Verwaltungsgericht München Urteil, 06. Juli 2016 - M 9 K 15.1939

bei uns veröffentlicht am06.07.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren von der Beklagten bauaufsichtliches Einschreiten gegen einen Schwarzbau der Beigeladenen.

Die Kläger sind Eigentümer der nordwestlich des Grundstücks der Beigeladenen gelegenen FlNr. ... Der streitgegenständliche Schwarzbau, der nach der Baukontrolle der Beklagten (Bl. 43 des Behördenakts) eine Höhe von ca. 2,80 m - gemessen ab dem Nachbarsockel - und inklusive Dachüberstand eine Länge von ca. 14,50 m aufweist, befindet sich in der nordöstlichen Ecke des Beigeladenengrundstücks (FlNr. ...). Er erstreckt sich über die gesamte gemeinsame Grundstücksgrenze zur FlNr. ... und grenzt mit seiner östlichen Stirnseite an die FlNr. ... An der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu FlNr. ... weist er noch eine Ausdehnung von 1,32 m auf, zu der noch ein Dachüberstand von 1,45 m hinzutritt.

Die Kläger beantragten bei der Beklagten am 6. Februar 2015 bauaufsichtliches Einschreiten bzw. einen rechtsmittelfähigen Bescheid.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom ... April 2015 (Az. ...) ab.

Ein öffentliches Interesse an einem Einschreiten könne nicht erkannt werden, weil die grenzständigen Anlagen bereits seit Jahrzehnten geduldet würden und auf benachbarten Anlagen (FlNr. ...) längere grenzständige Anlagen stünden. Es müssten für eine (Teil-) Beseitigungsanordnung gravierende Verletzungen nachbarschützender Vorschriften und ein deutliches Übergewicht der nachbarlichen Interessen festzustellen sein. Die Grenzbebauung zum klägerischen Grundstück habe eine Länge von ca. 1,32 m (Grenzgebäude) + ca. 1,45 m (Dachüberstand), insgesamt ca. 2,90 m bei einer Höhe von ca. 2,80 m. Die zu FlNr. ... und ... grenzständigen Gebäude würden nach Augenschein als Holzlager, Abstellplatz und Werkraum/Werkstatt - nach Aussagen der Beigeladenen und ihres Ehemanns ausschließlich privat - genutzt. Letztere hätten ausweislich von Luftbildern aus 2001, 2006 und 2013 bereits damals Bestand gehabt. Die Kläger hätten zudem selbst, wie der Ortstermin ergeben habe, an der Grenze zu der Beigeladenen ein Nebengebäude mit einer Länge von ca. 3 m bei einer Höhe von ca. 2,75 m ab Sockel. Somit tangiere die klägerische Grenzbebauung die gemeinsame Grundstücksgrenze mindestens im gleichen Umfang wie die Bebauung der Beigeladenen. Nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO dürften Gebäude ohne Aufenthaltsräume je Grundstücksgrenze 9 m betragen; wenn auch die Gesamtlänge 15 m nicht überschreiten dürfe, so ergebe sich daraus doch, dass jeder Nachbar eine Grenzbebauungslänge von bis zu 9 m hinzunehmen habe. Die Nachbarn auf FlNr. ..., deren Grenze vollständig verbaut sei, hätten eine schriftliche Erklärung abgegeben, wonach sie mit dem Grenzbau der Beigeladenen vollstens einverstanden seien und keine Einwände hätten.

Die Bevollmächtigte der Kläger hat am 15. Mai 2015 Klage gegen den Bescheid erhoben. Sie beantragt:

1. Der Bescheid der Beklagten vom ...4.2015 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, bauaufsichtlich gegen die Eigentümerin des Grundstücks mit der Flurnummer ... (...) einzuschreiten.

Der 15-18 m lange Grenzanbau sei mehrfach gerügt worden, sowohl durch die Kläger als auch durch die Voreigentümerin des klägerischen Grundstücks. Der Grenzanbau werde als Werkstatt genutzt, es würden u. a. Schweißarbeiten und damit lärmende Arbeiten durchgeführt. Der Grenzanbau sei nicht genehmigt und nicht genehmigungsfähig. Er werde nicht seit Jahren geduldet, die Kläger hätten vielmehr von Anfang an deutlich gemacht, dass sie mit dem Grenzanbau nicht einverstanden seien. Auch die Voreigentümerin habe den Grenzanbau gegenüber der Beklagten mehrfach gerügt. Zunächst habe es sich bei dem Grenzanbau nur um eine überdachte Unterstellmöglichkeit gehandelt. Diese sei im Folgenden nicht nur erweitert, sondern zu einem verschlossenen, gemauerten Gebäude mit Fenstern ertüchtigt worden inklusive Verputz und Estrich. Auch das Dach sei mit Pfeilern ausgestattet und erneuert worden. Es möge zutreffen, dass sich die Verpflichtung zum bauaufsichtlichen Einschreiten nicht allein aus einem Verstoß gegen die nachbarschützende Vorschrift ergebe, hier gingen vom Grenzanbau aber auch erhebliche Belästigungen aus.

Die Beklagte beantragt,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Im Rahmen der Ermessensabwägung seien öffentliche Interessen nicht erkennbar, da die Grenzbauten vom Straßenraum aus nicht erkennbar seien und somit Fragen der Gestaltung des Straßen- und Ortsbildes nicht aufgeworfen seien. Der Nachbar sei über das Maß von 9 m hinaus nicht zu schützen; die Regelung zur Gesamtlänge von 15 m sei nicht nachbarschützend, da der Nachbar durch Grenzbauten an Seiten, die nicht an sein Grundstück angrenzen, typischerweise tatsächlich nicht betroffen sei. Im Übrigen sei die Erteilung einer Abweichung denkbar, da die hauptbetroffenen Nachbarn mit der Grenzbebauung einverstanden seien

Der Bevollmächtigte der Beigeladenen beantragt,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der seit ca. 35 Jahren bestehende, sich nicht auf die gesamte gemeinsame Grundstücksgrenze beziehende Grenzanbau sei lediglich in den bereits bestehenden Dimensionen renoviert bzw. saniert worden. Es seien keine „Räumlichkeiten“ geschaffen worden. Es handele sich weiterhin lediglich um Stauräume, die bereits vor der Renovierung existent gewesen seien. Diese hätten stets Wände und ein Dach gehabt, es seien nunmehr lediglich die Materialien ausgetauscht worden. Gegenüber der Beigeladenen hätten die Kläger nie die Beseitigung des Grenzanbaus gefordert. Bis zur Klage habe ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis bestanden. Die Beigeladene habe in Absprache mit den Klägern einen anderen ca. 9 m langen Grenzanbau entfernt, um diesen die Errichtung eines gemauerten Gartenhäuschens samt Gabionenzaun zu ermöglichen; daraus ergebe sich, dass die gemeinsame Grundstücksgrenze größtenteils durch klägerische Bebauung und nicht durch Bauten der Beigeladenen bebaut sei. Der Grenzanbau werde hauptsächlich als Unterstellmöglichkeit genutzt; in ihm werde keine Werkstatt betrieben, sondern lediglich privat anfallende Arbeiten durchgeführt; die Beigeladene und ihr Ehemann seien ganztags berufstätig und könnten allein aus diesem Grund keinen gewerblichen Betrieb führen; „Lärm“ verursachende Arbeiten würde zu Zeiten ausgeführt, die nicht störend seien. Schweißarbeiten seien vom Rechtsvorgänger der Beigeladenen, deren Onkel, für Privatzwecke durchgeführt worden; dieser sei jedoch im August 2011 gestorben, seither seien keine Schweißarbeiten mehr durchgeführt worden. Der Grenzanbau sei durch die Renovierung optisch aufgewertet worden und betreffe nur einen kleinen Teil der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Die Bestätigung vom 15.8.2015 zeige, dass die übrigen Nachbarn durch den Grenzanbau keinerlei Einschränkungen empfänden. Die gesamte nördliche Grenzbebauung habe eine Länge von nur 14,5 m.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichts- sowie die Behördenakte, insbesondere auf das Protokoll des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung vom 6. Juli 2016.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten bzw. auf Erlass einer Beseitigungsanordnung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten durch Erlass einer Beseitigungsanordnung kann sich auf Art. 76 Satz 1 BayBO stützen. Art. 76 Satz 1 BayBO bestimmt, dass die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen kann, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Art. 76 Satz 1 BayBO stellt es demnach in das pflichtgemäße Ermessen der Bauaufsichtsbehörde, ob sie gegen eine Anlage vorgeht, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurde. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein Dritter ein Einschreiten der Behörde erzwingen können soll. Ein Anspruch der Kläger auf bauaufsichtliches Einschreiten im hier bestehenden Dreiecksverhältnis zwischen Behörde, Nachbar und Bauherr setzt deshalb zum einen voraus, dass die Kläger als Nachbarn durch die bauliche Anlage in nachbarschützenden Rechten verletzt sind, zum anderen, dass das Ermessen der Behörde auf Null reduziert ist, ein Einschreiten ihrerseits also die einzig verbleibende ermessensgerechte Entscheidung darstellt (VG München, U. v. 25.3.2015 - M 9 K 14.3343 - juris Rn. 35). Liegt eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor, haben die Kläger nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (BayVGH, B. v. 4.7.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 11).

Zwar werden die Kläger vorliegend durch die bauliche Anlage in nachbarschützenden Rechten tangiert (1.), das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde, ob sie einzuschreiten gedenkt oder nicht, ist aber nicht auf Null reduziert (2.).

1. Die Kläger werden durch den Schwarzbau der Beigeladenen in Art. 6 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO, die Drittschutz vermitteln, verletzt. Art. 6 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO bestimmen, dass vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen freizuhalten sind, deren Tiefe 1 H, mindestens jedoch 3 m, zu betragen hat und die auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen. Vorliegend wirft der grenzständige Bau davon abweichend auf einer Länge von bis zu 2,90 m Abstandsflächen auf das Grundstück der Beigeladenen.

Zwar wird, worauf die Beklagte hinweist, mit guten Argumenten vertreten, dass die Kläger in einer Konstellation wie der vorliegenden schon nicht in nachbarschützenden Vorschriften verletzt sind. Diese Ansicht stützt sich darauf, dass nur der Nachbar tatsächlich in den genannten Vorschriften verletzt ist, an dessen eigener Grundstücksgrenze die Privilegierungsvoraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO, bei dessen Vorliegen kraft Gesetzes kein Abstandsflächenverstoß mehr gegeben ist, nicht eingehalten werden; Gleiches gelte dann auch für die Gesamtlänge von 15 m nach Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO (Molodovsky/Famers, BayBO, Stand 31. Update 03/16, Art. 6 Rn. 257 und 281; VGH BW, B. v. 2.2.2009 - 3 S 2875/08 - juris Rn. 2ff. mit Verweis auf st.Rspr.). Damit wären die Kläger vorliegend nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt - womit es bereits an der ersten Voraussetzung eines etwaigen Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten fehlen würde -, weil der Anbau an ihrer eigenen Grundstücksgrenze mit eine Gesamtlänge von bis zu 2,90 m die Maximallänge von 9 m bei weitem unterschreitet.

Mit der wohl herrschenden Ansicht wird man aber dem Nachbarn, der von dem streitgegenständlichen Grenzanbau an seiner Grundstücksgrenze zumindest auch betroffen ist, zugestehen müssen, gleichsam „abstrakt“ die Einhaltung der Voraussetzungen des gesetzlichen Privilegierungstatbestands des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO - sollten die übrigen Voraussetzungen eines Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten erfüllt sein - einfordern zu können. Liegen dessen Voraussetzungen nicht vor, so ist auch bei dem Nachbar ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO gegeben, dem gegenüber das Bauwerk an sich die 9 m-Grenze unterschreitet (OVG RhPf, B. v. 26.7.2004 - 8 B 11477/04 - juris; Simon/Busse, BayBO, Stand 122. EL Januar 2016, Art. 6 Rn. 602; zum 16 m-Privileg: BayVGH, B. v. 17.4.2000 - GrS 1/1999, 14 B 9714 B 97.2901 - juris Rn. 20; U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris Rn. 36f.). Vorliegend sind die Kläger an ihrer Grundstücksgrenze im Ausmaß von maximal 2,90 m - wobei der darin eingerechnete Dachüberstand von 1,45 m aber wohl keine abstandsflächenrechtlichen Wirkungen entfaltet (Simon/Busse, BayBO, Stand 122. EL Januar 2016, Art. 6 Rn. 425) - von dem mindestens 14,50 m langen grenzständigen Schwarzbau zumindest auch betroffen. Damit sind sie nach dieser Auffassung, der sich die Kammer anschließt, in ihren Nachbarrechten verletzt, da die Voraussetzungen des gesetzlichen Privilegierungstatbestandes - bezogen auf die Grundstücksgrenze der Beigeladenen - nicht eingehalten sind.

