Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 21. Sept. 2016 - 11 A 329/15

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2016:0921.11A329.15.0A
21.09.2016

Tenor

Der Bescheid vom 19.08.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2015 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die im Jahr 1988 geborene Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme ihrer Ernennung zur Lebenszeitbeamtin.

2

Die Klägerin wurde mit Wirkung vom 02.08.2004 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Polizeimeisteranwärterin ernannt. Nach Verlängerung des Vorbereitungsdienstes bis zum 31.01.2008 wurde sie mit Wirkung vom 01.02.2008 unter Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Probe zur Polizeimeisterin zur Anstellung ernannt.

3

Mit Wirkung vom 01.02.2011 wurde die Klägerin zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt.

4

Seit 01. Juli 2014 war die Klägerin durchgängig erkrankt. Nach vorangegangener Untersuchung durch den Polizeiarzt, der die Polizei- und Beamtendienstunfähigkeit der Klägerin feststellte, wurde die Klägerin durch Bescheid vom 05.03.2015 mit ihrem Einverständnis mit Ablauf des Monats März 2015 in den Ruhestand versetzt.

5

Im Hinblick auf die im polizeiärztlichen Gutachten angegebenen Krankheiten der Klägerin aus dem Psychiatrischen Formenkreis, u. a. eine manisch depressive Erkrankung mit medikamentöser Therapie seit 2007, überprüfte der Beklagte die von der Klägerin im Rahmen einer medizinischen Selbstauskunft vom 24.11.2010 im Hinblick auf die zum 01.02.2011 erfolgte Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit gemachten Angaben. Die Klägerin hat in dieser Selbstauskunft vom 24.11.2010 bei allen nachgefragten Krankheitsbildern angegeben, dass sie weder in den letzten 5 Jahren an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden aus den nachgefragten Gebieten gelitten hat noch leidet. Die Klägerin hat darüber hinaus auch die Frage nach einer bestehenden oder stattgefundenen nervenärztlichen Behandlung verneint.

6

Durch Bescheid vom 15.06.2015 wurde die Klägerin zu einer beabsichtigten Rücknahme ihrer Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG angehört. Der Beklagte führte aus, aus diversen Befundberichten ergebe sich, dass die Klägerin von 2007 bis Herbst 2013 wegen Depressionen medikamentös mit dem Medikament „Trevilor“ behandelt worden sei. Vor dem Hintergrund, dass im polizeiärztlichen Gutachten ausgeführt worden sei, die Klägerin leide an einer mittelgradigen depressiven Episode mit phasenweise auftretender Suizidalität, hätte die Klägerin niemals als geeignet für den Polizeivollzugsdienst befunden werden dürfen. Allein im Hinblick auf die Selbstauskunft sei die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit erfolgt.

7

Durch Bescheid vom 19.08.2015 nahm der Beklagte die Ernennung der Klägerin zur Beamtin auf Lebenszeit mir Wirkung vom 01.02.2011 zurück.

8

Der Beklagte verwies darauf, dass die Klägerin nach dem Gutachten des Polizeiarztes vom 18.11.2014 an diversen Krankheitsstörungen leide, die ihre Polizei- und Beamtendienstunfähigkeit begründeten. Insgesamt habe sich herausgestellt, dass die Klägerin an diesem Krankheitsbild schon länger leide. Die Klägerin habe, ausgehend von der Behandlung mit Trevilor seit 2007 zumindest die Frage nach Gemüts- oder Geistesstörungen falsch beantwortet. Die Frage nach der nervenärztlichen Behandlung hätte bei wahrheitsgemäßer Beantwortung zumindestens thematisiert werden müssen. Die Klägerin habe wissentlich falsche Aussagen zu ihrer gesundheitlichen Situation gemacht, was wiederum dazu geführt habe, dass der Leitende Polizeiarzt keine Bedenken gegen ihre Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit geäußert habe.

9

Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG sei eine Ernennung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, falls diese durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt worden sei.

10

Die Klägerin habe durch ihr Verhalten getäuscht, sie habe durch Verschweigen der Tatsachen und den Umstand, dass von einer richtigen Auskunftserteilung ausgegangen wurde, bei dem begutachtenden Arzt die unrichtige Vorstellung hervorgerufen, dass gerade keine Gemüts- oder Geistesstörung vorliege, derentwegen eine Behandlung mit Psychopharmaka erfolge. Im Übrigen ergebe sich auch aus einem von der Klägerin selbst vorgelegten Attest vom 09.10.2014, in dem heiße, die Klägerin leide an Depressionen, Anpassungsstörungen und Schlafstörungen, weswegen sich seit 2007 längere Arbeitsunfähigkeitszeiten ergeben hätten, dass der Klägerin ihre Erkrankung auch bewusst gewesen sei.

11

Im Übrigen habe die Klägerin auch bei der Aufnahme in eine teilstationäre Behandlung im Zentrum für psychosoziale Medizin des Klinikums A-Stadt angegeben, seit 2007 an einer depressiven Erkrankung gelitten zu haben. Insgesamt habe die Klägerin das Vorliegen einer manisch-depressiven Erkrankung verschwiegen. Damit lägen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG vor, nämlich eine durch arglistige Täuschung erlangte Ernennung, die zurückzunehmen sei.

