Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. Okt. 2014 - 6 A 62/13

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2014:1016.6A62.13.0A
bei uns veröffentlicht am16.10.2014

Tenor

Die Bescheide vom 06.02.2013 und 07.03.2013 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung des Klägers zur Erstattung von Bestattungskosten.

2

Der Kläger ist der Sohn der am 12. April 2012 verstorbenen .... Ausweislich eines Vermerks wurde der Auftrag zur Einäscherung von der Beklagten am 20. April 2012 erteilt. Die Einäscherung wurde durchgeführt am 04. Mai 2012 und der Auftrag zur Überführung der Urne wurde am 01. Juni 2012 erteilt.

3

Unter dem 20. April 2012 unterrichtete die Beklagte den Kläger sowie daneben auch eine Schwester über den telefonischen Einäscherungs-Auftrag an ein Bestattungsinstitut und forderte den Kläger auf, die Urne innerhalb von vier Wochen nach Durchführung der Einäscherung beizusetzen. Zur Begründung heißt es, dass er als Hinterbliebener verpflichtet sei, die Bestattung vorzunehmen. Da die gesetzliche Bestattungsfrist neun Tage nach Eintritt des Todes betrage, sei die Einäscherung bereits beauftragt worden. Der Kläger sei aber verpflichtet, die Urne innerhalb von vier Wochen nach Durchführung der Einäscherung beizusetzen.

4

Der Kläger teilte mit Schreiben vom 12. Mai 2012 mit, dass er finanziell nicht in der Lage sei, die Kosten zu begleichen. Er habe auch zu Lebzeiten keinen Kontakt zu seiner Mutter gehabt. Er könne auch allenfalls anteilsmäßig zusammen mit den Geschwistern für die Bestattung und Einäscherung herangezogen werden.

5

Mit Bescheid vom 06. Februar 2013 wurde der Kläger zur Zahlung der Bestattungskosten in Höhe von 1.915,67 € herangezogen. Er wurde darauf hingewiesen, dass er die Bestattung seiner Mutter nicht veranlasst habe. Diese sei deshalb im Wege der Ersatzvornahme durch die Beklagte vorgenommen worden. Abzüglich des Bargeldbestandes und des Verkaufserlöses einiger Schmuckstücke würden sich die Kosten auf insgesamt 1.783,22 € belaufen. Daneben werde eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 129,-- € erhoben. Außerdem wurde auf die gesamtschuldnerische Haftung hingewiesen.

6

Der Kläger legte dagegen am 06. März 2013 Widerspruch ein. Er machte geltend, dass seine Mutter damals erhebliche Alkoholprobleme gehabt habe. Sie habe sich nicht um die Kinder gekümmert. Sie sei oftmals die ganze Nacht nicht dagewesen und habe die Kinder nicht versorgt. Sobald Geld vorhanden gewesen sei, sei dies für Alkohol ausgegeben worden. Die Kinder seien oftmals durch die Großmutter versorgt worden. 1978 seien er und auch seine Geschwister von dem zuständigen Jugendamt wegen Kindeswohlgefährdung aus dem elterlichen Haushalt geholt und in einem Kinderheim in Eckernförde untergebracht worden. Erst 1979 seien wieder Besuche im Haushalt der Eltern erfolgt. Anlässlich eines Besuches bei den Eltern im Jahre 1980 sei er sowie eine Schwester von seinem Vater mit dem Wissen seiner Mutter in die Türkei verbracht worden. Er sei nicht mehr ins Kinderheim zurückgekehrt. Er und seine Schwester seien von der türkischen Ehefrau des Vaters betreut und versorgt worden. Er sei bis 1990 in der Türkei verblieben. Er habe während des gesamten Zeitraumes keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter gehabt. Auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland habe er keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter gehabt. Es sei deshalb unbillig, ihn zur Erstattung der Bestattungskosten heranzuziehen.

7

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07. März 2013 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Bestattungspflicht unabhängig von der persönlichen Situation und den wirtschaftlichen Verhältnissen bestehe. Deshalb habe von dem Erlass eines Kostenbescheides nicht abgesehen werden können. Er habe die Möglichkeit, beim Sozialamt eine Bestattungskostenbeihilfe zu beantragen. Die von dem Kläger geschilderte Vernachlässigung befreie nicht von der Bestattungspflicht.

8

Am 10. April 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, dass eine unbillige Härte im Sinne des § 21 Abs. 2 VVKVO vorliege. Seine verstorbene Mutter habe erhebliche Alkoholprobleme gehabt und sich um ihn und die Geschwister nicht hinreichend gekümmert. Sie sei oft nächtelang nicht anwesend gewesen und habe ihn und die anderen Geschwister nicht hinreichend mit Essen und Betreuung versorgt. Wegen Kindeswohlgefährdung sei er 1978 aus dem Haushalt der Eltern herausgeholt und in einem Kinderheim untergebracht worden. Mit Wissen seiner verstorbenen Mutter sei er durch den Kindesvater ohne das Wissen des Jugendamtes in die Türkei verbracht worden. Dort habe er bis 1990 leben müssen. Diese Erlebnisse seien für ihn traumatisch gewesen. Er sei ohne Kenntnisse der türkischen Sprache in die Türkei verbracht worden. Auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland habe er keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter gehabt. Auch seine Mutter habe nicht versucht, zu ihm Kontakt aufzunehmen. Er sei von seiner Mutter grob vernachlässigt worden. Sein Kindeswohl sei gefährdet gewesen. Dies begründe eine unbillige Härte.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Bescheide vom 06. Februar 2013 und 07. März 2013 aufzuheben.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie erwidert, dass der Kläger für die Bestattung der verstorbenen Mutter gesamtschuldnerisch hafte. Auch in Fällen eines zerrütteten Verhältnisses sei die Kostentragungspflicht sachgerecht. Davon könne nur abgesehen werden, wenn Straftaten von erheblichem Gewicht ihm gegenüber vorlägen. Allein eine Entfremdung, ein zerrüttetes Verhältnis, fehlende Nähe oder Unterhaltspflichtverletzungen würden aber nicht ausreichen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide vom 06. Februar 2013 und 07. März 2013 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

16

Rechtsgrundlage des Kostenbescheides ist § 13 Abs. 2 Satz 2 Bestattungsgesetz SH (BestattungsG) iVm den §§ 230, 238, 249 LVwG iVm der Landesverordnung über die Kosten im Vollzugs- und Vollstreckungsverfahren (VVKVO). Danach hat die für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständige Gemeinde entsprechend §§ 230 und 238 LVwG für die Bestattung zu sorgen, wenn Bestattungspflichtige nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Bestattungsgesetz nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln sind oder ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen und kein anderer die Bestattung veranlasst.

17

Der Gesetzgeber wollte durch das Gesetz zur Änderung des Bestattungsgesetzes vom 16. Februar 2009 mit dieser Regelung für die bestattende Gemeinde eine Ermächtigung erschaffen, auf deren Grundlage sie von dem Bestattungspflichtigen die Erstattung der Bestattungskosten verlangen kann (vgl. Landtagsdrucksache 16/2286, Seite 2 und 13). Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung. Die Beklagte nimmt eine eigene, subsidiäre Pflicht als pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit war. Dies ergibt sich daraus, dass § 27 BestattungsG diese Aufgabe als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe formuliert. Nur bezüglich der Erstattung der Kosten wird als Rechtsfolge auf die §§ 230, 238 LVwG verwiesen. Es war vom Gesetzgeber auch gewollt, diese Aufgabe nicht als Pflichtaufgabe nach Weisung auszugestalten, sondern den Gemeinden diese Aufgabe im Wege der kommunalen Selbstverwaltung zu überantworten (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. März 2008, Az.: 2 LB 35/07 mwN.).

18

§ 13 Abs. 2 Satz 3 BestattungsG kann dagegen nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden (andere Auffassung noch OVG Schleswig, Beschluss vom 25.06.2012, Az.: 2 O 12/12). In dieser Vorschrift wird zwar von Haften gesprochen. Maßgeblich geht es hier allerdings um die Normierung der Gesamtschuldnerschaft. Dies wird dadurch deutlich, dass sich der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 2 Satz 3 Bestattungsgesetz lediglich auf die Hinterbliebenen im Sinne des § 2 Nr. 12 Buchst. c) bis g) beschränkt. Dies verdeutlicht, dass es in dieser Vorschrift allein um die Gesamtschuldnerschaft geht, weil auch bestattungspflichtige Hinterbliebene nach § 2 Nr. 12 Buchst. a) und b) BestattungsG kostenerstattungspflichtig sein sollen. Auch die Gesetzgebungsgeschichte spricht dafür, dass der Gesetzgeber den Kostenerstattungsanspruch in § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattungsG normieren wollte. Der Gesetzgeber reagierte ausdrücklich auf das Urteil des OVG Schleswig vom 17.03.2008, Az.: 2 LB 35/07, nach dem die Bestattungskosten weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung der Vorschriften für die Erstattung der Kosten einer Ersatzvornahme verlangt werden können (vgl. Landtagsdrucksache 16/2286, S. 2). Dort heißt es ausdrücklich, dass die Lücke im Gesetz durch die Worte „entsprechend §§ 230 und 238 des Landesverwaltungsgesetzes“ geschlossen werden sollte. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber den Erstattungsanspruch von Bestattungskosten in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Ersatzvornahme im Landesverwaltungsgesetz regeln wollte.

19

Insofern erfolgt die Heranziehung zu den von der Beklagten aufgewandten Kosten nach historischer Auslegung des Gesetzeswortlauts aus dem in § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattungsG enthaltenen Rechtsfolgenverweis auf §§ 230, 238, 249 Abs. 1 LVwG iVm der VVKVO (vgl. auch Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 04. März 2014, Az.: 2 O 21/13).

20

Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Die Klägerin ist zwar als Tochter des Verstorbenen gemäß § 2 Ziffer 12 Buchst. c) BestattungsG bestattungspflichtig. Die Beklagte durfte auch als Gemeinde des Sterbeortes die Bestattung veranlassen, weil zunächst keine der in § 13 Abs. 2 Satz 1 BestattungsG genannten Angehörigen bekannt waren. Im Hinblick auf die Bestattungsfrist von 9 Tagen (§ 16 Abs.1, 2.HS BestattungsG) unterliegt der Bestattungsauftrag vom 20. April 2012 der am 12. April 2012 Verstorbenen keinerlei Bedenken. Dies gilt auch für die Urnenbeisetzung. Der Kläger hatte es abgelehnt, diese selbst zu veranlassen.

21

Die Kostentragung stellt hier aber eine ausnahmsweise anzunehmende unbillige Härte im Sinne des § 21 Abs. 2 VVKVO (iVm § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattungsG iVm den §§ 230, 238, 249 LVwG) dar. Nach dieser Vorschrift kann von einer Berechnung und Beitreibung der Gebühren und Auslagen teilweise oder ganz abgesehen werden, wenn die Beitreibung der Kosten für die Schuldnerin oder den Schuldner eine unbillige Härte bedeuten würde. Diese Vorschrift ist hier auch anwendbar. Zwar ist die obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise der Auffassung, dass Billigkeits- bzw Zumutbarkeitserwägungen ausschließlich bzw. im Wesentlichen im Rahmen des § 74 SGB XII zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 26. Mai 2010; OVG Lüneburg, Urteil vom 13.07.2005; Urteil vom VGH München vom 09.06.2008, juris). Dieser Auffassung wird aber nicht gefolgt.