2. Die Verletzung in nachbarschützenden Rechten ist aber nach dem oben Gesagten nur eine erste Voraussetzung dafür, als Nachbar die Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde erzwingen zu können, gegen eine Anlage einzuschreiten (BayVGH, B. v. 25.9.2013 - 14 ZB 12.2033 - juris Rn. 16). Eine Ermessensreduzierung auf Null und damit ein Rechtsanspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten sind nur dann gegeben, wenn zum Verstoß gegen eine drittschützende Vorschrift besonders qualifizierte Beeinträchtigungen der nachbarlichen Rechtsstellung treten, namentlich, wenn eine unmittelbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit droht oder sonstige unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Überwiegen der Interessen des Nachbarn ergibt (BayVGH, B. v. 20.4.2010 - 9 ZB 08.319 - juris Rn. 3; B. v. 18.6.2008 - 9 ZB 07.497 - juris Rn. 4; VG München, U. v. 25.3.2015 - M 9 K 14.3343 - juris Rn. 34).

Vorliegend ist keine Ermessensreduzierung auf Null gegeben, da keine unzumutbaren Belästigungen vorliegen und kein deutliches Überwiegen der Klägerinteressen gegeben ist.

An der gemeinsamen Grundstücksgrenze befinden sich auf Klägerseite ein Nebengebäude und eine Gabionenwand. Eine nennenswerte Beeinträchtigung in den Belangen Belichtung, Belüftung und Besonnung wäre deswegen von vorn herein schwer zu begründen (BayVGH, B. v. 18.6.2008 - 9 ZB 07.497 - juris Rn. 5f., VG München, U. v. 13.10.2015 - M 1 K 15.2563 - juris Rn. 22). Hinzu kommt, dass der streitgegenständliche Grenzbau die Kläger nur an einer Ecke ihres Grundstücks minimal tangiert: Der vor den grenzständigen Schuppen tretende Dachüberstand von 1,45 m entfaltet nach Ansicht der Kammer keine abstandsflächenrechtlichen Wirkungen (vgl. Simon/Busse, BayBO, Stand 122. EL Januar 2016, Art. 6 Rn. 425), weswegen der Grenzbau nur 1,32 m an der gemeinsamen Grundstücksgrenze verläuft. Selbst bei Einrechnung des Dachüberstands ergäben sich keine gewichtigen Auswirkungen hinsichtlich Belichtung, Belüftung und Besonnung.

Auch das klägerische Argument, in dem Schuppen befinde sich eine Werkstatt, in der Schweißarbeiten und andere lärmende Tätigkeiten ausgeführt würden, verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Ein gewerblicher Charakter wurde diesbezüglich vonseiten der Beigeladenen von Anfang bestritten. Der Augenschein bestätigte, dass die Werkstatt weder in ihren Dimensionen noch hinsichtlich der verwendeten Gerätschaften über eine reine Privatnutzung hinausgeht. Bezüglich der Schweißarbeiten erklärte die Beigeladene - insoweit unwidersprochen -, diese seien nur früher durch ihren Onkel ausgeführt worden. Dieser sei aber bereits 2011 verstorben. Dementsprechend war in der mündlichen Verhandlung nur noch von Kompressorgeräuschen die Rede. Der Ehemann der Beigeladenen führte dazu aus, dass er den Kompressor benötige, um die Reifen der familiären Kraftfahrzeuge zu wechseln. Substantiierter Vortrag dazu, dass bzw. inwiefern diese und andere Geräusche über das hinzunehmende Maß privater Garten- und sonstiger Arbeiten hinausgehen, unterblieb (BayVGH, B. v. 18.6.2008 - 9 ZB 07.497 - juris Rn. 5). Der Eindruck, dass keine unzumutbaren Belästigungen gegeben sind, wird dadurch bestätigt, dass die durch den Grenzbau hauptsächlich tangierten Nachbarn auf FlNr. ... und FlNr. ... eine Erklärung abgegeben haben, wonach dieser sie in keiner Weise beeinträchtige, insbesondere keine gravierenden Lärmbelästigungen vorlägen (Bl. 76 des Gerichtsakts). Für das Gericht sind keine unzumutbaren und schwerwiegenden Beeinträchtigungen auf Klägerseite erkennbar.

Auch der lange Zeitraum von 35 Jahren, in dem der Grenzbau in diesen Dimensionen bereits existiert, spricht gegen von ihm ausgehende unzumutbare Beeinträchtigungen (VG München, U. v. 13.10.2015 - M 1 K 15.2563 - juris Rn. 22). Zwar hat die Bevollmächtigte der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich bereits die Voreigentümerin des klägerischen Grundstücks 1997 bei der Beklagten über den Grenzbau beschwert habe. In dem in der mündlichen Verhandlung dazu vorgelegten Schriftstück, das ein handschriftliches Protokoll einer auf diese Beschwerde hin erfolgten Baukontrolle der Beklagten enthielt, war aber nur von einem Grenzbau von 4 m² die Rede. Das Gericht geht davon aus, dass damit der mittlerweile abgebrochene Grenzbau im Nordwesten des Grundstücks der Beigeladenen gemeint war, dessen Grundfläche - anders als die des nun streitgegenständlichen Grenzbaus - wohl ca. 4 m² betrug. Diesen hatte die Beigeladene beseitigt, um den Klägern die Errichtung ihres grenzständigen Nebengebäudes zu ermöglichen und die abstandsflächenrechtliche Situation zu verbessern. All das ist aber von vorn herein irrelevant, da die Voreigentümerin nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gehalten gewesen wären, ihr Begehr nachdrücklicher zu verfolgen, um die von der Kammer angenommene Indizwirkung zu entkräften. Eine - nachgewiesene - Rüge bis zum nun anhängigen Verfahren der Rechtsnachfolger reicht für ein nachdrückliches Bemühen, einen Schwarzbau bekämpfen zu wollen, keinesfalls aus (BayVGH, B. v. 8.1.2014 - 15 ZB 12.1236 - juris Rn. 5; B. v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 12).

Auch die Ertüchtigung des Schuppens durch die neu aufgemauerten Seitenwände verändert die Situation für die Kläger nicht nachteilig. Es ist im Gegenteil eher davon auszugehen, dass eine massivere Außenwand etwaige Geräusche sogar stärker abmildert. Den Klägern ist es vorliegend zudem ohne weiteres möglich und zumutbar, Beeinträchtigungen nach § 1004 BGB zivilrechtlich geltend zu machen (BayVGH, B. v. 25.9.2013 - 14 ZB 12.2033 - Rn. 20), was einem Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ebenfalls entgegensteht. Ein deutliches Überwiegen ihrer Interessen ist nicht gegeben.

Liegt eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor, hat der Nachbar lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (BayVGH, B. v. 4.7.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 11). Der Ablehnungsbescheid der Beklagten weist aber keine Ermessensfehler auf, da er u. a. mit der eigenen grenzständigen Bebauung der Kläger argumentiert, auf die Erklärung der haupttangierten Nachbarn abstellt und auch den langen Bestand des Grenzanbaus ins Feld führt. Deshalb besteht auch kein - als Minus im Vornahmeantrag enthaltener und damit ebenfalls geltend gemachter - Anspruch auf Neuverbescheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat sich durch ihre Antragstellung in ein Kostenrisiko begeben, weswegen es der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten den Klägern aufzuerlegen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15. September 2008 - 1 K 2134/08 - wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotene Darlegung des Zulassungsgrundes setzt voraus, dass ein die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender Rechtssatz oder eine dafür erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, Beschluss vom 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392 = NVwZ 2000, 1163). Hierfür muss sich aus der Antragsbegründung nachvollziehbar ergeben, welches die angegriffenen Entscheidungsgründe im Einzelnen sind und wie weit die hiergegen vorgebrachten Argumente zur Fehlerhaftigkeit der angegriffenen Entscheidung führen. Die Antragsbegründung muss sich mit anderen Worten konkret mit den angegriffenen Passagen der Entscheidung auseinandersetzen und aufzeigen, warum diese als fehlerhaft erachtet werden. Die Tiefe der geforderten Auseinandersetzung hängt von der Tiefe der Entscheidungsgründe ab, die Bezugnahme auf früheren Vortrag genügt im Regelfall nicht. Des Weiteren muss die Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Rechtsverstoßes dargetan werden (vgl. dazu etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.05.1998 - 4 S 660/98 -, juris). Begründet ist der Zulassungsantrag, wenn eine Überprüfung des dargelegten Vorbringens anhand der Akten ergibt, dass die dargelegten ernstlichen Zweifel tatsächlich vorliegen.
Gemessen daran ergeben sich anhand des Vorbringens der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften. Insoweit ist für das vorliegende Verfahren allerdings ohne Bedeutung, ob die (Gesamt-)Grenzbebauung entlang der Nachbargrenzen insgesamt 15 m überschreitet. Denn § 6 Abs. 1 Satz 4 LBO entfaltet nachbarschützende Wirkung nur insoweit, als die Grenzbebauung entlang der eigenen Grundstücksgrenze eine Länge von 9 m nicht überschreiten darf (so schon Beschluss des Senats vom 06.08.1984 - 3 S 1833/84 - juris; zustimmend: Sauter, LBO, Loseblattslg., Stand 24. Lieferung [2004], § 6 RdNr. 31). Dies ist hier nicht der Fall, denn auf die Längenmaße des § 6 Abs. 1 Satz 4 LBO werden nicht unter die Privilegierung des § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBO fallende bauliche Anlagen nicht angerechnet (vgl. schon Urteil des Senats vom 04.11.1981 - 3 S 1245/81 -; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 28.06.1996 - 5 S 1428/96 -, VBlBW 1996, 428; Sauter, a.a.O., § 6 RdNr. 27a), so dass die über 10 m lange Grenzmauer mit einer Höhe von ca. 0,5 m insoweit anrechnungsfrei bleibt.
Auch hinsichtlich der übrigen abstandsflächenrechtlichen Vorschriften werden die Kläger durch die im Streit stehende Baugenehmigung vom 12.10.2007 nicht in ihren Rechten verletzt. Das von den Beigeladenen als „Geräteschuppen“ an der Grundstücksgrenze zur Genehmigung gestellte Gebäude steht mit § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO im Einklang, denn hierbei handelt es sich um einen Nebenraum, der mit seinen Maßen von 2,61 m Höhe und 5,00 m Länge weder höher ist als 3 m noch eine Wandfläche von mehr als 25 m 2 aufweist. Dies gilt auch dann, wenn man der Wandfläche des Nebenraums wegen des nach außen einheitlichen Erscheinungsbildes (vgl. dazu Urteil des Senats vom 18.07.1984 - 3 S 976/84 -; Sauter, a.a.O., § 5 RdNr. 112) noch die unmittelbar anschließende „Wandscheibe“ von 1 m Länge hinzurechnen wollte. Die zweite „Wandscheibe“, die als Sichtschutz für den Eingangsbereich der Beigeladenen dienen soll, sowie die 0,5 m hohe Grenzmauer sind nach § 5 Abs. 9 LBO abstandsflächenrechtlich zulässig, denn derartige bauliche Anlagen lösen die Abstandsflächenpflichtigkeit nur aus, wenn sie höher sind als 3 m und eine Wandfläche von mehr als 25 m 2 aufweist. Dies ist nach allen in Betracht kommenden Berechnungsarten nicht der Fall.
Soweit die Kläger geltend machen, die Genehmigung der Wandscheiben sei wegen eines Verstoßes gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) rechtswidrig, bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ebenfalls nicht. Dabei kann dahinstehen, ob und unter welchen Umständen bei Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften für eine Anwendung des Schikaneverbots überhaupt Raum ist (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.04.2008 - 8 S 98/08 -, VBlBW 2008, 452). Denn die Voraussetzungen des Schikaneverbots liegen hier ersichtlich nicht vor. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Anordnung der „Wandscheiben“ keinem anderen Zweck als der Schädigung der Nachbarn dient und die Bauherren mit den „Wandscheiben“ kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgen. Die „Wandscheibe“ vor dem Eingangsbereich des Wohnhauses der Beigeladenen dient erkennbar dem Sichtschutz und hat darüber hinaus eine architektonische, gestalterische Funktion. Eine Schädigung der Kläger dürfte damit nicht intendiert sein, zumal die „Wandscheibe“ durch eine Zypressenhecke auf ihrem Grundstück weitgehend verdeckt wird und für die Kläger somit nicht oder kaum sichtbar ist. Auch die unmittelbar an den Geräteschuppen anschließende „Wandscheibe“ von einem Meter Länge ist keineswegs funktionslos, sondern geeignet, einen gewissen Regen- und Nässeschutz vor dem Eingang des Geräteschuppens zu bewirken. Aufgrund ihrer geringen Ausmaße ist zudem schon nicht ersichtlich, dass diese „Wandscheibe“ überhaupt schikanösen Charakter haben könnte.
Der Senat vermag - wie schon das Verwaltungsgericht - ferner nicht zu erkennen, dass das bauplanungsrechtlich insoweit an § 34 Abs. 1 BauGB zu messende Vorhaben der Beigeladenen den Klägern gegenüber rücksichtslos ist und erdrückende Wirkung hat. Selbst wenn insoweit zu unterstellen wäre, dass in der den Rahmen prägenden Umgebungsbebauung keine beidseitige Grenzbebauung vorhanden ist, hätte dies noch keine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens zur Folge, sondern könnte allenfalls objektiv-rechtlich - etwa im Hinblick auf das Erfordernis des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche (§ 34 Abs. 1 BauGB) - von Bedeutung sein. Dass sich das Vorhaben der Beigeladenen nach den in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Parametern in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, können die Kläger jedoch nicht verlangen (vgl. zum Nachbarschutz bei Anwendung des § 34 Abs. 1 BauGB etwa Quaas/Zuck, Prozesshandbuch Verwaltungsrecht [2008], § 3 RdNr. 172). Für eine - von den Klägern nicht ausdrücklich geltend gemachte - Rücksichtslosigkeit des Vorhabens der Beigeladenen ist angesichts des Umstands der Einhaltung der Abstandsflächen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.12.1996 - 4 B 215.96 -, NVwZ-RR 1997, 516) und der erkennbar nicht erdrückenden Wirkung des Vorhabens (vgl. dazu Troidl, BauR 2008, 1829) nichts ersichtlich.
Ernstliche Zweifel im Hinblick auf das Urteil des Verwaltungsgerichts sind schließlich nicht deshalb angebracht, weil tote Einfriedigungen nach § 11 des Nachbarrechtsgesetzes Baden-Württemberg (NRG) auf der Grenze nicht höher als 1,5 m sein dürfen. Für ein Baugenehmigungsverfahren könnte diese Vorschrift allenfalls relevant werden, wenn die Verwirklichung der zur Genehmigung gestellten (toten) Einfriedigung privatrechtlich eindeutig und offensichtlich ausgeschlossen ist und es somit am Sachbescheidungsinteresse für die Baugenehmigung (insoweit) fehlt. Für Anfechtungsklagen des Nachbarn gegen eine erteilte Baugenehmigung sind (vermeintliche) Verstöße gegen § 11 NRG im Hinblick auf § 58 Abs. 3 LBO hingegen ohne Bedeutung. Im Übrigen erscheint es dem Senat im Hinblick auf den Wortlaut des § 11 NRG zweifelhaft, ob sich die „Wandscheiben“ als Einfriedigung im Sinne dieser Vorschrift begreifen lassen (vgl. zum öffentlich-rechtlichen Begriff der Einfriedigung: Urteil des Senats vom 18.12.1995 - 3 S 1298/94 -, BWGZ 1996, 410).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen durch die Stellung eines Antrags ein Kostenrisiko eingegangen sind (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten den Klägern aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

