten aus städtebaulichen Gründen grundsätzlich erwünschten Nachverdichtung. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei Einhaltung der bauordnungsrechtlich erforderlichen Abstände die Anforderungen an die erforderliche Belichtung, Besonnung, Belüftung, den Brandschutz und den Sozialabstand eingehalten werden. Gewisse Schattenwürfe sind hinzunehmen, ebenso die durch die Nachbarschaft ermöglichten Einsichtsmöglichkeiten. Insofern wird von den Nachbarn eine gegenseitige Rücksichtnahme verlangt. Hinsichtlich des Schattenwurfs war bei dem Ortstermin, der um 11.00 Uhr begann, gut erkennbar, dass um diese Zeit der Schatten von dem östlich vom Grundstück des Klägers gelegenen Bauvorhaben sein Wohngebäude nicht mehr berührte, sondern allenfalls einen Teil des Gartens bedeckte. Selbst wenn das Wohngebäude des Klägers zum Teil im Schatten des streitigen Bauvorhabens läge, ergäbe sich daraus keine Unzumutbarkeit. Solche Auswirkungen benachbarter Gebäude sind generell sozialadäquat und hinzunehmen.

25

Auch die Anordnung der Stellplätze im vorderen Bereich des Grundstücks der Beigeladenen verletzt den Kläger nicht in geschützten Nachbarrechten. Den Wertungen des Gesetzgebers in den §§ 6 Abs. 7, 8 sowie § 50 LBO ist zu entnehmen, dass die mit der Anordnung von Stellplätzen auf Baugrundstücken verbundenen Verkehrsimmissionen, die mit den grundsätzlich zulässigen Nutzungen verbunden sind, ebenfalls im nachbarschaftlichen Verhältnis hinzunehmen sind, soweit die Anforderungen von § 50 Abs. 9 LBO erfüllt werden. Nach dieser Vorschrift müssen Stellplätze und Garagen so angeordnet und ausgeführt werden, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und das Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung durch Lärm oder Gerüche nicht über das zumutbare Maß hinaus stört. Diese Vorschrift ist im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zwar nicht geprüft worden, die darin liegende Konkretisierung des Rücksichtnahmegebots kann jedoch als Maßstab bei der Überprüfung der Frage, ob das Bauvorhaben dem bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) widerspricht, herangezogen werden. Aus den in den genannten Beschlüssen der Kammer und des Oberverwaltungsgerichts aufgeführten Gründen lässt sich eine Unzumutbarkeit jedoch nicht feststellen. Die mit der Nutzung solcher Stellplätze verbundenen Immissionen (Geräusche, Abgase, Licht), die sich aus der hier zulässigen Wohnnutzung ergeben, sind sozialadäquat und hinzunehmen. Anhaltspunkte dafür, dass hier angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalles etwas anderes gilt, sind nicht erkennbar.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit am Prozesskostenrisiko beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).


ra.de-Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 21. Juli 2016 - 8 A 132/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 21. Juli 2016 - 8 A 132/15

Referenzen - Gesetze

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 21. Juli 2016 - 8 A 132/15 zitiert 7 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 2 Kleinsiedlungsgebiete


(1) Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen. (2) Zulässig sind 1. Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebä

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 21. Juli 2016 - 8 A 132/15 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 21. Juli 2016 - 8 A 132/15 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 18. Dez. 2014 - 8 B 37/14

bei uns veröffentlicht am 18.12.2014

Tenor 1. Die Anträge werden abgelehnt. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig. 3. Der Streitwert wird auf 7.500,- € festgesetzt. Gründe 1 Der Antragst

Referenzen

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

3. Der Streitwert wird auf 7.500,- € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für eine auf zwei Gebäude aufgeteilte Wohnanlage im Reihenhausstil mit insgesamt neun Wohneinheiten auf dem Grundstück xxx in A-Stadt (Flurstücke 50/7 und 50/8, Flur 2, Gemarkung A-Stadt). Die Wohnanlage besteht aus den Häusern A (4 WE) und B (5 WE), die jeweils mit einem Satteldach errichtet werden. Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks A-Straße, welches sich auf der anderen Seite der Straße xxx befindet und dem streitbefangenen Grundstück gegenüberliegt. Die Belegenheit der streitbefangenen Gebäude und Grundstücke ergibt sich aus folgenden Lageplänen (vgl. Beiakte A Bl. 4 und 5):

Abbildung

Abbildung

2

Der Antragsgegner hat den Widerspruch des Antragstellers gegen die Baugenehmigung (vom 19.09.2014) mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2014 zurückgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller am 09.12.2014 Klage erhoben (8 A 163/14) und am gleichen Tag einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gestellt (Antrag zu 1). Des Weiteren beantragt der Antragsteller wörtlich, der Antragsgegnerin aufzugeben, die Baustelle auf dem Grundstück xxx in A-Stadt stillzulegen (Antrag zu 2).

