Verwaltungsgericht Regensburg Beschluss, 14. Feb. 2014 - 5 S 14.30112

bei uns veröffentlicht am14.02.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Regensburg

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine Abschiebungsanordnung in einem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt).

Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge senegalesischer Staatsangehöriger. Im Juli 2013 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 25.7.2013 einen Asylantrag stellte.

In einer Befragung zur Vorbereitung der Anhörung durch das Bundesamt am 13.12.2013 gab der Antragsteller an, er habe Senegal schon vor längerer Zeit verlassen. Er habe zunächst etwa viereinhalb Jahre in Griechenland gelebt. Von dort aus sei er nach Mazedonien gereist und dann über Serbien nach Ungarn. Sowohl in Griechenland als auch in Ungarn seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. In Ungarn sei er einen Tag lang inhaftiert und dann in ein Camp gebracht worden. Ungarn habe er als Mitfahrer in einem Auto verlassen.

Da ein EURODAC-Datenabgleich einen Treffer der Kategorie 1 hinsichtlich Ungarn ergab, stellte das Bundesamt am 19.12.2013 ein Übernahmeersuchen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 (ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1 ff. - im Folgenden: Dublin-II-VO) an Ungarn. Mit Schreiben vom 2.1.2014 akzeptierten die ungarischen Behörden das Wideraufnahmegesuch und erklärten sich bereit, den Antragsteller gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) Dublin-II-VO aufzunehmen.

Mit Bescheid vom 20.1.2014, dem Antragsteller zugestellt am 27.1.2014, entschied das Bundesamt, dass der Asylantrag unzulässig sei. Aufgrund des seitens des Antragstellers bereits in Ungarn gestellten Asylantrages sei dieses Land für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auslösen könnten, seien nicht ersichtlich. In Ziffer 2 des Bescheides wurde die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeordnet.

Am 3.2.2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid erheben, die unter dem Az. RN 5 K 14.30110 geführt wird. Zugleich ließ er in Bezug auf die Abschiebungsanordnung vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragen. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts, weil die Umstände in Ungarn für Asylbewerber untragbar seien. Sie würden dort in besonderen Haftanstalten inhaftiert. Die Situation, die in verschiedenen Berichten geschildert werde, werde zusätzlich durch eine Gesetzesänderung vom 1.7.2013 verschärft. Durch die Gesetzesänderung seien die Gründe für eine Inhaftierung von Asylsuchenden massiv erweitert worden. Ferner müsse befürchtet werden, dass eine Rückschiebung in den Herkunftsstaat erfolge, ohne dass vorher ein rechtmäßiges Asylverfahren durchgeführt werde. In vielen Fällen könnten Dublin-II-Rückkehrer auch keine Unterkunft oder Unterstützungsleistungen beanspruchen, weshalb verschiedene deutsche Gerichte systematische Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens in Ungarn erkennen würden und eine Überstellung nach Ungarn als unzulässig ansehen würden.

Ferner müsse bedacht werden, dass Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens überhaupt nicht zuständig sei, da sich der Antragsteller bereits über einen langen Zeitraum in Griechenland aufgehalten habe, bevor er nach Ungarn gereist sei.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes vom 20.1.2014 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheides,

den Antrag abzulehnen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf das den Antragsteller betreffende Aktengeheft des Bundesamtes, das dem Gericht vorgelegen hat, Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.

Grundsätzlich kann das Verwaltungsgericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn der Sofortvollzug eines Verwaltungsaktes durch Gesetz angeordnet ist, wie dies vorliegend der Fall ist (vgl. §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 75 Satz 1 AsylVfG). Seit dem 6.9.2013 gilt dies auch für nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG angeordnete Abschiebungen. Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind in derartigen Fällen nach § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen.

Vorliegend hat das Bundesamt die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn auf § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützt. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Hier hat das Bundesamt die Abschiebung nach Ungarn angeordnet, weil die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 24.9.2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) Dublin-II-VO erklärt haben. Somit steht fest, dass die Abschiebung nach Ungarn - als EU-Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat im Sinne des § 26 a AsylVfG - durchgeführt werden kann.

Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens sei zunächst auf zweierlei hingewiesen.

Für die Bestimmung des zur Prüfung des Asylbegehrens zuständigen Mitgliedstaates gelten im vorliegenden Fall allein die Bestimmungen der Dublin-II-VO. Zwar ist die Nachfolgeregelung - die sog. Dublin-III-VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 - ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 ff.) bereits im Juli 2013 in Kraft getreten. Allerdings bestimmt Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-VO, dass auf Asylanträge, die vor dem 1.1.2014 gestellt worden sind, weiterhin die Zuständigkeitskriterien der Dublin-II-VO anwendbar sind.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den europarechtlichen Zuständigkeitsvorschriften um reine zwischenstaatliche Regelungen handelt, die grundsätzlich keine subjektiven Rechten von Asylbewerbern begründen, wonach das Asylverfahren in einem bestimmten Mitgliedstaat durchgeführt werden muss. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das europäische Zuständigkeitssystem lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens eines Drittstaatsangehörigen gewährleistet sein muss. Demgemäß sind die in der Dublin-II-VO niedergelegten Zuständigkeitsregeln an die Mitgliedstaaten adressiert und sehen Rechte und Pflichten für die EU-Mitgliedstaaten vor. Ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat besteht daher grundsätzlich nicht (VGH BW vom 6.8.2013, Az. 12 S 675/13 ; VG Regensburg vom 18.7.2013, Az. RN 5 K 13.30027 und Az. RN 5 K 13.30029 ; VG Trier vom 30.5.2012, Az. 5 K 967/11 TR ; VG Freiburg vom 4.10.2010, Az. A 4 K 1705/10 ; Hailbronner, AuslR, Bd. 3, § 27 a AsylVfG, Rn. 26 ff. m. w. N.).

Deshalb spielt es im Ergebnis keine Rolle, ob Ungarn tatsächlich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder ob - wie der Antragsteller meint - Griechenland der zuständige Mitgliedstaat ist. Auch § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG lässt schließlich nicht nur die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu, sondern auch eine Abschiebung in einen sicheren Drittstaat im Sinne des § 26 a AsylVfG. Ungarn als Mitglied der Europäischen Union ist gemäß § 26 a Abs. 2 AsylVfG ein solcher sicherer Drittstaat.