2 B 15.1431

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 29. Oktober 2015

(VG München, Entscheidung vom 11. November 2013, Az.: M 8 K 12.3084)

2. Senat

H.-Z. als stellvertretende Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Sachgebietsschlüssel: 920

Hauptpunkte: Baugenehmigung, Prüfungsumfang, Abstandsflächen, Abweichung

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Landeshauptstadt München,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Lokalbaukommission, Blumenstr. 19, München,

- Beklagte -

beigeladen:

1. ...,

vertreten durch den Geschäftsführer, ...

2. ...

bevollmächtigt zu 1 und 2: Rechtsanwälte ...

beteiligt:

Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, München,

wegen Baugenehmigung ..., Fl. Nr. 17139 Gemarkung ...

hier: Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 2. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dösing, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Bauer, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Winkler aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung, mit der unter anderem die Errichtung eines dreigeschossigen Wohngebäudes im rückwärtigen Bereich des Grundstücks Fl. Nr. 17139 der Gemarkung M. zugelassen wurde. Dort befindet sich bislang ein Garagengebäude mit einer Länge von ca. 18 m, das zu den Grundstücken Fl. Nrn. 17159 und 17158 grenzständig errichtet wurde.

Das Nachbargrundstück Fl. Nr. 17157 steht im Eigentum einer Gemeinschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz. Die Kläger sind Sondereigentümer mehrerer Wohneinheiten im fünfgeschossigen Vordergebäude sowie Teileigentümer einer Gewerbeeinheit für den Betrieb einer Bäckerei mit Ladengeschäft. Die für den Betrieb genutzten Räume befinden sich im Erdgeschoss des Vordergebäudes sowie in im rückwärtigen Bereich gelegenen eingeschossigen Anbauten, die teilweise zum Vorhabensgrundstück hin grenzständig stehen.

Das Grundstück Fl. Nr. 17159, das im rückwärtigen Bereich bedingt durch einen unregelmäßigen Grenzverlauf auch eine gemeinsame Grenze auf einer Länge von ca. 11 m im Bereich der Garagen mit dem Vorhabensgrundstück aufweist, steht im Miteigentum der Kläger. Das Vordergebäude auf dem Grundstück ist dreigeschossig, während die rückwärtige Bebauung ein- und zweigeschossig errichtet wurde. Die Gebäude werden zum Teil zu Wohnzwecken und zum Teil für den Betrieb der Konditorei genutzt.

1. Mit Bescheid vom 8. Juni 2012 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 eine Sanierung des Anwesens und die Errichtung eines dreigeschossigen Rückgebäudes. Es wurden Abweichungen hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsflächen zugelassen, unter anderem im Hinblick darauf, dass sich die Abstandsflächen von Vorder- und Rückgebäude überdecken.

Das Rückgebäude soll grenzständig zu den Grundstücken Fl. Nrn. 17157, 17158 und 17159 unter Abbruch des vorhandenen Garagengebäudes errichtet werden, weist jedoch größere Gebäudetiefen von ca. 15 m im Westen und ca. 8 m im Osten auf. Die unterschiedlichen Tiefen ergeben sich aus einer Verschwenkung der Gebäudefronten nach Süden hin.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2012 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 eine Änderung, die die Schaffung von zwei Wohneinheiten im Rückgebäude zum Gegenstand hat. Eine Änderung der Kubatur des Gebäudes gegenüber der bisherigen Planung ist im grenzständigen Bereich nicht vorgesehen.

Hinsichtlich der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 wurde mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 ein Bauherrenwechsel auf den Beigeladenen zu 2 angezeigt.

Auf die Anfechtungsklage der Kläger hin hob das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 11. November 2013 die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2012 insoweit auf, als mit ihr die Errichtung eines Wohngebäudes im rückwärtigen Grundstücksbereich genehmigt wurde. Die Baugenehmigung sei rechtswidrig und die Kläger könnten deren Aufhebung beanspruchen, weil die Genehmigung zu ihren Lasten gegen die im Verfahren zu prüfenden nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts verstoße, soweit mit ihr nach Norden hin eine Grenzbebauung zugelassen werde.

2. Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung machen die Beigeladenen geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass das Abstandsflächenrecht vorliegend in vollem Umfang und bezüglich sämtlicher Außenwände des strittigen Rückgebäudes vom Regelungsgehalt der angefochtenen Bescheide umfasst sei. Tatsächlich beschränke sich der abstandsflächenrechtliche Regelungsgehalt der Baugenehmigungsbescheide hinsichtlich des Rückgebäudes auf die Überschneidung der Abstandsflächen von Vorder- und Rückgebäude. Die Ermessenserwägungen sowie die Prüfung der übrigen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Abweichungen bedürften keiner Prüfung der abstandsflächenrechtlichen Situation vor den anderen Gebäudeseiten. Durch die in Richtung Süden erteilten Abweichungen würden Nachbarbelange der Kläger nicht berührt. Dass mit der Abstandsflächenverkürzung in Richtung Süden gerade die Voraussetzungen für die Situierung des Rückgebäudes geschaffen worden seien, sei unzutreffend. Mit dem Grenzabstand zu den Grundstücken der Kläger habe die erteilte Abweichung nichts zu tun. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Behandlung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO im Rahmen der Baugenehmigungsbescheide.

Es könne zwar sein, dass im Einzelfall die Rechtmäßigkeit einer abstandsflächenrechtlichen Abweichung für eine Gebäudeaußenwand auch von der Situation vor den übrigen Außenwänden abhängen kann. Dies wäre beispielsweise dann anzunehmen, wenn die Frage nach dem Verhältnis abstandsflächenrechtlicher Abweichungen einerseits und der gegebenenfalls zweimaligen Anwendung des 16-m-Privilegs nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO andererseits im Raum stehe. Im vorliegenden Fall stehe die erteilte Abweichung von den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben jedoch in keinerlei Zusammenhang mit der abstandsflächenrechtlichen Beurteilung der übrigen Außenwände. Auch auf der Ebene der Ermessensausübung für die Erteilung der beantragten Abweichung für die südliche Außenwand des strittigen Rückgebäudes spiele die Situation vor den übrigen Außenwänden nicht die geringste Rolle. Der vermeintliche Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei daher für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigungen nicht entscheidend.

Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für einen zulässigen Grenzanbau nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO vor. Diese Privilegierung greife nicht nur dann, wenn das zu beurteilende Vorhaben im abstandsflächenrelevanten Bereich unter allen planungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO räume dem Städtebaurecht vielmehr nur den Vorrang ein, soweit es die Errichtung von Gebäuden ohne Grenzabstand regele. Zu den in diesem Rahmen zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorgaben gehörten daher ausschließlich solche, die unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpften. Die Prüfung sämtlicher bauplanungsrechtlicher Vorgaben scheide im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO dagegen aus.

Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO bezwecke die Sicherstellung, dass dem Vorrang des Bauplanungsrechts vor dem Bauordnungsrecht auch im Bereich des Abstandsflächenrechts Rechnung getragen werde. Aus diesem Grund könne er sich nur auf solche bauplanungsrechtlichen Vorgaben beziehen, die spezifisch die Gestattung oder die Verpflichtung zum Grenzanbau vorsehen. Andernfalls hätte der klagende Nachbar über die drittschützende Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO die Möglichkeit, sich auf einen Verstoß gegen sämtliche Vorgaben des Bauplanungsrechts zu berufen. Hierzu gehörten dann auch solche Vorgaben, die ihrerseits nicht drittschützend seien, sondern ausschließlich städtebaulichen Zwecken dienten. So würde in Fällen einer durch Bebauungsplan festgesetzten Bebauungstiefe, der nach dem planerischen Willen der planenden Gemeinde kein Drittschutz zukommen soll, gerade dieser Bebauungstiefe Drittschutz verliehen. Dagegen rechtfertige im Fall der Bauweise gerade der Umstand, dass es sich beim Kriterium der Bauweise um eine spezifisch den Grenzanbau regelnde Materie handle, die Berücksichtigung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO. Die von Seiten des Verwaltungsgerichts vertretene Ansicht weise vor dem Hintergrund des Systems des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes Wertungswidersprüche auf. Sie erweitere die nachbarliche Rechtsstellung in systemwidriger Weise.

Falls die Bebauungstiefe als Teil des bauplanungsrechtlichen Kriteriums der überbaubaren Grundstücksfläche keine bauplanungsrechtliche Vorgabe sei, die Drittschutz vermittelt und/oder spezifisch und unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpft, könnten sich die Kläger auf eine vermeintliche Überschreitung einer faktisch vorhandenen Bebauungstiefe nicht berufen. Bei der Beurteilung der Frage, ob sich ein Bauvorhaben im Innenbereich hinsichtlich der Grundstücksfläche die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, komme es auf die Grundstücksgrenzen gerade nicht an. Drittschutz entfalte eine Bebauungstiefe regelmäßig ebenfalls nicht. Im Ergebnis sei die Bebauungstiefe daher kein bauplanungsrechtliches Kriterium, das im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zu prüfen wäre. Ein vermeintlicher Verstoß gegen eine vorliegend bestehende faktische Bebauungstiefe, könne daher dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht entgegengehalten werden. Richtig sei es vielmehr, allein auf die Bauweise abzustellen.

Ebenso wenig führe die abstandsflächenrechtliche Situation in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17157 zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Baugenehmigungen. Auch diese westliche Abstandsflächensituation sei nicht von der Feststellungswirkung der Baugenehmigungen umfasst. Zudem könnten sich die Antragsteller als Sondereigentümer einiger Wohnungen nur insoweit auf einen Abstandsflächenverstoß berufen, als ihr Sondereigentum betroffen sei. Ferner verstoße das Gebäude S.-straße 27 selbst in Ansehung seiner Geschossigkeit in erheblichem Umfang gegen abstandsflächenrechtliche Vorgaben, so dass sich die Kläger insoweit nach Treu und Glauben nicht auf einen vermeintlichen Abstandsflächenverstoß des geplanten Rückgebäudes berufen könnten.

