Verwaltungsgericht München Beschluss, 11. Apr. 2014 - 16 S 14.50051

bei uns veröffentlicht am11.04.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 27. Dezember 2013 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 13. Januar 2014 Asyl.

Im Rahmen einer Eurodac-Anfrage wurde ein Treffer für Ungarn der Kategorie 1 erzielt. Nach der Eurodac-Datei hat der Antragsteller am 18. Dezember 2013 einen Asylantrag in Ungarn gestellt.

Auf das Übernahmeersuchen des Bundesamtes vom 5. Februar 2014 erklärten die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 17. Februar 2014, der Antragsgegnerin zugegangen am 19. Februar 2014, ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages des Antragstellers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-Verordnung. Sein Verfahren sei am 13. Januar 2013 (richtig: 2014) eingestellt worden, da er das Land verlassen habe.

In der Befragung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) am 13. Januar 2014 gab der Antragsteller an, dass er verheiratet sei. Er wisse nicht, wo sich seine Ehefrau aufhalte. Er habe Afghanistan ca. 1998 verlassen und habe sich seitdem in Pakistan eine Woche, im Iran zehn Jahre, in der Türkei ca. zwei Wochen, in Griechenland ca. vier Jahre, in Mazedonien, in Serbien drei Tage und in Ungarn sieben bis acht Tage aufgehalten. Er habe seitdem das Gebiet der Dublin-Mitgliedstaaten nicht verlassen. Er sei weiter nach Deutschland gereist, da in Deutschland Menschenrechte gewahrt würden. In Ungarn habe er keine Zukunft. Er habe in keinem anderen Staat Asyl beantragt. Dem Antragsteller seien im Dezember 2013 in Ungarn Fingerabdrücke abgenommen worden.

In der Anhörung bei der Regierung von ... am 29. Januar 2014 erklärte der Antragsteller im Wesentlichen, dass er ca. 11 bis 12 Jahre illegal im Iran gelebt habe. Er sei ca. vier Jahre in Griechenland gewesen. Er habe dort einen Asylantrag stellen wollen, jedoch sei er nie vorgeladen oder der Antrag bearbeitet worden. Als er in Griechenland angekommen sei, habe er ein Blatt erhalten, wonach er das Land verlassen solle. Er sei in Griechenland in ein Camp gebracht worden. Nach drei Monaten im Hotel habe er als Obdachloser im ...-park gelebt. In Mazedonien sei er ca. vier Tage unterwegs gewesen. Nach der Weiterreise nach Serbien habe er dort ca. vier Tage verbracht. Nach der Einreise nach Ungarn seien sie sofort von der ungarischen Polizei aufgegriffen worden. Sie seien erkennungsdienstlich behandelt und dann in ein Camp gebracht worden. Nach ca. acht bis zehn Tagen habe er Ungarn verlassen und sei mit dem Zug über Österreich nach Deutschland weitergereist. Er habe in Ungarn etwas unterschrieben, er wisse aber nicht was.

Mit Bescheid vom ... März 2014 erklärte das Bundesamt den Asylantrag für unzulässig. Die Abschiebung nach Ungarn wurde angeordnet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass der Asylantrag nach § 27 a AsylVfG unzulässig sei, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Nach einem Abgleich der Fingerabdrücke mit der Eurodac-Datei lägen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaates vor. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Mit bei Gericht am 20. März 2014 eingegangenem Schreiben vom selben Tag erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage (M 16 K 14.50050) und beantragte zeitgleich,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens durch die Antragsgegnerin aufgrund der desolaten Lage für Flüchtlinge in Ungarn habe. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bestehe zwar grundsätzlich eine Vermutung dahingehend, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat in Einklang mit der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Falls aber ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen würden, wäre eine Überstellung mit Art. 4 der Grundrechtecharta nicht vereinbar. Dies sei in Ungarn nach der Brief information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013 des Hungarian Helsinki Committees, des Statements upon the Conclusion of its Visit to Hungary, 23 September - 2 October 2013, Working Group on Arbitrary Detention, dem Bericht von bordermonitoring.eu und Pro Asyl in Ergänzung des Berichts vom März 2012 vom Oktober 2013, „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“, und dem Bericht von bordermonitroing.eu über einen Besuch in der Haftanstalt N. vom 10. März 2014 der Fall. Letzterer weise nach, dass es tatsächlich zur Inhaftierung von Dublin III-Rückkehrern in Ungarn komme. Soweit das Gericht der Ansicht sei, dass aufgrund der vorhandenen Erkenntnismittel noch keine abschließende Bewertung möglich sei, sei festzustellen, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse überwiege. Die Gefahr einer Inhaftierung über mehrere Monate hinweg erscheine nach dem derzeitigen Stand als nicht hinnehmbar. Die Gesetzeslage habe sich in Ungarn seit dem 1. Juli 2013 signifikant verändert. Eine abschließende Stellungnahme des UNHCR werde in Kürze erwartet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren M 16 K 14.50050 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der mit Schriftsatz vom 20. März 2014 erhobenen Klage (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) ist zulässig.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) ist der seit 6. September 2013 in Kraft getretene § 34 a Abs. 2 AsylVfG (BGBl I 2013 S. 3474; Art. 7 Satz 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.8.2013) anzuwenden. Danach sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die angeordnete Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Der nach alter Rechtslage vorgesehene Ausschluss des Eilrechtsschutzes gegen eine Abschiebungsanordnung ist nunmehr entfallen.

Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg, da nach der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung keine Bedenken gegen die Zuständigkeit Ungarns für die Durchführung des Asylverfahrens und die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach Ungarn bestehen.

Nach § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylantrags zuständig ist. Gem. § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Es kann dahinstehen, ob Ungarn nach den in Kapital III der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 -Dublin III-VO-, die vorliegend nach Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO Anwendung findet, da Asylantrag und Übernahmeersuchen nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden, festgelegten Kriterien für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist (vgl. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO), weil die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 17. Februar 2014 aufgrund des nachgewiesen Eurodac-Treffers die Übernahme des Antragstellers nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO erklärt haben und damit jedenfalls konkludent ihr Selbsteintrittsrecht ausgeübt haben. Aufgrund des Eurodac-Treffers ist nachgewiesen, dass der Antragsteller im Dezember 2013 einen Asylantrag in Ungarn gestellt hat. Aus dem Treffer der Kategorie 1 ist ersichtlich, dass der Antragsteller dort Asyl beantragt hat (vgl. Art. 8 Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11.12.2000 i. V. m. Art. 2 Abs. 3 Satz 5 Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28.2.2002).

Im Übrigen stellt die Dublin III-Verordnung eine zwischenstaatliche Regelung dar, die grundsätzlich nicht darauf gerichtet ist, Rechte des Einzelnen, etwa einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts, zu begründen, sondern Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten zu regeln (vgl. zur Dublin II-VO EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394/12 - juris Rn. 49 ff.; U. v. 14.11.2013 - C-4/11 - juris Rn. 29; VG Berlin, B. v. 27.11.2013 - 33 L 500.13 A - juris; VG Augsburg, B. v. 26.2.2014 - Au 7 S 14.30131 - juris Rn. 23; VG Regensburg, B. v. 7.3.2014 - RN 5 S 14.30199 - juris Rn. 18). Ist der ersuchte Mitgliedstaat mit der Aufnahme des Asylbewerbers einverstanden, kann dieser einer Überstellung dorthin nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U. v. 10.12.2013 - C -394/12 - juris Rn. 60).

Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht, etwa nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO, gehalten, trotz der Zuständigkeit Ungarns den Asylantrag des Antragstellers selbst inhaltlich zu prüfen.

Ungarn gilt kraft Gesetzes als sicherer Drittstaat im Sinn des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26 a AsylVfG.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 u. a. - juris) kann eine Ausnahme von der Abschiebung in den für das Asylverfahren zuständigen Staat ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn in dem Staat bestimmte konkrete Gefahrenlagen bestehen (BVerfG a. a. O. Rn. 189). An die Darlegung eines solchen ausnahmsweise anzunehmenden Hinderungsgrundes sind strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG a. a. O. Rn. 190). Eine Prüfung, ob der Abschiebung in den für das Asylverfahren zuständigen anderen Staat der Europäischen Union ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann nur dann erreicht werden, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der betreffende Ausländer von einem der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist (BVerfG a. a. O. Rn. 190).

Der Unionsgesetzgeber hat die Dublin III-VO gerade aufgrund des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention finden, erlassen. Aufgrund dessen wird vermutet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit diesen Erfordernissen steht. Eine Widerlegung der Vermutung wird wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht aus jeder Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat kann geschlossen werden, dass die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Regelungen der Dublin III-VO berührt würden (vgl. zur Dublin II-VO EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a., NVwZ 2012, 417 ff.). Die Widerlegung der Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14).

Ein derartiger Ausnahmefall vom Verbot der Aussetzung der Abschiebung ist vorliegend nicht gegeben. In Bezug auf Ungarn ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung nach Ungarn eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass ihm als Dublin-Rückkehrer eine Existenzgefahr im Sinne einer Verelendung droht und damit die Vermutung widerlegt ist. Denn nach der im Eilrechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung ist derzeit nicht davon auszugehen, dass die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern in Ungarn schon im Allgemeinen nicht eingehalten werden. Womöglich vorkommende Fehlleistungen im Einzelfall stellen das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage, zumal sich nach der benannten obergerichtlichen Rechtsprechung ein solcher Ausnahmefall in der Gesamtschau aller Umstände aufdrängen muss.

Die Kritik über die Situation in Ungarn im Jahr 2012 ist so nicht mehr aktuell zutreffend. Das Auswärtige Amt hat sich 2013 in zwei umfangreichen Stellungnahmen zur ungarischen Asylgesetzgebung und -praxis geäußert (an das VG Augsburg am 23.5.2013 und an den BayVGH am 9.7.2013). Danach hat sich die Situation in Ungarn erheblich verbessert. Bestätigt werden diese Verbesserungen durch das Hungarian Helsinki Committee (Brief information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013, S. 1). Jedenfalls ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylbewerbern durch systemische Mängel des Asylverfahrens.

Dieses Ergebnis deckt sich auch mit der Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser hat in seinem Urteil vom 6. Juni 2013 (Az. 2238/12; Mohammed gegen Österreich, zitiert nach der inoffiziellen Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration) festgestellt, dass der Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-Regelungen nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliegen würde, einer den Art. 3 EMRK verletzenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Der Gerichtshof hat hierzu umfangreich Stellungnahmen von UNHCR und anderer Stellen ausgewertet.

Schließlich hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (Az. C-394/12 - juris Rn. 60 f.) im Hinblick auf eine Rücküberstellung der dortigen Beschwerdeführerin nach Ungarn festgestellt, dass, wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergebe, kein Anhaltspunkt die ernsthafte und durch Tatsachen begründete Annahme erlaube, dass die dortige Beschwerdeführerin aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn tatsächlich Gefahr laufe, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden.

Gleiches gilt für den vom Bevollmächtigten des Antragstellers benannten Bericht zweier Berichterstatter einer Arbeitsgruppe des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR), „Working Group on Arbitrary Detention, Statement upon the Conclusion of its Visit to Hungary, 23 September - 2 October 2013“. Diese Arbeitsgruppe beschäftigt sich aufgrund ihres Mandats nicht mit dem Asylverfahren speziell, sondern allgemein mit „willkürlicher Haft“ („arbitrary detention“); der Bericht kritisiert demzufolge in erster Linie den exzessiven Gebrauch und Mängel bei der Zugänglichkeit von Rechtsbeiständen bei der Untersuchungshaft in Ungarn. In Bezug auf die Inhaftierung von Asylbewerbern würdigt der Bericht ausdrücklich die Verbesserungen durch im Juli 2013 in Kraft getretene Gesetzesänderungen, auch wenn diese in der Praxis noch nicht ausreichend umgesetzt würden. Der Bericht kritisiert vor allem Mängel in Bezug auf die Information der Inhaftierten über ihre Rechtsbehelfsmöglichkeiten, sowie in Bezug auf die Verfügbarkeit von Dolmetschern und den Zugang zu Rechtsbeiständen. Außerdem handelt es sich bei diesem Bericht lediglich um vorläufige Ergebnisse. Aus diesem Bericht ergeben sich jedoch keine ausreichenden Belege für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylbewerbern durch systemische Mängel des Asylverfahrens.

Die Änderung der ungarischen Gesetzgebung, wonach seit 1. Juli 2013 in Ungarn in bestimmten Fällen wieder die Haft für Asylantragsteller eingeführt worden ist, ist nicht geeignet, die vorstehenden Ausführungen in Frage zu stellen. In Anlehnung an die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. Nr. L 180 S. 96) wurden in Ungarn zum 1. Juli 2013 neue Regelungen für die Inhaftierung von Asylsuchenden eingeführt. Nach den neuen Regelungen können Asylantragsteller in Ungarn u. a. inhaftiert werden (vgl. § 31/A Abs. 1a - f für die Inhaftierungsgründe), um ihre Identität bzw. Staatsangehörigkeit festzustellen (§ 31/A Abs. 1a), wenn sie sich den Behörden entziehen oder die Durchführung des Asylverfahrens auf andere Art und Weise behindern (§ 31/A Abs. 1b) oder eine begründete Annahme besteht, dass sie die Durchführung des Asylverfahrens verzögern oder vereiteln bzw. Fluchtgefahr besteht, zwecks Feststellung der erforderlichen Daten zur Durchführung des Asylverfahrens (§ 31/A Abs. 1c). Darüber hinaus kann die Haft aus Gründen der nationalen bzw. öffentlichen Sicherheit (§ 31/A Abs. 1d), bei der Einreichung des Asylantrags im Rahmen eines Flughafenverfahrens (§ 31/A Abs. 1e) und bei Verstößen gegen die vorgeschriebene Erscheinungspflicht nach Aufforderung angeordnet werden (§ 31/A Abs. 1f). Gemäß § 31/B Abs. 1 des Asylhaftgesetzes darf die Asylhaft nicht ausschließlich aus dem Grund erfolgen, dass der Antragsteller einen Anerkennungsantrag eingereicht hat. Darüber hinaus wird Asylhaft nach Ermessen und vorheriger Abwägung ausschließlich dann angeordnet, wenn deren Zweck durch die Anwendung der zur Verfügung stehenden Maßnahmen der Sicherung nicht gewährleistet ist (§ 31/A Abs. 2 und 3).