22

Der sozialrechtliche Anspruch aus § 74 SGB XII schließt jedenfalls dann, wenn im Bestattungsrecht des jeweiligen Landes auf eine Kostenordnung mit einer Billigkeitsklausel verwiesen wird (etwa in Schleswig-Holstein; Niedersachsen; Nordrhein- Westfalen)die Anwendung dieser Billigkeitsklausel (hier: § 21 Abs. 2 VVKVO) nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse aus, nicht aber in Bezug auf persönliche Umstände (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 26.10.2011,.5 A 1245/11, Juris). Zwar können etwaige persönliche Billigkeitsgesichtspunkte auch im Rahmen des § 74 SGB XII geprüft werden. Allerdings sperrt dies die Anwendung des § 21 Abs. 2 VVKVO nicht. Diese Betrachtungsweise würde ausblenden, dass dem Betroffenen eine Handlungslast aufgebürdet wird, und er ein Verfahren nach § 74 SGB XII in Gang bringen muss. Im Übrigen befreit § 74 SGB XII nur davor, die Kosten endgültig tragen zu müssen. Aber schon der Umstand, überhaupt in Anspruch genommen zu werden, kann eine unbillige Härte sein. Ein Anspruch aus § 74 SGB XII steht auch nur demjenigen zu, der zur Kostenerstattung verpflichtet ist. Die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, wird nicht durch § 74 SGB XII bestimmt, sondern vorausgesetzt. Insofern ist das Verfahren hinsichtlich der Erstattungspflicht der Bestattungskosten -zu dem auch die in § 21 Abs. 2 VVKVO normierte unbillige Härte gehört- vorgreiflich (Hessischer VGH, a.a.O.). Desweiteren ist zu berücksichtigen, dass ein Anspruch aus § 74 SGB XII ungewiss ist. Der Anspruch aus § 74 SGB XII stellt einen Anspruch dar, der eine gegenüber den üblichen sozialrechtlichen Bedarfssituationen eigene Struktur aufweist ( BSG, Urteil vom 25.August 2011, B 8 SO 20/10, juris). Zum Teil wird die Übernahme der Kosten auch von vornherein auf den individuellen Anteil bei gesamtschuldnerischer Haftung begrenzt (Hessisches LSG, Urteil vom 6. Oktober, L 9 SO 226/10, juris). Oder der Hilfesuchende wird darauf verwiesen, zivilrechtliche Ausgleichsansprüche durchzusetzen bzw. nachzuweisen, dass dies gescheitert ist (SH LSG, Urteil vom 14.März 2006, L 9 B65/06 SO ER, juris). Auf einen solch ungewissen Anspruch kann ein Betroffener nicht verwiesen werden.

23

Die erkennende Kammer hat sich deshalb der Auffassung angeschlossen, dass sich bereits im Rahmen der Heranziehung zu den Bestattungskosten die Frage der unbilligen Härte stellt (vgl. OVG Münster, Urteil vom 15.10.2001, Az.: 19 A 571/00; VGH Kassel, Urteil vom 26.10.2011, Az.: 5 A 1245/11; VG Halle, Urteil vom 20.11.2009, Az.: 4 A 318/09; VG Karlsruhe, Urteil vom 16.01.2007; Az.: 11 K 1326/06, jeweils zitiert nach Juris). Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie in Schleswig-Holstein, das Bestattungsrecht des Landes auf eine Kostenverordnung mit einer entsprechenden Norm (hier: § 21 Abs.2 VVKVO) verweist.

24

Dem steht auch nicht entgegen, dass es innerhalb der kurzen 9-tägigen Bestattungsfrist nicht möglich sei, die persönliche Beziehung zum Verstorbenen zu erforschen. Die Frage, ob eine unbillige Härte vorliegt, ist nicht innerhalb der 9-Tages-Frist des § 16 Abs1, 2.HS BestattungsG zu entscheiden. Es geht hier um die Kostenerstattung, die sich erst nach der bereits vorgenommenen Bestattung stellt. Im Rahmen der Bestattungspflicht selbst spielt die Frage der unbilligen Härte keine Rolle. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Bestattungspflicht ordnungsrechtlich durch Bescheid durchgesetzt werden könnte. Nur dann müsste im Rahmen dieses Verfahrens bereits die unbillige Härte (innerhalb der dafür zu kurzen 9-Tages-Frist) überprüft werden. Allerdings ist die Bestattungspflicht ordnungsrechtlich nicht durch Bescheid durchsetzbar. Dafür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Zwar heißt es in § 13 Abs.2 S.1 BestattungsG, dass die Hinterbliebenen für die Bestattung zu sorgen haben. Es gibt in § 13 BestattungsG aber keine Ermächtigung, die dem Beklagten die Durchsetzung dieser Pflicht ermöglicht. Insofern ist eine Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung geschaffen worden, nicht aber eine zur Durchsetzung der Bestattungspflicht. Aus dem Bestattungsgesetz folgt für die Beklagte lediglich die Obliegenheit, Angehörige zu ermitteln und sie auf ihre Bestattungspflicht hinzuweisen. Es liegt auch keine Ersatzvornahme vor, wenn die Gemeinde die Bestattung selbst vornimmt. In § 13 Abs. 2 S.2 BestattungsG handelt es sich nur um eine Rechtsfolgenverweisung (siehe oben). Ein sog. Grund-Verwaltungsakt zur Durchsetzung der Bestattungspflicht ist deshalb nicht nötig. Im Rahmen der Frage zur Kostenerstattung kann dann ohne Eile die unbillige Härte geprüft werden.

25

Der Begriff der unbilligen Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Unbilligkeit kann in der Sache selbst oder in der Person des Pflichtigen begründet sein. Ein sachlicher Billigkeitsgrund liegt dann vor, wenn ein Sachverhalt zwar den buchstäblichen Tatbestand des Gesetzes erfüllt, dies aber im Einzelfall zu einer mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht zu vereinbarenden Härte führt.

26

Grundsätzlich bringt der Gesetzgeber durch die Regelung der Kostentragungspflicht durch nahe Angehörige zum Ausdruck, dass die Lasten der Bestattung, obwohl nach dem Bestattungsgesetz eine Aufgabe zur Gefahrenabwehr, letztlich nicht von der Allgemeinheit zu tragen sind. Der rechtfertigende Grund liegt in der verwandtschaftlichen bzw. familiären Beziehung. Der Gesetzgeber knüpft damit an die überkommene, von der großen Mehrheit der Bevölkerung getragenen Auffassung an, dass innerhalb des engeren Familienkreises besondere Solidaritätspflichten bestehen, die über den Tod hinaus wirken. Diese sozial-ethisch gebotene familiäre Solidarität soll nicht auf die Gemeinschaft abgewälzt werden. Nur für den Fall, dass es als unzumutbar erscheint, den Betroffenen die Kosten aufzuerlegen, kann eine Ausnahme von der Solidaritätspflicht angenommen werden.

27

Auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist weitgehend anerkannt, dass gestörte Familienverhältnisse im Ausnahmefall dazu führen können, von einer Kostentragungspflicht bezüglich der Bestattungskosten abzusehen. Wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt, wird allerdings uneinheitlich beurteilt. Diejenigen Verwaltungsgerichte, die die Prüfung von Billigkeitsgesichtspunkten in erster Linie dem § 74 SGB XII überantworten (etwa OVG Hamburg, Urteil vom 26. Mai 2010; OVG Lüneburg, Urteil vom 13.07.2005; Urteil vom VGH München vom 09.06.2008, jeweils zitiert nach juris) legen einen sehr strengen Maßstab an. Die Unzumutbarkeit einer Heranziehung wird beschränkt auf schwere Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen. Zum Teil wird sogar eine Verurteilung des Verstorbenen vorausgesetzt.

28

Das Erfordernis einer schweren Straftat kann aber nur dann der Maßstab sein, wenn ausschließlich oder im Wesentlichen im Rahmen des eigenständigen sozialhilferechtlichen Anspruchs aus § 74 SGB XII eine Unzumutbarkeitsprüfung stattfindet. Wird, wie hier vertreten, die Unbilligkeit bereits im Rahmen der bestattungsrechtlichen Kostenerstattung geprüft, kann sich eine unbillige Härte auch schon unterhalb der Schwelle der schweren Straftat ergeben. Denn bei der Einordnung der unbilligen Härte muss auf den o.g. Zweck der Bestattungspflicht und damit verbundener Kostentragung abgestellt werden. Das Interesse des Bestattungspflichtigen, von der Heranziehung zu den Kosten verschont zu bleiben, muss so gewichtig sein, dass es das öffentliche Interesse an der ausnahmslosen Bestattung und Kostentragungspflicht überwiegt (z.B. VG Karlsruhe, Urteil vom 16.01.2007, Az.: 11 K 1326, 06, juris). Das zumutbare Gewicht der Kostenlast hängt dabei vor allem von der Nähe und Beziehung des Pflichtigen zum Verstorbenen ab (vgl. Urteil des BVerwG vom 29.0.12004, Az.: 5 C 2/03, juris). Wenn aber der Hintergrund der Bestattungspflicht und damit der Kostentragungspflicht das nähere Verhältnis des Verstorbenen zu seinen Hinterbliebenen als zur Allgemeinheit ist, dann muss die Grenze zur unbilligen Härte im Sinne des § 21 Abs. 2 VVKVO dort gezogen werden, wo bei vernünftiger Betrachtung ein vollständiges, endgültiges Verschwinden der Nähe berechtigt ist.

29

Das Verschwinden des Näheverhältnisses muss dabei auf solchen Gründen beruhen, die geeignet sind, das von dem Gesetzgeber bei Schaffung der familiären Bestattungspflicht unterstellte und vorausgesetzte Näheverhältnis komplett aufzulösen. Insofern kann nicht jede Abkehr von der familiären Verbundenheit eine unbillige Härte bedingen. Denn die Gründe hierfür können vielfältigster Art oder durch innerfamiliäre Eigenheiten ausgelöst sein (vgl. auch Urteil der Kammer vom 04. September 2014, 6 A 163/12).

30

Die Grenze zur unbilligen Härte wird objektiv erst dann überschritten, wenn sich der Verstorbene in Anlehnung an die unterhaltsrechtlichen Bestimmungen in den §§ 1611, 1579 BGB eines schweren Vergehens oder einer gravierenden Verfehlung gegen den Pflichtigen schuldig gemacht hat.

31

Allerdings ist bei der Heranziehung der §§ 1579, 1611 BGB zu berücksichtigen, dass es in diesem Verfahren bezüglich der Erstattung von Bestattungskosten nicht um ein Dauerschuldverhältnis (wie bei der Zahlung von Unterhalt), sondern um eine einmalige Leistung geht (vgl. VG Halle, Urteil vom 20. November 2009, 4 A 318/09, juris). Deshalb muss sich die Heranziehung im Wesentlichen beschränken auf § 1579 Ziff.3 BGB (Verbrechen und vorsätzliche Vergehen) oder eine damit vergleichbare Verfehlung iSd § 1579 Ziff. 7 BGB.