12

Die Klägerin hat gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt am 26.08.2015 und zur Begründung vorgetragen, sie habe im Jahr 2007 unter Schlafstörungen gelitten. Sie sei zu dieser Zeit im Praktikum in A-Stadt gewesen und habe sich dort sehr unwohl gefühlt. Der sie damals behandelnde Hausarzt habe ihr für den absehbaren Zeitraum des Praktikums das Medikament Trevilor verschrieben. Die Verschreibung sei insgesamt 5 mal von Mai 2007 bis November 2007 erfolgt. Danach habe sie diese Tablette nicht mehr eingenommen.

13

Erstmalig sei im März 2012 eine mittelgradige depressive Episode bei ihr diagnostiziert worden. Sie habe dann die Nachfolgerin des damals behandelnden Hausarztes aufgesucht und darum gebeten, die Krankenakte noch einmal dahingehend durchzusehen, ob es damals schon die Erkenntnis einer psychischen Erkrankung gegeben habe.

14

Daraufhin habe die Praxisnachfolgerin das von dem Beklagten jetzt in Bezug genommene Attest vom 02.07.2015 geschrieben.

15

Eine Depression habe nicht vorgelegen.

16

Durch Bescheid vom 24.11.2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er führte erneut aus, nachdem die Klägerin ab dem 11.06.2014 längerfristig dienstunfähig erkrankt sei, habe sich letztlich ihre Polizeidienstunfähigkeit wegen einer mittelgradig depressiven Episode mit phasenweise auftretender Suizidalität sowie wegen weiterer gesundheitlicher Beeinträchtigungen herausgestellt. Unter Berücksichtigung des vom Klinikums A-Stadt erstellten Berichtes müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin von 2007 bis Herbst 2013 wegen einer Depression medikamentös mit Trevilor behandelt worden sei. Die Erkrankung der Klägerin schließe den Umgang mit Waffen aus und damit auch die Eignung als Polizeivollzugsbeamtin.

17

Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin bereits seit 2007 eine Behandlung mit Trevilor durchgeführt habe, bedeute ihre Angabe in der Selbstauskunft vor Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit eine arglistige Täuschung. Die Klägerin habe wahrheitswidrig die Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis verschwiegen. Bereits die Packungsbeilage zum Medikament „Trevilor retard“ weise darauf hin, dass es sich um ein Antidepressivum handele, das eingesetzt werde bei einer generalisierenden Angststörung, bei sozialen Angststörungen und bei Panikattacken.

18

Hätte die Klägerin bei ihrer gesundheitlichen Überprüfung im Rahmen der beabsichtigten Verbeamtung aus Lebenszeit diese Medikamentenangabe wahrheitsgemäß angegeben, so wäre eine Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit nicht erfolgt.

19

Die Klägerin hat gegen den am 26.11.2015 zugestellten Bescheid Klage erhoben am 16.12.2015.

20

Die Klägerin verweist erneut darauf, sie habe im Jahr 2007 das Medikament Trevilor zur Behandlung von Schlafstörungen im Rahmen des für sie damals sehr belastenden Praktikums in A-Stadt erhalten. Sie habe bis zum 24.11.2010 und auch am 24.11.2010 (Datum der Selbstauskunft) nicht in nervenärztlicher Behandlung gestanden. Eine solche habe erst im Juli 2014 begonnen. Sie habe damals weder an einer Gemüts- noch einer Geistesstörung gelitten.

21

Erstmalig am 23.03.2012 sei eine mittelgradige depressive Episode bei ihr diagnostiziert worden.

22

Im Übrigen sei die jetzige Hausärztin im Jahr 2010 auch nicht ihre behandelnde Ärztin gewesen.

23

Die Klägerin betont, sie habe keinerlei falsche Angaben gemacht.

24

Die Klägerin beantragt,

25

den Bescheid des Beklagten vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2015 aufzuheben.

26

Der Beklagte beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Der Beklagte verweist auf die angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus, bereits aus dem vorläufigen Entlassungsbericht des Klinikums A-Stadt ergebe sich, dass die Klägerin im Grunde genommen seit 2007 an einer depressiven Symptomatik leide.

29

Insgesamt müsse die Klägerin gewusst haben, dass es sich bei dem eingenommenen Medikament Trevilor um ein Antidepressivum handele. Dies ergebe sich unmissverständlich auch für den laienhaften Verbraucher aus der Packungsbeilage und der allgemein zugänglichen Beschreibung.

30

Damit beständen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Klägerin in dem Selbstauskunftsbogen unwahre Angaben gemacht habe und durch diese Täuschung die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit herbeigeführt habe. Folgerichtig könne die Ernennung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Klägerin sei immerhin bereits zum Zeitpunkt der Prüfung der Verbeamtung auf Lebenszeit nicht mehr (polizei)dienstfähig gewesen gemäß PDV 300. Hätten die verschwiegenen Erkenntnisse vorgelegen, wäre aus polizeiärztlicher Sicht keine Lebenszeitverbeamtung ausgesprochen worden.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Akte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Entscheidungsgründe

32

Die Klage ist zulässig und begründet.