Einen Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO hat das Bundesamt mit ausreichender Begründung dahingehend verneint, dass außergewöhnliche humanitäre Gründe hierfür nicht ersichtlich seien. Auch der Antragsteller hat derartige außergewöhnliche humanitäre Gründe - mit Ausnahme der aus seiner Sicht systematischen Mängel des ungarischen Asylverfahrens (vgl. dazu unten) - nicht vorgetragen. Es fehlt somit schon an jeglicher Voraussetzung dafür, im Hinblick auf das Selbsteintrittsrecht überhaupt ein Ermessen auszuüben. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO stellt einen Selbsteintritt nicht in das freie Ermessen des jeweiligen Mitgliedsstaats, da nämlich von einer - im Einzelfall widerlegbaren - Vermutung der Beachtung der Grundrechte durch den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedsstaat auszugehen ist und das gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeitssystem nicht unterlaufen werden darf. Auch Gründe für eine Prüfung im Weg von Art. 15 Dublin-II-VO sind nicht ersichtlich. Es verbleibt somit zunächst bei der Zuständigkeit von Ungarn als für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigem Staat (VG Ansbach, vom 30.9.2013, Az. AN 10 S 13.30742 ).

Der Regelung des § 34 a AsylVfG, wonach die Abschiebung ohne materielle Prüfung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags erfolgen soll, liegt das sogenannte Konzept der normativen Vergewisserung zugrunde. Grundlage und Rechtfertigung des gemeinsamen europäischen Asylsystems ist die Vermutung, dass das Asylverfahren und die Aufnahme der Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat in Einklang steht mit den Anforderungen der Charta der Grundrechte der EU, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Deshalb ist davon auszugehen, dass dem Asylsuchenden im Zielstaat der Abschiebung keine politische Verfolgung droht (vgl. BVerfG vom 14.5.1996, BVerfGE 94,49 ff.).

Die Rechtsprechung lässt jedoch in eng begrenzten Ausnahmefällen Abweichungen von diesem Konzept zu. Das Konzept der normativen Vergewisserung wird danach insbesondere dann mit der Folge durchbrochen, dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolgreich ist, wenn - wie dies der Europäische Gerichtshof formuliert - ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Zielstaat der Abschiebung systematische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Asylbewerbers im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechts-Charta) implizieren (vgl. EuGH vom 21.12.2011, verbundene Rechtssachen C 411/10 und C 393/10, NVwZ 2012, 417).

Zu prüfen ist demnach, ob die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern im Allgemeinen eingehalten werden. Fehlleistungen im Einzelfall stellen das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage. Erst wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im nach der Dublin-II-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen, ist ein Abweichen von den Bestimmungen der Dublin-II-VO mit der Folge geboten, dass die Bundesrepublik Deutschland von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen muss. Mit anderen Worten muss in derartigen Fällen in der Bundesrepublik Deutschland ein Asylverfahren durchgeführt werden und die Abschiebung in den die Mindeststandards nicht einhaltenden Mitgliedsstaat ist unzulässig. Nur unter diesen Voraussetzungen hat der Asylbewerber ausnahmsweise ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland.

In Bezug auf Ungarn ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass ihm als Dublin-Rückkehrer eine Existenzgefahr im Sinne einer Verelendung droht. Denn nach der im Eilrechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung ist derzeit nicht (mehr) davon auszugehen, dass die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern in Ungarn schon im Allgemeinen nicht eingehalten werden. Womöglich vorkommende Fehlleistungen im Einzelfall stellen das Konzept der normativen Vergewisserung jedenfalls nicht in Frage.

Mit dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschluss vom 6.8.2013, Az. 12 S 675/13 ) geht der zur Entscheidung berufene Einzelrichter davon aus, dass das ungarische Asylrecht im Allgemeinen im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards steht und die wichtigsten Garantien enthält. Für die im Eilverfahren nur mögliche summarische Prüfung ist davon auszugehen, dass trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens durch die ungarischen Behörden diese Verpflichtungen jedenfalls soweit eingehalten werden, dass eine Rückführung nach Ungarn als zuständigen Staat zumutbar ist. Zwar ergibt sich aus dem vom Antragsteller zitierten Bericht des ungarischen Helsinki-Komitees vom April 2011, dass Aufnahme- und Lebensbedingungen sowie die Unterbringungsbedingungen in Ungarn beanstandenswert und teilweise unzureichend waren. Ebenso wurden in der Vergangenheit regelmäßige Inhaftierungen von Asylbewerbern geschildert. Auch in der Anwendungspraxis zeigten sich durchaus Mängel (UNHCR, Ungarn als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn, April 2012 - im Folgenden: UNHCR-Bericht). Unregelmäßigkeiten tauchten vermehrt bei Flüchtlingen auf, die im Rahmen der Dublin-II-VO nach Ungarn rücküberstellt wurden. Der Zugang zum ungarischen Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer wurde als problematisch bewertet (UNHCR-Bericht, S. 9). Diese hätten nur eingeschränkt Zugang zu einem Asylverfahren, weil sie nicht automatisch als Antragsteller behandelt würden. Ihr Asylantrag würde nach der Rücküberstellung als Folgeantrag gewertet (UNHCR-Bericht, S. 9; Amnesty International, Positionspapier zur Rücküberstellung nach Ungarn vom 22.10.2012). In den meisten Fällen folge bei einer Rückkehr nach Ungarn die Verhängung von Verwaltungshaft (UNHCR-Bericht, S. 10). Die Asylsuchenden hätten im Verfahren zur Prüfung von Folgeanträgen keinen Anspruch auf die selben Leistungen wie Personen, die einen Erstantrag gestellt haben, selbst wenn ihre Anträge inhaltlich noch nicht geprüft worden seien (UNHCR-Bericht, S. 14).

Diese Erkenntnisse müssen zwischenzeitlich jedoch als überholt gelten. In einem aktuelleren Bericht vom Dezember 2012 führt der UNHCR nämlich aus, dass das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet hat. Dublin-Rückkehrer werden danach nicht inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen (UNHCR, Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update - UNHCR observations on Hungary as a country of Asylum, Dezember 2012). Diese Erkenntnisse decken sich mit den Angaben von Liaison-Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beim ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung, die sowohl vom OVG Magdeburg (Beschluss vom 31.5.2013, Az. 4 L 169/12 ) als auch vom VG Augsburg (Beschluss vom 22.4.2013, Az. Au 6 S 13.30099 ) angeführt werden. Ausgehend von der Äußerung des UNHCR ist im konkreten Fall des Antragstellers nicht zu erkennen, dass derart eklatante Missstände vorliegen, die derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass er in Ungarn der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt würde.