32

Die Voraussetzungen für eine so interpretierte unbillige Härte liegen hier vor. Das Gericht hat keinen Zweifel an der Richtigkeit des Vortrags des Klägers und legt diesem seiner rechtlichen Würdigung zugrunde. Danach ist der 1966 geborene Kläger 1978 von dem zuständigen Jugendamt wegen Kindeswohlgefährdung aus dem elterlichen Haushalt herausgenommen und in einem Kinderheim in ... untergebracht worden. Erst 1979 erfolgten Besuche des Klägers im Haushalt der Eltern an Wochenenden. Anlässlich eines solchen Besuches wurde der Kläger 1980 von seinem türkisch stämmigen Vater mit Wissen seiner Mutter aber gegen seinen Willen und ohne Kenntnis des Kinderheimes (zusammen mit einer Schwester) in die Türkei verbracht und dort von für ihn fremden Personen versorgt. Der Kläger blieb bis 1990 in der Türkei und kam dann zurück nach Deutschland. Zu seiner Mutter hat er nie wieder Kontakt gehabt.

33

Durch dieses Verhalten seiner Mutter dem Kläger gegenüber liegt eine unbillige Härte im Hinblick auf die Erstattung von Bestattungskosten vor. Die Verstorbene hat sich gegenüber dem Kläger eines schweren Vergehens bzw. einer vergleichbaren Verfehlung schuldig gemacht. Dies ergibt sich daraus, dass der verstorbenen Mutter des Klägers wegen der Gefährdung des Kindeswohls ihre elterliche Sorge für den Kläger entzogen wurde. Voraussetzung dafür ist, dass das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Bei der Feststellung einer Kindeswohlgefährdung stehen verschiedene Maßnahmen zur Verfügung. Die Entziehung der elterlichen Sorge und die Unterbringung in einem Heim stellt dabei die intensivste Maßnahme dar. Insofern ist davon auszugehen, dass die Gefährdung des Klägers sehr gravierend gewesen sein muss. Es ist von erheblichen Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohls des Klägers auszugehen. Ein solches Verhalten der Eltern dürfte auch den Tatbestand einer Körperverletzung bzw. Gesundheitsgefährdung nach § 223 StGB erfüllen. Zwar sind keine aktiven körperlichen Übergriffe oder Misshandlungen von dem Kläger geschildert worden. Allerdings können wegen der Garantenstellung auch durch elterliches Unterlassen Straftatbestände verwirklicht werden. Durch die Herausnahme des Klägers aus dem elterlichen Haushalt durch das Jugendamt wird dokumentiert, dass eine erhebliche Vernachlässigung anzunehmen ist. Es spricht deshalb einiges dafür, von einer Verwirklichung des Straftatbestandes aus § 223 StGB auszugehen. Jedenfalls ist aber eine mit einem vorsätzlichen Vergehen vergleichbare Verfehlung anzunehmen.

34

Hinzu kommt, dass der Kläger mit Wissen der Mutter von seinem Vater für Jahre gegen seinen Willen in die Türkei verbracht wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger die türkische Sprache nicht beherrschte und dort auch niemanden kannte. Das Verhalten der verstorbenen Mutter, die dagegen nichts unternommen hat, ist Ausdruck einer extremen Gleichgültigkeit. Dieses mütterliche Fehlverhalten hat zu einer völligen Zerstörung des Mutter-Kind-Verhältnisses geführt. Dieser vollständige Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme führt zur Annahme einer schweren und gravierenden Verfehlung, die nach den oben genannten Maßstäben eine unbillige Härte begründet.

35

Durch die Kindeswohlgefährdung ist von einem in seiner Gesamtheit negierten Familienverhältnis auszugehen, indem die familienrechtlichen Verhältnisse, auf den die Kostentragungspflicht gründet, keinerlei Nachwirkungen zeigen. Daran ändert auch nichts, dass die Verstorbene ein ggfs. krankhaftes Alkoholproblem hatte. Jedenfalls ist das Verhalten der Verstorbenen Ursache für die völlige Entfremdung von dem Kläger.

36

Die Bescheide erweisen sich deshalb als rechtswidrig. Der Klage war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

37

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

38

Die Berufung ist zugelassen worden nach § 124a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Ziff. 4 VwGO. weil das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 26. Mai 2014 (2 O 31/13) ausgeführt hat, dass eine unbillige Härte nur bei schweren Straftaten (Tötungsversuch, Vergewaltigung, sexueller Missbrauch) angenommen werden kann. Von diesem Maßstab weicht dieses Urteil ab. Diese Abweichung ist auch entscheidungserheblich, weil eine schwere Straftat vorliegend nicht gegeben ist.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. Okt. 2014 - 6 A 62/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. Okt. 2014 - 6 A 62/13

Referenzen - Gesetze

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. Okt. 2014 - 6 A 62/13 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1579 Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit


Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes gro

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 74 Bestattungskosten


Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1611 Beschränkung oder Wegfall der Verpflichtung


(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterh

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. Okt. 2014 - 6 A 62/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. Okt. 2014 - 6 A 62/13 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Jan. 2007 - 11 K 1326/06

bei uns veröffentlicht am 16.01.2007

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 02.09.2004 durch Leistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde und dass die aus dem Bescheid vom 02.09.2004 abgeleitete Kostentragungspflicht der Klägerin für die Bestattungskost
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. Okt. 2014 - 6 A 62/13.

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 12. Juni 2015 - L 9 SO 46/12