3

I. Der Antrag zu 1) ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Var. i.V.m. § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen anordnen, in denen die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO entfällt. Das ist hier der Fall, da dem Widerspruch und der Klage des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt. Da es sich vorliegend um einen Fall der sog. Drittanfechtung handelt, ergibt sich die Anwendbarkeit von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO aus dem Verweis in § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO.

4

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die hier erforderliche gerichtliche Entscheidung gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 i.V.m § 80 a Abs. 3 S. 2 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung, in deren Rahmen das Interesse des beigeladenen Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung gegen das Interesse des Antragstellers daran, von der Vollziehung der Baugenehmigung bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, abzuwägen ist. Im Rahmen dieser Abwägung sind auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit der streitigen Baugenehmigung in die Abwägung einzustellen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens gemäß § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung haben und der Gesetzgeber damit dem Interesse des Bauherrn an der Verwirklichung des Vorhabens den Vorrang eingeräumt hat. Weiter ist zu berücksichtigen, dass in baurechtlichen Nachbarstreitigkeiten ein Rechtsbehelf nur erfolgreich ist, wenn eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte festgestellt werden kann. Es ist also nicht maßgeblich, ob die angefochtene Baugenehmigung insgesamt objektiv rechtmäßig ist. Diese ist vielmehr allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des Rechtsschutz suchenden Nachbarn dienen. Der Nachbar kann sich in diesem Zusammenhang nur auf solche Interessen berufen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht. Demnach liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage oder eines Widerspruchs gegen eine einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung dann vor, wenn auf Seiten des Antragstellers geltend gemacht werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ihre geschützte Nachbarposition durch den Bau und die Nutzung des genehmigten Vorhabens unerträglich oder in einem nicht wieder gutzumachenden Maße beeinträchtigt bzw. gefährdet wird.

5

Nach diesem Maßstab überwiegt hier das Interesse des Beigeladenen, die ihm erteilte Baugenehmigung sofort, also ohne den Ausgang des Hauptverfahrens abwarten zu müssen, ausnutzen zu können. Bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage lässt sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die angefochtene Baugenehmigung Nachbarrechte des Antragstellers verletzt.

6

Dabei ist allerdings ein Verstoß der auf der Grundlage des § 69 LBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilten Baugenehmigung gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 LBO bereits nicht Prüfungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens hinsichtlich des Antrags zu 1). Denn in einem solchen Verfahren wird - außer bei Sonderbauten - die Vereinbarkeit der Vorhaben mit den Vorschriften der Landesbauordnung und den Vorschriften aufgrund der Landesbauordnung nicht geprüft; lediglich die §§ 65 Abs. 4, 68 und 70 LBO bleiben unberührt (vgl. auch OVG Schleswig, Urt. v. 21.11.2013 - 1 LB 6/13 - n.v.). Ob das streitgegenständliche Vorhaben, wie vom Antragsteller vorgetragen, gegen die Vorgaben zu notwendigen Stellplätzen nach § 50 Abs. 1 LBO verstößt, ist daher für diesen Antrag nicht entscheidungserheblich.

7

Aber auch ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des insoweit allein maßgeblichen Bauplanungsrechts einschließlich des Gebots der Rücksichtnahme ist nicht auszumachen.

8

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf einen sog. Gebietserhaltungs- oder Gebietsbewahrungsanspruch berufen. Dieser Anspruch wird durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch eine „Verfremdung“ des Gebiets eingeleitet und damit das nachbarliche Austauschverhältnis gestört wird, das auf dem Gedanken beruht, dass sich jeder Grundstückseigentümer davor schützen können muss, dass er über die durch die Festsetzung einer Gebietsart normierte oder aus einer wie hier faktisch vorhandenen Gebietsart (§ 34 Abs. 2 BauGB) eines allgemeinen oder gar reinen Wohngebietes sich ergebenden Beschränkung seiner Baufreiheit hinaus durch eine nicht zulässige Nutzung eines anderen Grundstückseigentümers nochmals zusätzlich belastet wird (vgl. BVerwG, Urt. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -; Urt. v. 23.08.1996 - 4C 13.94 -; OVG Schleswig, Beschl. v. 07.06.1999 - 1 M 119/98 -; jeweils zitiert nach juris). Ein solches seiner Art nach gebietsunverträgliches Vorhaben liegt mit dem genehmigten Wohnbauvorhaben jedoch offenkundig nicht vor. Es kann insofern mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob die Eigenart der näheren Umgebung des streitgegenständlichen Grundstücks einem reinen Wohngebiet im Sinne von § 3 BauNVO oder einem allgemeinen Wohngebiet gem. § 4 BauNVO entspricht.