Gestützt wird dieses Ergebnis durch die Erkenntnis des Österreichischen Asylgerichtshofes vom 9.7.2013 (S 21 436096-1/2013 - abrufbar im Rechtsinformationssystem (RIS) des Österreichischen Bundeskanzleramtes: www.r...at). Dieser hat ausdrücklich festgestellt, dass in Ungarn am 1.1.2013 ein überarbeitetes Asylgesetz in Kraft getreten ist, das die nötigen Verbesserungen gebracht habe, weshalb nicht erkannt werden könne, „dass im Hinblick auf Asylbewerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin-Verordnung nach Ungarn rücküberstellt werden, aufgrund der ungarischen Rechtslage oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten nach der EMRK erfolgen würden, so dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne einer realen Gefahr für den Einzelnen bestehen würde“.

Auch aufgrund der in Ungarn am 1.7.2013 in Kraft getretenen Gesetzesänderung im dortigen Asylgesetz, wonach die Möglichkeiten der Inhaftierung von Asylsuchenden erweitert worden sind, führen zu keiner anderen Einschätzung. Zu dieser Gesetzesänderung liegen dem Gericht drei Äußerungen von Nichtregierungsorganisationen vor (UNHCR, Comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts fort he purpose of legal harmonisation vom 12.4.2013; Hungarian Helsinki Committee, Brief Information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013; European Council of Refugees an Exiles, Hungary passes legislation allowing widespread detention of asylum seekers), die in englischer Sprache verfasst sind und die keine generelle Empfehlung aussprechen, Asylbewerber im Rahmen des Dublin-Verfahrens nicht nach Ungarn zu überstellen. Mit dem OVG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 31.5.2013, Az. 4 L 169/12) vermag der zur Entscheidung berufene Einzelrichter nicht zu erkennen, dass die Neuregelungen zu systematischen Mängeln des Asylverfahrens in Ungarn führen. Aus den zitierten Berichten ergibt sich nicht, dass eine mögliche Inhaftierung von Asylbewerbern nach den neuen Regelungen in Ungarn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass Ungarn damit gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK verstoßen würde. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass es sich bei den neuen Regelungen um eine Verletzung des Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326 vom 13.12.2005, S. 13 ff.) handelt, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Asylbewerber ist. Vielmehr wird in einem Bericht des UNHCR (Comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts fort the purpose of legal harmonisation vom 12.4.2013) gerade darauf verwiesen, dass Ungarn mit den Gesetzesänderungen teilweise Vorgaben einer (geplanten) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern umsetzen wolle.

Auch ist nicht ersichtlich, dass in Ungarn Haftbedingungen bestehen, welche die aufgrund der geplanten Regelungen inhaftierten Asylbewerber einer erniedrigenden Behandlung aussetzen. Berichte zu Haftbedingungen aus der Vergangenheit bezogen sich auf Fälle der automatischen Inhaftierung von Asylbewerbern und Dublin-Rückkehrern. Eine solche automatische Inhaftierung findet aber gerade nicht mehr statt (OVG Sachsen-Anhalt vom 31.5.2013, Az. 4 L 169/12).

Nach alledem vermag das Gericht derzeit keine systematischen Mängel des Asylverfahrens in Ungarn zu erkennen, die eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers rechtfertigen könnten (zu diesem Ergebnis gelangen auch: VGH Baden-Württemberg vom 6.8.2013, Az. 12 S 675/13 ; OVG Sachsen-Anhalt vom 31.5.2013, Az. 4 L 169/12; VG Ansbach vom 8.11.2013, Az. AN 11 S 13.30890 ; VG Potsdam vom 14.11.2013, Az. 6 L 787/13.A ; VG Augsburg vom 25.7.2013, Az. Au 7 S 13.30210 sowie vom 22.4.2013, Az. Au 6 S 13.30099 ; VG Regensburg vom 12.4.2013, Az. RO 9 S 13.30112 ; VG Trier vom 15.1.2013, Az. 5 L 51/13.Tr ).

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83 b AsylVfG.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 30 Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz


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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

