Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 25. Feb. 2016 - 4 K 632/15.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2016:0225.4K632.15.NW.0A
bei uns veröffentlicht am25.02.2016

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Tenor

Der Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2015 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte; die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten, mit dem auf den Widerspruch der Beigeladenen ein Erschließungsbeitragsbescheid der Klägerin aufgehoben wurde.

2

Die Beigeladenen sind Eigentümer des Grundstücks A-Straße …, Flurstück-Nr. ... in der Gemarkung der Klägerin. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut und wird seit vielen Jahren von der A-Straße erschlossen, die bis zu der jetzt abgerechneten Maßnahme vor dem Anwesen der Beigeladenen auf Höhe des gegenüberliegenden Grundstücks Flurstück-Nr. … endete und sich dann - auch ca. 10 Meter vor dem Anwesen der Beigeladenen - als unbefestigter Wirtschaftsweg fortsetzte. Im Hinblick auf die Erschließung durch die A-Straße zog die Klägerin den Beigeladene zu 1) für das Grundstück Flurstück-Nr. ... mit Bescheid vom 20 Juni 1988 zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 7.328,88 € heran.

3

Am 29. Januar 1998 trat der Bebauungsplan „..." in Kraft, der auch das Grundstück der Beigeladenen überplante und eine Erweiterung des Wohngebiets entlang des bisherigen Wirtschaftsweges Richtung Osten vorsah. Ab dem Jahr 2011 setzte die Klägerin diese Planung um und ließ die A-Straße um ca. 50 Meter ostwärts verlängern, wodurch die Baugrundstücke Flurstück-Nr. … (A-Straße …), Flurstück-Nr. ... (A-Straße …) und Flurstück-Nr. … erstmals erschlossen wurden.

4

Für diese Maßnahme setzte die Klägerin gegenüber den Beigeladenen mit Bescheid vom 13. März 2014 für das Grundstück Flurstück-Nr. ... einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 16.630,90 € fest, wobei sie eine Eckgrundstücksvergünstigung von 50 % einräumte.

5

Auf den Widerspruch der Beigeladenen hob der Kreisrechtsausschuss des Beklagten diesen Erschließungsbeitragsbescheid mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2015, der Klägerin zugestellt am 23. Juni 2015, auf. Zur Begründung führte der Kreisrechtsausschuss im Wesentlichen aus:

6

Das Grundstück der Beigeladenen unterliege nicht der Erschließungsbeitragspflicht für die hier gegenständliche Erschließungsmaßnahme. Das Grundstück werde nämlich bereits durch die bisherige A-Straße erschlossen und erfahre durch deren Verlängerung keinen Erschließungsvorteil. Bei einer Zweiterschließung sei nach der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung angewandten „Wegdenkenstheorie" entscheidend darauf abzustellen, ob das Grundstück - die Ersterschließung weggedacht - allein durch Erschließung der neuen Straße bebaubar oder sonst in erschließungsbeitragsrechtlich relevantem Sinne nutzbar werde. Ein solcher Erschließungsvorteil sei durch die abgerechnete Maßnahme aber für das Grundstück der Beigeladenen nicht gegeben. Denn baulich nutzbar sei das Grundstück bereits durch die erste Erschließung im Jahr 1988 geworden. Denke man diese erste Erschließung weg, so entstehe durch den neuen Teil - die Verlängerung der A-Straße- kein erschließungsrelevanter Vorteil. Verkehrlich erschlossen werde das Grundstück nämlich weiterhin durch den früheren Teil der Hauptstraße. Hierfür seien die Beigeladenen aber bereits zu einem Erschließungsbeitrag herangezogen worden. Die Verlängerung der A-Straße münde in einen Waldweg, so dass eine Erschließungswirkung zwar für die bislang nicht erschlossenen Grundstücke gegeben sei, nämlich über die Hauptstraße, nicht aber zusätzlich für das Grundstück der Beigeladenen. Eine bauliche Nutzbarkeit werde, denke man den bereits hergestellten Teil der A-Straße weg, durch den Abschnitt vom Wendehammer zum Grundstück der Beigeladenen gerade nicht vermittelt. Bei Vorhandensein nur dieses Abschnitts müsste vielmehr eine Baugenehmigung für das Grundstück der Beigeladenen mangels Erschließung abgelehnt werden.