Anhaltspunkte für eine Rücksichtslosigkeit des geplanten Rückgebäudes bestünden nicht. Unzumutbare Auswirkungen im Hinblick auf die Belichtung der Wohnungen des Anwesens S.-straße 27 seien nicht zu besorgen. Soweit sich die Kläger auf unzumutbare Einwirkungen durch Lärm und Geruch beriefen, sei der Vortrag unsubstantiiert. Zudem seien die Räumlichkeiten des Rückgebäudes und gerade die Fenster ausschließlich in Richtung Süden geplant, also von der Bäckerei der Kläger weg ausgerichtet. Nach dem Vortrag der Kläger seien die maßgeblichen Geräuschquellen auch erst ab 6.00 Uhr morgens zu besorgen, so dass diese nur in den Tageszeitraum fielen.

Die Beigeladenen beantragen:

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zu Unrecht seien die Beigeladenen der Auffassung, dass bei Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen im Sinn von Art. 59 BayBO nur die konkreten Abstandsflächen, von denen abgewichen wird, Gegenstand der behördlichen Prüfung seien. Art. 59 BayBO erweitere jedoch den Prüfungsumfang der Baubehörde auf beantragte Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 1 und 2 Satz 2 BayBO. Damit bringe das Gesetz zum Ausdruck, dass der Prüfungsumfang durch die beantragte Abweichung bestimmt werde, d. h. alle im Abweichungsverfahren zu beachtende Gesichtspunkte Gegenstand der Prüfung seien. Die Beurteilung, ob eine Abweichung von den Abstandsflächen gewährt werden könne, erfordere eine Gesamtbeurteilung der abstandsflächenrechtlichen Situation in Bezug auf die Mindestabstandsflächen gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO.

Zu Unrecht behaupteten die Beigeladenen, dass hier das streitgegenständliche Bauvorhaben im abstandsrelevanten Bereich unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Allein das Vorhandensein grenzständiger Gebäude sei planungsrechtlich nicht ausreichend für die Beurteilung, ob hier - auch in Bezug auf das streitgegenständliche Bauvorhaben - auf die Beachtung von Abstandsflächen verzichtet werden könne. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO beschränke den Prüfungsumfang der hier relevanten planungsrechtlichen Vorschriften nicht auf diejenigen, welche im Zusammenhang einer etwaigen zulässigen Grenzbebauung stünden.

Das Maß der baulichen Nutzung bestimme sich durch eine Vielzahl von möglichen planungsrechtlichen Vorgaben. Insbesondere könne durch Baulinien der Anbau an die Grundstücksgrenze gefordert werden. Eine im inneren Bauquartier nachvollziehbare Baulinie sei jedoch nicht zu erkennen. Ferner könne durch Bauräume, die über Grundstücksgrenzen hinweg gehen, im Zusammenhang mit der Festsetzung von geschlossener oder halb offener Bauweise, eine planungsrechtliche Vorgabe für eine grenzständige Bebauung gegeben werden. Die vorhandene städtebauliche Struktur gebe dies offensichtlich für die straßenbegleitende Bebauung als Blockrandbebauung vor, jedoch nicht im Blockinneren.

Fänden sich die vorgenannten Kriterien hier nicht, so sei zu fragen, ob durch entsprechende sonstige planungsrechtliche Vorgaben städtebaulich veranlasste grenzständige Bebauungen im Blockinneren zulässig sein sollen. Nachvollziehbar habe das Erstgericht das Bauquartier städtebaulich durch rückwärtige Baulinien bzw. Bebauungstiefen konkretisiert. Insofern werde ein städtebauliches Element zur Anwendung gebracht, welches planungsrechtlich auch im Zusammenhang mit einer etwaigen grenzständigen Bebauung stehe. Es werde deshalb bestritten, dass hier die Frage der Bebauungstiefe keine planungsrechtliche Vorschrift sei, wonach beurteilt werden könne, ob an die Grenze gebaut werden müsse oder gebaut werden dürfe.

Hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme führen die Kläger aus, dass an der Grundstücksgrenze ein 8,13 m hoher und ca. 15 m langer Baukörper geplant sei, der das Terrassen-Niveau des klägerischen Anwesens um 4,05 m überrage. Werde als Maßstab zulässiger Grenzbebauung Art. 6 Abs. 9 BayBO heranzogen, so werde das Höhenmaß um 1,05 m und das Längenmaß um 6 m überschritten. Insofern besitze das Bauvorhaben in Bezug auf das klägerische Grundstück, hier in Bezug auf die Terrassennutzung, erdrückende Wirkung. Hinzu komme, dass durch die Grenzbebauung der Betrieb des Sohnes der Kläger eine erhebliche Einschränkung erfahren werde. Im erdgeschossigen Anbau auf dem klägerischen Grundstück befinde sich eine Backstube mit entsprechenden Abluftanlagen über der darüber befindlichen Terrasse. Aufgrund der unmittelbaren Nähe sei daher mit Geruchsbelästigungen in Bezug auf die Bewohner des streitgegenständlichen Neubaus zu rechnen.

Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses vertritt die Auffassung, dass zum notwendigen Prüfprogramm des Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nur die tatsächlich beantragten Abweichungen zählen. Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ermessensausübung hierbei sei aber die vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Einstellung in die Ermessenserwägungen. Im Rahmen von Abweichungen im Abstandsflächenrecht dürfe dabei nicht nur die nachbarliche Beziehung betrachtet werden, sondern die Bauaufsichtsbehörde müsse sich ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen gemacht haben. Auch die Ermessenserwägungen könnten sich aber nur auf die beantragte Abweichung beziehen, so dass nicht alle öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Interessen berücksichtigt, sondern vielmehr die Belange gewürdigt werden, die von der Vorschrift, von der abgewichen werden soll, geschützt werden. Abgewichen werde vorliegend nur von der Einhaltung der Abstandsflächen der südlichen Gebäudewand des Rückgebäudes, so dass sich die Betrachtung hierauf beschränke.

In Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO komme der planungsrechtliche Vorbehalt, unter dem das Abstandsflächenrecht stehe, zum Ausdruck. Das Planungsrecht genieße den Vorrang vor den abstandsflächenrechtlichen Vorschriften, wenn nach Planungsrecht an die Grenze gebaut werden müsse oder dürfe. Dieser planungsrechtliche Vorbehalt könne aber nur den Vorhaben eingeräumt werden, die auch dem Planungsrecht entsprechen. Die planungsrechtliche Privilegierung solle demnach nur ein Vorhaben in Anspruch nehmen können, das danach auch insgesamt zulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten sowie die Niederschriften über die Einnahme eines Augenscheins vom 25. August 2015 und die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§ 124 Abs. 1 VwGO) der Beigeladenen ist begründet. Die angefochtene Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 12. Oktober 2012, soweit mit ihr die Errichtung eines Rückgebäudes zugelassen wird, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 11. November 2013 ist somit die Klage abzuweisen.

1. Die Kläger sind als Miteigentümer des Nachbargrundstücks Fl. Nr. 17159 gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Hinsichtlich des Grundstücks Fl. Nr. 17157 sind sie als Sondereigentümer insoweit klagebefugt, als die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung vom 12. Oktober 2012 ihre Rechte aus dem Sondereigentum verletzen kann. Dies ist dann der Fall, wenn das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot unmittelbar das Sondereigentum betrifft (vgl. BayVGH, U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - BayVBl 2013, 51). Die Kläger sind insoweit betroffen, als sie die Sondereigentümer einer Wohneinheit im fünfgeschossigen Vordergebäude sind, die eine Terrasse zum Bauvorhaben hin aufweist. Ferner sind sie als Teileigentümer der Gewerbeeinheit für den Betrieb einer Bäckerei mit Ladengeschäft klagebefugt, soweit das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot inmitten steht.

2. Die Anfechtungsklage der Kläger ist jedoch nicht begründet. Soweit der Prüfungsumfang des Art. 59 BayBO reicht, verletzt die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2012 hinsichtlich des strittigen Rückgebäudes die Kläger nicht in ihren Rechten. Nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts sind insoweit nicht zu ihren Lasten betroffen. Ebenso wenig wird das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzt.

2.1. Im vorliegenden Fall wurde ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchgeführt. In dessen Rahmen sind neben den bauplanungsrechtlichen Vorschriften die Anforderungen des Abstandsflächenrechts nur zu prüfen, soweit Abweichungen nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO beantragt wurden.

Hier wurden hinsichtlich des allein noch strittigen Rückgebäudes im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO nur bezüglich des Verhältnisses zum Vordergebäude auf dem Baugrundstück und bezüglich gegenüberliegender Gebäudeteile des Rückgebäudes auf dem Baugrundstück beantragt und erteilt. Sonstige Abweichungen nach Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO wurden im Hinblick auf das Rückgebäude nicht erteilt. Die das Vordergebäude betreffenden Abweichungsentscheidungen im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 haben Bestandskraft erlangt. Die Frage nach der abstandsflächenrechtlichen Situation des Vordergebäudes stellt sich damit hier nicht mehr.

Die vorliegend hinsichtlich des geplanten Rückgebäudes erteilten Abweichungen betreffen nicht die nachbarliche Situation zum Grundstück der Kläger bzw. zu ihrem Sonder- oder Teileigentum hin. Eine Nachbarrechtsverletzung ist mithin insoweit auszuschließen. Ob die Beigeladenen zu Unrecht weitere Abweichungen hinsichtlich der Pflicht zur Freihaltung von Abstandsflächen nicht beantragt haben, kann hier dahinstehen. Denn zum Prüfprogramm im Sinn von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO gehören ausschließlich vom Bauherrn tatsächlich beantragte Abweichungen. Eine Pflicht des Bauherrn, bauordnungsrechtliche Abweichungen zu beantragen, kann aus dieser Vorschrift nicht hergeleitet werden (vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.8.2015, Art. 59 Rn. 15a). Auch die Sätze 1 und 2 des Art. 63 Abs. 2 BayBO betreffen lediglich das Wie und nicht das Ob eines Abweichungsantrags (vgl. Molodovsky a. a. O., Art. 63 Rn. 53). Bei einer anderen Handhabung des Zusammenspiels von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO und Art. 63 Abs. 2 BayBO würde die Beschränkung des Prüfungsmaßstabs aus Art. 59 BayBO aufgegeben werden (vgl. Shirvani in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.2.2015, Art. 65 Rn. 178). Stellt der Bauherr daher keinen entsprechenden Antrag, bleibt nicht nur das Prüfprogramm entsprechend beschränkt, sondern auch der Regelungsinhalt der Baugenehmigung und damit der Nutzen der Baugenehmigung für den Bauherrn sind beschränkt (vgl. Molodovsky a. a. O. Art. 59 Rn. 15a). Die Bauaufsichtsbehörde kann jedoch, falls sie im Zug des Genehmigungsverfahrens beiläufig die fehlende Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit bauordnungsrechtlichen Anforderungen feststellt, nach Art. 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BayBO vorgehen. Auf ein solches Tätigwerden der Bauaufsichtsbehörde haben die betroffenen Nachbarn aber keinen Anspruch (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147).

Angesichts dessen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im vorliegenden Fall die Abstandsflächen vollumfänglich zum Prüfprogramm gehören könnten. Die Vollprüfung der abstandsflächenrechtlichen Anforderungen würde vielmehr dem gesetzgeberischen Willen zur Einschränkung des Prüfungsumfangs zuwiderlaufen (vgl. hierzu bereits BayVGH, U. v. 19.1.2009 - 2 BV 08.2567 - BayVBl 2009, 507; U. v. 1.7.2009 - 2 BV 08.2465 - BayVBl 2009, 727). Der Gesetzgeber geht eindeutig davon aus, dass gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nur Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO zu prüfen sind, die vom Bauherrn ausdrücklich beantragt wurden (vgl. Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2012, Art. 59 Rn. 9 f.; Molodovsky a. a. O., Art. 59 Rn. 15; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: 1.2.2015, Art. 59 Rn. 36). Diese sind gesondert für jede Außenwand zu beantragen, zu prüfen und gegebenenfalls zu erteilen (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 - Gr.S. 1/1999 - 14 B 97.2901 - VGH n. F. 53, 89/92). Ebenso kann jede Verkürzung einer Abstandsflächentiefe nur den Nachbarn in seinen Rechten verletzen, dessen Grundstück der betreffenden Außenwand gegenüberliegt (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 - a. a. O., S. 95 f.; Schwarzer/König a. a. O., Art. 6 Rn. 110). Ebenso wenig kann aber ein betroffener Nachbar verlangen, dass Abweichungen in Bezug auf die Abstandsflächentiefe geprüft werden, die nicht im Sinn von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO beantragt worden sind.

Entgegen der Auffassung der Kläger kann auch nichts Gegenteiliges aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum sogenannten 16-m-Privileg (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO) gefolgert werden. Hierbei handelt es sich um eine unmittelbar kraft Gesetzes geltende Abweichung, die eigenen Regeln folgt (vgl. König, Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 708). Daraus folgt bei der Inanspruchnahme dieses Privilegs, dass an den übrigen Gebäudeseiten dann 1 H eingehalten werden muss und davon keine Abweichung erteilt werden kann. Bereits dem Regelungssystem des Art. 6 Abs. 6 BayBO kann dabei entnommen werden, dass in diesen Fällen keine Abweichung erteilt werden darf. Denn die Vorschrift baut darauf auf, dass die Abstandsfläche auf zwei Seiten auf 0,5 H verkürzt werden kann, und geht davon aus, dass für die übrigen Gebäude Außenwände 1 H einzuhalten ist (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 a. a. O. S. 90 f). Die Einhaltung von 1 H ist danach Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift. Ermessenserwägungen wie bei der Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO sind hier nicht anzustellen. Die Frage des 16-m-Privilegs stellt sich vorliegend ohnehin nicht.