33

Der von der Klägerin angefochtene Bescheid vom 19.08.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

34

Die Voraussetzungen für die Rücknahme der Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG liegen nicht vor. Nach dieser Norm ist eine Ernennung mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen, die durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde. Gemäß § 12 Abs. 1 LBG ist die Rücknahme auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses zulässig.

35

Die Voraussetzungen der hier einzig in Betracht kommenden Rücknahme der Ernennung wegen „arglistiger Täuschung“ liegen nicht vor. Eine arglistige Täuschung liegt nur dann vor, wenn der zu Ernennende durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Bediensteten der Ernennungsbehörde einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, um diesen durch Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen. Unrichtige Angaben sind danach stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Ernennungsbehörde danach gefragt hat oder nicht. Das Verschweigen von Tatsachen ist eine Täuschung, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Ernannte auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich sind oder sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.09.1985 - 2 C 30/84 - und auch Beschl. d. VG Neustadt v. 25.09.2015 AZ: 1 L 657/15.NW).

36

Vor dem Hintergrund, dass unrichtige Angaben stets eine Täuschung darstellen, muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerin in ihrer Selbstauskunft vom 24.11.2010 unrichtige Angaben und damit eine Täuschung begangen hat. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem vorläufigen Entlassungsbrief des Zentrums für Psychosoziale Medizin am Klinikum A-Stadt. Die Klägerin, die vom 14.07.2014 bis zum 14.10.2014 sich in der teilstationären Behandlung dieser Einrichtung befunden hat, hat zusammen mit dem behandelnden Arzt erarbeitet, dass sie im Grunde genommen seit dem Jahr 2007 an einer depressiven Symptomatik gelitten hat. Daraus sind zumindestens Anzeichen für eine Erkrankung aus dem Psychiatrischen Formenkreis bereits im Jahr 2007 herauszulesen.

37

Selbst wenn insoweit aber eine Täuschungshandlung der Klägerin über ihren wahren Gesundheitszustand und über frühere Medikamentationen vorgelegen hat, so kann jedenfalls zum Zeitpunkt der von der Klägerin erteilten Selbstauskunft am 24.11.2010 nicht von einer Arglist ausgegangen werden. Eine Arglist liegt frühestens dann vor, wenn der Täuschende erkennt und in Kauf nimmt, dass die Ernennungsbehörde aufgrund seines Verhaltens wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen oder - umgekehrt - der Ernennung hinderliche Umstände als nicht gegeben ansieht, obwohl solche in Wahrheit vorliegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.09.1985).

38

Vorliegend kann der Klägerin nicht unterstellt werden, bewusst im Jahr 2010 über ihren Gesundheitszustand getäuscht zu haben. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die damals 18jährige Klägerin wegen Schlafstörungen ihren Hausarzt aufgesucht hat und dort angegeben hat, im Hinblick auf ein Praktikum in dessen Umfeld sie sich nicht wohlgefühlt hat, über den begrenzten Zeitraum vom 09.05.2007 bis 13.11.2007 das Medikament „Trevilor“ erhalten zu haben. Weder aus den damaligen Gesundheitsunterlagen noch aus dem späteren Entlassungsbrief des Dr. xxx vom Zentrum für Psychosoziale Medizin am Klinikum A-Stadt ergibt sich, dass die Klägerin im Jahr 2010 gewusst hat, dass sie - entsprechend der medizinischen Selbstauskunft - in den letzten 5 Jahren an Gemüts- oder Geistesstörungen gelitten hat, noch dass sie in nervenärztlicher Behandlung gestanden hat.

39

Auch vor dem Hintergrund, dass der Beipackzettel zu dem der Klägerin verordneten Medikament „Trevilor“ den deutlichen Hinweis darauf enthält, dass es sich um ein Antidepressivum handelt, das bei Angsterkrankungen angewendet wird, kann der Klägerin der Vorwurf der Arglist nicht gemacht werden. Die Klägerin hat insoweit glaubhaft, und unter Berücksichtigung ihres damaligen Alters von 18 Jahren bei der Einnahme von Trevilor geschildert, sie habe den Beipackzettel gar nicht gelesen, sondern sich auf die Anweisungen ihres behandelnden Hausarztes verlassen.

40

Damit reduziert sich die Frage, ob der Klägerin eine Arglist zum Vorwurf gemacht werden kann darauf, ob ein fahrlässiges Nichtwissen vom Einsatzgebiet des eingenommenen Medikamentes und eine wiederum darauf beruhende Nachforschungspflicht nach dem eigenen Krankheitsbild eine Arglist im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 Beamtenstatusgesetz begründen kann. Dies ist nicht der Fall. Auch wenn selbst neurologische oder psychiatrische Erkrankungen unterhalb der Schwelle psychischer Störungen für eine Ernennung auf Lebenszeit wesentlich sind und unabhängig von einer exakten medizinischen Diagnose bei einer Untersuchung im Rahmen der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit angegeben werden müssen (vgl. OVG Berlin Brandenburg, Urt. v. 30.11.2006 - OVG 4 B 11.6), so war hier für die Klägerin nicht erkennbar, dass im Jahr 2007 Anzeichen für eine neurologische oder psychiatrische Erkrankung vorgelegen haben. Dementsprechend brauchte die Klägerin auch keine über die im Rahmen der Selbstauskunft nachgefragten Störungen anzugeben.