7

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 17. Juli 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt:

8

Die Verlängerung der A-Straße sei erschließungsbeitragsrechtlich als neue und selbstständige Erschließungsanlage zu behandeln. Insoweit sei das Grundstück der Beigeladenen beitragspflichtig, denn es werde durch diese neue Anlage erschlossen.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 15. Juni 2015 aufzuheben.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er verteidigt die Rechtsauffassung seines Kreisrechtsausschusses.

14

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

15

Auch sie sind der Meinung, die Verlängerung der A-Straße biete ihrem Grundstück keinen beitragsrelevanten Erschließungsvorteil.

16

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsakten. Diese waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie die beigezogene Gerichtsakte des Verfahrens Az. 4 L 343/14.NW.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist zulässig und begründet.

18

Die Klage, gerichtet gegen den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 15. Juni 2015, ist als sogenannte isolierte Anfechtungsklage im Sinne von § 79 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, denn der Widerspruchsbescheid enthält für die Klägerin erstmalig eine Beschwer. Die Klägerin ist insoweit gemäß § 42 Abs. 2 VwGO auch klagebefugt, denn sie kann geltend machen, durch den Regelungsgehalts des angefochtenen Widerspruchsbescheids - die Aufhebung ihres Erschließungsbeitragsbescheids vom 13. März 2013 - in eigenen Rechten, nämlich ihrem Selbstverwaltungsrecht, verletzt zu sein.

19

Die Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch begründet, denn der angefochtene Widerspruchsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

20

Gegenstand der isolierten Anfechtungsklage ist nicht der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), sondern allein der Widerspruchsbescheid. Deshalb ist vom Gericht nicht zu prüfen, ob der ursprüngliche Bescheid rechtmäßig oder rechtswidrig ist, sondern nur die Frage, ob der Widerspruchsbescheid – für sich gesehen – mit der Rechtsordnung in Einklang steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1992 - 8 C 4/92 - , juris; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 24. September 2014 – 1 K 418/14.NW – und VG Trier, Urteil vom 4. Mai 1999 – 2 K 424/97.TR –).

21

Dies ist bei dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2015 nicht der Fall, denn die Aufhebung des Erschließungsbeitragsbescheids der Klägerin vom 13. März 2014 mit der Begründung, das Grundstück Flurstück-Nr. ... werde durch die abgerechnete Erschließungsanlage nicht erschlossen und sei deshalb nicht beitragspflichtig, entspricht nicht der Rechtslage.

22

Die nunmehr hergestellte Verlängerung der A-Straße ist eine selbständige Anbaustraße, für die die Klägerin gemäß §§ 127 ff. Baugesetzbuch - BauGB - zur Deckung des Aufwandes einen Erschließungsbeitrag von den Eigentümern der dadurch erschlossenen Grundstücke erheben kann. Während nämlich die übrige A-Straße bereits vor vielen Jahren als Anbaustraße erstmals hergestellt wurde, war im jetzt abgerechneten Bereich vor der jetzigen Maßnahme nur ein geschotterter Wirtschaftsweg und damit keine endgültig hergestellte Erschließungsanlage im Sinne von § 8 Erschließungsbeitragssatzung - EBS - vorhanden. Dieser Teil wurde mithin zeitlich deutlich später als der Rest der A-Straße auf der Grundlage einer selbständigen Straßenplanung errichtet und ist deshalb unabhängig von seiner Länge als erschließungsbeitragsrechtlich selbständige Erschließungsanlage anzusehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1990 – 8 C 80/88 –, NVwZ 1991, 77).

23

Das Grundstück der Beigeladenen mit der Flurstück-Nr. ... gehört insoweit gemäß § 131 Abs. 1 BauGB zu den beitragspflichtigen Grundstücken, denn es wird durch die neue Verkehrsanlage erschlossen.