9

Als Nutzungsart kennt die Baunutzungsverordnung nur das „Wohnen“ als solches, ohne dahingehend zu differenzieren, ob diese Nutzung in freistehenden Einfamilien-, Doppel-, Reihen- oder Mehrfamilienhäusern erfolgt. Die Errichtung von Mehrfamilienhäusern kann daher auch nicht von benachbarten Grundstückseigentümern mit der Begründung abgewehrt werden, eine derartige Nutzung passe nicht in ihr Wohngebiet. Auch der Umstand, dass das genehmigte Vorhaben des Beigeladenen etwa von der Grundfläche und der Firsthöhe größer ausfallen wird, als das auf dem Grundstück des Antragstellers befindliche Gebäude, begründet keinen Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch (vgl. OVG Schleswig, Beschl. vom 15.01.2013 - 1 MB 46/12 -, Beschluss vom 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -).

10

Ein darüber hinausgehender Gebietsprägungserhaltungsanspruch des Inhalts, dass dieser unabhängig von der Art der Nutzung des geplanten Bauvorhabens einen Abwehranspruch vermittelt, weil das Vorhaben einem für das Baugebiet charakteristischen harmonischen Erscheinungsbild, etwa im Sinne einer vorrangigen Bebauung mit Einzel- oder Doppelhäusern mit geringer Grundflächenzahl oder einer park- oder villenartigen Bebauung usw., nicht entspricht, ist nicht anzuerkennen (vgl. z.B. VG Schleswig, Beschl. v. 17.12.2012 - 2 B 88/12 -, v. 29.01.2014 - 2 B 6/14 - und vom 24.02.2014 - 2 B 12/14 -; so auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 28.5.2014, - 1 ME 47/14 - juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 24.102013 - 1 LA 67/13). Daher kommt es für das vorliegende Verfahren nicht darauf an, ob durch das geplante Bauvorhaben aus Sicht des Antragstellers das Erscheinungsbild der näheren Umgebung, das nach seinen Angaben durch eine Einzelhausbebauung mit ausschließlich „typischen" freistehenden Einfamilienhäusern geprägt ist, beeinträchtigt wird. Dieses Erscheinungsbild der näheren Umgebung des Bauvorhabens resultiert allein aus Kriterien, die das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche betreffen. Bei diesen Kriterien handelt es sich aber nach allgemeiner Auffassung der Verwaltungsgerichte um solche, die nur im überplanten Gebiet und auch nur dann bei Feststellung eines entsprechenden ausdrücklichen planerischen Willens der Gemeinde Drittschutz vermitteln können (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -). Abweichungen von den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung sind nämlich mit Abweichungen über die Art der baulichen Nutzung nicht vergleichbar. Sie lassen in der Regel den Gebietscharakter unberührt und haben nur Auswirkungen auf das Baugrundstück und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke. Zum Schutz der Nachbarn ist daher das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichend, das eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Ein darüber hinausgehender, von einer realen Beeinträchtigung unabhängiger Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung kann dagegen dem Bundesrecht nicht entnommen werden (BVerwG, Beschl. v. 23.06.1995 - 4 B 52/95 - juris). Im unbeplanten Innenbereich - wie hier - gilt nichts anderes; insbesondere geht hier der Nachbarschutz nicht weiter als in Plangebieten. Bei Abweichungen vom „einfügsamen" Maß der Nutzung, wie dies von dem Antragsteller hinsichtlich der Dimensionierung, der absoluten Höhe und der Standorte der genehmigten Baukörper gerügt wird, bietet - allein - das drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichenden Schutz (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012, - 1 MB 38/12 -). Insofern bedarf es im vorliegenden Fall insbesondere keiner Prüfung, ob das genehmigte Vorhaben tatsächlich - wie der Antragsteller meint - über den in der näheren Umgebung vorgegebenen Rahmen hinsichtlich der vorgenannten Maß-Kriterien und des Kriteriums des überbaubaren Grundstücksfläche hinausgeht und sich deshalb im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB nicht einfügen würde.

11

Nach den vorangehenden Ausführungen ist es nicht erforderlich, umfangreich zu prüfen, ob sich das Vorhaben des Beigeladenen gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Diese Vorschrift ist nämlich nicht stets und generell drittschützend. Drittschutz kommt dieser Vorschrift nur dann zu, wenn das in dieser Vorschrift verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das Bestandteil des Merkmals des Sich-Einfügens nach § 34 BauGB ist, verletzt wird. Das Rücksichtnahmegebot ist allerdings keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht, sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999 - 4 B 128/98 - juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 17.01.2012 - 1 MB 33/11 -). Das Gebot der Rücksichtnahme in seiner subjektiv-rechtlichen Ausprägung ist nur dann verletzt, wenn die Bebauung sich in einer Gesamtschau als den Nachbarn gegenüber unzumutbar erweist. Wann dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer Abwägung im Einzelfall zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage des Einzelfalls zuzumuten ist, beurteilt werden (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - 4 C 22/75 - BVerwGE 52, 122).