41

Der Klage war daher mit der Kostenfolge gemäß § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

42

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 12 Rücknahme der Ernennung


(1) Die Ernennung ist mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn 1. sie durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde,2. dem Dienstherrn zum Zeitpunkt der Ernennung nicht bekannt war, dass die ernannte Person vor i

Landbeschaffungsgesetz - LBG | § 12


(1) Durch Enteignung a) kann Eigentum an Grundstücken oder Grundstücksteilen einschließlich des dem Eigentümer gehörigen Zubehörs entzogen oder belastet werden,b) können andere Rechte an Grundstücken sowie Rechte, die zum Erwerb, zum Besitz oder zur

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Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 25. Sept. 2015 - 1 L 657/15.NW

bei uns veröffentlicht am 25.09.2015

weitere Fundstellen ... Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen. Der Streitwert wird auf 18.327,- € festgesetzt. Gründe 1 Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden

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(1) Die Ernennung ist mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn

1.
sie durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde,
2.
dem Dienstherrn zum Zeitpunkt der Ernennung nicht bekannt war, dass die ernannte Person vor ihrer Ernennung ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, aufgrund dessen sie vor oder nach ihrer Ernennung rechtskräftig zu einer Strafe verurteilt worden ist und das sie für die Berufung in das Beamtenverhältnis als unwürdig erscheinen lässt,
3.
die Ernennung nach § 7 Abs. 2 nicht erfolgen durfte und eine Ausnahme nach § 7 Abs. 3 nicht zugelassen war und die Ausnahme nicht nachträglich erteilt wird oder
4.
eine durch Landesrecht vorgeschriebene Mitwirkung einer unabhängigen Stelle oder einer Aufsichtsbehörde unterblieben ist und nicht nachgeholt wurde.

(2) Die Ernennung soll zurückgenommen werden, wenn nicht bekannt war, dass gegen die ernannte Person in einem Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt worden war. Dies gilt auch, wenn die Entscheidung gegen eine Beamtin oder einen Beamten der Europäischen Union oder eines Staates nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ergangen ist.

(1) Durch Enteignung

a)
kann Eigentum an Grundstücken oder Grundstücksteilen einschließlich des dem Eigentümer gehörigen Zubehörs entzogen oder belastet werden,
b)
können andere Rechte an Grundstücken sowie Rechte, die zum Erwerb, zum Besitz oder zur Nutzung von Grundstücken berechtigen oder die Benutzung von Grundstücken beschränken, entzogen werden.
Grundstücksgleiche Rechte stehen dem Eigentum an Grundstücken gleich. Teile des Zubehörs sind auf Antrag des Eigentümers von der Enteignung auszunehmen, wenn ihre Enteignung zu einer unbilligen Härte für den Eigentümer führen würde und sie für die in § 1 angeführten Zwecke nicht dringend benötigt werden oder sie anderweitig beschafft werden können.

(2) Die Entziehung des Eigentums an Grundstücken ist nur zulässig, wenn der erstrebte Zweck nicht schon durch Eingriffe nach Absatz 1 Buchstabe b oder durch eine Belastung des Grundstücks oder durch Begründung eines Nutzungsverhältnisses erreicht werden kann.

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Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Streitwert wird auf 18.327,- € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung des Antragsgegners vom 9. Juli 2015, mit der die Ernennung des Antragstellers zum Beamten auf Lebenszeit zurückgenommen wurde, hat keinen Erfolg.

2

Die Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genügt den formellen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach ist das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besonders zu begründen. Diese Regelung hat den Zweck, der Behörde den Ausnahmecharakter der sofortigen Vollziehbarkeit eines belastenden Verwaltungsakts trotz Widerspruchs des Betroffenen vor Augen zu führen. Die Begründung muss deshalb stets die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigen und darf sich nicht in allgemeinen, nur formelhaften Wendungen erschöpfen. Das gilt in besonderem Maße bei statusverändernden Verwaltungsakten im Beamtenrecht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 2012 – 2 B 10469/12.OVG –). Sind diese formellen Voraussetzungen erfüllt, kommt es allerdings nicht darauf an, ob das Gericht die Begründung der Behörde in der Sache im Einzelnen teilt. Das Gericht hat vielmehr gemäß § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige Interessenabwägung zwischen den widerstreitenden privaten und öffentlichen Belangen vorzunehmen.

3

Der Antragsgegner hat zur besonderen Begründung des Sofortvollzugs hier ausgeführt, dass ein Beamter, gegen den Fehlverhaltensvorwürfe der zuvor im Rücknahmebescheid beschriebenen Art – nämlich eine Täuschungshandlung vor der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit – nicht mehr im Dienste der Öffentlichkeit eingesetzt werden soll. Damit hat der Antragsgegner hinreichend aufgezeigt, dass er sich des Ausnahmecharakters des Sofortvollzugs bewusst war und durch den Verweis auf die im Bescheid dargelegte Fehlverhaltensweise des Antragstellers den Bezug zu dessen Einzelfall hergestellt.