Zwar trifft zu, dass im Hinblick auf die für eine Inhaftierung von bis zu 6 Monaten geltenden Haftgründe der Feststellung der Identität oder Nationalität sowie des weit gefassten Haftgrundes des Bestehens ernstlicher Gründe für die Annahme, der Asylsuchende werde das Asylverfahren verzögern oder vereiteln, Befürchtungen geäußert wurden, es könne zu einer massenhaften Inhaftierung kommen (s. etwa Brief information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013 des Hungarian Helsinki Committees, S. 2). Das Gericht geht jedoch davon aus, dass diese Kritik vor allem auf Erfahrungen aus der Vergangenheit beruht (ebenso VG Potsdam v. 29.1.2014 - 6 L 29/14.A - juris; VG Ansbach, U. v. 9.1.2014 - AN 2 K 13.30581 - juris). Hinweise, dass sich diese Befürchtungen bislang tatsächlich bestätigt hätten, bestehen aber nach Auffassung des Gerichts nicht. Wie sich der aktuellen Lageeinschätzung des Vereins „bordermonitoring.eu“ vom 20. August 2013 entnehmen lässt, erfolgen Inhaftierungen von Asylbewerbern in Ungarn lediglich in Einzelfällen. Ebenso schildert der Bericht über einen Besuch der Haftanstalt Nyírbátor von Bodermonitoring.eu vom 10. März 2014 einen Einzelfall. Auch aus der zwischenzeitlichen Berichterstattung von Pro Asyl, bordermonitoring.eu oder dem UNHCR hat sich nicht ergeben, dass nach dem neuen Asylhaftgesetz in Ungarn Dublin-II-Rückkehrer automatisch inhaftiert würden und deren Asylverfahren gefährdet seien. Eine maßgebliche Änderung der Sachlage hat sich daher zwischenzeitlich nicht ergeben, jedenfalls erscheint eine solche als nicht ausreichend dokumentiert, wobei insbesondere darauf abgestellt wird, dass hierfür kompetente Stellen wie des UNHCR und das EASO systemische Mängel im Asylsystem in Ungarn feststellen müssten. Dies ist soweit ersichtlich aber - auch nach der vorgetragenen Gesetzesänderung in Ungarn - nicht geschehen.

Eine andere Einschätzung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Update von Pro Asyl von Oktober 2013 zum Bericht von März 2012, „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“. Soweit dort Missstände und Notstände aufgrund der stark gestiegenen Asylbewerberzahl festgestellt werden, sind sie dieser geschuldet und stellen als solche ebenfalls noch keine systemischen Mängel dar. Im Übrigen wird dort auch noch keine endgültige Bewertung zu den Gesetzesänderungen abgegeben. Vielmehr basieren die dortigen Überlegungen, etwa soweit hier argumentiert wird, dass davon auszugehen sei, dass die angenommenen systemischen Mängel in Ungarn deshalb noch weiter zunehmen würden, weil die vorhandenen Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende keinesfalls in der Lage wären, eine menschenwürdige Unterbringung für den Fall zu gewährleisten, dass ein Großteil der Asylantragsteller, die sich derzeit in anderen EU-Staaten aufhalten, zurück nach Ungarn überstellt würde, auf Vermutungen und sind keine Darstellung der gegenwärtigen Situation.

Gleiches gilt für den aktuellen Bericht des Hungarian Helsinki Committee vom 8. Oktober 2013 (“Briefing paper of the Hungarian Helsinki Committee for the Arbitrary Detention UN Commission of Human Rights”; abrufbar unter: http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC_briefing-paper_UNWGAD_8_Oct_2013.pdf). Auch darin werden Mängel im ungarischen Asylverfahren, insbesondere, dass im ungarischen Asylgesetz kein umfassender Haftausschluss für besonders schutzbedürftige Personengruppen aufgenommen wurde, dargelegt. Jedoch wurde positiv erwähnt, dass die Einführung des Haftausschluss für unbegleitete Minderjährige sogar über die Regelungen der Richtlinie 2013/33/EU hinausgeht. Insgesamt lassen sich jedoch auch hieraus jedenfalls für Personen, die keiner der besonders schutzwürdigen Gruppe angehören (vgl. National Country Report Hungary der Asylum Information Database vom 13.12.2013, S. 44 ff.), keine systemischen Mängel im ungarischen Asylverfahren erkennen, da es sich darin vorwiegend um einzelfallbezogene Ausführungen handelt.

Nach alledem vermag das Gericht keine systemischen Mängel des Asylverfahrens in Ungarn zu erkennen, die eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers rechtfertigen könnten (zu diesem Ergebnis gelangen auch: VGH Baden-Württemberg, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris; OVG Magdeburg, B. v. 31.5.2013 - Az. 4 L 169/12 - juris; VG Regensburg, B. v. 14.2.2014 - Rn. 5 S 14.30112 - juris; VG Augsburg, B. v. 5.12.2013 - Au 7 S 13.30454 - juris; VG Ansbach, B. v. 3.12.2013 - AN 11 S 13.31074; B. v. 10.2.2014 - AN 1 S 14.30086; VG Augsburg, B. v. 26.2.2014 - Au 7 S 14.30131 - juris; VG München, B. v. 5.2.2014 - M 21 S 14.30105; a. A. VG München, B. v. 23.12.2013 - M 23 S 13.31303; B. v. 6.12. 2013 - M 22 S 13.31235; jeweils mit der Feststellung, dass die Verhältnisse in Ungarn nicht mit hinreichender Sicherheit zu beurteilen seien).

Nach alldem ist der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16a


(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

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Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 23. Dez. 2014 - M 16 K 14.50050

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Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... März 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der am ... 1973 geborene Kläger ist nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 27. Dezember 2013 in das Bundesgebiet ein und stellte am 13. Januar 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.

Im Rahmen einer Eurodac-Anfrage ergab sich ein Treffer für Ungarn der Kategorie 1. Danach hat der Kläger am 18. Dezember 2013 einen Asylantrag in Ungarn gestellt. Auf das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 5. Februar 2014 erklärten die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 17. Februar 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der sog. Dublin-III-Verordnung - Dublin-III-VO.

Mit Bescheid vom ... März 2014, zugestellt am 13. März 2014, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei nach § 27a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Mit bei Gericht am 20. März 2014 eingegangenem Schreiben seines Bevollmächtigten vom selben Tag erhob der Kläger Klage und beantragte zudem, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger einen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens durch die Beklagte aufgrund der desolaten Lage für Flüchtlinge in Ungarn habe.

Der Kläger beantragt:

I.

Der Bescheid der Beklagten vom ... 3.2014, zugestellt am 12.3.2014, wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte wird verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und das Asylverfahren des Klägers in eigener Zuständigkeit durchzuführen und zu bescheiden.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 25. März 2014 die Behördenakte vor. Eine Antragstellung erfolgt nicht.

Mit Beschluss vom 11. April 2014 (M 16 S 14.50051) lehnte das Gericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab.

Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2014 legte der Bevollmächtigte des Klägers ein fachärztliches Schreiben vom ... April 2014 vor sowie mit Schriftsatz vom 1. August 2014 ein weiteres fachärztliches Schreiben vom ... Juli 2014. Der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie benennt darin folgende Diagnosen: Anpassungsstörung; anhaltende depressive Episode wechselnden, derzeit zumindest mittelgradigen Ausmaßes; ausgeprägte Angstkomponente, unspezifischer Schwankschwindel mit Verdacht auf psychogener Genese; Spannungskopfschmerz; nicht organische Dyssomnie. Der Kläger habe sich in der Zwischenzeit mehrfach wieder vorgestellt, letztmalig am ... Juni 2014. Trotz mehrfacher pharmakologischer Therapieversuche bei auch teils unerwünschten Wirkungen habe es keine relevante Besserung des Beschwerdebild gegeben. Auch verursacht durch äußere Faktoren/soziale Umstände habe sich der psychische Zustand des Klägers zuletzt eher verschlechtert. Aufgrund des ausgeprägten psychopathologischen Störungsbilds habe der Arzt bei bislang unzureichendem Therapieeffekt einen nochmaligen Therapieversuch mittels Mirtazapin eingeleitet. Weitere Vorstellungen seien angezeigt und vereinbart worden. Zuletzt wurde mit Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 9. Dezember 2014 ein weiteres fachärztliches Schreiben vom ... November 2014 vorgelegt, aus dem u. a. hervorgeht, dass beim Kläger auch weiterhin ein schweres psychiatrisches Stimmungsbild mit depressiver Störung und ausgeprägter Angstkomponente sowie schwerer nichtorganischer Dyssomnie gegeben sei.

Auf gerichtliche Anfrage im Hinblick auf den Ablauf der Überstellungsfrist übersandte das Bundesamt ein Schreiben an die Ausländerbehörde vom 16. Oktober 2014, in dem mitgeteilt wurde, es werde nach erfolgtem Ablauf der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO überprüft, ob die Abschiebung in den Mitgliedstaat auf einer anderen Rechtsgrundlage erfolgen könne oder eine Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat ergehen müsse.

Mit Beschluss vom 8. Dezember 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben des Gerichts vom 8. Dezember 2014 zur Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren M 16 S 14.50051 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entscheiden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid des Bundesamts vom ... März 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft im Sinne von § 27a AsylVfG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO), die gemäß ihres Art. 49 Abs. 1 am 30. Juni 2013 in Kraft getreten ist. Gemäß ihres Art. 49 Abs. 2 Satz 1 ist die Dublin-III-Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die - wie hier - ab dem 1. Januar 2014 gestellt wurden.

Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass bei der Anordnung der Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG das Bundesamt das Vorliegen nicht nur von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, sondern auch von inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen nach § 60a Abs. 2 AufenthG umfassend zu prüfen hat. Dies gilt auch für nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretende inlandsbezogene Abschiebungs-hindernisse wie zum Beispiel eine Reiseunfähigkeit im Krankheitsfall (BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris; vgl. auch BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14, 2 BvR 1795/14 - juris Rn. 11 m. w. N.). Ein aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis liegt vor, wenn ein Ausländer aus gesundheitlichen Gründen nicht transportfähig ist oder wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass sich sein Gesundheitszustand unmittelbar durch die Ausreise oder Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird (vgl. BayVGH, B. v. 9.10.2007 - 24 CE 07.2403 - juris Rn. 11; B. v. 8.2.2013 - 10 CE 12.2396 - juris Rn. 11).

Im Fall des Klägers liegen hinreichende konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass bei ihm infolge seiner Erkrankung ein solches inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vorliegen könnte, so dass derzeit nicht feststeht, dass die (angeordnete) Abschiebung des Klägers durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen des § 34a AsylVfG liegen daher aufgrund der zwischenzeitlich fachärztlich festgestellten Erkrankung des Klägers nicht mehr vor. Diesbezüglich besteht die Gefahr, dass der Kläger infolge einer Abschiebung wesentliche gesundheitliche Schäden erleidet, so dass er durch das Fortbestehen der Abschiebungsanordnung in eigenen Rechten verletzt wird. Ob im Fall des Klägers tatsächlich ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vorliegt, ist im vorliegenden Verfahren nicht weiter aufzuklären, da im Hinblick auf die Aussage des Bundesamts im Schreiben vom 16. Oktober 2014 wegen des zwischenzeitlichen Ablaufs der maßgeblichen Überstellungsfrist am 14. Oktober 2014 von dort erst geprüft wird, ob die Abschiebung in den Mitgliedstaat auf einer anderen Rechtsgrundlage erfolgen könnte. Sollte diese Prüfung abschließend ergeben, dass eine Überstellung bzw. Abschiebung des Klägers nach Ungarn nicht (mehr) möglich ist, wäre auch im Rahmen des „Dublin-Verfahrens“ der Frage, ob ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vorliegt, nicht weiter nachzugehen. In diesem Fall könnte der Asylantrag des Klägers auch nicht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt werden. Gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO geht im Falle des Ablaufs der Überstellungsfrist die Zuständigkeit grundsätzlich auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, zudem darauf zu achten, dass eine Situation, in der dessen Grundrechte verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO (vgl. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO) selbst prüfen (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - N.S. und M.E., C 411/10 u. a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 98).

Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom ... März 2014 war daher insgesamt aufzuheben. Soweit der Antragsteller weiterhin beantragt hat, die Beklagte zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen war hierüber nicht ausdrücklich zu entscheiden, da davon auszugehen ist, dass im Falle des Vorliegens eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses die Beklagte dem von sich aus nachkommen wird, bzw. sich eine Zuständigkeit der Beklagten ohnehin aus Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO ergeben dürfte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V. § 708 ff. ZPO.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste von Serbien nach Ungarn ein und stellte dort am 17. November 2011 einen Asylfolgeantrag. Nachdem er zunächst in Abschiebehaft genommen worden war, wurde er ab Dezember 2011 in einer offenen Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Der Asylantrag wurde nach Durchführung einer persönlichen Anhörung des Klägers am 16. Dezember 2011 abgelehnt, da er über einen sicheren Drittstaat eingereist sei. Der Kläger verließ daraufhin die Aufnahmeeinrichtung und reiste am 2. Januar 2012 über Österreich nach Deutschland. Nachdem die Beklagte am 9. Januar 2012 ein entsprechendes Übernahmeersuchen gestellt hatte, erklärte die zuständige ungarische Behörde mit Schreiben vom 16. Januar 2012 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages des Klägers. Dieser stellte dann am 30. Januar 2012 in Deutschland einen Asylantrag.

2

Mit Bescheid vom 19. April 2012 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers für unzulässig und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an. Außergewöhnliche humanitäre Gründe zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts seien nicht ersichtlich. Mit Beschluss vom 30. Mai 2012 verpflichtete das Verwaltungsgericht Magdeburg die Beklagte bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Wege der einstweiligen Anordnung, Maßnahmen zu unterlassen, welche eine Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn ermöglichen sollten (- 5 B 136/12 MD -).

3

Der Kläger hat am 6. Juli 2012 beim Verwaltungsgericht Magdeburg zunächst im Wege einer Untätigkeitsklage eine Verpflichtungsklage erhoben und mit Schriftsatz vom 16. Juli 2012 die Klage auf eine Anfechtungsklage umgestellt.

