Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 23. Juli 2018 - RN 1 K 16.33338, RN 1 K 17.35569

bei uns veröffentlicht am23.07.2018

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger im Verfahren RN 1 K 16.33338, der am …1985 geborene Kläger zu 1) und die am …1980 geborene Klägerin zu 2) sowie deren Kinder, die am …2012 in K* … geborene Klägerin zu 3) und die am …2015 in V* … geborene Klägerin zu 4) sowie im Verfahren RN 1 K 17.35569 die am …2016 in L* … geborene Klägerin zu 5) sind ägyptische Staatsangehörige, arabischer Volkszugehörigkeit und arabisch-christlichen (orthodoxen) Glaubens. Nach ihren eigenen Angaben haben sie im November 2012 ihr Heimatland in Richtung Libyen verlassen. Von dort aus sind sie am 18.9.2014 über Italien auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und stellten am 8.10.2014 Asylanträge. Der Asylantrag der Klägerin zu 4) gilt seit dem 18.7.2016 als gestellt. Am 24.10.2016 wurde beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ein Asylantrag für die Klägerin zu 5) mit Eingang des Schreibens des Landratsamts L* … vom 19.10.2016 gestellt.

Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 14.7.2016 trug der Kläger zu 1) im Wesentlichen vor, dass er Rami und nicht Romi heiße. Seine in Deutschland geborene Tochter, die Klägerin zu 4), sei römisch-katholisch getauft, ihm sei es aber nur wichtig, dass sie christlich getauft sei. Sein Reisepass sei in Libyen verbrannt. Im November 2012 habe er Ägypten, wo er bis dahin gelebt habe, legal verlassen und sei nach Libyen gegangen, wo er einen vorläufigen Aufenthalt mit Arbeitsgenehmigung gehabt hätte, die jährlich habe verlängert werden können. Er habe dort im Sekretariat einer Baufirma gearbeitet. In Ägypten lebten noch seine Eltern und zwei Schwestern, eine davon sei verheiratet. Er habe das Abitur abgeschlossen und auch ein Studium absolviert und abgeschlossen. In Ägypten schikanierten sie die Moslems. Sein Onkel und die Tante seiner Frau seien zum muslimischen Glauben übergetreten. Er habe Angst um sein Leben gehabt. Dagegen könne man auch nichts machen, da die islamische Bruderbewegung eine Macht habe, die alles mit einem tun könne, was sie sich vorstellten. Seine Frau sei von der islamischen Bruderschaft zum Tragen eines Kopftuches aufgefordert worden. Alle hätten Furcht und Angst um ihre Kinder gehabt. Deswegen seien sie auch geflüchtet. Er sei während seiner Studentenzeit im Jahr 2005 als ungläubiger Christ beschimpft worden und man habe ihm sein Kreuz an einer Halskette abgerissen. Oft sei er schikaniert, beraubt und am Ende des Jahres 2011 mit einem Faustring ins Gesicht geschlagen worden, weil er kein Geld habe hergeben können. Auslösendes Ereignis für ihre Ausreise aus Ägypten sei die Revolution gewesen, weil die Islamisten an die Macht gekommen seien. Auf der Straße vor ihrem Haus sei während eines zufälligen Konflikts, der aber nicht ihnen gegolten habe, ein Molotowcocktail gezündet und bei einer Schießerei auch jemand gestorben. Die Kirche seines Wohnortes sei zerstört worden, aber er habe zum Beten auch in andere Kirchen gehen können. Diese seien von der Polizei bewacht worden. Auch sei den Angreifern bekannt, wo Christen und Muslime lebten, da sie selbst 15 bis 20 Jahren dort gelebt hätten.

Die Klägerin zu 2) trug vor, dass sie nie einen Reisepass besessen habe. In Libyen sei ihre Handtasche von IS-Anhängern gestohlen worden, da sei auch ihr ägyptischer Personalausweis drin gewesen. Im November 2012 habe sie Ägypten verlassen und sich dann zwei Jahre legal in Libyen aufgehalten. In ihrem Herkunftsland lebten neben ihrer Mutter noch ein Bruder und die Großfamilie sowie in Libyen noch eine Schwester von ihr. Nach dem Abitur habe sie an der Universität Kairo die Fakultät für Computertechnik besucht und abgeschlossen und danach drei Jahre in Kairo als Buchhalterin gearbeitet. Wegen ihrer Religion habe sie viele Probleme gehabt. Eines Tages sei sie von der Bank zurückgekommen und plötzlich mit ihrem eigenen Auto von Anhängern der Muslimbruderschaft gestoppt worden. Sie wurde danach gefragt, warum sie kein Kopftuch trage und ein Kreuz um ihren Hals hänge. Dies sei um 18.00 Uhr nachmittags gewesen und sie hätten sie geschlagen und angefangen zu vergewaltigen. Zum Glück wären mehrere Passanten vorbeigekommen und hätten sie gerettet. Die Islamisten hätten dann ihr Auto geklaut. Dies sei ca. im August 2011 passiert, zwei Monate bevor sie im November 2011 dann geheiratet habe. Ein Jahr zuvor sei ihre Tante von dem Haus ihrer Mutter entführt worden. Sie hätte nur gehört, dass sie damals gezwungen worden sei, Muslima zu werden. Zudem habe es im Jahr 2012 im Krankenhaus bei der Entbindung ein Vergewaltigungsereignis gegeben, weil sie den Geldbetrag (2.000 ägyptische Pfund, von denen ihr 300 fehlten) für die Geburt des Kindes in voller Höhe nicht habe zahlen können. Deshalb habe man sie zwei Tage in einer Ecke gelassen und die Entbindung nicht durchgeführt. Sie hätten unmittelbar danach Ägypten nicht eher verlassen können, weil ihnen das Geld gefehlt und außerdem ihr Mann einen Arbeitsvertrag zu erfüllen gehabt habe. Für die beiden Töchter würden die gleichen Asylgründe gelten.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 6.12.2016 betreffend die Kläger zu 1) bis 4) im Verfahren RN 1 K 16.33338 sowie mit Bescheid des Bundesamts vom 22.11.2017 betreffend die Klägerin zu 5) im Verfahren RN 1 K 17.35569 lehnte dieses die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) sowie auf Asylanerkennung (Ziffer 2) ab. Die Anträge auf subsidiären Schutzstatus wurden abgelehnt (Ziffer 3) und es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 4). Die Kläger wurden unter Androhung der Abschiebung nach Ägypten aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen (Ziffer 5). In Ziffer 6 des Bescheids wurde jeweils ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf die Gründe der Bescheide wird Bezug genommen. Der Bescheid vom 6.12.2016 wurde den Klägern am 9.12.2016, der Bescheid vom 22.11.2017 am 18.11.2017 zugestellt.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.12.2016, bei Gericht eingegangen am 19.12.2016, ließen die Kläger zu 1) bis 4) im Verfahren RN 1 K 16.33338 Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 6.12.2016 erheben.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass die Kläger eine Familie von koptischen Christen aus Ägypten sei. Zur Familie gehöre ferner das in L* … geborene Kind K* … E* …, die am …2016 geborene Klägerin zu 5). Die Familienidentität der Kläger sei durch die dem Bundesamt vorgelegten Geburtsurkunden zweifelsfrei nachgewiesen worden. Die Kläger hätten wegen verschiedener Übergriffe Ägypten bereits 2012 verlassen und knapp zwei Jahre lang in Libyen gelebt und gearbeitet bis auch dort die Verhältnisse untragbar geworden seien. Die von den Klägern bei der Bundesamtsanhörung am 14.7.2016 geschilderten Übergriffe (heruntergerissenes Kreuz, Kopftuchzwang, Schläge und Beraubung) seien glaubwürdig. Daran änderten auch die Einwendungen des Bundesamtes im angegriffenen Bescheid zu verschiedenen Unstimmigkeiten hinsichtlich der im Bescheid erwähnten früheren Angaben der Kläger nichts. Für die Kläger als koptische Christen bestünde durchaus die Gefahr, einer vom Staat oder seinen Institutionen ausgehenden Verfolgung. Es stehe fest, dass eine gezielte Verfolgung von Kopten durch nicht staatliche Akteure stattfinde. Jüngstes Beispiel sei der Bombenanschlag auf die Kirche neben der Markuskathedrale in Kairo am 12.12.2016. Diese und weitere zahlreiche Verfolgungsmaßnahmen seien im Internet zusammengestellt unter Christenverfolgung.org, die als Anlage K 2 auszugsweise vorgelegt werde. Dem sei zu entnehmen, dass es allein seit Juni 2016 zu einer ganzen Reihe von massiven Terroranschlägen auf Christen und deren Häuser gekommen sei. Mit weiteren Schreiben vom 2.5.2017 wurde darauf hingewiesen, dass sich die Sicherheitslage für koptische Christen in Ägypten in den letzten Monaten stark verschlechtert und es mehrere Anschläge gegeben habe. Mit Schreiben vom 6.12.2017 legte der ehemalige Prozessbevollmächtigte der Kläger sein Mandat nieder und die aktuellen Prozessbevollmächtigten zeigten sich unter Vollmachtvorlage am 4.12.2017 an.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 4.12.2017, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, ließ die Klägerin zu 5) im Verfahren RN 1 K 17.35569 Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 22.11.2017 erheben. Mit Schreiben vom 3.1.2018 wurde zur Begründung der Klage auf die Verfahrensakten der Eltern und auf den von diesen vorgetragenen Fluchtvortrag Bezug genommen. Mit Schreiben vom 21.6.2018 wurde noch um Akteneinsicht gebeten, der mit Schreiben vom 25.6.2018 nachgekommen wurde.

Die Kläger beantragen zuletzt,

  • 1.Die Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 6.12.2016 und vom 22.11.2017 werden in Ziffern 1 und 3 bis 6 aufgehoben.

  • 2.Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise den Klägern den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen, weiter hilfsweise, betreffend der Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtenen Entscheidungen,

die Klagen abzuweisen.

Mit Beschluss vom 11.9.2017 im Verfahren RN 1 K 16.33338 bzw. mit Beschluss vom 8.1.2018 im Verfahren RN 1RN 1 K 17.35569 wurde der Rechtsstreit auf ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Beschluss vom 12.7.2018 in der mündlichen Verhandlung wurden die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten (Az. 5825420-287 und 7040073-287) sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12.7.2018 verwiesen.

Gründe

Die beiden Verfahren wurden gem. § 93 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die zulässigen Klagen sind nicht begründet. Die Bescheide des Bundesamts vom 6.12.2016 und vom 22.11.2017 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzstatus bzw. Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auch die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohungen und die gem. § 11 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 AufenthG festgesetzten gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbote sind nicht zu beanstanden.

1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 60 Abs. 1 AufenthG, 3 AsylG).

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (Nr. 2), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Buchst. a) oder in dem er als Staatenloser sei-nen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Buchst. b). Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in diesen Fällen nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem er in o.g. Sinne bedroht ist.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - juris Rn. 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl. L 337 vom 20.12.2011 S. 9 ff.). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhal-tige Gründe dagegen sprechen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NW, U.v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A - juris Rn. 24).

Es ist dabei Sache des Ausländers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU). Der Ausländer hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört u.a., dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Schutzsuchende sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen muss. Es obliegt dabei dem Schutz vor Verfolgung Suchenden, die Voraussetzungen hierfür glaubhaft zu machen. Er muss nachvollziehbar machen, wieso und weshalb gerade er eine Verfolgung befürchtet. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es regelmäßig, wenn er im Laufe des Verfahrens unter-schiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen oder er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgebend bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Asylverfahren einführt. In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (vgl. VG Augsburg, U.v. 13.12.2017 - Au 7 K 17.30060 unter Verweis auf BayVGH, U.v. 26.1.2012 - 20 B 11.30468 - jeweils zitiert nach juris).

Die Kläger sind keine Flüchtlinge im Sinne der obigen Definition. Dem Sachvortrag der Kläger ist nicht zu entnehmen, dass sie sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb Ägypten befinden.

Auf der Grundlage ihres Vorbringens beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung konnten die Kläger nicht darlegen, dass sie vor ihrer Ausreise aus Ägypten eine flüchtlingsre-levante Verfolgung erlitten haben oder ihnen eine solche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unmittelbar droht.

Die Kläger haben danach weder eine individuelle Verfolgung (a)) noch eine Gruppenverfolgung von koptischen Christen in Ägypten (b)) hinreichend dargelegt.

a) Eine begründete Furcht vor einer individuellen Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG konnten die Kläger nicht glaubhaft machen und steht auch nicht zu befürchten.

Der Vortrag der Kläger zu bereits erlittenen Verfolgungshandlungen ist an mehreren Stellen nicht glaubhaft und enthält gegenüber dem Vortrag des Bundesamt auch teilweise nicht auflösbare Widersprüche.

Im Bescheid des Bundesamts wurde schon nachvollziehbar die grundsätzliche Glaubwürdigkeit der Kläger hinterfragt, weil sie sich zunächst bei ihrer Anhörung bei der Polizei am 19.9. bzw. 25.9.2014 als syrische Staatsangehörige mit Geburtsort Aleppo ausgegeben haben. Ebenfalls wurde die Tatsache hinterfragt, warum die Klägerinnen zu 4) und 5) römisch-katholisch getauft seien und nicht christlich-orthodox. Insoweit wird auf die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung übergebenen Taufbescheinigungen von Vivenka und Kayla Eskander (Klägerinnen zu 4) und 5)) verwiesen.

Die Kläger schildern überwiegend allgemeine Probleme der Kopten in Ägypten, aber keine individuellen Ereignisse. So soll einmal auf der Straße vor ihrem Haus während eines zufälligen Konflikts, der aber nicht ihnen gegolten habe, ein Molotowcocktail gezündet worden und bei einer Schießerei auch jemand gestorben sein. Davon waren die Kläger schon nicht betroffen. Zudem soll die Kirche ihres Wohnortes 2013 in Brand gesetzt worden sein. Zu diesem Zeitpunkt haben die Kläger aber schon im November 2012 das Land nach Libyen verlassen. Insbesondere machen sie dafür die islamische Bruderbewegung und den damaligen Präsidenten Mursi verantwortlich. Dies wird auch durch den Vortrag der Kläger belegt, dass auslösendes Ereignis für ihre Ausreise aus Ägypten die Revolution gewesen sei, als die Islamisten an die Macht gekommen seien Die Situation in Ägypten hat sich seit der Absetzung des ehemaligen Präsidenten Mursi im Juli 2013 und der Wahl des neuen Staatspräsidenten El-Sisi im Mai 2014 aber grundlegend verändert. El-Sisi wird von einer deutlichen Mehrheit der Kopten unterstützt und hat viele Reformen zu ihren Gunsten eingeleitet sowie sich für den Schutz der christlichen Minderheiten eingesetzt.

Die weiteren von den Klägern geschilderten Vorfälle sind teilweise schon nicht glaubhaft, zudem sind sie nicht vom Staat oder seinen Institutionen ausgegangen, sondern von nichtstaatlichen Akteuren. Soweit die Kläger danach von Teilen der islamischen Bevölkerung bedroht worden sein sollen, sind sie auf den Schutz durch den Staat und seiner Institutionen i.S.v. § 3c AsylG zu verweisen. Nach ihrem Vortrag in der mündlichen Verhandlung sind sie aber nur einmal zur Polizei gegangen, als dem Kläger das Kreuz heruntergerissen worden sei und er dadurch auch an der Nase geblutet habe. Dies sei im Jahr 2005 gewesen. Danach haben sie sich nicht mehr an die Polizei gewandt, weil Ihnen diese angeblich auch nicht hätte helfen können.

Es mag nach den Schilderungen der Kläger vereinzelt zu Problemen aufgrund ihres Glaubens gekommen sein, so sei dem Kläger im Jahr 2005, als er noch studiert habe, sein Kreuz heruntergerissen worden oder er sei bei anderen Gelegenheiten des Öfteren beschimpft oder mit Reimen verhöhnt worden. Die Vorfälle haben jedoch in den meisten Fällen nicht die Schwelle zu einer gravierenden ernsthaften körperlichen Beeinträchtigung i.S.v. § 3a Abs. 1 und 2 AsylG überschritten. Der Kläger schildert insoweit pauschal und wenig detailliert, dass er oft schikaniert, beraubt und am Ende des Jahres 2011 mit einem Faustring ins Gesicht geschlagen worden sei, weil er kein Geld habe hergeben können. Insoweit ist schon nicht hinreichend nachvollziehbar, ob es sich dabei um einen „normalen“ Raub gehandelt hat oder der Kläger gezielt wegen seiner religiösen Gesinnung angegriffen worden ist. Um Schutz bei der Polizei haben sie bis auf den Vorfall im Jahr 2005 nicht nachgesucht, zudem haben sie bis zu ihrer Ausreise nach Libyen bis zum November 2012 zugewartet. Insoweit ist es für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, dass die Kläger so lange mit ihrer Ausreise zugewartet haben, wenn die Kläger angeblich dauerhaft von der muslimischen Bevölkerung schikaniert worden wären.

Soweit die Klägerin zu 2) bei der Anhörung vor dem Bundesamt noch ausgeführt hat, dass sie im August 2011 beinahe vergewaltigt worden wäre, trug sie demgegenüber in der mündlichen Verhandlung vor, dass sich der Vorfall wohl im Januar oder Februar 2011 ereignet habe. Sie sei mit dem Auto gestoppt und ihre Kleider seien zerrissen worden. Andere Passanten hätten ihr dann dabei geholfen, dass nichts schlimmeres passiert sei. Dass es sich bei dem Schlimmeren um eine Vergewaltigung gehandelt habe, mutmaßt die Klägerin insoweit nur. Es ist für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, dass sich die Klägerin zu 2) bei so einem prägnanten Vorfall nicht mehr genauer daran erinnern kann, wann er stattgefunden hat, zumal er sich im Jahr ihrer Hochzeit im November 2011 ereignet haben soll. Hinzukommt, dass die Glaubwürdigkeit der Klägerin zu 2) auch dadurch erschüttert wird, dass sie die anfänglich beim Bundesamt geschilderte weiter angebliche Vergewaltigung bei ihrer Entbindung im Krankenhaus im August 2012 in der mündlichen Verhandlung nunmehr dahingehend klargestellt hat, dass eine solche gar nicht stattgefunden habe. Es sei zwar unbarmherzig gewesen, dass man sie im Krankenhaus nicht entbunden habe, weil ihr das Geld gefehlt habe. Eine Vergewaltigung habe jedoch nicht stattgefunden. Auf Nachfrage bei der Anhörung beim Bundesamt teilte sie mit, dass vor dem Ereignis mit dem Anhalten ihres Autos keine weiteren konkreten Übergriffe in Ägypten auf sie stattgefunden haben. Die weiteren von ihr geschilderten Vorfälle haben sich dann nicht mehr in Ägypten, sondern in Libyen ereignet und sind daher in dem vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich.

b) Eine Verfolgung allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der koptischen Christen in Ägypten als staatlich geduldete Gruppenverfolgung durch Private haben die Kläger derzeit nicht zu befürchten.

Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt voraus, dass entweder sichere Anhaltspunkte für ein an asylerhebliche Merkmale anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen (was ersichtlich nicht der Fall ist), oder es ist eine bestimmte Verfolgungsdichte erforderlich, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (vgl. VG Augsburg, U.v. 20.3.2018 - Au 6 K 17.34310 - juris Rn. 23 ff.).

Koptische Christen machen etwa 10%. der ägyptischen Gesellschaft aus und stellen in ihrer Eigenwahrnehmung keine Minderheit dar (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 14.4.2018, S. 7 ff.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf zur Lage koptischer Christen vom 20.1.2017). Sie unterliegen zwar einer gewissen Diskriminierung in Ägypten. Es fehlt aber jedenfalls an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen kritischen Verfolgungsdichte (vgl. zur Gruppenverfolgung BVerfG, B.v. 23.1.1991 - 2 BvR 902/85, 2 BvR 515/89, 2 BvR 1827/89 - BVerfGE 83, 216 m.w.N.; BVerwG, B.v. 24.2.2015 - 1 B 31/14 - juris).

Das Gericht geht aufgrund der vorliegenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnismittel (Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 14.4.2018 (Stand: März 2018) unter II. Asylrelevante Tatsachen, 1.3. Minderheiten, Kopten, S. 7 ff.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Köln zur Lage koptischer Christen vom 29.5.2017; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Ägypten des BFA (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich) vom 2.5.2017 unter Nr. 16 Religionsfreiheit, S. 21 ff.; ACCORD, Anfragebeantwortung vom 6.7.2017 zu Ägypten: Information zur Lage von Kopten/Koptinnen, staatlicher Schutz) davon aus, dass die Verfolgung christlicher Kopten in Ägypten jedenfalls nicht die von der Rechtsprechung verlangte Verfolgungsdichte aufweist, die zu einer Gruppenverfolgung und damit der Verfolgung eines jeden Mitglieds führt (vgl. auch OVG NRW, B.v. 17.7.2014 - 11 A 1935/12.A - juris; VG Köln, U.v. 10.11.2016 - 6 K 5496/15.A - juris; VG Aachen, U.v. 26.7.2016 - 3 K 664/16.A - juris Rn. 37 ff.; VG Gelsenkirchen, U.v. 14.10.2015 - 7a K 1514/14.A - juris). Koptische Christen können den Wohnort innerhalb des Landes wechseln und so insbesondere in Ballungsräumen die in Oberägypten höhere Gefährdung verringern (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Köln zur Lage koptischer Christen vom 29.5.2017; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf zur Lage koptischer Christen vom 20.1.2017). Dies gilt auch für die nicht ortsgebundenen Kläger, die zudem vor ihrer Ausreise nach Libyen in Kairo lebten.

Im Übrigen müssen sich die Kläger auf staatlichen Schutz (§ 3d AsylG) verweisen lassen. Dass der Staat dazu nicht willens oder dazu nicht in der Lage ist, kann derzeit im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht angenommen werden. Soweit die Kläger hierzu angegeben haben, dass es sinnlos gewesen sei, sich an die Polizei zu wenden, weist das Gericht darauf hin, dass sich die Kläger nur einmal weit zurückliegend im Jahr 2005 an die Polizei gewandt und danach nicht mehr um Schutz nachgesucht haben. Die Situation in Ägypten in Bezug auf die Sicherheit koptischer Christen hat sich seit der Absetzung des ehemaligen Präsidenten Mursi im Juli 2013 und der Wahl von El-Sisi zum Staatspräsidenten im Mai 2014 aber grundlegend verändert. Insbesondere Präsident El-Sisi ist darum bemüht, die gesellschaftliche Diskriminierung der koptischen Christen zu bekämpfen und setzt sich dafür ein, dass diese ungestört ihre Religion ausüben können. Die Muslimbruderschaft ist mittlerweile als Terrororganisation klassifiziert verboten (vgl. Lagebericht S. 5 ff.).

Auch unter Berücksichtigung und Würdigung der aktuellen Auskunftslage bzw. einzelner gewaltsamer Übergriffe insbesondere des als Terrororganisation auch vom ägyptischen Staat bekämpften IS ergibt sich keine abweichende rechtliche Bewertung. Die Anschläge auf koptische Christen im Lauf des Jahres 2017 und die ihren Schutz anstrebende Reaktion von Präsident El-Sisi darauf zeigen sich in aktuellen Meldungen, wonach die Kopten in Ägypten Heiligabend begleitet von strengen Sicherheitsvorkehrungen gefeiert haben und der koptische Papst eine Messe in einer neuen Kathedrale zelebrierte im Beisein von Staatspräsident Al-Sisi, der ein Zeichen gegen den Terror im Land setzen wollte (vgl. als allgemein zugängliche Quelle www.tagesschau.de/ ausland/kopten-weihnachten-109.html). El-Sisi habe nach einem schweren Anschlag auf eine Kirche nahe der Markus-Kathedrale in Kairo im Dezember 2016 mit mehr als 25 Toten die Errichtung der neuen Christi-Geburt-Kathedrale angeordnet. Sie solle ein Symbol für die Koexistenz und die Einheit des nordafrikanischen Landes sein. Die koptischen Christen in Ägypten haben Heiligabend gefeiert. Zu einer Messe mit dem koptischen Papst Tawadros II. und Staatspräsident El-Sisi in Kairo kamen Hunderte Gläubige erstmals in einer neuen Kathedrale östlich von Kairo zusammen. Zwar bezweifelten immer mehr Kopten, dass El-Sisis Sicherheitsapparat überhaupt dazu fähig sei, sie zu beschützen; bei einem Angriff auf eine Kirche bei Kairo kurz vor dem Jahreswechsel seien sieben Menschen getötet worden, darunter ein Polizist, der die Kirche bewachte (ebenda). Dies zeigt, dass die ägyptische Regierung Christen weiterhin schützen will und dem Grunde nach auch schutzfähig ist; ein lückenloser Schutz insbesondere vor Terroristen kann freilich nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.1985 - C 33/85 u.a. - BVerwGE 72, 269, juris Rn. 20).

Hinzukommt, dass die Kläger die gesamte „Hochphase“ der gewalttätigen Anschläge in den Jahren von 2013 bis Anfang 2017 außerhalb Ägyptens verbracht haben und von den ganzen Vorkommnissen nicht persönlich betroffen gewesen sind, nachdem sie schon im November 2012 ihr Heimatland in Richtung Libyen verlassen und von dort aus über Italien am 18.9.2014 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Allgemein stellt sich die Lage für Koten/Koptinnen nach der Auskunftslage vielmehr so dar, dass sich nach der Machtablösung der Muslimbruderschaft und der Absetzung von Präsident Mursi im Juli 2013 jedenfalls seit Mitte 2017 die Situation für Kopten deutlich gebessert hat. Dies belegen auch aktuelle Entscheidungen, so z.B. VG Augsburg, U.v. 20.3.2018 - Au 6 K 17.34310 - Rn. 23 ff.; VG Minden, U.v. 13.3.2018 - 10 K 955/16 A - Rn. 20 ff.; VG Münster, U.v. 15.1.2018 - 9 K 2580/16.A - Rn. 19 ff., wonach die Rückkehr koptisch orthodoxer Christen in ägyptische Großstädte unproblematisch zu sein scheint; BayVGH, B.v. 6.11.2017 - 15 ZB 17.31023 - Rn. 9 ff., wonach die Frage einer Gruppenverfolgung koptischer Christen in Ägypten nicht erneut erklärungsbedürftig anzusehen sei, weil für die Annahme einer Gruppenverfolgung die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich sei, dass es sich dabei nicht nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt, und es daran tatsächlich fehle, sowie schließlich VG Bayreuth, U.v. 28.6.2017 - B 4 K 17.30071 -; VG Köln, U.v. 19.1.2017 - 6 K 1399/16.A - sowie VG Köln, U.v. 10.11.2016 - 6 K 5496/15.A - jeweils zitiert nach juris).

c) Eine begründete Furcht vor Verfolgung ergibt sich auch nicht aus der erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung geschilderten Angst der Kläger zu 1) und 2) vor der Beschneidung (Genitalverstümmelung) ihrer Töchter, den Klägerinnen zu 3) - 5) in ihrem Herkunftsland.

Zunächst wurde in der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 5.6.2018 eine Frist bis zum 2.7.2018 zum Vorbringen weiterer Tatsachen und Beweismittel gesetzt, die ergebnislos verstrichen ist. Auch wurde weder während der gesamten Dauer des Gerichtsverfahrens seit Klageerhebung im Dezember 2016, noch im behördlichen Verfahren vor dem Bundesamt eine drohende Genitalverstümmelung der Klägerinnen zu 3) - 5) vorgebracht, obwohl es sich dabei nach Angaben der Kläger in der mündlichen Verhandlung um einen weiteren Hauptgrund für ihre Ausreise gehandelt haben soll.

Erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung gaben die Kläger nunmehr an, dass ein Hauptgrund für ihre Ausreise die Angst vor der Beschneidung ihrer Kinder gewesen sei. Auf Frage des Gerichts, warum die Kläger das nicht schon vor der Anhörung vor dem Bundesamt vorgetragen haben, beantworteten sie wenig glaubwürdig und nicht nachvollziehbar damit, dass sie beim Bundesamt danach nicht gefragt worden seien, sondern nur konkrete Fragen bekommen und beantwortet hatten. Dem widerspricht jedoch schon der Anhörungsbogen des Bundesamts, wonach die Kläger jeweils am Ende der Anhörung gefragt worden sind, ob sie noch weitere Asylgründe oder Hindernisse, die ihrer Rückkehr in ihr Heimatland entgegenstehen würden, vortragen wollten. Im Übrigen ist ihr Vortrag auch als erheblich gesteigerter Sachvortrag wenig glaubhaft (vgl. u.a. VG Augsburg, U.v. 13.12.2017 - Au 7 K 17.30060 -; VG Augsburg, U.v. 23.11.2017 - Au 7 K 17.31300 - sowie VG Bayreuth, U.v. 29.11.2017 - B 3 K 17.32946 - jeweils zitiert nach juris).

An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es nämlich regelmäßig, wenn der Ausländer Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgebend bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Asylverfahren einführt. In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (vgl. VG Augsburg, U.v. 13.12.2017 - Au 7 K 17.30060 unter Verweis auf BayVGH, U.v. 26.1.2012 - 20 B 11.30468 jeweils zitiert nach juris).

Im konkreten Fall ist darauf hinzuweisen, dass weder der Kläger zu 1 noch die Klägerin zu 2 im Rahmen ihrer jeweiligen Anhörungen beim Bundesamt die Gefahr einer den Klägerinnen zu 3) bis 5) in Ägypten drohenden Beschneidung geltend gemacht haben. Vielmehr wurde eine solche Gefahr erstmals in der mündlichen Verhandlung am 12.7.2018 behauptet. Dass eine Mutter oder ein Vater, sollten sie tatsächlich Sorge vor einer Beschneidung ihrer Töchter haben, eben jene drohende Beschneidung bei ihrer Anhörung zum Verfolgungsschicksal mit keinem Wort erwähnen, erscheint dem Gericht mehr als unwahrscheinlich. Die Behauptung der Kläger, sie hätten dies beim Bundesamt nicht vorbringen können, wertet das Gericht wie schon oben ausgeführt als reine Schutzbehauptung.

Zudem wurde nach der aktuellen Auskunftslage (Lagebericht vom 14.4.2018, S. 10-11, 1.8.1. Genitalverstümmelung) im August 2016 das Gesetz über das Verbot von Genitalverstümmelungen verschärft, indem härtere Strafen für Ärzte sowie für Personen, die die Betroffenen zu dieser Praxis zwingen, eingeführt wurden. Zwar wird die seit 2008 verbotene Praxis der Genitalverstümmelung insbesondere in den ländlichen Gebieten weiterhin praktiziert. Laut einer Studie des ägyptischen Gesundheitsministeriums wurden 92% der verheirateten Frauen in Ägypten in ihrer Kindheit beschnitten. Menschenrechtsaktivisten werfen der Regierung vor, zu wenig zur Durchsetzung des Verbots zu unternehmen. Einzelne Initiativen zielen darauf, unter Ärzten das Problembewusstsein zu erhöhen, andere versuchen gemeinsam mit liberalen Imamen den religiösen Diskurs zu beeinflussen. Im Februar 2015 hat die für Rechtsgutachten (Fatwa) zuständige Behörde, DaralIftar eine Fatwa herausgegeben, der zufolge Genitalverstümmelung im Gegensatz zur islamischen Sharia steht und damit Sünde ist (haram).

Nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 26.3.2018 an das Verwaltungsgericht Köln ist vor allem die Position der Eltern zu der Genitalverstümmelung der Töchter entscheidend. Insofern ist es eher unwahrscheinlich, dass die Beschneidung gegen den Willen der Eltern durchgeführt werden würde. Der soziale Druck durch den Familienverbund kann jedoch extrem groß werden. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Eltern von dem Familienbund würde die Situation verschärfen. Nach der Auskunft ist der prozentuale Anteil von Genitalverstümmelungen bei Mädchen, die in Städten aufwachsen auch geringer als auf dem Land. Auch aus der Auskunft durch ACCORD, Österreichisches Rotes Kreuz an das VG Köln vom 23.3.2018 geht hervor, dass die Eltern der Kinder normalerweise das letzte Wort bei wichtigen Entscheidungen haben, so dass auch danach eine Entscheidung gegen den Willen der Eltern eher unwahrscheinlich ist.

3. Die Kläger besitzen auch keinen Anspruch auf subsidiären Schutz, weil ihnen kein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 AsylG droht.

Subsidiären Schutz erhält ein Ausländer, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vor-gebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthaf-ter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG). Nach dem Vortrag des Klägers sind hierfür keine Anhaltspunkte gegeben.

Aus dem Vortrag der Kläger ergibt sich nicht, dass ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in dem o.g. Sinn droht. Entgegen ihren Ausführungen ist es unter Berücksichtigung des aktuellen Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 14.4.2018 (Stand: März 2018) nicht nachvollziehbar, dass die Kläger derzeit einer Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wären. Auch wenn auch aktuell noch Diskriminierungen und Benachteiligungen stattfinden, erreichen diese keine Schwelle, die einer Rechtsgutverletzung in dem o.g. Sinn nahekommen würde.

4. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen hinsichtlich der Kläger nicht vor.

Das Vorbringen der Kläger führt nicht dazu, dass vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG auszugehen wäre. Eine Verletzung von Menschenrechten oder Grundfreiheiten, die sich aus der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz des Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergäbe, ist von den Klägern nicht dargetan und für das Gericht auch nicht ersichtlich.

Auch die Voraussetzungen von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen hinsichtlich der Kläger nicht vor.

Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen wer-den, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche, konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Die Not- und Gefahrenlage, der die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, ist nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG grundsätzlich bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, d.h. im Wege einer generellen politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörden und nicht durch Einzelfallentscheidungen des Bundesamts.

Fehlt es - wie hier - an einem solchen Abschiebestopp-Erlass oder einem sonstigen ver-gleichbar wirksamen Abschiebungshindernis, ist die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei verfassungskonformer Auslegung ausnahmsweise dann unbeachtlich, wenn dem Ausländer auf Grund der allgemeinen Verhältnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit extre-me Gefahren drohen. Diese Voraussetzungen hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung mit der Formulierung umschrieben, eine Abschiebung müsse ungeachtet der Erlasslage dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. z.B. BVerwG, B. v. 14.11.2007 - 10 B 47/07 - juris m.w.N.). Eine extreme Gefahrenlage in diesem Sinn ist indes grundsätzlich auch dann anzunehmen, wenn dem Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage in seiner Heimat landesweit der alsbaldige sichere Hungertod drohen würde. Von einer derartigen extremen Gefahrenlage bzw. von einem begründeten Ausnahmefall im gerade dargelegten Sinne ist vorliegend jedoch nicht auszugehen.

Eine extreme Gefahrenlage im Sinn von § 60 Abs. 7 AufenthG ist vorliegend auch nicht darin zu sehen, dass die Kläger mangels jeglicher Lebensgrundlage ihr Existenzminimum in ihrer Heimat nicht mehr sichern könnten.

Die Kläger sind gesund und arbeitsfähig, der Kläger zu 1) ist 33 Jahre und die Klägerin zu 2) 37 Jahre alt. Beide haben eine abgeschlossene Ausbildung, der Kläger zu 1) besitzt Abitur und hat 2 Jahre in einem Computerinstitut, das nach seinen Angaben eine Art Studium war, Programmierer gelernt. Die Klägerin zu 2) hat ebenfalls Abitur und einen Abschluss an der Universität in Kairo für Computertechnik. Sie hat danach drei Jahre in einer Bank in der Buchhaltung gearbeitet. Aufgrund ihrer generellen Arbeitsfähigkeit der Klägers kann bereits davon ausgegangen werden, dass es ihnen möglich ist, sich in ihrem Heimatland Ägypten notfalls auch mittels Gelegenheitsarbeiten ein Leben zumindest am Existenzminimum aufzubauen. Dies auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kläger drei Kinder und bald ein weiteres Kind zu ernähren haben. Denn die Kläger haben zu Hause auch noch Familienangehörige (der Kläger hat noch seine Eltern und zwei Schwestern, die in Kairo leben und mit denen er regelmäßig telefoniert; die Klägerin zu 2) hat noch ihre Mutter, einen Bruder mit seiner Großfamilie und eine andere Schwester, die allerdings in Libyen lebt. Auch sie telefoniere regelmäßig mit ihrer Mutter), die sie jedenfalls unterstützen können.

Zur allgemeinen Situation für Rückkehrer nach Ägypten wird zudem auf den aktuellen Lagebericht des Bundesamts unter IV. Rückkehrfragen, 1. Situation für Rückkehrer, 1.1. Grundversorgung (S. 18) verwiesen. Danach haben Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit be-schränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten zudem karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und wohltätige Stiftungen. Entscheidend ist zudem wie bereits oben angeführt, dass die Kläger zu Hause auf ein Familiennetzwerk zurückgreifen können und beide bevor sie von Kairo nach Libyen gegangen sind, Berufe ausgeübt haben, mit denen sie sich ihre Existenzgrundlage haben sichern können.

5. Die Abschiebungsandrohung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylG.

6. Ermessensfehler sind bei der für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AsylG vorzunehmenden Ermessensentscheidung der Beklagten, die die Frist auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung festgesetzt hat, nicht erkennbar.

Im Übrigen folgt das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen den Feststellungen und der Begründung der angefochtenen Bescheide vom 6.12.2016 und 22.11.2017 (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Nach allem waren die Klagen daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83 b AsylG; deshalb ist auch die Festsetzung eines Streitwerts nicht veranlasst.

Die Entscheidung im Kostenpunkt war gem. § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 23. Juli 2018 - RN 1 K 16.33338, RN 1 K 17.35569

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 23. Juli 2018 - RN 1 K 16.33338, RN 1 K 17.35569

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 23. Juli 2018 - RN 1 K 16.33338, RN 1 K 17.35569 zitiert 21 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3d Akteure, die Schutz bieten können


(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden 1. vom Staat oder2. von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,sofern sie willens und in d

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 25 Anhörung


(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über W

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 38 Ausreisefrist bei sonstiger Ablehnung und bei Rücknahme des Asylantrags


(1) In den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist 30 Tage. Im Falle der Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Ab

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 93


Das Gericht kann durch Beschluß mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenstand zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Es kann anordnen, daß mehrere in einem Verfahren erhobene Ansprüche in getrennt

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 11 Ausschluss des Widerspruchs


Gegen Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz findet kein Widerspruch statt.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 23. Juli 2018 - RN 1 K 16.33338, RN 1 K 17.35569 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 23. Juli 2018 - RN 1 K 16.33338, RN 1 K 17.35569 zitiert 10 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 28. Juni 2017 - B 4 K 17.30071

bei uns veröffentlicht am 28.06.2017

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der am ... 1996 geborene Kläg

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2017 - 15 ZB 17.31023

bei uns veröffentlicht am 06.11.2017

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gründe I. Der Kläger (ägyptischer Staatsangehöriger und koptischer Chri

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 20. März 2018 - Au 6 K 17.34310

bei uns veröffentlicht am 20.03.2018

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch di

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 13. Dez. 2017 - Au 7 K 17.30060

bei uns veröffentlicht am 13.12.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Die Kläger, die keine Ausweisdokumente vorlegten, wenden sich g

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 29. Nov. 2017 - B 3 K 17.32946

bei uns veröffentlicht am 29.11.2017

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Die Kläge

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 23. Nov. 2017 - Au 7 K 17.31300

bei uns veröffentlicht am 23.11.2017

Tenor I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der Kläger wendet sich gegen die A

Verwaltungsgericht Köln Urteil, 10. Nov. 2016 - 6 K 5496/15.A

bei uns veröffentlicht am 10.11.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1Tatbestand 2Der am 00. März 0000 in Samalout geborene Kläger ist ägyptischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit.

Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 26. Juli 2016 - 3 K 664/16.A

bei uns veröffentlicht am 26.07.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hi

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 14. Okt. 2015 - 7a K 1514/14.A

bei uns veröffentlicht am 14.10.2015

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. 1 Tatbestand: 2Der am °°. Oktober 1987 in Ägypten geborene Kläger mel

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 17. Juli 2014 - 11 A 1935/12.A

bei uns veröffentlicht am 17.07.2014

Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1G r ü n d e : 21. Der Antrag auf

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Das Gericht kann durch Beschluß mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenstand zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Es kann anordnen, daß mehrere in einem Verfahren erhobene Ansprüche in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Verfahren mit dem Ziel der Anerkennung als ausländischer Flüchtling, auf Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 oder ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt ist.

