Der Kläger ist des Verbrechens vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln mit unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei tatmehrheitlichen Fällen gemäß Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verdächtig und insoweit im Strafverfahren M 5 KLs 127 Js … angeklagt. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Regensburg vom 29. März 2016 erfolgte an die Strafkammer des Landgerichts Regensburg mit dem Hinweis, dass eine Freiheitsstrafe von über 4 Jahren zu erwarten sei.
Mit richterlichem Schreiben vom 17. Mai 2016 an die Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben KPI(Z) Oberpfalz ersuchte das Landgericht Regensburg den Beklagten um Mitteilung der vollständigen Namen der Vertrauenspersonen (VPen) „VP 292“ und „VP 229“, weil eine Vernehmung der VPen als (Hauptbelastungs-)Zeugen im Strafverfahren beabsichtigt sei.
Das Bayer. Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMIBV) erließ daraufhin mit Schreiben vom 27. Juli 2016 gegenüber dem Landgericht Regensburg unter dem Az. * * … eine Sperrerklärung gemäß § 96 StPO.
Der Sperrerklärung wird damit begründet, dass die Identitäten der beiden VPen geheimhaltungsbedürftig seien. Den VPen sei die Geheimhaltung ihrer Identitäten mit Verfügungen vom 11. März 2015 und 26. März 2015 von der Staatsanwaltschaft Regensburg zugesichert worden. Ein Abweichen von der Geheimhaltungszusage würde im Rauschgiftmilieu erfahrungsgemäß rasch bekannt werden und dazu führen, dass nicht nur diese, sondern auch andere aktuelle und potentielle Informanten und VPen künftig nicht mehr zu einer Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden bereit wären. Ohne solche verdeckten Ermittlungsinstrumentarien wären die Ermittlungen im kriminellen Milieu, insbesondere bei der Rauschkriminalität, aber gravierend eingeschränkt. Nachdem die Rauschgiftkriminalität fast ausnahmslos nur noch mit verdeckten polizeilichen Ermittlungen wirksam zu bekämpfen sei, würde durch die Preisgabe der Identitäten im vorliegenden Fall eine nicht unerhebliche Einschränkung der Aufklärungsmöglichen in diesem besonders sozialschädlichen Deliktsbereich eintreten. Nach vorliegenden polizeilichen Erkenntnissen gingen Täter, die im Bereich des Betäubungsmittelhandels agierten und Betäubungsmittel in der Größenordnung wie im vorliegenden Fall anböten, regelmäßig arbeitsteilig und strukturiert vor und könnten in der Regel auf ein hohen Potential an kriminellen Ressourcen zurückgreifen. Im Umfeld derartiger Täterstrukturen seien nahezu immer Hinterleute und Mittäter, die bislang polizeilich nicht bekanntgeworden seien, vorhanden. Bei diesen Personen bestehe nach kriminalpolizeilichen Erkenntnissen sowohl bei den Tätern als auch deren Hintermännern generell ein erhebliches Interesse an der Offenbarung der Identität von verdeckt operierenden Personen. Damit solle einerseits die weitere polizeiliche Verwendung der Personen ausgeschlossen werden und andererseits durch Sanktionsmaßnahmen oder Racheakte auf die Personen eingewirkt werden, um im Bereich verdeckt agierender Personen insgesamt ein Klima der Angst zu erzeugen. Die Offenbarung der Identität und die spätere Zeugenladung vor Gericht würden die eingesetzten VPen enttarnen, was zur Folge hätte, dass sie sich einer erheblichen Gefahr für ihr Leben und/oder ihrer körperliche Unversehrtheit aussetzen würden. Darüber hinaus generiere die Offenlegung der Identität die Gefahr, dass sie auch in Folgeeinsätzen permanent der Gefahr ausgesetzt wären, von den Zielpersonen erkannt zu werden. Die VP 292 werde bereits seit mehreren Jahren erfolgreich in der BTM-Szene eingesetzt und verfüge über einen hohen Vertrauensvorschuss. Darüber hinaus sei sie auch mehrmals in Einsätze anderer Bundesländer involviert gewesen und habe sich in allen Fällen durch ihr Verhalten und ihre hohe Zuverlässigkeit ausgezeichnet. Es habe in der Vergangenheit keinerlei Kritik am Einsatzverhalten der Vertrauensperson gegeben. Der Einsatz dieser VP trage wesentlich zur Bekämpfung der Schwerkriminalität bei. Die VP 229 werde seit über 10 Jahren als VP eingesetzt und zeichne sich durch ihre Zuverlässigkeit und vor allem auch durch ihre mittlerweile gesammelte Einsatzerfahrung aus. Sie werde auch regelmäßig für Einsätze im Bundesgebiet angefordert, weil sie bislang ihre Aufgaben zuverlässig erledigt habe und sehr gut zu führen sei. Sie habe sich bei diesem Einsatz an die ihr auferlegten Aufgaben gehalten. Weder im zugrundeliegenden Fall noch in zurückliegenden, ähnlich gelagerten Fällen bzw. in der generellen Zusammenarbeit mit den beiden eingesetzten VPn hätten sich nach dem Bericht des Polizeipräsidiums Oberpfalz Hinweise auf vorwerfbares Verhalten ergeben. Ihre Angaben seien durch die jeweiligen flankierenden Ermittlungsmaßnahmen bestätigt