bei uns veröffentlicht am 12.06.2015

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 3. April 2012 wird zurückgewiesen. Der Beklagte erstattet dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 02.09.2004 durch Leistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde und dass die aus dem Bescheid vom 02.09.2004 abgeleitete Kostentragungspflicht der Klägerin für die Bestattungskosten ihres Vaters rechtswidrig war.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Bestattungskosten ihres Vaters.
Die Klägerin ist die Tochter des am 20.04.2004 Verstorbenen (...), der noch einen Sohn (...) hinterlässt. Durch Urteil des Landgerichts Konstanz (...) wurde der Verstorbene wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes, der Klägerin im Alter von vier Jahren, rechtskräftig verurteilt.
Mit Leistungsbescheid vom 02.09.2004 wurde der Klägerin aufgegeben, der Stadt Mannheim die Kosten der Bestattung von ... kraft öffentlichen Rechts im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft mit ... in Höhe von EUR 2.110,53 zu erstatten. Der Bescheid wurde ihrem damaligen Bevollmächtigten (...) mit Postzustellungsurkunde am 10.09.2004 zugestellt. Eine schriftliche Vollmacht für die „Vertretung in der Nachlassangelegenheit ...“ vom 07.05.2004 lag beim Notariat - VIII Mannheim - Nachlassgericht unter dem Geschäftszeichen .... Am 02.09.2004 erging auch ein Leistungsbescheid an ihren Bruder.
Nachdem die Vollstreckung ergebnislos verlief, teilte der neue Prozessbevollmächtigte der Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 30.01.2006 unter „Bezug auf die heute geführten Telefonate“ mit, „wir kamen überein, dass der Bescheid vom 02.04.2004 ... nicht wirksam“ der Klägerin „zugestellt wurde“; die Vollstreckung sei deshalb unzulässig.
Daraufhin erließ die Beklagte (Friedhöfe Mannheim) am 30.01.2006 einen (zweiten) Leistungsbescheid, in dem der Klägerin aufgegeben wurde, der Stadt Mannheim die Kosten der Bestattung von ... im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft mit ... in Höhe von 2.110,53 EUR zu erstatten. Des Weiteren wurde darin eine Zahlungsfrist bis spätestens zum 28.02.2006 gesetzt. Zur Begründung ist ausgeführt, sie sei als Tochter des Verstorbenen gesamtschuldnerisch mit ihrem Bruder dazu verpflichtet, den Friedhöfen Mannheim die Bestattungskosten zu erstatten. Die Verfügung wurde der Klägerin am 03.02.2006 zugestellt. Mit dem am 09.02.2006 eingegangenen Widerspruch vom 07.02.2006 „gegen den Bescheid vom 30.01.2006“ machte die Klägerin geltend: Der Erlass des Bescheides sei unzulässig, weil ein gleichlautender Bescheid bereits am 02.09.2004 erlassen und bislang nicht zurückgenommen worden sei. Die Höhe der Kosten sei unverhältnismäßig. Schließlich liege ein Verstoß gegen das Auswahlermessen vor. Der Verstorbene habe sie als vierjähriges Kind sexuell missbraucht. Noch heute leide sie unter den verübten Straftaten des Verstorbenen. Es sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, sie zu den Beerdigungskosten für eine Person heranzuziehen, welche an ihr Straftaten gemäß § 176 StGB verübt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2006 hob das Regierungspräsidium Karlsruhe den Leistungsbescheid der Stadt Mannheim vom 30.01.2006 auf. Zugleich traf es folgende Feststellung: Der gleichlautende Bescheid vom 02.09.2004 ist rechtmäßig und bestandskräftig. Zur Begründung ist ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Rücknahme sei § 48 Abs. 1 LVwVfG. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 29.04.2006 zugestellt.
Am 22.05.2006 hat die Klägerin Klage erhoben; in der mündlichen Verhandlung beantragte sie,
festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 02.09.2004 durch deren Leistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde und dass der Bescheid vom 02.09.2004 rechtswidrig war.
Zur Begründung trägt sie ergänzend vor: Streitgegenstand sei ausschließlich gewesen, dass bereits ein gleich lautender Bescheid, nämlich jener vom 02.09.2004, bestanden habe. Der Bescheid vom 02.09.2004 sei ... nicht wirksam zugestellt worden.
10 
In der mündlichen Verhandlung trug der Vertreter der Klägerin vor, aufgrund der Verurteilung ihres Vaters sei die Ehe ihrer Eltern letztlich geschieden worden. Das Sorgerecht für die Klägerin sei mit Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 07.10.1976 an die Mutter übertragen worden, die sie, die Klägerin, in der Folgezeit in ein Kinderheim abgegeben habe, in dem sie bis zu ihrer Volljährigkeit gelebt habe. Mit dem Vater sei es zu keinerlei Kontakt mehr gekommen, mit ihrer Mutter nur sporadisch; ihre Mutter weise ihr die „Schuld“ zu. Sie leide heute noch unter den Folgen des Sexualdelikts und des Auseinanderbrechens der Familie. Jede Berührung mit dem Geschehen belaste sie.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Sie ist der Ansicht, die Klägerin sei zu Recht zu den Kosten der Bestattung ihres Vaters herangezogen worden. Die Regelungen über die Bestattungspflicht und die daraus folgende Kostentragungspflicht seien mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch insoweit vereinbar, als sie keine Ausnahme vorsehen, wenn die Kostentragungspflicht für den Bestattungspflichtigen wegen des persönlichen Verhaltens des Verstorbenen als grob unbillig erscheine. Insoweit werde auf die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (Urt. v. 19.10.2004 - 1 S 681/04 -) verwiesen. § 15 BSHG bzw. nunmehr § 74 SGB XII stelle hinsichtlich der Kostentragungspflicht für Bestattungskosten eine einfach gesetzliche Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar.
14 
Dem Gericht liegen die Verwaltungsakten der Beklagten (1 Heft) einschließlich der Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Karlsruhe (1 Heft) vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf deren Inhalt und den der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die Klage ist zulässig und begründet.
16 
Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter einem Rechtsverhältnis in diesem Sinne sind „die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm (des öffentlichen Rechts) sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder einer Sache“ zu verstehen (Kopp/ Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Aufl., § 43 Rdnr. 11 m.w.N.). Die Feststellung der Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes kann mit der Klage nach § 43 VwGO ebenso wenig begehrt werden wie die Klärung der Frage, ob überhaupt ein Verwaltungsakt vorliegt. Grundsätzlich nicht ausgeschlossen wird durch § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO im Hinblick auf die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen einen Verwaltungsakt eine Klage, die nicht die Berechtigung zu dessen Erlass zum Gegenstand hat, sondern ein durch den Verwaltungsakt begründetes, verändertes oder aufgehobenes Rechtsverhältnis. Ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts kann jederzeit dahin ausgelegt werden, die Rechtswidrigkeit der aufgrund des Verwaltungsakts den Betroffenen treffenden Belastungen festzustellen (Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 7, 11, 26, 31 m.w.N.; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 43 Rdnr. 16; Pietzcker in: Schoch/Schmitt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 13. Aufl., 2006, § 43 VwGO Rdnr. 46 m.w.N.). Es kann auch die Frage der Unzulässigkeit der Vollstreckung eines inzwischen erledigten Grundverwaltungsakts begehrt werden, da mit der Anfechtung des Grundverwaltungsakts nicht seine Erledigung geltend gemacht werden kann (Pietzcker, a.a.O., § 43 Rdnr. 46 f.; vgl. auch Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 26).
17 
Im vorliegenden Verfahren besteht Streit darüber, ob der erste Leistungsbescheid vom 02.09.2004 überhaupt wirksam zugestellt und damit wirksam (§ 43 Abs. 1 u. 2 LVwVfG) wurde und falls ja, ob er durch einen zweiten Leistungsbescheid (vom 30.01.2006) aufgehoben wurde und deshalb von der Beklagten nicht mehr als Vollstreckungsgrundlage gegen die Klägerin herangezogen werden kann. In der Sache geht es den Beteiligten darum, ob die Kostentragungspflicht aus dem Leistungsbescheid vom 02.09.2004 rechtmäßig ist. Der erste Teil des Feststellungsantrags betrifft die Frage der Wirksamkeit (§§ 41, 43 Abs. 1 u. 2 LVwVfG) und die des Fortbestehens des Bescheids vom 02.09.2004, der wegen der Aufhebung des zweiten Leistungsbescheids (v. 30.01.2006) durch den Widerspruchsbescheid als alleinige Vollstreckungsgrundlage in Betracht kommt. Letztlich geht es um das feststellungsfähige Rechtsverhältnis, ob die Erstattungspflicht durch den Bescheid vom 02.09.2004 wirksam geworden ist, was insbesondere dessen ordnungsgemäße Zustellung voraussetzt, und ob eine Erstattungspflicht aufgrund dieses Bescheids fortbesteht oder durch den zweiten Bescheid (v. 30.01.2006) aufgehoben wurde. Wegen der Aufhebung des Leistungsbescheides vom 30.01.2006 durch den Widerspruchsbescheid ist unter den Beteiligten klärungsbedürftig, ob die sich aus dem Bescheid vom 02.09.2004 ergebende Kostentragungspflicht der Klägerin (zu Recht) fortbesteht, weil die Beklagte daraus zu vollstrecken beabsichtigt.
18 
Der Antrag auf Feststellung, dass der Bescheid vom 02.09.2004 rechtmäßig ist, ist mit Rücksicht auf die Spezialität der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) in einen Antrag auf Feststellung auszulegen (§ 88 VwGO), dass die im Bescheid vom 02.09.2004 festgesetzte Kostentragungspflicht für die Bestattungskosten ihres Vaters rechtswidrig ist.
19 
Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung dieser Rechtsverhältnisse. Ein berechtigtes Interesse ist insbesondere gegeben, wenn die Rechtslage unklar ist, die zuständige Behörde insoweit anderer Auffassung als der Kläger ist und der Kläger sein künftiges Verhalten an der Feststellung orientieren will, oder er Grund zur Besorgnis der Gefährdung seiner Rechte hat (Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 24 m.w.N.). Ein Interesse daran, festzustellen, ob der Erstbescheid vom 02.09.2004 wirksam geworden ist und noch fortbesteht oder durch den (zweiten) Leistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde, besteht deshalb, weil die Beklagte, wie ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, nach wie vor diesen Bescheid als wirksam zugestellt wertet und daraus gegen die Klägerin auch künftig zu vollstrecken beabsichtigt. In dieser Ansicht sieht sich die Beklagte durch Ziff. 1 des Tenors im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.04.2006 bestätigt, mit dem der (zweite) (Leistungs-)Bescheid vom 30.01.2006 aufgehoben und die Rechtmäßigkeit des (ersten) Leistungsbescheids vom 02.09.2004 bestätigt wurde. Ein Interesse daran, zu klären, ob der Erstbescheid vom 02.09.2004 durch den (zweiten) Bescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde, besteht - trotz und wegen der Aufhebung des die Klägerin belastenden Teils des zweiten Leistungsbescheids durch den Widerspruchsbescheid - deshalb, weil die Klägerin mit dem Erlass eines neuen Leistungsbescheids rechnen müsste, wenn der erste Leistungsbescheid (v. 02.09.2004) nicht (mehr) mehr fortbestehen würde und deshalb keine wirksame Vollstreckungsgrundlage wäre. Wenn der zweite Bescheid vom 30.01.2006 den ersten Bescheid aufgehoben hätte, wäre dieser die Klägerin begünstigende Teil des zweiten Bescheids von der Widerspruchsbehörde nicht aufgehoben worden.