Aus der Tatsache, dass die Bauaufsichtsbehörde bei der Erteilung einer Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, ergibt sich vorliegend ebenso wenig anderes. Es handelt sich um ein tatbestandlich intendiertes Ermessen. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben, so ist die Abweichung in der Regel zuzulassen, es sei denn, es lägen ausnahmsweise dem entgegenstehende besondere Umstände vor (vgl. Jäde a. a. O., Art. 63 Rn. 12 m. w. N.). Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung ist aber eine vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Einstellung in die Ermessenserwägungen (vgl. Jäde a. a. O., Art. 63 Rn. 18; Molodovsky a. a. O., Art. 63 Rn. 41). Bei Abweichungen von den Abstandsflächenanforderungen muss sich die Bauaufsichtsbehörde auch ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen gemacht haben (vgl. Jäde a. a. O. Art. 63 Rn. 19). Hierbei kann es sich jedoch nur um beantragte und erteilte Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO handeln. Der Nachbar kann die Nichteinhaltung der Abstandsflächen zu seinem Grundstück hin nur rügen, soweit eine Abweichung erteilt wurde (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147/148). Soweit vorliegend eine Abweichung nicht beantragt und erteilt wurde, scheidet somit eine Prüfung des Abstandsflächenrechts aus. Eine solche Prüfung ist auch nicht im Hinblick auf Art. 65 Abs. 2 BayBO geboten. Der vereinzelt gebliebenen und von der Rechtsprechung nicht aufgegriffenen Literaturmeinung (Koehl, BayVBl 2009, 645), die von einer nachbarschützenden Wirkung der allein den Bauherrn betreffenden, reinen Verfahrensvorschriften des Art. 65 Abs. 2 BayBO ausgeht, ist nicht zu folgen (vgl. BayVGH, B. v. 17.8.2015 - 2 ZB 13.2522 - juris). Vielmehr ergeben sich Verpflichtungen Dritten gegenüber hieraus auch dann nicht, wenn die Vorschrift von der das Vorhaben abweicht, Rechte Dritter schützt (vgl. Schwarzer/König a. a. O., Art. 65 Rn. 20; Jäde a. a. O., Art. 65 Rn. 49b).

Nach allem ist festzuhalten, dass die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung in Bezug auf eine konkret beantragte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften allenfalls in den Blick zu nehmen hat, welche sonstigen Abweichungen von den Anforderungen des Abstandsflächenrechts in Richtung auf das betreffende Nachbargrundstück außerdem beantragt und erteilt wurden. Dies ist vorliegend in der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 weder in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17157 noch in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17159 geschehen. Weder für das hier nur noch strittige geplante Rückgebäude auf dem Grundstück Fl. Nr. 17139 noch für das dortige Vordergebäude, hinsichtlich dessen die Baugenehmigung inzwischen bestandskräftig ist, sind solche Abweichungen zulasten des Grundstücks bzw. des Sonder- oder Teileigentums der Kläger beantragt und erteilt worden. Mithin sind außer den lediglich das Baugrundstück betreffenden Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften für das Verhältnis zwischen Rückgebäude und Vordergebäude sowie für das Verhältnis zwischen gegenüberliegenden Gebäudeteilen des Rückgebäudes keine weiteren Abstandsflächen zu prüfen bzw. von der Bauaufsichtsbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung in den Blick zu nehmen gewesen. Die Frage eines zulässigen Grenzanbaus durch das Gebäude im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO wurde somit nicht vom Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 BayBO erfasst. Die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 8. Juni 2012 nehmen deshalb nicht an der Feststellungswirkung der Baugenehmigung teil (vgl. BayVGH, B. v. 12.12.2013 - 2 ZB 12.1513 - juris).

2.2. Durch das Bauvorhaben wird auch das Rücksichtnahmegebot aus § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht verletzt. Das strittige Rückgebäude hat - soweit die Kläger dies rügen können - keine erdrückende Wirkung gegenüber der Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. 17157. Es wird zwar ein ca. 15 m langer Baukörper entstehen, der das Terrassenniveau des betroffenen Nachbargrundstücks um rund 4 m überragen wird. Die genannte Terrasse hat jedoch sogar an der schmalsten Stelle eine Breite von rund 7 m. Das strittige gebaute Bauvorhaben ist im Osten des Grundstücks Fl. Nr. 17157 situiert, so dass insbesondere die vormittägliche Sonneneinstrahlung etwas behindert wird. Unbestritten ist jedoch ein Lichteinfallswinkel von 45 Grad nicht nur in Bezug auf die Fenster im ersten Obergeschoß des Nachbargebäudes, sondern sogar zu einem gewissen Teil in Bezug auf die Dachterrasse in ihrem schmalsten Bereich eingehalten. Eine einmauernde Wirkung der geplanten Bebauung gegenüber der in Höhe des ersten Obergeschosses befindlichen Terrasse am Anwesen der Kläger ist damit nicht zu erkennen.

Im Ergebnis kann daher dahinstehen, ob die Beklagte bei Erteilung der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 die Terrassennutzung auf dem Grundstück Fl. Nr. 17157 überhaupt berücksichtigen musste. Nach dem Vortrag der Beigeladenen ist die Terrassennutzung erst im Jahr 2014 genehmigt worden, wobei ein Grenzabstand zum Grundstück der Beigeladenen von 3 m eingehalten werden müsse.

Hinsichtlich möglicher Lärmbelastungen durch die Bäckerei und Konditorei haben die Kläger nichts von Substanz vorgetragen. Der Lieferverkehr soll in den Morgenstunden erst ab 6.00 Uhr stattfinden (vgl. BayVGH, B. v. 19.6.2013 - 2 CS 13.845). Auch beim vormittäglichen Ortstermin durch den Senat konnten keine Lärmbelastungen festgestellt werden. Nachdem das geplante Rückgebäude weder zum Grundstück Fl. Nr. 17157 noch zum Grundstück Fl. Nr. 17159 Fenster aufweisen wird, ist nicht zu erkennen, dass hier unzumutbare Lärmbelastungen auftreten könnten.

Bezüglich der ferner von Klägerseite angeführten möglichen Geruchsbelästigungen für die Bewohner des strittigen Neubaus auf dem Grundstück Fl. Nr. 17139 hat die Beklagte schon im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 ausgeführt, dass bereits der bauliche Bestand im Quartier von der direkten Nachbarschaft zwischen Wohnnutzung und der Bäckerei als gewerblicher Nutzung geprägt sei. Hier seien gravierende Konflikte aus der bestehenden Nutzungsmischung heraus nicht bekannt. Mit der Neuerrichtung des Rückgebäudes und der dort geplanten Wohnnutzung rücke diese zwar näher an die gewerbliche Nutzung heran, aber nicht in einer Weise, die den Bestand der Bäckerei unter Berücksichtigung der vorhandenen Nutzungsmischung beeinträchtigen oder gefährden könnte. Dem sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr ist auch hier zu berücksichtigen, dass das geplante Rückgebäude keine Fensteröffnungen zur Bäckerei und Konditorei hin aufweisen wird. Auch beim vormittäglichen Ortstermin des Senats konnten insoweit keine Geruchsbelästigungen festgestellt werden. Es kann somit dahinstehen, ob Gerüche aus einer Bäckerei oder Konditorei überhaupt als unzumutbar für die umgebende Wohnnachbarschaft eingestuft werden könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 GKG. Der Streitwert war für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro angemessen zu erhöhen, da hier auch wirtschaftliche Interessen der Kläger inmitten stehen.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 9 K 14.3343

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 25. März 2015

9. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte: Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten; Ermessensreduzierung auf Null (bejaht); Nachbargebäude mit erdrückender Wirkung; Beseitigungsanordnung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

1. ...

2. ...

zu 1. und 2. wohnhaft: P.-Straße ... a, ...

- Kläger -

zu 1. und 2. bevollmächtigt:

Rechtsanwälte ...

gegen

Stadt Ingolstadt, Bauordnungsamt,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Spitalstr. 3, 85049 Ingolstadt

- Beklagte -

beigeladen:

1. ...

2. ...

zu 1. und 2. wohnhaft: P. Str. ...

wegen Bauaufsicht Fl. Nr. .../17 (...)

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 9. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2015 am 25. März 2015 folgendes

Urteil:

I.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom ... Juli 2014 verpflichtet, über den Antrag der Kläger vom ... April 2014 auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Einfamilienhaus mit Doppelgarage auf dem Grundstück Fl. Nr. ... /17 (Gemarkung ... ) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klagepartei und die Beklagte jeweils die Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2014, mit dem diese ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. .../17 der Gemarkung ... abgelehnt hat.

Die Kläger sind Eigentümer einer Doppelhaushälfte auf dem Grundstück Fl. Nr. .../134, P. Straße ... a, Gemarkung ... in ... Sie wenden sich gegen das Einfamilienhaus mit Doppelgarage der Beigeladenen auf dem südlich zu den Klägern angrenzenden Grundstück Fl. Nr. .../17. Dieses Vorhaben wurde mit Baugenehmigungsbescheid der Beklagten vom ... September 2010 auf der Grundlage des Bebauungsplans Nr. ... „A. ...“ vom Dezember 2002, der für das Baugebiet ein reines Wohngebiet festsetzte, bauaufsichtlich genehmigt. Entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans hält das Wohnhaus der Beigeladenen an der nördlichen Grundstücksgrenze zu den Klägern einen Abstand von 3 Metern ein und weist die maximal mögliche Wandhöhe bei zwei Geschossen von 6,60 m auf. Bezugspunkt für alle Höhen ist die mittlere Straßenhinterkante der P. Straße.

Das natürliche Gelände liegt nach dem Plan im Süden 1,18 m und im Norden 1,34 m niedriger als das geplante Gelände. Die beiden Grundstücke sind durch eine Befestigungsmauer getrennt, die 1,30 m hoch ist und als Stützmauer dient. Das Gebäude hat ein Zeltdach; die Höhe beträgt ab der festgesetzten Geländehöhe 8,70 Meter.

Etwa einen Monat nach Beginn der Bauarbeiten (Baubeginnanzeige vom ... Oktober 2010) reichten die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht auf Aufhebung der Baugenehmigung ein (Verfahren M 9 K 10.5794). Wegen der weiter voran schreitenden Bauarbeiten beantragten die Kläger mit Schriftsatz vom 11. März 2011 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (Verfahren M 9 SN 11.1306). Am 20. Juli 2011 nahm das Gericht in beiden Verfahren einen Augenschein ein und verhandelte zur Sache. Dabei wies es darauf hin, dass der Bebauungsplan abwägungsfehlerhaft sei und das Bauvorhaben eine verschattende Wirkung habe. Auf die Niederschrift vom 20. Juli 2011 wird Bezug genommen.

Am 22. Juli 2011 teilte die Beklagte den Beigeladenen mit, dass angesichts des Gerichtstermins am 20. Juli 2011, bei dem die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht bestätigt worden sei, keine weiteren Arbeiten an den Außenanlagen und am Äußeren des Gebäudes ausgeführt werden dürften, die zu einer Verfestigung der Situation führen könnten.

Mit Schreiben vom gleichen Tag wies der Bevollmächtigte der Kläger die Beigeladenen auf die vom Gericht geäußerte Rechtsmeinung und darauf hin, dass eine Schaffung baurechtskonformer Zustände nur durch eine deutliche Verringerung der Wandhöhe bzw. durch ein Zurücksetzen der nördlichen Hauswand möglich sei. Gleichzeitig forderte er die Beigeladenen zur Zustimmung zu Vergleichsverhandlungen und zur Einstellung aller weiteren Bauarbeiten auf.

Nachdem das vom Gericht angeregte Mediationsverfahren nicht zustande kam, hob die erkennende Kammer mit Urteil vom 26. Oktober 2011 auf die Nachbarklage der Kläger den Bescheid der Beklagten vom ... September 2010 auf. In den Gründen des Urteils wurde ausgeführt, dass der Bebauungsplan wegen eines Abwägungsmangels unwirksam sei und auch eine Zulässigkeit des Bauvorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht in Betracht komme, weil sich das Vorhaben nicht in die Umgebung mit den deutlich tiefer liegenden Geländehöhen einfüge und der unmittelbaren Nachbarschaft gegenüber wegen seiner optisch bedrängenden Wirkung unzumutbar und rücksichtslos sei. Das Bauvorhaben habe eine einriegelnde Wirkung und verstoße durch sein Erscheinungsbild als 10 Meter hohes wandartiges Gebäude und wegen der permanenten und gravierenden Verschattung des tiefer liegenden Grundstücks der Kläger gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme.