12

Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten des Antragstellers wegen der Dimensionierung oder der Lage des Bauvorhabens liegt nicht vor. Wie bereits erörtert, braucht nicht entschieden zu werden, ob sich das Vorhaben des Beigeladenen, wie der Antragsteller meint, nach dem Maß der baulichen Nutzung insbesondere im Hinblick auf die Höhe des Baukörpers oder wegen der Lage der Baukörper nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Denn allein dadurch würde der Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, weil die möglicherweise dann vom Bauvorhaben des Beigeladenen nicht eingehaltenen Erfordernisse zum Maß der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche grundsätzlich nur der städtebaulichen Ordnung, nicht aber auch dem Schutz des Nachbarn dienen (BVerwG, Urt. v. 28.04.2004 - 4 C 10/03 - juris; Beschl. v. 23.06.1995 - 4 B 52/95 - juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -, Beschl. v. 25.04.2014 - 1 MB 32/13; Beschl. 30.04.2009 - 1 MB 1/09 -).

13

Etwas anderes gilt nur dann, wenn etwa gegen die Erfordernisse zum Maß der baulichen Nutzung in so grober Weise verstoßen wird, dass dadurch das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.12.2013 - 4 C 5/12 - juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 11.11.2010 - 1 MB 16/10 - und Beschl. v. 25.10.2012 - 1 MB 38/12). Eine Bebauung ist jedenfalls dann rücksichtlos, wenn sie eine „erdrückende" oder „abriegelnde" Wirkung. Eine solche Wirkung zulasten des Antragstellerstellers geht von dem Vorhaben nicht aus.

14

Das Vorhaben wird nicht grenzständig errichtet, sondern nach Aktenlage vollständig unter Einhaltung der nach § 6 LBO einzuhaltenden Abstandsflächen. Nach den Planunterlagen ist, soweit ersichtlich, auch wenn dies nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens war, das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht unstreitig korrekt umgesetzt worden. Das Einhalten der landesrechtlichen Regelungen über die erforderlichen Abstandsflächen (§ 6 LBO) spricht regelmäßig gegen eine „erdrückende" oder „abriegelnde" Wirkung eines Bauvorhabens und für die Beachtung der durch die Abstandsflächenregelung geschützten Nachbarbelange (Besonnung, Belichtung, Belüftung) (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999 - 4 B 128.98 - NVwZ 1999, 879; OVG Schleswig, Beschl. v. 04.12.2003 - 1 MB 35/03). Darüber hinaus könnte sich der Antragsteller auch nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen die nach § 6 LBO einzuhalten Abstandsflächen berufen, da sein Grundstück nicht unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenzt.

15

Zwar kann es Fälle geben, in denen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot auch dann verletzt ist, wenn die landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind (BVerwG, a.a.O.). Somit ist in jedem Fall, also auch wenn die Vorgaben von § 34 Abs. 1 BauGB eingehalten sind, eine die konkreten Verhältnisse vor Ort berücksichtigende Bewertung des nachbarlichen Austauschverhältnisses erforderlich. Eine solche Wirkung kommt nach der Rechtsprechung vor allem bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht. Ein solcher Fall wird allerdings in der Rechtsprechung nur in den seltenen Fällen einer wirklich bedrängenden oder erdrückenden Wirkung eines Bauvorhabens zu sehen sein, die - absehbar - zu gravierenden, allein durch die Abstandsflächenwahrung nicht zu bewältigenden Nutzungskonflikten führen (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 11.10.2010 - 1 MB 16/10 - und Beschl. v. 25.10.2012 - 1 MB 38/12).

16

Diese Voraussetzungen werden insbesondere dann angenommen, wenn die baulichen Dimensionen des „erdrückenden" Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles derart übermächtig sind, dass das „erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch überwiegend wie eine von einem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, d.h. dort das Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „gefängnishofähnliche Situation“ hervorruft. Dem Grundstück muss gleichsam die Luft zum Atmen genommen werden. Dass das Vorhaben die bislang vorhandene Situation lediglich verändert oder dem Nachbarn unbequem ist, reicht nicht aus. Die in den gewählten Ausdrücken bzw. Bilder liegende Dramatik ist danach ernst zu nehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.1981 - 4 C 1/78 - juris, sog. „Hochhaus-Fall“; OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.01.2007 - 1 ME 80/07 - und v. 13.01.2010 - 1 ME 237/09 - jeweils nach juris; VG Schleswig, Beschl. v. 12.03.2014 - 8 B 4/14 und v. 11.04.2014 - 8 B 9/14 -). Ein solcher Fall wird nur in seltenen Fällen einer „wirklich“ bedrängenden oder erdrückenden Wirkung eines Bauvorhabens zu sehen sein, nämlich wenn gravierende und nicht zu bewältigende Nutzungskonflikte entstehen (OVG Schleswig, Beschl. vom 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -).