20 
Die Rechtsunsicherheit bezüglich der Vollstreckungsgrundlage rechtfertigt es auch, ein Feststellungsinteresse für den Antrag zu bejahen, festzustellen, ob die sich aus dem Bescheid vom 02.09.2004 ergebende Kostentragungspflicht der Klägerin rechtswidrig oder rechtmäßig war. Für die Vollstreckung ist zwar nur ein wirksamer Grundverwaltungsakt erforderlich, auf dessen Rechtmäßigkeit kommt es nicht an. Um weitere Rechtsstreitigkeiten in der Vollstreckung zu vermeiden, ist es aber sachdienlich, die unter den Beteiligten streitige Kostentragungspflicht aus dem Bescheid vom 02.09.2004 im Wege der Feststellungsklage zu klären. Es soll geklärt werden, ob ein neuer inhaltsgleicher Bescheid erlassen werden könnte, falls der Erstbescheid nicht mehr besteht.
21 
Dem Feststellungsantrag steht § 43 Abs. 2 VwGO nicht entgegen. Die Spezialität der Anfechtungsklage tritt nur hervor, wenn sich die Feststellungsklage unmittelbar gegen den Verwaltungsakt richtet. Insoweit sind nur Gesichtspunkte der Subsidiarität oder der Umgehung der Vorschriften der Anfechtungsklage von Bedeutung (Schoch/Schmitt-Aßmann/ Pietzner, a.a.O., § 43 Rdnr. 46 f.; vgl. auch Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 26, § 167 Rdnr. 19 m.w.N.). Wie bereits ausgeführt, richtet sich der Feststellungsantrag bei sachdienlicher Auslegung (§ 88 VwGO) nicht gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 02.09.2004. Der Erstbescheid vom 02.09.2004 hätte zwar nach Einlegung eines Widerspruchs angefochten werden können. Nach Ergehen des zweiten Bescheides vom 30.01.2006 war dies aber entbehrlich, und zwar ungeachtet einer eventuellen Aufhebung des Bescheids vom 02.09.2004 durch den zweiten Bescheid, weil in der Folgezeit unter den Beteiligten die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides vom 30.01.2006 streitig war, gegen den die Klägerin am 07.02.2006 Widerspruch einlegte, woraufhin dieser mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2006 aufgehoben wurde. Hierdurch und durch die weitere Feststellung im Widerspruchsbescheid, der Bescheid vom 02.09.2004 sei rechtmäßig und bestandskräftig, entstand erneut Streit darüber, ob der (erste) Bescheid vom 02.09.2004 wirksam geworden ist und, falls ja, ob er durch Leistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde und ob ersterer eine geeignete Vollstreckungsgrundlage bietet oder aus Sicht der Beklagten gar der Erlass eines neuen Leistungsbescheids geboten ist bzw. dies aus Sicht der Klägerin zu befürchten ist. Eine Umgehung der Vorschriften der Anfechtungsklage ist darin nicht zu sehen.
22 
Die Feststellungsklage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 02.09.2004 ist ordnungsgemäß zugestellt worden und wirksam geworden (1.). Er wurde durch Leistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben (2.). Die im Bescheid vom 02.09.2004 angeordnete Kostentragungspflicht der Klägerin für die Bestattungskosten ihres Vaters ist rechtswidrig (3.).
23 
1. Wie bereits im Beschluss des erkennenden Gerichts über die Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 21.11.2006 ausgeführt worden ist, wurde der Bescheid vom 02.09.2004 ordnungsgemäß dem ehemaligen Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt, womit er wirksam geworden ist (§ 43 Abs. 1 S. 1 LVwVfG). Nach § 8 Abs. 1 S. 1 LVwZG können Zustellungen an den allgemein oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Vertreter gerichtet werden. Sie sind an ihn zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat (S. 2). Der Wortlaut von S. 2 dieser Vorschrift und ihr Schutzzweck sind auch in Fällen wie hier erfüllt, wenn der Bevollmächtigte die schriftliche Vollmacht zwar nicht bei der die streitige Zustellung veranlassenden Behörde vorgelegt hat, sondern bei einer anderen Behörde, und erstere aufgrund anderer Anhaltspunkte, insbesondere eines Hinweises des Bevollmächtigten Kenntnis von der schriftlichen Vollmacht hat. Der Schutzzweck des § 8 Abs. 1 S. 2 LVwVfG geht dahin, die Partei vor Zustellungen zu schützen, wenn sie einem Bevollmächtigten schriftliche Vollmacht erteilt hat und der Behörde dies durch Vorlage der schriftlichen Vollmacht bekannt ist. Dieser Schutzzweck ist auch dann erfüllt, wenn überhaupt eine schriftliche Vollmacht für das Verfahren vorliegt, in dem die Zustellung bewirkt werden soll, die schriftliche Vollmacht bei einer Behörde oder wie hier bei einem Notariat vorgelegt wird und die die Zustellung veranlassende Behörde aufgrund äußerer Umstände auf das Vorhandensein einer schriftlichen Vollmacht schließen konnte. Letzteres ist hier der Fall. Beim Notariat - VIII Mannheim - Nachlassgericht lag unter der Geschäftsnummer ... eine schriftliche Vollmacht der Klägerin vom 07.05.2004 für ... „in der Nachlassangelegenheit ...“ vor. Diese Vollmacht bezieht sich nach ihrem Sinn und Zweck auf alle Verfahren, die mit der „Nachlassangelegenheit“ des Vaters der Klägerin zusammenhängen, auch auf das Verfahren wegen der Heranziehung zu den Bestattungskosten. In der Vollmacht ist ausdrücklich ausgeführt, sie umfasse insbesondere die Befugnis, Zustellungen zu bewirken und entgegenzunehmen. Waren hiernach Wortlaut und Schutzzweck des § 8 Abs. 1 S. 2 LVwVfG gewahrt, so musste die Zustellung an den damaligen Bevollmächtigten (...) erfolgen. Der Bescheid vom 02.09.2004 ist durch die nach Aktenlage ordnungsgemäß erfolgte Zustellung an ... wirksam geworden (§ 43 Abs. 1 S. 1 LVwVfG).
24 
2. Durch Bescheid vom 30.01.2006 wurde der Erstbescheid vom 02.09.2004 konkludent aufgehoben, auch wenn dies nicht ausdrücklich aus dem (zweiten) Leistungsbescheid vom 30.01.2006 hervorgeht. Die Aufhebung des ersten Bescheids hätte zwar durch einen Hinweis auf § 48 LVwVfG ausdrücklich zum Ausdruck gebracht werden können, was mit keinem Wort geschehen ist, weder im Bescheid noch in sonstiger Weise, etwa durch Aktenvermerke. Für die Auslegung von Willensäußerungen der Verwaltung, auch in Form von Verwaltungsakten, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB nicht der innere, sondern der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.06.1980 - 6 C 55/79 - unter Hinweis auf BVerwGE 29, 310 ff.; 41, 305 ff.). Unklarheiten müssen hierbei zu Lasten der Verwaltung gehen (vgl. BVerwGE 41, 305, 306; 48, 279, 281 f.). Für den Empfängerhorizont erkennbare Anhaltspunkte dafür, dass der als „Leistungsbescheid“ gekennzeichnete Bescheid vom 30.01.2006 die Kostentragungspflicht der Klägerin für die Bestattungskosten ihres Vaters eigenständig und damit neu regelt, ergeben sich aus den aktualisierten Daten im „Leistungsbescheid“ vom „30.01.2006“, der Zahlungsfrist bis „spätestens 28.02.2006“ sowie aus dem per Telefax an die Friedhöfe Mannheim übermittelten Schreiben des zweiten Bevollmächtigten der Klägerin vom 30.01.2006. Aus letzterem geht hervor, dass im Hinblick auf die Rechtsunsicherheit über den Bestand des Bescheids vom 02.09.2004 und der drohenden Vollstreckung am Tage des Erlasses des Leistungsbescheids vom 30.01.2006 Telefongespräche stattfanden und man dabei „übereinkam“, wie es im Schreiben vom 30.01.2006 heißt, „dass der Bescheid vom 02.09.2004, welcher Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens gegen unsere Mandantin ist, nicht wirksam an unsere Mandantin zugestellt wurde“. Um die Rechtsunsicherheit über die ordnungsgemäße Zustellung des Erstbescheids auszuräumen, erließ die Beklagte einen Leistungsbescheid unter dem Datum vom „30.01.2006“, mit dem inhaltsgleich mit dem Erstbescheid der Klägerin aufgegeben wurde, der Stadt Mannheim die Kosten der Bestattung ihres Vaters in Höhe von 2.110,53 EUR zu erstatten. In Abänderung zum Ausgangsbescheid wurde eine neue Zahlungsfrist festgesetzt, nämlich bis spätestens zum 28.02.2006. Die Begründung ist inhaltlich gleich wie im Erstbescheid. Vor dem Hintergrund der Rechtsunsicherheit über die Wirksamkeit (§ 43 Abs. 1 LVwVfG) des (ersten) Bescheids vom 02.09.2004 und mit Rücksicht auf die aktualisierten Daten des Erlasses und der Zahlungsfrist im Leistungsbescheid vom „30.01.2006“, ist der Leistungsbescheid vom 30.01.2006 von dem für die Auslegung maßgeblichen Empfängerhorizont aus nur dahin zu verstehen, dass damit eine neue Zahlungspflicht begründet und der Erstbescheid (v. 02.09.2004) konkludent aufgehoben wurde. Von der Möglichkeit, den Erstbescheid neu zuzustellen, hat die Beklagte abgesehen.
25 
3. Die im Gebührenbescheid vom 02.09.2004 festgesetzte Kostentragungspflicht der Klägerin für die Bestattungskosten ihres Vaters ist rechtswidrig.
26 
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG. Danach haften die Bestattungspflichtigen in der in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG genannten Reihenfolge ohne Rücksicht auf ihr persönliches Verhältnis zum Verstorbenen und ungeachtet besonderer Umstände des Einzelfalles, die eine Inanspruchnahme des Bestattungspflichtigen als Härte erscheinen lassen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2004 - 1 S 681/04 - m.w.N.). Für die Kostentragungspflicht kommt es nicht auf die Erbenstellung des Bestattungspflichtigen an, da die öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Bestattung eines Verstorbenen zu sorgen, nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht identisch ist, die Beerdigungskosten zu tragen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2004, a.a.O., m.w.N.).
27 
Nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg verstoßen die Regelungen über die Bestattungspflicht und daraus folgend über die Kostentragungspflicht auch insoweit nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, als die maßgeblichen Bestimmungen auch dann keine Ausnahme vorsehen, wenn die Durchführung der Bestattung bzw. die Kostentragungspflicht für den Bestattungspflichtigen wegen des persönlichen Verhaltens des Verstorbenen als grob unbillig erscheint (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2004, a.a.O.,). Diese Auffassung teilt das erkennende Gericht im Grundsatz.
28 