Mit Schreiben vom ... Juni 2012, eingegangen bei der Beklagten am ... Juni 2012 zeigten die Beigeladenen die Nutzungsaufnahme des Wohnhauses (Einzugstermin: ... Januar 2012) an.

Der von der Beklagten gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (1 ZB 11.2781) vom 20. März 2014 abgelehnt, da keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestünden.

Mit Schreiben vom ... April 2014 beantragte der Bevollmächtigte der Kläger bei der Beklagten gegenüber den Beigeladenen hinsichtlich des errichteten Einfamilienwohnhauses mit Doppelgarage eine Beseitigungsanordnung zu erlassen und mit sofortiger Wirkung die Nutzung dieser baulichen Anlagen zu untersagen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Ermessen der Beklagten aufgrund der Aufhebung der Baugenehmigung durch das Verwaltungsgericht auf Null reduziert sei. Zugunsten der Beigeladenen bestünde kein Vertrauensschutz. Diese hätten auf eigenes Risiko gebaut und sich seit der Klageerhebung gegen die Baugenehmigung über drei Jahre darauf einstellen können, dass die Baugenehmigung aufgehoben werden könnte. Umgekehrt bestehe zulasten der Kläger durch das Vorhaben eine gravierende Nachbarrechtsverletzung.

Mit Schreiben vom ... Juni 2014 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass sie gegen die Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen nicht bauaufsichtlich einschreiten werde. Es liege kein Fall einer Ermessenreduzierung auf Null vor. Eine Beseitigungsanordnung sei, egal ob sie das ganze Gebäude oder nur einen Teil davon betreffe, unverhältnismäßig.

Mit Schreiben vom ... Juli 2014 teilte der Bevollmächtigte der Kläger mit, dass der Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten aufrechterhalten werde und bat um den Erlass eines Ablehnungsbescheides.

Am ... Juli 2014 erließ die Beklagte einen Bescheid, mit dem das bauaufsichtliche Einschreiten gegen das von den Beigeladenen errichtete Einfamilienhaus mit Doppelgarage abgelehnt wurde.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei der Ausübung des Ermessens unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das mildeste Mittel zu wählen sei. Eine vollständige oder auch teilweise Beseitigung sei unverhältnismäßig. Da vom Wohnhaus der Beigeladenen nach Osten und Westen theoretisch die bisher fehlenden Abstandsflächen übernommen werden könnten, könnte für die nördliche, zu den Klägern hin einzuhaltende Abstandsfläche das Schmalseitenprivileg mit H/2 angewandt werden. Bei einer Wandhöhe von 6,60 Metern ergäbe sich demnach eine Abstandsfläche H/2 von 3,30 Metern. Um diese einhalten zu können, müsste die Gebäudehöhe wegen des Grenzabstandes von 3 Metern um 0,60 Meter reduziert werden. Allerdings würde sich bei Ausnutzung der maximal zulässigen Dachneigung von 35° die Firsthöhe von derzeit 8,65 Meter auf 9,90 Meter erhöhen. Damit sei auch eine Teilbeseitigung unverhältnismäßig, weil sich die Situation für die Kläger nicht merklich verbessern würde. Auch wenn das Wohnhaus der Kläger durch das Wohnhaus der Beigeladenen verschattet werde, sei dies für die Kläger noch nicht unzumutbar, da ein Lichteinfallswinkel von 45° eingehalten werde. In diesem Fall gehe die Rechtsprechung von zumutbaren Wohnverhältnissen aus. Daher sei keine Ermessenreduzierung auf Null gegeben, zumal innerhalb eines bebauten innerstädtischen Wohngebiets seitens der Betroffenen immer damit gerechnet werden müsse, dass Nachbargrundstücke durch Ausnutzung des gesetzliche vorgegebenen Rahmens bebaut würden und es dadurch zu einer Verschattung von Grundstücken ober Wohnräumen komme. Eine unzumutbare Verschattung zulasten der Kläger werde bestritten.

Auch im Hinblick auf die behauptete Einsichtsmöglichkeit bestehe keine Unzumutbarkeit, zumal der vorgeschriebene Mindestabstand von 3 Metern zur Grundstücksgrenze eingehalten werde. Ein Anspruch auf Beseitigung allein aufgrund der Einsichtsmöglichkeit des Nachbarn bestehe nicht. Auch eine Nutzungsuntersagung sei unverhältnismäßig, da das Wohnhaus der Beigeladenen für diese den alleinigen Mittelpunkt ihrer privaten Existenz darstelle.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 1. August 2014 ließen die Kläger Klage erheben und folgende Anträge stellen:

1. Der Bescheid der Beklagten vom ... 7.2014 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Beigeladenen im Wege des bauaufsichtlichen Einschreitens aufzugeben, das von ihnen auf dem Grundstück Fl. Nr. .../17 der Gemarkung ... errichtete Einfamilienhaus mit Doppelgarage zu beseitigen und bis dahin die Nutzung der vorbezeichneten baulichen Anlage zu untersagen.

3. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, gegenüber den Beigeladenen hinsichtlich des von ihnen auf dem Grundstück Fl. Nr. .../17 der Gemarkung ... errichteten Einfamilienwohnhaus mit Doppelgarage nach pflichtgemäßen Ermessen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts bauaufsichtlich einzuschreiten.

Zur Begründung wurde vorgetragen, es bestehe eine Ermessensreduzierung auf Null bzgl. eines Einschreitens, da andernfalls das die Baugenehmigung aufhebende Urteil vom 26. Oktober 2011 umgangen würde. Der Rechtsschutz der von dem rücksichtslosen Bauvorhaben betroffenen Nachbarn dürfe sich nicht in der Aufhebung der Genehmigung erschöpfen, wenn der baurechts- und nachbarrechtswidrige Zustand dann weiterhin Bestand haben würde. Zugunsten der beigeladenen Nachbarn greife auch kein Vertrauensschutz, da diese gewarnt gewesen seien und auf eigenes Risiko weiter gebaut hätten.

Der strenge Maßstab bzgl. einer Pflicht der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten gelte gerade nicht bei der Aufhebung einer Baugenehmigung anlässlich einer Nachbarklage. Zumindest hinsichtlich des Entschließungsermessens sei eine Pflicht zum Einschreiten gegeben. Dies gelte gerade dann, wenn die Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens festgestellt worden sei, da dies die schwerste Form der Nachbarrechtsverletzung darstelle. Aus diesem Grund könne die Beklagte auch keine Verkürzung der Frage auf die Einhaltung der Abstandsflächen vornehmen, da die Rücksichtslosigkeit eines Bauvorhabens auch bei Einhaltung der Abstandsflächen gegeben sein könne.

Eine mögliche finanzielle Belastung der Bauherren stehe dem nicht entgegen, da sich diese nicht auf Vertrauensschutz berufen könnten. Im vorliegenden Fall verdichte sich das Ermessen der Beklagten aufgrund der besonderen Umstände zu einer vollständigen Beseitigung. Dies treffe die Beigeladenen auch nicht unverhältnismäßig, da auf ihrem Grundstück dennoch eine - dann nachbarverträgliche - Wohnbebauung möglich bleibe. Die Kläger hätten auch einen Anspruch auf die Anordnung einer Nutzungsuntersagung, da aufgrund des massiven und höherliegenden Gebäudekörpers eine extreme Einsehbarkeit des Wohnhauses der Kläger bestehe.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 26. September 2014

Klageabweisung.

Zur Begründung nahm sie dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie den Verfahren M 9 K 10.5795 und M 9 SN 11.1306 sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. März 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf erneute Verbescheidung ihres Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten vom ... April 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Insoweit ist die Ablehnung auf bauaufsichtliches Einschreiten im Bescheid vom ... Juli 2014 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Soweit die Beseitigung des gesamten Wohnhauses sowie die Nutzungsuntersagung beantragt worden ist, war die Klage dagegen abzuweisen.

1. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert worden sind und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Ist die Anlage also formell (d. h. ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet) und materiell rechtswidrig und können auch nicht durch Genehmigung rechtmäßige Zustände hergestellt werden, so ist die Bauaufsichtsbehörde befugt, in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (Art. 40 BayVwVfG) deren Beseitigung zu verfügen.

a) Das Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen ist formell rechtswidrig. Die Baugenehmigung vom ... September 2010 wurde mit bestandskräftigem Urteil der erkennenden Kammer vom 26. Oktober 2011 im Verfahren M 9 K 10.5794 aufgehoben. Eine Baugenehmigung existiert damit nicht.

b) Das bereits errichtete Gebäude ist auch materiell rechtswidrig. Insoweit wird auf die Gründe des zwischen den gleichen Beteiligten ergangenen o.a. Urteils Bezug genommen.

c) Auf andere Weise können rechtmäßige Zustände für das bestehende Wohnhaus in seiner jetzigen Gestalt nicht hergestellt werden.

2. Macht ein Dritter gegenüber der Bauaufsichtsbehörde geltend, durch eine Anlage in seinen Rechten verletzt zu sein, so hat er einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein bauaufsichtliches Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde sowie auf Art und Weise des Einschreitens. Dabei gelten für die Ermessensausübung der Bauaufsichtsbehörde die allgemeinen Grundsätze (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2014, Art. 76 Rn. 486 ff. m. w. N.; vgl. auch BayVGH, B. v. 8.3.2007 - 1 ZB 06.898 - juris Rn. 11, 14). Als bauaufsichtliche Maßnahmen kommen insoweit der Erlass einer Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO und/oder einer Nutzungsuntersagungsverfügung nach Art. 76 Satz 2 BayBO in Betracht. Ein Anspruch des Nachbarn auf Erlass einer Beseitigungsanordnung ergibt sich nur dann, wenn im Einzelfall das Ermessen auf Null reduziert ist.

Dies ist hier der Fall. Sowohl in Bezug auf das Entschließungsermessen wie auch die Ausübung des Auswahlermessens ist davon auszugehen, dass nur ein teilweiser Rückbau des Wohnhauses der Beigeladenen als einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung in Betracht kommt.

a) Maßgebend für eine Ermessensreduzierung auf Null ist die Schwere der Nachbarrechtsverletzung. Eine solche ist in jedem Fall gegeben, wenn die von der rechtswidrigen Nutzung ausgehenden Beeinträchtigungen einen erheblichen Grad erreichen und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt. Für die Entscheidung von Bedeutung müssen sowohl die Intensität als auch Konkretheit der Drittverletzung sein (BayVGH, U. v. 14.10.1999 - 2 B 95.4182 - juris). Es bedarf also einer Abwägung zwischen der Schwere des Verstoßes und den Folgen einer Beseitigung auf Seiten des Bauherrn einerseits und der Schwere der Nachbarrechtsverletzung auf Seiten des Dritten andererseits. Sollte die Nachbarrechtsverletzung in ihrer Intensität deutlich überwiegen, dann hat der Dritte einen Anspruch auf Erlass einer Beseitigungsanordnung. In diesem Fall schrumpft das den Bauaufsichtsbehörden zustehende Ermessen dann zugunsten des betroffenen Grundstücksnachbarn zu einer grundsätzlichen Pflicht zum Einschreiten.

In Ausnahmefällen kann sich dieser Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu einem Rechtsanspruch verdichten, nämlich dann, wenn nur eine rechtmäßige Entscheidung in Betracht kommt, also wenn das Ermessen auf Null reduziert ist (Geiger in Birkl, Praxishandbuch des Bauplanungs- und Immissionsschutzrechts, Rn. E 333). Dies ist dann der Fall, wenn jede andere Entscheidung mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen des Nachbarn ermessensfehlerhaft wäre.

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Ermessen zum Einschreiten vorliegend auf Null reduziert. Die Kläger sehen sich nicht nur einer geringfügigen Nachbarrechtsverletzung ausgesetzt, sondern sind mit einem massiven Gebäudekörper in unmittelbarer Nähe zu ihrem Grundstück, das die eigene Bebauung massiv überragt, konfrontiert. Bei der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme infolge einer bedrängenden und erdrückenden Wirkung des Baukörpers und die davon ausgehende permanente und massive Verschattung handelt es sich um eine massive Form der Nachbarrechtsverletzung.

Auch in der Gesamtschau der Umstände ist es den Klägern nicht zuzumuten, den Status quo dauerhaft hinzunehmen. Dabei ist auch von Belang, dass sich die Kläger frühzeitig um die Wahrung ihrer Rechte gekümmert haben und auch die Beigeladenen - wenngleich in diesem Zeitpunkt der Rohbau schon fast fertig gestellt war, nach der mündlichen Verhandlung in Verfahren M 9 K 10.5794 auf die Risiken einer Fortsetzung der Bautätigkeit hingewiesen haben. Den Beigeladenen ist zwar zugute zu halten, dass sie auf der Grundlage einer Baugenehmigung mit dem Bau begonnen hatten, dies kann aber nicht zulasten der Kläger gehen.

