Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 22. Mai 2018 - 12 B 45/17
Gericht
Gründe
I.
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Der Antragsgegner schrieb im Nachrichtenblatt des Ministeriums vom 13.07.2017 (Seite 201/202) zum 01.08.2017 fünf Stellen als regionale Beauftragte im betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) in jeweils drei Kreisen/kreisfreien Städten aus. Die Beauftragten sollten bei ansonsten unveränderten Aufgaben und unverändertem Amt je fünf Ausgleichsstunden erhalten. Die mit Ausgleichsstunden versehenen Aufgaben werden regelmäßig für die Dauer von sechs Jahren übertragen. Um die Stellen bewarben sich insgesamt elf unbefristet beschäftigte Lehrkräfte des Landes Schleswig-Holstein, u.a. der Antragsteller, und zwar für die Region Süd-West. Eine Bewerberin schied bereits im Vorfeld aus.
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Am 12.09.2017 fanden die Auswahlgespräche für die BEM-Beauftragten statt. Die Auswahlkommission setzte sich aus dem Leiter der im Bildungsministerium für das BEM von Lehrkräften zuständigen Referats und einem seiner Mitarbeiter, der Leiterin des Zentrums für Prävention beim Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen, Schleswig-Holstein (IQSH), dem Landeskoordinator für das BEM, einer Vertreterin des Hauptpersonalrats sowie der Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Lehrkräfte zusammen. Die Auswahlkommission legte den Auswahlgesprächen einen von ihr erstellten Fragenkatalog zugrunde. Dabei wurden die einzelnen Fragen unterschiedlich gewichtet. Die größte Bedeutung wurde den Fragen betr. die Qualifikation für die Aufgabe, das Rollenverständnis und die Handlungsmöglichkeiten beigemessen. Aufgrund des Auswahlgesprächs kam die Auswahlkommission zu dem Ergebnis, dass der Beigeladenen zu 1) die Stelle als BEM-Beauftragte für die Region Süd-West zu übertragen sei und die Beigeladenen zu 2) und 3) als mögliche Nachrückerinnen für alle ausgewählten Bewerber vorzusehen seien. Den Antragsteller sah die Kommission als nicht geeignet für die Aufgabe eines BEM-Beauftragten an. Dies wurde dem Antragsteller mit Schreiben vom 06.11.2017 mitgeteilt. Dagegen legte der Antragsteller unter dem 13.11.2017 Widerspruch ein.
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Am 13.11.2017 hat der Antragsteller beim hiesigen Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht mit dem Antrag,
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dem Antragsgegner aufzugeben, eine Stelle als BEM-beauftragte Lehrkraft in der Region Süd-West nicht eher endgültig zu besetzen, als bis über seinen Widerspruch gegen die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung abschließend entschieden worden ist.
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Der Antragsgegner ist dem Antrag unter Übersendung der Verwaltungsvorgänge entgegengetreten.
II.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, § 920 ZPO kann das Gericht, auch schon vor Klagerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Der Grund der Anordnung und der zu sichernde Anspruch sind glaubhaft zu machen.
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Der Antragsteller hat keinen Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der begehrten einstweiligen Anordnung, glaubhaft gemacht. Er hat nicht dargelegt, dass er der begehrten vorläufigen gerichtlichen Entscheidung bedarf, weil es für ihn unzumutbar ist, den Ausgang des Widerspruchsverfahrens und eines ggf. nachfolgenden Klageverfahrens abzuwarten, in dem er die Neubescheidung seiner Bewerbung für eine Tätigkeit als BEM-Beauftragter erreichen kann. Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, dass BEM-Beauftragte keine eigens dafür geschaffenen oder sonst vakanten Planstellen besetzen. Durch die Übernahme der Aufgabe ändert sich für die BEM-Beauftragten weder ihr statusrechtliches Amt noch ihr Beschäftigungsverhältnis. Sie werden lediglich auf ihrer Stelle, die sie weiterhin innehaben, im Umfang von fünf Stunden von ihrer regulären Unterrichtsverpflichtung befreit. Diese Befreiung stellt einen zeitlichen Ausgleich für die Inanspruchnahme der Lehrkräfte durch ihre Tätigkeit als BEM-Beauftragte dar. Soweit der Antragsteller zur Begründung der Eilbedürftigkeit darauf verweist, der Antragsgegner habe selbst betont, dass die Aufgaben der BEM-Beauftragten zügig vergeben werden sollten, ergibt sich daraus nicht, warum es für ihn unzumutbar sein sollte, zunächst den Ausgang eines sich ggf. anschließenden Klageverfahrens abzuwarten. Hinsichtlich der vom Antragsteller für sachgerecht gehaltenen personellen Kontinuität in der Besetzung der Stellen ist darauf hinzuweisen, dass die Tätigkeit als BEM-Beauftragter von vornherein zunächst auf sechs Jahre befristet und die Aufgabe danach erneut auszuschreiben ist (s. § 2 Abs. 3 des Erlasses über die Einrichtung von Zeitbudgets für Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben, NBl. MSB Schl.-H. 2016, S. 173). Auch hinsichtlich der bereits ausgewählten Bewerber ist nicht auszuschließen, dass diese vor Ablauf der vorgesehenen sechs Jahre von der ihnen übertragenen Aufgabe entbunden werden, etwa weil sie nicht mehr in der Region, für die sie ausgewählt wurden, ansässig sind. Vor diesem Hintergrund sind bereits ggf. nachrückende Bewerber/-innen ausgewählt worden. Schließlich geht auch der Antragsgegner davon aus, dass eine bereits erfolgte Aufgabenübertragung ohne weiteres wieder rückgängig gemacht werden könnte. Anzumerken ist im Übrigen, dass es hinsichtlich der als Nachrückerinnen vorgesehenen Beigeladenen zu 2) und 3) auch deshalb an einem Anordnungsgrund fehlen dürfte, da derzeit offen ist, ob überhaupt auf eine der beiden Nachrückerinnen zurückgegriffen wird.
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Da es somit an dem erforderlichen Anordnungsgrund fehlt, kann dahinstehen, ob dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch zur Seite steht. Derzeit kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Antragsgegner den maßgeblichen Eignungsvorsprung der Beigeladenen beurteilungsfehlerfrei aus den Ergebnissen der am 12.09.2017 durchgeführten Auswahlgespräche hergeleitet hat. Zwar kann der Dienstherr als leistungsbezogenes Auswahlkriterium auch die Ergebnisse von strukturierten Auswahlgesprächen heranziehen (OVG Schleswig, Beschluss vom 07.10.2013 – 2 MB 31/13 - ). Hier erweist sich jedoch die erforderliche Dokumentation dieser Gespräche (vgl. dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 11.05.2011 - 2 BvR 764/11 - zitiert nach juris Rn. 12) insofern als lückenhaft, als offenbar lediglich vier Mitglieder der sechsköpfigen Auswahlkommission Gesprächsprotokolle gefertigt haben, während die Vertreterin des Hauptpersonalrats-Lehrkräfte und die Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Lehrkräfte zwar an den Auswahlgesprächen beratend teilgenommen haben und auch die Auswahlentscheidung mit beeinflusst haben dürften, sich jedoch lediglich zum persönlichen Gebrauch bestimmte Notizen gemacht haben. Eine abschließende Klärung muss insoweit einem sich ggf. anschließenden Klageverfahren vorbehalten bleiben.
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Im Hinblick auf den nicht glaubhaft gemachten Anordnungsgrund war der Antrag jedoch mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG (die Hälfte eines Klageverfahrens).
Annotations
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
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vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
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die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.