Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 30. März 2017 - 3 B 42/17

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2017:0330.3B42.17.0A
bei uns veröffentlicht am30.03.2017

Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern zur Behebung ihrer Obdachlosigkeit eine Unterkunft zuzuweisen und vorläufig zur Verfügung zu stellen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert beträgt 5.000,00 €.

Gründe

1

Der Antrag, die Antragsgegnerin einstweilen zu verpflichten, den Antragstellern eine angemessene Wohnung zuzuweisen, ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

2

Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei darf grundsätzlich nicht die Hauptsache vorweggenommen werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach der in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsschutzgarantie jedoch dann, wenn der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist und wegen des Nichterfüllens dieses Anspruchs schwere, unzumutbare oder nicht anders abwendbare Nachteile drohen. Diese Voraussetzungen sind wie alle Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Bei der Entscheidung über einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung ist auch zu berücksichtigen, ob die dem Antragsteller drohenden Nachteile irreparabel sind und welche Rechtsgüter betroffen sind. Maßgeblich für die Beurteilung sin dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

3

Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen hier vor, da die Antragsteller einen gegen die Antragsgegnerin gerichteten Anordnungsanspruch auf (vorläufige) Unterbringung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit sowie einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft machen konnten.

4

Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anordnungsanspruch ist § 174 LVwG i.V.m. § 176 LVwG.

5

Die Antragsgegnerin ist auch für die Unterbringung der Antragsgegner örtlich zuständig gemäß § 166 Abs. 1 LVwG. Maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit für eine gefahrenabwehrrechtliche Anordnung ist, in welchem Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden, also wo die Obdachlosigkeit eintritt oder droht. Dies ist der tatsächliche Aufenthaltsort des Obdachlosen (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 12.01.2011 – 4 O 75/10; VG Schleswig, Beschl. v. 05.12.2012 – 3 B 153/12). Es ist insoweit nicht relevant, wo der Betroffene gemeldet ist oder war, bzw. wo er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, sondern wo er aktuell obdachlos geworden ist oder zu werden droht (vgl. auch BayVGH, B.v. 26.4.1995 - 4 CE 95.1023 - BayVBl. 1995, 729; VG München Beschl. v. 9.3.2017 – M 22 E 17.776, BeckRS 2017, 103613). Dass ein Betroffener dadurch in Einzelfällen in nicht unerheblichem Umfang darauf Einfluss nehmen kann, wo die Obdachlosigkeit eintritt, ist grundsätzlich im Hinblick auf das in Art. 11 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf Freizügigkeit hinzunehmen. Erst wenn die Grenze des Rechtsmissbrauchs überschritten ist, kann ein Antrag auf Zuweisung einer Wohnung aus diesen Gründen abgelehnt werden.

6

In Anwendung dieser Maßstäbe war dem Antrag stattzugeben. Unstreitig droht eine Obdachlosigkeit für die Antragsteller, da sie den Mietzins für ihre derzeitige Unterkunft nicht mehr aufbringen können. Da sich diese Unterkunft im Stadtgebiet der Antragsgegnerin befindet, ist diese auch örtlich zuständig. Aus dem Anmieten der Ferienwohnung in der … in dem Wissen, nicht in der Lage zu sein, die Kosten der Unterkunft dauerhaft tragen zu können, lässt sich noch kein Rechtsmissbrauch ableiten. Insbesondere bleibt es den Antragstellern unbenommen, die drohende Obdachlosigkeit möglichst lange mit eigenen finanziellen Mitteln zu vermeiden.