Spätestens mit den Ergebnissen des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2011 hätte sich den Beigeladenen aufdrängen müssen, dass von ihrem Vorhaben eine rücksichtslose Belastung des klägerischen Anwesens ausgeht und die Baugenehmigung möglicherweise keinen Bestand hat. Dennoch wurde das Vorhaben von den Beigeladenen - trotz einer schriftlichen Aufforderung durch die Beklagte vom ... Juli 2011, keine weiteren Arbeiten auszuführen (Bl. ... BA) - von ihnen zügig fertiggestellt.

c) Die Beklagte hat diese Aspekte, insbesondere die bereits gerichtlich festgestellte Schwere der Nachbarrechtsverletzung in ihrer Entscheidung unberücksichtigt gelassen, indem sie vorrangig auf die Frage der ausreichenden Belichtung abgestellt hat und ist insoweit in ihrer Entscheidung einem Ermessensdefizit unterlegen (§ 113 Abs. 5 Satz 2, § 114 VwGO, Art. 76 Satz 1 und 2 BayBO, Art. 40 BayVwVfG).

3. Die von der Beklagten erneut zu treffende Entscheidung über das weitere bauaufsichtliche Vorgehen bleibt jedoch aufgrund des offenen, wenn auch intendierten Auswahlermessens im Rahmen des Art. 76 BayBO nur einem Verbescheidungsausspruch entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers zugänglich; von einer Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf eine vollständige Beseitigung der baulichen Anlage kann unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als ultima ratio bauaufsichtlichen Handelns nicht ausgegangen werden.

a) Die Kammer ist in der vorliegenden Konstellation allerdings bei sachgerechter Abwägung und Gewichtung der gegenläufigen Interessen der Kläger und der Beigeladenen der Auffassung, dass nur eine teilweise Beseitigung ermessensgerecht sein kann. Die Beklagte hat in ihrer Entscheidung also festzustellen, auf welche Maße das Vorhaben zurückzubauen ist.

Als Richtgröße zur Verringerung der vom Wohnhaus der Beigeladenen ausgehenden erdrückenden Wirkung hält die Kammer nach den Eindrücken des Augenscheins hier die Einhaltung von H/2 ab der natürlichen Geländeoberkante an der Nordseite des Anwesens der Beigeladenen zum Klägergrundstück hin für sachgerecht. Bezugspunkt ist dabei die Geländeroberfläche des Nachbargrundstücks und nicht des Baugrundstücks, da dieses gerade infolge der massiven Auffüllungen zur abriegelnden Wirkung des auf ihm errichteten Baukörpers beigetragen hat. Dies entspricht auch dem Grundsatz, dass bei der Frage der Abstandsflächen generell von der natürlichen Geländeoberfläche auszugehen ist (Dirnberger, Das Abstandsflächenrecht in Bayern, 3. Auflage 2015, Rn. 140). Aufschüttungen und Abgrabungen verändern - auch wenn sie rechtmäßig im Zuge des Bauvorhabens vorgenommen werden - die natürliche Geländeoberfläche nicht. Die Wandhöhe könnte nach etwa drei Metern wieder auf eine Höhe von 1 H ansteigen. Bei einem solchen Rücksprung ließe sich eine Art Dachterrasse schaffen. Dadurch wäre zugunsten der Kläger die massive Erscheinung des Anwesens der Beigeladenen mit seiner massiven Wandhöhe, die wie bereits im Urteil vom 26. Oktober 2011 ausgeführt, durch die Dachform noch verstärkt wird, soweit abgemildert werden, dass eine erdrückende Wirkung auf das Grundstück der Kläger nicht mehr anzunehmen wäre. Umgekehrt ist für die Beigeladenen eine unter den gegebenen Umständen noch größtmögliche Nutzung ihres Hauses möglich.

Denkbar ist, diesen Rücksprung erst ab der auf Höhe des Klägergrundstücks gelegenen Gebäudehälfte beginnen zu lassen, da die westliche Gebäudeseite weiter vom Klägergrundstück entfernt liegt und von dieser demzufolge keine so massive Wirkung ausgeht.

b) Soweit die Kläger unter Ziffer 2 ihrer Klage die Anordnung der vollständigen Beseitigung bzw. Nutzungsuntersagung beantragt haben, können sie damit nicht durchdringen und war die Klage abzuweisen. Zum einen kann mittels des beschriebenen Vorgehens ein Zustand erreicht werden, bei dem für die Kläger durch die Bebauung auf dem Nachbargrundstück keine rücksichtslose Belastung mehr ausgeht, zum anderen ist bei der Frage der Nutzungsuntersagung zu berücksichtigen, dass eine Untersagung der Nutzung für die Beigeladenen, die ihr Wohnhaus künftig weiter, wenn auch nicht mehr in der ursprünglichen Form, nutzen könnten und umgekehrt die Kläger eine Nutzung des Nachbarhauses weiter hinzunehmen haben, nicht sachgerecht wäre.

4. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 1 VwGO im Hilfsantrag stattzugeben. Die hälftige Kostenteilung entspricht vorliegend dem Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen, da seitens der Kläger insbesondere zu berücksichtigen ist, dass sie mit ihrem Antrag auf vollständige Beseitigung und sofortiger Nutzungsuntersagung nicht durchdringen konnten und damit in einem wesentlichen Punkt unterlegen sind.

Die Kostenentscheidung für die Beigeladenen ergibt sich aus § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entsprach es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst zu tragen haben.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf Euro 7.500,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 1 K 15.2563

Im Namen des Volkes

Urteil

Verkündet am 13. Oktober 2015

(§§ 116 Abs. 1, 117 Abs. 6 VwGO)

1. Kammer

..., Urkundsbeamter des Bayerischen Verwaltungsgerichts München

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte:

Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen Garage

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

...

vertreten durch: Landratsamt E., A.-Sch.-Platz ..., E.

- Beklagter -

beigeladen: ...

bevollmächtigt: Rechtsanwalt ...

wegen bauaufsichtlichen Einschreitens gegen Garage, FlNr. 2708/2 Gem. ...

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer, durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die ehrenamtliche Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin von ... aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 13. Oktober 2015

folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt bauaufsichtliches Einschreiten gegen eine Garage auf dem Grundstück ihres beigeladenen Bruders.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 2689 Gemarkung ..., das auf der nördlichen Grundstückshälfte mit einem Wohnhaus und an der südwestlichen Grundstücksecke mit einem erhöht stehenden Gartenhaus bebaut ist.

Mit Bescheid vom ... August 1994 erteilte das Landratsamt E. dem Beigeladenen eine Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage auf dem westlich an das klägerische Grundstück angrenzenden Grundstück FlNr. 2708/2. Die Garage sollte östlich an das Wohnhaus und direkt an die gemeinsame Grundstücksgrenze gebaut werden. Mit Bescheid vom ... April 1995 wurde die Baugenehmigung dahin geändert, dass der gesamte Baukörper 3 m nach Westen verschoben und von der gemeinsamen Grundstücksgrenze abgerückt wurde. Die Fertigstellung des Gebäudes wurde am 18. Dezember 2000 angezeigt.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2014 teilte die Klägerin dem Landratsamt mit, das vom Beigeladenen errichtete Gebäude entspreche in mehreren Punkten nicht der erteilten Baugenehmigung. Unter anderem betrage der tatsächliche Grenzabstand nach einer Bescheinigung des Vermessungsamts vom ... Juli 2012 nur 2,67 m. Angesichts dessen müsse das Landratsamt für die Einhaltung des Baurechts sorgen.

Eine Baukontrolle am ... August 2014 ergab, dass das Gebäude des Beigeladenen einige Meter weiter südlich als genehmigt und mit dem angegebenen geringeren Grenzabstand errichtet worden war. Auf der Garage befindet sich ein Kniestock mit einer Höhe von 1,5 m. Weiter verfügt die dem klägerischen Grundstück zugewandte Giebelwand der Garage über ein Fenster und weist eine Höhe von 6 m, die Traufwand eine Höhe von 4,15 m auf.

Mit Schriftsatz vom 23. März 2015 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf die Verletzung der nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften erneut bauaufsichtliches Einschreiten. Zwingend müsse eine Tektur eingereicht werden.

Das Landratsamt lehnte mit Bescheid vom ... Mai 2015, der Klägerin zugestellt am 27. Mai 2015, den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten (Nr. 1) und auf Verpflichtung des Beigeladenen zur Stellung eines Tekturantrags (Nr. 2) ab. Allein bezüglich der Nutzung des Dachgeschosses eröffnete es ein bauaufsichtliches Verfahren (Nr. 3). Der Klägerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Nr. 4). Zur Begründung führte das Landratsamt aus, auch wenn wegen des zu geringen Abstands zur Grundstücksgrenze und des auf der Garage errichteten Kniestocks ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften vorliege, sei das der Behörde in Art. 76 Bayerische Bauordnung (BayBO) eingeräumte Ermessen nicht auf Null im Hinblick auf ein Einschreiten reduziert. Für das Grundstück der Klägerin bestünden keine brandschutzrechtlichen Beeinträchtigungen. Überdies müsse ihr aufgrund der Wandhöhe jahrelang augenscheinlich bewusst gewesen sein, dass die grenznahe Garage zu hoch errichtet worden sei.

Am 18. Juni 2015 erhob die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,

den Bescheid des Landratsamts E. vom ... Mai 2015 in Nr. 1, 2 und 4 aufzuheben und das Landratsamt anzuweisen, gegen den Beigeladenen bauaufsichtlich einzuschreiten.

Sie trägt vor, die Garage halte den Mindestabstand von 3 m nicht ein; die Nichteinhaltung der Abstandsflächenvorschriften stelle eine gravierende Verletzung nachbarlicher Rechte dar. Eine Verjährung sei nicht eingetreten, weil sie den zu geringen Grenzabstand erst mit der 2012 erfolgten Vermessung habe erkennen können. Die Baugenehmigung sei erloschen, weil wegen der wesentlichen Abweichungen von ihr nicht Gebrauch gemacht worden sei. Wegen des Verstoßes gegen drittschützende Normen komme als einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung ein Einschreiten in Betracht.

Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den Bescheid,

die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Er meint, auch wenn der Mindestabstand von 3 m unterschritten sei, sei die Forderung, von der Garage 33 cm und damit die Außenwand abzureißen, unverhältnismäßig. Er habe die Abstandsflächenunterschreitung nicht verschuldet. Das Verlangen auf bauaufsichtliches Einschreiten beruhe auf einem Konflikt mit der Klägerin.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten und der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts E. vom ... Mai 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO), und zwar weder in der Form des Erlasses einer (Teil-)Beseitigungsanordnung (1.) noch in der Form der Verpflichtung des Beigeladenen zur Stellung eines neuen Bauantrags oder eines Tekturantrags (2.).

1. Die Klägerin kann die Verpflichtung des Landratsamts zum Erlass einer (Teil-)Beseitigungsanordnung nicht verlangen.

Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten durch Erlass einer Beseitigungsanordnung kann sich aus Art. 76 Satz 1 BayBO ergeben. Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten erfordert dabei zum einen, dass der Nachbar durch die bauliche Anlage in nachbarschützenden Rechten verletzt ist, zum anderen, dass das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde auf Null reduziert ist. Liegt eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor, hat der Nachbar lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (BayVGH, B.v. 4.7.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 11).

Im vorliegenden Fall verletzt die Garage des Beigeladenen zwar drittschützende Vorschriften. Sie hält den nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO unter Heranziehung des 16 m-Privilegs erforderlichen Mindestabstand von 3 m nicht ein, sondern unterschreitet ihn um 33 cm.

Dennoch liegt eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor; vielmehr hat das Landratsamt sein Ermessen fehlerfrei dahin ausgeübt, nicht bauaufsichtlich einzuschreiten. Eine Ermessensreduzierung auf Null und damit ein Rechtsanspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ist nur dann gegeben, wenn zusätzlich zum Verstoß gegen eine drittschützende Vorschrift eine unmittelbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für wesentliche Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit oder Eigentum besteht und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Überwiegen der Interessen des Nachbarn ergibt (BayVGH, B.v. 20.4.2010 - 9 ZB 08.319 - juris Rn. 3).