17

Nach diesen Grundsätzen lässt sich die beschriebene „schwerwiegende“ Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht feststellen. Einer solchen Verletzung steht bereits entgegen, dass sich das von dem Antragsteller bewohnte Einfamilienhaus auf der anderen Seite der Straße xxx befindet. Nach den unwidersprochenen Angaben des Antragsgegners in dem Widerspruchsbescheid vom 10.11.2014 hat das vordere der beiden Wohngebäude (Haus A, Gebäudelänge 14,74 m) eine Entfernung von 15 m zu dem Wohnhaus des Antragstellers bzw. bis zu dessen Grundstücksgrenze. Die beiden Wohngebäude weisen eine Firsthöhe von 9,50 m auf. Das aus Richtung des Antragstellers hinter Haus A liegende Haus B hat eine Gebäudelänge von 20,31 m. Eine erdrückende Wirkung durch die Häuser A und B zulasten des Antragstellers liegt bereits wegen der Entfernung zu seinem Grundstück und wegen der Ausmaße der beiden Gebäude offensichtlich nicht vor. Das Entstehen von unzumutbaren Beeinträchtigungen durch eine abriegelnde oder erdrückende ist nicht ansatzweise ersichtlich.

18

Eine durch das Bauvorhaben möglicherweise entstehende Verschattung des Grundstücks des Antragstellers hätte dieser wegen der Einhaltung der Abstandsflächen nach § 6 LBO ebenfalls hinzunehmen. Zudem ist bereits zweifelhaft, ob es wegen der Entfernung zwischen dem Grundstücks des Antragstellers zu dem Haus und wegen dessen Höhe überhaupt zu einer signifikanten Verschattung kommen kann.

19

Der Antragsteller kann sich auch nicht auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen des von ihm geltend gemachten Verstoßes gegen die Vorgaben für notwendige Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück nach § 50 Abs. 1 LBO und wegen der Zunahme des Fahrzeugverkehrs berufen.

20

Wie bereits ausgeführt, kann sich der Antragsteller vorliegend nicht unmittelbar auf einen etwaigen Verstoß gegen § 50 Abs. 1 LBO berufen, da dieser im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht Prüfungsgegenstand ist. Zudem dienen die Vorschriften nach § 50 LBO über die Verpflichtung zur Herstellung notwendiger Stellplätze und Garagen grundsätzlich dem öffentlichen Interesse. Sie sollen verhindern, dass der öffentliche Verkehrsraum über den Gemeingebrauch hinaus durch das Abstellen von Fahrzeugen belastet und dadurch die öffentliche Sicherheit gefährdet wird (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 10.01.2008- 3 S 2773/07 - juris, m.w.N.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.03.1997 - 1 M 6589/96 - juris, m.w.N.; Domning/Möller/Suttkus, Kommentar zur LBO, 3. Aufl. 14. EL 2012, § 50 Rn 122). Im Einzelfall kann die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze jedoch gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, wenn der Mangel an Stellplätzen zu Beeinträchtigungen führt, die den Nachbarinnen und Nachbarn - auch unter Berücksichtigung einer Vorbelastung ihrer Grundstücke - bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind (vgl. VGH Kassel, Beschl. vom 12.05.2003 - 9 TG 2037/02 -, BRS 66 Nr. 190; OVG Bremen, Beschl. vom 18.10.2002 - 1 B 315/02 -, BauR 2003, 509; OVG Münster, Urt. v. 10.07.1998 - 11 A 7238/95 - BauR 1999, 237; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.03.1997 - 1 M 6589/96 - BauR 1997, 983; Domning/Möller/Bebensee, a.a.O., § 50 Rn 123 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