7

Wesentlich für das Abwägungsergebnis der Kammer in der im Eirechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung war auch der Umstand, dass es sich bei dem Antragsteller zu 2.) um ein 12 Jahre altes Kind handelt und gewichtige Rechtsgüter betroffen sind, nämlich die Rechte der Antragsteller aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Aufgrund der betroffenen Rechtsgüter kann auch nicht darauf abgestellt werden, dass gegebenenfalls Unterbringungsmöglichkeiten des Kreises Rendsburg-Eckernförde bestehen. Zwar spricht nach Auffassung der Kammer nach summarischer Prüfung nichts gegen eine Unterbringung im Gebiet des Kreises, solange die Gefahr der Obdachlosigkeit nicht besteht. Allerdings kann sich der Kreis entsprechend der oben dargelegten Ausführungen auf die örtliche Unzuständigkeit berufen. Daher reicht die unsichere Möglichkeit einer Unterbringung zumindest zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens nicht aus, um der Gefahr der Obdachlosigkeit effektiv entgegenzutreten.

8

Die Kammer weist aber auch darauf hin, dass es sich nur um eine einstweilige Lösung zur Vermeidung der Obdachlosigkeit handelt, die keinen Anspruch darauf begründet, dauerhaft im Stadtgebiet der Antragsgegnerin, geschweige denn in dieser Unterkunft, untergebracht zu werden. Die Antragsteller haben sich im Rahmen der durch das SGB geschaffen Möglichkeiten möglichst schnell selbst um eine geeignete Unterkunft zu bemühen.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 11


(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. (2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 09. März 2017 - M 22 E 17.776

bei uns veröffentlicht am 09.03.2017

Tenor I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zur Behebung ihrer Obdachlosigkeit eine Unterkunft zuzuweisen und vorläufig zur Verfügung zu stellen. II. Die Antragsgegnerin

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zur Behebung ihrer Obdachlosigkeit eine Unterkunft zuzuweisen und vorläufig zur Verfügung zu stellen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft durch die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung.

Dazu hat die Antragstellerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen: Die Antragstellerin war zuletzt in … gemeldet, wo sie in einer Wohnung bis Herbst 2016 lebte. Aufgrund von Arbeitslosigkeit und fehlender finanzieller Mittel musste sie ihre Wohnung aufgeben und kam anschließend bei einer Bekannten in … unter. Nachdem die Bekannte der Antragstellerin am Abend des 16. Februars 2017 gegen 19 Uhr erklärt habe, dass die Antragstellerin nicht länger bei ihr wohnen könne, habe sie die Wohnung der Bekannten verlassen. Da sie sich in … nicht hinreichend ausgekannt habe, (um sich für die bevorstehende Nacht eine Unterkunft zu organisieren) sei sie nach München zum Marian Platz gefahren und habe sich dort vom 16. bis 21. Februar 2017 ein Zimmer in einer Pension genommen. Die Kosten habe sie mit eigenen finanziellen Mitteln bestritten. Da ihr Erspartes jedoch zur Neige gegangen sei, habe sie das Pensionszimmer aufgeben und seitdem in Notschlafplätzen in München nächtigen müssen.

Am 22. Februar 2017 sprach die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin vor und beantragte eine obdachlosenrechtliche Unterbringung.

Die Antragsgegnerin lehnte die Unterbringung der Antragstellerin ab, da sie sich nicht für örtlich zuständig hielt, und verwies die Antragstellerin im Hinblick auf eine obdachlosenrechtliche Unterbringung an die Gemeinde … Die Gemeinde … hat der Antragstellerin ebenfalls erklärt, dass sie ihr nicht helfen könne, da die Antragstellerin nie in … gemeldet gewesen sei.

Die von der Antragsgegnerin als Notmaßnahme angebotene Unterbringung im Rahmen des Kälteschutzprogramms wurde von der Antragstellerin abgelehnt.

Am 24. Februar 2017 beantragte die Antragstellerin zur Niederschrift, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu verpflichten, ihr vorläufig eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen.