24

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich der beitragsrelevante Erschließungsvorteil aus dem, was die Erschließung für die bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit (Nutzung) des Grundstücks hergibt. Erschließung in diesem Sinne ist nicht gleichbedeutend mit Zugänglichkeit, sondern besteht darüber hinaus darin, einem Grundstück die Erreichbarkeit der Erschließungsanlage in einer auf die bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit des Grundstücks gerichteten Funktion zu vermitteln. Der Erschließungsvorteil liegt mithin darin, dass das Grundstück mit Blick auf die abzurechnende Erschließungsanlage bebaubar wird, also eine Baugenehmigung nicht mehr unter Hinweis auf die fehlende verkehrliche Erschließung abgelehnt werden darf. Im Falle der Zweiterschließung eines Grundstücks beantwortet sich dabei die Frage, ob das an zwei Verkehrsanlagen angrenzende Grundstück – eine durch die andere Anbaustraße vermittelte Bebaubarkeit hinweggedacht – mit Blick auf die wegemäßige Erschließung allein dieser abzurechnenden Straße wegen nach Maßgabe der §§ 30ff. BauGB bebaubar (oder in sonst wie nach § 133 Abs. 1 BauGB beachtlicher Weise nutzbar) ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 9 B 58/10 -, NVwZ-RR 2011, 209 und Urteil vom 10. Dezember 1993 - 8 C 58/91 -, NVwZ 1994, 912).

25

Danach wird das Grundstück Flurstück-Nr. ... entgegen der Auffassung des Beklagten durch die Verlängerung der A-Straße beitragsrelevant erschlossen. Diese neue Erschließungsanlage verschafft dem Grundstück nämlich - unter Hinwegdenken der Ersterschließung - diejenige wegemäßige Erschließung, die für die zulässige bauliche Nutzung erforderlich ist, da die Verlängerung der A-Straße auf einer Länge von ca. 10 Metern an dem Grundstück vorbeiführt und dort sowohl Zugang wie Zufahrt ermöglicht.

26

Der Kreisrechtsausschuss beurteilt dies im angefochtenen Widerspruchsbescheid deshalb anders, weil bei Hinwegdenken der früher hergestellten A-Straße das Grundstück der Beigeladenen alleine über die Verlängerung der Hauptstraße, die in einen Waldweg mündet, nicht mehr erreicht werde könne. Dieser Einwand geht aber fehl. Sinn der sogenannten „Wegdenkenstheorie“ ist es nämlich nicht, die ersterschließende Verkehrsanlage als Ganzes hinwegzudenken. Maßgeblich ist vielmehr, ob das betroffene Grundstück - eine durch eine andere Verkehrsanlage vermittelte Bebaubarkeit hinweggedacht - mit Blick auf die wegemäßige Erschließung allein der abzurechnenden Anbaustraße wegen bebaubar ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 24. Juni 2010 - 6 ZB 09.1964 - juris; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 17 Rdnr. 106). Hinwegzudenken sind also im Falle der Zweiterschließung nicht Verkehrsanlagen, sondern hinwegzudenken ist (nur) die Ersterschließung im Sinne der durch die bereits vorhandene Verkehrsanlage (zuvor schon) vermittelten Bebaubarkeit. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht schon mit Urteil vom 10. Oktober 1995 - 8 C 12/94 - (NVwZ 1996, 800) in dem Fall, dass eine vorhandene Erschließungsanlage um eine selbständige Anbaustraße verlängert wird, entschieden, dass ein Grundstück, das - wie hier - an beide Erschließungsanlagen angrenzt, durch jede der beiden Anbaustraße beitragsrelevant erschlossen wird.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs.1, 154 Abs. 3 und 162 Abs. 3 VwGO.

28

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

29

Beschluss

30

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 16.630,90 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 14. Dez. 2010 - 9 B 58/10

bei uns veröffentlicht am 14.12.2010

Gründe 1 Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

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(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungseinheit (§ 130 Absatz 2 Satz 3) bei der Verteilung des Erschließungsaufwands nur einmal zu berücksichtigen.

(2) Verteilungsmaßstäbe sind

1.
die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung;
2.
die Grundstücksflächen;
3.
die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Die Verteilungsmaßstäbe können miteinander verbunden werden.