 
Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 AsylVfG durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Der Antrag ist aus mehreren Gründen bereits unzulässig.
1. Bei dem am 15.09.2010 gestellten (aktuellen) Antrag des Antragstellers handelt es sich, nachdem ein von ihm bereits am 10.03.2010 gestellter, auf dasselbe Ziel gerichteter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 08.04.2009 mit Beschluss des Gerichts vom 23.03.2010 - A 4 K 384/10 - abgelehnt wurde, der Sache nach um einen Antrag auf Änderung oder Aufhebung des zuvor ergangenen Beschlusses gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Dass eine solche Sachlage gegeben ist, hat der Antragsteller verkannt und deshalb einen entsprechenden Änderungs- bzw. Aufhebungsantrag nicht gestellt. Dementsprechend hat er auch mit keinem Wort dargelegt, aufgrund welcher veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände eine Änderung oder Aufhebung des oben genannten Beschlusses vom 23.03.2010 geboten ist. Ohne dass der Antragsteller dies als Änderung eines Umstands bezeichnet hat, lässt sich dem Vorbringen im Antragsschriftsatz vom 15.09.2010 lediglich eine Neuigkeit entnehmen, nämlich dass der Antragsteller (in der JVA Mannheim) inzwischen eine ladungsfähige Anschrift hat. Die fehlende Anschrift war aber nur einer von mehreren (jeweils selbständig tragenden) Gründen für die Ablehnung des Antrags des Antragstellers im Beschluss vom 23.03.2010. Ein weiterer wesentlicher Grund für den ablehnenden Beschluss war, dass § 34a Abs. 2 AsylVfG der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs im vorliegenden Fall entgegensteht. Hierzu enthält das Vorbringen des Antragstellers im vorliegenden Verfahren keine neuen (veränderten) Umstände, die der Antragsteller im ersten Verfahren nicht hätte geltend machen können bzw. die er ohne Verschulden nicht geltend gemacht hat. Das gilt sowohl für seinen Vortrag, dass die Antragsgegnerin durch (umfassende) Anhörung des Antragstellers von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch gemacht habe, dass er im Jahr 2008 von Slowenien aus nicht direkt ins Bundesgebiet weitergereist, sondern vorher in sein Heimatland zurückgekehrt und dass deshalb die Antragsgegnerin zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei sowie dass die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Überstellung seiner Person nach Slowenien nicht wie nach Art. 19 Abs. 4 Dublin-II-VO vorgeschrieben nach sechs Monaten erfolgt sei. All diese Umstände und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen hätte der Antragsteller bzw. sein Prozessbevollmächtigter, dessen Prozesshandlungen dem Antragsteller nach Maßgabe von §§ 173 VwGO, 85 ZPO zuzurechnen sind, bereits im vorangegangenen Verfahren 4 K 384/10 geltend machen können. Dass er ohne Verschulden daran gehindert war, ist nicht erkennbar. Damit hat der Antragsteller schon aus prozessrechtlichen Gründen keinen Anspruch auf eine Änderung oder Aufhebung des Beschlusses vom 23.03.2010 ( vgl. u. a. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 80 RdNrn. 191 und 196 ff. m.w.N. ).
2. Der Antrag ist aber auch ungeachtet der Vorschrift des § 80 Abs. 7 VwGO unzulässig, weil auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers im vorliegenden Verfahren kein Grund ersichtlich ist, der es geböte, von der gesetzlichen Regelung in § 34a Abs. 2 AsylVfG, wonach die Abschiebung nicht nach § 80 Abs. 5 VwGO ausgesetzt werden darf, eine Ausnahme zu machen. Eine solche Ausnahme ist weder nach höherrangigem nationalen (Verfassungs-)Recht noch nach europäischem Gemeinschaftsrecht geboten.
Die Ausschlussklausel des § 34a Abs. 2 AsylVfG verstößt nicht gegen die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG, wie sich aus Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG ergibt ( vgl. hierzu Beschluss des Gerichts vom 23.03.2010 - 4 K 384/10 - m.w.N. insbes. Aus der Rspr. des BVerfG’s ).
Eine Ausnahme von § 34a Abs. 2 AsylVfG ist auch nicht geboten aufgrund von europäischem Gemeinschaftsrecht, hier aufgrund von Vorschriften in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist ( ABl. Nr. L 59/1 vom 25.02.2003, abgedr. in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Aug. 2010, Band 5, D 12.5 ) - Dublin-II-VO -. Art. 19 Abs. 2 und 20 Abs. 1 Buchstabe e) Dublin-II-VO sehen ausdrücklich vor, dass Rechtsbehelfe gegen die Durchführung der Überstellung eines Asylbewerbers in den nach der Dublin-II-Verordnung für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat keine aufschiebende Wirkung haben müssen.
Im vorliegenden Fall ist Slowenien, das der Überstellung des Antragstellers mit Faxschreiben vom 08.04.2009 zugestimmt hat, nach Maßgabe der Art. 4 Abs. 5, 16 Abs. 1 Buchstabe a) und c), 19 Abs. 3 und 4 sowie 20 Abs. 1 Buchstabe e) und Abs. 2 zur Wiederaufnahme des Antragstellers verpflichtet und somit für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers zuständig.
2.1 Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Antragsgegnerin nicht allein dadurch, dass sie den Antragsteller am 24.02.2009 zu seinem Reiseweg und (bei dieser Gelegenheit auch) zu den Asylgründen angehört hat, im Wege des so genannten Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zuständig geworden. Allein durch die Anhörung eines Asylantragstellers bringt das Bundesamt noch nicht zum Ausdruck, die Bundesrepublik Deutschland habe bereits den Entschluss gefasst, von ihrem Recht ( nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ) Gebrauch zu machen, das Asylverfahren abweichend vom Regelfall insgesamt in eigener Verantwortung durchzuführen, zumal dann nicht, wenn sich, wie das bei dem Antragsteller der Fall war, die Befragung zu den Gründen der Verfolgungsfurcht unmittelbar und nahtlos an die Befragung zu der Herkunft und den Modalitäten der Einreise anschließt und das Bundesamt den Vorgang im Anschluss an die Anhörung nicht sachlich weiter bearbeitet, sondern unmittelbar intern zur Bestimmung des nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaats weiterleitet ( so u. a. Bayer. VGH, Beschluss