4

Mit Urteil vom 6. August 2012 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-Verordnung auszuüben, auch wenn der Kläger nicht zu den besonders schutzbedürftigen Personen zähle. Das Gericht erkenne im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erhebliche systemische Mängel von Asylverfahren in Ungarn, speziell in Bezug auf die Behandlung von "Dublin-Rückkehrern". Zwar stünde das ungarische Asylrecht im Allgemeinen mit den internationalen und europäischen Standards in Einklang und enthalte die wichtigsten Garantien. Jedoch gäbe es in der Anwendungspraxis schwerwiegende Mängel. Dies ergebe sich aus einem Bericht des UNHCR zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn ("Ungarn als Asylland") von April 2012 sowie einer Veröffentlichung von Pro Asyl mit dem Titel "Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012". Der Kläger stünde danach in Gefahr, bei einer Abschiebung nach Ungarn einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

5

Auf den Antrag der Beklagten hat der beschließende Senat die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.

6

Die Beklagte hat fristgerecht Berufung eingelegt und trägt vor, das ungarische Ausländergesetz und das ungarische Asylgesetz seien mit Wirkung vom 1. Januar 2013 novelliert worden, entsprechende Änderungen des Verfahrens habe es schon seit Juni 2012 gegeben. Die Gefahr, dass Dublin-Rückkehrern auf Grund unzureichender Aufnahmebedingungen und nicht ausreichendem Schutzzugang für Asylsuchende im Falle einer Rücküberstellung nach Ungarn eine erniedrigende Behandlung drohe, könne damit nicht (mehr) festgestellt werden. Insoweit verweise er auf Berichte eines Mitarbeiters des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der seit Januar 2012 als Liasonmitarbeiter in der Asyldirektion des Ungarischen Amtes für Staatsbürgerschaft und Einwanderung eingesetzt sei. Nach Auskünften der zuständigen Mitarbeiter in der Ungarischen Asyldirektion würde der Kläger automatisch als Asylfolgeantragsteller behandelt, ohne dass es einer förmlichen zweiten Antragstellung bedürfe. In dem durchzuführenden Asylfolgeverfahren würden sämtliche individuellen Fluchtgründe berücksichtigt, ohne dass auf die Einreise aus Serbien abgestellt werde. Ein Ausweisungsverfahren würde nicht eingeleitet werden und der Kläger zunächst ein auf ein Jahr beschränktes temporäres Aufenthaltsrecht erhalten. Während des Verfahrens würde er einer offenen Aufnahmeeinrichtung zugewiesen werden.

7

Die Beklagte beantragt,

8

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 5. Kammer - vom 6. August 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Er macht geltend, es bestünde die Gefahr seiner Inhaftierung und verweist auf eine auf ihn zugeschnittene Stellungnahme des ungarischen Helsinki-Kommitees vom 8. April 2013, eine Stellungnahme des UNHCR zu einem aktuellen ungarischen Gesetzgebungsverfahren im Bereich des Migrationsrechts vom 12. April 2013 sowie auf die Ausführungen in dem Bericht von Pro Asyl zu dem Haftregime in Ungarn. Am 1. Juli 2013 solle eine neue Gesetzgebung in Ungarn in Kraft treten, welche die Inhaftierung von Asylbewerbern für maximal sechs Monate vorsehe und auch auf laufende Fälle Anwendung finden solle. Möglicherweise werde ihm nach geplanten Regelungen dieser Gesetzgebung vorgehalten, dass er sich im Dezember 2011 nach Ablehnung seines Asylantrages aus der Aufnahmeeinrichtung abgesetzt habe. Der UNHCR führe in seinem Bericht aus, dass er mit Besorgnis registriert habe, dass die Novellierung der EU-Richtlinie zu den Aufnahmebedingungen zuerst im Hinblick auf die Bestimmungen zur Inhaftierung von Asylbewerbern umgesetzt würden. Nach dem Bericht seien die Inhaftierungsgründe auch viel zu unbestimmt und es bestünde der Verdacht, dass das vorrangige Ziel der Gesetzesänderung die Verringerung der Zahl der Asylanträge sei. Ein weiterer Grund für Besorgnis sei, dass Asylbewerber nach den neuen Bestimmungen bezüglich ihrer Inhaftierung schärferen gesetzlichen Bedingungen als Personen in Migrationshaft ausgesetzt seien, die kein Asyl beantragt hätten. Schließlich werde große Besorgnis im Hinblick auf die Effizienz der gerichtlichen Kontrolle in Ungarn bezüglich der Verhängung und Verlängerung von Abschiebungshaft zum Ausdruck gebracht. Weiterhin sei auch zu beachten, dass ihm nach dem Bericht von Pro Asyl bei Erlangung eines Schutzstatus längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit und das Ausscheiden aus dem Sozialleistungssystem drohe. Die entsprechenden Ausführungen stünden in Einklang mit denjenigen des UNHCR in seinem Bericht von April 2012.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

13

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

14

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund des Schriftsatzes des Klägers vom 10. Mai 2013 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 -, jeweils zit. nach JURIS). Eine solche erhebliche Änderung der Sachvortrags lag nicht vor.

15

Die Anfechtungsklage des Klägers ist nicht begründet. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Klägern nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

16

Der Asylantrag des Klägers ist gem. § 27a AsylVfG unzulässig. Ungarn ist nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Abl Nr. L 50 S. 1) Dublin-II-VO - in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 (ABl Nr. L 222 S. 3) der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat.

17

Die Verpflichtung Ungarns ist unstreitig weder nach den einschlägigen Regelungen der Dublin-II-VO erloschen noch hat nach diesen Regelungen ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte oder einen anderen Staat stattgefunden.

18

Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO zuständig.

19

Danach kann abweichend von Absatz 1 jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Satz 1). Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen (Satz 2). Der Europäische Gerichtshof - EuGH - hat zu der Reduzierung des in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO enthaltenen Ermessensspielraums entschieden, dass zwar die Vermutung gelte, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention stehe. Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass eine ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar sei. Nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat oder jeder Verstoß gegen einzelne Bestimmungen der einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien berühre die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten. Wenn dagegen dem Mitgliedstaat einschließlich der nationalen Gerichte nicht unbekannt sein könne, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden, obliege es ihnen, keine Überstellung vorzunehmen. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, sei in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden könne (so EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 -, zit. nach JURIS, Rdnr. 80 ff.).

20

Es ist aber nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asyl(folge)verfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren (vgl. auch VG Augsburg, Beschl. v. 22. April 2013 - Au 6 S 13.30099 -; VG Regensburg, Urt. v. 8. Februar 2013 - RO 4 K 11.30204 -; VG Potsdam, Beschl. v. 26. Februar 2013 - 6 L 50/13.A -; VG Trier, Beschl. v. 15. Januar 2013 - 5 L 51/13.Tr -, jeweils zit. nach JURIS).

21

Die vom Verwaltungsgericht angenommenen Mängel in der Anwendung des einschlägigen ungarischen Asyl- und Ausländerrechts, insbesondere hinsichtlich der Behandlung sog. Dublin-Rückkehrer, sind durch die im November 2012 erfolgte Verabschiedung umfangreicher Gesetzesänderungen in hinreichender Weise abgestellt worden. Der Senat folgt insoweit den detaillierten Angaben des Mitarbeiters des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, der als Liaisonmitarbeiter beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung eingesetzt ist, und denen der Kläger nicht widersprochen hat. Auch in einem Bericht vom Dezember 2012 führt der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen - UNHCR - aus, dass Dublin-Rückkehrer nicht inhaftiert werden und die Möglichkeit erhielten, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Soweit das VG Hannover in einem Beschluss vom 18. März 2013 (- 1 B 2448/13 -) eine abweichende Einschätzung vorgenommen hat, verwies das Gericht unter Bezugnahme auf eine ältere Entscheidung des VG Ansbach vom 7. Januar 2013 (- AN 11 E 13.30006 -) lediglich darauf, es handele sich bei den Gesetzesänderungen nach einem Bericht des UNHCR von April 2012 um einen Regelungsentwurf und damit sei erst recht noch keine Änderung in der Praxis eingetreten. Diese Einschätzung, der auch das Verwaltungsgericht (Beschl. v. 11. April 2013 - 9 B 140/13 -, zit. nach JURIS) folgt, ist inzwischen überholt.