(3) In Gebieten, die nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes erschlossen werden, sind, wenn eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig ist, die Maßstäbe nach Absatz 2 in der Weise anzuwenden, dass der Verschiedenheit dieser Nutzung nach Art und Maß entsprochen wird.

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen. Die Gemeinde gibt bekannt, welche Grundstücke nach Satz 2 der Beitragspflicht unterliegen; die Bekanntmachung hat keine rechtsbegründende Wirkung.

(2) Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch die Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind. Im Falle des § 128 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 entsteht die Beitragspflicht mit der Übernahme durch die Gemeinde.

(3) Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Die Vorausleistung ist mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist. Ist die Beitragspflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden, kann die Vorausleistung zurückverlangt werden, wenn die Erschließungsanlage bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benutzbar ist. Der Rückzahlungsanspruch ist ab Erhebung der Vorausleistung mit 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Gemeinde kann Bestimmungen über die Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen vor Entstehung der Beitragspflicht treffen.

Gründe

1

Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2

1. Die von der Beschwerde als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Fragen,

"ob im Fall der bloßen ersatzweisen Herstellung einer neuen Erschließungsanlage als Ausgleich für eine entfallene zuvor bestehende Erschließung gleichwohl ein erschließungsrechtlicher Vorteil dem Grundstück zugute kommt, der Grundlage für die Erhebung eines Erschließungsbeitrags sein kann,"

und

"inwiefern bei der Festsetzung eines Erschließungsbeitrages zu berücksichtigen ist, dass dem Erschließungsvorteil in Gestalt des Hinzutretens der neuen Zufahrt ein stoffgleicher Nachteil in Gestalt der Entziehung der bisherigen Erschließung gegenübersteht",

die in der Beschwerdebegründung noch weiter variiert werden (Seite 2 Mitte bis Seite 6 oben), rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, weil sie anhand vorhandener Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet werden können, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

3

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht der Erschließungsvorteil in dem, was die Erschließung für die bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit (Nutzung) des Grundstücks hergibt. Erschließung in diesem Sinne ist nicht gleichbedeutend mit Zugänglichkeit, sondern besteht darüber hinaus darin, einem Grundstück die Erreichbarkeit der Erschließungsanlage in einer auf die bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit des Grundstücks gerichteten Funktion zu vermitteln (vgl. Urteile vom 27. September 2006 - BVerwG 9 C 4.05 - BVerwGE 126, 378 = Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 118, jeweils Rn. 22 und vom 1. September 2004 - BVerwG 9 C 15.03 - BVerwGE 121, 365 <366 f.> = Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 116 S. 12 f.; stRspr). Der Erschließungsvorteil liegt mithin darin, dass das Grundstück gerade mit Blick auf die abzurechnende Erschließungsanlage - im Falle einer Zweiterschließung unter Hinwegdenken der Ersterschließung - bebaubar wird, also eine Baugenehmigung nicht mehr unter Hinweis auf die fehlende verkehrliche Erschließung abgelehnt werden darf. Ändert im Sinne dieser sog. "Wegdenkenstheorie" (vgl. dazu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl. 2007, § 17 Rn. 104 m.w.N.) das Hinzutreten einer (an sich "überflüssigen") Zweiterschließung nichts am Vorliegen eines Erschließungsvorteils, so muss dies erst recht bei einem Wegfall der Ersterschließung gelten, weil das Grundstück dann auf die neu hinzutretende Erschließungsanlage angewiesen ist, da sie allein ihm nunmehr seine Bebaubarkeit vermittelt. Das Erschließungsbeitragsrecht, namentlich § 131 Abs. 1 BauGB, bietet daher keinen Raum für eine Betrachtung, wonach bei Wegfall einer bislang vorhandenen Erschließung und deren "Ersetzung" durch Herstellung einer anderen Anbaustraße, die das Grundstück anderweitig neu erschließt, "per saldo" keine einen Erschließungsvorteil begründende Veränderung der Erschließungssituation vorliege (so ausdrücklich bereits das Urteil vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 52.88 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 82 S. 50 f.; vgl. auch Driehaus, a.a.O. § 26 Rn. 11). Dass sich aus der von der Beschwerde angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Hamburgischen Wegebaubeitragsrecht (BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 1972 - 2 BvL 6/66 u.a. - BVerfGE 33, 265) Gegenteiliges ergeben soll, vermag der beschließende Senat nicht zu erkennen.