vom 03.03.2010 - 15 ZB 10.30005 -; VG Darmstadt, Beschluss vom 21.01.2010 - 4 L 36/10.A -; VG München, Beschluss vom 25.05.2009 - M 4 S 09.60039 -; VG Münster, Beschluss vom 04.03.2009 - 9 L 77/09 - ; VG Ansbach, Urteil vom 13.01.2009 - 3 K 08.30017 -; VG Saarland, Urteil vom 24.09.2008 - 2 K 94/08 -, m.w.N.; VG Trier, Urteil vom 21.05.2008 - 2 K 48/08 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 18.03.2003 - A 5 K 12106/99 -; vgl. ferner Hailbronner, a.a.O., Band 3, B 2, § 27a AsylVfG, RdNr. 64 m.w.N.; Funke-Kaiser, in: Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, Stand: Juni 2010, Band 2, § 27a RdNr. 220 m.w.N.; a. A. VG Hamburg, Beschluss vom 20.08.2008 - 8 AE 356/08 - sowie - in einem besonders gelagerten Einzelfall - VG Wiesbaden, Urteil vom 10.03.2010 - 7 K 1389/09 -; die frühere a. A. des VG Darmstadt, Urteil vom 16.10.2008 - 4 E 1120/06.A -, ist von demselben Spruchkörper im Beschluss vom 21.01.2010, a.a.O., ausdrücklich aufgegeben worden ).
2.2 Ein Vollzug der angegriffenen Abschiebungsanordnung verstößt auch nicht gegen die Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 2 Dublin-II-VO. Nach diesen Vorschriften geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf 18 Monate, wenn der Asylbewerber flüchtig ist. Die Frist nach dieser Vorschrift ist im Fall des Antragstellers noch nicht abgelaufen. Da er nach Lage der Akten (spätestens) am 18.09.2009 und damit vor Ablauf von sechs Monaten seit der Übernahmeerklärung des Staates Slowenien vom 08.04.2009 untergetaucht und eine damals bereits angelaufene Abschiebung deshalb abgebrochen worden ist, gilt für ihn nach den Art. 19 Abs. 4 Satz 2, 20 Abs. 2 Dublin-II-VO die Frist von 18 Monaten (ab dem 08.04.2009), die in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht abgelaufen ist. Aus dem Wortlaut der Art. 19 Abs. 4 Satz 2, 20 Abs. 2 Dublin-II-VO ist allerdings zu schließen, dass im Hinblick auf eine Fristverlängerung eine einvernehmliche Regelung zwischen den jeweils betroffenen Mitgliedstaaten getroffen werden muss, um einen Fristablauf nach sechs Monaten zu verhindern. Ob die bloße Information des anderen Mitgliedstaats über den Grund der Verlängerung allein genügt, kann hier dahingestellt bleiben ( so u. a. VG Stuttgart, Urteil vom 05.07.2005 - A 15 K 11058/05 -; Hailbronner, a.a.O., Band 3, § 27a AsylVfG RdNr. 75 ). Denn jedenfalls kann der andere Mitgliedstaat dem Verlängerungsersuchen auch konkludent zustimmen, was letztlich auch in der Form des Schweigens erfolgen kann. Besteht nämlich zwischen den jeweils betroffenen Mitgliedstaaten eine entsprechende Übung, die dahin geht, dass der jeweils zuständige Mitgliedstaat eine schriftliche Mitteilung über den Grund für die nicht fristgemäße Überstellung akzeptiert und dann auch noch nach Fristablauf die Übernahme vollzieht, so kann hierin eine konkludente Zustimmung erblickt werden, wenn diese Mitteilung vor Fristablauf bei ihm eingeht und der Mitgliedstaat regelmäßig dann, wenn er die Mitteilung nicht billigt, unverzüglich widerspricht ( so Funke-Kaiser, a.a.O., § 27a RdNrn. 261 f. m.w.N.; siehe auch Thür. OVG, Beschluss vom 28.12.2009 - 3 EO 469/09 - m.w.N. ).
10 
Nach diesen Grundsätzen ist die Überstellungsfrist im Fall des Antragstellers wirksam auf 18 Monate verlängert worden. So ergibt sich aus den von der Antragsgegnerin übersandten Unterlagen, dass der slowenische Staat vom Bundesamt stets (in deutscher und englischer Sprache) über die Gründe für die ausbleibende Überstellung des Antragstellers in Kenntnis gesetzt worden ist, so mit Fax-Schreiben vom 21.09.2009, in dem ausgeführt ist, dass die bereits organisierte Überstellung vorübergehend ausgesetzt wurde, weil der Antragsteller untergetaucht ist. Nach dem Wiederauftauchen des Antragstellers im September 2010 hat das Bundesamt dies dem slowenischen Staat mit Faxschreiben vom 23.09.2010 mitgeteilt und gleichzeitig über die Absicht einer (kontrollierten) Überstellung des Antragstellers informiert. Dem hat der slowenischen Staat nicht widersprochen. Das bedeutet nach den Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs im Rahmen der Dublin-II-Verordnung und insbesondere zwischen der Antragsgegnerin und Slowenien, dass eine Verlängerung der Überstellungsfrist im Sinne der Art. 19 Abs. 4 Satz 2, 20 Abs. 2 Dublin-II-VO wirksam vereinbart worden ist.
11 
2.3 Das Vorliegen der für die Anwendung von § 34a AsylVfG erforderlichen Voraussetzung einer Zuständigkeit Sloweniens zur Durchführung des Asylverfahrens nach § 27a AsylVfG und der Dublin-II-Verordnung kann der Antragsteller auch nicht mit der Behauptung in Zweifel ziehen, er sei nach seiner Asylantragstellung in Slowenien im Jahr 2008 nicht gleich nach Deutschland weitergereist, sondern zunächst in seine Heimat, die Türkei, zurückgekehrt und erst im Januar 2009 erneut nach Deutschland gereist. Denn diese Behauptung vermag das Gericht ihm nicht abzunehmen. Der diesbezügliche Vortrag des Antragstellers ist in keiner Weise glaubhaft, weil von elementaren Widersprüchen gekennzeichnet. So hat er gegenüber dem Bundesamt am 24.09.2009 zunächst angegeben, er habe sich im Jahr 2008 überhaupt nur durchgehend in der Türkei aufgehalten. Zu einem späteren Zeitpunkt räumte er zunächst ein, Anfang des Jahres 2008 in der Tschechischen Republik gewesen, dort einen Asylantrag gestellt und sich 28 Tage dort aufgehalten zu haben. Noch später musste er auf ausdrücklichen Vorhalt einräumen, anschließend und zwar in der Zeit ab dem 29.04.2008 darüber hinaus auch in Slowenien gewesen zu sein und von dort erst wieder nach drei Monaten ausgereist zu sein. Wiederum später behauptete er, im Jahr 2008 habe er an verschiedenen Veranstaltungen in der Türkei, u. a. an den 1.