4

In der Sache fällt auch die Interessenabwägung des Gerichts zu Lasten des Antragstellers aus. Sein Widerspruch gegen die Rücknahme der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit wird nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben, weil der Rücknahmebescheid bei der derzeitigen Erkenntnislage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist. In dieser Situation muss sein privates Aufschubinteresse im Ergebnis zurück treten.

5

Rechtsgrundlage für die vom Antragsgegner ausgesprochene Rücknahme der Lebenszeiternennung des Antragstellers ist § 12 Abs. 1 Nr. 1 Beamtenstatutsgesetz – BeamtStG –, § 13 Landesbeamtengesetz – LBG –. Danach ist die Ernennung mit Wirkung für die Vergangenheit zurück zu nehmen, wenn sie durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der zu Ernennende durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Bediensteten der Ernennungsbehörde einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, um diesen durch Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen. Unrichtige Angaben sind stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Ernennungsbehörde danach gefragt hat oder nicht. Das Verschweigen von Tatsachen ist eine Täuschung, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Ernannte auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich sind oder sein können. Eine arglistige Täuschung liegt nach alledem schon dann vor, wenn der Täuschende erkennt und in Kauf nimmt, dass die Ernennungsbehörde aufgrund seines Verhaltens für sie wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen oder – umgekehrt – der Ernennung hinderliche Umstände als nicht gegeben ansieht, obwohl solche in Wahrheit vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 1985 – 2 C 30/84 –, juris, m. w. N.; Plog/Wiedow, BBG, BeamtStG § 12 Rdnr. 4).

6

Die Täuschungshandlung kann auch gegenüber dem Amtsarzt erfolgen, da sich die Ernennungsbehörde maßgeblich auf dessen Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des zur Ernennung anstehenden Bewerbers stützt und dem Bewerber das auch bewusst ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 1985, a.a.O.). Im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung muss er die Fragen nach seiner gesundheitlichen Verfassung nach ihrem erkennbaren Sinn richtig und vollständig beantworten (vgl. erneut Plog/Wiedow, a.a.O., § 14 BBG Rdnr. 12). Zwar besteht hier keine Offenbarungspflicht hinsichtlich jeglicher Gesundheitsfragen (OVG MV, Beschluss vom 23. April 1998 – 2 M 168/97 –, juris), die Bedeutung psychischer Vorerkrankungen für die gesundheitliche Eignung als (Lebenszeit)Beamter drängt sich aber geradezu auf (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. November 2006 – OVG 4 B 11.06 –, juris). Auch unterhalb der Schwelle einer neurologischen oder psychiatrischen Erkrankung liegende psychische Störungen sind erkennbar für eine Ernennung auf Lebenszeit wesentlich und von der Untersuchung beim Amtsarzt umfasst. Jedenfalls beim Vorliegen nicht unerheblicher, der Behandlung bedürftiger Beschwerden ist zu erwarten, dass der Bewerber unabhängig von der exakten medizinischen Diagnose einer psychischen „Krankheit“ im engeren Sinn sein Beschwerdebild zumindest laienhaft bezeichnet und die aufgetretenen Symptome nach Art und Schwere sowie die durchgeführten Behandlungen angibt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).

7

Aufgrund der derzeit bekannten Umstände muss die Kammer davon ausgehen, dass der Antragsteller bei der amtsärztlichen Untersuchung am 15. Februar 2007 aus Anlass seiner geplanten Verbeamtung auf Lebenszeit unrichtige Angaben über seinen Gesundheitszustand gemacht und dabei zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass beim Dienstherrn ein Irrtum über seine tatsächliche psychische Verfassung entstand, der die Entscheidung über die Ernennung auf Lebenszeit günstig beeinflussen würde.

8

Der Antragsteller hat unstreitig im Fragebogen des Amtsarztes zur Untersuchung am 15. Februar 2007 die Frage „Hatten sie Krankheiten, nach denen vorstehend nicht gefragt wurde?“ schriftlich mit „Nein“ beantwortet, obwohl er damals bereits wegen psychischer Gesundheitsstörungen eine länger dauernde ambulante psychologische Behandlung bis kurz zuvor, nämlich bis Dezember 2006, durchgeführt hatte. Unabhängig von der Auslegung des Begriffes der „Krankheit“ in der zitierten Frage war sich der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben bewusst, dass auch diese behandlungsbedürftigen psychischen Beschwerden zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung für ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erheblich sein können und von der Zielrichtung der Frage umfasst waren. Deshalb hat er nach seinem Vortrag deren Beantwortung im Vorfeld offen gelassen und mit der damaligen Amtsärztin Dr. S. im Hinblick auf die zurückliegende psychologische Behandlung besprochen. Dabei hat er allerdings im derzeitigen Erkenntnisstand gerade nicht seine tatsächliche gesundheitliche Situation vollständig und ehrlich offen gelegt, sondern vielmehr bewusst unvollständige und damit unrichtige Angaben gemacht und so eine vorsätzliche Täuschungshandlung vorgenommen. Im vorliegenden Eilverfahren führt er dazu aus:

9

„Nachdem die Untersuchung durch die Amtsärztin Frau Dr. S. abgeschlossen war, fragte sie, ob der Antragsteller noch Fragen habe oder ob es von seiner Seite noch etwas gäbe.