21

Eine nachbarrechtlich relevante Störung durch das etwaige Fehlen notwendiger Stellplätze kann hier aber nicht festgestellt werden. Nach Auffassung der Kammer liegt jedenfalls kein offensichtlicher Verstoß gegen die Vorgaben der Stellplatzpflicht nach § 50 Abs. 1 Satz 2 LBO vor. Danach richtet sich insbesondere die Anzahl notwendigen Stellplätze nach Art und Anzahl der vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge und Fahrräder der ständigen Benutzerinnen und ständigen Benutzer und der Besucherinnen und Besucher der Anlagen. Es ist nicht offensichtlich, dass die für das Vorhaben vorgesehenen 10 Stellplätze nicht den Anforderungen des § 50 Abs. 1 Satz 2 LBO entsprechen. Der Antragsgegner ist bei der Berechnung der notwendigen Stellplätze von den Vorgaben des sog. Stellplatzerlasses ausgegangen, woraus sich ein Stellplatzbedarf von 0,7 - 1 pro Wohneinheit ergibt und hat demzufolge die vorgesehenen 10 Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück für ausreichend befunden. Unabhängig von der Frage, ob der Stellplatzerlass (noch) als Anhaltspunkt zur Berechnung der notwendigen Stellplätze im Sinne des § 50 Abs. 1 LBO herangezogen werden kann, bietet er jedoch aufgrund der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gebotenen summarischen Prüfung und mangels anderer aktueller Regelungen einen greifbaren Anhaltspunkt für die Bestimmung der Anzahl der notwendigen Stellplätze.

22

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass durch eine möglicherweise zu niedrig festgesetzte Zahl an notwendigen Stellplätzen unzumutbare Beeinträchtigungen für den Antragsteller entstehen werden. Insofern trägt dieser vor, dass pro Wohneinheit 1,5 Stellplätze und damit insgesamt 15 Stellplätze für das Wohnvorhaben notwendig seien. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei der Straße xxx lediglich um eine schmale (ca. 2,30 m) Straße handele und dass dort keine öffentlichen Verkehrsflächen für Stellplätze vorgehalten würden. Der Antragsteller befürchtet, dass durch die zu erwartende Zunahme des Verkehrs seine Nachbarinteressen beeinträchtigt würden. Der ebenfalls schmale Fußweg entlang der Straße müsste als Abstellfläche benutzt werden und es sei zu vermuten, dass er infolge parkender Fahrzeuge nicht mehr ungehindert von seinem Grundstück ausfahren könne.

23

Auf einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann sich der Nachbar etwa dann berufen, wenn der (etwaige) Stellplatzmangel geeignet ist, die bestimmungsgemäße Nutzung seines eigenen Grundstücks zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung liegt - jedenfalls solange der freie Zugang zum Grundstück möglich ist - allerdings nicht schon darin, dass die angrenzenden Straßen durch Fahrzeuge von Nutzern der baulichen Anlage zum Parken in Anspruch genommen werden und dem Nachbarn nur noch mit den daraus folgenden Einschränkungen zur Verfügung stehen. Das dem Nachbarn durch das Eigentum vermittelte Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung seines Grundstücks begründet kein Recht auf bevorzugte Nutzung des angrenzenden öffentlichen Straßenraums (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.03.1998 - 1 B 33/98 - GewArch 1998, 254 f.). Probleme, die sich aus der Verteilung knappen öffentlichen Straßenraums auf verschiedene Verkehrsteilnehmer ergeben, sind mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts zu regeln. Als rücksichtslos kann der Verzicht auf die notwendigen Stellplätze auch dann gerügt werden, wenn der durch ihn bewirkte parkende Verkehr und Parksuchverkehr den Nachbarn in der Wohnnutzung seines Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt. Dies setzt i.d.R. entsprechende Immissionen, insbesondere Lärm- und Abgaseinwirkungen, voraus (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 18.10.2002, a.a.O.).

24

Allein die bislang geäußerte Befürchtung des Antragstellers, dass Anwohner oder Besucher durch das verbotswidrige Abstellen ihrer Fahrzeuge ihm das Befahren seines Grundstücks erschweren könnten, genügt nicht für die Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung und für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Nach Ansicht der Kammer besteht jedenfalls auch keine offensichtliche Diskrepanz zwischen dem hier möglicherweise höheren Bedarf an Stellplätzen und den vorgesehenen 10 Stellplätzen. Die von dem Antragsteller dargelegte Differenz liegt bei lediglich fünf Stellplätzen. Es drängt sich daher nicht auf, dass der Stellplatzbedarf für das Vorhaben wesentlich höher ist als die vorgesehenen Stellplätze und dadurch die Verkehrssituation in der Nähe des Vorhabens zwangsläufig in einer Art und Weise „überstrapaziert“ würde, mit der Folge, dass für die Nachbarn unzumutbare Zustände entstehen könnten.

25

Des Weiteren ist zu beachten, dass auch für den Fall, dass sich die Stellplatzberechnung nachträglich als unzureichend erweisen sollte, auch nachträglich Anordnungen zur Schaffung weiterer Stellplätze erfolgen können. § 50 Abs. 3 Satz 1 LBO bestimmt, dass auch für bestehende bauliche Anlagen und sonstige Anlagen im Einzelfall die Herstellung von Stellplätzen oder Garagen sowie Abstellanlagen für Fahrräder gefordert werden kann, wenn dies im Hinblick auf die Art und Anzahl der Kraftfahrzeuge und der Fahrräder der ständigen Benutzerinnen und ständigen Benutzer und der Besucherinnen und Besucher der Anlage aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs geboten ist.