-Mai-Feierlichkeiten 2008 sowie an anderen Ereignissen in der Zeit von Mai bis August 2008, teilgenommen und dort Probleme mit den türkischen Sicherheitskräften gehabt zu haben. Das wiederum steht in völligem Widerspruch zu seiner Angabe, er sei vom 29.04.2008 an etwa drei Monate lang in Slowenien gewesen. Der Vortrag des Antragstellers zu seinen Aufenthalten und Reisewegen ab 2008 ist danach in einem Maße offensichtlich widersprüchlich und deshalb unglaubhaft, wie es das Gericht - auch in Asylverfahren - selten erlebt hat. Vor diesem Hintergrund ist auch die Behauptung des Antragstellers, er habe in Slowenien keinen Asylantrag stellen können und er sei deshalb zunächst in Türkei zurückgekehrt und erst im Januar 2009 (wieder) nach Deutschland ausgereist, wenig glaubhaft. Denn abgesehen davon, dass eine freiwillige Rückkehr in die Türkei und damit in den Staat, aus dem er angeblich aus (asylrechtlich relevanter) Furcht vor politischer Verfolgung geflohen sei, dafür spräche, dass der eigentliche Grund für das Verlassen der Türkei nicht die Furcht vor Verfolgung gewesen sein kann, erklärt dieser Vortrag nicht die Widersprüche, die sich aus dem Vortrag des Antragstellers an anderer Stelle ergeben, indem er dort nämlich behauptete, er sei nach dem 29.04.2008 drei Monate in Ljubljana (Slowenien) geblieben. Auch zeigt der Umstand, dass der Antragsteller, wie das vorliegende Verfahren zeigt, in dem Slowenien im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin-II-Verordnung seine Bereitschaft zur Übernahme des Antragstellers erklärt hat, in Slowenien durchaus als Asylantragsteller registriert (worden) ist. Vielmehr mag der Grund dafür, dass der Antragteller Slowenien verlassen hat, ohne den Abschluss des Asylverfahrens abzuwarten, darin liegen, dass er einerseits seine Erfolgschancen in dem dortigen Asylverfahren als gering eingeschätzt hatte und dass er andererseits, wie er selbst mehrfach eingeräumt hatte, ohnehin seit jeher nur das Ziel verfolgt hat, nach Deutschland und in kein anderes Land der EU zu reisen. Auch die von ihm vorgelegte Immatrikulationsbescheinigung der Anadolu Universität sowie der Ausdruck einer Überweisung der Studiengebühren für die Studienjahre 2008-2009 gibt für die angebliche Rückkehr des Antragstellers im Jahr 2008 in die Türkei nichts her. Denn zum einen handelt es sich bei dem Studium des Antragstellers, wie er selbst gesagt hat, um ein Fernstudium, das man also auch vom Ausland aus betreiben kann. Außerdem besagt eine Immatrikulation nichts über die tatsächliche Anwesenheit der immatrikulierten Person am Studienort. Immerhin war der Antragsteller trotz seiner Immatrikulation an der Anadolu Universität in den Jahren 2008 und 2009 in jenen Jahren nachweislich jeweils für längere Zeiträume in Tschechien und Slowenien sowie zumindest seit dem 09.01.2009 auch in Deutschland. Die mit Datum vom 26.12.2008 erfolgte Überweisung der Studiengebühren kann durchaus entweder durch einen von ihm beauftragten Dritten erfolgt oder von ihm selbst vom Ausland aus veranlasst worden sein; der Vermerk „Internet 7/24“ auf dem Überweisungsausdruck könnte dafür sprechen, dass es sich dabei um den nachträglich Beleg einer zuvor „online“ getätigten Transaktion handelt.
12 
2.4 Der Antragsteller wäre aber auch ungeachtet der vorstehenden Ausführungen ( unter 2.1 - 2.3 ) im Fall einer Verletzung einzelner Vorschriften der Dublin-II-Verordnung nicht in seinen Rechten verletzt. Denn die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem der Dublin-II-Verordnung lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens eines Drittstaatsangehörigen gewährleistet sein muss. Demgemäß sind die im Dubliner Übereinkommen (und dementsprechend in der Dublin-II-Verordnung) niedergelegten Zuständigkeitsregeln an die Mitgliedstaaten adressiert und sehen Rechte und Pflichten für die EU-Mitgliedstaaten vor. Ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat besteht daher grundsätzlich nicht ( vgl. hierzu Hailbronner, a.a.O., Band 3, § 27a AsylVfG RdNrn. 26 ff. m.w.N. zur ganz überwiegenden Auffassung in Lit. und Rspr.; siehe insbes. auch Funke-Kaiser, a.a.O., § 27a RdNrn. 25 ff., 123 ff. und 263; ebenso - zum Dubliner Übereinkommen - VG Freiburg, Urteil vom 07.05.2002, AuAS 2003, 11, und Beschluss vom 15.08.2001, NVwZ-RR 2002, 227 ). Ausnahmen gelten allenfalls im Hinblick auf einzelne Vorschriften, die z. B. den Schutz (unbegleiteter) Minderjähriger oder die Einheit der Familie betreffen ( vgl. hierzu im Einzelnen Funke-Kaiser, a.a.O., § 27a RdNrn. 123 ff. ), im Fall des Antragsteller aber nicht von Bedeutung sind.
13 
Und schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Antragsteller auch im vorliegenden Verfahren weiterhin nichts dagegen eingewandt hat, dass das Gericht im vorangegangenen Beschluss vom 23.03.2010 - wenngleich hilfsweise und nicht entscheidungstragend - davon ausgegangen ist, dass der angegriffene Bescheid des Bundesamts vom 08.04.2009 bereits deshalb in Bestandskraft erwachsen und die dagegen erhobene Klage 4 K 383/09 verspätet und damit unzulässig sein könnte, weil dieser mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nach Lage der Akten bereits mit Begleitschreiben sowohl vom 21.08.2009 als auch vom 23.02.2010 zugestellt worden ist. In diesem Fall könnte auch der vorliegende Eilantrag - ungeachtet der vorstehenden Gründe - in der Sache keinen Erfolg (mehr) haben.
14 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nach § 83b AsylVfG nicht erhoben.
15 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar ( § 80 AsylVfG ).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste von Serbien nach Ungarn ein und stellte dort am 17. November 2011 einen Asylfolgeantrag. Nachdem er zunächst in Abschiebehaft genommen worden war, wurde er ab Dezember 2011 in einer offenen Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Der Asylantrag wurde nach Durchführung einer persönlichen Anhörung des Klägers am 16. Dezember 2011 abgelehnt, da er über einen sicheren Drittstaat eingereist sei. Der Kläger verließ daraufhin die Aufnahmeeinrichtung und reiste am 2. Januar 2012 über Österreich nach Deutschland. Nachdem die Beklagte am 9. Januar 2012 ein entsprechendes Übernahmeersuchen gestellt hatte, erklärte die zuständige ungarische Behörde mit Schreiben vom 16. Januar 2012 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages des Klägers. Dieser stellte dann am 30. Januar 2012 in Deutschland einen Asylantrag.