10

Daraufhin erklärte der Antragsteller, dass er sich nicht sicher sei wegen der Beantwortung der Frage, die oben aufgeführt ist. Er begründete dies ihr gegenüber in der Form, dass er im Jahre 2006 von Januar bis Juni aufgrund einer privaten Krise/Beziehungsproblem Kontakt zu einem Verhaltenstherapeuten in Frankenthal hatte. Er gab weiter wahrheitsgemäß an, dass er dort die fünf genehmigungsfreien probatorischen Sitzungen wahrgenommen hat. Weiterhin sei eine Behandlung beantragt worden, die dann aber nach zwei oder drei Mal abgebrochen wurde, da es ihm wieder gut ging und er wieder in einer festen Beziehung sei.

11

Frau Dr. S. fragte ihn daraufhin, ob eine Erkrankung festgestellt bzw. eine Diagnose gestellt wurde. Dies wurde wahrheitsgemäß dahin beantwortet, dass der Antragsteller sagte, dass er aus dem Stegreif dazu nichts sagen könne. Auf die weitergehende Frage der Amtsärztin, ob es ihm wieder gut ginge und alles ok sei und dies vom Antragsteller bejaht wurde, hat er handschriftlich, diesmal ohne Lineal, das Wort: nein unter die oben gestellte Frage eingetragen.

12

Er erläuterte sogar noch gegenüber der Amtsärztin, dass er dies unbedingt erwähnt haben wollte, nicht das ihm später vorgeworfen wird, er hätte etwas verschwiegen. Frau Dr. S. erklärte daraufhin für den Antragsteller absolut unmissverständlich, dass das ok sei und er sich keine Gedanken machen müsse.“

13

Diese Angaben – wenn sie tatsächlich von ihm wie beschrieben gemacht worden sind, was der Gesamtpersonalrat für glaubhaft erachtete, der Antragsgegner indessen bestreitet – entsprechen nicht der Wahrheit. Denn der Antragsteller war, wie sich aus der Bescheinigung des Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie N. vom 20. August 2015 ergibt, nicht nur von Januar bis Juni 2006, sondern von Oktober 2005 bis Dezember 2006 in psychotherapeutischer Behandlung. Er hat nicht nur fünf probatorische und zwei bis drei weitere Behandlungen durchlaufen, sondern insgesamt 12 Therapiesitzungen wahrgenommen. Diese große Diskrepanz zu seinen behaupteten Aussagen gegenüber der Amtsärztin ist angesichts der zeitlichen Nähe der Ereignisse zum Untersuchungstermin im Februar 2007 nicht mit Erinnerungslücken zu erklären, sondern nur mit bewusst unvollständigen und damit unrichtigen Angaben. Außerdem ergibt sich aus seinem jüngsten Vortrag im Eilverfahren, dass nach seiner Erinnerung damals nach den probatorischen Sitzungen sogar 40 weitere Behandlungsstunden zur Genehmigung beantragt und auch bewilligt worden waren. Daran wird nach Überzeugung des Gerichts deutlich, dass die psychotherapeutische Behandlung wegen ernsthaften und damals schon nachhaltigen psychischen Beschwerden des Antragstellers erforderlich gewesen sein muss, und nicht lediglich, wie er es gegenüber der Amtsärztin beschrieben haben will, ein „Kontakt“ zu einem Verhaltenstherapeuten wegen einer privaten „Krise“ oder eines „Beziehungsproblems“ bestand. Auch die Behauptung, er habe gegenüber der Amtsärztin zur gestellten Diagnose „aus dem Stegreif“ nichts sagen können, erscheint wenig glaubhaft unter Berücksichtigung des Umstands, dass ein beihilferechtliches Genehmigungsverfahren für eine längerfristige Psychotherapie durchgeführt worden war.

14

In den behaupteten Angaben gegenüber der Amtsärztin lag mithin eine erhebliche Verharmlosung seiner psychischen Gesundheitsstörungen. Die hierin zu sehende Täuschungshandlung ist arglistig erfolgt, weil er sich – wie oben ausgeführt – der Bedeutung der psychischen Beschwerden für die amtsärztliche Begutachtung bewusst sein musste - und war - und trotzdem unvollständige Angaben gemacht und so sein Problem allenfalls teilweise offenbart hat mit dem Vorsatz, auf die Willensbildung der für die Ernennung zuständigen Stelle einzuwirken (vgl. OVG MV, a.a.O. mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1996, BVerwGE 102, 178). Weil dies derzeit schon aus seinem eigenen Vortrag folgt, kommt es nicht darauf an, ob die frühere Amtsärztin sich an die damalige Untersuchungssituation erinnert und seine Aussagen bestätigen könnte. Die Vernehmung von Dr. S. als Zeugin im Hauptsacheverfahren ist aus derzeitiger Sicht ebenfalls nicht angezeigt, weil schon die eigenen Angaben des Antragstellers eine Täuschungshandlung über die Schwere seiner damaligen psychischen Störung belegen. Aus dem gleichen Grund ist es unschädlich, dass der Antragsgegner bisher nicht mit einer persönlichen Einvernahme der früheren Amtsärztin versucht hat, den Sachverhalt insoweit näher aufzuklären.