26

Es spricht nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung schließlich auch nicht ansatzweise etwas dafür, dass von dem Bauvorhaben des Beigeladenen Belästigungen oder Störungen auf das Grundstück des Antragstellers ausgehen könnten, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar wären (§15 Abs. 1 S. 2 BauNVO). Dass mit dem Hinzutreten weiterer Wohneinheiten in einem Baugebiet eine Steigerung des Verkehrsaufkommens verbunden ist, liegt auf der Hand.

27

Die sich bei einer Erhöhung des bisherigen Bestandes an Wohneinheiten im Quartier prognostisch ergebende Zunahme an Fahrzeugbewegungen wird den Antragsteller auch nicht unzumutbar belasten. Die durch eine derartige Erweiterung eines Wohngebietes verursachten Verkehrsimmissionen sind von den bisherigen Bewohnern, die ihrerseits ebenfalls Verkehrsimmissionen verursachen, ohne weiteres hinzunehmen. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil auf dem Vorhabengrundstück nunmehr neun zusätzliche Wohneinheiten geschaffen werden und im Vergleich zu dem bisherigen Bestand in dem betreffenden Gebiet, welches durch eine Einfamilienhaus-Bebauung geprägt ist, eine erhöhte Dichte hinsichtlich der Wohnnutzung entsteht. Das Hinzutreten von neun Wohneinheiten und die damit verbundene Zunahme des Verkehrsaufkommens und der damit einhergehenden Emissionen halten sich jedenfalls noch in dem Rahmen, was von dem Antragsteller und den anderen Nachbarn in der Nähe des Vorhabens hingenommen werden muss.

28

Der Antragsteller kann auch nicht geltend machen, das Bauvorhaben beeinträchtige den optischen Charakter der bebauten Siedlung. Denn das Ortsbild nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB vermittelt keinen Drittschutz (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.07.2012 - 1 B 158/12 - juris; Beschl. v. 13.11.1997 - 4 B 195/97 - NVwZ-RR 1998, 540; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Kommentar, 114. EL 2014, § 34 Rn. 141), sondern besteht ausschließlich im öffentlichen Interesse. Der Antragsteller hat weder einen Anspruch auf Erhalt oder Beibehaltung des Siedlungscharakters als „Einfamilienhaussiedlung“ im historischen oder derzeit bestehenden Zustand noch einen Anspruch auf Bebauung oder Nutzung des Nachbargrundstücks wie sein eigenes Grundstück.

29

Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, dass mit der Errichtung der beiden Gebäude (Haus A und Haus B) und den vorgesehenen neun Wohneinheiten eine Verdichtung der Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks erfolgt, da die anderen Grundstücke lediglich mit Einfamilienhäusern bebaut sind. Die Anzahl der Wohnungen in einem Gebäude (Wohngebäude) ist kein Kriterium zur Beurteilung der Frage, ob sich Vorhaben im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB einfügt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.04.1989 - 4 B 72/89 - juris; Urt. v. 13.06.1980 - 4 C 98/77 - juris).

30

II. Der Antrag zu 2), den Antragsgegner zu verpflichten, die Baustelle auf dem streitgegenständlichen Grundstück stilllegen zu lassen, ist jedenfalls unbegründet. Es handelt sich in der Sache um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO, der auf eine Verpflichtung des Antragsgegners auf Erlass einer Stilllegungsverfügung gem. § 59 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 LBO gerichtet ist.

31

Es kann dahinstehen, ob es vorliegend für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §123 Abs. 1 VwGO bereits an dem notwendigen Rechtschutzbedürfnis fehlt und der Antrag bereits deshalb unzulässig ist. Das Rechtsschutzbedürfnis ist grundsätzlich dann zu verneinen, wenn der den Antrag stellende Bürger sich nicht zuvor an die zuständige Verwaltungsbehörde gewandt hat. Wenn allerdings nach Lage der Dinge nicht damit gerechnet werden kann, dass die Behörde dem Anliegen des Antragstellers entsprechen wird und während des deshalb voraussichtlich erfolglosen Verwaltungsverfahrens bereits eine Rechtsbeeinträchtigung zu befürchten ist, dann ist ausnahmsweise das Rechtschutzbedürfnis für die sofortige Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegeben (vgl. Kuhla, in: Posser/Wolff, Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand 01.10.2014, § 123 Rn 37a m.w.N.).

32

Der bereits im Verwaltungsverfahren durch seinen Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller hat bei dem Antragsgegner bislang keinen Antrag auf ein bauordnungsrechtliches Einschreiten mit dem Ziel der Stilllegung der Baustelle gestellt. Allerdings hat der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers gegen die Baugenehmigung umfassend abgelehnt und dort auch die objektive Rechtmäßigkeit des Vorhabens in bauplanungs- und bauordnungsrechtlicher Hinsicht bejaht. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsgegner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch einen Antrag auf bauordnungsrechtliches Einschreiten abgelehnt hätte.