(2) Der Ausländer hat alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.

(3) Ein späteres Vorbringen des Ausländers kann unberücksichtigt bleiben, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Der Ausländer ist hierauf und auf § 36 Absatz 4 Satz 3 hinzuweisen.

(4) Bei einem Ausländer, der verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, soll die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Asylantragstellung erfolgen. Einer besonderen Ladung des Ausländers und seines Bevollmächtigten bedarf es nicht. Entsprechendes gilt, wenn dem Ausländer bei oder innerhalb einer Woche nach der Antragstellung der Termin für die Anhörung mitgeteilt wird. Kann die Anhörung nicht an demselben Tag stattfinden, sind der Ausländer und sein Bevollmächtigter von dem Anhörungstermin unverzüglich zu verständigen.

(5) Bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt. In diesem Falle ist dem Ausländer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben.

(6) Die Anhörung ist nicht öffentlich. An ihr können Personen, die sich als Vertreter des Bundes, eines Landes oder des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ausweisen, teilnehmen. Der Ausländer kann sich bei der Anhörung von einem Bevollmächtigten oder Beistand im Sinne des § 14 des Verwaltungsverfahrensgesetzes begleiten lassen. Das Bundesamt kann die Anhörung auch dann durchführen, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand trotz einer mit angemessener Frist erfolgten Ladung nicht an ihr teilnimmt. Satz 4 gilt nicht, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand seine Nichtteilnahme vor Beginn der Anhörung genügend entschuldigt. Anderen Personen kann der Leiter des Bundesamtes oder die von ihm beauftragte Person die Anwesenheit gestatten.

(7) Die Anhörung kann in geeigneten Fällen ausnahmsweise im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.

(8) Über die Anhörung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthält. Dem Ausländer ist eine Kopie der Niederschrift auszuhändigen oder mit der Entscheidung des Bundesamtes zuzustellen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Die Kläger, die keine Ausweisdokumente vorlegten, wenden sich gegen die Ablehnung ihres Asylbegehrens.

1. Der Kläger zu 1 (geb.: ... 1982) und seine Ehefrau, die Klägerin zu 2 (geb.: ... 1991) sind nach eigenen Angaben nigerianische Staatsangehörige, geboren in, Volkszugehörigkeit Edo, christlichen Glaubens. Sie sind die Eltern der Klägerin zu 3, die am ... 2014 in …Italien geboren ist.

Die Kläger zu 1 bis 3 reisten (nach eigenen Angaben) am 1. Oktober 2014 mit dem Zug aus Italien kommend illegal in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 23. Februar 2015 stellten die Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) Asylanträge.

An diesem Tag (23.2.2015) fand das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens statt, bei dem die Kläger zu 1 und 2 getrennt voneinander beim Bundesamt angehört wurden.

Dabei gab der Kläger zu 1 u.a. an, er habe die Klägerin zu 2 am 1. Mai 2014 in ... geheiratet. Sein Herkunftsland habe er im Januar 2005 verlassen. Seit dem Verlassen seines Herkunftslandes habe er sich in Niger (2 Monate), Libyen (4 Jahre) und Italien (5 Jahre) aufgehalten. Im März 2009 habe er in Italien einen Asylantrag gestellt.

Die Klägerin zu 2 gab u.a. an, sie habe ihr Herkunftsland am 5. Januar 2013 verlassen und sei nach Italien gereist. Dort habe sie sich 1 Jahr 10 Monate aufgehalten. Im Februar 2014 seien ihr in Italien die Fingerabdrücke abgenommen worden.

Im Aktenvermerk des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 wird festgestellt, dass kein Dublin-Verfahren durchzuführen sei. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens sei abgelaufen. Die Zuständigkeit sei auf Deutschland übergegangen.

Am 11. Oktober 2016 wurden die Kläger zu 1 und 2 getrennt voneinander beim Bundesamt persönlich angehört.

Der Kläger zu 1 führte im Wesentlichen aus, er habe in Nigeria eine ID-Card, einen Wählerausweis und eine Geburtsurkunde gehabt. Diese Dokumente habe er in Nigeria zurückgelassen. Er sei zwölf Jahre zur Schule gegangen und habe den Schulabschluss „West African Examination“ (WAE), der dem deutschen Abitur entspreche. Studiert habe er nicht. Er habe Maler und Friseur gelernt. Er habe als selbständiger Maler gearbeitet, davon aber nicht leben können. Seine Mutter habe ihn unterstützt.

Seine letzte offizielle Adresse, unter der er sich in Nigeria bis zur Ausreise aufgehalten habe, laute: „..." ... Sein Heimatland habe er im Januar 2002 verlassen. Vor der Einreise nach Deutschland habe er sich in Niger (2-3 Wochen), Libyen (ca. 5 Jahre) und in Italien (5 Jahre 6 Monate) aufgehalten. Sein Bruder habe ihn in Nigeria abgeholt und nach Libyen gebracht. In Italien habe er als Erntehelfer gearbeitet. Er habe drei Jahre lang jeweils eine Erlaubnis für jeweils sechs Monate erhalten, die immer wieder verlängert worden sei. Dann sei die Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verlängert worden, er habe allerdings eine Duldung gehabt. Der Vermieter habe seine Dokumente einbehalten und an die Polizei gegeben, weil er die Miete nicht mehr habe bezahlen können.

Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter lebe unter der angegebenen Adresse. In Nigeria lebten noch eine Schwester und zwei Brüder. Ein Bruder lebe in Deutschland. In ... lebten noch zwei Tanten und vier Onkel väterlicherseits und ein Onkel und eine Tante mütterlicherseits. Der Bruder, der ihn in Nigeria abgeholt habe, sei in Libyen verstorben.

Zu den Gründen seines Asylantrags trug der Kläger zu 1 im Wesentlichen vor, als er Friseur gelernt und als Maler gearbeitet habe, habe er Probleme mit den Angehörigen eines Kults gehabt. Er sollte ihrem Kult beitreten. Vermutlich hätten sie gedacht, er könne ihnen Geld geben und den Mitgliedsbeitrag zahlen, weil er ein Einkommen gehabt habe. Er habe es abgelehnt, dem Kult beizutreten. Diese Leute hätten ihn aber jeden Tag bedrängt und ihn auf der Straße verfolgt. Das sei so drei Wochen gegangen und dann habe es Streit gegeben. Sein Bruder sei eingeschritten und es sei in einen Kampf ausgeartet. Sein Bruder sei verletzt worden. Dann seien diese Leute auch zu ihnen nach Hause gekommen und hätten auch seine ganze Familie verprügelt, auch seine Mutter. Seine Mutter sei zur Kriminalpolizei gegangen (CID – Criminal Investigation Department) und habe Anzeige erstattet. Diese Leute seien eingesperrt, aber zwei Tage später wieder entlassen worden. Er habe sich dann nicht mehr getraut, in den Friseursalon zu gehen. Seine Brüder hätten gesagt, der Kampf sei nicht zu gewinnen und er solle, wenn er dem Kult nicht beitreten wolle, lieber das Land verlassen. Seine Mutter habe seinen Bruder in Libyen angerufen, dieser sei gekommen und habe ihn nach Libyen mitgenommen.

Auf Nachfragen gab der Kläger zu 1 an, dass der Kult „Aiye“ heiße. Als Mitglied des Kults hätte er erpressen, rauben, vergewaltigen und mit den Mitgliedern anderer Kulte kämpfen müssen. Da er außerhalb von ... niemanden gekannt habe, sei er zu seinem Bruder nach Libyen gegangen. Er würde sich eher umbringen, als nach Nigeria zurückzukehren. Er könne seine Frau und seine Kinder nicht nach Nigeria bringen. Diese Gruppe würde ihn umbringen. Auch in ... hätten solche Kultanhänger einen Mord begangen.

Er habe seine Frau traditionell geheiratet. Seine Familie und die Familie seiner Frau hätten in Nigeria vereinbart, dass sie als verheiratet gelten sollen.

Er mache seine Asylgründe auch für die Klägerin zu 3 und seinen Sohn ... (geb.: ... 2015 in Deutschland) geltend.

Die Klägerin zu 2 führte aus, sie habe Nigeria im Januar 2013 verlassen. Ihre letzte offizielle Adresse, unter der sie sich in Nigeria bis zur Ausreise aufgehalten habe, laute: ... Sie sei mit dem Bus über Benin und Togo nach Ghana gefahren und sei dort ca. zwei Monate lang geblieben. Von Ghana aus sei sie nach Italien geflogen und habe dort knapp ein Jahr gelebt. Von Italien seien sie mit dem Zug über Österreich nach Deutschland gefahren.

Ihre Mutter sei verstorben. Ihr Vater ... lebe in der Stadt ... In Nigeria habe sie noch zwei Brüder und eine Schwester. Sie wisse aber nicht genau, wo diese leben. Im Dorf ..., habe sie noch eine Tante und zwei Onkel. Sie habe sechs Jahre die Grundschule und vier Jahre die Oberschule besucht. Sie habe sich selbst schneidern beigebracht, aber damit kein Geld verdient. Sie habe als Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet.

Zu den Gründen ihres Asylantrags trug die Klägerin zu 2 im Wesentlichen vor, sie habe bei ihrer Großmutter gewohnt. Diese sei krank geworden. Eine Frau, Freundin der Schwester ihrer Großmutter, habe gesagt, sie habe eine Freundin in Europa, die eine Verkäuferin für ihren Laden suche und das wäre doch etwas für sie. Sie habe das Angebot angenommen. Die Frau habe die Reise, Pass, Visum, Flugticket organisiert. Die Frau habe sie in Italien abgeholt. Dann sei sie mit der Wahrheit herausgerückt, dass sie, die Klägerin zu 2, als Prostituierte arbeiten solle. Sie habe die Kosten der Reise abarbeiten sollen. Als sie sich geweigert habe, sei sie von dem Freund der Frau geschlagen worden. Sie sei jeden Tag geschlagen worden. Sie habe es nicht mehr ausgehalten und sei davon gelaufen. Sie habe sich bei einer Freundin versteckt. In deren Haus habe sie ihren Mann kennengelernt. Die Frau habe sie in Italien weiter verfolgt und habe sie zwingen wollen, weiter für sie zu arbeiten. Sie habe auch verhindert, dass ihr Mann und sie sich ein Zimmer mieten konnten, da sie gegenüber dem Vermieter schlecht über sie geredet habe. Sie müsse sich in Nigeria vor dieser Frau fürchten. Diese würde sie in Nigeria finden und Geld von ihr verlangen. Die Frau habe Haare, Schamhaare, Fingernägel und ihre Unterhose. Sie habe Angst, dass diese Frau Juju gegen sie betreibe. Die Frau habe auch von ihrer Freundin verlangt, dass sie die Klägerin überreden solle, zurückzukommen. In Nigeria habe sie niemanden mehr. Ihr Vater sei mit einer Frau verheiratet, die sie nicht möge.

Auf die Frage nach ihrer Eheschließung trug die Klägern zu 2 vor, sie hätten traditionell geheiratet. Die Mutter ihres Ehemannes habe ihren Vater besucht und die Mitgift bezahlt. Standesamtlich geheiratet hätten sie nicht.

2. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger zu 1 bis 3 auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Nr. 1), ebenso die Asylanträge (Nr. 2) und die Anträge auf subsidiären Schutz (Nr. 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Weiter wurde den Klägern zu 1 bis 3 die Abschiebung nach Nigeria angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Der Bescheid wurde den Klägern zu 1 und 2 laut Postzustellungsurkunde am 31. Dezember 2016 zugestellt.

3. Am 5. Januar 2017 ließen die Kläger durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben und beantragen,

1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. Dezember 2016 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, für die Kläger das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft, weiter hilfsweise das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes sowie schließlich wiederum hilfsweise den Klägern einen subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Rückführung der jungen Familie mit dann zwei kleinen Kindern in die desolaten Verhältnisse ihres Herkunftslandes Nigeria unzumutbar sei, so dass wenigstens der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen sein werde. Zudem würden die Kläger zu 1 und 2 bei einer Rückkehr in das Herkunftsland den barbarischen Ritus der zwangsweisen Beschneidung der Klägerin zu 3 befürchten. Aufgrund der kulturellen und familiären Verhältnisse könnten die Kläger zu 1 und 2 ihrer Tochter, der Klägerin zu 3, faktisch keinen Schutz hiervor gewähren.

Für die Beklagte legte das Bundesamt mit Schreiben vom 10. Januar 2017 die Behördenakte vor; eine Antragstellung unterblieb.

Mit Beschluss vom 10. November 2017 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylG).

Mit Schriftsatz vom 27. November 2017 legte der Klägerbevollmächtigte das ärztliche Attest des Kinder- und Jugendarztes Dr.med. ..., vor, wonach bei der Klägerin zu 3 im April 2016 durch einen ambulanten operativen Eingriff ein Weichteiltumor entfernt worden sei. Histologisch habe sich ein gutartiges Hämangiom gezeigt. Die Wundheilung sei regelrecht und das weitere Jahr beschwerdefrei gewesen. Am 13. Oktober 2017 sei wegen einer erneuten Schwellung im Nacken eine Operation ambulant durchgeführt worden. Auch diesmal sei von Seiten der Pathologie im histologischen Präparat die Diagnose eines nicht malignen, kavernösen Hämangioms gestellt worden. Die Wundheilung sei im Verlauf regelrecht, ein Rezidiv sei bislang nicht festgestellt worden, Weitere Kontrollen seien laut den Berichten der Kinderchirurgie nicht vorgesehen.

4. Am 13. Dezember 2017 wurde die Verwaltungsstreitsache, zusammen mit dem Verfahren des am ... 2015 in Deutschland geborenen Sohnes der Kläger zu 1 und 2, ... (Az.: Au 7 K 17.30061), mündlich verhandelt. Ein Vertreter der Beklagten ist nicht erschienen. Die Kläger zu 1 und 2 wurden informatorisch angehört. Der Bevollmächtigte der Kläger zu 1 bis 3 beantragte,

Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Dezember 2016 verpflichtet, den Klägern zu 1 bis 3 die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihnen den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

5. Hinsichtlich des am ... 2015 in Deutschland geborenen Sohnes der Kläger zu 1 und 2,, stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 3. Januar 2017 das Asylverfahren ein (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2) und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).

Gegen diesen Bescheid ließen die Eltern am 5. Januar 2017 Klage erheben, die bei Gericht unter dem Aktenzeichen Au 7 K 17.30061 geführt wird. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde im Hinblick auf die Nr. 3 des Bescheids vom 3. Januar 2017(Abschiebungsandrohung) stattgegeben, im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil vom 13. Dezember 2017 (Az.: Au 7 K 17.30061) aufgrund der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2017 wurde die Nr. 3 des Bescheids vom 3. Januar 2017 aufgehoben, im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

6. Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und auf die Behördenakten, auch im Verfahren des Kindes ... (Az.: Au 7 K 17.30061), sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten mit der Ladung hierauf hingewiesen wurden (§ 102 Abs. 2 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO).

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Bescheid des Bundesamts vom 23. Dezember 2016 ist, soweit er mit Ausnahme der Nr. 2 angefochten wurde, im gemäß § 77 Abs. 1, Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig. Die Kläger zu 1 bis 3 haben keinen Anspruch auf Zuerkennung internationalen Schutzes oder auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote im Hinblick auf Nigeria und werden durch den Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz (§ 3 ff AsylG) kommt nicht in Betracht.

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Es ist Sache des Ausländers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU). Der Ausländer hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört u.a., dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Schutzsuchende sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen muss. Es obliegt dabei dem Schutz vor Verfolgung Suchenden, die Voraussetzungen hierfür glaubhaft zu machen. Er muss nachvollziehbar machen, wieso und weshalb gerade er eine Verfolgung befürchtet. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es regelmäßig, wenn er im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen oder er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgebend bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Asylverfahren einführt. In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (vgl. BayVGH, U.v. 26.1.2012 – 20 B 11.30468 m.w.N.).

a) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger zu 1 keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

aa) Der Kläger zu 1 ist bereits deswegen kein Flüchtling, weil er sein Heimatland Nigeria nicht aus Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verlassen hat, und er eine Verfolgung aus solchen Gründen auch im Falle der Rückkehr nicht zu befürchten hat. Denn die Behauptung des Klägers, ein krimineller Geheimbund (Kult) namens Aiye habe ihn zur Mitgliedschaft bzw. zu dessen Unterstützung zwingen wollen und im Falle der Rückkehr befürchte er, von diesem Geheimbund weiterhin verfolgt zu werden, lässt einen der Verfolgungsgründe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3 b AsylG nicht erkennen.

bb) Zudem kann dem Kläger seine Verfolgungsgeschichte, nämlich dass er in Nigeria von den Anhängern des Aiye-Kults zur Mitgliedschaft gezwungen werden sollte, auch nicht geglaubt werden.

Beim Bundesamt gab der Kläger an, er sei drei Wochen lang von Mitgliedern des Kults bedrängt und auf der Straße verfolgt worden. Sein Bruder sei eingeschritten, es sei in einen Kampf ausgeartet und sein Bruder sei verletzt worden. Dann seien diese Leute zu ihnen nach Hause gekommen und hätten seine ganze Familie, einschließlich seiner Mutter, verprügelt. Diese habe Anzeige bei der Kriminalpolizei erstattet und diese Leute seien eingesperrt, nach zwei Tagen aber wieder entlassen worden. Er habe sich dann nicht mehr getraut, in den Friseursalon zu gehen (s. Anhörungsprotokoll S. 3/4, Bl. 61/62 der Bundesamtsakte).

In der mündlichen Verhandlung erwähnte der Kläger den (angeblichen) Vorfall, dass sein Bruder eingeschritten und im Rahmen eines Kampfes verletzt worden sei, überhaupt nicht mehr. Vielmehr gab er nun an, er selbst sei wegen seiner Weigerung, dem Kult beizutreten, zusammengeschlagen worden; dies sei ca. Anfang Januar 2002 in dem Friseursalon, in dem er gearbeitet habe, passiert. Dann seien die Leute von dem Kult zu ihnen nach Hause gekommen und hätten sie alle verprügelt (s. Sitzungsniederschrift S. 5).

Diese unterschiedliche Darstellung von den Ereignissen, die sich im Rahmen der (angeblichen) Anwerbungsversuche des Kults zugetragen haben sollen, zeigen zur Überzeugung des Gerichts, dass der Kläger keine wahren Begebenheiten geschildert hat. Denn wäre die Verfolgungsgeschichte wahr, dann hätte er so einschneidende Vorfälle – Gewaltanwendung gegenüber seinem Bruder, der sich für ihn eingesetzt hat, einerseits und/oder Gewaltanwendung gegenüber ihm selbst an seiner Arbeitsstätte andererseits – widerspruchsfrei bzw. vollständig und schlüssig schildern können, zumal die Zeitspanne zwischen den Anwerbungsversuchen des Kults und seiner Ausreise aus Nigeria nicht lang gewesen sein soll, wie er sowohl beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung behauptet hat.

cc) Aber selbst wenn der Kläger zu 1 tatsächlich im Zeitraum von ca. Oktober 2001 bis zu seiner Ausreise Ende Januar 2002 (s. Sitzungsniederschrift S. 4) von Anwerbungsversuchen eines Geheimbunds namens Aiye betroffen gewesen wäre, dann besteht jedenfalls derzeit kein Anhaltspunkt dafür, dass er im Falle der Rückkehr, also nach fast 16 Jahren, immer noch eine (asyl-) relevante Verfolgung seitens des Geheimbunds zu erwarten hätte. Nach den eigenen Angaben des Klägers ist er „nur“ über einen Zeitraum von ca. drei bis vier Monaten Anwerbungsversuchen ausgesetzt gewesen, aber niemals Mitglied dieses Geheimbunds geworden und hat damit keinerlei Kenntnisse z.B. über von diesem konkret begangene Straftaten oder Rituale oder sonstige Geheimnisse erlangt. Nach den Schilderungen des Klägers haben nach seiner Ausreise aus Nigeria auch keinerlei Racheaktionen oder andere (kriminelle) Maßnahmen des Geheimbunds gegenüber seiner Familie stattgefunden; derartiges hat er jedenfalls mit keinem Wort erwähnt. Dies spricht dafür, dass mit der Ausreise des Klägers auch jegliches Interesse des Geheimbunds an seiner Person geendet hat (sollte solches überhaupt jemals bestanden haben). Damit ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger zu 1, wenn er nach ca. 16-jähriger Abwesenheit nach Nigeria zurückkehrt, Verfolgungsmaßnahmen seitens des Geheimbundes zu erwarten hätte.

dd) Zudem ist der Kläger zu 1 auf eine inländische Fluchtalternative zu verweisen. Gemäß § 3e AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Selbst wenn das Vorbringen des Klägers zu 1, er hätte Ende 2001/Anfang 2002 Mitglied eines (kriminellen) Geheimbunds werden sollen, als wahr unterstellt werden würde, kann in seinem Falle nicht von landesweiter Verfolgung ausgegangen werden, gegen die interner Schutz in diesem Sinne nicht erlangt werden kann. Es kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Geheimbund dem Kläger zu 1 (sowie seiner Frau und seinen Kindern) landesweit nachstellen würde (siehe unter cc)). Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass Mitglieder des Kults den Kläger zu 1, wenn dieser (mit seiner Familie) nach 16-jähriger Abwesenheit nach Nigeria zurückkehrt, ausfindig machen können. In einem Land mit einer Bevölkerung von ca. 180 Millionen bzw. einer Millionenstadt wie Lagos (Bevölkerung 18 Mio.; zu beiden Zahlen vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/ DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Nigeria.html?nnm=383178) ohne funktionierendes Meldesystem lässt sich in keiner Weise nachvollziehen, wie dem Geheimbund, selbst wenn er ein überregionales Netzwerk haben sollte, das gelingen sollte. Damit sprechen stichhaltige Gründe gegen eine Verfolgung bei Rückkehr des Klägers zu 1, der nunmehr seit ca. 16 Jahren nicht mehr in Nigeria lebt. Auch ist der Kläger zu 1 (wie seine Frau und die Kinder) Christ, so dass ihm auch aus diesem Grund zuzumuten ist, sich anderweit im überwiegend christlichen Süden bzw. Südwesten des Landes niederzulassen, wenn ihm eine Rückkehr nach ... zu gefährlich erscheinen sollte. Da in Nigeria Freizügigkeit herrscht, kann der Kläger sich in anderen Landesteilen ansiedeln.

b) Auch die Klägerin zu 2 hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Der Klägerin zu 2 droht im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria keine politische Verfolgung. Ihr Vorbringen, sie sei nach Italien eingeschleust worden und habe in ... als Prostituierte arbeiten müssen, sei aber davon gelaufen und habe sich bei einer Freundin versteckt, wo sie den Kläger zu 1 kennengelernt habe, ist nicht glaubhaft, so dass auch ihre Behauptung, sie hätte bei einer Rückkehr nach Nigeria eine Verfolgung durch die Schleuser bzw. Zuhälter zu erwarten, nicht zutreffend bzw. nicht glaubhaft ist.

Dem Gericht ist bekannt, dass eine Vielzahl nigerianischer Frauen zum Zweck der Zwangsprostitution nach Europa verbracht wird (vgl. z.B. Informationszentrum Asyl und Migration, Nigeria, Dezember 2011, „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen aus Nigeria“). Die Klägerin zu 2 gehört jedoch offensichtlich nicht zu diesem Personenkreis. Ihre Behauptungen beim Bundesamt und insbesondere in der mündlichen Verhandlung, wie es ihr gelungen sei, ihrer Zuhälterin (diese werden in der Regel als „Madame“ bezeichnet) nach kurzer Zeit zu entkommen und aus der Zwangsprostitution auszusteigen, ohne ihre Schulden auch nur annähernd abgearbeitet zu haben, ist vollkommen realitätsfern und ersichtlich frei erfunden. Hierzu hat die Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, sie sei ungefähr am 13. Februar 2013 in Italien angekommen und habe in ... ca. drei Monate als Prostituierte arbeiten müssen. Eines Tages, als die Frau, die sie zur Prostitution gezwungen habe, nicht da gewesen sei, sei sie zu einer Freundin gelaufen. Diese Freundin habe ebenfalls in ... gewohnt und in einer Bar gearbeitet, die sie, die Klägerin zu 2, mit ihrer Zuhälterin gelegentlich besucht habe (siehe Sitzungsniederschrift S. 8/9).

Nach diesen Angaben wäre die Klägerin etwa im Mai/Juni 2013 zu der Freundin gezogen und hätte noch gut über ein Jahr (Ankunft in Deutschland: Oktober 2014) in ... gelebt, ohne dass man sie in dieser Zeit in die Zwangsprostitution zurückgezwungen hätte.

Nigerianerinnen, die nach Europa eingeschleust werden, um dort als Prostituierte zu arbeiten, werden üblicherweise Kosten zwischen 40.000 und 100.000 US-Dollar in Rechnung gestellt, die sie abarbeiten müssen (vgl. Informationszentrum Asyl und Migration, Nigeria, Dezember 2011, „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen aus Nigeria“,4.2, S. 8). Dass die Klägerin „Schulden“ in einer solchen Höhe nach nur drei Monaten Arbeit als Prostituierte nicht einmal annähernd abgearbeitet haben könnte, liegt auf der Hand. Hätte sie sich trotzdem nach so kurzer Zeit abgesetzt und nicht mehr als Prostituierte gearbeitet, wären mit Sicherheit erhebliche Anstrengungen seitens ihrer Zuhälter unternommen worden, um sie (notfalls auch mit Gewalt) zurückzuholen. In diesem Zusammenhang ist die Behauptung der Klägerin zu 2, sie habe sich nach ihrer „Flucht“ aus der Zwangsprostitution weiterhin in ... aufgehalten und zwar bei einer Frau, die aufgrund ihrer Arbeit in einer Bar auch der „Madame“ bekannt gewesen sein müsste, ersichtlich frei erfunden. Denn unter den geschilderten Umständen wäre ihr Aufenthaltsort mit Sicherheit, angesichts des von den Zuhältern in aller Regel unterhaltenen Netzwerks, sehr bald entdeckt worden und sie wäre zurückgeholt worden. Auch erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass eine Frau, die die Klägerin zu 2 nach eigenen Angaben nur recht kurz gekannt haben könnte und die aufgrund ihrer Arbeit in einer Bar, die von nigerianischen Zwangsprostituierten und ihren Zuhältern besucht wird, in diesem Umfeld bekannt gewesen wäre, der Klägerin zu 2 Unterschlupf geboten und sich damit selbst in Gefahr gebracht hätte.

Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin zu 2 zu den Gründen und Umständen ihres Aufenthalts in Italien die Unwahrheit gesagt hat. Damit ist auch kein Grund ersichtlich, dass bzw. warum der Klägerin zu 2 im Falle der Rückkehr nach Nigeria Verfolgung drohen könnte.

c) Auch die (am ... 2014 in ... geborene) Klägerin zu 3, für die die Gefahr der Genitalverstümmelung geltend gemacht wird, hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Grundsätzlich ist zwar eine im Heimatland (hier: Nigeria) drohende Genitalverstümmelung als politische Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG anzusehen. Zur Überzeugung des Gerichts kann hier aber von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit – eine „Vorverfolgung“ fand nicht statt, da die Klägerin zu 3 in Italien geboren wurde – eintretenden Gefahr der Genitalverstümmelung für die Klägerin zu 3 nicht ausgegangen werden.

Grundsätzlich geht das Gericht nach den vorliegenden Erkenntnissen davon aus, dass die weibliche Genitalverstümmelung in allen bekannten Formen nach wie vor in Nigeria verbreitet ist. Schätzungen zur Verbreitung der weiblichen Genitalverstümmelung gehen jedoch weit auseinander und reichen von 19% bis zu 50% oder 60% (vgl. dazu etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – vom 21. November 2016, Stand September 2016, Nr. II.1.8).

Es wird zwar teilweise von einem Rückgang der Beschneidungspraxis bzw. einem Bewusstseinswandel ausgegangen, dennoch ist die Beschneidungspraxis noch in den Traditionen der nigerianischen Gesellschaft verwurzelt. Nach traditioneller Überzeugung dient die weibliche Genitalverstümmelung der Sicherung der Fruchtbarkeit, der Kontrolle der weiblichen Sexualität, der Verhinderung von Promiskuität und der Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft der Frauen durch eine Heirat. Angesichts des Umstandes, dass teilweise nur eine beschnittene Frau als heiratsfähig angesehen wird, kann der Druck auf die Betroffenen als auch auf deren Eltern zur Durchführung einer Beschneidung erheblich sein. Zur Erreichung der „Heiratsfähigkeit“ sind häufig gerade weibliche Familienmitglieder bemüht, die Beschneidung durchführen zu lassen und mitunter erfolgt dies auch gegen den Willen der Eltern. Übereinstimmend wird davon ausgegangen, dass die weibliche Genitalverstümmelung besonders in ländlichen Gebieten und hierbei insbesondere im Süden bzw. Südwesten und im Norden des Landes verbreitet ist. Das Beschneidungsalter variiert von kurz nach der Geburt bis zum Erwachsenenalter und ist abhängig von der jeweiligen Ethnie. Einige Bundesstaaten, darunter auch ... – Herkunftsgebiet der Kläger zu 1 und 2 –, haben Gesetze gegen die Genitalverstümmelung erlassen; allerdings sind Verfahren bislang nicht bekannt geworden; ein effektiver Schutz von Frauen und Mädchen durch diese Gesetze müsse bezweifelt werden, jedoch werde von einem Rückgang der Eingriffe berichtet (vgl. Auswärtiges Amt – Lagebericht – a.a.O.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 18.7.2008 und vom 21.8.2008; vgl. auch Lageberichte vom 28. August 2013, Nr. II.1.8; und vom 6. Mai 2012, Nr.II.1.8; zum Ganzen außerdem Institut für Afrikakunde, Auskunft an das VG Düsseldorf vom 28. März 2003; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010; ACCORD, Nigeria, Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, 21. Juni 2011, S. 6 ff; WHO, Eliminating female genital mutiliation – an interagency statement – 2008, http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/43839/ 1/9789241596442_eng.pdf; VG Aachen, U.v. 16.9.2014 – 2 K 2262/13.A – juris, m.w.N.).

Im Mai 2015 hat der damalige Präsident Jonathan ein Gesetz gegen Gewalt gegen Personen unterzeichnet, das weibliche Genitalverstümmelung sowie andere traditionelle Praktiken gegen Frauen (insbesondere Witwen) und Kinder verbietet (vgl. Auswärtiges Amt – Lagebericht – a.a.O.), so dass diese Praxis nunmehr offenbar landesweit unter Strafe gestellt wurde (vgl. http://www.huffingtonpost.de/serife-nur-turan/endlich-nigeria-verbietet-genitalverstuemmelung-an-frauen-und-mädchen_b_14247740.html).

Im konkreten Fall ist darauf hinzuweisen, dass weder der Kläger zu 1 noch die Klägerin zu 2 im Rahmen ihrer jeweiligen Anhörungen beim Bundesamt die Gefahr einer der Klägerin zu 3 in Nigeria drohenden Beschneidung geltend gemacht haben. Vielmehr wurde eine solche Gefahr für die Klägerin zu 3 erst nach dem Erlass des streitgegenständlichen Ablehnungsbescheides, nämlich erstmals in der Klageschrift vom 5. Januar 2017 behauptet. Dass eine Mutter oder ein Vater, sollten sie tatsächlich Sorge vor einer Beschneidung ihrer Tochter haben, eben jene drohende Beschneidung bei ihrer Anhörung zum Verfolgungsschicksal mit keinem Wort erwähnen, erscheint dem Gericht mehr als unwahrscheinlich. Die Behauptung der Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung, sie habe beim Bundesamt nicht so viel Zeit gehabt, um dies zu sagen, ist ersichtlich vorgeschoben. Vielmehr hat sie beim Bundesamt ausdrücklich erklärt, „Weitere Gründe, die außer meinen eigenen Gründen für die Kinder gelten, kann ich momentan nicht vorbringen“ (vgl. Anhörungsprotokoll S. 4, Bl. 68 der Bundesamtsakte).

Zudem liegt das Beschneidungsalter bei der Volksgruppe der Edo bzw. Bini, der die Kläger zu 1 und 2 nach eigenen Angaben angehören, nach den vorliegenden Auskünften in den ersten Lebenswochen zwischen dem 7. und 14. Tag nach der Geburt; bei Erwachsenen wird keine Beschneidung durchgeführt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010, S. 44). Die Klägerin zu 3 ist jedoch mittlerweile bereits über drei, fast vier Jahre alt, so dass deren Beschneidung entsprechend den Gepflogenheiten der Volksgruppe der Edo eher nicht mehr zu befürchten steht.

Das Bundesamt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010, S. 44) zitiert außerdem eine Auskunft des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2005, nach der zweifelhaft ist, ob FGM bei den Edo (Bini) überhaupt noch durchgeführt wird. Insoweit soll bei dieser Volksgruppe bereits seit vielen Jahren die Praxis der weiblichen Beschneidung übereinstimmend als überkommener Brauch zurückgewiesen werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7.7.2005, Az.: 508-516.80/43807). Dies steht in Übereinstimmung damit, dass auch die Klägerin zu 2 nach eigenen Angaben nicht beschnitten ist (vgl. Sitzungsprotokoll S. 10). Ihr Vortrag in der mündlichen Verhandlung, ihr Vater und ihre Mutter hätten gewollt, dass sie beschnitten werde, aber ihre Großmutter habe hierzu „nein“ gesagt, ist zum einen deswegen unglaubhaft, weil sie derartiges beim Bundesamt mit keinem Wort erwähnt hat. Zum anderen erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass die Eltern der Klägerin zu 2 sich für eine Beschneidung ausgesprochen hätten und gerade die Großmutter, die wohl noch mehr in den Traditionen verwurzelt sein dürfte als die Elterngeneration der Klägerin zu 2, sich dagegen gewandt haben soll. Dieser Vortrag der Klägerin zu 2 ist zur Überzeugung des Gerichts offensichtlich asyltaktisch motiviert und soll nur dazu dienen, eine asylrelevante Gefahr für die Klägerin zu 3 zu konstruieren, wenn schon die eigene Verfolgungsgeschichte bzw. diejenige des Klägers zu 1 nicht zum Erfolg im Asylverfahren geführt haben.

Dasselbe gilt für die Behauptungen des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung, seine Mutter werde in Nigeria auf einer Beschneidung der Klägerin zu 3 bestehen und er werde sich nicht gegen seine Mutter durchsetzen können (vgl. Sitzungsniederschrift S. 10/11). Dass die Mutter auf einer Beschneidung der im Falle der Rückkehr (fast) vierjährigen Klägerin zu 3 bestehen würde, steht zum einen im Widerspruch zu den Gepflogenheiten der Volksgruppe der Edo, wonach Beschneidungen üblicherweise in den ersten Lebenswochen zwischen dem 7. und 14. Tag nach der Geburt durchgeführt werden. Der Umstand, wonach gerade innerhalb dieser Volksgruppe bereits seit vielen Jahren die Praxis der weiblichen Beschneidung als überkommener Brauch zurückgewiesen wird, spricht zudem dagegen, dass sich der Kläger zu 1 nicht gegen seine Mutter durchsetzen und die Beschneidung verhindern könnte, zumal die FGM nicht nur in, sondern mittlerweile in ganz Nigeria gesetzlich verboten ist. Zudem lässt sich die Behauptung des Klägers zu 1, dass seine Mutter eine entschiedene Befürworterin der weiblichen Beschneidung sei, nicht mit dem Vortrag der Kläger zu 1 und 2 über deren traditionelle Heirat in Übereinstimmung bringen, nämlich dass die Mutter des Klägers zu 1 mit der Heirat einverstanden war, insoweit eine traditionelle Zeremonie in Nigeria stattgefunden hat und hierbei Geschenke von der Familie des Klägers zu 1 an die Familie der Klägerin zu 2 übergeben wurden. Würde die Mutter des Klägers zu 1 derartig strikt auf die Tradition der Beschneidung bestehen, wie von ihm behauptet, dann wäre ihr mit Sicherheit bekannt geworden bzw. hätte sie in Erfahrung gebracht, dass die Familie der Klägerin zu 2 bei ihren weiblichen Mitgliedern die Beschneidung nicht durchführen lässt bzw. dass die Klägerin zu 2 nicht beschnitten ist und dann hätte sie mit Sicherheit auch einer Eheschließung ihres Sohnes mit einer unbeschnittenen Frau, wie der Klägerin zu 2, nicht zugestimmt.

Nach allem ist die Behauptung des Klägers zu 1, er werde die Beschneidung der Klägerin zu 3 im Falle der Rückkehr nach Nigeria nicht verhindern können, nicht glaubhaft, sondern zur Überzeugung des Gerichts lediglich asyltaktisch motiviert. Ein unausweichlicher familiärer oder gesellschaftlicher Druck hinsichtlich der Durchführung einer Genitalverstümmelung kann, wie ausgeführt, weder seitens der Familie des Klägers zu 1, geschweige denn seitens der Familie der (unbeschnittenen) Klägerin zu 2 angenommen werden.

d) Die Kläger müssen bei einer Rückkehr in ihr Heimatland auch nicht deswegen Verfolgungshandlungen befürchten, weil sie im Bundesgebiet Asylanträge gestellt haben. Verhaftungen bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von aus Deutschland abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern sind nicht bekannt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – vom 21. November 2016 (Stand: September 2016) Nr. IV.2; vgl. auch die Lageberichte vom 3. Dezember 2015, vom 28. November 2014, 28. August 2013, vom 6. Mai 2012 und 7. März 2011, jeweils Nr. IV.2.).

2. Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG bleibt für die Kläger zu 1 bis 3 ebenfalls ohne Erfolg.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).

Gemessen an diesen Maßstäben haben die Kläger zu 1 bis 3 keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Die Schilderungen zur Gefahr sind unglaubhaft und unsubstantiiert wofür vollinhaltlich auf die zu § 3 AsylG erläuterten Gründe (siehe unter 1., a) bis c)) verwiesen wird.

Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern zu 1 bis 3 in Nigeria die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe drohen könnte (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), sind nicht ersichtlich.

Schließlich besteht in Nigeria auch kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

Das Gericht nimmt im Übrigen Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheids unter Nr. 3., folgt ihr und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

3. Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation in Nigeria und der individuellen Umstände der Kläger nicht vor.

Im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK reicht der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (BVerwG, B.v. 25.10.2012 – 10 B 16/12 – juris Rn. 8, 9; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 23 ff.). Unabhängig davon, in welchen Fällen existenzbedrohende Armut im Sinne von Art. 3 EMRK relevant sein kann, liegen Anhaltspunkte hierfür nicht vor. Die Kläger zu 1) und 2 sind jung, arbeitsfähig und verfügen in Nigeria jeweils über ein familiäres Netzwerk. Anhaltspunkte, dass sie nach ihrer Rückkehr nicht in der Lage sind, das Existenzminimum für sich und ihre beiden Kinder zu sichern, z.B. durch eine Wiederaufnahme ihrer früheren Tätigkeiten als Friseur und/oder Maler (Kläger zu 1) bzw. Schneiderin oder Verkäuferin (Klägerin zu 2) bestehen nicht. Zudem verfügen die Kläger zu 1 und 2 nach eigenen Angaben in Nigeria über ein familiäres Netzwerk (Großfamilie).

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Bei den in Nigeria vorherrschenden harten Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt wird. Eine extreme Gefährdungslage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausnahmsweise nicht greift (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris LS 3 und Rn. 14; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 38), liegt nicht vor.

Gesundheitsbedingte Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurden hinsichtlich der Kläger zu 1 und 2 nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Das hinsichtlich der Klägerin zu 3 mit Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 27. November 2017 vorgelegte ärztliche Attest des Kinder- und Jugendarztes Dr.med. ... (Bl. 41/42 der Gerichtsakte) kann ein von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasstes gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot nicht belegen.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der Fassung des am 17. März 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.