22

Die Einwendungen des Klägers im Berufungsverfahren führen zu keiner anderen Beurteilung.

23

Ohne Erfolg macht er geltend, ab 1. Juli 2013 in Ungarn geltende Bestimmungen führten möglicherweise zu seiner Inhaftierung für bis zu sechs Monaten. Abgesehen davon, dass diese Bestimmungen noch nicht in Kraft getreten sind und nicht hinreichend feststeht ist, ob sie auf den Kläger überhaupt anwendbar sind, ist schon nach den insoweit maßgebenden Kriterien zum Ausmaß der Beeinträchtigungen von Grundrechten der Asylbewerber (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 81, 87 89; Schlussanträge in dem Verfahren C-411/10, zit. nach JURIS, Rdnr. 113 sowie in dem Verfahren C-4/11, zit. nach CURIA, Rdnr. 61; Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408) und dem dazu zu fordernden Umfang der Erkennbarkeit (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 89, 106; Schlussanträge in dem Verfahren C4/11, zit. nach EU-CURIA, Rdnr. 61) weder dargelegt noch sonst hinreichend ersichtlich, dass die geplanten Regelungen zu systemischen Mängeln i.S.d. Rechtsprechung des EuGH führen. Weder in der vom Kläger übermittelten Stellungnahme des Helsinki-Komitees noch in dem von ihm angeführten Bericht des UNHCR von April 2013 wird geltend gemacht, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern nach den geplanten Regelungen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass Ungarn damit gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK verstoßen würde. Auch wurde nicht behauptet, dass es sich dabei um eine Verletzung des Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft handelt, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Asylbewerber ist. Vielmehr wird in dem Bericht des UNHCR gerade darauf verwiesen, dass Ungarn mit den Gesetzesänderungen teilweise Vorgaben einer (geplanten) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern umsetzen wolle. Hinreichende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht daraus, dass der UNHCR hinsichtlich der Unbestimmtheit der Regelungen, der Effizienz der gerichtlichen Kontrolle und der Vergleichbarkeit mit Personen in Migrationshaft, die kein Asyl beantragt hätten, (große) Besorgnis zum Ausdruck bringt. Dass Haftbedingungen bestehen, welche die auf Grund der geplanten Regelungen inhaftierte Asylbewerber einer erniedrigenden Behandlung aussetzen (vgl. auch EGMR, Urt. v. 21. Januar 2011 30696/0 -, NVwZ 2011, 413, 414), ist ebenfalls weder dargelegt noch sonst ersichtlich, insbesondere nicht in den vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen. Berichte zu Haftbedingungen aus der Vergangenheit bezogen sich auf Fälle der automatischen Inhaftierung von Asylbewerbern und Dublin-Rückkehrern. Eine solche automatische Inhaftierung findet gerade nicht mehr statt.

24

Soweit der Kläger darauf verweist, es drohten "bei Erlangung eines Schutzstatus in Ungarn längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit die Obdachlosigkeit und das Ausscheiden aus dem Sozialleistungssystem", ergibt sich schon aus den von ihm angeführten Stellungnahmen des UNHCR und von Pro Asyl nicht, dass derart eklatante Missstände vorliegen, die derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass Asylbewerber in Ungarn insoweit der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (vgl. auch EGMR, Entscheidung v. 2. April 2013 - 27725/10 -, zit. nach HUDOC zu Italien) ausgesetzt sind.

25

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit seinen Einwendungen geltend machen will, ihm selbst drohe bei einer Überstellung nach Ungarn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, und eine solche Einzelfallbetrachtung im Rahmen der Prüfung eines Selbsteintritts gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-VO für notwendig erachtet (vgl. dazu Schlussanträge in dem Verfahren C-411/10, a.a.O., Rdnr. 112; Marx, NVwZ 2011, 409, 411 ff.; vgl. auch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Angesichts der vom EuGH dargelegten Bedeutung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und des diesem zugrunde liegenden Vertrauensgrundsatzes (vgl. Urt. v. 21. Dezember 2011, a.a.O., Rdnr. 75, 83 ff.) müsste eine solche Einzelfallbetrachtung denselben Prüfungsmaßstäben genügen wie der Nachweis systemischer Mängel. Nach den oben getroffenen Feststellungen ist aber die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auch im (Einzel)Fall des Klägers weder hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich.

26

Offen bleiben kann danach, welche subjektiven Ansprüche der Kläger überhaupt aus Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO herleiten kann (vgl. dazu Schlussanträge in dem Verfahren C-4/11, a.a.O.. Rdnr. 72 ff.).

27

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

28

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

29

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine Abschiebungsanordnung in einem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt).

Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge senegalesischer Staatsangehöriger. Im Juli 2013 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 25.7.2013 einen Asylantrag stellte.

In einer Befragung zur Vorbereitung der Anhörung durch das Bundesamt am 13.12.2013 gab der Antragsteller an, er habe Senegal schon vor längerer Zeit verlassen. Er habe zunächst etwa viereinhalb Jahre in Griechenland gelebt. Von dort aus sei er nach Mazedonien gereist und dann über Serbien nach Ungarn. Sowohl in Griechenland als auch in Ungarn seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. In Ungarn sei er einen Tag lang inhaftiert und dann in ein Camp gebracht worden. Ungarn habe er als Mitfahrer in einem Auto verlassen.

Da ein EURODAC-Datenabgleich einen Treffer der Kategorie 1 hinsichtlich Ungarn ergab, stellte das Bundesamt am 19.12.2013 ein Übernahmeersuchen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 (ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1 ff. - im Folgenden: Dublin-II-VO) an Ungarn. Mit Schreiben vom 2.1.2014 akzeptierten die ungarischen Behörden das Wideraufnahmegesuch und erklärten sich bereit, den Antragsteller gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) Dublin-II-VO aufzunehmen.

Mit Bescheid vom 20.1.2014, dem Antragsteller zugestellt am 27.1.2014, entschied das Bundesamt, dass der Asylantrag unzulässig sei. Aufgrund des seitens des Antragstellers bereits in Ungarn gestellten Asylantrages sei dieses Land für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auslösen könnten, seien nicht ersichtlich. In Ziffer 2 des Bescheides wurde die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeordnet.