15

Durch die unvollständigen Angaben des Antragstellers wurde ein entsprechender Irrtum der an der Ernennung maßgeblich beteiligten Amtsträger des Dienstherrn hervorgerufen, da sie die amtsärztlichen Erkenntnisse bei ihrer Entscheidung zugrunde legten und folglich davon ausgingen, dass keine der Ernennung hinderliche psychische Störung beim Antragsteller bestünde. Dagegen kann dieser nicht mit Erfolg einwenden, der Antragsgegner habe durch Vorgänge innerhalb der Dienststelle PI X schon in den Jahren 2005/2006 und 2007 Kenntnis von der psychischen Erkrankung und Behandlung erlangt. Zwar trifft es ausweislich der Stellungnahme des ehemaligen PI-Leiters PD T. vom 3. September 2015 zu, dass der Antragsteller dort wohl Ende 2005 mit Suizidgedanken auffällig wurde, woraufhin ihm befristet die Dienstwaffe entzogen und ein Kontakt zur Sozialen Ansprechpartnerin des Polizeipräsidiums nahe gelegt wurde. Auch hat der Antragsteller bei der PI X im März 2007 – also nach der amtsärztlichen Untersuchung im Februar, aber noch vor der Lebenszeiternennung im August – eine Aufnahmebescheinigung der „p... Akutklinik“ vom 17. März 2007 vorgelegt und war anschließend ausweislich des dienstlichen Krankenblattes der PI vier Monate lang im Krankenstand. Aber selbst wenn der damalige Dienststellenleiter diese Informationen an die für die Ernennung zuständige Personalverwaltung des Polizeipräsidiums weiter geleitet hätte – was indessen unterblieben ist, weil er glaubte, die Situation und die erforderlichen Maßnahmen vor Ort selbst regeln zu können, obwohl dies sicherlich schon damals als problematisch einzuschätzen war – hätte sich daraus noch keine positive Kenntnis der Ernennungsbehörde über den wahren und vollständigen Sachverhalt in Bezug auf die gesundheitliche Verfassung des Antragstellers ergeben. Die Aufnahmebestätigung vom 17. März 2007 enthielt keine Diagnose, und die „p... Klinik“ ist auf dem Schriftstück nicht ohne weiteres als psychiatrische oder psychotherapeutische Klinik zu identifizieren. Konkrete Erkenntnisse über das in Wahrheit vorliegende Beschwerdebild des Antragstellers hätten sich daraus also nicht ergeben, auch wenn die Personalakten insoweit vollständig geführt worden wären. Allenfalls hätte der Antragsgegner damals durch weitere Recherchen ermitteln können, dass der Antragsteller augenscheinlich unter behandlungsbedürftigen psychischen Störungen leiden musste. Ob der Dienstherr den wahren Sachverhalt hätte kennen können oder sogar müssen, ist aber für die Rücknahme einer Ernennung wegen arglistiger Täuschung unerheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 1963 – II C 195.61 –, juris).

16

Auch wenn der Antragsteller nunmehr vorträgt, er selbst sei jedenfalls damals von der Kenntnis des Dienstherrn ausgegangen, nachdem er bei Vorlage der Aufnahmebestätigung den korrekten Dienstweg eingehalten habe, hat er dennoch billigend in Kauf genommen, dass die beim Amtsarzt vorgenommene arglistige Täuschungshandlung fortwirken werde. Denn er konnte nicht zwingend davon ausgehen, dass die Information über seine stationäre Aufnahme auch beim Amtsarzt und bei den für seine Ernennung zuständigen Personen tatsächlich bekannt werden würde. Überdies wären durch diese Informationen seine falschen Angaben gegenüber der Amtsärztin über die bereits 2005 bis 2006 durchgeführte ambulante psychologische Behandlung keinesfalls richtig gestellt worden.