2

Mit Bescheid vom 19. April 2012 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers für unzulässig und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an. Außergewöhnliche humanitäre Gründe zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts seien nicht ersichtlich. Mit Beschluss vom 30. Mai 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht Magdeburg die Beklagte bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Wege der einstweiligen Anordnung, Maßnahmen zu unterlassen, welche eine Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn ermöglichen sollten (- 5 B 136/12 MD -).

3

Der Kläger hat am 6. Juli 2012 beim Verwaltungsgericht Magdeburg zunächst im Wege einer Untätigkeitsklage eine Verpflichtungsklage erhoben und mit Schriftsatz vom 16. Juli 2012 die Klage auf eine Anfechtungsklage umgestellt.

4

Mit Urteil vom 6. August 2012 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-Verordnung auszuüben, auch wenn der Kläger nicht zu den besonders schutzbedürftigen Personen zähle. Das Gericht erkenne im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erhebliche systemische Mängel von Asylverfahren in Ungarn, speziell in Bezug auf die Behandlung von "Dublin-Rückkehrern". Zwar stünde das ungarische Asylrecht im Allgemeinen mit den internationalen und europäischen Standards in Einklang und enthalte die wichtigsten Garantien. Jedoch gäbe es in der Anwendungspraxis schwerwiegende Mängel. Dies ergebe sich aus einem Bericht des UNHCR zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn ("Ungarn als Asylland") von April 2012 sowie einer Veröffentlichung von Pro Asyl mit dem Titel "Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012". Der Kläger stünde danach in Gefahr, bei einer Abschiebung nach Ungarn einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

5

Auf den Antrag der Beklagten hat der beschließende Senat die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.

6

Die Beklagte hat fristgerecht Berufung eingelegt und trägt vor, das ungarische Ausländergesetz und das ungarische Asylgesetz seien mit Wirkung vom 1. Januar 2013 novelliert worden, entsprechende Änderungen des Verfahrens habe es schon seit Juni 2012 gegeben. Die Gefahr, dass Dublin-Rückkehrern auf Grund unzureichender Aufnahmebedingungen und nicht ausreichendem Schutzzugang für Asylsuchende im Falle einer Rücküberstellung nach Ungarn eine erniedrigende Behandlung drohe, könne damit nicht (mehr) festgestellt werden. Insoweit verweise er auf Berichte eines Mitarbeiters des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der seit Januar 2012 als Liasonmitarbeiter in der Asyldirektion des Ungarischen Amtes für Staatsbürgerschaft und Einwanderung eingesetzt sei. Nach Auskünften der zuständigen Mitarbeiter in der Ungarischen Asyldirektion würde der Kläger automatisch als Asylfolgeantragsteller behandelt, ohne dass es einer förmlichen zweiten Antragstellung bedürfe. In dem durchzuführenden Asylfolgeverfahren würden sämtliche individuellen Fluchtgründe berücksichtigt, ohne dass auf die Einreise aus Serbien abgestellt werde. Ein Ausweisungsverfahren würde nicht eingeleitet werden und der Kläger zunächst ein auf ein Jahr beschränktes temporäres Aufenthaltsrecht erhalten. Während des Verfahrens würde er einer offenen Aufnahmeeinrichtung zugewiesen werden.

7

Die Beklagte beantragt,

8

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Er macht geltend, es bestünde die Gefahr seiner Inhaftierung und verweist auf eine auf ihn zugeschnittene Stellungnahme des ungarischen Helsinki-Kommitees vom 8. April 2013, eine Stellungnahme des UNHCR zu einem aktuellen ungarischen Gesetzgebungsverfahren im Bereich des Migrationsrechts vom 12. April 2013 sowie auf die Ausführungen in dem Bericht von Pro Asyl zu dem Haftregime in Ungarn. Am 1. Juli 2013 solle eine neue Gesetzgebung in Ungarn in Kraft treten, welche die Inhaftierung von Asylbewerbern für maximal sechs Monate vorsehe und auch auf laufende Fälle Anwendung finden solle. Möglicherweise werde ihm nach geplanten Regelungen dieser Gesetzgebung vorgehalten, dass er sich im Dezember 2011 nach Ablehnung seines Asylantrages aus der Aufnahmeeinrichtung abgesetzt habe. Der UNHCR führe in seinem Bericht aus, dass er mit Besorgnis registriert habe, dass die Novellierung der EU-Richtlinie zu den Aufnahmebedingungen zuerst im Hinblick auf die Bestimmungen zur Inhaftierung von Asylbewerbern umgesetzt würden. Nach dem Bericht seien die Inhaftierungsgründe auch viel zu unbestimmt und es bestünde der Verdacht, dass das vorrangige Ziel der Gesetzesänderung die Verringerung der Zahl der Asylanträge sei. Ein weiterer Grund für Besorgnis sei, dass Asylbewerber nach den neuen Bestimmungen bezüglich ihrer Inhaftierung schärferen gesetzlichen Bedingungen als Personen in Migrationshaft ausgesetzt seien, die kein Asyl beantragt hätten. Schließlich werde große Besorgnis im Hinblick auf die Effizienz der gerichtlichen Kontrolle in Ungarn bezüglich der Verhängung und Verlängerung von Abschiebungshaft zum Ausdruck gebracht. Weiterhin sei auch zu beachten, dass ihm nach dem Bericht von Pro Asyl bei Erlangung eines Schutzstatus längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit und das Ausscheiden aus dem Sozialleistungssystem drohe. Die entsprechenden Ausführungen stünden in Einklang mit denjenigen des UNHCR in seinem Bericht von April 2012.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

13

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

14

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund des Schriftsatzes des Klägers vom 10. Mai 2013 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 -, jeweils zit. nach JURIS). Eine solche erhebliche Änderung der Sachvortrags lag nicht vor.

15

Die Anfechtungsklage des Klägers ist nicht begründet. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Klägern nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

16

Der Asylantrag des Klägers ist gem. § 27a AsylVfG unzulässig. Ungarn ist nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Abl Nr. L 50 S. 1) Dublin-II-VO - in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 (ABl Nr. L 222 S. 3) der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat.

17

Die Verpflichtung Ungarns ist unstreitig weder nach den einschlägigen Regelungen der Dublin-II-VO erloschen noch hat nach diesen Regelungen ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte oder einen anderen Staat stattgefunden.

18

Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO zuständig.

19

Danach kann abweichend von Absatz 1 jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Satz 1). Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen (Satz 2). Der Europäische Gerichtshof - EuGH - hat zu der Reduzierung des in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO enthaltenen Ermessensspielraums entschieden, dass zwar die Vermutung gelte, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention stehe. Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass eine ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar sei. Nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat oder jeder Verstoß gegen einzelne Bestimmungen der einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien berühre die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten. Wenn dagegen dem Mitgliedstaat einschließlich der nationalen Gerichte nicht unbekannt sein könne, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden, obliege es ihnen, keine Überstellung vorzunehmen. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, sei in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden könne (so EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 -, zit. nach JURIS, Rdnr. 80 ff.).