Am 3.2.2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid erheben, die unter dem Az. RN 5 K 14.30110 geführt wird. Zugleich ließ er in Bezug auf die Abschiebungsanordnung vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragen. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts, weil die Umstände in Ungarn für Asylbewerber untragbar seien. Sie würden dort in besonderen Haftanstalten inhaftiert. Die Situation, die in verschiedenen Berichten geschildert werde, werde zusätzlich durch eine Gesetzesänderung vom 1.7.2013 verschärft. Durch die Gesetzesänderung seien die Gründe für eine Inhaftierung von Asylsuchenden massiv erweitert worden. Ferner müsse befürchtet werden, dass eine Rückschiebung in den Herkunftsstaat erfolge, ohne dass vorher ein rechtmäßiges Asylverfahren durchgeführt werde. In vielen Fällen könnten Dublin-II-Rückkehrer auch keine Unterkunft oder Unterstützungsleistungen beanspruchen, weshalb verschiedene deutsche Gerichte systematische Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens in Ungarn erkennen würden und eine Überstellung nach Ungarn als unzulässig ansehen würden.

Ferner müsse bedacht werden, dass Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens überhaupt nicht zuständig sei, da sich der Antragsteller bereits über einen langen Zeitraum in Griechenland aufgehalten habe, bevor er nach Ungarn gereist sei.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes vom 20.1.2014 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheides,

den Antrag abzulehnen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf das den Antragsteller betreffende Aktengeheft des Bundesamtes, das dem Gericht vorgelegen hat, Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.

Grundsätzlich kann das Verwaltungsgericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn der Sofortvollzug eines Verwaltungsaktes durch Gesetz angeordnet ist, wie dies vorliegend der Fall ist (vgl. §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 75 Satz 1 AsylVfG). Seit dem 6.9.2013 gilt dies auch für nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG angeordnete Abschiebungen. Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind in derartigen Fällen nach § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen.

Vorliegend hat das Bundesamt die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn auf § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützt. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Hier hat das Bundesamt die Abschiebung nach Ungarn angeordnet, weil die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 24.9.2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) Dublin-II-VO erklärt haben. Somit steht fest, dass die Abschiebung nach Ungarn - als EU-Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat im Sinne des § 26 a AsylVfG - durchgeführt werden kann.

Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens sei zunächst auf zweierlei hingewiesen.

Für die Bestimmung des zur Prüfung des Asylbegehrens zuständigen Mitgliedstaates gelten im vorliegenden Fall allein die Bestimmungen der Dublin-II-VO. Zwar ist die Nachfolgeregelung - die sog. Dublin-III-VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 - ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 ff.) bereits im Juli 2013 in Kraft getreten. Allerdings bestimmt Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-VO, dass auf Asylanträge, die vor dem 1.1.2014 gestellt worden sind, weiterhin die Zuständigkeitskriterien der Dublin-II-VO anwendbar sind.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den europarechtlichen Zuständigkeitsvorschriften um reine zwischenstaatliche Regelungen handelt, die grundsätzlich keine subjektiven Rechten von Asylbewerbern begründen, wonach das Asylverfahren in einem bestimmten Mitgliedstaat durchgeführt werden muss. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das europäische Zuständigkeitssystem lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens eines Drittstaatsangehörigen gewährleistet sein muss. Demgemäß sind die in der Dublin-II-VO niedergelegten Zuständigkeitsregeln an die Mitgliedstaaten adressiert und sehen Rechte und Pflichten für die EU-Mitgliedstaaten vor. Ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat besteht daher grundsätzlich nicht (VGH BW vom 6.8.2013, Az. 12 S 675/13 ; VG Regensburg vom 18.7.2013, Az. RN 5 K 13.30027 und Az. RN 5 K 13.30029 ; VG Trier vom 30.5.2012, Az. 5 K 967/11 TR ; VG Freiburg vom 4.10.2010, Az. A 4 K 1705/10 ; Hailbronner, AuslR, Bd. 3, § 27 a AsylVfG, Rn. 26 ff. m. w. N.).

Deshalb spielt es im Ergebnis keine Rolle, ob Ungarn tatsächlich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder ob - wie der Antragsteller meint - Griechenland der zuständige Mitgliedstaat ist. Auch § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG lässt schließlich nicht nur die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu, sondern auch eine Abschiebung in einen sicheren Drittstaat im Sinne des § 26 a AsylVfG. Ungarn als Mitglied der Europäischen Union ist gemäß § 26 a Abs. 2 AsylVfG ein solcher sicherer Drittstaat.

Einen Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO hat das Bundesamt mit ausreichender Begründung dahingehend verneint, dass außergewöhnliche humanitäre Gründe hierfür nicht ersichtlich seien. Auch der Antragsteller hat derartige außergewöhnliche humanitäre Gründe - mit Ausnahme der aus seiner Sicht systematischen Mängel des ungarischen Asylverfahrens (vgl. dazu unten) - nicht vorgetragen. Es fehlt somit schon an jeglicher Voraussetzung dafür, im Hinblick auf das Selbsteintrittsrecht überhaupt ein Ermessen auszuüben. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO stellt einen Selbsteintritt nicht in das freie Ermessen des jeweiligen Mitgliedsstaats, da nämlich von einer - im Einzelfall widerlegbaren - Vermutung der Beachtung der Grundrechte durch den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedsstaat auszugehen ist und das gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeitssystem nicht unterlaufen werden darf. Auch Gründe für eine Prüfung im Weg von Art. 15 Dublin-II-VO sind nicht ersichtlich. Es verbleibt somit zunächst bei der Zuständigkeit von Ungarn als für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigem Staat (VG Ansbach, vom 30.9.2013, Az. AN 10 S 13.30742 ).

Der Regelung des § 34 a AsylVfG, wonach die Abschiebung ohne materielle Prüfung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags erfolgen soll, liegt das sogenannte Konzept der normativen Vergewisserung zugrunde. Grundlage und Rechtfertigung des gemeinsamen europäischen Asylsystems ist die Vermutung, dass das Asylverfahren und die Aufnahme der Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat in Einklang steht mit den Anforderungen der Charta der Grundrechte der EU, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Deshalb ist davon auszugehen, dass dem Asylsuchenden im Zielstaat der Abschiebung keine politische Verfolgung droht (vgl. BVerfG vom 14.5.1996, BVerfGE 94,49 ff.).

Die Rechtsprechung lässt jedoch in eng begrenzten Ausnahmefällen Abweichungen von diesem Konzept zu. Das Konzept der normativen Vergewisserung wird danach insbesondere dann mit der Folge durchbrochen, dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolgreich ist, wenn - wie dies der Europäische Gerichtshof formuliert - ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Zielstaat der Abschiebung systematische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Asylbewerbers im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechts-Charta) implizieren (vgl. EuGH vom 21.12.2011, verbundene Rechtssachen C 411/10 und C 393/10, NVwZ 2012, 417).

Zu prüfen ist demnach, ob die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern im Allgemeinen eingehalten werden. Fehlleistungen im Einzelfall stellen das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage. Erst wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im nach der Dublin-II-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen, ist ein Abweichen von den Bestimmungen der Dublin-II-VO mit der Folge geboten, dass die Bundesrepublik Deutschland von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen muss. Mit anderen Worten muss in derartigen Fällen in der Bundesrepublik Deutschland ein Asylverfahren durchgeführt werden und die Abschiebung in den die Mindeststandards nicht einhaltenden Mitgliedsstaat ist unzulässig. Nur unter diesen Voraussetzungen hat der Asylbewerber ausnahmsweise ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland.