4

2. Die von der Beschwerde des Weiteren aufgeworfenen Fragen zu der vom Oberverwaltungsgericht im Streitfall bejahten Eckgrundstücksvergünstigung von 50 % für übergroße Grundstücke gemäß der einschlägigen Satzungsbestimmung der Beklagten, namentlich

"ob im Erschließungsbeitragsrecht bereits bei der Beitragsfestsetzung Billigkeitserwägungen überhaupt Berücksichtigung finden können und, falls ja, welche Maßstäbe dabei heranzuziehen sind",

sowie

"ob eine derartige Ermessensentscheidung der Gemeinde als Satzungsgeber in Gestalt der erheblichen Begünstigung übergroßer, jedoch vollständig gewerblich nutzbarer Eckgrundstücke noch mit den Grundsätzen der Beitragsgerechtigkeit vereinbart werden kann",

rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision.

5

Die Antwort auf die erste Frage ergibt sich zum einen aus dem Gesetz selbst, das in § 135 Abs. 2 bis 5 BauGB bestimmte Billigkeitserwägungen normiert hat, sowie aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge die Gemeinde ausnahmsweise (im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null) verpflichtet sein kann, bereits bei der Heranziehung offensichtlich erkennbare Härtegründe von Amts wegen zu berücksichtigen, sofern diese aus sachlichen Gründen einen (teilweisen) Billigkeitserlass i.S.v. § 135 Abs. 5 BauGB gebieten (vgl. Urteile vom 12. September 1984 - BVerwG 8 C 124.82 - BVerwGE 70, 96 <97 ff.> = Buchholz 406.11 § 135 BBauG Nr. 25 S. 25 f. und vom 5. Oktober 1984 - BVerwG 8 C 41.83 - KStZ 1985, 49 <50>, § 135 bbaug nr. 26 s. 31 f. nicht abgedruckt>), doch führt ein Verstoß gegen diese Berücksichtigungspflicht nicht zur Rechtswidrigkeit eines gleichwohl (ungekürzt) ergehenden Erschließungsbeitragsbescheids. Was die dabei heranzuziehenden Maßstäbe angeht, zeigt die Beschwerde nicht auf, dass und inwieweit diese über die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung hinaus (vgl. die Darstellung und Nachweise bei Driehaus, a.a.O. § 26 Rn. 5 ff.) einer weiteren Klärung bedürfen bzw. einer solchen überhaupt zugänglich sind, da es - wie stets bei Billigkeitserwägungen - in der Regel um die Umstände des Einzelfalls geht.

6

Mit Blick auf die zweite Frage ist ebenfalls geklärt, dass den Gemeinden eine satzungsrechtliche Verteilungsregelung gestattet ist, derzufolge einem mehrfach (durch die gleiche Art von beitragsfähigen Anlagen) erschlossenen Grundstück eine Vergünstigung mit der Folge zu gewähren ist, dass dieses Grundstück zu Lasten der übrigen Beitragspflichtigen nicht in vollem Umfang, sondern nur zu einem Teil desselben an der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands teilnimmt; dies liegt im Rahmen der Typisierungsbefugnis des Satzungsgebers und stellt keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes dar (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1976 - BVerwG 4 C 56.74 - BVerwGE 51, 158 <159 f.> = Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 18 S. 16 f., stRspr; vgl. auch Driehaus, a.a.O. § 18 Rn. 76 ff.). Dabei unterliegt der Umfang der zulässigen Eckgrundstücksermäßigung bundesrechtlichen Grenzen (vgl. etwa die Urteile vom 8. Oktober 1976 a.a.O. S. 161 ff. bzw. S. 18 f. und vom 3. Februar 1989 - BVerwG 8 C 78.88 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 79 S. 32 und 35). Diese hat das Oberverwaltungsgericht gesehen und auf den Streitfall angewandt. Die Beschwerde zeigt auch insoweit keinen Bedarf nach weiterer höchstrichterlicher Klärung auf, der über den derzeit erreichten Stand der Rechtsprechung hinausgeht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.