Im o.g. ärztlichen Attest wird ausgeführt, dass bei der Klägerin zu 3 durch die ambulanten operativen Eingriffe im April 2016 und am 13. Oktober 2017 jeweils eine Entfernung einer Schwellung im Nackenbereich stattgefunden hat, wobei es sich bei den Schwellungen jeweils um gutartige bzw. nicht maligne kavernöse Hämangiome handelte. Damit liegt bei der Klägerin zu 3 ersichtlich keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung gem. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vor, zumal ausweislich des ärztlichen Attests die Behandlung abgeschlossen ist („Weitere Kontrollen sind laut den Berichten der Kinderchirurgie nicht vorgesehen“).

Das Gericht nimmt im Übrigen Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheids unter Nr. 4., folgt ihr und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

4. Das von der Beklagten verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG sowie die Abschiebungsandrohung begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Qualifizierte Einwände hiergegen haben die Kläger auch nicht erhoben.

Damit war die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.

5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Flüchtlings-, hilfsweise subsidiären Schutz und Abschiebungsschutz bezüglich Ägyptens.

Der ausweislich seines am 15. Juli 2013 ausgestellten und bis zum 14. Juli 2020 gültigen Reisepasses am 21. Dezember 1997 geborene, nunmehr volljährige Kläger verließ nach eigenen Angaben am 15. September 2013 Ägypten, reiste über Georgien mit einem auf dem Weg nach Korea befindlichen Flugzeug, das in Deutschland einen Zwischenstopp eingelegt habe, zwei Wochen nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte durch seinen Amtsvormund seine Anerkennung als Asylberechtigter.

In seiner auf Arabisch geführten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 16. November 2016 gab der Kläger im Wesentlichen an, er sei Epileptiker. Er stamme aus * in der Provinz * und sei koptischer Christ, wozu er Bestätigungen vorlegte (BAMF-Akte Bl. 55 ff.). Die Reise habe großteils sein Vater mit dem Erlös aus einem Hausverkauf bezahlt, den Rest seine Kirchengemeinde; die Reise habe bis Georgien ungefähr 8.000 Pfund und dann bis Deutschland weitere 2.500 Euro gekostet (ebenda Bl. 57). Seine Familie lebe noch im Dorf in einer Mietwohnung, auch habe er einen älteren Bruder, zwei Schwestern sowie Onkel und Tanten dort (ebenda Bl. 57). Er habe bis zur neunten Klasse eine Schule besucht, dann sei er geflohen; in Deutschland befinde er sich im zweiten Lehrjahr als Fachkraft im Gastgewerbe (ebenda Bl. 57). Er habe Ägypten verlassen, weil er von Moslems verfolgt wurde. Zusammen mit seinem Vater habe er in einer Kirche gearbeitet. Die Kirche heiße * und liege in seinem Dorf. In seinem Dorf habe es zwei mächtige islamische Familien, Scheich * und Scheich * gegeben. In der Schule seien sie stark diskriminiert worden von den Moslems, da sie insgesamt nur 15% ausmachten, sie seien auch oft geschlagen worden, deswegen sei er öfter mal von der Schule weg geblieben. Sein Vater arbeitete für die Kirche als Maurer und der Kläger habe ihn dann bei seiner Arbeit unterstützt. Die Kirche sei noch nicht ganz fertiggestellt gewesen (ebenda Bl. 57 f.).

Auf Nachfrage nach konkreten Vorkommnissen erklärte er, Ende Februar oder Anfang März 2012 sei er mit seinem Vater zusammen auf dem Weg von der Kirche zum Mittagessen nach Hause gewesen, als sie von einer Horde von Männern verfolgt worden seien, die sie bedrängten und übelst beschimpften, ein Holzlager neben ihrem Haus anzündeten und wild auf ihrer Eingangstür herumhieben und forderten, dass sie rauskommen sollten. Um sie zu schützen sei sein Vater alleine vor die Tür gegangen; die mit Messern bewaffneten Männer hätten den Vater schwer verletzt und auch den Kläger, der ihm zu Hilfe eilte, mit einer Fahrradkette am Kopf verletzt. Sie hätten beide ins Krankenhaus gemusst und danach bei der der Polizei Anzeige erstattet. Einige von diesen Männern hätten dann seinen Vater bedroht, weil er diese Anzeige erstattet hatte. Etwa zwei Wochen nach dem Vorfall sei sein Vater noch mal zur Polizei, diese habe Zeugen verlangt, die er benannt habe, aber bestraft worden sei niemand. Das sei unter allen Übergriffen der Schlimmste gewesen, danach habe es jedoch noch unzählige Gelegenheiten gegeben, bei welchen er wegen seiner Zugehörigkeit zum Christentum Gewalt ausgesetzt gewesen sei (ebenda Bl. 58).

Ca. 2-3 Monate, bevor er tatsächlich das Land verlassen habe, sei ein Mann aus dem Dorf auf seinen Vater zugekommen, habe von einer Morddrohung der Familie des Scheich * gegen den Kläger berichtet, da dieser einen Sohn dieser Familie verletzt habe, und geraten, den Kläger wegzubringen. Sein Vater habe den Kläger sofort in die Hauptstadt zu einem Freund geschickt, wo der Kläger gelebt und Arbeit gesucht habe, bis er jemanden aus der Familie des Scheichs * auf der Straße wiedererkannt und erfahren habe, dass dieser dort sei, ihn zu suchen; er habe auch nach ihm gefragt (ebenda Bl. 58). Sein Vater habe den Kläger zurückbeordert, wo der Kläger allerdings nicht zu Hause habe wohnen können, sondern sich im Haus seines Großvaters verstecken musste. Nach ungefähr zwei Monaten habe er sein Dorf wieder in Richtung * verlassen, sich einem Schleuser und einer Gruppe von Flüchtlingen angeschlossen, um über * nach Italien zu gelangen, allerdings habe ihn die Polizei aufgegriffen und inhaftiert, bis er von seinem Vater durch Strafzahlung ausgelöst worden sei (ebenda Bl. 58).

Sie seien dann wieder ins Dorf zurückgefahren. Sein Vater habe dann das Haus verkauft, in das sie alle einziehen wollten, um eine ohnehin geplante Operation wegen seiner Verletzung zu bezahlen. In jener Zeit habe der Kläger die ersten epileptischen Anfälle bekommen. 3 bis 4 Monate habe er sich im Dorf aufgehalten, dort bei Verwandten, Bekannten oder in Mietwohnungen versteckt. Er sei nur ganz kurz ein paar Mal bei seinen Eltern gewesen, zum Beispiel, wenn er Geld gebraucht habe, und sei oft im Krankenhaus gewesen. Diese Leute hätten ihn oft ins Krankenhaus gebracht, weil er Anfälle bekommen hätte. Sein Vater habe dem Kläger die Flucht organisiert (ebenda Bl. 58 f.). Auf Nachfrage führte er aus, er sei mit dem Taxi nach * gelangt (ebenda Bl. 59).

Auf weitere Nachfrage führte er aus, die beiden Familien, also Scheich * und Scheich, seien sehr reich, kannten wichtige Leute aus der Politik und seien radikale Islamisten, Mitglieder der Muslimbrüderschaft. Er habe den Sohn der Familie des Scheichs * verletzt, weil Mitglieder der islamischen Familien, darunter auch die der Familien der Scheichs * und, sie nach dem Vorfall mit der Feuerlegung auf der Straße ständig verhöhnt und seinen Vater beleidigt hätten, weil dieser nach dem Vorfall damals trotz zweier Operationen nicht mehr richtig laufen könne (ebenda Bl. 59).

Irgendwann einmal, als ein Sohn des Scheichs * wieder hinter ihm hergelaufen sei und ihn verhöhnt habe, habe sich der Kläger umgedreht und gesagt, er solle seinen Mund halten, also etwas gröber, als in der Form. Jedenfalls sei dieser auf den Kläger zugekommen und der habe dem Sohn mit seinen Fingernägeln sein Gesicht verkratzt. Deswegen sei die Morddrohung ausgesprochen worden. Das sei ungefähr einen Monat nach dem Vorfall mit dem Feuer gewesen. Die Morddrohung sei nicht lange gekommen, nachdem er den Sohn verletzt habe (ebenda Bl. 59).

Auf Vorhalt, dass nach den bisher angegeben Zeiten 12 Monate zwischen dem Tag der Verletzung des Sohnes und dem Tag der Überbringung der Todesdrohung lägen, korrigierte der Kläger seine Aussage von vorhin. Es könne nicht sein, dass der Mann aus dem Dorf 2-3 Monate vor seiner Flucht aus Ägypten zu seinem Vater gekommen sei, das müsse im Jahr 2012 gewesen sein. Er verwies auf Kopien des Protokolls der Anzeigeerstattung seines Vaters bei der Polizei wegen des zuerst geschilderten Vorfalles mit Datum 11. März 2012 als Tag der Anzeigeerstattung (ebenda Bl. 59).

Die Begleitperson des Antragstellers entnahm mitgebrachten Notizen, dass er zuvor den Zeitpunkt der Warnung auf Mai 2013 datiert habe.

Auf Vorhalt, dass sich die Familie erst so spät zur Rache entschlossen habe, berichtigt der Kläger, das sei kurze Zeit später gewesen; er habe sich insgesamt, alles zusammengenommen ein ganzes Jahr in Ägypten versteckt gehalten (ebenda Bl. 60). Auf Nachfrage, ob auch anderen Familienmitgliedern seiner Familie Rache geschworen worden sei, ergänzte der Kläger, seinem Bruder sei der Arm gebrochen worden von einem Familienmitglied des Scheich *. Seinem Vater hätten sie danach gesagt, sie würden seinen Bruder töten, wenn er ihnen den Kläger nicht ausliefere; er habe dann geantwortet, er wisse nicht, wo der Kläger sei, er sei wahrscheinlich tot. Das sei gewesen, als der Kläger schon in Deutschland gewesen sei, wohl vor zwei Jahren etwa. Einziger Anlass für die Todesdrohung sei das zerkratzte Gesicht des Sohnes der Familie * (ebenda Bl. 60).

Für den Fall der Rückkehr nach Ägypten befürchte der Kläger, ins Gefängnis zu müssen, weil er illegal ausgereist sei, danach müsste er zum Militär für 3 Jahre und würde massiv schikaniert, wenn man erfahre, dass er illegal ausgereist sei und schon einmal bei einer illegalen Ausreise erwischt worden sei sowie sein Land schlecht gemacht habe (ebenda Bl. 60), Auch benötige er teure Medikamente, die man in Ägypten nur bekomme, wenn man sie selbst bezahle, er aber würde keine Arbeit bekommen nach dem Gefängnis und sein Vater könne seit dem Vorfall damals nicht mehr laufen, also auch nicht arbeiten. Keiner könnte die Medikamente bezahlen und er würde wieder zahlreiche epileptische Anfälle erleiden (ebenda Bl. 60). Der Arzt habe ihm abgeraten, die Medikamente abzusetzen (ebenda Bl. 60).

In den Behörden- und Gerichtsakten sind folgende Atteste und Diagnosen enthalten:

– (Dr., Kinderklinik der, Entlassungsbericht vom 14.11.2013, BAMF-Akte Bl. 47) Diagnose: Verdacht auf Epilepsie, Vormedikation mit Phenytoin, dreitägige stationäre Behandlung nach Anfall und Einlieferung in Klinik. Therapie: Absenkung der Medikation mit Phenytoin, weitere Untersuchungsempfehlung.

– (Prof. Dr., Epilepsiezentrum der, Entlassungsbericht vom 28.1.2014, BAMF-Akte Bl. 43) Diagnose: Verdacht auf fokale Epilepsie, bisher zwei Anfälle, Vorgeschichte im Heimatland unklar, Vormedikation in Ägypten mit Phenytoin, telefonischer Kontakt zur Familie in Ägypten, stationäre Aufnahme nach generalisiertem tonischem Anfall. Therapie: Levetiracetam, bei Bedarf Notfallmedikation Buccolam in Wangentasche.

– (Dr., Augenarzt, Attest vom 3.2.2015, BAMF-Akte Bl. 42) Diagnose: Myopie, Astigmatismus, Epilepsie, Zustand nach Nasenoperation vor neun Jahren in Ägypten, Sehfähigkeit 50% beidseitig trotz Brille.

– (Prof. Dr., Klinikum, Arztbrief vom 27.8.2015, VG-Akte Bl. 15) Diagnose: Epilepsie mit generalisierten Anfällen wohl seit dem vierzehnten Lebensjahr, Levetiracetam seit Januar 2014, bei unregelmäßiger Einnahme erneuter Anfall im Juni 2014 (initial Phenytoin in Ägypten begonnen). Therapie: Levetiracetam, bei Bedarf Notfallmedikation Tavor Expidet in Wangentasche.

– (Dr., Facharzt für Neurologie u.a., Arztbrief vom 4.9.2017, VG-Akte Bl. 17) Diagnose: Epilepsie. Anamnese: Kontrolluntersuchung, der letzte Anfall liegt ca. drei Jahre zurück.

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 9. August 2017 den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) ab. Es wurde zudem festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Abschiebung nach Ägypten wurde androht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen, weil der Kläger eine Vorverfolgung nicht glaubhaft gemacht habe, denn dem Kläger könne nicht abgenommen werden, das Vorgetragene auch wirklich so erlebt zu haben. Er habe erfolgreich und sehr detailliert die Rahmengeschichte zu dem ausreisebegründenden Ereignis – der Verfolgung durch die Scheich * Familien – vortragen, anschaulich und reich an Details. Hingegen habe er die fluchtauslösenden Ereignisse nicht mit Nebenumständen (sog. Rahmengeschehen) geschildert, wie es sogar ein einfach strukturierter Mensch bei selbst erlebten einprägsamen Vorgängen regelmäßig zu tun pflege, sondern gleich auf seine Kernaussage zugesteuert, er sei von jemanden aus der Familie des Scheichs * auf der Straße wiedererkannt worden und habe erfahren, dass er dort gewesen sei, um den Antragsteller zu suchen. Hätte der Antragsteller jedoch von etwas tatsächlich selbst Erlebtem berichtet, leuchte nicht ein, wieso er dieses nicht sofort von sich aus durch einen umfassenden, detailreichen und damit fundierten, also potentiell prüfbaren sowie einleuchtenden Sachvortrag zu belegen vermochte. Dies alles geht zu Lasten des Klägers. Darüber hinaus begegneten die Schilderungen bezüglich seiner angegebenen Verfolgung als Christ erheblichen Zweifeln. Soweit er vortrage, Ende Februar oder Anfang März 2012 von eine Horde von Männern bedrängt und beschimpft worden zu sein, leuchtet auch hier nicht ein aus welchem Grund der Kläger dieses nicht mit einem umfassenden, detailreichen und einleuchtenden Sachvortrag zu belegen vermochte. Details zu seiner angegebenen Verfolgung als Christ das Rahmengeschehen habe er nicht benannt. Des Weiteren habe er allein wegen seiner Zugehörigkeit zur koptisch-orthodoxen Kirche keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung durch Dritte zu befürchten. Zwar sei es nach dem Sturz von Präsident Mursi Anfang Juli 2013 im ganzen Land, insbesondere in Oberägypten, zu einer Welle der Gewalt gekommen, bei der koptisch-katholische und evangelische Kirchen, weniger stark koptisch-orthodoxe Kirchen, angegriffen und Christen ermordet wurden. Die Sicherheitskräfte hätten kaum zu ihrem Schutz eingegriffen. In der Folge habe die Regierung Wiedergutmachung und Wiederaufbauhilfe versprochen, die bislang aber nur in Einzelfällen geflossen sei. Nach Angaben eines Vertreters der koptisch-orthodoxen Kirche vom Juli 2015 sei inzwischen die erste Phase des Wiederaufbaus zu 90 Prozent abgeschlossen. Das Militär habe zehn Kirchen und 29 kirchliche Einrichtungen wiederhergestellt. Die gegen Christen gerichtete Gewalt vom August 2013 ebbte wieder ab. Auf die Ausschreitungen folgten Massenverhaftungen, jedoch nur wenige Verurteilungen. Nach den Gewalttaten im Sommer 2013 blieb die Situation im Allgemeinen ruhig. Allerdings seien nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes auch 2015 einzelne christliche Kirchen angegriffen und Eigentum von Kopten zerstört worden; besonders in Oberägypten komme es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene lägen. Traditionelle Vorstellungen von (Blut-)Rache und (kollektiver) Vergeltung seien in den ländlichen Gebieten Oberägyptens nach wie vor vorherrschend. Traditionelle Streitschlichtungsmechanismen spielten auch aufgrund der Abwesenheit funktionierender staatlicher Institutionen eine große Rolle. Dabei komme es regelmäßig zu strukturellen Benachteiligungen der Christen. Auch 2015 seien christliche Familien bei Konflikten aus ihren angestammten Dörfern vertrieben worden (vgl. Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, GZ.: 508-516.80/3 EGY vom 09.12.2015). Im Mai 2016 sei die Gewalt gegen Christen wieder neu aufgeflammt, was zu einer öffentlichen Debatte über das Thema und zur Verabschiedung eines umstrittenen Gesetzes über den Kirchenbau geführt habe. Am 11. Dezember 2016 sei es in Kairo zu einem schweren Anschlag auf die koptische Kirche Peter und Paul gekommen (26 Getötete, 49 Verletzte). Anschläge und gewalttätige Übergriffe gegen Christen und christliche Einrichtungen könnten zwar nicht ausgeschlossen werden, der ägyptische Staat unternehme jedoch Anstrengungen zum Schutz der koptischen Minderheit. So wurden im Vorfeld der koptischen Weihnachtsfeste der Jahre 2015 und 2016 Sicherheitsvorkehrungen wie Polizeiwachen vor Kirchen verschärft. Der koptisch-katholische Bischof von Assiut habe in einem Interview zur Situation der Christen nach dem Anschlag vom Dezember 2016 erklärt, dass die Angst vor weiteren Anschlägen wachse, allerdings habe der Staat sofort reagiert und Untersuchungen aufgenommen. Dies sei sehr bedeutsam, da viele annähmen, dass Polizei und Staat christenfeindliche Anschläge billigten. Das sei diesmal anders. Ein Präsident, der selbst zur Trauerfeier komme und jedem Angehörigen der getöteten Christen und allen Kirchenvertretern die Hand schüttele, gebe ein starkes Zeichen“. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen ebenfalls nicht vor. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Ägypten würden nicht zu der Annahme führen, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Zwar lebe etwa ein Viertel der Ägypter unterhalb der nationalen Armutsgrenze, etwa 80% der Bevölkerung gälten als sozial bedürftig. Es seien aber auch derzeit 70 Mio. Menschen berechtigt, auf subventionierte Lebensmittel zuzugreifen, zudem gebe es zur gezielten Unterstützung der Ärmsten die Sozialhilfeprogramme KARAMA (direkte Geldunterstützung) und TAKAFUL (finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern). Es sei davon auszugehen, dass der Kläger als volljähriger und junger Mann ohne Unterhaltslasten im Falle seiner Rückkehr in der Lage wäre, durch eine Tätigkeit, etwa in Kairo wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen, sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren und allmählich wieder in die ägyptische Gesellschaft zu integrieren. Er könne an jeden Ort in Ägypten zurückkehren und habe in seinen Eltern, seinen zwei Schwestern, seinem Bruder und seiner Großfamilie familiären Rückhalt. Ihm drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate sei angemessen. Schutzwürdige Belange seien nicht vorgetragen worden.

Gegen diesen ihm am 12. August 2017 zugestellten Bescheid ließ der Kläger am 17. August 2017 Klage erheben und beantragen,

I. Der Bescheid des Bundesamts vom 9. August 2017 wird hinsichtlich Ziffern1, 3–6 aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen, ferner die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG zu reduzieren.

Zur Begründung wurden u.a. eine Taufbescheinigung und eine undatierte Bescheinigung der koptischen Kirche Ägyptens vorgelegt, wonach der Vater des Klägers durch die Muslimbruderschaft beim Angriff auf sein Haus schwer verletzt, sein Bein gebrochen, sein vor dem Haus geparktes Auto zerstört wurden.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Die Regierung von * als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.

Mit Beschluss vom 22. Januar 2018 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Mit der Ladung übersandte das Gericht eine aktuelle Erkenntnismittelliste.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 9. August 2017 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung i. S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Die Gefahr einer derartigen Verfolgung bei seiner Rückkehr nach Ägypten hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht.

a) Es ist Sache des Schutzsuchenden, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.

b) Eine Verfolgung allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der koptischen Christen in Ägypten als staatlich geduldete Gruppenverfolgung durch Private hat der Kläger derzeit nicht zu befürchten.

Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt voraus, dass entweder sichere Anhaltspunkte für ein an asylerhebliche Merkmale anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen (was ersichtlich nicht der Fall ist), oder es ist eine bestimmte Verfolgungsdichte erforderlich, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.

Koptische Christen machen etwa 10%. der ägyptischen Gesellschaft aus (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten vom 15.12.2016, S. 7 – im Folgenden: Lagebericht; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf zur Lage koptischer Christen vom 20.1.2017). Sie unterliegen zwar einer gewissen Diskriminierung in Ägypten. Es fehlt aber jedenfalls an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen kritischen Verfolgungsdichte (vgl. zur Gruppenverfolgung BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85, 2 BvR 515/89, 2 BvR 1827/89 – BVerfGE 83, 216 m.w.N.; BVerwG, B.v. 24.2.2015 – 1 B 31/14 – juris). Das Gericht geht aufgrund der vorliegenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnismittel (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Köln zur Lage koptischer Christen vom 29.5.2017) davon aus, dass die Verfolgung christlicher Kopten in Ägypten jedenfalls nicht die von der Rechtsprechung verlangte Verfolgungsdichte aufweist, die zu einer Gruppenverfolgung und damit der Verfolgung eines jeden Mitglieds führt (vgl. auch OVG NRW, B.v. 17.7.2014 – 11 A 1935/12.A – juris; VG Köln, U.v. 10.11.2016 – 6 K 5496/15.A – juris; VG Aachen, U.v. 26.7.2016 – 3 K 664/16.A – juris Rn. 37 ff.; VG Gelsenkirchen, U.v. 14.10.2015 – 7a K 1514/14.A – juris). Koptische Christen können den Wohnort innerhalb des Landes wechseln und so insbesondere in Ballungsräumen die in Oberägypten höhere Gefährdung verringern (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Köln zur Lage koptischer Christen vom 29.5.2017; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf zur Lage koptischer Christen vom 20.1.2017). Dies gilt auch für den nicht ortsgebundenen Kläger.

Selbst bei Annahme einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung in Gestalt der Übergriffe gegen den Vater des Klägers und den Kläger als Begleitperson muss sich der Kläger auf staatlichen Schutz (§ 3d AsylG) verweisen lassen. Dass dieser im Zeitpunkt seiner Ausreise von der nicht zum Einschreiten und zu Ermittlungen bereiten Polizei verweigert worden sei, wie er angibt, kann jetzt so nicht mehr angenommen werden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht keine verfolgungsrelevante Rückkehrgefährdung. Die Situation in Ägypten in Bezug auf die Sicherheit koptischer Christen hat sich grundlegend verändert seit der Absetzung des ehemaligen Präsidenten Mursi im Juli 2013 und der Wahl von Abdelfattah El-Sisi zum Staatspräsidenten im Mai 2014. Insbesondere Präsident El-Sisi ist darum bemüht, die gesellschaftliche Diskriminierung der koptischen Christen zu bekämpfen und setzt sich dafür ein, dass diese ungestört ihre Religion ausüben können. Die Muslimbruderschaft ist mittlerweile als Terrororganisation klassifiziert verboten (s.a. Lagebericht S. 5 f.).

Auch unter Berücksichtigung und Würdigung der aktuellen Auskunftslage bzw. einzelner gewaltsamer Übergriffe insbesondere des als Terrororganisation auch vom ägyptischen Staat bekämpften IS ergibt sich keine abweichende rechtliche Bewertung. Die Anschläge auf koptische Christen im Lauf des Jahres 2017 und die ihren Schutz anstrebende Reaktion von Präsident El-Sisi darauf zeigen sich in aktuellen Meldungen, wonach die Kopten in Ägypten Heiligabend begleitet von strengen Sicherheitsvorkehrungen gefeiert haben und der koptische Papst eine Messe in einer neuen Kathedrale zelebrierte im Beisein von Staatspräsident Al-Sisi, der ein Zeichen gegen den Terror im Land setzen wollte (vgl. als allgemein zugängliche Quelle www.tagesschau.de/ ausland/kopten-weihnachten-109.html). Al-Sisi habe nach einem schweren Anschlag auf eine Kirche nahe der Markus-Kathedrale in Kairo im Dezember 2016 mit mehr als 25 Toten die Errichtung der neuen Christi-Geburt-Kathedrale angeordnet. Sie solle ein Symbol für die Koexistenz und die Einheit des nordafrikanischen Landes sein. Die koptischen Christen in Ägypten haben Heiligabend gefeiert. Zu einer Messe mit dem koptischen Papst Tawadros II. und Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi in Kairo kamen Hunderte Gläubige erstmals in einer neuen Kathedrale östlich von Kairo zusammen. Zwar bezweifelten immer mehr Kopten, dass Al-Sisis Sicherheitsapparat überhaupt dazu fähig sei, sie zu beschützen; bei einem Angriff auf eine Kirche bei Kairo kurz vor dem Jahreswechsel seien sieben Menschen getötet worden, darunter ein Polizist, der die Kirche bewachte (ebenda). Dies zeigt, dass die ägyptische Regierung Christen weiterhin schützen will und dem Grunde nach auch schutzfähig ist; ein lückenloser Schutz insbesondere vor Terroristen kann freilich nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.1985 – C 33/85 u.a. – BVerwGE 72, 269, juris Rn. 20) – auch in Deutschland gab es mittlerweile mehrere islamistische Anschläge.

c) Auch kann eine staatliche Verfolgung im Sinne von § 3a AsylG nicht dem Umstand entnommen werden, dass der Kläger in seinem Heimatland noch keinen Militärdienst geleistet hat.

Nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ist eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt dann als Verfolgungshandlung zu qualifizieren, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, sich also als Verbrechen gegen den Frieden, als ein Kriegsverbrechen oder als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen würden. Dieses Beispiel bezieht sich demnach auf spezielle Fälle der Verweigerung des Militärdienstes bei drohender Beteiligung an Kriegsverbrechen (vgl. Kluth in Beck'scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 01.2.2017, § 3a AsylG Rn. 18). Zwar unterliegt der Kläger grundsätzlich aufgrund seines Alters nach wie vor der gesetzlichen Wehrpflicht, die in Ägypten im Alter von 18-30 Jahren besteht (vgl. Anfragebeantwortung Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 22.6.2016, abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des BAMF). Jedoch droht vorliegend keine Beteiligung an Kriegsverbrechen; besondere Umstände, aus denen sich ergibt, dass Strafmaßnahmen nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht gelten, sind nicht ersichtlich (vgl. auch EuGH, U.v. 20.11.2013 – C-472/13 – juris; BVerwG, U.v. 24.4.1990 – 9 C 4/89 – NVwZ 1990, 876). Insbesondere gibt es keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen bzw. persönlichen Merkmalen i.S.v. § 3b AsylG orientiert ist (vgl. Lagebericht S. 8 f.). Im Gegenteil wird die zwingend erforderliche Musterung des Klägers vor einer Wehrdienstheranziehung unter Berücksichtigung seiner Epilepsie seit dem vierzehnten Lebensjahr voraussichtlich eher zu einer Dienstuntauglichkeit führen.

d) Soweit der Kläger eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise befürchtet, ist nicht erkennbar, dass er sich strafbar gemacht haben könnte, da sein vorgelegter Reisepass am 15. Juli 2013 ausgestellt wurde und noch bis zum 14. Juli 2020 gültig ist, ihn also zur Ein- und Ausreise berechtigt; zudem nicht erkennbar ist, dass eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise, so sie stattfände, an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal anknüpfte.

e) Zudem steht dem Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative insbesondere in Kairo offen.

Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer der Flüchtlingsstatus nicht zuer-kannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (vgl. Art. 8 Abs. 1 QRL). Somit darf ein Ausländer nur dann auf ein verfolgungsfreies Gebiet seines Heimatstaates als inländische Fluchtalternative verwiesen werden, wenn er dieses tatsächlich in zumutbarer Weise erreichen kann (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2008 – 10 C 11/07 – juris Rn. 19). Ob die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 AsylG vorliegen, ist im Falle einer Vorverfolgung unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 QRL zu ermitteln; die Vermutung einer auch künftigen Verfolgung kann als widerlegt erachtet werden, soweit in einem Landesteil bei tatrichterlicher Würdigung des Vorbringens des Ausländers und der maßgeblichen Erkenntnismittel keine begründete Furcht vor Verfolgung besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2009 – 10 C 20/08 – juris Rn. 15 f.). Am Ort des internen Schutzes muss unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Betroffenen die Existenzgrundlage derart gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält; dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer i.R.v. § 60 Abs. 5 AufenthG bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog beachtlichen existenziellen Notlage hinaus und erfordert eine Einzelfallprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 5.8.2014 – 13a ZB 14.30188 – juris Rn. 6).

Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Ägypten jedenfalls in den Großstädten Kairo bzw. Alexandria sowie in Sharm-el-Sheik keiner Verfolgung ausgesetzt wäre (vgl. auch VG Köln, U.v. 10.11.2016 – 6 K 5496/15.A – juris; VG Aachen, U.v. 26.7.2016 – 3 K 664/16.A – juris Rn. 37 ff.; VG Gelsenkirchen, U.v. 14.10.2015 – 7a K 1514/14.A – juris). Dass er in der Millionenmetropole Kairo von Mitgliedern einer an seinem Herkunftsort lebenden muslimischen Familie gesucht und gefunden würde, ist auch vor dem Hintergrund seiner eigenen Darstellung nicht glaubwürdig. Einerseits hat er beim Bundesamt angegeben, er habe in der Hauptstadt gelebt und Arbeit gesucht, bis er jemanden aus der Familie des Scheichs * auf der Straße wiedererkannt und erfahren habe, dass dieser dort sei, ihn zu suchen; er habe auch nach ihm gefragt (ebenda Bl. 58). Andererseits hat er angegeben, seinem Bruder sei der Arm gebrochen worden von einem Familienmitglied des Scheich * und seinem Vater hätten sie danach gesagt, sie würden seinen Bruder töten, wenn er ihnen den Kläger nicht ausliefere; der habe dann geantwortet, er wisse nicht, wo der Kläger sei, er sei wahrscheinlich tot. Das bedeutet, die Familie hat noch nach der Ausreise des Klägers keine Kenntnis von seinem Aufenthaltsort gehabt – dass sie ihn dann schon vor seiner Ausreise gezielt in * gesucht und in seinem Wohnviertel nach ihm gefragt habe, ist schlicht unglaubwürdig.

Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in den genannten Orten sicherstellen kann. Auch wenn hierfür mehr zu fordern ist als ein kümmerliches Einkommen zur Finanzierung eines Lebens am Rande des Existenzminimums (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20), ist doch vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger sich in Kairo bzw. Alexandria oder Sharm-el-Sheik aufhält und seinen Lebensunterhalt dort sicherstellt. So ist die Grundversorgung für Rückkehrer unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit durch staatliche Subventionen (auf Lebensmittel wie Brot), zwei Sozialhilfeprogramme, Mietpreisbindung und ein leistungsmäßig beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem gesichert (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf zur Lage koptischer Christen vom 20.1.2017). Der Kläger ist zudem ein arbeitsfähiger junger Mann, der nach seinem Vortrag bis zur Ausreise die Schule besucht hat. Zudem durchläuft er derzeit in Deutschland eine Ausbildung, die ihn auch für den ägyptischen Arbeitsmarkt überdurchschnittlich qualifiziert, da er dabei auch Deutschkenntnisse erwirbt und im Tourismus arbeiten könnte, so dass ihm dies durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts dort eröffnet.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Ägypten ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.

Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG i.V.m. Art. 15 RL 2011/95/EU die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

a) Der Kläger hat eine ernsthafte Bedrohung, so sie eine Gefährdungslage i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG begründen würde, nicht glaubhaft gemacht (vgl. oben). Nach Auffassung des Gerichts hat der Kläger damit eine konkrete Gefährdungslage, die ihn zur Ausreise veranlasste und die heute seiner Rückkehr in sein Heimatland entgegensteht, nicht glaubhaft gemacht.

Der Kläger hat eine ernsthafte Bedrohung, die eine Gefährdungslage i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG i.V.m. Art. 3 EMRK – unmenschliche oder erniedrigende Behandlung – wegen seiner attestierten Erkrankung (Epilepsie) begründen würde, nicht glaubhaft gemacht. Es fehlt hier an der erforderlichen Zurechenbarkeit zum Zielstaat.

Die Aufenthaltsbeendigung eines Ausländers durch einen Konventionsstaat kann zwar Art. 3 EMRK verletzen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen und bewiesen sind, dass der Ausländer im Zielstaat einer Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt zu werden. Dann ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung für den Konventionsstaat, den Betroffenen nicht in dieses Land abzuschieben (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 173 m.w.N.). Ein auf einer Krankheit beruhendes Leid kann ausnahmsweise von Art. 3 EMRK erfasst werden, wenn es durch eine Behandlung verschlimmert wird oder zu werden droht, die auf Haftbedingungen, Ausweisung oder andere Maßnahmen zurückgeht, für die Behörden verantwortlich gemacht werden können. Allerdings können Ausländer sich grundsätzlich nicht auf ein Bleiberecht im Konventionsstaat berufen, damit sie die Versorgung und medizinischen, sozialen und anderen Dienste des abschiebenden Staates weiter nutzen können. Eine schlechtere Versorgung im Aufnahmeland, die Verschlechterung des Gesundheitszustands und der Lebenserwartung allein reichen nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Das kann in besonderen Ausnahmefällen anders sein, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen (zum Ganzen EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 175 f. 178 m.w.N.).

Solche besonderen Ausnahmefälle können in Fällen vorliegen, in denen eine schwerkranke Person durch die Aufenthaltsbeendigung auch ohne eine unmittelbare Gefahr für ihr Leben schon wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Aufnahmeland oder weil sie dazu keinen Zugang hat, tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wird, dass sich ihr Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 183).

Während der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hinsichtlich einer Verletzung von Art. 3 EMRK allein auf die Verantwortung der Konventionsstaaten und ihrer Behörden bei einer Aufenthaltsbeendigung abstellt, aber keine Verantwortlichkeit des Zielstaats und seiner Behörden für die Verhältnisse dort voraussetzt, hat der Europäische Gerichtshof hingegen in seiner für § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG maßgeblichen Auslegung von Art. 15 RL 2011/95/EU auf eine Verantwortlichkeit des Zielstaats abgestellt. Da Art. 6 RL 2011/95/EU für internationalen Schutzbedarf verantwortliche Akteure voraussetzt und nach Erwägungsgrund Nr. 26 RL 2004/83/EG Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre, reicht die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands eines an einer schweren Krankheit leidenden Ausländers, die auf das Fehlen einer angemessenen Behandlung in seinem Herkunftsland zurückzuführen ist, ohne dass diesem die Versorgung absichtlich verweigert wurde, nicht aus, um ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen (EuGH, U.v. 18.12.2014 – C-542/13 – juris Rn. 35 f., 39 f.). Daher liegt nur bei einer absichtlichen Verweigerung von angemessener medizinischer Versorgung im Zielstaat ein subsidiären Schutz rechtfertigender Verstoß gegen Art. 3 EMRK vor.

Daran fehlt es jedoch hier, weil der Kläger ausweislich der vorgelegten Atteste wegen seiner Epilepsie bereits in seinem Herkunftsland Ägypten medikamentös behandelt worden ist (Dr., Kinderklinik der, Entlassungsbericht vom 14.11.2013, BAMF-Akte Bl. 47: Verdacht auf Epilepsie, Vormedikation mit Phenytoin; Prof. Dr., Epilepsiezentrum der, Entlassungsbericht vom 28.1.2014, BAMF-Akte Bl. 43: Vormedikation in Ägypten mit Phenytoin), ihm also die landesübliche Behandlung – selbst wenn sie nicht das Niveau der Behandlung in Deutschland erreichen sollte oder aus Sicht deutscher Mediziner zu hoch dosiert gewesen sei, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung angab – nicht verweigert worden ist, sondern tatsächlich auch erreichbar war. Die Sehschwäche mit Erforderlichkeit einer Brille (Dr., Augenarzt, Attest vom 3.2.2015, BAMF-Akte Bl. 42: Myopie, Astigmatismus, Epilepsie, Zustand nach Nasenoperation vor neun Jahren in Ägypten, Sehfähigkeit 50% beidseitig trotz Brille) ist keine Erkrankung der Schwere, dass sich der Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung. Zudem ist in Ägypten das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung eingeschränkt leistungsfähig und eine kostenlose Grundversorgung gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Unikliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten vom 15.12.2016, S. 15).

b) Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Ägypten und insbesondere nach Kairo nach derzeitigem Kenntnisstand des Gerichts auch keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Auf den Bescheid des Bundesamts wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:

a) Dem Kläger steht kein Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu, da diese Norm im Fall krankheitsbedingter Gefahren durch § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG gesperrt ist.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.

Die Vorschrift des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK findet jedoch nach deutscher Rechtslage nicht auf die o.g. besonderen Ausnahmefälle krankheitsbedingter Gefahren (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 175 f.) Anwendung, da der Bundesgesetzgeber solche Fälle in § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG als lex specialis geregelt hat. Dies ist konventions-, unions- und bundesrechtlich nicht zu beanstanden, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 ff. Rn. 16 f.), dessen Feststellung zu einer identischen Schutzberechtigung für den Betroffenen führt (vgl. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dabei liegt die Ausgestaltung eines nationalen Abschiebungsverbots in der Gestaltungshoheit des nationalen Gesetzgebers, solange er auf der Rechtsfolgenseite keinen mit dem subsidiären Schutz konkurrierenden Schutzstatus einführt (EuGH, U.v. 18.12.2014 – C-542/13 – juris Rn. 42 f.).

b) Ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen, die eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung voraussetzt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, liegt im Fall des Klägers nicht vor.

aa) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 15). Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet (vgl. NdsOVG, B.v. 19.8.2016 – 8 ME 87.16 – juris Rn. 4). Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.

Erforderlich für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a.a.O.).

Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris Rn. 9).

bb) Diese Anforderungen sind auch mit Art. 3 EMRK vereinbar: Krankheitsbedingte Gefahren können ausnahmsweise die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllen. Solche Ausnahmefälle können vorliegen, wenn eine schwerkranke Person durch die Aufenthaltsbeendigung auch ohne eine unmittelbare Gefahr für ihr Leben schon wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Aufnahmeland oder weil sie dazu keinen Zugang hat, tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wird, dass sich ihr Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 183). Solche Gesundheitsgefahren muss der Ausländer allerdings mit ernst zu nehmenden Gründen geltend machen und daraufhin der Konventionsstaat sie in einem angemessenen Verfahren sorgfältig prüfen, wobei die Behörden und Gerichte des Konventionsstaats die vorhersehbaren Folgen für den Betroffenen im Zielstaat, die dortige allgemeine Situation und seine besondere Lage berücksichtigen müssen, ggf. unter Heranziehung allgemeiner Quellen wie von Berichten der Weltgesundheitsorganisation oder angesehener Nichtregierungsorganisationen sowie ärztlicher Bescheinigungen über den Ausländer (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 186 f. m.w.N.). Dies mündet in eine Vergleichsbetrachtung der Folgen einer Abschiebung für den Betroffenen durch einen Vergleich seines Gesundheitszustands vor der Abschiebung mit dem, den er nach Abschiebung in das Bestimmungsland haben würde. Maßgeblich ist eine nur ausreichende Behandlung, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu verhindern, nicht, ob die medizinische Versorgung im Zielstaat der medizinischen Versorgung im Konventionsstaat mindestens gleichwertig ist, denn Art. 3 EMRK garantiert kein Recht, im Zielstaat eine besondere Behandlung zu erhalten, welche der Bevölkerung nicht zur Verfügung steht (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 188f . m.w.N.). Die erforderliche Prüfung umfasst auch, inwieweit der Ausländer tatsächlich Zugang zu der Behandlung und den Gesundheitseinrichtungen im Zielstaat hat, wobei die Kosten für Medikamente und Behandlung berücksichtigt werden müssen, ob ein soziales und familiäres Netz besteht und wie weit der Weg zur erforderlichen Behandlung ist (ebenda Rn. 190 m.w.N.). Wenn nach dieser Prüfung ernsthafte Zweifel bleiben, ist Voraussetzung für die Abschiebung, dass der abschiebende Staat individuelle und ausreichende Zusicherungen des Aufnahmestaats erhält, dass eine angemessene Behandlung verfügbar und für den Betroffenen zugänglich sein wird, so dass er nicht in eine Art. 3 EMRK widersprechende Lage gerät (ebenda Rn. 191).

cc) Bei dem Kläger ist nach derzeitigem Verfahrensstand unter Berücksichtigung der vorgelegten (fach-)ärztlichen Atteste nicht von einer erheblichen Gesundheitsgefährdung bei Abbruch der laufenden Behandlung auszugehen.