In Bezug auf Ungarn ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass ihm als Dublin-Rückkehrer eine Existenzgefahr im Sinne einer Verelendung droht. Denn nach der im Eilrechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung ist derzeit nicht (mehr) davon auszugehen, dass die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern in Ungarn schon im Allgemeinen nicht eingehalten werden. Womöglich vorkommende Fehlleistungen im Einzelfall stellen das Konzept der normativen Vergewisserung jedenfalls nicht in Frage.

Mit dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschluss vom 6.8.2013, Az. 12 S 675/13 ) geht der zur Entscheidung berufene Einzelrichter davon aus, dass das ungarische Asylrecht im Allgemeinen im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards steht und die wichtigsten Garantien enthält. Für die im Eilverfahren nur mögliche summarische Prüfung ist davon auszugehen, dass trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens durch die ungarischen Behörden diese Verpflichtungen jedenfalls soweit eingehalten werden, dass eine Rückführung nach Ungarn als zuständigen Staat zumutbar ist. Zwar ergibt sich aus dem vom Antragsteller zitierten Bericht des ungarischen Helsinki-Komitees vom April 2011, dass Aufnahme- und Lebensbedingungen sowie die Unterbringungsbedingungen in Ungarn beanstandenswert und teilweise unzureichend waren. Ebenso wurden in der Vergangenheit regelmäßige Inhaftierungen von Asylbewerbern geschildert. Auch in der Anwendungspraxis zeigten sich durchaus Mängel (UNHCR, Ungarn als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn, April 2012 - im Folgenden: UNHCR-Bericht). Unregelmäßigkeiten tauchten vermehrt bei Flüchtlingen auf, die im Rahmen der Dublin-II-VO nach Ungarn rücküberstellt wurden. Der Zugang zum ungarischen Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer wurde als problematisch bewertet (UNHCR-Bericht, S. 9). Diese hätten nur eingeschränkt Zugang zu einem Asylverfahren, weil sie nicht automatisch als Antragsteller behandelt würden. Ihr Asylantrag würde nach der Rücküberstellung als Folgeantrag gewertet (UNHCR-Bericht, S. 9; Amnesty International, Positionspapier zur Rücküberstellung nach Ungarn vom 22.10.2012). In den meisten Fällen folge bei einer Rückkehr nach Ungarn die Verhängung von Verwaltungshaft (UNHCR-Bericht, S. 10). Die Asylsuchenden hätten im Verfahren zur Prüfung von Folgeanträgen keinen Anspruch auf die selben Leistungen wie Personen, die einen Erstantrag gestellt haben, selbst wenn ihre Anträge inhaltlich noch nicht geprüft worden seien (UNHCR-Bericht, S. 14).

Diese Erkenntnisse müssen zwischenzeitlich jedoch als überholt gelten. In einem aktuelleren Bericht vom Dezember 2012 führt der UNHCR nämlich aus, dass das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet hat. Dublin-Rückkehrer werden danach nicht inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen (UNHCR, Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update - UNHCR observations on Hungary as a country of Asylum, Dezember 2012). Diese Erkenntnisse decken sich mit den Angaben von Liaison-Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beim ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung, die sowohl vom OVG Magdeburg (Beschluss vom 31.5.2013, Az. 4 L 169/12 ) als auch vom VG Augsburg (Beschluss vom 22.4.2013, Az. Au 6 S 13.30099 ) angeführt werden. Ausgehend von der Äußerung des UNHCR ist im konkreten Fall des Antragstellers nicht zu erkennen, dass derart eklatante Missstände vorliegen, die derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass er in Ungarn der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt würde.

Gestützt wird dieses Ergebnis durch die Erkenntnis des Österreichischen Asylgerichtshofes vom 9.7.2013 (S 21 436096-1/2013 - abrufbar im Rechtsinformationssystem (RIS) des Österreichischen Bundeskanzleramtes: www.r...at). Dieser hat ausdrücklich festgestellt, dass in Ungarn am 1.1.2013 ein überarbeitetes Asylgesetz in Kraft getreten ist, das die nötigen Verbesserungen gebracht habe, weshalb nicht erkannt werden könne, „dass im Hinblick auf Asylbewerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin-Verordnung nach Ungarn rücküberstellt werden, aufgrund der ungarischen Rechtslage oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten nach der EMRK erfolgen würden, so dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne einer realen Gefahr für den Einzelnen bestehen würde“.

Auch aufgrund der in Ungarn am 1.7.2013 in Kraft getretenen Gesetzesänderung im dortigen Asylgesetz, wonach die Möglichkeiten der Inhaftierung von Asylsuchenden erweitert worden sind, führen zu keiner anderen Einschätzung. Zu dieser Gesetzesänderung liegen dem Gericht drei Äußerungen von Nichtregierungsorganisationen vor (UNHCR, Comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts fort he purpose of legal harmonisation vom 12.4.2013; Hungarian Helsinki Committee, Brief Information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013; European Council of Refugees an Exiles, Hungary passes legislation allowing widespread detention of asylum seekers), die in englischer Sprache verfasst sind und die keine generelle Empfehlung aussprechen, Asylbewerber im Rahmen des Dublin-Verfahrens nicht nach Ungarn zu überstellen. Mit dem OVG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 31.5.2013, Az. 4 L 169/12) vermag der zur Entscheidung berufene Einzelrichter nicht zu erkennen, dass die Neuregelungen zu systematischen Mängeln des Asylverfahrens in Ungarn führen. Aus den zitierten Berichten ergibt sich nicht, dass eine mögliche Inhaftierung von Asylbewerbern nach den neuen Regelungen in Ungarn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass Ungarn damit gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK verstoßen würde. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass es sich bei den neuen Regelungen um eine Verletzung des Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326 vom 13.12.2005, S. 13 ff.) handelt, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Asylbewerber ist. Vielmehr wird in einem Bericht des UNHCR (Comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts fort the purpose of legal harmonisation vom 12.4.2013) gerade darauf verwiesen, dass Ungarn mit den Gesetzesänderungen teilweise Vorgaben einer (geplanten) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern umsetzen wolle.

Auch ist nicht ersichtlich, dass in Ungarn Haftbedingungen bestehen, welche die aufgrund der geplanten Regelungen inhaftierten Asylbewerber einer erniedrigenden Behandlung aussetzen. Berichte zu Haftbedingungen aus der Vergangenheit bezogen sich auf Fälle der automatischen Inhaftierung von Asylbewerbern und Dublin-Rückkehrern. Eine solche automatische Inhaftierung findet aber gerade nicht mehr statt (OVG Sachsen-Anhalt vom 31.5.2013, Az. 4 L 169/12).

Nach alledem vermag das Gericht derzeit keine systematischen Mängel des Asylverfahrens in Ungarn zu erkennen, die eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers rechtfertigen könnten (zu diesem Ergebnis gelangen auch: VGH Baden-Württemberg vom 6.8.2013, Az. 12 S 675/13 ; OVG Sachsen-Anhalt vom 31.5.2013, Az. 4 L 169/12; VG Ansbach vom 8.11.2013, Az. AN 11 S 13.30890 ; VG Potsdam vom 14.11.2013, Az. 6 L 787/13.A ; VG Augsburg vom 25.7.2013, Az. Au 7 S 13.30210 sowie vom 22.4.2013, Az. Au 6 S 13.30099 ; VG Regensburg vom 12.4.2013, Az. RO 9 S 13.30112 ; VG Trier vom 15.1.2013, Az. 5 L 51/13.Tr ).

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83 b AsylVfG.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.