Mit beim Gericht am 2. März 2017 per Fax eingegangenem Schriftsatz beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung trägt sie vor, dass sie zur obdachlosenrechtlichen Unterbringung der Antragstellerin nicht örtlich zuständig sei, da die Obdachlosigkeit der Antragstellerin bereits mit Verlassen der Wohnung der Bekannten in … eingetreten sei. Das kurzfristige viertägige Unterkommen in der Pension in München habe insbesondere aufgrund der absehbaren kurzen Zeitdauer die Obdachlosigkeit der Antragstellerin nicht behoben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder dro-hende Gewalt zu verhindern oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl den (aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten) Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anordnungsanspruch), wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungs-grund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Maßgeblich für die Beurteilung sind dabei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

2. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen hier vor, da die Antragstellerin einen gegen die Antragsgegnerin gerichteten Anordnungsanspruch auf (vorläufige) Unterbringung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit sowie einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft machen konnte.

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf der Grundlage des glaubhaft gemachten Vorbringens der Antragstellerin gebotenen Prüfung ist die Antragsgegnerin für die Unterbringung der Antragstellerin insbesondere örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit für eine sicherheitsrechtliche Anordnung zur Behebung von Obdachlosigkeit auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVGrichtet sich gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG danach, wo der entscheidende Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Zuständig für ein sicherheitsrechtliches Einschreiten zur Beseitigung der mit der Obdachlosigkeit einhergehenden Gefahr ist die Gemeinde, in der die aktuelle (streitgegenständliche) Obdachlosigkeit entstanden ist oder unmittelbar droht. Maßgeblich ist insoweit nicht, wo die Antragstellerin gemeldet ist oder war, bzw. wo sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, sondern wo sie aktuell obdachlos geworden ist (BayVGH, B.v. 26.4.1995 - 4 CE 95.1023 - BayVBl. 1995, 729). Indem ein Betroffener vom Grundrecht der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) Gebrauch macht, kann er in gewissem Umfang darauf Einfluss nehmen, wo die Obdachlosigkeit eintritt (BayVGH a.a.O.). Dies liegt in der Regelungsnatur des Sicherheitsrechts begründet, welches darauf gerichtet ist, die Gefahr dort zu bekämpfen, wo sie auftritt.

Das Ersuchen ist nur ausnahmsweise als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn sich der Betroffene beispielsweise allein deshalb an einen bestimmten Ort begibt, um dort Obdach zu beantragen (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 30.7.2012 - 4 CE 12.1576 - juris Rn. 18; B.v. 7.1.2002 - 4 ZE 01.3176 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 26.4.1995, BayVBl 1995, 729/730; Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand Juli 2013, Art. 7 Rn. 174, 179).

Im vorliegenden Fall kann auf der Grundlage des Vorbringens der Antragstellerin nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Antragstellerin treuwidrig nach München begeben hat, um dort rechtsmissbräuchlich Obdach zu beantragen. Unabhängig von dem Umstand, dass sich die Antragstellerin beim Verlassen der Wohnung ihrer Bekannten in … wohl auch an die dortige Gemeinde mit dem Begehren einer Obdachlosenunterbringung hätte wenden können, sind die Fahrt nach München sowie die Anmietung eines dortigen Pensionszimmers für wenige Tage jedenfalls vorliegend nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Die Antragstellerin hat glaubhaft vorgetragen, dass sie an dem Abend, als sie die Wohnung ihrer Bekannten verlassen musste, keine andere Möglichkeit sah, als sich in München ein Pensionszimmer zu nehmen. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin wusste, dass ihre finanziellen Mittel nur wenige Tage für die Anmietung ausreichen würden, begründet keine Treuwidrigkeit. Die Antragstellerin war auf eine kurzfristige Lösung angewiesen.

3. Es sei aber darauf hingewiesen, dass diese Unterkunft nicht als Dauerlösung angesehen werden darf, sondern lediglich Überbrückungscharakter hat. Der Antragstellerin obliegt es daher gleichwohl, sich - gegebenenfalls mit Unterstützung des zuständigen Sozialleistungsträgers - im Rahmen der durch das SGB geschaffenen Möglichkeiten alsbald selbst eine geeignete Wohnmöglichkeit zu verschaffen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.