Gemäß dem letzten fachärztlichen Attest (Dr., Facharzt für Neurologie u.a., Arztbrief vom 4.9.2017, VG-Akte Bl. 17, Diagnose: Epilepsie; Anamnese: Kontrolluntersuchung, der letzte Anfall liegt ca. drei Jahre zurück) ist eine weitere medikamentöse Behandlung erforderlich, welche der Kläger auch in Ägypten erhalten hat und künftig erhalten kann (vgl. oben).

4. Nachdem sich auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG als rechtmäßig erweist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Flüchtlings-, hilfsweise subsidiären Schutz und Abschiebungsschutz bezüglich Ägyptens.

Der ausweislich seines am 15. Juli 2013 ausgestellten und bis zum 14. Juli 2020 gültigen Reisepasses am 21. Dezember 1997 geborene, nunmehr volljährige Kläger verließ nach eigenen Angaben am 15. September 2013 Ägypten, reiste über Georgien mit einem auf dem Weg nach Korea befindlichen Flugzeug, das in Deutschland einen Zwischenstopp eingelegt habe, zwei Wochen nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte durch seinen Amtsvormund seine Anerkennung als Asylberechtigter.

In seiner auf Arabisch geführten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 16. November 2016 gab der Kläger im Wesentlichen an, er sei Epileptiker. Er stamme aus * in der Provinz * und sei koptischer Christ, wozu er Bestätigungen vorlegte (BAMF-Akte Bl. 55 ff.). Die Reise habe großteils sein Vater mit dem Erlös aus einem Hausverkauf bezahlt, den Rest seine Kirchengemeinde; die Reise habe bis Georgien ungefähr 8.000 Pfund und dann bis Deutschland weitere 2.500 Euro gekostet (ebenda Bl. 57). Seine Familie lebe noch im Dorf in einer Mietwohnung, auch habe er einen älteren Bruder, zwei Schwestern sowie Onkel und Tanten dort (ebenda Bl. 57). Er habe bis zur neunten Klasse eine Schule besucht, dann sei er geflohen; in Deutschland befinde er sich im zweiten Lehrjahr als Fachkraft im Gastgewerbe (ebenda Bl. 57). Er habe Ägypten verlassen, weil er von Moslems verfolgt wurde. Zusammen mit seinem Vater habe er in einer Kirche gearbeitet. Die Kirche heiße * und liege in seinem Dorf. In seinem Dorf habe es zwei mächtige islamische Familien, Scheich * und Scheich * gegeben. In der Schule seien sie stark diskriminiert worden von den Moslems, da sie insgesamt nur 15% ausmachten, sie seien auch oft geschlagen worden, deswegen sei er öfter mal von der Schule weg geblieben. Sein Vater arbeitete für die Kirche als Maurer und der Kläger habe ihn dann bei seiner Arbeit unterstützt. Die Kirche sei noch nicht ganz fertiggestellt gewesen (ebenda Bl. 57 f.).

Auf Nachfrage nach konkreten Vorkommnissen erklärte er, Ende Februar oder Anfang März 2012 sei er mit seinem Vater zusammen auf dem Weg von der Kirche zum Mittagessen nach Hause gewesen, als sie von einer Horde von Männern verfolgt worden seien, die sie bedrängten und übelst beschimpften, ein Holzlager neben ihrem Haus anzündeten und wild auf ihrer Eingangstür herumhieben und forderten, dass sie rauskommen sollten. Um sie zu schützen sei sein Vater alleine vor die Tür gegangen; die mit Messern bewaffneten Männer hätten den Vater schwer verletzt und auch den Kläger, der ihm zu Hilfe eilte, mit einer Fahrradkette am Kopf verletzt. Sie hätten beide ins Krankenhaus gemusst und danach bei der der Polizei Anzeige erstattet. Einige von diesen Männern hätten dann seinen Vater bedroht, weil er diese Anzeige erstattet hatte. Etwa zwei Wochen nach dem Vorfall sei sein Vater noch mal zur Polizei, diese habe Zeugen verlangt, die er benannt habe, aber bestraft worden sei niemand. Das sei unter allen Übergriffen der Schlimmste gewesen, danach habe es jedoch noch unzählige Gelegenheiten gegeben, bei welchen er wegen seiner Zugehörigkeit zum Christentum Gewalt ausgesetzt gewesen sei (ebenda Bl. 58).

Ca. 2-3 Monate, bevor er tatsächlich das Land verlassen habe, sei ein Mann aus dem Dorf auf seinen Vater zugekommen, habe von einer Morddrohung der Familie des Scheich * gegen den Kläger berichtet, da dieser einen Sohn dieser Familie verletzt habe, und geraten, den Kläger wegzubringen. Sein Vater habe den Kläger sofort in die Hauptstadt zu einem Freund geschickt, wo der Kläger gelebt und Arbeit gesucht habe, bis er jemanden aus der Familie des Scheichs * auf der Straße wiedererkannt und erfahren habe, dass dieser dort sei, ihn zu suchen; er habe auch nach ihm gefragt (ebenda Bl. 58). Sein Vater habe den Kläger zurückbeordert, wo der Kläger allerdings nicht zu Hause habe wohnen können, sondern sich im Haus seines Großvaters verstecken musste. Nach ungefähr zwei Monaten habe er sein Dorf wieder in Richtung * verlassen, sich einem Schleuser und einer Gruppe von Flüchtlingen angeschlossen, um über * nach Italien zu gelangen, allerdings habe ihn die Polizei aufgegriffen und inhaftiert, bis er von seinem Vater durch Strafzahlung ausgelöst worden sei (ebenda Bl. 58).

Sie seien dann wieder ins Dorf zurückgefahren. Sein Vater habe dann das Haus verkauft, in das sie alle einziehen wollten, um eine ohnehin geplante Operation wegen seiner Verletzung zu bezahlen. In jener Zeit habe der Kläger die ersten epileptischen Anfälle bekommen. 3 bis 4 Monate habe er sich im Dorf aufgehalten, dort bei Verwandten, Bekannten oder in Mietwohnungen versteckt. Er sei nur ganz kurz ein paar Mal bei seinen Eltern gewesen, zum Beispiel, wenn er Geld gebraucht habe, und sei oft im Krankenhaus gewesen. Diese Leute hätten ihn oft ins Krankenhaus gebracht, weil er Anfälle bekommen hätte. Sein Vater habe dem Kläger die Flucht organisiert (ebenda Bl. 58 f.). Auf Nachfrage führte er aus, er sei mit dem Taxi nach * gelangt (ebenda Bl. 59).

Auf weitere Nachfrage führte er aus, die beiden Familien, also Scheich * und Scheich, seien sehr reich, kannten wichtige Leute aus der Politik und seien radikale Islamisten, Mitglieder der Muslimbrüderschaft. Er habe den Sohn der Familie des Scheichs * verletzt, weil Mitglieder der islamischen Familien, darunter auch die der Familien der Scheichs * und, sie nach dem Vorfall mit der Feuerlegung auf der Straße ständig verhöhnt und seinen Vater beleidigt hätten, weil dieser nach dem Vorfall damals trotz zweier Operationen nicht mehr richtig laufen könne (ebenda Bl. 59).

Irgendwann einmal, als ein Sohn des Scheichs * wieder hinter ihm hergelaufen sei und ihn verhöhnt habe, habe sich der Kläger umgedreht und gesagt, er solle seinen Mund halten, also etwas gröber, als in der Form. Jedenfalls sei dieser auf den Kläger zugekommen und der habe dem Sohn mit seinen Fingernägeln sein Gesicht verkratzt. Deswegen sei die Morddrohung ausgesprochen worden. Das sei ungefähr einen Monat nach dem Vorfall mit dem Feuer gewesen. Die Morddrohung sei nicht lange gekommen, nachdem er den Sohn verletzt habe (ebenda Bl. 59).

Auf Vorhalt, dass nach den bisher angegeben Zeiten 12 Monate zwischen dem Tag der Verletzung des Sohnes und dem Tag der Überbringung der Todesdrohung lägen, korrigierte der Kläger seine Aussage von vorhin. Es könne nicht sein, dass der Mann aus dem Dorf 2-3 Monate vor seiner Flucht aus Ägypten zu seinem Vater gekommen sei, das müsse im Jahr 2012 gewesen sein. Er verwies auf Kopien des Protokolls der Anzeigeerstattung seines Vaters bei der Polizei wegen des zuerst geschilderten Vorfalles mit Datum 11. März 2012 als Tag der Anzeigeerstattung (ebenda Bl. 59).

Die Begleitperson des Antragstellers entnahm mitgebrachten Notizen, dass er zuvor den Zeitpunkt der Warnung auf Mai 2013 datiert habe.

Auf Vorhalt, dass sich die Familie erst so spät zur Rache entschlossen habe, berichtigt der Kläger, das sei kurze Zeit später gewesen; er habe sich insgesamt, alles zusammengenommen ein ganzes Jahr in Ägypten versteckt gehalten (ebenda Bl. 60). Auf Nachfrage, ob auch anderen Familienmitgliedern seiner Familie Rache geschworen worden sei, ergänzte der Kläger, seinem Bruder sei der Arm gebrochen worden von einem Familienmitglied des Scheich *. Seinem Vater hätten sie danach gesagt, sie würden seinen Bruder töten, wenn er ihnen den Kläger nicht ausliefere; er habe dann geantwortet, er wisse nicht, wo der Kläger sei, er sei wahrscheinlich tot. Das sei gewesen, als der Kläger schon in Deutschland gewesen sei, wohl vor zwei Jahren etwa. Einziger Anlass für die Todesdrohung sei das zerkratzte Gesicht des Sohnes der Familie * (ebenda Bl. 60).

Für den Fall der Rückkehr nach Ägypten befürchte der Kläger, ins Gefängnis zu müssen, weil er illegal ausgereist sei, danach müsste er zum Militär für 3 Jahre und würde massiv schikaniert, wenn man erfahre, dass er illegal ausgereist sei und schon einmal bei einer illegalen Ausreise erwischt worden sei sowie sein Land schlecht gemacht habe (ebenda Bl. 60), Auch benötige er teure Medikamente, die man in Ägypten nur bekomme, wenn man sie selbst bezahle, er aber würde keine Arbeit bekommen nach dem Gefängnis und sein Vater könne seit dem Vorfall damals nicht mehr laufen, also auch nicht arbeiten. Keiner könnte die Medikamente bezahlen und er würde wieder zahlreiche epileptische Anfälle erleiden (ebenda Bl. 60). Der Arzt habe ihm abgeraten, die Medikamente abzusetzen (ebenda Bl. 60).

In den Behörden- und Gerichtsakten sind folgende Atteste und Diagnosen enthalten:

– (Dr., Kinderklinik der, Entlassungsbericht vom 14.11.2013, BAMF-Akte Bl. 47) Diagnose: Verdacht auf Epilepsie, Vormedikation mit Phenytoin, dreitägige stationäre Behandlung nach Anfall und Einlieferung in Klinik. Therapie: Absenkung der Medikation mit Phenytoin, weitere Untersuchungsempfehlung.

– (Prof. Dr., Epilepsiezentrum der, Entlassungsbericht vom 28.1.2014, BAMF-Akte Bl. 43) Diagnose: Verdacht auf fokale Epilepsie, bisher zwei Anfälle, Vorgeschichte im Heimatland unklar, Vormedikation in Ägypten mit Phenytoin, telefonischer Kontakt zur Familie in Ägypten, stationäre Aufnahme nach generalisiertem tonischem Anfall. Therapie: Levetiracetam, bei Bedarf Notfallmedikation Buccolam in Wangentasche.

– (Dr., Augenarzt, Attest vom 3.2.2015, BAMF-Akte Bl. 42) Diagnose: Myopie, Astigmatismus, Epilepsie, Zustand nach Nasenoperation vor neun Jahren in Ägypten, Sehfähigkeit 50% beidseitig trotz Brille.

– (Prof. Dr., Klinikum, Arztbrief vom 27.8.2015, VG-Akte Bl. 15) Diagnose: Epilepsie mit generalisierten Anfällen wohl seit dem vierzehnten Lebensjahr, Levetiracetam seit Januar 2014, bei unregelmäßiger Einnahme erneuter Anfall im Juni 2014 (initial Phenytoin in Ägypten begonnen). Therapie: Levetiracetam, bei Bedarf Notfallmedikation Tavor Expidet in Wangentasche.

– (Dr., Facharzt für Neurologie u.a., Arztbrief vom 4.9.2017, VG-Akte Bl. 17) Diagnose: Epilepsie. Anamnese: Kontrolluntersuchung, der letzte Anfall liegt ca. drei Jahre zurück.

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 9. August 2017 den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) ab. Es wurde zudem festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Abschiebung nach Ägypten wurde androht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen, weil der Kläger eine Vorverfolgung nicht glaubhaft gemacht habe, denn dem Kläger könne nicht abgenommen werden, das Vorgetragene auch wirklich so erlebt zu haben. Er habe erfolgreich und sehr detailliert die Rahmengeschichte zu dem ausreisebegründenden Ereignis – der Verfolgung durch die Scheich * Familien – vortragen, anschaulich und reich an Details. Hingegen habe er die fluchtauslösenden Ereignisse nicht mit Nebenumständen (sog. Rahmengeschehen) geschildert, wie es sogar ein einfach strukturierter Mensch bei selbst erlebten einprägsamen Vorgängen regelmäßig zu tun pflege, sondern gleich auf seine Kernaussage zugesteuert, er sei von jemanden aus der Familie des Scheichs * auf der Straße wiedererkannt worden und habe erfahren, dass er dort gewesen sei, um den Antragsteller zu suchen. Hätte der Antragsteller jedoch von etwas tatsächlich selbst Erlebtem berichtet, leuchte nicht ein, wieso er dieses nicht sofort von sich aus durch einen umfassenden, detailreichen und damit fundierten, also potentiell prüfbaren sowie einleuchtenden Sachvortrag zu belegen vermochte. Dies alles geht zu Lasten des Klägers. Darüber hinaus begegneten die Schilderungen bezüglich seiner angegebenen Verfolgung als Christ erheblichen Zweifeln. Soweit er vortrage, Ende Februar oder Anfang März 2012 von eine Horde von Männern bedrängt und beschimpft worden zu sein, leuchtet auch hier nicht ein aus welchem Grund der Kläger dieses nicht mit einem umfassenden, detailreichen und einleuchtenden Sachvortrag zu belegen vermochte. Details zu seiner angegebenen Verfolgung als Christ das Rahmengeschehen habe er nicht benannt. Des Weiteren habe er allein wegen seiner Zugehörigkeit zur koptisch-orthodoxen Kirche keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung durch Dritte zu befürchten. Zwar sei es nach dem Sturz von Präsident Mursi Anfang Juli 2013 im ganzen Land, insbesondere in Oberägypten, zu einer Welle der Gewalt gekommen, bei der koptisch-katholische und evangelische Kirchen, weniger stark koptisch-orthodoxe Kirchen, angegriffen und Christen ermordet wurden. Die Sicherheitskräfte hätten kaum zu ihrem Schutz eingegriffen. In der Folge habe die Regierung Wiedergutmachung und Wiederaufbauhilfe versprochen, die bislang aber nur in Einzelfällen geflossen sei. Nach Angaben eines Vertreters der koptisch-orthodoxen Kirche vom Juli 2015 sei inzwischen die erste Phase des Wiederaufbaus zu 90 Prozent abgeschlossen. Das Militär habe zehn Kirchen und 29 kirchliche Einrichtungen wiederhergestellt. Die gegen Christen gerichtete Gewalt vom August 2013 ebbte wieder ab. Auf die Ausschreitungen folgten Massenverhaftungen, jedoch nur wenige Verurteilungen. Nach den Gewalttaten im Sommer 2013 blieb die Situation im Allgemeinen ruhig. Allerdings seien nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes auch 2015 einzelne christliche Kirchen angegriffen und Eigentum von Kopten zerstört worden; besonders in Oberägypten komme es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene lägen. Traditionelle Vorstellungen von (Blut-)Rache und (kollektiver) Vergeltung seien in den ländlichen Gebieten Oberägyptens nach wie vor vorherrschend. Traditionelle Streitschlichtungsmechanismen spielten auch aufgrund der Abwesenheit funktionierender staatlicher Institutionen eine große Rolle. Dabei komme es regelmäßig zu strukturellen Benachteiligungen der Christen. Auch 2015 seien christliche Familien bei Konflikten aus ihren angestammten Dörfern vertrieben worden (vgl. Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, GZ.: 508-516.80/3 EGY vom 09.12.2015). Im Mai 2016 sei die Gewalt gegen Christen wieder neu aufgeflammt, was zu einer öffentlichen Debatte über das Thema und zur Verabschiedung eines umstrittenen Gesetzes über den Kirchenbau geführt habe. Am 11. Dezember 2016 sei es in Kairo zu einem schweren Anschlag auf die koptische Kirche Peter und Paul gekommen (26 Getötete, 49 Verletzte). Anschläge und gewalttätige Übergriffe gegen Christen und christliche Einrichtungen könnten zwar nicht ausgeschlossen werden, der ägyptische Staat unternehme jedoch Anstrengungen zum Schutz der koptischen Minderheit. So wurden im Vorfeld der koptischen Weihnachtsfeste der Jahre 2015 und 2016 Sicherheitsvorkehrungen wie Polizeiwachen vor Kirchen verschärft. Der koptisch-katholische Bischof von Assiut habe in einem Interview zur Situation der Christen nach dem Anschlag vom Dezember 2016 erklärt, dass die Angst vor weiteren Anschlägen wachse, allerdings habe der Staat sofort reagiert und Untersuchungen aufgenommen. Dies sei sehr bedeutsam, da viele annähmen, dass Polizei und Staat christenfeindliche Anschläge billigten. Das sei diesmal anders. Ein Präsident, der selbst zur Trauerfeier komme und jedem Angehörigen der getöteten Christen und allen Kirchenvertretern die Hand schüttele, gebe ein starkes Zeichen“. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen ebenfalls nicht vor. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Ägypten würden nicht zu der Annahme führen, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Zwar lebe etwa ein Viertel der Ägypter unterhalb der nationalen Armutsgrenze, etwa 80% der Bevölkerung gälten als sozial bedürftig. Es seien aber auch derzeit 70 Mio. Menschen berechtigt, auf subventionierte Lebensmittel zuzugreifen, zudem gebe es zur gezielten Unterstützung der Ärmsten die Sozialhilfeprogramme KARAMA (direkte Geldunterstützung) und TAKAFUL (finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern). Es sei davon auszugehen, dass der Kläger als volljähriger und junger Mann ohne Unterhaltslasten im Falle seiner Rückkehr in der Lage wäre, durch eine Tätigkeit, etwa in Kairo wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen, sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren und allmählich wieder in die ägyptische Gesellschaft zu integrieren. Er könne an jeden Ort in Ägypten zurückkehren und habe in seinen Eltern, seinen zwei Schwestern, seinem Bruder und seiner Großfamilie familiären Rückhalt. Ihm drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate sei angemessen. Schutzwürdige Belange seien nicht vorgetragen worden.

Gegen diesen ihm am 12. August 2017 zugestellten Bescheid ließ der Kläger am 17. August 2017 Klage erheben und beantragen,

I. Der Bescheid des Bundesamts vom 9. August 2017 wird hinsichtlich Ziffern1, 3–6 aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen, ferner die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG zu reduzieren.

Zur Begründung wurden u.a. eine Taufbescheinigung und eine undatierte Bescheinigung der koptischen Kirche Ägyptens vorgelegt, wonach der Vater des Klägers durch die Muslimbruderschaft beim Angriff auf sein Haus schwer verletzt, sein Bein gebrochen, sein vor dem Haus geparktes Auto zerstört wurden.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Die Regierung von * als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.

Mit Beschluss vom 22. Januar 2018 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Mit der Ladung übersandte das Gericht eine aktuelle Erkenntnismittelliste.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 9. August 2017 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung i. S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Die Gefahr einer derartigen Verfolgung bei seiner Rückkehr nach Ägypten hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht.

a) Es ist Sache des Schutzsuchenden, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.

b) Eine Verfolgung allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der koptischen Christen in Ägypten als staatlich geduldete Gruppenverfolgung durch Private hat der Kläger derzeit nicht zu befürchten.

Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt voraus, dass entweder sichere Anhaltspunkte für ein an asylerhebliche Merkmale anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen (was ersichtlich nicht der Fall ist), oder es ist eine bestimmte Verfolgungsdichte erforderlich, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.

Koptische Christen machen etwa 10%. der ägyptischen Gesellschaft aus (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten vom 15.12.2016, S. 7 – im Folgenden: Lagebericht; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf zur Lage koptischer Christen vom 20.1.2017). Sie unterliegen zwar einer gewissen Diskriminierung in Ägypten. Es fehlt aber jedenfalls an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen kritischen Verfolgungsdichte (vgl. zur Gruppenverfolgung BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85, 2 BvR 515/89, 2 BvR 1827/89 – BVerfGE 83, 216 m.w.N.; BVerwG, B.v. 24.2.2015 – 1 B 31/14 – juris). Das Gericht geht aufgrund der vorliegenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnismittel (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Köln zur Lage koptischer Christen vom 29.5.2017) davon aus, dass die Verfolgung christlicher Kopten in Ägypten jedenfalls nicht die von der Rechtsprechung verlangte Verfolgungsdichte aufweist, die zu einer Gruppenverfolgung und damit der Verfolgung eines jeden Mitglieds führt (vgl. auch OVG NRW, B.v. 17.7.2014 – 11 A 1935/12.A – juris; VG Köln, U.v. 10.11.2016 – 6 K 5496/15.A – juris; VG Aachen, U.v. 26.7.2016 – 3 K 664/16.A – juris Rn. 37 ff.; VG Gelsenkirchen, U.v. 14.10.2015 – 7a K 1514/14.A – juris). Koptische Christen können den Wohnort innerhalb des Landes wechseln und so insbesondere in Ballungsräumen die in Oberägypten höhere Gefährdung verringern (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Köln zur Lage koptischer Christen vom 29.5.2017; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf zur Lage koptischer Christen vom 20.1.2017). Dies gilt auch für den nicht ortsgebundenen Kläger.

Selbst bei Annahme einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung in Gestalt der Übergriffe gegen den Vater des Klägers und den Kläger als Begleitperson muss sich der Kläger auf staatlichen Schutz (§ 3d AsylG) verweisen lassen. Dass dieser im Zeitpunkt seiner Ausreise von der nicht zum Einschreiten und zu Ermittlungen bereiten Polizei verweigert worden sei, wie er angibt, kann jetzt so nicht mehr angenommen werden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht keine verfolgungsrelevante Rückkehrgefährdung. Die Situation in Ägypten in Bezug auf die Sicherheit koptischer Christen hat sich grundlegend verändert seit der Absetzung des ehemaligen Präsidenten Mursi im Juli 2013 und der Wahl von Abdelfattah El-Sisi zum Staatspräsidenten im Mai 2014. Insbesondere Präsident El-Sisi ist darum bemüht, die gesellschaftliche Diskriminierung der koptischen Christen zu bekämpfen und setzt sich dafür ein, dass diese ungestört ihre Religion ausüben können. Die Muslimbruderschaft ist mittlerweile als Terrororganisation klassifiziert verboten (s.a. Lagebericht S. 5 f.).

Auch unter Berücksichtigung und Würdigung der aktuellen Auskunftslage bzw. einzelner gewaltsamer Übergriffe insbesondere des als Terrororganisation auch vom ägyptischen Staat bekämpften IS ergibt sich keine abweichende rechtliche Bewertung. Die Anschläge auf koptische Christen im Lauf des Jahres 2017 und die ihren Schutz anstrebende Reaktion von Präsident El-Sisi darauf zeigen sich in aktuellen Meldungen, wonach die Kopten in Ägypten Heiligabend begleitet von strengen Sicherheitsvorkehrungen gefeiert haben und der koptische Papst eine Messe in einer neuen Kathedrale zelebrierte im Beisein von Staatspräsident Al-Sisi, der ein Zeichen gegen den Terror im Land setzen wollte (vgl. als allgemein zugängliche Quelle www.tagesschau.de/ ausland/kopten-weihnachten-109.html). Al-Sisi habe nach einem schweren Anschlag auf eine Kirche nahe der Markus-Kathedrale in Kairo im Dezember 2016 mit mehr als 25 Toten die Errichtung der neuen Christi-Geburt-Kathedrale angeordnet. Sie solle ein Symbol für die Koexistenz und die Einheit des nordafrikanischen Landes sein. Die koptischen Christen in Ägypten haben Heiligabend gefeiert. Zu einer Messe mit dem koptischen Papst Tawadros II. und Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi in Kairo kamen Hunderte Gläubige erstmals in einer neuen Kathedrale östlich von Kairo zusammen. Zwar bezweifelten immer mehr Kopten, dass Al-Sisis Sicherheitsapparat überhaupt dazu fähig sei, sie zu beschützen; bei einem Angriff auf eine Kirche bei Kairo kurz vor dem Jahreswechsel seien sieben Menschen getötet worden, darunter ein Polizist, der die Kirche bewachte (ebenda). Dies zeigt, dass die ägyptische Regierung Christen weiterhin schützen will und dem Grunde nach auch schutzfähig ist; ein lückenloser Schutz insbesondere vor Terroristen kann freilich nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.1985 – C 33/85 u.a. – BVerwGE 72, 269, juris Rn. 20) – auch in Deutschland gab es mittlerweile mehrere islamistische Anschläge.

c) Auch kann eine staatliche Verfolgung im Sinne von § 3a AsylG nicht dem Umstand entnommen werden, dass der Kläger in seinem Heimatland noch keinen Militärdienst geleistet hat.

Nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ist eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt dann als Verfolgungshandlung zu qualifizieren, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, sich also als Verbrechen gegen den Frieden, als ein Kriegsverbrechen oder als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen würden. Dieses Beispiel bezieht sich demnach auf spezielle Fälle der Verweigerung des Militärdienstes bei drohender Beteiligung an Kriegsverbrechen (vgl. Kluth in Beck'scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 01.2.2017, § 3a AsylG Rn. 18). Zwar unterliegt der Kläger grundsätzlich aufgrund seines Alters nach wie vor der gesetzlichen Wehrpflicht, die in Ägypten im Alter von 18-30 Jahren besteht (vgl. Anfragebeantwortung Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 22.6.2016, abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des BAMF). Jedoch droht vorliegend keine Beteiligung an Kriegsverbrechen; besondere Umstände, aus denen sich ergibt, dass Strafmaßnahmen nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht gelten, sind nicht ersichtlich (vgl. auch EuGH, U.v. 20.11.2013 – C-472/13 – juris; BVerwG, U.v. 24.4.1990 – 9 C 4/89 – NVwZ 1990, 876). Insbesondere gibt es keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen bzw. persönlichen Merkmalen i.S.v. § 3b AsylG orientiert ist (vgl. Lagebericht S. 8 f.). Im Gegenteil wird die zwingend erforderliche Musterung des Klägers vor einer Wehrdienstheranziehung unter Berücksichtigung seiner Epilepsie seit dem vierzehnten Lebensjahr voraussichtlich eher zu einer Dienstuntauglichkeit führen.

d) Soweit der Kläger eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise befürchtet, ist nicht erkennbar, dass er sich strafbar gemacht haben könnte, da sein vorgelegter Reisepass am 15. Juli 2013 ausgestellt wurde und noch bis zum 14. Juli 2020 gültig ist, ihn also zur Ein- und Ausreise berechtigt; zudem nicht erkennbar ist, dass eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise, so sie stattfände, an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal anknüpfte.

e) Zudem steht dem Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative insbesondere in Kairo offen.

Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer der Flüchtlingsstatus nicht zuer-kannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (vgl. Art. 8 Abs. 1 QRL). Somit darf ein Ausländer nur dann auf ein verfolgungsfreies Gebiet seines Heimatstaates als inländische Fluchtalternative verwiesen werden, wenn er dieses tatsächlich in zumutbarer Weise erreichen kann (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2008 – 10 C 11/07 – juris Rn. 19). Ob die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 AsylG vorliegen, ist im Falle einer Vorverfolgung unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 QRL zu ermitteln; die Vermutung einer auch künftigen Verfolgung kann als widerlegt erachtet werden, soweit in einem Landesteil bei tatrichterlicher Würdigung des Vorbringens des Ausländers und der maßgeblichen Erkenntnismittel keine begründete Furcht vor Verfolgung besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2009 – 10 C 20/08 – juris Rn. 15 f.). Am Ort des internen Schutzes muss unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Betroffenen die Existenzgrundlage derart gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält; dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer i.R.v. § 60 Abs. 5 AufenthG bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog beachtlichen existenziellen Notlage hinaus und erfordert eine Einzelfallprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 5.8.2014 – 13a ZB 14.30188 – juris Rn. 6).

Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Ägypten jedenfalls in den Großstädten Kairo bzw. Alexandria sowie in Sharm-el-Sheik keiner Verfolgung ausgesetzt wäre (vgl. auch VG Köln, U.v. 10.11.2016 – 6 K 5496/15.A – juris; VG Aachen, U.v. 26.7.2016 – 3 K 664/16.A – juris Rn. 37 ff.; VG Gelsenkirchen, U.v. 14.10.2015 – 7a K 1514/14.A – juris). Dass er in der Millionenmetropole Kairo von Mitgliedern einer an seinem Herkunftsort lebenden muslimischen Familie gesucht und gefunden würde, ist auch vor dem Hintergrund seiner eigenen Darstellung nicht glaubwürdig. Einerseits hat er beim Bundesamt angegeben, er habe in der Hauptstadt gelebt und Arbeit gesucht, bis er jemanden aus der Familie des Scheichs * auf der Straße wiedererkannt und erfahren habe, dass dieser dort sei, ihn zu suchen; er habe auch nach ihm gefragt (ebenda Bl. 58). Andererseits hat er angegeben, seinem Bruder sei der Arm gebrochen worden von einem Familienmitglied des Scheich * und seinem Vater hätten sie danach gesagt, sie würden seinen Bruder töten, wenn er ihnen den Kläger nicht ausliefere; der habe dann geantwortet, er wisse nicht, wo der Kläger sei, er sei wahrscheinlich tot. Das bedeutet, die Familie hat noch nach der Ausreise des Klägers keine Kenntnis von seinem Aufenthaltsort gehabt – dass sie ihn dann schon vor seiner Ausreise gezielt in * gesucht und in seinem Wohnviertel nach ihm gefragt habe, ist schlicht unglaubwürdig.

Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in den genannten Orten sicherstellen kann. Auch wenn hierfür mehr zu fordern ist als ein kümmerliches Einkommen zur Finanzierung eines Lebens am Rande des Existenzminimums (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20), ist doch vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger sich in Kairo bzw. Alexandria oder Sharm-el-Sheik aufhält und seinen Lebensunterhalt dort sicherstellt. So ist die Grundversorgung für Rückkehrer unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit durch staatliche Subventionen (auf Lebensmittel wie Brot), zwei Sozialhilfeprogramme, Mietpreisbindung und ein leistungsmäßig beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem gesichert (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf zur Lage koptischer Christen vom 20.1.2017). Der Kläger ist zudem ein arbeitsfähiger junger Mann, der nach seinem Vortrag bis zur Ausreise die Schule besucht hat. Zudem durchläuft er derzeit in Deutschland eine Ausbildung, die ihn auch für den ägyptischen Arbeitsmarkt überdurchschnittlich qualifiziert, da er dabei auch Deutschkenntnisse erwirbt und im Tourismus arbeiten könnte, so dass ihm dies durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts dort eröffnet.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Ägypten ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.

Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG i.V.m. Art. 15 RL 2011/95/EU die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

a) Der Kläger hat eine ernsthafte Bedrohung, so sie eine Gefährdungslage i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG begründen würde, nicht glaubhaft gemacht (vgl. oben). Nach Auffassung des Gerichts hat der Kläger damit eine konkrete Gefährdungslage, die ihn zur Ausreise veranlasste und die heute seiner Rückkehr in sein Heimatland entgegensteht, nicht glaubhaft gemacht.

Der Kläger hat eine ernsthafte Bedrohung, die eine Gefährdungslage i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG i.V.m. Art. 3 EMRK – unmenschliche oder erniedrigende Behandlung – wegen seiner attestierten Erkrankung (Epilepsie) begründen würde, nicht glaubhaft gemacht. Es fehlt hier an der erforderlichen Zurechenbarkeit zum Zielstaat.

Die Aufenthaltsbeendigung eines Ausländers durch einen Konventionsstaat kann zwar Art. 3 EMRK verletzen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen und bewiesen sind, dass der Ausländer im Zielstaat einer Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt zu werden. Dann ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung für den Konventionsstaat, den Betroffenen nicht in dieses Land abzuschieben (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 173 m.w.N.). Ein auf einer Krankheit beruhendes Leid kann ausnahmsweise von Art. 3 EMRK erfasst werden, wenn es durch eine Behandlung verschlimmert wird oder zu werden droht, die auf Haftbedingungen, Ausweisung oder andere Maßnahmen zurückgeht, für die Behörden verantwortlich gemacht werden können. Allerdings können Ausländer sich grundsätzlich nicht auf ein Bleiberecht im Konventionsstaat berufen, damit sie die Versorgung und medizinischen, sozialen und anderen Dienste des abschiebenden Staates weiter nutzen können. Eine schlechtere Versorgung im Aufnahmeland, die Verschlechterung des Gesundheitszustands und der Lebenserwartung allein reichen nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Das kann in besonderen Ausnahmefällen anders sein, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen (zum Ganzen EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 175 f. 178 m.w.N.).

Solche besonderen Ausnahmefälle können in Fällen vorliegen, in denen eine schwerkranke Person durch die Aufenthaltsbeendigung auch ohne eine unmittelbare Gefahr für ihr Leben schon wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Aufnahmeland oder weil sie dazu keinen Zugang hat, tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wird, dass sich ihr Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 183).

Während der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hinsichtlich einer Verletzung von Art. 3 EMRK allein auf die Verantwortung der Konventionsstaaten und ihrer Behörden bei einer Aufenthaltsbeendigung abstellt, aber keine Verantwortlichkeit des Zielstaats und seiner Behörden für die Verhältnisse dort voraussetzt, hat der Europäische Gerichtshof hingegen in seiner für § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG maßgeblichen Auslegung von Art. 15 RL 2011/95/EU auf eine Verantwortlichkeit des Zielstaats abgestellt. Da Art. 6 RL 2011/95/EU für internationalen Schutzbedarf verantwortliche Akteure voraussetzt und nach Erwägungsgrund Nr. 26 RL 2004/83/EG Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre, reicht die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands eines an einer schweren Krankheit leidenden Ausländers, die auf das Fehlen einer angemessenen Behandlung in seinem Herkunftsland zurückzuführen ist, ohne dass diesem die Versorgung absichtlich verweigert wurde, nicht aus, um ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen (EuGH, U.v. 18.12.2014 – C-542/13 – juris Rn. 35 f., 39 f.). Daher liegt nur bei einer absichtlichen Verweigerung von angemessener medizinischer Versorgung im Zielstaat ein subsidiären Schutz rechtfertigender Verstoß gegen Art. 3 EMRK vor.

Daran fehlt es jedoch hier, weil der Kläger ausweislich der vorgelegten Atteste wegen seiner Epilepsie bereits in seinem Herkunftsland Ägypten medikamentös behandelt worden ist (Dr., Kinderklinik der, Entlassungsbericht vom 14.11.2013, BAMF-Akte Bl. 47: Verdacht auf Epilepsie, Vormedikation mit Phenytoin; Prof. Dr., Epilepsiezentrum der, Entlassungsbericht vom 28.1.2014, BAMF-Akte Bl. 43: Vormedikation in Ägypten mit Phenytoin), ihm also die landesübliche Behandlung – selbst wenn sie nicht das Niveau der Behandlung in Deutschland erreichen sollte oder aus Sicht deutscher Mediziner zu hoch dosiert gewesen sei, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung angab – nicht verweigert worden ist, sondern tatsächlich auch erreichbar war. Die Sehschwäche mit Erforderlichkeit einer Brille (Dr., Augenarzt, Attest vom 3.2.2015, BAMF-Akte Bl. 42: Myopie, Astigmatismus, Epilepsie, Zustand nach Nasenoperation vor neun Jahren in Ägypten, Sehfähigkeit 50% beidseitig trotz Brille) ist keine Erkrankung der Schwere, dass sich der Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung. Zudem ist in Ägypten das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung eingeschränkt leistungsfähig und eine kostenlose Grundversorgung gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Unikliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten vom 15.12.2016, S. 15).

b) Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Ägypten und insbesondere nach Kairo nach derzeitigem Kenntnisstand des Gerichts auch keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Auf den Bescheid des Bundesamts wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:

a) Dem Kläger steht kein Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu, da diese Norm im Fall krankheitsbedingter Gefahren durch § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG gesperrt ist.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.

Die Vorschrift des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK findet jedoch nach deutscher Rechtslage nicht auf die o.g. besonderen Ausnahmefälle krankheitsbedingter Gefahren (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 175 f.) Anwendung, da der Bundesgesetzgeber solche Fälle in § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG als lex specialis geregelt hat. Dies ist konventions-, unions- und bundesrechtlich nicht zu beanstanden, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 ff. Rn. 16 f.), dessen Feststellung zu einer identischen Schutzberechtigung für den Betroffenen führt (vgl. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dabei liegt die Ausgestaltung eines nationalen Abschiebungsverbots in der Gestaltungshoheit des nationalen Gesetzgebers, solange er auf der Rechtsfolgenseite keinen mit dem subsidiären Schutz konkurrierenden Schutzstatus einführt (EuGH, U.v. 18.12.2014 – C-542/13 – juris Rn. 42 f.).

b) Ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen, die eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung voraussetzt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, liegt im Fall des Klägers nicht vor.

aa) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 15). Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet (vgl. NdsOVG, B.v. 19.8.2016 – 8 ME 87.16 – juris Rn. 4). Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.

Erforderlich für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a.a.O.).

Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris Rn. 9).

bb) Diese Anforderungen sind auch mit Art. 3 EMRK vereinbar: Krankheitsbedingte Gefahren können ausnahmsweise die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllen. Solche Ausnahmefälle können vorliegen, wenn eine schwerkranke Person durch die Aufenthaltsbeendigung auch ohne eine unmittelbare Gefahr für ihr Leben schon wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Aufnahmeland oder weil sie dazu keinen Zugang hat, tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wird, dass sich ihr Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 183). Solche Gesundheitsgefahren muss der Ausländer allerdings mit ernst zu nehmenden Gründen geltend machen und daraufhin der Konventionsstaat sie in einem angemessenen Verfahren sorgfältig prüfen, wobei die Behörden und Gerichte des Konventionsstaats die vorhersehbaren Folgen für den Betroffenen im Zielstaat, die dortige allgemeine Situation und seine besondere Lage berücksichtigen müssen, ggf. unter Heranziehung allgemeiner Quellen wie von Berichten der Weltgesundheitsorganisation oder angesehener Nichtregierungsorganisationen sowie ärztlicher Bescheinigungen über den Ausländer (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 186 f. m.w.N.). Dies mündet in eine Vergleichsbetrachtung der Folgen einer Abschiebung für den Betroffenen durch einen Vergleich seines Gesundheitszustands vor der Abschiebung mit dem, den er nach Abschiebung in das Bestimmungsland haben würde. Maßgeblich ist eine nur ausreichende Behandlung, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu verhindern, nicht, ob die medizinische Versorgung im Zielstaat der medizinischen Versorgung im Konventionsstaat mindestens gleichwertig ist, denn Art. 3 EMRK garantiert kein Recht, im Zielstaat eine besondere Behandlung zu erhalten, welche der Bevölkerung nicht zur Verfügung steht (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 188f . m.w.N.). Die erforderliche Prüfung umfasst auch, inwieweit der Ausländer tatsächlich Zugang zu der Behandlung und den Gesundheitseinrichtungen im Zielstaat hat, wobei die Kosten für Medikamente und Behandlung berücksichtigt werden müssen, ob ein soziales und familiäres Netz besteht und wie weit der Weg zur erforderlichen Behandlung ist (ebenda Rn. 190 m.w.N.). Wenn nach dieser Prüfung ernsthafte Zweifel bleiben, ist Voraussetzung für die Abschiebung, dass der abschiebende Staat individuelle und ausreichende Zusicherungen des Aufnahmestaats erhält, dass eine angemessene Behandlung verfügbar und für den Betroffenen zugänglich sein wird, so dass er nicht in eine Art. 3 EMRK widersprechende Lage gerät (ebenda Rn. 191).

cc) Bei dem Kläger ist nach derzeitigem Verfahrensstand unter Berücksichtigung der vorgelegten (fach-)ärztlichen Atteste nicht von einer erheblichen Gesundheitsgefährdung bei Abbruch der laufenden Behandlung auszugehen.