Ein Leistungsbescheid auf der Grundlage der § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG muss sich aber in jedem Einzelfall wie jeder andere belastende Verwaltungsakt am verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 19, 342ff.) messen lassen. Er kann im Einzelfall trotz gesetzlicher Ausgleichsansprüche, die im Einzelfall die persönlichen Verhältnisse zwischen dem Verstorbenen und dem Pflichtigen berücksichtigen, unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig sein. Demgegenüber kann nicht unter Hinweis auf § 15 BSHG a.F. bzw. § 74 SGB XII i.d.F. v. 27.12.2003, gültig ab 01.01.2005 (BGBl. I. S. 3022), eingewendet werden, ein Anspruch nach diesen Bestimmungen sei hinsichtlich der Kostentragungspflicht für Bestattungskosten eine einfach gesetzliche Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der für die Kostentragungspflicht nach § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG keinen Raum mehr für eine darüber hinausgehende Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulasse. In Fällen, in denen Ausgleichsansprüche nicht gegeben sind, insbesondere wenn der Betroffene völlig mittellos verstirbt, bestand nach § 15 BSHG die Möglichkeit, die erforderlichen Kosten einer Bestattung vom Sozialhilfeträger des Bestattungsortes zu verlangen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Das selbe regelt § 74 SGB XII in der ab 01.01.2005 gültigen Fassung vom 27.12.2003. Bereits nach dem Wortlaut der Bestimmung ist für das Bestehen dieses Anspruchs nicht entscheidend, dass der Bestattungspflichtige die Kosten nicht tragen kann, also selbst bedürftig im Sinne des § 11 BSHG war. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich hierbei um einen eigenständigen sozialhilferechtlichen Anspruch, dessen Bedarfsstruktur sich wesentlich von derjenigen sonstiger Leistungen zum Lebensunterhalt unterscheidet. Der Anspruch aus § 15 BSHG sollte eine würdige Bestattung eines Toten gewährleisten. Die Verpflichtung kann auch aus landesrechtlichen Bestattungspflichten herrühren. Wie das Kriterium der „Zumutbarkeit“ zeigt, soll durch die Vorschrift nicht eine aktuelle sozialhilferechtliche Notlage des „Verpflichteten“ behoben werden, vielmehr wird an die „fürsorgerechtliche Verantwortung (der Sozialhilfe) für eine würdige Bestattung Hilfebedürftiger“ angeknüpft, deren Maß von der nach der Besonderheit des Einzelfalles zu beurteilenden Frage abhängt, ob und inwieweit die Kostentragung dem vorrangig hier zu Verpflichteten zuzumuten ist. Der Begriff der „Zumutbarkeit“ im Sinne von § 15 BSHG ist damit nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles auslegungsbedürftig. Das dem Kostentragungspflichtigen aus der Sicht des § 15 BSHG zumutbare Gewicht der Kostenbelastung wird insbesondere von der Nähe und Beziehung zum Verstorbenen abhängen (BVerwG, Urt. v. 29.01.2004 - 5 C 2/03 - ; BVerwGE 116, 287 - 290). Im vorliegenden Fall bestehen unter Umständen Ausgleichsansprüche der Klägerin gegen ihren Bruder, weshalb ein Anspruch der Klägerin aus § 15 BSHG bzw. § 74 SGB XII mittlerweile von der Beklagten abgelehnt wurde. § 74 SGB XII gewährt aber nicht zwingend eine Entlastung des Bedürftigen von den gesamten Bestattungskosten, sondern sieht von vornherein die Möglichkeit eines bloßen Kostenzuschusses vor. Deshalb kann ein etwaiger Anspruchsinhaber nicht auf einen „vermutlich“ bestehenden, aber ungewissen Anspruch aus § 74 SGB XII verwiesen werden (OVG Saarland, Urt. v. 25.08.2003 - 2 R 18/03 - ). Ein auf § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG beruhender Leistungsbescheid kann deshalb im Einzelfall trotz der gesetzlichen Regelung von Ausgleichsansprüchen unverhältnismäßig sein (OVG Saarland, Urt. v. 25.08.2003 - 2 R 18/03 - ; vgl. VG Stade, Urt. v. 27.07.2006 - 1 A 539/05 - ; im Ergebnis ebenso OVG NW, Beschl. v. 02.02.1996 - 19 A 3802/95 -, NVwZ-RR 1997, 99 ff.; a.A. für Bayerisches Landesrecht VG Ansbach, Urt. v. 07.07.2005 - AN 4 K 05.02104 - ).
29 
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss jede Einschränkung des Grundrechts in materieller Hinsicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (BVerfGE 75, 108 <154 f.>; 80, 137 <153>; 90, 145 <172>). Voraussetzung hierfür ist, dass sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich sind und eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe ergibt, dass die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (BVerfGE 68, 155 <171>; 71, 183 <196 f.>; 72, 26 <31>; 77, 308 <332>; 81, 156 <189>). Grundrechtseingriffe dürfen nicht weiter gehen als es ihr Grund, der Schutz des Gemeinwohls, erfordert (vgl. BVerfGE 20, 351 <361>; 52, 1 <29 f.>), und sie dürfen insbesondere auch nicht im Blick auf den Regelungszweck zu einer übermäßigen Belastung führen (BVerfGE 110, 1, 33 ff.).
30 
Gründe des Allgemeinwohls rechtfertigen es zwar grundsätzlich, die Bestattungs- und Kostentragungspflicht ohne Rücksicht auf die familiären Verhältnisse zu regeln, solange ein Bestattungspflichtiger für die Kostentragung erreichbar ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2004, a.a.O.,). Die Bestattungspflicht dient in erster Linie der Gefahrenabwehr und lässt damit innerhalb der kurz bemessenen Frist des § 37 Abs. 1 BestattG keine längeren Untersuchungen der zuständigen Behörde über die persönlichen Beziehungen der nächsten Angehörigen mit dem Verstorbenen zu. Vielmehr müssen objektive Maßstäbe eingreifen, um eine zügige Bestattung zu gewährleisten. Die Anordnung der Bestattungspflicht und die Festlegung ihrer Reihenfolge sowie die daran anknüpfende Kostentragungspflicht beruhen auf einem vom Zivilrecht unabhängigen und nur der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers unterliegenden öffentlich-rechtlichen Rechtsgrund (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2004, a.a.O., unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 19.08.1994, NVwZ-RR 1995, 283). Dieser rechtfertigt es grundsätzlich, die Kosten der Bestattung dem nach Landesrecht Pflichtigen aufzuerlegen und nicht andere, insbesondere die öffentliche Hand damit zu belasten. Der Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr gebietet aber nicht ausnahmslos, den zur Gefahrenabwehr Verpflichteten auch mit den entstandenen Kosten zu belasten, wenn die Kostentragung für ihn unzumutbar ist.
31 
Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles kann das Interesse des Bestattungspflichtigen, von der Heranziehung zu den Bestattungskosten verschont zu bleiben, so gewichtig sein, dass es das öffentliche Interesse an der ausnahmslosen Bestattungs- und Kostentragungspflicht überwiegt. Dies ist dann der Fall, wenn der Bestattungspflichtige durch die Heranziehung zu den Bestattungskosten unzumutbar belastet wird. Unzumutbar ist eine durch Leistungsbescheid festgesetzte Kostentragungspflicht für das Opfer eines vom Bestatteten begangenen Sexualdelikts dann, wenn das Opfer durch die Kostentragungspflicht in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG unangemessen belastet wird oder die auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhende konkrete Gefahr besteht, dass das Opfer eines Sexualdelikts durch den Erlass eines Leistungsbescheids in einem Fall wie hier in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG) verletzt wird. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles.
32 
Solche besonderen Umstände sind hier gegeben. Der Leistungsbescheid vom 02.09.2004 stellt aufgrund der Besonderheiten des Falles eine unverhältnismäßige Belastung der Klägerin in ihrer Rechtsstellung aus Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG dar, die durch das mit der gesetzlichen Regelung der Kostentragungspflicht verbundene Ziel der §§ 37 Abs. 1, 31, 21 BestattG nicht mehr gerechtfertigt ist. Die Klägerin war im Alter von vier Jahren Opfer eines von ihrem verstorbenen Vater begangenen Sexualdelikts. Sie hatte seit der Tat keinerlei Kontakt mehr zu ihrem Vater und es gibt keinerlei Anzeichen für eine Aussöhnung zwischen Opfer und Täter oder eine wie auch immer geartete, gegebenenfalls nur auf Seiten des Opfers feststellbare, Befriedung der Folgen der Straftat und der familiären Verhältnisse. Die Unverhältnismäßigkeit lässt sich nicht deshalb verneinen, weil bereits geraume Zeit seit Begehung der Straftat vergangen ist, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine Aussöhnung oder Befriedung vorliegen und plausible Gründe dafür geltend gemacht werden, dass das Opfer durch den Erlass des Leistungsbescheids unverhältnismäßig schwer belastet wird, weil es zu den Kosten der Bestattung für den Täter herangezogen wird. Die Klägerin war im Alter von vier Jahren nicht nur Opfer eines von ihrem Vater begangenen Sexualdelikts, sie trafen auch die weiteren Folgen daraus, sie verlor hierdurch ihre Familie. Die Ehe ihrer Eltern wurde in der Folgezeit geschieden und sie wurde von ihrer allein erziehungsberechtigten Mutter in ein Kinderheim gegeben, in dem sie bis zu ihrer Volljährigkeit lebte. Mit ihrem Vater hatte sie nach dessen Verurteilung keinerlei Kontakt mehr, mit ihrer Mutter ihrem glaubhaften Vorbringen zufolge „nur sporadisch“. Eine Aussöhnung zwischen Opfer und Täter gab es nicht, auch keine dahingehenden Versuche eines der Beteiligten. Die Klägerin ließ durch ihren Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vortragen, jegliche Berührung mit dem begangenen Sexualdelikt, auch die Klärung ihrer Pflicht zur Kostentragung durch das Gericht, belaste sie schwer; dies ist nachvollziehbar und bedarf keiner weiteren Beweiserhebung. Als nachteilige Folgen des Sexualdelikts betrachtet sie auch ihre unzureichenden Ausbildungschancen und ihre derzeitige Arbeitslosigkeit. Die geltend gemachte Belastung hinderte sie den Angaben ihres Vertreters zufolge auch daran, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Aufgrund dieser Besonderheiten ist der auf die §§ 31, 21 BestattG gestützte Leistungsbescheid vom 02.09.2004 unverhältnismäßig und rechtswidrig. Die daraus abgeleitete Kostentragungspflicht der Klägerin für die Bestattungskosten ihres Vaters ist rechtswidrig. Dem diesbezüglichen Feststellungsantrag war stattzugeben.
33 
Es bedarf deshalb keiner Entscheidung darüber, ob der Gebührenbescheid gegen Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verstößt oder deshalb unverhältnismäßig ist, weil er wegen der Missachtung des zerrütteten Verhältnisses zwischen dem Bestatteten und dem an sich Kostentragungspflichtigen Ausdruck einer Behandlung ist, die die Subjektqualität des Kostentragungspflichtigen prinzipiell in Frage stellt, oder weil in der Behandlung im konkreten Fall eine willkürliche Missachtung der Würde des Menschen liegt (BVerfG, Urt. v. 15.02.2006 - 1 BvR 357/05 -, NJW 2006, 751 ff. m.w.N.; BVerfGE 30, 1 <26>).
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
35 
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 i.V.m. § 124a Abs. 1 VwGO gegeben ist.
36 
Beschluss
37 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf EUR 2.110,53 festgesetzt.
38 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG verwiesen.