33

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

34

Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten setzt voraus, dass der Anspruchsinhaber in geschützten Nachbarrechten verletzt ist und das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde derart reduziert ist, so dass nur noch ein Einschreiten in der beantragten Art und Weise ermessensgerecht ist. Schließlich darf ein solcher Anspruch nicht verwirkt sein. Als Anspruchsgrundlage für das von dem Antragsteller begehrte Einschreiten des Antragsgegners in seiner Funktion als untere Bauaufsichtsbehörde kommt allein § 59 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBO in Verbindung mit den nachbarschützenden Bestimmungen des Bauordnungsrechts und in Verbindung mit drittschützenden Regelungen des Bauplanungsrechts einschließlich des grundsätzlich als drittschützend qualifizierten Gebots der Rücksichtnahme (§15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) in Betracht. Danach können die Bauaufsichtsbehörden können nach Absatz 1 Satz 2 insbesondere die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden.

35

Wie bereits erörtert, verstößt das streitgegenständliche Vorhaben nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Im Gegensatz zum Prüfungsmaßstab bei der Anfechtung einer im gem. § 69 LBO vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilten Baugenehmigung, sind bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf bauordnungsrechtliches Einschreiten auch die Vorschriften der LBO zu prüfen. Eine Verletzung von drittschützenden Vorschriften der LBO liegt jedoch nicht vor.

36

Der Antragsteller kann sich insoweit nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften nach § 6 LBO berufen, da er nicht angrenzender Nachbar des Vorhabens ist und somit nicht in den Schutzbereich von § 6 LBO fällt. Im Übrigen liegt ein Verstoß gegen die Vorschriften des § 6 LBO auch ersichtlich nicht vor.

37

Der Antragsteller kann sich allenfalls wegen etwaiger Störungen durch die genehmigten Stellplätze auf dem Baugrundstück selbst auf die nachbarschützende Regelung in § 50 Abs. 9 LBO berufen, wonach Stellplätze und Garagen so angeordnet und ausgeführt werden müssen, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und das Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung durch Lärm oder Gerüche nicht über das zumutbare Maß hinaus stört. Für die Frage, welches Ausmaß an Störungen im Einzelfall noch zumutbar ist, muss zunächst die sich aus der baulichen Struktur der Umgebung ergebende Immissions-Grundbelastung berücksichtigt werden. Daher ist die Toleranzschwelle in einem belebten Innenstadtbereich höher als in einem ruhigen Einfamilienhausgebiet. Weiterhin ist zu beachten, dass die durch notwendige Stellplätze ausgelösten Immissionen grundsätzlich hinzunehmen und nur unter besonderen Umständen unzumutbar sind (BVerwG, Urt. v. 07.12.2006 - 4 C 11/05 - juris). Daraus folgt, dass der Antragsteller die „gebietstypischen“ Immissionen hinnehmen muss. Eine Ausnahmesituation, die dennoch zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führen kann, ist dann möglich, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch die vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück erschließenden Straße oder durch massiven Parksuchverkehr erheblich verschlechtert und die Gesamtbelastung bei Abwägung aller Belange unzumutbar ist (OVG Münster, Urt. v. 15.05.2013 - 2 A 3009/11 - juris).

38

Solche (Ausnahme-) Umstände sind - wie bereits erörtert - hier jedoch nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat auch nicht in diesem hinreichend vorgetragen, dass er durch die Anordnung und Ausführung der Stellplätze hinsichtlich der von dem Fahrzeugverkehr ausgehenden Immissionen über das zumutbare Maß hinaus belastet wird. Eine erhebliche Verschlechterung der Gesamtbelastung durch die Zunahme des Anwohner- und Besucherverkehrs in dem relevanten Bereich des Wohngebietes ist für die Kammer nicht ersichtlich.

39

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeit für erstattungsfähig erklärt worden, weil er einen eigenen Sachantrag gestellt hat und damit auch das Risiko einer Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen ist. Der Antrag des Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen vom 18.12.2014, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen, ist im Zusammenhang mit seinem Schriftsatz vom 17.12.2014, mit dem er eine Verletzung von Nachbarrechten des Antragstellers abstreitet, insgesamt als Antrag auf Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auszulegen und umfasst auch die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung.

40

III. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 S. 2, 63 Abs. 2 GKG. Der Streitwert von 15.000,-- € für das Hauptsacheverfahren (15.000,-- € bei einer Nachbarklage, mit der die Beeinträchtigung eines Einfamilienhauses geltend gemacht wird) ist für das vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.