20

Es ist aber nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asyl(folge)verfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren (vgl. auch VG Augsburg, Beschl. v. 22. April 2013 - Au 6 S 13.30099 -; VG Regensburg, Urt. v. 8. Februar 2013 - RO 4 K 11.30204 -; VG Potsdam, Beschl. v. 26. Februar 2013 - 6 L 50/13.A -; VG Trier, Beschl. v. 15. Januar 2013 - 5 L 51/13.Tr -, jeweils zit. nach JURIS).

21

Die vom Verwaltungsgericht angenommenen Mängel in der Anwendung des einschlägigen ungarischen Asyl- und Ausländerrechts, insbesondere hinsichtlich der Behandlung sog. Dublin-Rückkehrer, sind durch die im November 2012 erfolgte Verabschiedung umfangreicher Gesetzesänderungen in hinreichender Weise abgestellt worden. Der Senat folgt insoweit den detaillierten Angaben des Mitarbeiters des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, der als Liaisonmitarbeiter beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung eingesetzt ist, und denen der Kläger nicht widersprochen hat. Auch in einem Bericht vom Dezember 2012 führt der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen - UNHCR - aus, dass Dublin-Rückkehrer nicht inhaftiert werden und die Möglichkeit erhielten, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Soweit das VG Hannover in einem Beschluss vom 18. März 2013 (- 1 B 2448/13 -) eine abweichende Einschätzung vorgenommen hat, verwies das Gericht unter Bezugnahme auf eine ältere Entscheidung des VG Ansbach vom 7. Januar 2013 (- AN 11 E 13.30006 -) lediglich darauf, es handele sich bei den Gesetzesänderungen nach einem Bericht des UNHCR von April 2012 um einen Regelungsentwurf und damit sei erst recht noch keine Änderung in der Praxis eingetreten. Diese Einschätzung, der auch das Verwaltungsgericht (Beschl. v. 11. April 2013 - 9 B 140/13 -, zit. nach JURIS) folgt, ist inzwischen überholt.

22

Die Einwendungen des Klägers im Berufungsverfahren führen zu keiner anderen Beurteilung.

23

Ohne Erfolg macht er geltend, ab 1. Juli 2013 in Ungarn geltende Bestimmungen führten möglicherweise zu seiner Inhaftierung für bis zu sechs Monaten. Abgesehen davon, dass diese Bestimmungen noch nicht in Kraft getreten sind und nicht hinreichend feststeht ist, ob sie auf den Kläger überhaupt anwendbar sind, ist schon nach den insoweit maßgebenden Kriterien zum Ausmaß der Beeinträchtigungen von Grundrechten der Asylbewerber (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 81, 87 89; Schlussanträge in dem Verfahren C-411/10, zit. nach JURIS, Rdnr. 113 sowie in dem Verfahren C-4/11, zit. nach CURIA, Rdnr. 61; Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408) und dem dazu zu fordernden Umfang der Erkennbarkeit (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 89, 106; Schlussanträge in dem Verfahren C4/11, zit. nach EU-CURIA, Rdnr. 61) weder dargelegt noch sonst hinreichend ersichtlich, dass die geplanten Regelungen zu systemischen Mängeln i.S.d. Rechtsprechung des EuGH führen. Weder in der vom Kläger übermittelten Stellungnahme des Helsinki-Komitees noch in dem von ihm angeführten Bericht des UNHCR von April 2013 wird geltend gemacht, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern nach den geplanten Regelungen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass Ungarn damit gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK verstoßen würde. Auch wurde nicht behauptet, dass es sich dabei um eine Verletzung des Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft handelt, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Asylbewerber ist. Vielmehr wird in dem Bericht des UNHCR gerade darauf verwiesen, dass Ungarn mit den Gesetzesänderungen teilweise Vorgaben einer (geplanten) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern umsetzen wolle. Hinreichende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht daraus, dass der UNHCR hinsichtlich der Unbestimmtheit der Regelungen, der Effizienz der gerichtlichen Kontrolle und der Vergleichbarkeit mit Personen in Migrationshaft, die kein Asyl beantragt hätten, (große) Besorgnis zum Ausdruck bringt. Dass Haftbedingungen bestehen, welche die auf Grund der geplanten Regelungen inhaftierte Asylbewerber einer erniedrigenden Behandlung aussetzen (vgl. auch EGMR, Urt. v. 21. Januar 2011 30696/0 -, NVwZ 2011, 413, 414), ist ebenfalls weder dargelegt noch sonst ersichtlich, insbesondere nicht in den vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen. Berichte zu Haftbedingungen aus der Vergangenheit bezogen sich auf Fälle der automatischen Inhaftierung von Asylbewerbern und Dublin-Rückkehrern. Eine solche automatische Inhaftierung findet gerade nicht mehr statt.

24

Soweit der Kläger darauf verweist, es drohten "bei Erlangung eines Schutzstatus in Ungarn längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit und das Ausscheiden aus dem Sozialleistungssystem", ergibt sich schon aus den von ihm angeführten Stellungnahmen des UNHCR und von Pro Asyl nicht, dass derart eklatante Missstände vorliegen, die derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass Asylbewerber in Ungarn insoweit der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (vgl. auch EGMR, Entscheidung v. 2. April 2013 - 27725/10 -, zit. nach HUDOC zu Italien) ausgesetzt sind.

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Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit seinen Einwendungen geltend machen will, ihm selbst drohe bei einer Überstellung nach Ungarn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, und eine solche Einzelfallbetrachtung im Rahmen der Prüfung eines Selbsteintritts gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-VO für notwendig erachtet (vgl. dazu Schlussanträge in dem Verfahren C-411/10, a.a.O., Rdnr. 112; Marx, NVwZ 2011, 409, 411 ff.; vgl. auch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Angesichts der vom EuGH dargelegten Bedeutung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und des diesem zugrunde liegenden Vertrauensgrundsatzes (vgl. Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 75, 83 ff.) müsste eine solche Einzelfallbetrachtung denselben Prüfungsmaßstäben genügen wie der Nachweis systemischer Mängel. Nach den oben getroffenen Feststellungen ist aber die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auch im (Einzel)Fall des Klägers weder hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich.

26

Offen bleiben kann danach, welche subjektiven Ansprüche der Kläger überhaupt aus Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO herleiten kann (vgl. dazu Schlussanträge in dem Verfahren C-4/11, a.a.O.. Rdnr. 72 ff.).

27

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

28

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

29

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.