Gründe

 
15 
Die Klage ist zulässig und begründet.
16 
Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter einem Rechtsverhältnis in diesem Sinne sind „die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm (des öffentlichen Rechts) sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder einer Sache“ zu verstehen (Kopp/ Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Aufl., § 43 Rdnr. 11 m.w.N.). Die Feststellung der Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes kann mit der Klage nach § 43 VwGO ebenso wenig begehrt werden wie die Klärung der Frage, ob überhaupt ein Verwaltungsakt vorliegt. Grundsätzlich nicht ausgeschlossen wird durch § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO im Hinblick auf die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen einen Verwaltungsakt eine Klage, die nicht die Berechtigung zu dessen Erlass zum Gegenstand hat, sondern ein durch den Verwaltungsakt begründetes, verändertes oder aufgehobenes Rechtsverhältnis. Ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts kann jederzeit dahin ausgelegt werden, die Rechtswidrigkeit der aufgrund des Verwaltungsakts den Betroffenen treffenden Belastungen festzustellen (Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 7, 11, 26, 31 m.w.N.; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 43 Rdnr. 16; Pietzcker in: Schoch/Schmitt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 13. Aufl., 2006, § 43 VwGO Rdnr. 46 m.w.N.). Es kann auch die Frage der Unzulässigkeit der Vollstreckung eines inzwischen erledigten Grundverwaltungsakts begehrt werden, da mit der Anfechtung des Grundverwaltungsakts nicht seine Erledigung geltend gemacht werden kann (Pietzcker, a.a.O., § 43 Rdnr. 46 f.; vgl. auch Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 26).
17 
Im vorliegenden Verfahren besteht Streit darüber, ob der erste Leistungsbescheid vom 02.09.2004 überhaupt wirksam zugestellt und damit wirksam (§ 43 Abs. 1 u. 2 LVwVfG) wurde und falls ja, ob er durch einen zweiten Leistungsbescheid (vom 30.01.2006) aufgehoben wurde und deshalb von der Beklagten nicht mehr als Vollstreckungsgrundlage gegen die Klägerin herangezogen werden kann. In der Sache geht es den Beteiligten darum, ob die Kostentragungspflicht aus dem Leistungsbescheid vom 02.09.2004 rechtmäßig ist. Der erste Teil des Feststellungsantrags betrifft die Frage der Wirksamkeit (§§ 41, 43 Abs. 1 u. 2 LVwVfG) und die des Fortbestehens des Bescheids vom 02.09.2004, der wegen der Aufhebung des zweiten Leistungsbescheids (v. 30.01.2006) durch den Widerspruchsbescheid als alleinige Vollstreckungsgrundlage in Betracht kommt. Letztlich geht es um das feststellungsfähige Rechtsverhältnis, ob die Erstattungspflicht durch den Bescheid vom 02.09.2004 wirksam geworden ist, was insbesondere dessen ordnungsgemäße Zustellung voraussetzt, und ob eine Erstattungspflicht aufgrund dieses Bescheids fortbesteht oder durch den zweiten Bescheid (v. 30.01.2006) aufgehoben wurde. Wegen der Aufhebung des Leistungsbescheides vom 30.01.2006 durch den Widerspruchsbescheid ist unter den Beteiligten klärungsbedürftig, ob die sich aus dem Bescheid vom 02.09.2004 ergebende Kostentragungspflicht der Klägerin (zu Recht) fortbesteht, weil die Beklagte daraus zu vollstrecken beabsichtigt.
18 
Der Antrag auf Feststellung, dass der Bescheid vom 02.09.2004 rechtmäßig ist, ist mit Rücksicht auf die Spezialität der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) in einen Antrag auf Feststellung auszulegen (§ 88 VwGO), dass die im Bescheid vom 02.09.2004 festgesetzte Kostentragungspflicht für die Bestattungskosten ihres Vaters rechtswidrig ist.
19 
Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung dieser Rechtsverhältnisse. Ein berechtigtes Interesse ist insbesondere gegeben, wenn die Rechtslage unklar ist, die zuständige Behörde insoweit anderer Auffassung als der Kläger ist und der Kläger sein künftiges Verhalten an der Feststellung orientieren will, oder er Grund zur Besorgnis der Gefährdung seiner Rechte hat (Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 24 m.w.N.). Ein Interesse daran, festzustellen, ob der Erstbescheid vom 02.09.2004 wirksam geworden ist und noch fortbesteht oder durch den (zweiten) Leistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde, besteht deshalb, weil die Beklagte, wie ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, nach wie vor diesen Bescheid als wirksam zugestellt wertet und daraus gegen die Klägerin auch künftig zu vollstrecken beabsichtigt. In dieser Ansicht sieht sich die Beklagte durch Ziff. 1 des Tenors im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.04.2006 bestätigt, mit dem der (zweite) (Leistungs-)Bescheid vom 30.01.2006 aufgehoben und die Rechtmäßigkeit des (ersten) Leistungsbescheids vom 02.09.2004 bestätigt wurde. Ein Interesse daran, zu klären, ob der Erstbescheid vom 02.09.2004 durch den (zweiten) Bescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde, besteht - trotz und wegen der Aufhebung des die Klägerin belastenden Teils des zweiten Leistungsbescheids durch den Widerspruchsbescheid - deshalb, weil die Klägerin mit dem Erlass eines neuen Leistungsbescheids rechnen müsste, wenn der erste Leistungsbescheid (v. 02.09.2004) nicht (mehr) mehr fortbestehen würde und deshalb keine wirksame Vollstreckungsgrundlage wäre. Wenn der zweite Bescheid vom 30.01.2006 den ersten Bescheid aufgehoben hätte, wäre dieser die Klägerin begünstigende Teil des zweiten Bescheids von der Widerspruchsbehörde nicht aufgehoben worden.
20 
Die Rechtsunsicherheit bezüglich der Vollstreckungsgrundlage rechtfertigt es auch, ein Feststellungsinteresse für den Antrag zu bejahen, festzustellen, ob die sich aus dem Bescheid vom 02.09.2004 ergebende Kostentragungspflicht der Klägerin rechtswidrig oder rechtmäßig war. Für die Vollstreckung ist zwar nur ein wirksamer Grundverwaltungsakt erforderlich, auf dessen Rechtmäßigkeit kommt es nicht an. Um weitere Rechtsstreitigkeiten in der Vollstreckung zu vermeiden, ist es aber sachdienlich, die unter den Beteiligten streitige Kostentragungspflicht aus dem Bescheid vom 02.09.2004 im Wege der Feststellungsklage zu klären. Es soll geklärt werden, ob ein neuer inhaltsgleicher Bescheid erlassen werden könnte, falls der Erstbescheid nicht mehr besteht.
21 
Dem Feststellungsantrag steht § 43 Abs. 2 VwGO nicht entgegen. Die Spezialität der Anfechtungsklage tritt nur hervor, wenn sich die Feststellungsklage unmittelbar gegen den Verwaltungsakt richtet. Insoweit sind nur Gesichtspunkte der Subsidiarität oder der Umgehung der Vorschriften der Anfechtungsklage von Bedeutung (Schoch/Schmitt-Aßmann/ Pietzner, a.a.O., § 43 Rdnr. 46 f.; vgl. auch Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdnr. 26, § 167 Rdnr. 19 m.w.N.). Wie bereits ausgeführt, richtet sich der Feststellungsantrag bei sachdienlicher Auslegung (§ 88 VwGO) nicht gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 02.09.2004. Der Erstbescheid vom 02.09.2004 hätte zwar nach Einlegung eines Widerspruchs angefochten werden können. Nach Ergehen des zweiten Bescheides vom 30.01.2006 war dies aber entbehrlich, und zwar ungeachtet einer eventuellen Aufhebung des Bescheids vom 02.09.2004 durch den zweiten Bescheid, weil in der Folgezeit unter den Beteiligten die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides vom 30.01.2006 streitig war, gegen den die Klägerin am 07.02.2006 Widerspruch einlegte, woraufhin dieser mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2006 aufgehoben wurde. Hierdurch und durch die weitere Feststellung im Widerspruchsbescheid, der Bescheid vom 02.09.2004 sei rechtmäßig und bestandskräftig, entstand erneut Streit darüber, ob der (erste) Bescheid vom 02.09.2004 wirksam geworden ist und, falls ja, ob er durch Leistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde und ob ersterer eine geeignete Vollstreckungsgrundlage bietet oder aus Sicht der Beklagten gar der Erlass eines neuen Leistungsbescheids geboten ist bzw. dies aus Sicht der Klägerin zu befürchten ist. Eine Umgehung der Vorschriften der Anfechtungsklage ist darin nicht zu sehen.
22 
Die Feststellungsklage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 02.09.2004 ist ordnungsgemäß zugestellt worden und wirksam geworden (1.). Er wurde durch Leistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben (2.). Die im Bescheid vom 02.09.2004 angeordnete Kostentragungspflicht der Klägerin für die Bestattungskosten ihres Vaters ist rechtswidrig (3.).
23 
1. Wie bereits im Beschluss des erkennenden Gerichts über die Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 21.11.2006 ausgeführt worden ist, wurde der Bescheid vom 02.09.2004 ordnungsgemäß dem ehemaligen Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt, womit er wirksam geworden ist (§ 43 Abs. 1 S. 1 LVwVfG). Nach § 8 Abs. 1 S. 1 LVwZG können Zustellungen an den allgemein oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Vertreter gerichtet werden. Sie sind an ihn zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat (S. 2). Der Wortlaut von S. 2 dieser Vorschrift und ihr Schutzzweck sind auch in Fällen wie hier erfüllt, wenn der Bevollmächtigte die schriftliche Vollmacht zwar nicht bei der die streitige Zustellung veranlassenden Behörde vorgelegt hat, sondern bei einer anderen Behörde, und erstere aufgrund anderer Anhaltspunkte, insbesondere eines Hinweises des Bevollmächtigten Kenntnis von der schriftlichen Vollmacht hat. Der Schutzzweck des § 8 Abs. 1 S. 2 LVwVfG geht dahin, die Partei vor Zustellungen zu schützen, wenn sie einem Bevollmächtigten schriftliche Vollmacht erteilt hat und der Behörde dies durch Vorlage der schriftlichen Vollmacht bekannt ist. Dieser Schutzzweck ist auch dann erfüllt, wenn überhaupt eine schriftliche Vollmacht für das Verfahren vorliegt, in dem die Zustellung bewirkt werden soll, die schriftliche Vollmacht bei einer Behörde oder wie hier bei einem Notariat vorgelegt wird und die die Zustellung veranlassende Behörde aufgrund äußerer Umstände auf das Vorhandensein einer schriftlichen Vollmacht schließen konnte. Letzteres ist hier der Fall. Beim Notariat - VIII Mannheim - Nachlassgericht lag unter der Geschäftsnummer ... eine schriftliche Vollmacht der Klägerin vom 07.05.2004 für ... „in der Nachlassangelegenheit ...“ vor. Diese Vollmacht bezieht sich nach ihrem Sinn und Zweck auf alle Verfahren, die mit der „Nachlassangelegenheit“ des Vaters der Klägerin zusammenhängen, auch auf das Verfahren wegen der Heranziehung zu den Bestattungskosten. In der Vollmacht ist ausdrücklich ausgeführt, sie umfasse insbesondere die Befugnis, Zustellungen zu bewirken und entgegenzunehmen. Waren hiernach Wortlaut und Schutzzweck des § 8 Abs. 1 S. 2 LVwVfG gewahrt, so musste die Zustellung an den damaligen Bevollmächtigten (...) erfolgen. Der Bescheid vom 02.09.2004 ist durch die nach Aktenlage ordnungsgemäß erfolgte Zustellung an ... wirksam geworden (§ 43 Abs. 1 S. 1 LVwVfG).
24 
2. Durch Bescheid vom 30.01.2006 wurde der Erstbescheid vom 02.09.2004 konkludent aufgehoben, auch wenn dies nicht ausdrücklich aus dem (zweiten) Leistungsbescheid vom 30.01.2006 hervorgeht. Die Aufhebung des ersten Bescheids hätte zwar durch einen Hinweis auf § 48 LVwVfG ausdrücklich zum Ausdruck gebracht werden können, was mit keinem Wort geschehen ist, weder im Bescheid noch in sonstiger Weise, etwa durch Aktenvermerke. Für die Auslegung von Willensäußerungen der Verwaltung, auch in Form von Verwaltungsakten, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB nicht der innere, sondern der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.06.1980 - 6 C 55/79 - unter Hinweis auf BVerwGE 29, 310 ff.; 41, 305 ff.). Unklarheiten müssen hierbei zu Lasten der Verwaltung gehen (vgl. BVerwGE 41, 305, 306; 48, 279, 281 f.). Für den Empfängerhorizont erkennbare Anhaltspunkte dafür, dass der als „Leistungsbescheid“ gekennzeichnete Bescheid vom 30.01.2006 die Kostentragungspflicht der Klägerin für die Bestattungskosten ihres Vaters eigenständig und damit neu regelt, ergeben sich aus den aktualisierten Daten im „Leistungsbescheid“ vom „30.01.2006“, der Zahlungsfrist bis „spätestens 28.02.2006“ sowie aus dem per Telefax an die Friedhöfe Mannheim übermittelten Schreiben des zweiten Bevollmächtigten der Klägerin vom 30.01.2006. Aus letzterem geht hervor, dass im Hinblick auf die Rechtsunsicherheit über den Bestand des Bescheids vom 02.09.2004 und der drohenden Vollstreckung am Tage des Erlasses des Leistungsbescheids vom 30.01.2006 Telefongespräche stattfanden und man dabei „übereinkam“, wie es im Schreiben vom 30.01.2006 heißt, „dass der Bescheid vom 02.09.2004, welcher Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens gegen unsere Mandantin ist, nicht wirksam an unsere Mandantin zugestellt wurde“. Um die Rechtsunsicherheit über die ordnungsgemäße Zustellung des Erstbescheids auszuräumen, erließ die Beklagte einen Leistungsbescheid unter dem Datum vom „30.01.2006“, mit dem inhaltsgleich mit dem Erstbescheid der Klägerin aufgegeben wurde, der Stadt Mannheim die Kosten der Bestattung ihres Vaters in Höhe von 2.110,53 EUR zu erstatten. In Abänderung zum Ausgangsbescheid wurde eine neue Zahlungsfrist festgesetzt, nämlich bis spätestens zum 28.02.2006. Die Begründung ist inhaltlich gleich wie im Erstbescheid. Vor dem Hintergrund der Rechtsunsicherheit über die Wirksamkeit (§ 43 Abs. 1 LVwVfG) des (ersten) Bescheids vom 02.09.2004 und mit Rücksicht auf die aktualisierten Daten des Erlasses und der Zahlungsfrist im Leistungsbescheid vom „30.01.2006“, ist der Leistungsbescheid vom 30.01.2006 von dem für die Auslegung maßgeblichen Empfängerhorizont aus nur dahin zu verstehen, dass damit eine neue Zahlungspflicht begründet und der Erstbescheid (v. 02.09.2004) konkludent aufgehoben wurde. Von der Möglichkeit, den Erstbescheid neu zuzustellen, hat die Beklagte abgesehen.