Im vorliegenden Fall besteht jedoch schon keine unmittelbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für wesentliche Rechtsgüter der Klägerin. Gegenüber der Garage des Beigeladenen befindet sich das Gartenhaus der Klägerin, das - über die bloße Nichteinhaltung des Maßes der Abstandsflächen hinaus - keine nennenswerte Beeinträchtigung erfährt. Die Belange Belichtung, Belüftung und Besonnung werden bei dem erhöht stehenden Gartenhaus kaum beeinträchtigt. Das Wohnhaus der Klägerin, das erhöhten Schutz genießen würde, liegt weiter nördlich und circa 20 m von der Garage entfernt, so dass diese hierauf keine negative Auswirkung hat. Weiter ergibt auch die vorzunehmende Abwägung der Beeinträchtigung der Klägerin mit dem Schaden des Beigeladenen kein deutliches Überwiegen ihrer Interessen. Zum einen sprechen der lange Zeitraum von 2000 bis 2014, während dessen sie die Garage klaglos hingenommen hat, und der Umstand, dass erst ein Zerwürfnis mit ihrem Bruder ihr Verlangen auf bauaufsichtliches Einschreiten hervorgerufen hat, gegen eine wesentliche Beeinträchtigung ihrer Interessen. Grundsätzlich ist es dem Nachbarn nach Treu und Glauben zumutbar, seine Einwendungen gegen ein Vorhaben ohne Zögern mit den verfahrensrechtlich verfügbaren Mitteln geltend zu machen (BayVGH, U.v. 8.1.2014 - 15 B 12.1236 - juris Rn. 5); macht er hiervon keinen Gebrauch, kann dies einem Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten entgegen gehalten werden. Weiter ist es der Klägerin hier ohne weiteres möglich und zumutbar, Beeinträchtigungen nach § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zivilrechtlich geltend zu machen (vgl. BayVGH, B.v. 25.9.2013 - 14 ZB 12.2033 - Rn. 20), was ebenfalls einem Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten entgegen steht.

2. Weiter kann die Klägerin die Verpflichtung des Beigeladenen zur Stellung eines neuen Bauantrags oder eines Tekturantrags nicht verlangen.

Das nach Art. 76 Satz 3 BayBO ebenfalls im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde stehende Verlangen, dass ein Bauantrag gestellt wird, vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens (BayVGH, U.v. 4.12.2014 - 15 B 12.1450 - juris Rn. 21).

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da der Beigeladene einen eigenen Sachantrag gestellt und sich daher einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass er seine außergerichtlichen Kosten von der Klägerin erstattet erhält, § 154 Abs. 3 i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500,-- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt den Erlass einer bauaufsichtlichen Verfügung der Beklagten, die den Beigeladenen aufgibt, deren Grenzgarage zurückzubauen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist hat darlegen lassen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die auf ein bauaufsichtliches Tätigwerden gerichtete Verpflichtungsklage entfallen ist, ist nicht ernstlich zweifelhaft.

Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeführt, dass das Klagerecht - insbesondere in dreipoligen Rechtsverhältnissen wie hier - im Einzelfall verwirkt sein kann, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. Meissner in Schoch/Schneider/Bier, VwGO Stand 2012, § 74 Rn. 47 ff. m. w. N.). Angesichts der tatsächlichen Umstände ist mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass der Kläger sein Klagerecht in diesem Sinn verwirkt hat. Zwar hat der Kläger nach Fertigstellung des Rohbaus der Grenzgarage der Beigeladenen bei der Beklagten mit Schreiben vom 21. August 1997 beantragt, die Rechtmäßigkeit der Grenzgarage der Beigeladenen zu überprüfen und gegebenenfalls eine Baueinstellung zu verfügen. Nach Durchführung einer Baukontrolle am 26. August 1997 und Mitteilung des Ergebnisses der Baukontrolle durch die Beklagte am 12. September 1997 hat der Kläger bis zu seinem Schreiben vom 4. Oktober 2007, in dem er erneut beantragt hat, die aus seiner Sicht um ca. 1,20 m überhöhte Grenzgarage zu überprüfen, nichts weiter unternommen, um die Durchsetzung seiner Nachbarrechte durch die behördliche Bauaufsicht - etwa im Wege der Untätigkeitsklage oder durch einen wiederholten Antrag - weiter zu verfolgen. Das im Zeitpunkt des klägerischen Antrags vom 21. August 1997 erst im Rohbau fertig gestellte Bauvorhaben wurde zu Ende geführt und seither genutzt. Die Weigerung des Klägers im Jahr 1998, den Beigeladenen das Aufstellen eines Gerüsts zum Verputzen der Garagengrenzwand zu gestatten, lässt nicht darauf schließen, er habe nach wie vor einen behördlich angeordneten Rückbau der Grenzgarage der Beigeladenen verfolgt. Auch der Vortrag des Klägers, er habe die Beigeladenen täglich und ständig daran erinnert, dass er mit der Verletzung seiner nachbarrechtlich geschützten Interessen nicht einverstanden sei und den Bau für rechtswidrig halte, lässt keine von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts abweichende Bewertung zu, denn der Kläger hat keine rechtlichen Schritte zur Durchsetzung seiner etwaigen Nachbarrechte unternommen. Wenn der Beschwerte - wie hier der Kläger - eine derart lange Zeit abgewartet hat, dass mit einem Tätigwerden schlechthin nicht mehr zu rechnen war, kann von der Verwirkung des Rechtsschutzinteresses auch dann ausgegangen werden, wenn das Umstandsmoment in den Hintergrund tritt (BVerfG, B.v. 4.3.2008 - 2 BvR 2111/07 - juris Rn. 30). Die Absicht des Klägers, „sich seine Ansprüche über die Jahre“ offen zu halten bzw. an seinem Abwehrrecht festzuhalten „und dies zu gegebener Zeit“ auch geltend zu machen, widerspricht den auch im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben. Beeinträchtigt die Errichtung und Nutzung einer baulichen Anlage einen Nachbarn in seinen öffentlich-rechtlich geschützten Positionen und ist dies für ihn erkennbar, ist es ihm nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zuzumuten, dass er seine Einwendungen gegen das Vorhaben ohne Zögern mit den verfahrensrechtlich verfügbaren Mitteln geltend macht (vgl. Meissner a. a. O § 74 Rn. 50 m. w. N.; vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 12 m. w. N.). Dies hat der Kläger zurechenbar versäumt.

Dass der Kläger nach dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 1997 verständlicherweise andere Sorgen hatte, als gegen ein vermeintlich rechtswidriges Bauvorhaben seiner Nachbarn vorzugehen, hat das Verwaltungsgericht gesehen und zutreffend gewürdigt. Danach ist selbst dann, wenn der Zeitraum von über 10 Jahren, in dem der Kläger nichts gegen das nunmehr von ihm bekämpfte Bauvorhaben der Beigeladenen unternommen hat, zugunsten des Klägers zu verkürzen wäre, festzustellen, dass bei Erhebung der Untätigkeitsklage am 8. Dezember 2009 bereits ein derart langer Zeitraum verstrichen war, dass mit einem solchen Handeln des Klägers schlechthin nicht mehr zu rechnen war.

Erweist sich die Klage nach Vorstehendem bereits als unzulässig, so kommt es nicht mehr darauf an, dass die Klage nach Auffassung des Verwaltungsgerichts darüber hinaus auch unbegründet wäre. Ist die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt (Mehrfachbegründung), so ist die Berufung nur zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Berufungszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (st. Rspr., vgl. z. B. BayVGH, B.v. 15.11.2013 - 10 ZB 11.1204 - juris Rn. 7; BVerwG, B.v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - BauR 2013, 2011 jeweils m. w. N.). Es kann danach offen bleiben, ob ein Rechtsanspruch des Klägers auf Einschreiten bestanden hätte, wenn seine Klage zulässig gewesen wäre.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich nach den obigen Ausführungen ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren beurteilen. Wie zuvor ausgeführt wurde, kommt es nicht darauf an, dass die Klage - im Falle ihrer Zulässigkeit - nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts unbegründet wäre, weil die Klage nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts bereits unzulässig ist.

3. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich nicht geklärt oder - bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen - durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist (Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124 Rn. 36 m. w. N.).

Daran gemessen kommt die Zulassung der Berufung hinsichtlich der aufgeworfenen entscheidungserheblichen Rechtsfrage der Verwirkung nicht in Betracht, weil die Anforderungen an die Verwirkung von Rechten bei Drittrechtsbehelfen in der Rechtsprechung hinreichend geklärt sind. Die Frage, ob eine Verwirkung eintritt, „wenn zwar seit dem letzten erhobenen Einwand mehr als 10 Jahre vergangen sind, der Verletzte jedoch (hier durch Verweigerung des Zutritts auf sein Grundstück für das Durchführen eines Außenputzes) über die gesamte Zeit nach außen deutlich sichtbar dokumentiert hat, dass er mit dem Bauvorhaben nicht einverstanden ist und die Fertigstellung zu verhindern versucht sowie der Verletzte aus persönlichen Gründen (Schicksalsschläge) gehindert war, sich auf Auseinandersetzungen einzulassen“, ist auf den konkreten Sachverhalt zugeschnitten und zeigt keine über den Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage auf. Ob der Vorwurf eines treuwidrigen Verhaltens berechtigt und einem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis wegen missbräuchlicher Prozessführung abzusprechen ist, entscheidet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Allgemein gültige Grundsätze lassen sich hierzu nicht aufstellen (BVerwG, B.v. 19.4.2011 - 4 BN 4/11 - juris Rn. 13).

4. Den Darlegungen im Zulassungsantrag lässt sich schließlich auch kein Verfahrensmangel entnehmen, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Bei kumulativ mehrfach begründeten Entscheidungen - wie hier - ist die Beruhens-Frage wegen eines jeden dieser Gründe zu stellen (vgl. Happ a. a. O. § 124 Rn. 51). Mit der gegen die Begründung des Verwaltungsgerichts zur Unzulässigkeit der Klage gerichteten Verfahrensrüge dringt der Kläger nicht durch. Auf die weiteren Verfahrensrügen, die sich auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Unbegründetheit der Klage beziehen, kommt es mithin nicht mehr an (vgl. BVerwG, B.v. 1.8.2011 - 7 BN 2/11 - juris Rn. 4 m. w. N.).

a) Einen Verfahrensmangel wegen der Abtrennung des Verfahrens Au 5 K 11.1531 betreffend den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Einschreiten gegen den Sichtschutzzaun der Beigeladenen (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2013 - 15 ZB 12.42) vom Verfahren Au 5 K 09.1918 aufgrund Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2011 hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Darzulegen ist insbesondere auch, inwiefern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann. Dahingehend ergibt sich aus dem Antrag auf Zulassung der Berufung außer dem ebenso allgemeinen wie unspezifischen Hinweis, die Verfahrenstrennung habe den Streitgegenstand aus dem Zusammenhang gerissen, nichts Weiterführendes. Das im Weg der Untätigkeitsklage geltend gemachte Verpflichtungsbegehren des Klägers betrifft verschiedene bauliche Anlagen der Beigeladenen und unterschiedliche Streitgegenstände (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, § 121 Rn. 28); die Trennung des Verfahrens ist deshalb auch in der Sache nicht zu beanstanden (§ 93 Satz 2 VwGO).

b) Weshalb das Verwaltungsgericht auf die Mitteilung des Klägers vom 16. August 2011 hätte eingehen müssen, wonach nur mehr die Beigeladene zu 1 im Grundbuch als Eigentümerin des Nachbargrundstücks eingetragen sei, ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger trägt im Schriftsatz vom 16. August 2011 selbst vor, dass der Beigeladene zu 2 vom Verfahren tangiert sei, weil zu seinen Gunsten eine Rückauflassungsvormerkung eingetragen sei. Im Übrigen richtet sich das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten auch gegen den Beigeladenen zu 2.

c) Der Vortrag, dem Kläger sei die Einräumung einer Erwiderungsfrist zu einem Schriftsatz der Beigeladenen verweigert worden, lässt - soweit er die Begründung des Verwaltungsgerichts zur Unzulässigkeit der Klage betrifft - keinen Verfahrensmangel im Sinn eines Verstoßes gegen den Grundsatz auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) erkennen.

Der Schriftsatz des Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 8. März 2012, worin sich diese auf die Verwirkung des Klagerechts berufen, ging dem Klägerbevollmächtigten nach dessen Angaben am 12. März 2012 zu. Bis zur mündlichen Verhandlung am 22. März 2012 bestand deshalb ausreichend Zeit, sich mit der angesichts der tatsächlichen Umstände auf der Hand liegenden Rechtsfrage der Verwirkung zu befassen. Die urlaubsbedingte Abwesenheit des Bevollmächtigten des Klägers bis zum 16. März 2012 und dessen terminliche Verhinderung u. a. am 19. März 2012 lassen keine abweichende Bewertung zu, weil der Klägerbevollmächtigte einerseits einer Anwaltspartnerschaft angehört, der auch Prozessvollmacht erteilt wurde und die Rechtsfrage der Verwirkung des Klagerechts andererseits hier keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft. Im Übrigen wurde die Frage der Verwirkung ausweislich der Niederschrift vom 22. März 2012 in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert. Dem Kläger wurde Gelegenheit gegeben, seine Rechtsansicht darzulegen. Schließlich setzt die schlüssige Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt worden, regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen voraus, was der Beteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG, B.v. 28.3.2013 - 4 B 15/12 - BauR 2013, 1248 m. w. N.). Dem genügt der Vortrag des Klägers im Zulassungsverfahren nicht (vgl. vorstehend Nr. 1).

5. Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG; die Wertfestsetzung folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Begründung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.