Gemäß dem letzten fachärztlichen Attest (Dr., Facharzt für Neurologie u.a., Arztbrief vom 4.9.2017, VG-Akte Bl. 17, Diagnose: Epilepsie; Anamnese: Kontrolluntersuchung, der letzte Anfall liegt ca. drei Jahre zurück) ist eine weitere medikamentöse Behandlung erforderlich, welche der Kläger auch in Ägypten erhalten hat und künftig erhalten kann (vgl. oben).

4. Nachdem sich auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG als rechtmäßig erweist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Kläger (ägyptischer Staatsangehöriger und koptischer Christ) wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. Dezember 2016, mit dem (u.a.) der Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) als unzulässig abgelehnt sowie der Antrag auf Abänderung des früheren Bescheids vom 7. Februar 2014 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG abgelehnt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 22. Dezember 2016 verwiesen.

Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat mit Urteil vom 28. Juni 2017 die auf Aufhebung des genannten Bescheids und auf Verpflichtung der Beklagten gerichtete Klage, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylG), hilfsweise, subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) zuzuerkennen, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts „müssten koptische Christen überall und zu jeder Zeit mit Gewalttaten und Ermordung wegen ihres christlichen Bekenntnisses rechnen“. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten des Klägers vom 31. Juli 2017 und 16. August 2017 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor.

1. Der in der Sache allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist vom Kläger nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.

a) Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2017 – 15 ZB 17.30355 – juris Rn. 4; B.v. 14.9.2017 – 11 ZB 17.31124 – juris Rn. 2).

b) Das Verwaltungsgericht hat sich in seiner angefochtenen Entscheidung sehr ausführlich mit der Frage befasst, ob koptische Christen in Ägypten derzeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Es hat diese Frage jedoch verneint, weil nicht erkennbar sei, „dass Verfolgungshandlungen auf alle sich im Verfolgungsgebiet aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht“. Das Verwaltungsgericht hat bei seiner tatsächlichen und rechtlichen Würdigung die vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren genannten und auch sonst bekannt gewordenen Verfolgungshandlungen berücksichtigt.

c) Der Kläger tritt der Würdigung des Verwaltungsgerichts zwar unter Wiederholung und Ergänzung seines bisherigen Vorbringens mit der Benennung einzelner krimineller und terroristischer Taten in Bezug auf koptische Christen entgegen. Sein Vorbringen ist jedoch auch in der Gesamtschau nicht geeignet, die Frage einer Gruppenverfolgung koptischer Christen in Ägypten erneut als klärungsbedürftig anzusehen, weil für die Annahme einer Gruppenverfolgung die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich ist, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, das daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.9.2017 – 4 ZB 17.31091 – juris Rn. 13 m.w.N.). Gemessen daran kann gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, dass koptische Christen in Ägypten derzeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Denn Übergriffe auf koptische Christen sind – wie in der Vergangenheit bereits gerichtlich entschieden – auch derzeit noch nicht so zahlreich, dass für jeden Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft die begründete Furcht bestünde, in eigener Person Opfer von Übergriffen zu werden (aktuell z.B. VG Düsseldorf, U.v. 3.7.2017 – 12 K 463/16.A – juris Rn. 21 ff. m.w.N.; VG Augsburg, U.v. 15.2.2017 – Au 6 K 17.30079 – juris Rn. 22 ff.).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am ... 1996 geborene Kläger ist ägyptischer Staatsangehöriger. Er hat bereits am 12.11.2013 einen Asylantrag gestellt, der vom zum Vormund bestimmten Stadtjugendamt ... am 30.01.2014 zurückgenommen wurde. In dem Schreiben wird ausgeführt, dass der Kläger seinen Asylantrag zurücknehmen und nach Ägypten zurückkehren wolle. Er leide seit seiner Einreise unter wiederkehrenden psychosomatischen Störungen und wolle nicht in Deutschland bleiben. Das Bundesamt hat deshalb mit Bescheid vom 07.02.2014 das Asylverfahren eingestellt, festgestellt dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen und den Kläger zur Ausreise innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung aufgefordert, widrigenfalls er nach Ägypten abgeschoben werde. Dieses Verfahren wurde bestandskräftig.

Am 07.06.2014 stellte der Kläger einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Auf einem Formular zur Folgeantragstellung gab der Kläger an, er könne keine neuen Gründe für die Antragstellung nennen.

Mit Bescheid vom 22.12.2016 lehnte das Bundesamt den Folgeantrag als unzulässig ab (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 07.02.2014 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Nr. 2) und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, widrigenfalls er nach Ägypten abgeschoben werde (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4). Auf die Begründung des Bescheids, der dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 28.12.2016 zugestellt wurde, wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.01.1017 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und am 30.05.2017 beantragt,

  • 1.die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 22.12.2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen;

  • 2.hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutz im Sinne des § 4 AsylG zuzuerkennen,

  • 3.weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger sei koptischer Christ. Sein erster Asylantrag sei vom Stadtjugendamt ... ohne Kenntnis des Klägers zurückgenommen worden. Die Asylfolgeantragstellung sei ohne Unterstützung eines Dolmetschers erfolgt. Aus diesem Grund habe er in dem Formular die Frage nach neuen Gründen mit „Nein“ angekreuzt. Der Kläger habe jedoch neue Asylgründe. Aufgrund seiner Religionszugehörigkeit habe er bei einer Rückkehr nach Ägypten mit asylrelevanter Verfolgung zu rechnen. Am 23.12.2016 sei ein islamistischer Anschlag auf die koptische Kathedrale in Kairo erfolgt. Am 16.01.2017 sei in Kairo ein Christ ermordet in seiner Wohnung aufgefunden worden. Dies sei bereits der fünfte derartige Vorfall in Ägypten im Januar 2017 gewesen. Am 20.02.2017 habe der „Islamische Staat“ ein Droh-Video veröffentlicht, in dem er den Christen in Ägypten den Krieg erklärt. Nach Informationen der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) seien allein in den vergangenen drei Wochen in Nordsinai vier koptische Christen von radikalen Islamisten ermordet und eine unbekannte Zahl vertrieben worden. Am 09.04.2017 seien bei zwei Anschlägen in Kirchen mindestens 36 Menschen getötet und viele verletzt worden. Diese Anschläge seien auf die Kirche St. Georg in der nordägyptischen Stadt Tanta und in der St. Markus-Kathedrale in Alexandria erfolgt. Der IS habe sich zu den Taten bekannt und habe mit weiterer Gewalt gegen Christen gedroht. Am 13.04.2017 sei in Oberägypten ein junger kurdischer Christ ermordet worden. Am 26.05.2017 habe eine Splittergruppe des Terrornetzwerks IS den Bus einer christlichen Reisegruppe in Al Minya beschossen und dabei mindestens 29 Menschen getötet. Der Kläger fürchte deshalb bei einer Rückkehr nach Ägypten um sein Leben. Er werde auch sofort als Christ erkannt aufgrund eines Kreuz-Tattoos auf seiner rechten Hand.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23.01.2017 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss der Kammer vom 07.06.2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

a. Statthaft ist lediglich der Klageantrag zu 1, soweit darin die Aufhebung des Bescheids der Beklagten von 22.12.2016 beantragt wird.

Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4.16 -, juris, Rn. 15 ff.) ist seit Inkrafttreten des Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl. I S. 1939) am 06.08.2016 - also nach der Änderung des Asylgesetzes, die Entscheidung, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG stellt einen der Bestandskraft fähigen, anfechtbaren Verwaltungsakt dar. Der Asylsuchende muss die Aufhebung des Bescheids, mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zum Folgeantrag eine Verpflichtung der Gerichte zum „Durchentscheiden“ angenommen und dementsprechend die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageart betrachtet worden ist, hält das BVerwG, dessen Auffassung sich das erkennende Gericht anschließt, daran mit Blick auf die Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts nicht mehr fest

b. In der Sache hat die Anfechtungsklage jedoch keinen Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (§ 71 Abs. 1 AsylG) noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Als rechtmäßig erweisen sich auch die Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots.

aa. Nach § 71 Abs. 1 AsylVfG ist auf einen Folgeantrag hin ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - vorliegen, d.h., wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Abs. 1 Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung her beigeführt haben würden (Abs. 1 Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind. Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Nach § 51 Abs. 3 VwVfG muss der Antrag binnen drei Monaten seit dem Tag gestellt werden, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, ist der Folgeantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 als unzulässig abzulehnen. Gemäß § 71 Abs. 4 Halbs. 1 AsylG sind dann die §§ 34, 35 und 36 AsylG entsprechend anzuwenden.

Der Folgeantrag des Klägers wurde zu Recht abgelehnt.

Individuelle Gründe für ein Wiederaufgreifen seit dem bestandskräftigen Abschluss des Erstverfahrens hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht geltend gemacht. Soweit er angibt, er sei im Erstverfahren zu seinen Ausreisegründen nicht angehört worden, ist dies darauf zurückzuführen, dass sein Vormund bereits vor einer Anhörung den Asylantrag zurückgenommen hat. Der Kläger hat entgegen den Angaben im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten auch nicht bestritten, dass das Stadtjugendamt ... den Asylantrag mit seinem Einverständnis zurückgenommen hat. Er habe es sich erst danach wieder anders überlegt. Somit kann der Kläger mit den Gründen, die zu seiner Ausreise geführt haben (Probleme mit irgendwelchen kriminellen Personen in der Schule) im Folgeverfahren nicht mehr gehört werden. Seine Angabe, seine Mutter sei von diesen Personen überfahren und schwer verletzt worden, ist als neue Tatsache in keiner Weise substantiiert. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich um einen reinen Verkehrsunfall gehandelt hat.

Soweit sich der Kläger auf eine Gefährdung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit beruft, ist ebenfalls kein Wiederaufgreifensgrund gegeben.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass koptische Christen in Ägypten derzeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind.

Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt voraus, dass entweder sichere Anhaltspunkte für ein an asylerhebliche Merkmale anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen (was ersichtlich nicht der Fall ist), oder es ist eine bestimmte Verfolgungsdichte erforderlich, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (höchstrichterliche Rechtsprechung vgl. zuletzt BVerwG v. 21.04.2009, Az.: 10 C 11.08, AuAs 2009, 173-175, zu Sunniten im Irak; ferner BVerwG v. 01.02.2007, Az.: 1 C 24.06, NVwZ 2007, 590 = InfAuslR 2007, 211 = AuAS 2007, 68, zu Tschetschenen; BVerwG v. 05.01.2007, Az.: 1 B 59.06, juris; BVerwG v. 18.07.2006, Az.: 1 C 15.05, BVerwGE 126, 243 = NVwZ 2006, 1420 = DVBl 2006, 1512 = ZAR 2006, 410 = InfAuslR 2007, 33 = BayVBl 2007, 151, zu Christen im Irak; jeweils mit weiteren Nachweisen).

Koptische Christen die etwa 10% der Gesamtbevölkerung in Ägypten (mehr als 80 Mio.) ausmachen, stellen nach ihrer eigenen Wahrnehmung keine Minderheit dar. Sie waren in den letzten Jahren massiver gesellschaftlicher und staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Bereits im August 2013 kam es zu einer Welle der Gewalt, die im Mai 2016 wieder aufflammte, wobei koptische Kirchen attackiert und Christen getötet wurden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15.12.2016; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf vom 20.01.2017). Die unbestreitbar vorliegenden Spannungen und damit einhergehenden Gewaltausbrüche erreichen in der Gesamtwürdigung aber nicht die Dichte, die für die Betroffenen eine Verfolgung begründen könnte. Es ist nicht erkennbar, dass Verfolgungshandlungen auf alle sich im Verfolgungsgebiet aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (VG Köln, U.v. 10.11.2016 - 6 K 5496/15.,A, juris; VG Aachen, U.v. 26.07.2016 - 3 K 664/16.A, juris.).

Die vom Klägervertreter aufgezählten Angriffe und Opfer aus neuerer Zeit sind über die Auskünfte und Medien verifiziert, bzw. können als wahr angenommen werden. Sie stellen aber weder qualitativ noch quantitativ eine Steigerung gegenüber den bereits zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers bekannten Ausschreitungen gegen Christen dar und somit keine neue Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG.

bb. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurden zu Recht nicht zuerkannt.

Dabei ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG seit dem Inkrafttreten des Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl. I S. 1939) am 06.08.2016 auch unzulässige Asylanträge - also auch Folgeanträge (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG) - erfasst. Nach dieser Vorschrift ist u.a. in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Dies bedeutet, dass in noch anhängigen Asylverfahren, die einen Asylfolgeantrag zum Gegenstand haben, jedenfalls nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Regelung die Feststellung, ob die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots vorliegen, entgegen der früheren Rechtslage unabhängig davon zu treffen ist, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen oder das Bundesamt gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. den §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zu § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zurückgenommen oder widerrufen wird (so auch VG Oldenburg, Beschluss vom 13.03.2017 - 3 B 1322/17, juris, Rn. 11). Das Bundesamt - oder ggf. im weiteren Verfahren das Gericht - hat daher ohne die Einschränkungen des § 51 Abs. 1 bzw. Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG im Falle eines Folgeverfahrens eine Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG durchzuführen.

Vorliegend hat die Beklagte bezüglich der Abschiebungsverbote nur eine Entscheidung nach § 51 VwVfG getroffen. Dies verletzt den Kläger jedoch nicht in seinen Rechten, denn in der Begründung des Bescheides vom 22.12.2016 (Seite 3) hat die Beklagte selbst ausgeführt, dass unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidungen zu § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG nicht in Betracht kommt. Insoweit hat sie das Vorliegen von Abschiebungsverboten zumindest inzident geprüft und verneint.

Ein Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG ist auch im gerichtlichen Verfahren nicht ersichtlich, nachdem individuelle Gründe für ein Rückkehrhindernis nicht glaubhaft gemacht sind.

Der Kläger kommt nach eigenen Angaben aus einer Stadt mit ca. 150.000 Einwohnern in dem mittelägyptischen Departement Al-Minya. Sein Vater ist dort Beamter in der ..., seine Mutter arbeitet Teilzeit ..., seine Schwester ist Schülerin und sein Bruder lebt und arbeitet in Kairo. Es ist nicht ersichtlich, wieso der Kläger bei einer Rückkehr in den Kreis seiner Familie einer relevanten Gefahr ausgesetzt wäre.

cc. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Nr. 3, wonach die Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert worden sind, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn sein Folgeantrag ist, wie oben ausgeführt, unzulässig und ihm stehen weder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu, noch besitzt er einen asylunabhängigen Aufenthaltstitel (§ 34 AsylG).

dd. Gegen die Bemessung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG (Nr. 4) bestehen ebenfalls keine Bedenken.

2. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b Abs. 1 AsylVfG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Die Kläger, die keine Ausweisdokumente vorlegten, wenden sich gegen die Ablehnung ihres Asylbegehrens.

1. Der Kläger zu 1 (geb.: ... 1982) und seine Ehefrau, die Klägerin zu 2 (geb.: ... 1991) sind nach eigenen Angaben nigerianische Staatsangehörige, geboren in, Volkszugehörigkeit Edo, christlichen Glaubens. Sie sind die Eltern der Klägerin zu 3, die am ... 2014 in …Italien geboren ist.

Die Kläger zu 1 bis 3 reisten (nach eigenen Angaben) am 1. Oktober 2014 mit dem Zug aus Italien kommend illegal in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 23. Februar 2015 stellten die Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) Asylanträge.

An diesem Tag (23.2.2015) fand das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens statt, bei dem die Kläger zu 1 und 2 getrennt voneinander beim Bundesamt angehört wurden.

Dabei gab der Kläger zu 1 u.a. an, er habe die Klägerin zu 2 am 1. Mai 2014 in ... geheiratet. Sein Herkunftsland habe er im Januar 2005 verlassen. Seit dem Verlassen seines Herkunftslandes habe er sich in Niger (2 Monate), Libyen (4 Jahre) und Italien (5 Jahre) aufgehalten. Im März 2009 habe er in Italien einen Asylantrag gestellt.

Die Klägerin zu 2 gab u.a. an, sie habe ihr Herkunftsland am 5. Januar 2013 verlassen und sei nach Italien gereist. Dort habe sie sich 1 Jahr 10 Monate aufgehalten. Im Februar 2014 seien ihr in Italien die Fingerabdrücke abgenommen worden.

Im Aktenvermerk des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 wird festgestellt, dass kein Dublin-Verfahren durchzuführen sei. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens sei abgelaufen. Die Zuständigkeit sei auf Deutschland übergegangen.

Am 11. Oktober 2016 wurden die Kläger zu 1 und 2 getrennt voneinander beim Bundesamt persönlich angehört.

Der Kläger zu 1 führte im Wesentlichen aus, er habe in Nigeria eine ID-Card, einen Wählerausweis und eine Geburtsurkunde gehabt. Diese Dokumente habe er in Nigeria zurückgelassen. Er sei zwölf Jahre zur Schule gegangen und habe den Schulabschluss „West African Examination“ (WAE), der dem deutschen Abitur entspreche. Studiert habe er nicht. Er habe Maler und Friseur gelernt. Er habe als selbständiger Maler gearbeitet, davon aber nicht leben können. Seine Mutter habe ihn unterstützt.

Seine letzte offizielle Adresse, unter der er sich in Nigeria bis zur Ausreise aufgehalten habe, laute: „..." ... Sein Heimatland habe er im Januar 2002 verlassen. Vor der Einreise nach Deutschland habe er sich in Niger (2-3 Wochen), Libyen (ca. 5 Jahre) und in Italien (5 Jahre 6 Monate) aufgehalten. Sein Bruder habe ihn in Nigeria abgeholt und nach Libyen gebracht. In Italien habe er als Erntehelfer gearbeitet. Er habe drei Jahre lang jeweils eine Erlaubnis für jeweils sechs Monate erhalten, die immer wieder verlängert worden sei. Dann sei die Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verlängert worden, er habe allerdings eine Duldung gehabt. Der Vermieter habe seine Dokumente einbehalten und an die Polizei gegeben, weil er die Miete nicht mehr habe bezahlen können.

Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter lebe unter der angegebenen Adresse. In Nigeria lebten noch eine Schwester und zwei Brüder. Ein Bruder lebe in Deutschland. In ... lebten noch zwei Tanten und vier Onkel väterlicherseits und ein Onkel und eine Tante mütterlicherseits. Der Bruder, der ihn in Nigeria abgeholt habe, sei in Libyen verstorben.

Zu den Gründen seines Asylantrags trug der Kläger zu 1 im Wesentlichen vor, als er Friseur gelernt und als Maler gearbeitet habe, habe er Probleme mit den Angehörigen eines Kults gehabt. Er sollte ihrem Kult beitreten. Vermutlich hätten sie gedacht, er könne ihnen Geld geben und den Mitgliedsbeitrag zahlen, weil er ein Einkommen gehabt habe. Er habe es abgelehnt, dem Kult beizutreten. Diese Leute hätten ihn aber jeden Tag bedrängt und ihn auf der Straße verfolgt. Das sei so drei Wochen gegangen und dann habe es Streit gegeben. Sein Bruder sei eingeschritten und es sei in einen Kampf ausgeartet. Sein Bruder sei verletzt worden. Dann seien diese Leute auch zu ihnen nach Hause gekommen und hätten auch seine ganze Familie verprügelt, auch seine Mutter. Seine Mutter sei zur Kriminalpolizei gegangen (CID – Criminal Investigation Department) und habe Anzeige erstattet. Diese Leute seien eingesperrt, aber zwei Tage später wieder entlassen worden. Er habe sich dann nicht mehr getraut, in den Friseursalon zu gehen. Seine Brüder hätten gesagt, der Kampf sei nicht zu gewinnen und er solle, wenn er dem Kult nicht beitreten wolle, lieber das Land verlassen. Seine Mutter habe seinen Bruder in Libyen angerufen, dieser sei gekommen und habe ihn nach Libyen mitgenommen.

Auf Nachfragen gab der Kläger zu 1 an, dass der Kult „Aiye“ heiße. Als Mitglied des Kults hätte er erpressen, rauben, vergewaltigen und mit den Mitgliedern anderer Kulte kämpfen müssen. Da er außerhalb von ... niemanden gekannt habe, sei er zu seinem Bruder nach Libyen gegangen. Er würde sich eher umbringen, als nach Nigeria zurückzukehren. Er könne seine Frau und seine Kinder nicht nach Nigeria bringen. Diese Gruppe würde ihn umbringen. Auch in ... hätten solche Kultanhänger einen Mord begangen.

Er habe seine Frau traditionell geheiratet. Seine Familie und die Familie seiner Frau hätten in Nigeria vereinbart, dass sie als verheiratet gelten sollen.

Er mache seine Asylgründe auch für die Klägerin zu 3 und seinen Sohn ... (geb.: ... 2015 in Deutschland) geltend.

Die Klägerin zu 2 führte aus, sie habe Nigeria im Januar 2013 verlassen. Ihre letzte offizielle Adresse, unter der sie sich in Nigeria bis zur Ausreise aufgehalten habe, laute: ... Sie sei mit dem Bus über Benin und Togo nach Ghana gefahren und sei dort ca. zwei Monate lang geblieben. Von Ghana aus sei sie nach Italien geflogen und habe dort knapp ein Jahr gelebt. Von Italien seien sie mit dem Zug über Österreich nach Deutschland gefahren.

Ihre Mutter sei verstorben. Ihr Vater ... lebe in der Stadt ... In Nigeria habe sie noch zwei Brüder und eine Schwester. Sie wisse aber nicht genau, wo diese leben. Im Dorf ..., habe sie noch eine Tante und zwei Onkel. Sie habe sechs Jahre die Grundschule und vier Jahre die Oberschule besucht. Sie habe sich selbst schneidern beigebracht, aber damit kein Geld verdient. Sie habe als Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet.

Zu den Gründen ihres Asylantrags trug die Klägerin zu 2 im Wesentlichen vor, sie habe bei ihrer Großmutter gewohnt. Diese sei krank geworden. Eine Frau, Freundin der Schwester ihrer Großmutter, habe gesagt, sie habe eine Freundin in Europa, die eine Verkäuferin für ihren Laden suche und das wäre doch etwas für sie. Sie habe das Angebot angenommen. Die Frau habe die Reise, Pass, Visum, Flugticket organisiert. Die Frau habe sie in Italien abgeholt. Dann sei sie mit der Wahrheit herausgerückt, dass sie, die Klägerin zu 2, als Prostituierte arbeiten solle. Sie habe die Kosten der Reise abarbeiten sollen. Als sie sich geweigert habe, sei sie von dem Freund der Frau geschlagen worden. Sie sei jeden Tag geschlagen worden. Sie habe es nicht mehr ausgehalten und sei davon gelaufen. Sie habe sich bei einer Freundin versteckt. In deren Haus habe sie ihren Mann kennengelernt. Die Frau habe sie in Italien weiter verfolgt und habe sie zwingen wollen, weiter für sie zu arbeiten. Sie habe auch verhindert, dass ihr Mann und sie sich ein Zimmer mieten konnten, da sie gegenüber dem Vermieter schlecht über sie geredet habe. Sie müsse sich in Nigeria vor dieser Frau fürchten. Diese würde sie in Nigeria finden und Geld von ihr verlangen. Die Frau habe Haare, Schamhaare, Fingernägel und ihre Unterhose. Sie habe Angst, dass diese Frau Juju gegen sie betreibe. Die Frau habe auch von ihrer Freundin verlangt, dass sie die Klägerin überreden solle, zurückzukommen. In Nigeria habe sie niemanden mehr. Ihr Vater sei mit einer Frau verheiratet, die sie nicht möge.

Auf die Frage nach ihrer Eheschließung trug die Klägern zu 2 vor, sie hätten traditionell geheiratet. Die Mutter ihres Ehemannes habe ihren Vater besucht und die Mitgift bezahlt. Standesamtlich geheiratet hätten sie nicht.

2. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger zu 1 bis 3 auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Nr. 1), ebenso die Asylanträge (Nr. 2) und die Anträge auf subsidiären Schutz (Nr. 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Weiter wurde den Klägern zu 1 bis 3 die Abschiebung nach Nigeria angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Der Bescheid wurde den Klägern zu 1 und 2 laut Postzustellungsurkunde am 31. Dezember 2016 zugestellt.

3. Am 5. Januar 2017 ließen die Kläger durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben und beantragen,

1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. Dezember 2016 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, für die Kläger das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft, weiter hilfsweise das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes sowie schließlich wiederum hilfsweise den Klägern einen subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Rückführung der jungen Familie mit dann zwei kleinen Kindern in die desolaten Verhältnisse ihres Herkunftslandes Nigeria unzumutbar sei, so dass wenigstens der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen sein werde. Zudem würden die Kläger zu 1 und 2 bei einer Rückkehr in das Herkunftsland den barbarischen Ritus der zwangsweisen Beschneidung der Klägerin zu 3 befürchten. Aufgrund der kulturellen und familiären Verhältnisse könnten die Kläger zu 1 und 2 ihrer Tochter, der Klägerin zu 3, faktisch keinen Schutz hiervor gewähren.

Für die Beklagte legte das Bundesamt mit Schreiben vom 10. Januar 2017 die Behördenakte vor; eine Antragstellung unterblieb.

Mit Beschluss vom 10. November 2017 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylG).

Mit Schriftsatz vom 27. November 2017 legte der Klägerbevollmächtigte das ärztliche Attest des Kinder- und Jugendarztes Dr.med. ..., vor, wonach bei der Klägerin zu 3 im April 2016 durch einen ambulanten operativen Eingriff ein Weichteiltumor entfernt worden sei. Histologisch habe sich ein gutartiges Hämangiom gezeigt. Die Wundheilung sei regelrecht und das weitere Jahr beschwerdefrei gewesen. Am 13. Oktober 2017 sei wegen einer erneuten Schwellung im Nacken eine Operation ambulant durchgeführt worden. Auch diesmal sei von Seiten der Pathologie im histologischen Präparat die Diagnose eines nicht malignen, kavernösen Hämangioms gestellt worden. Die Wundheilung sei im Verlauf regelrecht, ein Rezidiv sei bislang nicht festgestellt worden, Weitere Kontrollen seien laut den Berichten der Kinderchirurgie nicht vorgesehen.

4. Am 13. Dezember 2017 wurde die Verwaltungsstreitsache, zusammen mit dem Verfahren des am ... 2015 in Deutschland geborenen Sohnes der Kläger zu 1 und 2, ... (Az.: Au 7 K 17.30061), mündlich verhandelt. Ein Vertreter der Beklagten ist nicht erschienen. Die Kläger zu 1 und 2 wurden informatorisch angehört. Der Bevollmächtigte der Kläger zu 1 bis 3 beantragte,

Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Dezember 2016 verpflichtet, den Klägern zu 1 bis 3 die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihnen den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

5. Hinsichtlich des am ... 2015 in Deutschland geborenen Sohnes der Kläger zu 1 und 2,, stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 3. Januar 2017 das Asylverfahren ein (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2) und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).

Gegen diesen Bescheid ließen die Eltern am 5. Januar 2017 Klage erheben, die bei Gericht unter dem Aktenzeichen Au 7 K 17.30061 geführt wird. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde im Hinblick auf die Nr. 3 des Bescheids vom 3. Januar 2017(Abschiebungsandrohung) stattgegeben, im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil vom 13. Dezember 2017 (Az.: Au 7 K 17.30061) aufgrund der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2017 wurde die Nr. 3 des Bescheids vom 3. Januar 2017 aufgehoben, im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

6. Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und auf die Behördenakten, auch im Verfahren des Kindes ... (Az.: Au 7 K 17.30061), sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten mit der Ladung hierauf hingewiesen wurden (§ 102 Abs. 2 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO).

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Bescheid des Bundesamts vom 23. Dezember 2016 ist, soweit er mit Ausnahme der Nr. 2 angefochten wurde, im gemäß § 77 Abs. 1, Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig. Die Kläger zu 1 bis 3 haben keinen Anspruch auf Zuerkennung internationalen Schutzes oder auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote im Hinblick auf Nigeria und werden durch den Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz (§ 3 ff AsylG) kommt nicht in Betracht.

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Es ist Sache des Ausländers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU). Der Ausländer hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört u.a., dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Schutzsuchende sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen muss. Es obliegt dabei dem Schutz vor Verfolgung Suchenden, die Voraussetzungen hierfür glaubhaft zu machen. Er muss nachvollziehbar machen, wieso und weshalb gerade er eine Verfolgung befürchtet. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es regelmäßig, wenn er im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen oder er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgebend bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Asylverfahren einführt. In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (vgl. BayVGH, U.v. 26.1.2012 – 20 B 11.30468 m.w.N.).

a) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger zu 1 keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

aa) Der Kläger zu 1 ist bereits deswegen kein Flüchtling, weil er sein Heimatland Nigeria nicht aus Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verlassen hat, und er eine Verfolgung aus solchen Gründen auch im Falle der Rückkehr nicht zu befürchten hat. Denn die Behauptung des Klägers, ein krimineller Geheimbund (Kult) namens Aiye habe ihn zur Mitgliedschaft bzw. zu dessen Unterstützung zwingen wollen und im Falle der Rückkehr befürchte er, von diesem Geheimbund weiterhin verfolgt zu werden, lässt einen der Verfolgungsgründe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3 b AsylG nicht erkennen.

bb) Zudem kann dem Kläger seine Verfolgungsgeschichte, nämlich dass er in Nigeria von den Anhängern des Aiye-Kults zur Mitgliedschaft gezwungen werden sollte, auch nicht geglaubt werden.

Beim Bundesamt gab der Kläger an, er sei drei Wochen lang von Mitgliedern des Kults bedrängt und auf der Straße verfolgt worden. Sein Bruder sei eingeschritten, es sei in einen Kampf ausgeartet und sein Bruder sei verletzt worden. Dann seien diese Leute zu ihnen nach Hause gekommen und hätten seine ganze Familie, einschließlich seiner Mutter, verprügelt. Diese habe Anzeige bei der Kriminalpolizei erstattet und diese Leute seien eingesperrt, nach zwei Tagen aber wieder entlassen worden. Er habe sich dann nicht mehr getraut, in den Friseursalon zu gehen (s. Anhörungsprotokoll S. 3/4, Bl. 61/62 der Bundesamtsakte).

In der mündlichen Verhandlung erwähnte der Kläger den (angeblichen) Vorfall, dass sein Bruder eingeschritten und im Rahmen eines Kampfes verletzt worden sei, überhaupt nicht mehr. Vielmehr gab er nun an, er selbst sei wegen seiner Weigerung, dem Kult beizutreten, zusammengeschlagen worden; dies sei ca. Anfang Januar 2002 in dem Friseursalon, in dem er gearbeitet habe, passiert. Dann seien die Leute von dem Kult zu ihnen nach Hause gekommen und hätten sie alle verprügelt (s. Sitzungsniederschrift S. 5).

Diese unterschiedliche Darstellung von den Ereignissen, die sich im Rahmen der (angeblichen) Anwerbungsversuche des Kults zugetragen haben sollen, zeigen zur Überzeugung des Gerichts, dass der Kläger keine wahren Begebenheiten geschildert hat. Denn wäre die Verfolgungsgeschichte wahr, dann hätte er so einschneidende Vorfälle – Gewaltanwendung gegenüber seinem Bruder, der sich für ihn eingesetzt hat, einerseits und/oder Gewaltanwendung gegenüber ihm selbst an seiner Arbeitsstätte andererseits – widerspruchsfrei bzw. vollständig und schlüssig schildern können, zumal die Zeitspanne zwischen den Anwerbungsversuchen des Kults und seiner Ausreise aus Nigeria nicht lang gewesen sein soll, wie er sowohl beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung behauptet hat.

cc) Aber selbst wenn der Kläger zu 1 tatsächlich im Zeitraum von ca. Oktober 2001 bis zu seiner Ausreise Ende Januar 2002 (s. Sitzungsniederschrift S. 4) von Anwerbungsversuchen eines Geheimbunds namens Aiye betroffen gewesen wäre, dann besteht jedenfalls derzeit kein Anhaltspunkt dafür, dass er im Falle der Rückkehr, also nach fast 16 Jahren, immer noch eine (asyl-) relevante Verfolgung seitens des Geheimbunds zu erwarten hätte. Nach den eigenen Angaben des Klägers ist er „nur“ über einen Zeitraum von ca. drei bis vier Monaten Anwerbungsversuchen ausgesetzt gewesen, aber niemals Mitglied dieses Geheimbunds geworden und hat damit keinerlei Kenntnisse z.B. über von diesem konkret begangene Straftaten oder Rituale oder sonstige Geheimnisse erlangt. Nach den Schilderungen des Klägers haben nach seiner Ausreise aus Nigeria auch keinerlei Racheaktionen oder andere (kriminelle) Maßnahmen des Geheimbunds gegenüber seiner Familie stattgefunden; derartiges hat er jedenfalls mit keinem Wort erwähnt. Dies spricht dafür, dass mit der Ausreise des Klägers auch jegliches Interesse des Geheimbunds an seiner Person geendet hat (sollte solches überhaupt jemals bestanden haben). Damit ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger zu 1, wenn er nach ca. 16-jähriger Abwesenheit nach Nigeria zurückkehrt, Verfolgungsmaßnahmen seitens des Geheimbundes zu erwarten hätte.

dd) Zudem ist der Kläger zu 1 auf eine inländische Fluchtalternative zu verweisen. Gemäß § 3e AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Selbst wenn das Vorbringen des Klägers zu 1, er hätte Ende 2001/Anfang 2002 Mitglied eines (kriminellen) Geheimbunds werden sollen, als wahr unterstellt werden würde, kann in seinem Falle nicht von landesweiter Verfolgung ausgegangen werden, gegen die interner Schutz in diesem Sinne nicht erlangt werden kann. Es kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Geheimbund dem Kläger zu 1 (sowie seiner Frau und seinen Kindern) landesweit nachstellen würde (siehe unter cc)). Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass Mitglieder des Kults den Kläger zu 1, wenn dieser (mit seiner Familie) nach 16-jähriger Abwesenheit nach Nigeria zurückkehrt, ausfindig machen können. In einem Land mit einer Bevölkerung von ca. 180 Millionen bzw. einer Millionenstadt wie Lagos (Bevölkerung 18 Mio.; zu beiden Zahlen vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/ DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Nigeria.html?nnm=383178) ohne funktionierendes Meldesystem lässt sich in keiner Weise nachvollziehen, wie dem Geheimbund, selbst wenn er ein überregionales Netzwerk haben sollte, das gelingen sollte. Damit sprechen stichhaltige Gründe gegen eine Verfolgung bei Rückkehr des Klägers zu 1, der nunmehr seit ca. 16 Jahren nicht mehr in Nigeria lebt. Auch ist der Kläger zu 1 (wie seine Frau und die Kinder) Christ, so dass ihm auch aus diesem Grund zuzumuten ist, sich anderweit im überwiegend christlichen Süden bzw. Südwesten des Landes niederzulassen, wenn ihm eine Rückkehr nach ... zu gefährlich erscheinen sollte. Da in Nigeria Freizügigkeit herrscht, kann der Kläger sich in anderen Landesteilen ansiedeln.

b) Auch die Klägerin zu 2 hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Der Klägerin zu 2 droht im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria keine politische Verfolgung. Ihr Vorbringen, sie sei nach Italien eingeschleust worden und habe in ... als Prostituierte arbeiten müssen, sei aber davon gelaufen und habe sich bei einer Freundin versteckt, wo sie den Kläger zu 1 kennengelernt habe, ist nicht glaubhaft, so dass auch ihre Behauptung, sie hätte bei einer Rückkehr nach Nigeria eine Verfolgung durch die Schleuser bzw. Zuhälter zu erwarten, nicht zutreffend bzw. nicht glaubhaft ist.

Dem Gericht ist bekannt, dass eine Vielzahl nigerianischer Frauen zum Zweck der Zwangsprostitution nach Europa verbracht wird (vgl. z.B. Informationszentrum Asyl und Migration, Nigeria, Dezember 2011, „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen aus Nigeria“). Die Klägerin zu 2 gehört jedoch offensichtlich nicht zu diesem Personenkreis. Ihre Behauptungen beim Bundesamt und insbesondere in der mündlichen Verhandlung, wie es ihr gelungen sei, ihrer Zuhälterin (diese werden in der Regel als „Madame“ bezeichnet) nach kurzer Zeit zu entkommen und aus der Zwangsprostitution auszusteigen, ohne ihre Schulden auch nur annähernd abgearbeitet zu haben, ist vollkommen realitätsfern und ersichtlich frei erfunden. Hierzu hat die Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, sie sei ungefähr am 13. Februar 2013 in Italien angekommen und habe in ... ca. drei Monate als Prostituierte arbeiten müssen. Eines Tages, als die Frau, die sie zur Prostitution gezwungen habe, nicht da gewesen sei, sei sie zu einer Freundin gelaufen. Diese Freundin habe ebenfalls in ... gewohnt und in einer Bar gearbeitet, die sie, die Klägerin zu 2, mit ihrer Zuhälterin gelegentlich besucht habe (siehe Sitzungsniederschrift S. 8/9).

Nach diesen Angaben wäre die Klägerin etwa im Mai/Juni 2013 zu der Freundin gezogen und hätte noch gut über ein Jahr (Ankunft in Deutschland: Oktober 2014) in ... gelebt, ohne dass man sie in dieser Zeit in die Zwangsprostitution zurückgezwungen hätte.

Nigerianerinnen, die nach Europa eingeschleust werden, um dort als Prostituierte zu arbeiten, werden üblicherweise Kosten zwischen 40.000 und 100.000 US-Dollar in Rechnung gestellt, die sie abarbeiten müssen (vgl. Informationszentrum Asyl und Migration, Nigeria, Dezember 2011, „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen aus Nigeria“,4.2, S. 8). Dass die Klägerin „Schulden“ in einer solchen Höhe nach nur drei Monaten Arbeit als Prostituierte nicht einmal annähernd abgearbeitet haben könnte, liegt auf der Hand. Hätte sie sich trotzdem nach so kurzer Zeit abgesetzt und nicht mehr als Prostituierte gearbeitet, wären mit Sicherheit erhebliche Anstrengungen seitens ihrer Zuhälter unternommen worden, um sie (notfalls auch mit Gewalt) zurückzuholen. In diesem Zusammenhang ist die Behauptung der Klägerin zu 2, sie habe sich nach ihrer „Flucht“ aus der Zwangsprostitution weiterhin in ... aufgehalten und zwar bei einer Frau, die aufgrund ihrer Arbeit in einer Bar auch der „Madame“ bekannt gewesen sein müsste, ersichtlich frei erfunden. Denn unter den geschilderten Umständen wäre ihr Aufenthaltsort mit Sicherheit, angesichts des von den Zuhältern in aller Regel unterhaltenen Netzwerks, sehr bald entdeckt worden und sie wäre zurückgeholt worden. Auch erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass eine Frau, die die Klägerin zu 2 nach eigenen Angaben nur recht kurz gekannt haben könnte und die aufgrund ihrer Arbeit in einer Bar, die von nigerianischen Zwangsprostituierten und ihren Zuhältern besucht wird, in diesem Umfeld bekannt gewesen wäre, der Klägerin zu 2 Unterschlupf geboten und sich damit selbst in Gefahr gebracht hätte.

Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin zu 2 zu den Gründen und Umständen ihres Aufenthalts in Italien die Unwahrheit gesagt hat. Damit ist auch kein Grund ersichtlich, dass bzw. warum der Klägerin zu 2 im Falle der Rückkehr nach Nigeria Verfolgung drohen könnte.

c) Auch die (am ... 2014 in ... geborene) Klägerin zu 3, für die die Gefahr der Genitalverstümmelung geltend gemacht wird, hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Grundsätzlich ist zwar eine im Heimatland (hier: Nigeria) drohende Genitalverstümmelung als politische Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG anzusehen. Zur Überzeugung des Gerichts kann hier aber von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit – eine „Vorverfolgung“ fand nicht statt, da die Klägerin zu 3 in Italien geboren wurde – eintretenden Gefahr der Genitalverstümmelung für die Klägerin zu 3 nicht ausgegangen werden.

Grundsätzlich geht das Gericht nach den vorliegenden Erkenntnissen davon aus, dass die weibliche Genitalverstümmelung in allen bekannten Formen nach wie vor in Nigeria verbreitet ist. Schätzungen zur Verbreitung der weiblichen Genitalverstümmelung gehen jedoch weit auseinander und reichen von 19% bis zu 50% oder 60% (vgl. dazu etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – vom 21. November 2016, Stand September 2016, Nr. II.1.8).

Es wird zwar teilweise von einem Rückgang der Beschneidungspraxis bzw. einem Bewusstseinswandel ausgegangen, dennoch ist die Beschneidungspraxis noch in den Traditionen der nigerianischen Gesellschaft verwurzelt. Nach traditioneller Überzeugung dient die weibliche Genitalverstümmelung der Sicherung der Fruchtbarkeit, der Kontrolle der weiblichen Sexualität, der Verhinderung von Promiskuität und der Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft der Frauen durch eine Heirat. Angesichts des Umstandes, dass teilweise nur eine beschnittene Frau als heiratsfähig angesehen wird, kann der Druck auf die Betroffenen als auch auf deren Eltern zur Durchführung einer Beschneidung erheblich sein. Zur Erreichung der „Heiratsfähigkeit“ sind häufig gerade weibliche Familienmitglieder bemüht, die Beschneidung durchführen zu lassen und mitunter erfolgt dies auch gegen den Willen der Eltern. Übereinstimmend wird davon ausgegangen, dass die weibliche Genitalverstümmelung besonders in ländlichen Gebieten und hierbei insbesondere im Süden bzw. Südwesten und im Norden des Landes verbreitet ist. Das Beschneidungsalter variiert von kurz nach der Geburt bis zum Erwachsenenalter und ist abhängig von der jeweiligen Ethnie. Einige Bundesstaaten, darunter auch ... – Herkunftsgebiet der Kläger zu 1 und 2 –, haben Gesetze gegen die Genitalverstümmelung erlassen; allerdings sind Verfahren bislang nicht bekannt geworden; ein effektiver Schutz von Frauen und Mädchen durch diese Gesetze müsse bezweifelt werden, jedoch werde von einem Rückgang der Eingriffe berichtet (vgl. Auswärtiges Amt – Lagebericht – a.a.O.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 18.7.2008 und vom 21.8.2008; vgl. auch Lageberichte vom 28. August 2013, Nr. II.1.8; und vom 6. Mai 2012, Nr.II.1.8; zum Ganzen außerdem Institut für Afrikakunde, Auskunft an das VG Düsseldorf vom 28. März 2003; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010; ACCORD, Nigeria, Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, 21. Juni 2011, S. 6 ff; WHO, Eliminating female genital mutiliation – an interagency statement – 2008, http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/43839/ 1/9789241596442_eng.pdf; VG Aachen, U.v. 16.9.2014 – 2 K 2262/13.A – juris, m.w.N.).

Im Mai 2015 hat der damalige Präsident Jonathan ein Gesetz gegen Gewalt gegen Personen unterzeichnet, das weibliche Genitalverstümmelung sowie andere traditionelle Praktiken gegen Frauen (insbesondere Witwen) und Kinder verbietet (vgl. Auswärtiges Amt – Lagebericht – a.a.O.), so dass diese Praxis nunmehr offenbar landesweit unter Strafe gestellt wurde (vgl. http://www.huffingtonpost.de/serife-nur-turan/endlich-nigeria-verbietet-genitalverstuemmelung-an-frauen-und-mädchen_b_14247740.html).

Im konkreten Fall ist darauf hinzuweisen, dass weder der Kläger zu 1 noch die Klägerin zu 2 im Rahmen ihrer jeweiligen Anhörungen beim Bundesamt die Gefahr einer der Klägerin zu 3 in Nigeria drohenden Beschneidung geltend gemacht haben. Vielmehr wurde eine solche Gefahr für die Klägerin zu 3 erst nach dem Erlass des streitgegenständlichen Ablehnungsbescheides, nämlich erstmals in der Klageschrift vom 5. Januar 2017 behauptet. Dass eine Mutter oder ein Vater, sollten sie tatsächlich Sorge vor einer Beschneidung ihrer Tochter haben, eben jene drohende Beschneidung bei ihrer Anhörung zum Verfolgungsschicksal mit keinem Wort erwähnen, erscheint dem Gericht mehr als unwahrscheinlich. Die Behauptung der Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung, sie habe beim Bundesamt nicht so viel Zeit gehabt, um dies zu sagen, ist ersichtlich vorgeschoben. Vielmehr hat sie beim Bundesamt ausdrücklich erklärt, „Weitere Gründe, die außer meinen eigenen Gründen für die Kinder gelten, kann ich momentan nicht vorbringen“ (vgl. Anhörungsprotokoll S. 4, Bl. 68 der Bundesamtsakte).

Zudem liegt das Beschneidungsalter bei der Volksgruppe der Edo bzw. Bini, der die Kläger zu 1 und 2 nach eigenen Angaben angehören, nach den vorliegenden Auskünften in den ersten Lebenswochen zwischen dem 7. und 14. Tag nach der Geburt; bei Erwachsenen wird keine Beschneidung durchgeführt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010, S. 44). Die Klägerin zu 3 ist jedoch mittlerweile bereits über drei, fast vier Jahre alt, so dass deren Beschneidung entsprechend den Gepflogenheiten der Volksgruppe der Edo eher nicht mehr zu befürchten steht.

Das Bundesamt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010, S. 44) zitiert außerdem eine Auskunft des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2005, nach der zweifelhaft ist, ob FGM bei den Edo (Bini) überhaupt noch durchgeführt wird. Insoweit soll bei dieser Volksgruppe bereits seit vielen Jahren die Praxis der weiblichen Beschneidung übereinstimmend als überkommener Brauch zurückgewiesen werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7.7.2005, Az.: 508-516.80/43807). Dies steht in Übereinstimmung damit, dass auch die Klägerin zu 2 nach eigenen Angaben nicht beschnitten ist (vgl. Sitzungsprotokoll S. 10). Ihr Vortrag in der mündlichen Verhandlung, ihr Vater und ihre Mutter hätten gewollt, dass sie beschnitten werde, aber ihre Großmutter habe hierzu „nein“ gesagt, ist zum einen deswegen unglaubhaft, weil sie derartiges beim Bundesamt mit keinem Wort erwähnt hat. Zum anderen erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass die Eltern der Klägerin zu 2 sich für eine Beschneidung ausgesprochen hätten und gerade die Großmutter, die wohl noch mehr in den Traditionen verwurzelt sein dürfte als die Elterngeneration der Klägerin zu 2, sich dagegen gewandt haben soll. Dieser Vortrag der Klägerin zu 2 ist zur Überzeugung des Gerichts offensichtlich asyltaktisch motiviert und soll nur dazu dienen, eine asylrelevante Gefahr für die Klägerin zu 3 zu konstruieren, wenn schon die eigene Verfolgungsgeschichte bzw. diejenige des Klägers zu 1 nicht zum Erfolg im Asylverfahren geführt haben.

Dasselbe gilt für die Behauptungen des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung, seine Mutter werde in Nigeria auf einer Beschneidung der Klägerin zu 3 bestehen und er werde sich nicht gegen seine Mutter durchsetzen können (vgl. Sitzungsniederschrift S. 10/11). Dass die Mutter auf einer Beschneidung der im Falle der Rückkehr (fast) vierjährigen Klägerin zu 3 bestehen würde, steht zum einen im Widerspruch zu den Gepflogenheiten der Volksgruppe der Edo, wonach Beschneidungen üblicherweise in den ersten Lebenswochen zwischen dem 7. und 14. Tag nach der Geburt durchgeführt werden. Der Umstand, wonach gerade innerhalb dieser Volksgruppe bereits seit vielen Jahren die Praxis der weiblichen Beschneidung als überkommener Brauch zurückgewiesen wird, spricht zudem dagegen, dass sich der Kläger zu 1 nicht gegen seine Mutter durchsetzen und die Beschneidung verhindern könnte, zumal die FGM nicht nur in, sondern mittlerweile in ganz Nigeria gesetzlich verboten ist. Zudem lässt sich die Behauptung des Klägers zu 1, dass seine Mutter eine entschiedene Befürworterin der weiblichen Beschneidung sei, nicht mit dem Vortrag der Kläger zu 1 und 2 über deren traditionelle Heirat in Übereinstimmung bringen, nämlich dass die Mutter des Klägers zu 1 mit der Heirat einverstanden war, insoweit eine traditionelle Zeremonie in Nigeria stattgefunden hat und hierbei Geschenke von der Familie des Klägers zu 1 an die Familie der Klägerin zu 2 übergeben wurden. Würde die Mutter des Klägers zu 1 derartig strikt auf die Tradition der Beschneidung bestehen, wie von ihm behauptet, dann wäre ihr mit Sicherheit bekannt geworden bzw. hätte sie in Erfahrung gebracht, dass die Familie der Klägerin zu 2 bei ihren weiblichen Mitgliedern die Beschneidung nicht durchführen lässt bzw. dass die Klägerin zu 2 nicht beschnitten ist und dann hätte sie mit Sicherheit auch einer Eheschließung ihres Sohnes mit einer unbeschnittenen Frau, wie der Klägerin zu 2, nicht zugestimmt.

Nach allem ist die Behauptung des Klägers zu 1, er werde die Beschneidung der Klägerin zu 3 im Falle der Rückkehr nach Nigeria nicht verhindern können, nicht glaubhaft, sondern zur Überzeugung des Gerichts lediglich asyltaktisch motiviert. Ein unausweichlicher familiärer oder gesellschaftlicher Druck hinsichtlich der Durchführung einer Genitalverstümmelung kann, wie ausgeführt, weder seitens der Familie des Klägers zu 1, geschweige denn seitens der Familie der (unbeschnittenen) Klägerin zu 2 angenommen werden.

d) Die Kläger müssen bei einer Rückkehr in ihr Heimatland auch nicht deswegen Verfolgungshandlungen befürchten, weil sie im Bundesgebiet Asylanträge gestellt haben. Verhaftungen bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von aus Deutschland abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern sind nicht bekannt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – vom 21. November 2016 (Stand: September 2016) Nr. IV.2; vgl. auch die Lageberichte vom 3. Dezember 2015, vom 28. November 2014, 28. August 2013, vom 6. Mai 2012 und 7. März 2011, jeweils Nr. IV.2.).

2. Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG bleibt für die Kläger zu 1 bis 3 ebenfalls ohne Erfolg.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).

Gemessen an diesen Maßstäben haben die Kläger zu 1 bis 3 keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Die Schilderungen zur Gefahr sind unglaubhaft und unsubstantiiert wofür vollinhaltlich auf die zu § 3 AsylG erläuterten Gründe (siehe unter 1., a) bis c)) verwiesen wird.

Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern zu 1 bis 3 in Nigeria die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe drohen könnte (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), sind nicht ersichtlich.

Schließlich besteht in Nigeria auch kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

Das Gericht nimmt im Übrigen Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheids unter Nr. 3., folgt ihr und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

3. Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation in Nigeria und der individuellen Umstände der Kläger nicht vor.

Im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK reicht der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (BVerwG, B.v. 25.10.2012 – 10 B 16/12 – juris Rn. 8, 9; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 23 ff.). Unabhängig davon, in welchen Fällen existenzbedrohende Armut im Sinne von Art. 3 EMRK relevant sein kann, liegen Anhaltspunkte hierfür nicht vor. Die Kläger zu 1) und 2 sind jung, arbeitsfähig und verfügen in Nigeria jeweils über ein familiäres Netzwerk. Anhaltspunkte, dass sie nach ihrer Rückkehr nicht in der Lage sind, das Existenzminimum für sich und ihre beiden Kinder zu sichern, z.B. durch eine Wiederaufnahme ihrer früheren Tätigkeiten als Friseur und/oder Maler (Kläger zu 1) bzw. Schneiderin oder Verkäuferin (Klägerin zu 2) bestehen nicht. Zudem verfügen die Kläger zu 1 und 2 nach eigenen Angaben in Nigeria über ein familiäres Netzwerk (Großfamilie).

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Bei den in Nigeria vorherrschenden harten Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt wird. Eine extreme Gefährdungslage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausnahmsweise nicht greift (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris LS 3 und Rn. 14; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 38), liegt nicht vor.

Gesundheitsbedingte Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurden hinsichtlich der Kläger zu 1 und 2 nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Das hinsichtlich der Klägerin zu 3 mit Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 27. November 2017 vorgelegte ärztliche Attest des Kinder- und Jugendarztes Dr.med. ... (Bl. 41/42 der Gerichtsakte) kann ein von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasstes gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot nicht belegen.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der Fassung des am 17. März 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.

Im o.g. ärztlichen Attest wird ausgeführt, dass bei der Klägerin zu 3 durch die ambulanten operativen Eingriffe im April 2016 und am 13. Oktober 2017 jeweils eine Entfernung einer Schwellung im Nackenbereich stattgefunden hat, wobei es sich bei den Schwellungen jeweils um gutartige bzw. nicht maligne kavernöse Hämangiome handelte. Damit liegt bei der Klägerin zu 3 ersichtlich keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung gem. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vor, zumal ausweislich des ärztlichen Attests die Behandlung abgeschlossen ist („Weitere Kontrollen sind laut den Berichten der Kinderchirurgie nicht vorgesehen“).

Das Gericht nimmt im Übrigen Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheids unter Nr. 4., folgt ihr und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

4. Das von der Beklagten verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG sowie die Abschiebungsandrohung begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Qualifizierte Einwände hiergegen haben die Kläger auch nicht erhoben.

Damit war die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.

5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylbegehrens und die Androhung der Abschiebung nach Nigeria.

1. Der Kläger, der keine Ausweisdokumente vorlegte, meldete sich am 7. Januar 2015 in ... als Asylsuchender und stellte am 9. Februar 2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einen Asylantrag. Im Rahmen der Asylantragstellung wurde zunächst entsprechend seinen Angaben aufgenommen, dass er am ... 1990 geboren, nigerianischer Staatsangehöriger, katholischer Religionszugehörigkeit und Volkszugehörigkeit Ibo sei (s. Niederschrift zu einem Asylantrag, Teil 1, Bl. 13 und Bl. 33/34 der Bundesamtsakte).

In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 9. Februar 2015 gab er gegenüber dem Bundesamt u.a. an, er spreche außer Englisch noch Haussa. Er habe sein Herkunftsland am 5. Februar 2012 verlassen und sei per Pkw nach Niger (3 Tage), Libyen (1 Jahr und 3 Monate) und Italien (1 Jahr 5 Monate) gereist und von dort per Zug nach Deutschland gefahren.

Am 30. Dezember 2016 fand die persönliche Anhörung des Klägers durch das Bundesamt statt. Dabei gab er unter anderem an, seine Volkszugehörigkeit sei Haussa. Er habe keine Personalpapiere. Er habe keine Zeit gehabt, einen Reisepass zu beantragen, da er geflohen sei. Seine letzte offizielle Anschrift im Heimatland sei ... Stadt ... gewesen. Dort hätten auch seine Eltern, ... und, gewohnt, die aber nicht mehr leben. In Nigeria lebe noch eine Schwester. Als er in Deutschland gewesen sei, habe er eine Nachricht über Facebook bekommen, dass seine Schwester noch am Leben sei. Eine religiöse Organisation in ... kümmere sich um sie.

Bis zur Ausreise aus Nigeria habe er sich in ... aufgehalten. Am 5. Februar 2012 habe er Nigeria verlassen. Er sei von 2009 bis 2010 an der Universität von ... immatrikuliert gewesen. Das Studium der Politikwissenschaften habe er aber nicht begonnen, da dieses Problem schon begonnen habe. Einen Beruf habe er nicht erlernt. Sie hätten gut gelebt. Sein Vater sei Polizist gewesen. Wehrdienst habe er nicht geleistet.

Zu den Gründen für seinen Asylantrag gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe Nigeria wegen der Probleme am 26. Juni 2011 verlassen. An diesem Tag, einem Sonntag, habe er im Auftrag seine seines Vaters prüfen sollen, ob er und sein Bruder an der Universität angenommen worden seien. Seine Familie habe einen Biergarten gehabt, es sei ein Familiengeschäft gewesen. Sie seien attackiert worden. Dort hätten die Probleme angefangen und er sei geflohen. Die Probleme hätten aber bereits 2003 begonnen. Die Leute hätten die Polizei attackiert, die sich verteidigt habe. Sein Vater habe sie immer zur Vorsicht ermahnt, wenn sie auf die Straße gegangen seien. Es seien zwei Männer gewesen, die gegeneinander gewesen seien, der Governor ... und .... Der Governor ... sei bei der PDP und ... sei bei der APC gewesen. ... habe die Jihaddisten, Boko Haram, unterstützt und mit Waffen beliefert. Diese Informationen habe er von seinem Vater bekommen. Der Polizei sei es nicht gelungen, die Lage unter Kontrolle zu bringen.

Am 26. Juni 2011 sei seine Ortschaft von Boko Haram angegriffen worden. Dabei seien seine Eltern ums Leben gekommen. Er habe dort keine Zukunft mehr gesehen. Er sei zu seinem Onkel mütterlicherseits nach ... gegangen. Sein Onkel habe auf dem Markt Tee verkauft. Bei einem Angriff auf den Markt sei sein Onkel am 4. September 2011 erschossen worden. Im Oktober habe der Governor alle Leute, die Probleme gehabt hätten, zu sich gerufen, um ihnen zu helfen. Als sie sich auf den Weg gemacht hätten, hätten sie mitbekommen, dass auch diese Ortschaft von Boko Haram angegriffen worden sei. Er sei drei Monate geblieben. Die Lage habe sich verschlechtert. Ein junger Mann aus Niger, der Tee verkauft habe, habe ihm gesagt, dass er mit seiner Familie in den Niger zurückkehre und er, der Kläger, mitkommen könne. Er habe ihm dafür 9.000 Naira gegeben. Auf die Frage, warum er Nigeria im Februar 2012 verlassen habe, gab der Kläger an, dass die einzige Person, die er noch gehabt habe, ums Leben gekommen sei. Der Ort sei nicht mehr sicher gewesen und er habe niemanden mehr gehabt. Auf Nachfrage, ob es im Februar 2012 einen besonders dringenden Grund dafür gegeben habe, dass er Nigeria verlassen habe, gab der Kläger an, wenn ihn die Jihaddisten auf der Straße gesehen hätten, hätten sie ihn als Sohn eines Polizisten erkannt. Auf die Frage, wie sie dies hätten erkennen können, trug der Kläger vor, ... sei aus dem Herkunftsort seiner Familie gekommen. Der Governor habe gesagt, dass alle Kinder der Polizisten zu Boko Haram gebracht werden sollen. ... habe Boko Haram unterstützt. Die Polizisten hätten aber die Mitglieder von Boko Haram immer umgebracht. Deswegen habe ... gesagt, dass alle Kinder der Polizisten zu Boko Haram gebracht werden sollen. Er wolle nicht mehr nach Nigeria zurück, weil er dort nichts mehr habe, weil ihre Ortschaft bombardiert worden sei. In Nigeria habe er weder mit der Polizei noch mit der Regierung Probleme gehabt. Sein einziges Problem sei Boko Haram. Auf die Frage, was dagegen spreche, dass der Kläger sich, z.B. zusammen mit seiner Schwester, im Süden Nigerias niederlasse, gab er an, dort habe er niemanden.

Die Beklagte stellte im Aktenvermerk vom 2. Januar 2017 (Bl. 55 der Bundesamtsakte) fest, dass das Stellen eines Aufnahmeersuchens nicht mehr möglich sei, da die Frist gemäß Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO bereits abgelaufen sei.

2. Mit Bescheid vom 21. Februar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuer-kennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Nr. 1), ebenso den Asylantrag (Nr. 2) und den Antrag auf subsidiären Schutz (Nr. 3.). Es wurde festgestellt, dass Abschie-bungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Weiter wurde dem Kläger die Abschiebung nach Nigeria angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung führte das Bundesamt u.a. aus, dass der Kläger nicht als Flüchtling anerkannt werden könne, da für ihn die Möglichkeit bestehe, sich innerhalb Nigerias Schutz zu suchen, wenn er sich tatsächlich durch Boko Haram bedroht fühle. Da der Kläger ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann sei, sei davon auszugehen, dass er sich in anderen Bundesstaaten Nigerias wenigstens ein Existenzminimum sichern könne.

Dieser Bescheid wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 23. Februar 2017 zugestellt.

3. Am 7. März 2017 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben und beantragen,

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Februar 2017 wird aufgehoben.

Gleichzeitig wurde beantragt, dem Kläger Prozesskostenhilfe zu bewilligen und den Bevollmächtigten beizuordnen.

Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsatz vom 3. Mai 2017 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Kläger sei Christ. Sein Vater sei der örtliche Polizeichef gewesen. Weil der Vater des Klägers gegen Boko Haram vorgegangen sei und einige führende Köpfe verhaftet habe, seien dieser und die Mutter des Klägers an einem Sonntag erschossen worden. Aus diesem Umstand heraus, sei die Polizeistation am 26. Juni 2014 von Boko Haram angegriffen worden. Es hätten insbesondere zwei Männer gegeneinander gekämpft, der Governor ... und, der die Boko Haram unterstützt habe. Der Governor habe versucht die Polizei zu organisieren, der es aber nicht gelungen sei, die Lage unter Kontrolle zu bringen, so dass am 26. Juni 2014 der Heimatort des Klägers angegriffen und beide Eltern getötet worden seien. Die Mutter sei getötet worden, weil sie den Nachnamen ihre Mannes ... getragen habe. Der Kläger habe versucht, einen alternativen Aufenthaltsort zu finden und sei zu seinem Onkel gegangen, der aber wiederum am 4. September 2014 ebenfalls auf dem Markt erschossen worden sei. Dies beruhe ebenfalls darauf, dass der Nachname ... für die Boko Haram zwischenzeitlich ein rotes Tuch sei. Auch der Seelsorger der Familie sei erschossen worden, weil Christen in der Region nicht beliebt seien. Der Kläger sei Christ und stelle damit eine Minderheit in dem muslimisch geprägten Land dar. ... und der Kläger seien persönlich bekannt, da sie aus dem gleichen Herkunftsort kämen. Der Kläger habe in Nigeria eine minderjährige Schwester, die sich in Obhut eines Waisenhauses befinde. Er habe Angst, dass diese nach Erreichen der Volljährigkeit auf sich allein gestellt sei und in die Hände von Boko Haram falle, da auch sie der Führungsriege der Boko Haram bekannt sei.

Die Beklagte übermittelte elektronisch die Behördenakte, äußerte sich aber in der Sache nicht.

Mit Beschluss der Kammer vom 10. Oktober 2017 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylG).

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. Oktober 2017 abgelehnt.

In der mündlichen Verhandlung am 22. November 2017 wurde der Kläger informatorisch angehört. Er übergab dem Gericht ein von ihm unter dem Datum 20. November 2017 unterzeichnetes Schreiben mit einer Darstellung seiner Verfolgungsgeschichte, eine Bescheinigung der Catholic Diocese of, in dem seine Taufe, Kommunion und Firmung dokumentiert ist und ein Arbeitszeugnis der Firma ... über seine Tätigkeit vom 4. Juli 2016 bis 30. Juni 2017. Die Unterlagen wurden kopiert und zu den Akten genommen. Die Bevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag:

Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 21. Februar 2017 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass für den Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sachverhalts auf die Sitzungsnieder-schrift über die mündliche Verhandlung vom 22. November 2017, sowie auf den gesamten Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Behördenakte und die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisgrundlagen Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2017 entschieden werden, obwohl kein Vertreter der Beklagten zum Termin erschienen ist. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung, die der Beklagten am 18. Oktober 2017 zugestellt wurde, wurde darauf hingewiesen, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten nach § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

Die zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet.

Der Bescheid vom 21. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat offensichtlich weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und auch nicht auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet – mit der Folge des Ausschlusses weiterer gerichtlicher Nachprüfung (§ 78 Abs. 1 Asylgesetz/AsylG) – voraus, dass im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (s. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (s. BVerfG B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAuslR 2002, 146/148; BVerfG B.v. 7.4.1998 – 2 BvR 253/96 – juris). Unter welchen Voraussetzungen sich die Abweisung einer Asylklage „geradezu aufdrängt“, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern bedarf der jeweiligen Beurteilung im Einzelfall. Eine Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet kommt insbesondere in Frage, wenn sich das Vorbringen des Asylsuchenden hinsichtlich der von ihm geltend gemachten individuellen Vorfluchtgründe als insgesamt unglaubhaft erweist oder die im Einzelfall geltend gemachte Gefährdung den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht und ohne Weiteres feststeht, dass für die selbstständig zu beurteilenden Nachfluchtgründe Gleiches gilt (s. BVerfG B.v. 3.9.1996 – 2 BvR 2353/95 – BayVBl. 1997, 13). Da dem Asylgesetz ein einheitlicher Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit zu Grunde liegt, ist die Bestimmung des § 30 AsylG grundsätzlich auch für das gerichtliche Verfahren maßgeblich (vgl. BVerfG B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAuslR 2002, 146/148).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage gemäß § 30 Abs. 1, 2, 3 Nr. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Selbst wenn das Gericht dem Vorbringen des Klägers Glauben schenken würde, rechtfertigt dessen Vortrag unter keinem rechtlichen und sachlichen Gesichtspunkt die Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Darüber hinaus erweist sich der Vortrag des Klägers zur Überzeugung des Gerichts auch als frei erfunden.

1. Der Kläger hat offensichtlich keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

a) Der Kläger zu 1 hat sowohl gegenüber dem Bundesamt als auch gegenüber dem Gericht im Kern geltend gemacht, dass er deswegen nicht in seine Heimatregion …Nigeria zurückkehren wolle, weil dort Mitglieder seiner Familie (Eltern, Geschwister, Onkel mütterlicherseits) von der Terrorgruppe Boko Haram umgebracht bzw. bei Anschlägen dieser Gruppe getötet worden seien; in den Süden Nigerias wolle er nicht zurückkehren, weil er dort nichts bzw. niemanden mehr habe. Damit macht der Kläger selbst nicht geltend, dass ihm im ganzen Staatsgebiet Nigerias eine auf seine Person zielende Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG droht. Vielmehr ist ersichtlich, dass er aus wirtschaftlichen Gründen nicht nach Nigeria zurückkehren will. Zudem stellt Boko Haram auch keinen Akteur, von dem Verfolgung ausgehen kann, im Sinne des § 3c Nr. 2 oder Nr. 3 AsylG dar. Denn zum einen beherrscht die Terrorgruppe Boko Haram keinen wesentlichen Teil des nigerianischen Staatsgebiets (§ 3c Nr. 2 AsylG), und zum anderen ist der nigerianische Staat sowohl in der Lage als auch willens, Schutz vor Verfolgung durch Boko Haram zu gewähren (§ 3c Nr. 3 AsylG). Denn der Boko Haram-Konflikt bzw. das Einflussgebiet von Boko Haram beschränkt sich im Wesentlichen auf den Nordosten Nigerias, wo es den islamistischen Terroristen in der zweiten Hälfte 2014 gelang, ein eigenes „Kalifat“, welches die territoriale Fläche von Belgien erreichte, zu errichten. Seit Februar 2015 konnte die nigerianische Armee aber den größten Teil dieses Territoriums zurückerobern (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Nigeria vom 21.11.2016, I., 1.4). Der Kläger, der christlichen Glaubens ist und die in Nigeria gängige Amtssprache Englisch spricht, ist zudem auf eine innerstaatliche Fluchtalternative in Nigeria, nämlich auf den (überwiegend christlichen) Süden Nigerias, zu verweisen (§ 3e AsylG), wo er Nachstellungen von Boko Haram nicht zu befürchten hat. Als jungem, gesunden und arbeitsfähigen jungen Mann mit, in Bezug auf Nigeria, überdurchschnittlicher Schulbildung, ist es dem Kläger auch zumutbar, sich im Süden Nigerias niederzulassen.

b) Darüber hinaus bewertet das Gericht die behauptete Verfolgungsgeschichte als offensichtlich unglaubhaft bzw. frei erfunden.

An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Ausländer im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt.

Der Kläger hat sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung in frappierender Weise gesteigert. Darüber hinaus stehen seine gesteigerten Angaben in der mündlichen Verhandlung auch noch in eklatantem Widerspruch zu dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schreiben vom 20. November 2017 (Darstellung seiner Verfolgungsgeschichte. Zudem hat er beim Bundesamt einerseits und in der mündlichen Verhandlung andererseits widersprüchliche Angaben gemacht.

Beim Bundesamt hat der Kläger mit keinem Wort erwähnt, dass er selbst Opfer eines Angriffs oder einer Entführung durch Boko Haram geworden sei (vgl. Anhörungsprotokoll vom 30.12.2016). Auch im gerichtlichen Verfahren ließ er durch seinen Bevollmächtigten „nur“ vortragen, dass sein Vater und seine Mutter erschossen worden seien, als die Polizeistation, deren örtlicher Polizeichef der Vater des Klägers gewesen sein soll, von Boko Haram angegriffen worden sei (vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 3.5.2017). Dagegen hat er in der mündlichen Verhandlung erstmals behauptet, dass er, nachdem er nach dem Anschlag auf den Biergarten seiner Mutter im Heimatort ... nach ... an die Universität zurückgekehrt sei, zusammen mit anderen Personen von Mitgliedern der Boko Haram, die sich als Soldaten verkleidet hätten, unter einem Vorwand nach ... gebracht und dort in einem Raum eingesperrt worden sei. Dort hätten sich die Leute als Mitglieder von Boko Haram zu erkennen gegeben und vom Kläger und den anderen Gefangenen unter Todesdrohungen verlangt, dass sie sich der Boko Haram anschließen sollen. Sie sollten Wasser trinken, nach dessen Genuss „man alles vergisst, was vorher war“. Dann seien sie nachts in den Busch gebracht worden und während sie auf einen Bus gewartet hätten, der dieses spezielle Wasser bringen sollte und die Leute von Boko Haram ihnen erklärt hätten, was sie tun sollten, seien er und ein anderer weggerannt. Die Leute von Boko Haram hätten hinter ihnen her geschossen und er sei am Bein angeschossen worden (vgl. Sitzungsprotokoll S. 4).

Hätte der Kläger ein solch dramatisches Erlebnis tatsächlich durchleiden müssen, dann hätte er dies mit Sicherheit bereits beim Bundesamt vorgetragen, zumal er sich zum Zeitpunkt seiner Anhörung (30.12.2016) bereits knapp zwei Jahre in Deutschland befunden, zu diesem Zeitpunkt bereits gearbeitet hat (s. in der mündlichen Verhandlung vorgelegtes Arbeitszeugnis) und somit bei seiner Anhörung auch nicht unter dem Druck einer „gerade überstandenen“ Flucht gestanden hat. Die erstmalige Behauptung eines solchen Geschehens in der mündlichen Verhandlung spricht damit für sich gesehen bereits für die Unglaubhaftigkeit dieser Geschichte, zumal der Kläger auch keine glaubhafte Erklärung dafür vorbringen konnte, warum er solch einschneidende Geschehnisse – wenn sie denn wahr wären – nicht bereits beim Bundesamt vorgetragen hat. Seine Behauptung, er habe den Vorfall über seine Entführung auch beim Bundesamt vorgetragen, dieser sei aber nicht ins Protokoll aufgenommen worden, ist ersichtlich unwahr. Denn der Kläger hat mit seiner Unterschrift unter das Bundesamtsprotokoll bestätigt, dass ihm die verfasste Niederschrift rückübersetzt wurde und dass er ausreichend Gelegenheit hatte, die Gründe für seinen Asylantrag zu schildern und es auch keine Verständigungsschwierigkeiten gab (vgl. Bundesamtsprotokoll S. 7).

Zudem kann seine Entführungsgeschichte auch nur als schlecht erfundene „Räuberpistole“ bewertet werden. Insbesondere die Behauptungen, dass die Terroristen von Boko Haram nach der am Boden liegenden Person, die bei dem Fluchtversuch erschossen worden sein soll, geschaut hätten, aber nicht hinter ihm mit seinem angeschossenem Bein hergelaufen wären bzw. ihn nicht eingeholt hätten, obwohl er mit einem angeschossenen Bein mit Sicherheit nicht gerade schnell hätte weiterrennen können und dass er dann auch noch auf die Schnelle einem Motorradfahrer begegnet wäre, der ihn mitgenommen habe (vgl. Sitzungsprotokoll S. 4), sind derart lebensfremd, dass sich ihre Unglaubhaftigkeit geradezu aufdrängt.

Darüber hinaus hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch noch ein von ihm unter dem Datum 20. November 2017 unterzeichnetes Schreiben vorgelegt, in dem die angebliche Entführung ganz anders dargestellt wird, nämlich dass es gar nicht zu einer Entführung durch Boko Haram gekommen sei, sondern es bei einem Entführungsversuch geblieben sei. Hierzu wird in dem Schreiben ausgeführt: „Auch bin ich selbst einer versuchten Entführung der Boko Haram entgangen, weil ich mich durch meine Flucht auf dem Universitätsgelände, wo ich ein Studium der Politikwissenschaften absolvierte, verstecken konnte. Dabei wurde ich von einem Schuss ins Bein getroffen.“

Ein bezeichnendes Licht auf die Glaubwürdigkeit des Klägers wirft dann noch der Satz am Ende dieses Schreibens, „Ich versichere bei Gott, dass die hier zu Protokoll geschriebenen Tatsachen die reine Wahrheit sind.“

Dem Kläger kann darüber hinaus auch nicht einmal geglaubt werden, dass seine Eltern (und weitere Geschwister) am 26. Juni 2011 bei einem Anschlag der Boko Haram auf den von der Familie bzw. der Mutter des Klägers in der Stadt ... betriebenen Biergarten ums Leben gekommen sein sollen.

Zum einen hat der Kläger beim Bundesamt den angeblichen Angriff auf den Biergarten lediglich „wie nebenbei“ erwähnt und auf die Frage nach seinen Asylgründen wie folgt ausgeführt: „Ich habe Nigeria wegen der Probleme am 26. Juni 2011 verlassen. … Wir hatten einen Biergarten, es war ein Familiengeschäft. Wir wurden attackiert. Dort haben die Probleme angefangen und ich bin geflohen. Diese Probleme begannen aber bereits 2003. Die Leute waren gegen die Polizei, das war der Grund. Als sie die Polizisten attackiert haben, hat sich die Polizei verteidigt.“ Anschließend hat der Kläger weitere Ausführungen zur politischen Lage, bzw. den Politikern „...“ und „...“ gemacht (vgl. Bundesamtsprotokoll S. 4, vorletzter Absatz). Weiter trug er dann vor, dass am 26. Juni 2011 seine „Ortschaft“ angegriffen worden sei und seine Eltern dabei ums Leben gekommen seien. In der Klagebegründung vom 3. Mai 2017 wurde ein Anschlag auf einen von der Familie des Klägers geführten Biergarten mit keinem Wort erwähnt. Vielmehr ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten ausführen, dass die „Polizeistation“ (S. 1 des Schriftsatzes) bzw. der „Heimatort“ (S. 2 des Schriftsatzes) am 26. Juni 2014 (gemeint wohl: 2011) von Boko Haram angegriffen worden sei. Im Übrigen wurde versucht darzustellen, dass die Rolle des Vaters des Klägers als örtlicher Polizeichef maßgebend dafür gewesen sein soll, dass Mitglieder der Familie „...“ ins Fadenkreuz von Boko Haram geraten sein sollen.

Erstmals in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger einen (angeblichen) Anschlag von Boko Haram am 26. Juni 2011 in der Stadt ... auf einen von seiner Mutter betriebenen Biergarten, bzw. wie und was er davon erfahren haben will, detailliert geschildert (vgl. Sitzungsprotokoll S. 2 bis 4). Gegen die Glaubhaftigkeit dieser Behauptungen spricht bereits, dass der Kläger, wie dargelegt, entsprechende Schilderungen beim Bundesamt nicht abgegeben hat. Zudem sind zwar Anschläge von Boko Haram auf Bierlokale am Sonntag, den 26. Juni 2011 bekannt, diese fanden aber allesamt in der Stadt ... (Hauptstadt des Bundesstaates ...) statt, die etwa 140 km von der Stadt ... entfernt liegt. Hierzu wird in verschiedenen Publikationen übereinstimmend berichtet, dass am 26. Juni 2011 Mitglieder der Boko Haram bzw. mutmaßliche Islamisten einen Anschlag auf mehrere Bierlokale in ... verübt hätten, bei denen bis zu 30 Menschen getötet worden seien (vgl. news.ORF.at/stories/2065658; Neue Züricher Zeitung vom 27.6.2011, www.nzz.ch/gegen-30-tote-bei-anschlag-auf-bierlokale-in-nigeria; ... – Wikipedia). Dagegen ist nichts darüber zu finden bzw. wird in keiner Publikation darüber berichtet, dass am selben Tag (26.6.2011) auch in der Stadt ... ein Anschlag von Boko Haram bzw. Islamisten stattgefunden hätte, es wird weder ein Anschlag auf ein Bierlokal, noch auf eine Polizeistation oder überhaupt ein Anschlag in der Stadt ... für diesen Tag gemeldet. Da es sich bei der Grenzstadt ... aber nicht etwa um irgendein unbedeutendes kleines Dorf handelt, wäre über einen Anschlag auf ein dortiges Bierlokal oder die Polizeistelle mit Sicherheit berichtet worden, zumal wenn am selben Tag auch Bierlokale in der Stadt ... überfallen worden sind. Damit drängt es sich geradezu auf, dass der Kläger diesen bekannten Anschlag auf Bierlokale in ... lediglich zum Anlass genommen hat, um hierauf seine Verfolgungsgeschichte zu konstruieren.

Zudem spricht Folgendes dafür, dass der Kläger (auch) den Anschlag auf ein angeblich von seiner Mutter bzw. Familie betriebenes Bierlokal in ... erfunden hat. Beim Bundesamt hat der Kläger angegeben, dass seine Mutter und sein Vater bei einem Anschlag ums Leben gekommen seien, erwähnt har er beim Bundesamt auch den Tod des am 12. Mai 2011 ermordeten Vorsitzenden ihrer Gemeinde. Dass auch Geschwister bei diesem Anschlag am 26. Juni 2011 umgekommen wären, hat er nicht erwähnt. Auch durch seinen Bevollmächtigten hat er im Schriftsatz vom 3. Mai 2017 nur die Tötung von Mutter und Vater sowie des Seelsorgers der Familie vortragen lassen. Erstmals in der mündlichen Verhandlung hat er dagegen behauptet, dass auch sein (Zwillings-) Bruder und seine ältere Schwester bei diesem Anschlag getötet worden seien (vgl. Sitzungsprotokoll S. 6 und sein Schreiben vom 20.11.2017).

Zudem hat der Kläger auch insofern unrichtige Angaben gemacht, als er in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, für die Strecke von ... nach ... brauche man je nach Verkehrslage ca. ein bis zwei Stunden (vgl. Sitzungsprotokoll S. 3). Für die ca. 140 km lange (Fahr-) Strecke von ... nach ... benötigt man aber in der Regel gut über zwei Stunden (vgl. https://www.distance.to/ …, Driving Route: 141,21 km, 2h 20min.). Da der Kläger die Strecke von ... zu seinem Heimatort ... mit Sicherheit des Öfteren zurückgelegt hätte, wenn seine Angaben wahr wären, er stamme aus ... und habe in ... studiert, wäre zu erwarten gewesen, dass er hierzu richtige bzw. realistische Angaben macht.