25 
3. Die im Gebührenbescheid vom 02.09.2004 festgesetzte Kostentragungspflicht der Klägerin für die Bestattungskosten ihres Vaters ist rechtswidrig.
26 
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG. Danach haften die Bestattungspflichtigen in der in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG genannten Reihenfolge ohne Rücksicht auf ihr persönliches Verhältnis zum Verstorbenen und ungeachtet besonderer Umstände des Einzelfalles, die eine Inanspruchnahme des Bestattungspflichtigen als Härte erscheinen lassen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2004 - 1 S 681/04 - m.w.N.). Für die Kostentragungspflicht kommt es nicht auf die Erbenstellung des Bestattungspflichtigen an, da die öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Bestattung eines Verstorbenen zu sorgen, nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht identisch ist, die Beerdigungskosten zu tragen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2004, a.a.O., m.w.N.).
27 
Nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg verstoßen die Regelungen über die Bestattungspflicht und daraus folgend über die Kostentragungspflicht auch insoweit nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, als die maßgeblichen Bestimmungen auch dann keine Ausnahme vorsehen, wenn die Durchführung der Bestattung bzw. die Kostentragungspflicht für den Bestattungspflichtigen wegen des persönlichen Verhaltens des Verstorbenen als grob unbillig erscheint (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2004, a.a.O.,). Diese Auffassung teilt das erkennende Gericht im Grundsatz.
28 
Ein Leistungsbescheid auf der Grundlage der § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG muss sich aber in jedem Einzelfall wie jeder andere belastende Verwaltungsakt am verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 19, 342ff.) messen lassen. Er kann im Einzelfall trotz gesetzlicher Ausgleichsansprüche, die im Einzelfall die persönlichen Verhältnisse zwischen dem Verstorbenen und dem Pflichtigen berücksichtigen, unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig sein. Demgegenüber kann nicht unter Hinweis auf § 15 BSHG a.F. bzw. § 74 SGB XII i.d.F. v. 27.12.2003, gültig ab 01.01.2005 (BGBl. I. S. 3022), eingewendet werden, ein Anspruch nach diesen Bestimmungen sei hinsichtlich der Kostentragungspflicht für Bestattungskosten eine einfach gesetzliche Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der für die Kostentragungspflicht nach § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG keinen Raum mehr für eine darüber hinausgehende Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulasse. In Fällen, in denen Ausgleichsansprüche nicht gegeben sind, insbesondere wenn der Betroffene völlig mittellos verstirbt, bestand nach § 15 BSHG die Möglichkeit, die erforderlichen Kosten einer Bestattung vom Sozialhilfeträger des Bestattungsortes zu verlangen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Das selbe regelt § 74 SGB XII in der ab 01.01.2005 gültigen Fassung vom 27.12.2003. Bereits nach dem Wortlaut der Bestimmung ist für das Bestehen dieses Anspruchs nicht entscheidend, dass der Bestattungspflichtige die Kosten nicht tragen kann, also selbst bedürftig im Sinne des § 11 BSHG war. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich hierbei um einen eigenständigen sozialhilferechtlichen Anspruch, dessen Bedarfsstruktur sich wesentlich von derjenigen sonstiger Leistungen zum Lebensunterhalt unterscheidet. Der Anspruch aus § 15 BSHG sollte eine würdige Bestattung eines Toten gewährleisten. Die Verpflichtung kann auch aus landesrechtlichen Bestattungspflichten herrühren. Wie das Kriterium der „Zumutbarkeit“ zeigt, soll durch die Vorschrift nicht eine aktuelle sozialhilferechtliche Notlage des „Verpflichteten“ behoben werden, vielmehr wird an die „fürsorgerechtliche Verantwortung (der Sozialhilfe) für eine würdige Bestattung Hilfebedürftiger“ angeknüpft, deren Maß von der nach der Besonderheit des Einzelfalles zu beurteilenden Frage abhängt, ob und inwieweit die Kostentragung dem vorrangig hier zu Verpflichteten zuzumuten ist. Der Begriff der „Zumutbarkeit“ im Sinne von § 15 BSHG ist damit nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles auslegungsbedürftig. Das dem Kostentragungspflichtigen aus der Sicht des § 15 BSHG zumutbare Gewicht der Kostenbelastung wird insbesondere von der Nähe und Beziehung zum Verstorbenen abhängen (BVerwG, Urt. v. 29.01.2004 - 5 C 2/03 - ; BVerwGE 116, 287 - 290). Im vorliegenden Fall bestehen unter Umständen Ausgleichsansprüche der Klägerin gegen ihren Bruder, weshalb ein Anspruch der Klägerin aus § 15 BSHG bzw. § 74 SGB XII mittlerweile von der Beklagten abgelehnt wurde. § 74 SGB XII gewährt aber nicht zwingend eine Entlastung des Bedürftigen von den gesamten Bestattungskosten, sondern sieht von vornherein die Möglichkeit eines bloßen Kostenzuschusses vor. Deshalb kann ein etwaiger Anspruchsinhaber nicht auf einen „vermutlich“ bestehenden, aber ungewissen Anspruch aus § 74 SGB XII verwiesen werden (OVG Saarland, Urt. v. 25.08.2003 - 2 R 18/03 - ). Ein auf § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG beruhender Leistungsbescheid kann deshalb im Einzelfall trotz der gesetzlichen Regelung von Ausgleichsansprüchen unverhältnismäßig sein (OVG Saarland, Urt. v. 25.08.2003 - 2 R 18/03 - ; vgl. VG Stade, Urt. v. 27.07.2006 - 1 A 539/05 - ; im Ergebnis ebenso OVG NW, Beschl. v. 02.02.1996 - 19 A 3802/95 -, NVwZ-RR 1997, 99 ff.; a.A. für Bayerisches Landesrecht VG Ansbach, Urt. v. 07.07.2005 - AN 4 K 05.02104 - ).
29 
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss jede Einschränkung des Grundrechts in materieller Hinsicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (BVerfGE 75, 108 <154 f.>; 80, 137 <153>; 90, 145 <172>). Voraussetzung hierfür ist, dass sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich sind und eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe ergibt, dass die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (BVerfGE 68, 155 <171>; 71, 183 <196 f.>; 72, 26 <31>; 77, 308 <332>; 81, 156 <189>). Grundrechtseingriffe dürfen nicht weiter gehen als es ihr Grund, der Schutz des Gemeinwohls, erfordert (vgl. BVerfGE 20, 351 <361>; 52, 1 <29 f.>), und sie dürfen insbesondere auch nicht im Blick auf den Regelungszweck zu einer übermäßigen Belastung führen (BVerfGE 110, 1, 33 ff.).
30 
Gründe des Allgemeinwohls rechtfertigen es zwar grundsätzlich, die Bestattungs- und Kostentragungspflicht ohne Rücksicht auf die familiären Verhältnisse zu regeln, solange ein Bestattungspflichtiger für die Kostentragung erreichbar ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2004, a.a.O.,). Die Bestattungspflicht dient in erster Linie der Gefahrenabwehr und lässt damit innerhalb der kurz bemessenen Frist des § 37 Abs. 1 BestattG keine längeren Untersuchungen der zuständigen Behörde über die persönlichen Beziehungen der nächsten Angehörigen mit dem Verstorbenen zu. Vielmehr müssen objektive Maßstäbe eingreifen, um eine zügige Bestattung zu gewährleisten. Die Anordnung der Bestattungspflicht und die Festlegung ihrer Reihenfolge sowie die daran anknüpfende Kostentragungspflicht beruhen auf einem vom Zivilrecht unabhängigen und nur der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers unterliegenden öffentlich-rechtlichen Rechtsgrund (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2004, a.a.O., unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 19.08.1994, NVwZ-RR 1995, 283). Dieser rechtfertigt es grundsätzlich, die Kosten der Bestattung dem nach Landesrecht Pflichtigen aufzuerlegen und nicht andere, insbesondere die öffentliche Hand damit zu belasten. Der Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr gebietet aber nicht ausnahmslos, den zur Gefahrenabwehr Verpflichteten auch mit den entstandenen Kosten zu belasten, wenn die Kostentragung für ihn unzumutbar ist.
31 
Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles kann das Interesse des Bestattungspflichtigen, von der Heranziehung zu den Bestattungskosten verschont zu bleiben, so gewichtig sein, dass es das öffentliche Interesse an der ausnahmslosen Bestattungs- und Kostentragungspflicht überwiegt. Dies ist dann der Fall, wenn der Bestattungspflichtige durch die Heranziehung zu den Bestattungskosten unzumutbar belastet wird. Unzumutbar ist eine durch Leistungsbescheid festgesetzte Kostentragungspflicht für das Opfer eines vom Bestatteten begangenen Sexualdelikts dann, wenn das Opfer durch die Kostentragungspflicht in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG unangemessen belastet wird oder die auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhende konkrete Gefahr besteht, dass das Opfer eines Sexualdelikts durch den Erlass eines Leistungsbescheids in einem Fall wie hier in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG) verletzt wird. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles.
32 
Solche besonderen Umstände sind hier gegeben. Der Leistungsbescheid vom 02.09.2004 stellt aufgrund der Besonderheiten des Falles eine unverhältnismäßige Belastung der Klägerin in ihrer Rechtsstellung aus Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG dar, die durch das mit der gesetzlichen Regelung der Kostentragungspflicht verbundene Ziel der §§ 37 Abs. 1, 31, 21 BestattG nicht mehr gerechtfertigt ist. Die Klägerin war im Alter von vier Jahren Opfer eines von ihrem verstorbenen Vater begangenen Sexualdelikts. Sie hatte seit der Tat keinerlei Kontakt mehr zu ihrem Vater und es gibt keinerlei Anzeichen für eine Aussöhnung zwischen Opfer und Täter oder eine wie auch immer geartete, gegebenenfalls nur auf Seiten des Opfers feststellbare, Befriedung der Folgen der Straftat und der familiären Verhältnisse. Die Unverhältnismäßigkeit lässt sich nicht deshalb verneinen, weil bereits geraume Zeit seit Begehung der Straftat vergangen ist, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine Aussöhnung oder Befriedung vorliegen und plausible Gründe dafür geltend gemacht werden, dass das Opfer durch den Erlass des Leistungsbescheids unverhältnismäßig schwer belastet wird, weil es zu den Kosten der Bestattung für den Täter herangezogen wird. Die Klägerin war im Alter von vier Jahren nicht nur Opfer eines von ihrem Vater begangenen Sexualdelikts, sie trafen auch die weiteren Folgen daraus, sie verlor hierdurch ihre Familie. Die Ehe ihrer Eltern wurde in der Folgezeit geschieden und sie wurde von ihrer allein erziehungsberechtigten Mutter in ein Kinderheim gegeben, in dem sie bis zu ihrer Volljährigkeit lebte. Mit ihrem Vater hatte sie nach dessen Verurteilung keinerlei Kontakt mehr, mit ihrer Mutter ihrem glaubhaften Vorbringen zufolge „nur sporadisch“. Eine Aussöhnung zwischen Opfer und Täter gab es nicht, auch keine dahingehenden Versuche eines der Beteiligten. Die Klägerin ließ durch ihren Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vortragen, jegliche Berührung mit dem begangenen Sexualdelikt, auch die Klärung ihrer Pflicht zur Kostentragung durch das Gericht, belaste sie schwer; dies ist nachvollziehbar und bedarf keiner weiteren Beweiserhebung. Als nachteilige Folgen des Sexualdelikts betrachtet sie auch ihre unzureichenden Ausbildungschancen und ihre derzeitige Arbeitslosigkeit. Die geltend gemachte Belastung hinderte sie den Angaben ihres Vertreters zufolge auch daran, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Aufgrund dieser Besonderheiten ist der auf die §§ 31, 21 BestattG gestützte Leistungsbescheid vom 02.09.2004 unverhältnismäßig und rechtswidrig. Die daraus abgeleitete Kostentragungspflicht der Klägerin für die Bestattungskosten ihres Vaters ist rechtswidrig. Dem diesbezüglichen Feststellungsantrag war stattzugeben.
33 
Es bedarf deshalb keiner Entscheidung darüber, ob der Gebührenbescheid gegen Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verstößt oder deshalb unverhältnismäßig ist, weil er wegen der Missachtung des zerrütteten Verhältnisses zwischen dem Bestatteten und dem an sich Kostentragungspflichtigen Ausdruck einer Behandlung ist, die die Subjektqualität des Kostentragungspflichtigen prinzipiell in Frage stellt, oder weil in der Behandlung im konkreten Fall eine willkürliche Missachtung der Würde des Menschen liegt (BVerfG, Urt. v. 15.02.2006 - 1 BvR 357/05 -, NJW 2006, 751 ff. m.w.N.; BVerfGE 30, 1 <26>).
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
35 
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 i.V.m. § 124a Abs. 1 VwGO gegeben ist.
36 
Beschluss
37 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf EUR 2.110,53 festgesetzt.
38 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG verwiesen.

Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.

(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.

Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil

1.
die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann,
2.
der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt,
3.
der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat,
4.
der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat,
5.
der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat,
6.
der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat,
7.
dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder
8.
ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.

(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.

(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.