17

Durch den weiterbestehenden Irrtum des Antragsgegners wurde die Ernennung des Antragstellers am 20. August 2007 herbeigeführt. Dieses Kausalitätserfordernis ist bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn der Dienstherr bei Kenntnis des wahren und vollständigen Sachverhalts die Ernennung nicht alsbald vorgenommen, sondern zumindest weitere Aufklärungsmaßnahmen eingeleitet hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 1998 – 2 B 63/98 –, juris). Die Rücknahmevorschrift schützt nämlich nicht nur den öffentlichen Dienst vor ungeeigneten Beamten, sondern auch die Entschließungsfreiheit des Dienstherrn, die durch die Täuschungshandlung verletzt wird und durch die Rücknahme der Ernennung wiederhergestellt werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 1963, a.a.O.; Plog/Wiedow, a.a.O., BeamtStG § 12 Rdnr. 2 m.w.N.). Hier ist bei lebensnaher Betrachtung, insbesondere unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Amtsarztes Dr. B. vom 8. Dezember 2014 und vom 5. Mai 2015 davon auszugehen, dass die Ernennung des Antragstellers bei vollständiger Kenntnis des wahren Sachverhalts nach der Untersuchung im Februar 2007 nicht ohne Beiziehung von Behandlungsunterlagen und einer psychiatrischen bzw. psychologischen Zusatzbegutachtung durch den Facharzt des Gesundheitsamts erfolgt wäre. Zu welchem Ergebnis diese weiteren Ermittlungen oder Gutachten geführt hätten, und ob der Antragsteller nach deren Ergebnis nicht nur aktuell dienstfähig, sondern dauerhaft gesundheitlich geeignet für ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit gewesen und ernannt worden wäre, ist demgegenüber unerheblich.

18

Erst nach der Lebenszeiternennung des Antragstellers, nämlich im Laufe des Jahres 2008, wurde der Personalverwaltung des Antragsgegners bekannt, dass der Antragsteller unter erheblichen psychischen Problemen litt. Das ergab sich aus den amtsärztlichen Stellungnahmen, die vom Dienstherrn damals angefordert wurden (vgl. Personalakte, Unterordner C Bl. 43). Die Erkenntnis im Jahr 2008 führt aber nicht dazu, dass die Rücknahme der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit durch den Bescheid vom 9. Juli 2015 verfristet erfolgt ist oder verwirkt war.

19

Die im Zeitpunkt des Bescheiderlasses geltenden gesetzlichen Bestimmungen sehen keine Frist für die Rücknahme einer Ernennung vor, die auf einer arglistigen Täuschung des Ernannten beruht. Die früher in § 16 LBG a.F. enthaltene Regelung, wonach die Ernennung nur innerhalb von 6 Monaten nach Kenntnis des Rücknahmegrundes erfolgen durfte, gilt nunmehr für die Fälle einer arglistigen Täuschung des Dienstherrn nicht mehr. Das wirft zwar die rechtliche Problematik auf, dass der Antragsgegner bei Kenntnis der wahren und vollständigen Sachlage im Jahr 2008 die Lebenszeiternennung des Antragstellers nur noch binnen einer Frist von sechs Monaten hätte zurücknehmen können, die Ernennung danach also nach altem Recht „rücknahmefest“ geworden wäre. Ob in diesem Fall mit der gesetzlichen Neuregelung eine unzulässige Rückwirkung auf einen abgeschlossenen Sachverhalt verbunden wäre, kann indessen dahin stehen. Denn zu der für eine Rücknahme erforderlichen Kenntnis des Rücknahmegrundes hätte auch gehört, dass der Ernennungsbehörde auch die Umstände der amtsärztlichen Untersuchung des Antragstellers, die dort von ihm getätigten, zumindest unvollständigen Angaben und den tatsächlichen Umfang seiner in 2005/2006 bestehenden psychischen Beschwerden bekannt gewesen wäre. Dafür gibt es derzeit keine Anhaltspunkte. Diese Umstände gingen aus den amtsärztlichen Gutachten der Jahre 2008 und 2009 nicht hervor, sondern erst aus dem später eingeholten Gutachten des Dr. M. und dessen ergänzender Stellungnahme vom 21. November 2014. Mithin hatte der Antragsgegner unter Geltung der früheren Fristregelung noch nicht die erforderliche umfassende Kenntnis des Rücknahmegrundes erlangt.

20

Auf eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis des Antragsgegners kann der Antragsteller sich schon deshalb nicht berufen, weil er aufgrund seiner eigenen, bewusst fehlerhaften Angaben bei der amtsärztlichen Untersuchung keinen geschützten Vertrauenstatbestand dahin begründen konnte, der Antragsgegner werde von einer Rücknahme der Ernennung absehen.

21

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG wie hier vor, steht die Rücknahme der Ernennung nicht im Ermessen des Antragsgegners, sondern ist zwingend mit Wirkung für die Vergangenheit auszusprechen.

22

Bei der nach alledem mangelnden Erfolgsaussicht in der Hauptsache entspricht es dem überwiegenden öffentlichen Vollzugsinteresse, das aufgrund einer arglistigen Täuschung begründete Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mit sofortiger Wirkung zu beseitigen. Ein privates Interesse daran, trotz des im Eilverfahren zu erkennenden arglistigen Verhaltens gegenüber dem Dienstherrn vorläufig weiter im Status eines Lebenszeitbeamten zu bleiben, kann nicht anerkannt werden. Auf die lange Zeitdauer des Beamtenverhältnisses kann der Antragsteller sich in dieser Situation nicht berufen. Denn das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit beruhte in der gesamten Zeit von rund acht Jahren auf der von ihm zu verantworteten Täuschung des Dienstherrn.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

24

Die Entscheidung zum Streitwert folgt aus §§ 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 und 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG (Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge auf der Basis des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 9).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.