Lediglich ergänzend sind noch folgende widersprüchliche Angaben des Klägers zu erwähnen:

Beim Bundesamt hat der Kläger angegeben, sein Onkel mütterlicherseits, bei dem er nach dem Tod seiner Eltern gelebt haben will, sei am 4. September 2011 bei einem Angriff auf den Markt, auf dem er Tee verkauft habe, erschossen worden (vgl. Anhörungsprotokoll S. 4 letzter Absatz). Dagegen hat er in der mündlichen Verhandlung behauptet, dass sein Onkel am 3. Oktober 2011 bei einem Anschlag ums Leben gekommen sei (vgl. Sitzungsprotokoll S. 6), und im Schreiben vom 20. November 2017 hat er zwar ebenfalls behauptet, dass der Onkel am 3. Oktober 2011 getötet worden sein soll, dies wäre aber bei einem Anschlag auf sein Haus geschehen.

Beim Bundesamt hat der Kläger vorgetragen, er sei mit einem jungen Mann aus dem Niger von Nigeria aus in den Staat Niger gereist, dem er hierfür 9.000 Naira bezahlt habe (vgl. Bundesamtsprotokoll S.4/5). In dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schreiben vom 20. November 2017 hat er dagegen angegeben, er sei mit einer Gruppe Christen nach Niger geflüchtet.

Nach allem bleibt festzustellen, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass dem Kläger überhaupt nichts von dem, was er zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal vorgetragen hat, geglaubt werden kann. Damit kann dem Kläger auch nicht einmal geglaubt werden, dass er aus ... bzw. aus dem Bundesstaat ... stammt und auch nicht, dass seine Eltern bei einem Anschlag dort ums Leben gekommen sind.

Hierfür spricht auch, dass der Kläger mit einer nur als realitätsfern zu bewertenden Erklärung versucht hat, darzulegen, warum er keine Nachweise für Überweisungen vorlegen kann, die er angeblich einem katholischen Waisenhaus in ... zukommen lässt, in dem seine Schwester noch leben soll. Abgesehen davon erscheint es auch nicht glaubhaft, dass es in der Stadt, welche gerade im Jahr 2014 Ziel äußerst brutaler Überfälle von Boko Haram war, noch ein katholisches Waisenhaus geben soll. Vielmehr drängt sich die Überlegung auf, dass der Kläger nicht offenlegen will, dass er Geld an seine Schwester (oder andere Angehörige) überweist, die aber nicht in ... bzw. dieser Region leben.

Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger Nigeria aus asylrechtlich nicht relevanten Gründen verlassen hat und sich offensichtlich nur aus wirtschaftlichen Gründen in Deutschland aufhält.

c) Dem unverfolgt aus Nigeria ausgereisten Kläger drohen im Falle der Rückkehr in sein Heimatland keinerlei Verfolgungsmaßnahmen. Es bestehen keine Erkenntnisse darüber, dass abgelehnte Asylbewerber bei einer Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Asylantragstellung mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Stand: September 2016 – vom 21. November 2016 – Lagebericht – Nr. IV.2).

2. Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG bleibt ohne Erfolg, wofür ergänzend auf die zu § 3 AsylG erläuterten Gründe (siehe unter 1.) verwiesen wird.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger offensichtlich keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Die Schilderungen zur Gefahr sind völlig unglaubhaft und unsubstantiiert im Sinne von § 30 Abs. 1, Abs. 2 AsylG. Im Herkunftsstaat hat er (siehe Ausführungen unter 1 b)) offensichtlich keine Gefahr erlebt. Weshalb ihm bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden, insbesondere eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder gar die Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) drohen sollte, ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar geworden. Schließlich besteht in Nigeria auch kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

3. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch insoweit offensichtlich rechtmäßig, soweit festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4 des Bescheids). Es wird auf die zutreffenden Ausführungen hierzu unter Nr. 4 der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamts vom 21. Februar 2017 Bezug genommen, denen das Gericht folgt und von einer Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit absieht (§ 77 Abs. 2 AsylG).

4. Die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtmäßig, da die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen.

5. Gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG sind keine substantiierten Einwände erhoben worden und solche sind auch nicht ersichtlich.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

Das Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger sind irakische Staatsangehörige mit kurdischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten eigenen Angaben zufolge am 27.03.2017 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25.04.2017 Asylanträge.

Bei den persönlichen Anhörungen beim … (… am 25.04.2017 und 04.05.2017 gab der Kläger zu 1 im Wesentlichen an, sie hätten vor ihrer Ausreise in Kirkuk gelebt. Aus dem Irak seien sie geflohen, weil er bedroht bzw. erpresst worden sei. Von 2006 bis 2014 habe er in einer Polizeistation in Kirkuk als Chauffeur gearbeitet. Nach dem Einmarsch des IS in Mosul sei er in einem Bezirk außerhalb Kirkuks versetzt worden. Dort sei er bis zu seiner Ausreise tätig gewesen. Aufgrund ausbleibender Gehaltszahlungen und der damit verbundenen finanziellen Belastungen habe ihm ein Freund namens geraten, sich der paramilitärischen Einheit „ …- anzuschließen. Daraufhin habe er sich am 02.08.2016 dieser Einheit angeschlossen und von führenden Personen dieser Einheit Geld entgegengenommen, um polizeiinterne Informationen über hochrangige Offiziere preiszugeben. Die Übergabe der Bestechungsgelder habe insgesamt fünf Mal stattgefunden. Als der Kläger zu 1 sich geweigert habe, über einen Generalmajor der Polizei in Kirkuk mit dem Vornamen Sarhad, den er persönlich nicht gekannt habe, Informationen zu beschaffen, habe ihn der Anführer der paramilitärischen Einheit, , bedroht und erpresst, die geheimen Gespräche, welche der Kläger zu 1 mit ihm geführt habe, zu veröffentlichen. Gleichzeitig habe ihm … … versichert, dass er ihm genügend Geld geben würde, wenn er Informationen über Sarhad liefern würde. Daraufhin habe der Kläger zu 1 zugestimmt. Der Anführer der paramilitärischen Militäreinheit habe im Hinblick auf die Informationsbeschaffung vorgeschlagen, dass ein weibliches Mitglied der Militäreinheit den Kläger zu 1 wegen sexueller Belästigung bei Sarhad anzeige, damit diese Sarhad dadurch näherkomme. Da dieser Plan im November 2016 funktioniert habe, habe der Kläger zu 1 erneut Geld erhalten. Nachdem er einem guten Freund bei der Polizei von den Geschehnissen erzählt habe, sei er nach Sulaymaniya gegangen, um dort Visa für sich und seine Familie zu beschaffen. Mit einem von der Deutschen Botschaft in Erbil im März 2017 ausgestellten Visum hätten sie dann am 27.03.2017 den Irak verlassen.

Die Klägerin zu 2 gab beim an, sie sei nur wegen ihres Ehemannes geflüchtet und habe keine persönlichen Asylgründe.

Im Übrigen gaben die Kläger zu 1 und zu 2 bei ihren Anhörungen an, die Kläger zu 3 und 4 hätten keine eigenen Asylgründe. Sie seien vielmehr wegen der Probleme des Klägers zu 1 geflüchtet.

Mit Bescheid vom …, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 20.07.2017, lehnte die Beklagte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) und die Anträge auf Asylanerkennung (Ziffer 2) ab. Der subsidiäre Schutzstatus wurde ebenfalls nicht zuerkannt (Ziffer 3). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurden nicht festgestellt (Ziffer 4). Den Klägern wurde die Abschiebung in den Irak angedroht (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).

Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, die Kläger seien keine Flüchtlinge im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Sie hätten keine gegen sie persönlich gerichtete Verfolgungshandlung vorgetragen, die an eines der in § 3b genannten Merkmale anknüpfe. Im Übrigen habe sich die Klägerin zu 2 ausschließlich auf die Asylgründe ihres Mannes bezogen. Für die Kläger zu 3 und zu 4 seien ebenfalls keine eigenen Gründe geltend gemacht worden.

Die Anerkennung als Asylberechtigte gem. Art. 16a Abs. 1 GG sei ebenfalls abzulehnen, da nicht einmal die weitergefassten Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gegeben seien.

Den Klägern sei auch kein subsidiärer Schutzstatus zuzuerkennen. Soweit der Kläger zu 1 vorgetragen habe, er sei durch eine paramilitärische Einheit erpresst worden, würden seine Einlassungen nicht den Schluss zulassen, dass dadurch Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG drohe. Der Kläger zu 1 habe sich freiwillig und wissentlich auf den Austausch von vertraulichen Informationen gegen Bezahlung eingelassen. Durch seine Verbindung zur Polizei könne er bei einer ernsthaften Bedrohung durch die paramilitärische Einheit jederzeit direkt die Hilfe seiner Polizeikollegen in Anspruch nehmen. Selbst die (fingierte) Anzeige wegen sexueller Belästigung sei scheinbar ohne Folgen für den Kläger zu 1 geblieben, da dieser nach der Anzeige im November 2016 für weitere vier Monate bei der Polizei gearbeitet habe. Die paramilitärische Einheit sei in diesen vier Monaten auch nicht mehr an den Kläger zu 1 herangetreten, um Informationen zu erhalten. Folglich sei davon auszugehen, dass weder eine ernsthafte Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG seitens des Generalmajors noch seitens der paramilitärischen Einheit vorgelegen habe. Im Übrigen habe der Kläger zu 1 trotz mehrmaliger Nachfragen keine plausible und substantiierte Erklärung geliefert, inwiefern er einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt gewesen sei. Letztlich sei dem Sachvortrag eine durch den Generalmajor veranlasste staatliche Verfolgung ebenfalls nicht zu entnehmen, da die Kläger den Irak problemlos per Flugzeug verlassen haben können. Eine Schutzfeststellung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG scheide auch aus. In Kirkuk bestünde kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, da das Gebiet unter kurdischer Kontrolle stehe. Abschiebungsverbote seien ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere würden die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak nicht zu der Annahme führen, dass bei der Abschiebung der Kläger eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Individuell gefahrerhöhende Umstände seien nicht vorgetragen worden. Trotz der schwierigen Lage im Irak sei es nicht ersichtlich, dass es dem Kläger zu 1 nicht gelingen werde, dort den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu bestreiten.

Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

Mit Schriftsatz vom 01.08.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am gleichen Tag und mit Beschluss vom 24.08.2017verwiesen an das Verwaltungsgericht Bayreuth, beantragte der Bevollmächtigte der Kläger:

1. Der Bescheid der Beklagten vom , Gz: … zugestellt am 20.07.2017, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, hilfsweise wird festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG vorliegen.

1. Zur Begründung führte der Bevollmächtigte der Kläger im Wesentlichen aus, bereits aufgrund ihrer sunnitischen Glaubenszugehörigkeit seien die Kläger im Irak der Verfolgung durch die schiitische Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt, ohne dass staatliche Einrichtungen Schutz vor der Verfolgung gewährleisten würden und ohne dass eine inländische Fluchtalternative bestünde. Im Übrigen habe sich der Kläger zu 1 der paramilitärischen Einheit „…, angeschlossen und sei von dieser beauftragt worden, seinen ehemaligen Polizeichef zu exekutieren. Nachdem er diesen Auftrag zweimal abgelehnt habe, sei ihm in einem dritten Gespräch angedroht worden, dass er selbst getötet werden würde, falls er den Auftrag nicht erfülle. Aus Angst vor Verfolgung und in Ablehnung des Auftrags sei der Kläger zu 1 mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland ausgereist um sicher leben zu können. Bei einer Rückkehr in den Irak würden der Kläger zu 1 und seine Familie verfolgt, aufgespürt und umgebracht werden. Den Klägern drohe daher eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit. Inländische Fluchtalternativen seien nicht gegeben.

Mit Schriftsätzen vom 07.08.2017 bzw. 07.09.2017 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Beschluss der Kammer vom 26.10.2017 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 20.11.2017 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Ergänzend wird auf die Gerichts- und die Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

I.

Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 20.11.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II.

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.

Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, i.S.d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes: Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 - Au 5 K 16.30604 - juris).

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl-und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A - juris).

Gemessen an diesen Maßstäben haben die Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.

a) Soweit der Kläger zu 1 eine Verfolgungsgefahr aufgrund seiner Spitzeltätigkeit für die „ … … vorträgt, folgt hieraus kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Gericht folgt insoweit zunächst vollumfänglich den zutreffenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

aa) Neben den zutreffenden Feststellungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid, wonach kein Verfolgungsgrund im Sinne des § 3b Abs. 1 AsylG ersichtlich ist, schenkt das Gericht nach Durchführung der mündlichen Verhandlung auch der geschilderten „Verfolgungshandlung“ keinen Glauben. Die diesbezüglichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung sind teilweise vage und detailarm sowie teils in nicht unerheblichem Maße widersprüchlich zu den Angaben des Klägers zu 1 beim .

Insbesondere sind die Angaben zur Häufigkeit der Bestechungsgelder widersprüchlich. Der Kläger zu 1 gab am 04.05.2017 beim an, er habe insgesamt fünf Briefumschläge mit Bestechungsgeld bekommen. Dem Gericht erklärte er hingegen in der mündlichen Verhandlung, er habe von der …" nur vier Mal Geld erhalten. Eine plausible Erklärung für diesen Widerspruch konnte der Kläger zu 1 trotz Vorhalt des Gerichts nicht liefern.

Im Übrigen konnte der Kläger zu 1 in der mündlichen Verhandlung nicht einmal ungefähr zeitlich angeben, wann er sich dem Freund, der ebenfalls bei der Polizei gewesen ist, anvertraut und von seiner Spionagetätigkeit erzählt hat. Sein diesbezügliches Nichtwissen rechtfertigte er in der mündlichen Verhandlung wiederum nur mit dem pauschalen Einwand, er wisse dies nicht, da er seit sieben Monaten in Deutschland sei.

Auch die angeblich mehrfachen Wohnsitzwechsel bis zur Ausreise, um einer Bedrohung zu entgehen, wurden nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Bei der Anhörung beim wurde mit keinem Wort erwähnt, dass die Kläger unmittelbar vor der Ausreise wiederholt den Wohnsitz gewechselt haben. Angesprochen auf eine inländische Fluchtalternative erklärte der Kläger zu 1 beim Bundesamt sogar, sie seien nicht woanders hingegangen, weil man sie woanders auch gefunden hätte. Bis zur Ausreise sei er von der …" in Ruhe gelassen worden, da er dieser Gruppierung gegenüber erklärt habe, dass er momentan keine Zeit für eine Zusammenarbeit hätte. Nachdem die Beklagte im angefochtenen Bescheid zutreffend darauf einging, dass den Klägern mehrere Monate bis zur Ausreise nichts passiert sei und dementsprechend nicht von einer ernsthaften Verfolgungsgefahr auszugehen sei, wurde in der mündlichen Verhandlung ein mehrfacher Wohnsitzwechsel eingeführt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin zu 2 nicht einmal grob zeitlich einordnen konnte, wann diese Wohnsitzwechsel erfolgt sein sollen.

Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, dem Kläger zu 1 sei - nachdem er den Auftrag, den Polizeichef zu exekutieren, zweimal abgelehnt habe - angedroht worden, dass er selbst getötet werde, falls er den Auftrag nicht erfülle, entbehrt jeglicher Grundlage. Diesbezügliche Äußerungen machte der Kläger zu 1 weder beim Bundesamt, noch wurde dies in der mündlichen Verhandlung vom Kläger zu 1 bestätigt bzw. vorgebracht. Dem Kläger zu 1 wurde nach eigenen Angaben von der …" nur mit der Offenlegung der Zusammenarbeit gegenüber dem Generalmajor gedroht, falls er am Komplott zu Lasten des Generalmajors nicht mitwirke.

Weiterhin erscheint es völlig unglaubwürdig, dass sich sowohl die …" als auch der Generalmajor in der besagten Angelegenheit über Monate hinweg vertrösten haben lassen. Wären die Akteure tatsächlich so gefährlich wie von den Klägern beschrieben, hätten sich diese wohl kaum vom Kläger zu 1 mehrmals und über einen längeren Zeitraum mit fadenscheinigen Ausreden abspeisen lassen.

Aufgrund des Gesamteindrucks in der mündlichen Verhandlung hält das Gericht zudem den Vortrag, der Anführer der paramilitärischen Einheit … habe auch seine Familie bedroht für eine unglaubwürdige Steigerung des Sachvortrags. Weder der Kläger zu 1 noch die Klägerin zu 2 haben diesbezüglich bei ihren Anhörungen beim etwas erwähnt. Im Gegenteil, der Kläger zu 1 erklärte beim ausdrücklich, dass es nach der fiktiven Anzeige im November 2016 beim Generalmajor bis zur Ausreise am 27.03.2017 mit niemandem irgendwelche Schwierigkeiten gegeben habe. Erstmals in der mündlichen Verhandlung wurde vorgetragen, der Anführer der Militäreinheit habe - während der Kläger zu 1 bei der Arbeit gewesen sei - zweimal Leute zum Haus der Familie geschickt. Eine plausible Erklärung für den erstmaligen Vortrag in der mündlichen Verhandlung konnten weder der Kläger zu 1 noch die Klägerin zu 2 liefern. Der Kläger zu 1 flüchtete sich wiederum in allgemeine Floskeln und erklärte, er habe sich beim kurz fassen müssen und dies nicht sagen dürfen, was wiederum im Widerspruch zur Anhörungsniederschrift vom 04.05.2017 steht, wonach der Kläger zu 1 bestätigte, dass er ausreichend Gelegenheit hatte, seine Fluchtgründe zu schildern. Die Klägerin zu 2 rechtfertigte den insoweit fehlenden Sachvortrag beim mit der Aussage, man habe sie nicht danach gefragt. im Übrigen blieb dieser Themenkomplex -trotz weiterer Nachfragen des Gerichts zu den vermeintlichen Besuchen der …" -wiederum vage, detailarm und unsubstantiiert. Auch insoweit konnte die Klägerin zu 2 nicht einmal grob zeitlich einordnen, wann die … bei ihnen vorstellig geworden sei, da „sie unter Konzentrationsverlust leide“.

Im Übrigen macht das Gericht von seinem Ermessen gebrauch und weist den Vortrag, die habe zweimal Leute zum Haus der Familie geschickt, gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO als präkludiert zurück.

Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG hat der Kläger die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung anzugeben. Nach § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der obigen Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und der Beteiligte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist. Die Kläger wurden sowohl von der Beklagten im Bescheid vom als auch vom Gericht in der Klageeingangsmitteilung darauf hingewiesen, dass die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids anzugeben sind. Die Kläger haben diesen Aspekt weder ins behördliche Verfahren beim noch bis zur mündlichen Verhandlung in das gerichtliche Verfahren eingeführt, obwohl sie im Bescheid bzw. in der Klageeingangsmitteilung noch einmal darauf hingewiesen wurde, dass nach § 74 Abs. 1 Satz 2 AsylG nicht nur Beweismittel, sondern sämtliche Tatsachen innerhalb der genannten Frist vorzutragen sind. Die Kläger haben auch in keiner Weise plausibel dargelegt, warum diese Tatsachen erstmals in der mündlichen Verhandlung zur Sprache gekommen sind, sondern lediglich Ausflüchte (keine entsprechende Fragestellung bzw. keine Gelegenheit zum diesbezüglichen Vortrag) gesucht. Daher macht das Gericht von seinem Ermessen gebrauch und weist den verspäteten Vortrag als präkludiert zurück, da zur Klärung dieser Frage weitere Aufklärungsmaßnahmen notwendig wären, die zur Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits führen würden.

bb) Selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags und bei Berücksichtigung der verspätet vorgetragenen Bedrohung der Familie, steht den Klägern kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zu. Neben dem fehlenden Anknüpfungsmerkmal i.S.d. § 3b Abs. 1 AsylG hinsichtlich der Bedrohungen infolge der Spionagetätigkeit, stünde den Klägern zudem eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließt. Einem Ausländer wird gem. § 3e Abs. 1 AsylG die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).

Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Kläger als Kurden - sollten sie tatsächlich in flüchtlingsrelevanter Weise bedroht werden - bei einer Rückkehr in den Irak im Bedarfsfall Schutz in der Region Kurdistans suchen können. Für kurdische Volkszugehörige ist eine sichere und legale Einreise nach Kurdistan problemlos (z.B. über die Flughäfen in Erbil und Sulaimaniya) möglich. Es ist auch davon auszugehen, dass sie als Kurden in Kurdistan (wieder) aufgenommen werden Es ist nicht ersichtlich, warum sie nicht dorthin zurückkehren könnten. In Kurdistan besteht kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (vgl. hierzu ausführlich unter 2.). Der pauschale Hinweis, man würde sie überall finden und bekomme in Kurdistan Probleme mit dem Generalmajor, schließt vorliegend die innerstaatliche Fluchtalternative nicht aus. Die Kläger könnten problemlos anderweitig „untertauchen“, zumal sie offensichtlich - trotz angeblicher Gefahrenlage - sogar noch über einen längeren Zeitraum unbehelligt in Kirkuk leben konnten. Dass die … und der Polizeichef über Monate hinweg „vertröstet“ werden konnten, ist völlig unglaubwürdig (s.o.)

Der Kläger zu 1 ist jung, gesund und erwerbsfähig. Es ist ihm zumutbar alle Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen, insbesondere auch schlichten Hilfstätigkeiten nachzugehen, um für sich und seine Familie zu sorgen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es in einer fremden Stadt schwieriger ist, Arbeit zu finden, zumal sich die wirtschaftliche Lage auch in Kurdistan-Irak verschlechtert hat (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 2.2.2017 - AN 2 K 16.31008 - juris). Überdies leben noch Verwandte und die Großfamilie der Kläger im Irak, so dass im Bedarfsfall mit Unterstützung zu rechnen ist. Die Klägerin zu 2 stammt sogar aus Sulaimanyia. Ihre Großfamilie lebt dort. Es ist schon im Ansatz nicht glaubhaft, dass sich die Klägerin zu 2 wegen der Hinwendung zum Christentum mit ihrer Familie überworfen hat (siehe hierzu sogleich unter b.).

b) Die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgebrachte Hinwendung der Kläger zum Christentum führt ebenfalls nicht zum Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

aa) Für das Gericht ist bereits nicht glaubhaft vorgetragen, dass die Hinwendung zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung beruht und die Betätigung des christlichen Glaubens Teil der religiösen Identität der Kläger ist (vgl. hierzu VG Augsburg, U.v. 9.1.2017 - Au 5 K 16.31898 - juris, VG Bayreuth, U.v. 3.5.2017 - B 3 K 17.30947). Die Annahme einer Verfolgungsgefährdung wegen des Abfalls vom muslimischen Glaubens und der Zuwendung zum Christentum setzt im konkreten Einzelfall voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zum Christentum zur vollen Überzeugung des Gerichts auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum Christentum vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht. Das Gericht ist auch nicht an die Beurteilung des Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des Betroffenen liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Eine beachtliche Verfolgungsgefährdung lässt sich ferner auch nicht allein daraus ableiten, dass sich der Asylsuchende in Deutschland religiös betätigt hat. Das Gericht muss vielmehr die volle Überzeugung gewinnen, dass der Asylsuchende die religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet. Es muss davon ausgehen können, dass der Asylsuchende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion aktiv lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 - juris m.w.N.; BayVGH, B.v. 7.11.2016 - 14 ZB 16.30380 - juris, BayVGH, B.v. 16.11.2015 - 14 ZB 13.30207 - juris; OVG NRW, B.v. 10.2.2017 - 13 A 2648/16.A - juris; OVG Lüneburg, – B.v. 16.9.2014 - 13 LA 93/14 - juris; VGH BW, B.v. 23.4.2014 - A 3 S 269/14 - juris; VG München, U.v. 11.4.2017 - M 2 K 17.30353 - juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere der Einlassungen in der mündlichen Verhandlung, zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die am 20.11.2017 erstmals vorgebrachte Hinwendung zum Christentum nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche die religiöse Identität der Kläger prägt, sondern vielmehr dass dieser ganz offensichtlich Opportunitätserwägungen und asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen.

Bei der Befragung in der mündlichen Verhandlung offenbarte sich, dass den Klägern zu 1 und 2 selbst grundlegendste Kenntnisse über den christlichen Glauben fehlen. Der Kläger zu 1 vermochte zwar noch das „Vater unser“ auf Kurdisch aufzusagen, wusste aber nicht einmal den religiösen Hintergrund des bevorstehenden Weihnachtsfestes. Die Klägerin zu 2 wusste nur, dass „die Christen an Weihnachten feiern“. Der religiöse Hintergrund war ihr ebenfalls völlig fremd. Mit dem Begriff „Ostern“ konnte die Klägerin zu 2 überhaupt nichts anfangen.

Die Kläger zu 1 und 2 konnten dem Gericht auch nicht einmal im Ansatz darlegen, warum sie nicht mehr am sunnitischen Glauben festhalten können bzw. wollen und warum sie sich zum Christentum hingezogen fühlen. Auf Fragen des Gerichts kamen nur allgemeine und vage Floskeln, wie beispielsweise der Kläger zu 1 sei nicht glücklich mit dieser Religion gewesen, da der Koran immer falsch interpretiert worden sei. Die Klägerin zu 2 will nur deswegen kein Moslem mehr sein, weil sie „so viele schlechte Dinge im Islam gesehen habe.“ Eine plausible und nachvollziehbare Schilderung, was das Christentum für die Kläger ausmache, wurde ebenfalls nicht abgegeben. Der Kläger zu 1 beschränke sich auf völlig vage Oberbegriffe wie „Liebe“ und „Ehrlichkeit“. Die Klägerin zu 2 gab an, „Tugend und Liebe“ würden sie vom Christentum überzeugen, ohne dass eine nähere und inhaltliche Beschreibung dieser „Floskeln“ erfolgt ist.

Der Einschätzung des Gerichts, dass die Kläger lediglich aus asyltaktischen Gründen die Hinwendung zum Christentum vortragen, steht auch nicht entgegen, dass die Kläger zu 1 und 2 offensichtlich seit dem 22.09.2017 an einem Taufkurs in der Friedenskirche teilnehmen. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht zum Ausdruck einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung. Im Übrigen hat vorliegend noch nicht einmal eine Taufe stattgefunden. Diese soll vielmehr erst am 15.12.2017 erfolgen, wobei der Sinngehalt der unmittelbar bevorstehenden Taufe für das Gericht aufgrund der eklatanten Lücken der Kläger zu 1 und 2 in den absoluten Grundlagen des christlichen Glaubens mehr als fraglich erscheint. An dieser Einschätzung des Gerichts ändern auch die Bescheinigungen des Vereins C.A.S. e.V. (ComeAndSee - House For All Nations e.V.) vom 13.11.2017 bzw. 18.11.2017 sowie die Stellungnahme der Pfarrerin … (Friedenskirche vom 10.11.2017 nichts. Nach der Stellungnahme vom 13.11.2017 nähmen der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 seit einiger Zeit regelmäßig an der öffentlichen internationalen Bibelstunde und dem Gottesdienst für Iraner und Kurden teil. Im Übrigen nähmen sie am Taufkurs in der Friedenskirche teil, um sich und die Kinder am Ende des Kurses taufen zu lassen. Die Kläger zu 3 und 4 würden auf Wunsch der Kläger zu 1 und 2 den evangelischen Religionsunterricht in der Kirche besuchen. Nach der Bescheinigung vom 18.11.2017 bestehe an der Ernsthaftigkeit der Hinwendung der Kläger zu 1 und 2 zum christlichen Glauben kein Zweifel. Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 würden seit etwa fünf Monaten die jeden Mittwochabend stattfindende internationale Bibelstunde besuchen, seien dort mit großem Eifer dabei und würden sich auch in ihrer Umgebung zum christlichen Glauben bekennen. Die Pfarrerin der Stadtkirche führte in ihrer Stellungnahme vom 10.11.2017 aus, dass die Kläger seit 22.09.2017 regelmäßig den Taufkurs besuchen und sich sehr intensiv an den Gesprächen beteiligen würden. Sie freue sich, die Kläger noch vor Weihnachten taufen zu dürfen, da sie überzeugt sei, dass diese mit dem Herzen glauben.

Diese Stellungnahmen bzw. Bescheinigungen sind jedoch nicht geeignet, das Gericht von einer ernsthaften und identitätsprägenden Entscheidung der Kläger für das Christentum zu überzeugen, zumal die Kläger - wie bereits ausgeführt - nahezu keine Ahnung vom christlichen Glauben haben und auch der Zeitpunkt der erstellten Bescheinigungen bzw. der Beginn des Taufunterrichts im unverkennbaren Zusammenhang mit der Ablehnung des Asylantrags bzw. der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren steht. Im Übrigen erscheint es nicht nachvollziehbar, warum die Kläger ihre Zuwendung zum christlichen Glauben erstmals in der mündlichen Verhandlung vortragen, obwohl nach der Stellungnahme vom 18.11.2017 bereits seit etwa fünf Monaten, also ab etwa Mitte Juni 2017, die internationale Bibelstunde besucht wird. Insoweit verweist das Gericht zudem auf die vorstehenden Ausführungen zu § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO und weist - unter Ausübung pflichtgemäßer Ermessens - den Vortrag der Hinwendung zum christlichen Glauben ebenfalls als präkludiert zurück.

Nach alledem ist bei einer Gesamtwürdigung der Umstände zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die behauptete Hinwendung zum Christentum im Fall der Kläger nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche deren religiöse Identität prägt.

bb) Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Kläger tatsächlich aus innerer Überzeugung Christen geworden sind, haben sie ihr Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft dargelegt. Bei einer Rückkehr in den von der kurdischen Regionalregierung kontrollierten Gebieten bzw. in die Autonome Region Kurdistan - was den Klägern ebenfalls ohne weiteres zumutbar ist (s.o.) - droht wegen des Abfalls vom Islam und der Zuwendung zum christlichen Glauben nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG.

(1) Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine staatliche Verfolgung von Christen in Kurdistan. Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln geht das Gericht von folgender Lage im Irak, insbesondere in der kurdischen Autonomieregion - KAR - aus: Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamistischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z.B. den Abfall vom Islam; auch spezielle Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. In der KAR wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der KAR stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (zum Vorstehenden: Auswärtiges Amt -AA-, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 18.2.2016, S. 9 sowie Auswärtiges Amt -AA-, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 07.02.2017, S. 12). Nach dem Vorstoß des „Islamistischen Staats“ - IS - im Sommer 2014 in den Nord- und Zentralirak, der auch das christliche Kernland im Irak traf, sind zehntausende Christen in die KAR geflohen. Es gibt in der KAR keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung von Christen (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 15.12.2016 - M 4 K 16.31327 - juris; VG München, U.v. 13.1.2017 - M 4 K 16.31091 - juris, VG Aachen, U.v. 12.10.2016 - 4 K 993/14.A - juris m.w.N.).

Dass muslimische Kurden, die zum Christentum konvertieren, in Kurdistan anders behandelt werden, als gebürtige Christen, oder dass sogar ein diesbezügliches Verbot mit strafrechtlichen Konsequenzen besteht, ist für das Gericht nicht ersichtlich (vgl. VG Augsburg, U.v. 9.1.2017 - Au 5 K 16.31898 - juris; VG Aachen, U.v. 12.10.2016 - 4 K 993/14.A - juris; siehe auch: https://www.youtube.com/watch?v=zvg20OPlKw0 - Beitrag „Immer mehr Kurden werden Christen“; http://www.kath.net/news/52725 - Beitrag vom 04.11.2015 „Nordirak: Immer mehr kurdische Muslime werden Christen“).

(2) Eine Verfolgung der Kläger durch nichtstaatliche Akteure im Nordirak, insbesondere durch die Familie der Klägerin zu 2, ist weder glaubhaft und substantiiert vortragen noch anderweitig für das Gericht ersichtlich. Die Klägerin zu 2 behauptet lediglich, Angst zu haben, von ihrer Familie getötet zu werden. Selbst bei unterstellten privaten Verfolgungshandlungen durch die

(2) Familie der Klägerin zu 2 wegen einer Abkehr vom Islam, steht den Klägern jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative zu, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließt. Auf die vorstehenden Ausführungen zur internen Fluchtalternative im Rahmen der Bedrohung durch die " bzw. durch den Generalmajor wird verwiesen. Selbst bei einer (zusätzlichen) Bedrohung durch die Familie könnten die Kläger durch eine Niederlassung außerhalb des Machtbereiches der Familie, insbesondere in größeren Städten, gefahrlos untertauchen können. Dort sind sie - selbst wenn sie tatsächlich Christen und in Lebensgefahr wären - hinreichend sicher (so auch VG München, U.v. 15.12.2016 - M 4 K 16.31327 - juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2017 - B 3 K 16.31958; vgl. auch VG Aachen, U.v. 12.10.2016 - 4 K 993/14.A - juris, VG Bayreuth, U.v. 3.5.2017 - B 3 K 17.30242 - juris).

c) Die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragene Desertion des Klägers zu 1 vom Polizeidienst führt ebenfalls nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

aa) Zum einen wurde dieser Aspekt - ohne nachvollziehbaren Grund - erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Insoweit macht das Gericht wiederum von seinem Ermessen gebrauch und weist das Vorbringen nach § 74 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 87 b Abs. 3 VwGO als präkludiert zurück.

bb) Selbst wenn man die Desertion vom Polizeidienst als wahr unterstellt, ergibt sich für das Gericht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger zu 1 der Tod bzw. infolge einer militärischen Gerichtsverhandlung eine lange Haftstrafe mit unmenschlicher Behandlung im Gefängnis droht. Aufgrund eines Auskunftsersuchens des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14.09.2011 in der Streitsache W 4 K 09.30149, wies das Europäische Zentrum für Kurdische Studien in Berlin mit Schreiben vom 28.02.2013 darauf hin, dass sich das Strafmaß der irakischen Militärgerichtsbarkeit, vor der sich der Kläger zu 1 fürchtet, nach dem Militärstrafgesetz Nr. 19 aus dem Jahr 2007 richtet. In Art. 33 Abs. 1 heißt es: „Jeder Soldat, der 15 Tage ohne Erlaubnis von seiner Militäreinheit fernbleibt und jeder Offizier, der 10 Tage ohne Erlaubnis und Grund nicht zum Dienst erscheint, wird mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft.“ Weiterhin wird nach Art. 35 Abs. 5 jede Peron, die ins Ausland flüchtet, zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Nach diesen Grundsätzen der irakischen Militärgerichtsbarkeit hätte der Kläger zu 1 somit allenfalls mit einer Gefängnisstrafe von 5 Jahren zu rechnen. In der obigen Auskunft vom 28.02.2013 wird aber zugleich darauf hingewiesen, dass das Militärstrafgesetz derzeit im Irak nicht umgesetzt wird. In der Praxis werden Offiziere, die 10 Tage nicht zum Dienst erschienen sind, lediglich entlassen. Hintergrund für den „Nichtvollzug“ des Strafgesetzes sind die hohen Desertionszahlen und die damit einhergehende Unmöglichkeit der Strafverfolgung (vgl. umfassend: VG Bayreuth, U.v. 28.10.2016 - B 3 K 16.31099).

In Anbetracht dieser Erkenntnisse spricht bereits einiges dafür, dass der Kläger zu 1 bei einer Rückkehr wegen Desertion nicht zwingend verhaftet bzw. bestraft werden würde.

Selbst wenn der Kläger zu 1 im Irak zur Rechenschaft gezogen wird, rechtfertigt die drohende Gefängnisstrafe im Heimatland für eine begangene „Fahnenflucht“ noch nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Eine Bestrafung wegen Desertion stellt an sich noch keine diskriminierende Maßnahme im Sinne des Flüchtlingsrechts dar (VG München, U.v. 16.11.2016 - M 25 K 15.31291 - juris; VG Bayreuth, U.v. 12.10.2017 - B 3 K 17.31455 - juris). Die gesetzliche Freiheitsstrafe von 5 Jahren ist an sich ebenfalls nicht unverhältnismäßig oder diskriminierend i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG (VG Bayreuth, U.v. 28.10.2016 - B 3 K 16.31099, VG Bayreuth, U.v. 24.4.2017 - B 3 K 17.30796; VG Bayreuth, U.v. 24.8.2017 - B 3 K 17.31275; VG Bayreuth, U.v. 12.10.2017 - B 3 K 17.30523). Zwar fällt das diesbezügliche Strafmaß höher aus als in einigen europäischen Ländern, jedoch findet sich beispielsweise auch im deutschen Wehrstrafrecht eine ähnliche Strafandrohung für den Fall der „Fahnenflucht“ (vgl. § 16 WStG).

d) Weiterhin ist - entgegen dem Vorbringen des Bevollmächtigten der Kläger - in der Rechtsprechung geklärt, dass die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, im Irak die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte nicht aufweisen. Für die Annahme einer entsprechenden Verfolgungsdichte ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, U.v. 21.4.2009 -10 C 11/08 - juris). Zwar existieren im Irak schiitische Milizen, die zum Teil auch gewaltsam gegen Sunniten vorgehen. Dabei handelt es sich aber um einzelne Übergriffe. Die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, weisen weder im Staat Irak in seiner Gesamtheit noch in Kirkuk die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte auf (vgl. BayVGH, U.v. 09.01.2017 -13a ZB 16.30740 - juris; BayVGH, B.v. 01.02.2017 - 13a ZB 16.30990 - juris; BayVGH, B.v. 15.03.2017 - 20 ZB 17.30308 - juris; VG Augsburg, U.v. 12.12.2016 - Au 5 K 16.31959 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.07.2016 - Au 5 K 16.30604 - juris; VG Bayreuth, U.v. 18.10.2016 -B 3 K 16.30613).

e) Im Ergebnis steht damit den Klägern unter keinem Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.

2. Den Klägern steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu. Sie können sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen.

a) Es gibt - insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz -keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG durch die … bzw. durch den Generalmajor oder durch die Familie der Klägerin zu 2 droht. Auch subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt nur dann in Betracht, wenn glaubhaft und konkret individuell die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung droht.

b) Den Klägern steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen, hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes i.S.d. Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009, C-465.7, juris).

a) Zwar geht auch das Gericht davon aus, dass in der Region Kirkuk ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, jedoch erreicht der Grad willkürlicher Gewalt - auch und erst-recht nach dem kürzlich erfolgten, widerstandslosen Rückzug der Peschmerga aus Kirkuk (vgl.: http://www.spiegel.de/politik/ ausland/kirkuk-schwarze-woche-fuer-die-kurden-des-irak-a-1173939.html) - nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau, demzufolge jedem Kläger allein wegen seiner Anwesenheit in Kirkuk Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gewährt werden muss (so auch VG Ansbach, U.v. 01.12.2016 - AN 2 K 16.30864 - juris; VG Bayreuth, U.v. 13.04.2017 - B 3 K 17.30673 - juris, VG Bayreuth, U.v. 5.5.2017 - B 3 K 17.30140). Es sind auch keine besonderen, in der Person der Kläger liegenden, individuellen Umstände ersichtlich, die auf eine erhöhte Gefährdung im Verhältnis zu sonstigen Angehörigen der Zivilbevölkerung schließen lassen.

c) Im Übrigen stünde den Klägern als Kurden jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG in die formellen Grenzen der Autonomen Region Kurdistan offen. Auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz wird verwiesen.

3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in den kurdisch kontrollierten Gebieten des Iraks führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung der Kläger eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die schlechten humanitären Verhältnisse im Umfeld der Kläger gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es den Klägern nach einer Rückkehr in den Irak nicht gelingen könnte, sich zumindest eine existenzsichernde Grundlage zu schaffen. Der Kläger zu 1 ist jung, gesund und erwerbsfähig. Es ist nicht ersichtlich, dass er nicht für sich und seine Familie sorgen könnte.

b) Den Klägern droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

a) c) Weiterhin sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10.08.2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 03.03.2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird.

Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - juris; VG München, U.v. 22.12.2016 - M 4 K 16.33226 - juris). Sonstige Gefahren i.S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.

Entscheidungen nach den vorstehenden Maßgaben ergehen aber nicht durch das im Asylverfahren, sondern allenfalls durch die zuständige Ausländerbehörde.

4. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn die Kläger sind, wie oben ausgeführt, weder als Flüchtlinge anzuerkennen noch stehen ihnen subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu. Sie besitzen auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

5. Unabhängig von der Tatsache, dass die Aufhebung des gesetzlichen - nach § 11 Abs. 2 AufenthG von der Beklagten befristeten - Einreise- und Aufenthaltsverbot aus § 11 Abs. 1 AufenthG nach § 11 Abs. 4 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde und nicht in der Entscheidungskompetenz der Beklagten steht (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG sowie BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27/16 - juris und OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.4.2017 - OVG 11 N 163.16 - juris) sowie ungeachtet der Frage, ob - in Anbetracht der Klageanträge -eine (kürzere) Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch die Beklagte nach § 11 Abs. 2 AufenthG überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens ist, zumal eine bloße Aufhebung der Befristung im Rahmen einer Anfechtungsklage zu einem unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot führen würde, sind Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, nicht ersichtlich.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Die Kläger, die keine Ausweisdokumente vorlegten, wenden sich gegen die Ablehnung ihres Asylbegehrens.

1. Der Kläger zu 1 (geb.: ... 1982) und seine Ehefrau, die Klägerin zu 2 (geb.: ... 1991) sind nach eigenen Angaben nigerianische Staatsangehörige, geboren in, Volkszugehörigkeit Edo, christlichen Glaubens. Sie sind die Eltern der Klägerin zu 3, die am ... 2014 in …Italien geboren ist.

Die Kläger zu 1 bis 3 reisten (nach eigenen Angaben) am 1. Oktober 2014 mit dem Zug aus Italien kommend illegal in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 23. Februar 2015 stellten die Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) Asylanträge.

An diesem Tag (23.2.2015) fand das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens statt, bei dem die Kläger zu 1 und 2 getrennt voneinander beim Bundesamt angehört wurden.

Dabei gab der Kläger zu 1 u.a. an, er habe die Klägerin zu 2 am 1. Mai 2014 in ... geheiratet. Sein Herkunftsland habe er im Januar 2005 verlassen. Seit dem Verlassen seines Herkunftslandes habe er sich in Niger (2 Monate), Libyen (4 Jahre) und Italien (5 Jahre) aufgehalten. Im März 2009 habe er in Italien einen Asylantrag gestellt.

Die Klägerin zu 2 gab u.a. an, sie habe ihr Herkunftsland am 5. Januar 2013 verlassen und sei nach Italien gereist. Dort habe sie sich 1 Jahr 10 Monate aufgehalten. Im Februar 2014 seien ihr in Italien die Fingerabdrücke abgenommen worden.

Im Aktenvermerk des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 wird festgestellt, dass kein Dublin-Verfahren durchzuführen sei. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens sei abgelaufen. Die Zuständigkeit sei auf Deutschland übergegangen.

Am 11. Oktober 2016 wurden die Kläger zu 1 und 2 getrennt voneinander beim Bundesamt persönlich angehört.

Der Kläger zu 1 führte im Wesentlichen aus, er habe in Nigeria eine ID-Card, einen Wählerausweis und eine Geburtsurkunde gehabt. Diese Dokumente habe er in Nigeria zurückgelassen. Er sei zwölf Jahre zur Schule gegangen und habe den Schulabschluss „West African Examination“ (WAE), der dem deutschen Abitur entspreche. Studiert habe er nicht. Er habe Maler und Friseur gelernt. Er habe als selbständiger Maler gearbeitet, davon aber nicht leben können. Seine Mutter habe ihn unterstützt.

Seine letzte offizielle Adresse, unter der er sich in Nigeria bis zur Ausreise aufgehalten habe, laute: „..." ... Sein Heimatland habe er im Januar 2002 verlassen. Vor der Einreise nach Deutschland habe er sich in Niger (2-3 Wochen), Libyen (ca. 5 Jahre) und in Italien (5 Jahre 6 Monate) aufgehalten. Sein Bruder habe ihn in Nigeria abgeholt und nach Libyen gebracht. In Italien habe er als Erntehelfer gearbeitet. Er habe drei Jahre lang jeweils eine Erlaubnis für jeweils sechs Monate erhalten, die immer wieder verlängert worden sei. Dann sei die Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verlängert worden, er habe allerdings eine Duldung gehabt. Der Vermieter habe seine Dokumente einbehalten und an die Polizei gegeben, weil er die Miete nicht mehr habe bezahlen können.

Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter lebe unter der angegebenen Adresse. In Nigeria lebten noch eine Schwester und zwei Brüder. Ein Bruder lebe in Deutschland. In ... lebten noch zwei Tanten und vier Onkel väterlicherseits und ein Onkel und eine Tante mütterlicherseits. Der Bruder, der ihn in Nigeria abgeholt habe, sei in Libyen verstorben.

Zu den Gründen seines Asylantrags trug der Kläger zu 1 im Wesentlichen vor, als er Friseur gelernt und als Maler gearbeitet habe, habe er Probleme mit den Angehörigen eines Kults gehabt. Er sollte ihrem Kult beitreten. Vermutlich hätten sie gedacht, er könne ihnen Geld geben und den Mitgliedsbeitrag zahlen, weil er ein Einkommen gehabt habe. Er habe es abgelehnt, dem Kult beizutreten. Diese Leute hätten ihn aber jeden Tag bedrängt und ihn auf der Straße verfolgt. Das sei so drei Wochen gegangen und dann habe es Streit gegeben. Sein Bruder sei eingeschritten und es sei in einen Kampf ausgeartet. Sein Bruder sei verletzt worden. Dann seien diese Leute auch zu ihnen nach Hause gekommen und hätten auch seine ganze Familie verprügelt, auch seine Mutter. Seine Mutter sei zur Kriminalpolizei gegangen (CID – Criminal Investigation Department) und habe Anzeige erstattet. Diese Leute seien eingesperrt, aber zwei Tage später wieder entlassen worden. Er habe sich dann nicht mehr getraut, in den Friseursalon zu gehen. Seine Brüder hätten gesagt, der Kampf sei nicht zu gewinnen und er solle, wenn er dem Kult nicht beitreten wolle, lieber das Land verlassen. Seine Mutter habe seinen Bruder in Libyen angerufen, dieser sei gekommen und habe ihn nach Libyen mitgenommen.

Auf Nachfragen gab der Kläger zu 1 an, dass der Kult „Aiye“ heiße. Als Mitglied des Kults hätte er erpressen, rauben, vergewaltigen und mit den Mitgliedern anderer Kulte kämpfen müssen. Da er außerhalb von ... niemanden gekannt habe, sei er zu seinem Bruder nach Libyen gegangen. Er würde sich eher umbringen, als nach Nigeria zurückzukehren. Er könne seine Frau und seine Kinder nicht nach Nigeria bringen. Diese Gruppe würde ihn umbringen. Auch in ... hätten solche Kultanhänger einen Mord begangen.

Er habe seine Frau traditionell geheiratet. Seine Familie und die Familie seiner Frau hätten in Nigeria vereinbart, dass sie als verheiratet gelten sollen.

Er mache seine Asylgründe auch für die Klägerin zu 3 und seinen Sohn ... (geb.: ... 2015 in Deutschland) geltend.

Die Klägerin zu 2 führte aus, sie habe Nigeria im Januar 2013 verlassen. Ihre letzte offizielle Adresse, unter der sie sich in Nigeria bis zur Ausreise aufgehalten habe, laute: ... Sie sei mit dem Bus über Benin und Togo nach Ghana gefahren und sei dort ca. zwei Monate lang geblieben. Von Ghana aus sei sie nach Italien geflogen und habe dort knapp ein Jahr gelebt. Von Italien seien sie mit dem Zug über Österreich nach Deutschland gefahren.

Ihre Mutter sei verstorben. Ihr Vater ... lebe in der Stadt ... In Nigeria habe sie noch zwei Brüder und eine Schwester. Sie wisse aber nicht genau, wo diese leben. Im Dorf ..., habe sie noch eine Tante und zwei Onkel. Sie habe sechs Jahre die Grundschule und vier Jahre die Oberschule besucht. Sie habe sich selbst schneidern beigebracht, aber damit kein Geld verdient. Sie habe als Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet.

Zu den Gründen ihres Asylantrags trug die Klägerin zu 2 im Wesentlichen vor, sie habe bei ihrer Großmutter gewohnt. Diese sei krank geworden. Eine Frau, Freundin der Schwester ihrer Großmutter, habe gesagt, sie habe eine Freundin in Europa, die eine Verkäuferin für ihren Laden suche und das wäre doch etwas für sie. Sie habe das Angebot angenommen. Die Frau habe die Reise, Pass, Visum, Flugticket organisiert. Die Frau habe sie in Italien abgeholt. Dann sei sie mit der Wahrheit herausgerückt, dass sie, die Klägerin zu 2, als Prostituierte arbeiten solle. Sie habe die Kosten der Reise abarbeiten sollen. Als sie sich geweigert habe, sei sie von dem Freund der Frau geschlagen worden. Sie sei jeden Tag geschlagen worden. Sie habe es nicht mehr ausgehalten und sei davon gelaufen. Sie habe sich bei einer Freundin versteckt. In deren Haus habe sie ihren Mann kennengelernt. Die Frau habe sie in Italien weiter verfolgt und habe sie zwingen wollen, weiter für sie zu arbeiten. Sie habe auch verhindert, dass ihr Mann und sie sich ein Zimmer mieten konnten, da sie gegenüber dem Vermieter schlecht über sie geredet habe. Sie müsse sich in Nigeria vor dieser Frau fürchten. Diese würde sie in Nigeria finden und Geld von ihr verlangen. Die Frau habe Haare, Schamhaare, Fingernägel und ihre Unterhose. Sie habe Angst, dass diese Frau Juju gegen sie betreibe. Die Frau habe auch von ihrer Freundin verlangt, dass sie die Klägerin überreden solle, zurückzukommen. In Nigeria habe sie niemanden mehr. Ihr Vater sei mit einer Frau verheiratet, die sie nicht möge.

Auf die Frage nach ihrer Eheschließung trug die Klägern zu 2 vor, sie hätten traditionell geheiratet. Die Mutter ihres Ehemannes habe ihren Vater besucht und die Mitgift bezahlt. Standesamtlich geheiratet hätten sie nicht.

2. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger zu 1 bis 3 auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Nr. 1), ebenso die Asylanträge (Nr. 2) und die Anträge auf subsidiären Schutz (Nr. 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Weiter wurde den Klägern zu 1 bis 3 die Abschiebung nach Nigeria angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Der Bescheid wurde den Klägern zu 1 und 2 laut Postzustellungsurkunde am 31. Dezember 2016 zugestellt.

3. Am 5. Januar 2017 ließen die Kläger durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben und beantragen,

1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. Dezember 2016 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, für die Kläger das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft, weiter hilfsweise das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes sowie schließlich wiederum hilfsweise den Klägern einen subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Rückführung der jungen Familie mit dann zwei kleinen Kindern in die desolaten Verhältnisse ihres Herkunftslandes Nigeria unzumutbar sei, so dass wenigstens der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen sein werde. Zudem würden die Kläger zu 1 und 2 bei einer Rückkehr in das Herkunftsland den barbarischen Ritus der zwangsweisen Beschneidung der Klägerin zu 3 befürchten. Aufgrund der kulturellen und familiären Verhältnisse könnten die Kläger zu 1 und 2 ihrer Tochter, der Klägerin zu 3, faktisch keinen Schutz hiervor gewähren.

Für die Beklagte legte das Bundesamt mit Schreiben vom 10. Januar 2017 die Behördenakte vor; eine Antragstellung unterblieb.

Mit Beschluss vom 10. November 2017 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylG).

Mit Schriftsatz vom 27. November 2017 legte der Klägerbevollmächtigte das ärztliche Attest des Kinder- und Jugendarztes Dr.med. ..., vor, wonach bei der Klägerin zu 3 im April 2016 durch einen ambulanten operativen Eingriff ein Weichteiltumor entfernt worden sei. Histologisch habe sich ein gutartiges Hämangiom gezeigt. Die Wundheilung sei regelrecht und das weitere Jahr beschwerdefrei gewesen. Am 13. Oktober 2017 sei wegen einer erneuten Schwellung im Nacken eine Operation ambulant durchgeführt worden. Auch diesmal sei von Seiten der Pathologie im histologischen Präparat die Diagnose eines nicht malignen, kavernösen Hämangioms gestellt worden. Die Wundheilung sei im Verlauf regelrecht, ein Rezidiv sei bislang nicht festgestellt worden, Weitere Kontrollen seien laut den Berichten der Kinderchirurgie nicht vorgesehen.

4. Am 13. Dezember 2017 wurde die Verwaltungsstreitsache, zusammen mit dem Verfahren des am ... 2015 in Deutschland geborenen Sohnes der Kläger zu 1 und 2, ... (Az.: Au 7 K 17.30061), mündlich verhandelt. Ein Vertreter der Beklagten ist nicht erschienen. Die Kläger zu 1 und 2 wurden informatorisch angehört. Der Bevollmächtigte der Kläger zu 1 bis 3 beantragte,

Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Dezember 2016 verpflichtet, den Klägern zu 1 bis 3 die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihnen den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

5. Hinsichtlich des am ... 2015 in Deutschland geborenen Sohnes der Kläger zu 1 und 2,, stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 3. Januar 2017 das Asylverfahren ein (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2) und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).

Gegen diesen Bescheid ließen die Eltern am 5. Januar 2017 Klage erheben, die bei Gericht unter dem Aktenzeichen Au 7 K 17.30061 geführt wird. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde im Hinblick auf die Nr. 3 des Bescheids vom 3. Januar 2017(Abschiebungsandrohung) stattgegeben, im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil vom 13. Dezember 2017 (Az.: Au 7 K 17.30061) aufgrund der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2017 wurde die Nr. 3 des Bescheids vom 3. Januar 2017 aufgehoben, im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

6. Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und auf die Behördenakten, auch im Verfahren des Kindes ... (Az.: Au 7 K 17.30061), sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten mit der Ladung hierauf hingewiesen wurden (§ 102 Abs. 2 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO).

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Bescheid des Bundesamts vom 23. Dezember 2016 ist, soweit er mit Ausnahme der Nr. 2 angefochten wurde, im gemäß § 77 Abs. 1, Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig. Die Kläger zu 1 bis 3 haben keinen Anspruch auf Zuerkennung internationalen Schutzes oder auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote im Hinblick auf Nigeria und werden durch den Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz (§ 3 ff AsylG) kommt nicht in Betracht.

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Es ist Sache des Ausländers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU). Der Ausländer hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört u.a., dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Schutzsuchende sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen muss. Es obliegt dabei dem Schutz vor Verfolgung Suchenden, die Voraussetzungen hierfür glaubhaft zu machen. Er muss nachvollziehbar machen, wieso und weshalb gerade er eine Verfolgung befürchtet. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es regelmäßig, wenn er im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen oder er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgebend bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Asylverfahren einführt. In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (vgl. BayVGH, U.v. 26.1.2012 – 20 B 11.30468 m.w.N.).

a) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger zu 1 keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

aa) Der Kläger zu 1 ist bereits deswegen kein Flüchtling, weil er sein Heimatland Nigeria nicht aus Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verlassen hat, und er eine Verfolgung aus solchen Gründen auch im Falle der Rückkehr nicht zu befürchten hat. Denn die Behauptung des Klägers, ein krimineller Geheimbund (Kult) namens Aiye habe ihn zur Mitgliedschaft bzw. zu dessen Unterstützung zwingen wollen und im Falle der Rückkehr befürchte er, von diesem Geheimbund weiterhin verfolgt zu werden, lässt einen der Verfolgungsgründe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3 b AsylG nicht erkennen.

bb) Zudem kann dem Kläger seine Verfolgungsgeschichte, nämlich dass er in Nigeria von den Anhängern des Aiye-Kults zur Mitgliedschaft gezwungen werden sollte, auch nicht geglaubt werden.

Beim Bundesamt gab der Kläger an, er sei drei Wochen lang von Mitgliedern des Kults bedrängt und auf der Straße verfolgt worden. Sein Bruder sei eingeschritten, es sei in einen Kampf ausgeartet und sein Bruder sei verletzt worden. Dann seien diese Leute zu ihnen nach Hause gekommen und hätten seine ganze Familie, einschließlich seiner Mutter, verprügelt. Diese habe Anzeige bei der Kriminalpolizei erstattet und diese Leute seien eingesperrt, nach zwei Tagen aber wieder entlassen worden. Er habe sich dann nicht mehr getraut, in den Friseursalon zu gehen (s. Anhörungsprotokoll S. 3/4, Bl. 61/62 der Bundesamtsakte).

In der mündlichen Verhandlung erwähnte der Kläger den (angeblichen) Vorfall, dass sein Bruder eingeschritten und im Rahmen eines Kampfes verletzt worden sei, überhaupt nicht mehr. Vielmehr gab er nun an, er selbst sei wegen seiner Weigerung, dem Kult beizutreten, zusammengeschlagen worden; dies sei ca. Anfang Januar 2002 in dem Friseursalon, in dem er gearbeitet habe, passiert. Dann seien die Leute von dem Kult zu ihnen nach Hause gekommen und hätten sie alle verprügelt (s. Sitzungsniederschrift S. 5).

Diese unterschiedliche Darstellung von den Ereignissen, die sich im Rahmen der (angeblichen) Anwerbungsversuche des Kults zugetragen haben sollen, zeigen zur Überzeugung des Gerichts, dass der Kläger keine wahren Begebenheiten geschildert hat. Denn wäre die Verfolgungsgeschichte wahr, dann hätte er so einschneidende Vorfälle – Gewaltanwendung gegenüber seinem Bruder, der sich für ihn eingesetzt hat, einerseits und/oder Gewaltanwendung gegenüber ihm selbst an seiner Arbeitsstätte andererseits – widerspruchsfrei bzw. vollständig und schlüssig schildern können, zumal die Zeitspanne zwischen den Anwerbungsversuchen des Kults und seiner Ausreise aus Nigeria nicht lang gewesen sein soll, wie er sowohl beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung behauptet hat.

cc) Aber selbst wenn der Kläger zu 1 tatsächlich im Zeitraum von ca. Oktober 2001 bis zu seiner Ausreise Ende Januar 2002 (s. Sitzungsniederschrift S. 4) von Anwerbungsversuchen eines Geheimbunds namens Aiye betroffen gewesen wäre, dann besteht jedenfalls derzeit kein Anhaltspunkt dafür, dass er im Falle der Rückkehr, also nach fast 16 Jahren, immer noch eine (asyl-) relevante Verfolgung seitens des Geheimbunds zu erwarten hätte. Nach den eigenen Angaben des Klägers ist er „nur“ über einen Zeitraum von ca. drei bis vier Monaten Anwerbungsversuchen ausgesetzt gewesen, aber niemals Mitglied dieses Geheimbunds geworden und hat damit keinerlei Kenntnisse z.B. über von diesem konkret begangene Straftaten oder Rituale oder sonstige Geheimnisse erlangt. Nach den Schilderungen des Klägers haben nach seiner Ausreise aus Nigeria auch keinerlei Racheaktionen oder andere (kriminelle) Maßnahmen des Geheimbunds gegenüber seiner Familie stattgefunden; derartiges hat er jedenfalls mit keinem Wort erwähnt. Dies spricht dafür, dass mit der Ausreise des Klägers auch jegliches Interesse des Geheimbunds an seiner Person geendet hat (sollte solches überhaupt jemals bestanden haben). Damit ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger zu 1, wenn er nach ca. 16-jähriger Abwesenheit nach Nigeria zurückkehrt, Verfolgungsmaßnahmen seitens des Geheimbundes zu erwarten hätte.

dd) Zudem ist der Kläger zu 1 auf eine inländische Fluchtalternative zu verweisen. Gemäß § 3e AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Selbst wenn das Vorbringen des Klägers zu 1, er hätte Ende 2001/Anfang 2002 Mitglied eines (kriminellen) Geheimbunds werden sollen, als wahr unterstellt werden würde, kann in seinem Falle nicht von landesweiter Verfolgung ausgegangen werden, gegen die interner Schutz in diesem Sinne nicht erlangt werden kann. Es kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Geheimbund dem Kläger zu 1 (sowie seiner Frau und seinen Kindern) landesweit nachstellen würde (siehe unter cc)). Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass Mitglieder des Kults den Kläger zu 1, wenn dieser (mit seiner Familie) nach 16-jähriger Abwesenheit nach Nigeria zurückkehrt, ausfindig machen können. In einem Land mit einer Bevölkerung von ca. 180 Millionen bzw. einer Millionenstadt wie Lagos (Bevölkerung 18 Mio.; zu beiden Zahlen vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/ DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Nigeria.html?nnm=383178) ohne funktionierendes Meldesystem lässt sich in keiner Weise nachvollziehen, wie dem Geheimbund, selbst wenn er ein überregionales Netzwerk haben sollte, das gelingen sollte. Damit sprechen stichhaltige Gründe gegen eine Verfolgung bei Rückkehr des Klägers zu 1, der nunmehr seit ca. 16 Jahren nicht mehr in Nigeria lebt. Auch ist der Kläger zu 1 (wie seine Frau und die Kinder) Christ, so dass ihm auch aus diesem Grund zuzumuten ist, sich anderweit im überwiegend christlichen Süden bzw. Südwesten des Landes niederzulassen, wenn ihm eine Rückkehr nach ... zu gefährlich erscheinen sollte. Da in Nigeria Freizügigkeit herrscht, kann der Kläger sich in anderen Landesteilen ansiedeln.

b) Auch die Klägerin zu 2 hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Der Klägerin zu 2 droht im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria keine politische Verfolgung. Ihr Vorbringen, sie sei nach Italien eingeschleust worden und habe in ... als Prostituierte arbeiten müssen, sei aber davon gelaufen und habe sich bei einer Freundin versteckt, wo sie den Kläger zu 1 kennengelernt habe, ist nicht glaubhaft, so dass auch ihre Behauptung, sie hätte bei einer Rückkehr nach Nigeria eine Verfolgung durch die Schleuser bzw. Zuhälter zu erwarten, nicht zutreffend bzw. nicht glaubhaft ist.

Dem Gericht ist bekannt, dass eine Vielzahl nigerianischer Frauen zum Zweck der Zwangsprostitution nach Europa verbracht wird (vgl. z.B. Informationszentrum Asyl und Migration, Nigeria, Dezember 2011, „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen aus Nigeria“). Die Klägerin zu 2 gehört jedoch offensichtlich nicht zu diesem Personenkreis. Ihre Behauptungen beim Bundesamt und insbesondere in der mündlichen Verhandlung, wie es ihr gelungen sei, ihrer Zuhälterin (diese werden in der Regel als „Madame“ bezeichnet) nach kurzer Zeit zu entkommen und aus der Zwangsprostitution auszusteigen, ohne ihre Schulden auch nur annähernd abgearbeitet zu haben, ist vollkommen realitätsfern und ersichtlich frei erfunden. Hierzu hat die Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, sie sei ungefähr am 13. Februar 2013 in Italien angekommen und habe in ... ca. drei Monate als Prostituierte arbeiten müssen. Eines Tages, als die Frau, die sie zur Prostitution gezwungen habe, nicht da gewesen sei, sei sie zu einer Freundin gelaufen. Diese Freundin habe ebenfalls in ... gewohnt und in einer Bar gearbeitet, die sie, die Klägerin zu 2, mit ihrer Zuhälterin gelegentlich besucht habe (siehe Sitzungsniederschrift S. 8/9).

Nach diesen Angaben wäre die Klägerin etwa im Mai/Juni 2013 zu der Freundin gezogen und hätte noch gut über ein Jahr (Ankunft in Deutschland: Oktober 2014) in ... gelebt, ohne dass man sie in dieser Zeit in die Zwangsprostitution zurückgezwungen hätte.

Nigerianerinnen, die nach Europa eingeschleust werden, um dort als Prostituierte zu arbeiten, werden üblicherweise Kosten zwischen 40.000 und 100.000 US-Dollar in Rechnung gestellt, die sie abarbeiten müssen (vgl. Informationszentrum Asyl und Migration, Nigeria, Dezember 2011, „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen aus Nigeria“,4.2, S. 8). Dass die Klägerin „Schulden“ in einer solchen Höhe nach nur drei Monaten Arbeit als Prostituierte nicht einmal annähernd abgearbeitet haben könnte, liegt auf der Hand. Hätte sie sich trotzdem nach so kurzer Zeit abgesetzt und nicht mehr als Prostituierte gearbeitet, wären mit Sicherheit erhebliche Anstrengungen seitens ihrer Zuhälter unternommen worden, um sie (notfalls auch mit Gewalt) zurückzuholen. In diesem Zusammenhang ist die Behauptung der Klägerin zu 2, sie habe sich nach ihrer „Flucht“ aus der Zwangsprostitution weiterhin in ... aufgehalten und zwar bei einer Frau, die aufgrund ihrer Arbeit in einer Bar auch der „Madame“ bekannt gewesen sein müsste, ersichtlich frei erfunden. Denn unter den geschilderten Umständen wäre ihr Aufenthaltsort mit Sicherheit, angesichts des von den Zuhältern in aller Regel unterhaltenen Netzwerks, sehr bald entdeckt worden und sie wäre zurückgeholt worden. Auch erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass eine Frau, die die Klägerin zu 2 nach eigenen Angaben nur recht kurz gekannt haben könnte und die aufgrund ihrer Arbeit in einer Bar, die von nigerianischen Zwangsprostituierten und ihren Zuhältern besucht wird, in diesem Umfeld bekannt gewesen wäre, der Klägerin zu 2 Unterschlupf geboten und sich damit selbst in Gefahr gebracht hätte.

Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin zu 2 zu den Gründen und Umständen ihres Aufenthalts in Italien die Unwahrheit gesagt hat. Damit ist auch kein Grund ersichtlich, dass bzw. warum der Klägerin zu 2 im Falle der Rückkehr nach Nigeria Verfolgung drohen könnte.

c) Auch die (am ... 2014 in ... geborene) Klägerin zu 3, für die die Gefahr der Genitalverstümmelung geltend gemacht wird, hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Grundsätzlich ist zwar eine im Heimatland (hier: Nigeria) drohende Genitalverstümmelung als politische Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG anzusehen. Zur Überzeugung des Gerichts kann hier aber von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit – eine „Vorverfolgung“ fand nicht statt, da die Klägerin zu 3 in Italien geboren wurde – eintretenden Gefahr der Genitalverstümmelung für die Klägerin zu 3 nicht ausgegangen werden.

Grundsätzlich geht das Gericht nach den vorliegenden Erkenntnissen davon aus, dass die weibliche Genitalverstümmelung in allen bekannten Formen nach wie vor in Nigeria verbreitet ist. Schätzungen zur Verbreitung der weiblichen Genitalverstümmelung gehen jedoch weit auseinander und reichen von 19% bis zu 50% oder 60% (vgl. dazu etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – vom 21. November 2016, Stand September 2016, Nr. II.1.8).

Es wird zwar teilweise von einem Rückgang der Beschneidungspraxis bzw. einem Bewusstseinswandel ausgegangen, dennoch ist die Beschneidungspraxis noch in den Traditionen der nigerianischen Gesellschaft verwurzelt. Nach traditioneller Überzeugung dient die weibliche Genitalverstümmelung der Sicherung der Fruchtbarkeit, der Kontrolle der weiblichen Sexualität, der Verhinderung von Promiskuität und der Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft der Frauen durch eine Heirat. Angesichts des Umstandes, dass teilweise nur eine beschnittene Frau als heiratsfähig angesehen wird, kann der Druck auf die Betroffenen als auch auf deren Eltern zur Durchführung einer Beschneidung erheblich sein. Zur Erreichung der „Heiratsfähigkeit“ sind häufig gerade weibliche Familienmitglieder bemüht, die Beschneidung durchführen zu lassen und mitunter erfolgt dies auch gegen den Willen der Eltern. Übereinstimmend wird davon ausgegangen, dass die weibliche Genitalverstümmelung besonders in ländlichen Gebieten und hierbei insbesondere im Süden bzw. Südwesten und im Norden des Landes verbreitet ist. Das Beschneidungsalter variiert von kurz nach der Geburt bis zum Erwachsenenalter und ist abhängig von der jeweiligen Ethnie. Einige Bundesstaaten, darunter auch ... – Herkunftsgebiet der Kläger zu 1 und 2 –, haben Gesetze gegen die Genitalverstümmelung erlassen; allerdings sind Verfahren bislang nicht bekannt geworden; ein effektiver Schutz von Frauen und Mädchen durch diese Gesetze müsse bezweifelt werden, jedoch werde von einem Rückgang der Eingriffe berichtet (vgl. Auswärtiges Amt – Lagebericht – a.a.O.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 18.7.2008 und vom 21.8.2008; vgl. auch Lageberichte vom 28. August 2013, Nr. II.1.8; und vom 6. Mai 2012, Nr.II.1.8; zum Ganzen außerdem Institut für Afrikakunde, Auskunft an das VG Düsseldorf vom 28. März 2003; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010; ACCORD, Nigeria, Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, 21. Juni 2011, S. 6 ff; WHO, Eliminating female genital mutiliation – an interagency statement – 2008, http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/43839/ 1/9789241596442_eng.pdf; VG Aachen, U.v. 16.9.2014 – 2 K 2262/13.A – juris, m.w.N.).

Im Mai 2015 hat der damalige Präsident Jonathan ein Gesetz gegen Gewalt gegen Personen unterzeichnet, das weibliche Genitalverstümmelung sowie andere traditionelle Praktiken gegen Frauen (insbesondere Witwen) und Kinder verbietet (vgl. Auswärtiges Amt – Lagebericht – a.a.O.), so dass diese Praxis nunmehr offenbar landesweit unter Strafe gestellt wurde (vgl. http://www.huffingtonpost.de/serife-nur-turan/endlich-nigeria-verbietet-genitalverstuemmelung-an-frauen-und-mädchen_b_14247740.html).

Im konkreten Fall ist darauf hinzuweisen, dass weder der Kläger zu 1 noch die Klägerin zu 2 im Rahmen ihrer jeweiligen Anhörungen beim Bundesamt die Gefahr einer der Klägerin zu 3 in Nigeria drohenden Beschneidung geltend gemacht haben. Vielmehr wurde eine solche Gefahr für die Klägerin zu 3 erst nach dem Erlass des streitgegenständlichen Ablehnungsbescheides, nämlich erstmals in der Klageschrift vom 5. Januar 2017 behauptet. Dass eine Mutter oder ein Vater, sollten sie tatsächlich Sorge vor einer Beschneidung ihrer Tochter haben, eben jene drohende Beschneidung bei ihrer Anhörung zum Verfolgungsschicksal mit keinem Wort erwähnen, erscheint dem Gericht mehr als unwahrscheinlich. Die Behauptung der Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung, sie habe beim Bundesamt nicht so viel Zeit gehabt, um dies zu sagen, ist ersichtlich vorgeschoben. Vielmehr hat sie beim Bundesamt ausdrücklich erklärt, „Weitere Gründe, die außer meinen eigenen Gründen für die Kinder gelten, kann ich momentan nicht vorbringen“ (vgl. Anhörungsprotokoll S. 4, Bl. 68 der Bundesamtsakte).

Zudem liegt das Beschneidungsalter bei der Volksgruppe der Edo bzw. Bini, der die Kläger zu 1 und 2 nach eigenen Angaben angehören, nach den vorliegenden Auskünften in den ersten Lebenswochen zwischen dem 7. und 14. Tag nach der Geburt; bei Erwachsenen wird keine Beschneidung durchgeführt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010, S. 44). Die Klägerin zu 3 ist jedoch mittlerweile bereits über drei, fast vier Jahre alt, so dass deren Beschneidung entsprechend den Gepflogenheiten der Volksgruppe der Edo eher nicht mehr zu befürchten steht.

Das Bundesamt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010, S. 44) zitiert außerdem eine Auskunft des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2005, nach der zweifelhaft ist, ob FGM bei den Edo (Bini) überhaupt noch durchgeführt wird. Insoweit soll bei dieser Volksgruppe bereits seit vielen Jahren die Praxis der weiblichen Beschneidung übereinstimmend als überkommener Brauch zurückgewiesen werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7.7.2005, Az.: 508-516.80/43807). Dies steht in Übereinstimmung damit, dass auch die Klägerin zu 2 nach eigenen Angaben nicht beschnitten ist (vgl. Sitzungsprotokoll S. 10). Ihr Vortrag in der mündlichen Verhandlung, ihr Vater und ihre Mutter hätten gewollt, dass sie beschnitten werde, aber ihre Großmutter habe hierzu „nein“ gesagt, ist zum einen deswegen unglaubhaft, weil sie derartiges beim Bundesamt mit keinem Wort erwähnt hat. Zum anderen erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass die Eltern der Klägerin zu 2 sich für eine Beschneidung ausgesprochen hätten und gerade die Großmutter, die wohl noch mehr in den Traditionen verwurzelt sein dürfte als die Elterngeneration der Klägerin zu 2, sich dagegen gewandt haben soll. Dieser Vortrag der Klägerin zu 2 ist zur Überzeugung des Gerichts offensichtlich asyltaktisch motiviert und soll nur dazu dienen, eine asylrelevante Gefahr für die Klägerin zu 3 zu konstruieren, wenn schon die eigene Verfolgungsgeschichte bzw. diejenige des Klägers zu 1 nicht zum Erfolg im Asylverfahren geführt haben.

Dasselbe gilt für die Behauptungen des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung, seine Mutter werde in Nigeria auf einer Beschneidung der Klägerin zu 3 bestehen und er werde sich nicht gegen seine Mutter durchsetzen können (vgl. Sitzungsniederschrift S. 10/11). Dass die Mutter auf einer Beschneidung der im Falle der Rückkehr (fast) vierjährigen Klägerin zu 3 bestehen würde, steht zum einen im Widerspruch zu den Gepflogenheiten der Volksgruppe der Edo, wonach Beschneidungen üblicherweise in den ersten Lebenswochen zwischen dem 7. und 14. Tag nach der Geburt durchgeführt werden. Der Umstand, wonach gerade innerhalb dieser Volksgruppe bereits seit vielen Jahren die Praxis der weiblichen Beschneidung als überkommener Brauch zurückgewiesen wird, spricht zudem dagegen, dass sich der Kläger zu 1 nicht gegen seine Mutter durchsetzen und die Beschneidung verhindern könnte, zumal die FGM nicht nur in, sondern mittlerweile in ganz Nigeria gesetzlich verboten ist. Zudem lässt sich die Behauptung des Klägers zu 1, dass seine Mutter eine entschiedene Befürworterin der weiblichen Beschneidung sei, nicht mit dem Vortrag der Kläger zu 1 und 2 über deren traditionelle Heirat in Übereinstimmung bringen, nämlich dass die Mutter des Klägers zu 1 mit der Heirat einverstanden war, insoweit eine traditionelle Zeremonie in Nigeria stattgefunden hat und hierbei Geschenke von der Familie des Klägers zu 1 an die Familie der Klägerin zu 2 übergeben wurden. Würde die Mutter des Klägers zu 1 derartig strikt auf die Tradition der Beschneidung bestehen, wie von ihm behauptet, dann wäre ihr mit Sicherheit bekannt geworden bzw. hätte sie in Erfahrung gebracht, dass die Familie der Klägerin zu 2 bei ihren weiblichen Mitgliedern die Beschneidung nicht durchführen lässt bzw. dass die Klägerin zu 2 nicht beschnitten ist und dann hätte sie mit Sicherheit auch einer Eheschließung ihres Sohnes mit einer unbeschnittenen Frau, wie der Klägerin zu 2, nicht zugestimmt.

Nach allem ist die Behauptung des Klägers zu 1, er werde die Beschneidung der Klägerin zu 3 im Falle der Rückkehr nach Nigeria nicht verhindern können, nicht glaubhaft, sondern zur Überzeugung des Gerichts lediglich asyltaktisch motiviert. Ein unausweichlicher familiärer oder gesellschaftlicher Druck hinsichtlich der Durchführung einer Genitalverstümmelung kann, wie ausgeführt, weder seitens der Familie des Klägers zu 1, geschweige denn seitens der Familie der (unbeschnittenen) Klägerin zu 2 angenommen werden.

d) Die Kläger müssen bei einer Rückkehr in ihr Heimatland auch nicht deswegen Verfolgungshandlungen befürchten, weil sie im Bundesgebiet Asylanträge gestellt haben. Verhaftungen bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von aus Deutschland abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern sind nicht bekannt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – vom 21. November 2016 (Stand: September 2016) Nr. IV.2; vgl. auch die Lageberichte vom 3. Dezember 2015, vom 28. November 2014, 28. August 2013, vom 6. Mai 2012 und 7. März 2011, jeweils Nr. IV.2.).

2. Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG bleibt für die Kläger zu 1 bis 3 ebenfalls ohne Erfolg.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).

Gemessen an diesen Maßstäben haben die Kläger zu 1 bis 3 keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Die Schilderungen zur Gefahr sind unglaubhaft und unsubstantiiert wofür vollinhaltlich auf die zu § 3 AsylG erläuterten Gründe (siehe unter 1., a) bis c)) verwiesen wird.

Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern zu 1 bis 3 in Nigeria die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe drohen könnte (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), sind nicht ersichtlich.

Schließlich besteht in Nigeria auch kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

Das Gericht nimmt im Übrigen Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheids unter Nr. 3., folgt ihr und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

3. Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation in Nigeria und der individuellen Umstände der Kläger nicht vor.

Im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK reicht der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (BVerwG, B.v. 25.10.2012 – 10 B 16/12 – juris Rn. 8, 9; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 23 ff.). Unabhängig davon, in welchen Fällen existenzbedrohende Armut im Sinne von Art. 3 EMRK relevant sein kann, liegen Anhaltspunkte hierfür nicht vor. Die Kläger zu 1) und 2 sind jung, arbeitsfähig und verfügen in Nigeria jeweils über ein familiäres Netzwerk. Anhaltspunkte, dass sie nach ihrer Rückkehr nicht in der Lage sind, das Existenzminimum für sich und ihre beiden Kinder zu sichern, z.B. durch eine Wiederaufnahme ihrer früheren Tätigkeiten als Friseur und/oder Maler (Kläger zu 1) bzw. Schneiderin oder Verkäuferin (Klägerin zu 2) bestehen nicht. Zudem verfügen die Kläger zu 1 und 2 nach eigenen Angaben in Nigeria über ein familiäres Netzwerk (Großfamilie).

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Bei den in Nigeria vorherrschenden harten Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt wird. Eine extreme Gefährdungslage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausnahmsweise nicht greift (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris LS 3 und Rn. 14; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 38), liegt nicht vor.

Gesundheitsbedingte Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurden hinsichtlich der Kläger zu 1 und 2 nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Das hinsichtlich der Klägerin zu 3 mit Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 27. November 2017 vorgelegte ärztliche Attest des Kinder- und Jugendarztes Dr.med. ... (Bl. 41/42 der Gerichtsakte) kann ein von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasstes gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot nicht belegen.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der Fassung des am 17. März 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.

Im o.g. ärztlichen Attest wird ausgeführt, dass bei der Klägerin zu 3 durch die ambulanten operativen Eingriffe im April 2016 und am 13. Oktober 2017 jeweils eine Entfernung einer Schwellung im Nackenbereich stattgefunden hat, wobei es sich bei den Schwellungen jeweils um gutartige bzw. nicht maligne kavernöse Hämangiome handelte. Damit liegt bei der Klägerin zu 3 ersichtlich keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung gem. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vor, zumal ausweislich des ärztlichen Attests die Behandlung abgeschlossen ist („Weitere Kontrollen sind laut den Berichten der Kinderchirurgie nicht vorgesehen“).

Das Gericht nimmt im Übrigen Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheids unter Nr. 4., folgt ihr und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

4. Das von der Beklagten verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG sowie die Abschiebungsandrohung begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Qualifizierte Einwände hiergegen haben die Kläger auch nicht erhoben.

Damit war die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.

5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist 30 Tage. Im Falle der Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.

(2) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags vor der Entscheidung des Bundesamtes oder der Einstellung des Verfahrens beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(3) Im Falle der Rücknahme des Asylantrags oder der Klage oder des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14a Absatz 3 kann dem Ausländer eine Ausreisefrist bis zu drei Monaten eingeräumt werden, wenn er sich zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt.

Gegen Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz findet kein Widerspruch statt.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.