worden. Eine konkrete Gefährdung für die VPen läge zwar noch nicht dergestalt vor, dass sie bereits bedroht oder sogar angegriffen worden wären. Dies sei aber allein dem Umstand geschuldet, dass ihre tatsächliche Identität nicht bekannt sei. Dass die kriminelle Szene, in der sich die VPen und der vorliegende Fall bewegen würden, vor Anschlägen auf das Leben von „Verrätern“ und/oder „anderen missliebigen Personen“ nicht zurückschrecke, sei offenkundig. Der Kläger sei bis zu seiner Festnahme insgesamt 14 Mal kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten, u.a. wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (2 x), vorwiegend jedoch aufgrund der Begehung von Gewaltdelikten. Diese würden sich von Taten gegen das Gewaltschutzgesetz (3 x) über Körperverletzungen (2 x) und Bedrohung (4 x) bis hin zu einer Anzeige wegen des Vergehens der Nötigung erstrecken. Bei Beziehungsstreitigkeiten im Jahre 2014 habe der Kläger mehrmals gegenüber seiner von ihm getrenntlebenden Ehefrau geäußert, dass er sie abstechen werde, wenn sie nicht zu ihm zurückkehren würde. Ihm sei es egal, wenn er ins Gefängnis kommen würde. Im Zusammenhang mit den Trennungsstreitigkeiten habe sich der Kläger die Pulsadern seiner linken Hand geöffnet. Dadurch sei dokumentiert, dass er weder vor Gewalttaten zurückschrecke noch aufgrund begangener Straftaten eine Inhaftierung befürchte. Der Kläger lebe laut den Erkenntnissen des Polizeipräsidiums Oberpfalz in keiner festen Beziehung und verfüge dadurch über keinen bzw. wenig sozialen familiären Halt. Er solle mehrmals in der Woche eine Spielbank besuchen und dabei teilweise hohe Geldbeträge (bis zu 1.000,- EUR) pro Besuch verlieren. Gegenüber einer VP habe er zudem geäußert, dass er eine Vielzahl von Leuten an der Hand habe, von denen er größere Mengen verschiedener Rauschgiftarten beziehen könne. In einem Gespräch mit der VP habe er auf Besucher eines Bistros verwiesen, dabei solle es sich um „seine Leute“ handeln. Des Weiteren habe er seinen Angaben nach auch eine Vielzahl von Abnehmern, welche von ihm Drogen kaufen würden. Es sei aufgrund der Erkenntnisse daher eine nicht einschätzbare Gefährdungslage für Leib oder Leben der eingesetzten VPen gegeben, weil dieser Personenkreis um den Kläger nicht eingrenzbar und deshalb auch die davon ausgehende Gefahrenlage nicht einschätzbar. Im Verlaufe der polizeilichen Ermittlungen sei beim Polizeipräsidium Oberpfalz bekannt worden, dass der Kläger Kontakt zu einer vom Herbst 2008 bis Frühjahr 2010 polizeilichen Zielperson eines russisch-stämmigen Rauschgifthändlerringes gepflegt habe, bei dem die damaligen Beteiligten zum Teil zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden seien. Diese Gruppierung sei zum damaligen Zeitpunkt nachweisbar mindestens bayernweit tätig gewesen und habe ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch den Rauschgifthandel finanziert. Diese Personen befänden sich zwischenzeitlich wieder in Freiheit. Von diesem weitverzweigten Netz müsse eine relevante Gefährdungssituation für die eingesetzten VPen abgeleitet werden, da sich der Kläger in einem ethnischen Umfeld bewege, in dem die Anwendung von Gewalt gegenüber Personen oftmals als probates und generell akzeptiertes Regulativ angesehen werde. Da dem Kläger im Fall einer Verurteilung eine empfindliche Haftstrafe drohe, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die VPen im Falle der Enttarnung durch Freunde oder Familienangehörige des Klägers zur Rechenschaft gezogen würden und dies mit einer unmittelbaren Gefährdung für die Vertrauenspersonen verbunden sei. Selbst bei Anwendung einer weniger einschneidenden strafprozessrechtlich zulässigen Maßnahme, wie etwa dem Ausschluss der Öffentlichkeit und des Angeklagten oder einer audiovisuellen oder kommissarischen Vernehmung, müsse eine Enttarnung der in Frage stehenden Personen befürchtet werden, so dass eine Identitäts-offenlegung bzw. eine Präsentation der Personen als unmittelbare Zeugen nicht möglich sei. Trotz des besonderen Stellenwerts einer unmittelbaren Aussage der in Anspruch genommenen Personen vor Gericht sei zu berücksichtigen, dass dem Gericht auch andere objektive Beweismittel zur Verfügung stünden. Die Beweislage gegen den Kläger werde insbesondere durch Erkenntnisse aus der TK-Überwachung, das im Verlauf des „Vertrauenskaufes“ sichergestellte Kokain sowie die Angaben des eingesetzten nicht offen ermittelnden Polizeibeamten (noeP), der dem Gericht als unmittelbarer Zeuge zur Verfügung stehe, verfestigt. Zudem stehe als Zeuge vom Hörensagen der VP-Führer zur Verfügung. Nach der rechtlich gebotenen Gesamtabwägung sei der Geheimhaltung der Identität Vorrang einzuräumen.
Mit Telefax vom 24. August 2016 durch seinen Bevollmächtigten erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte zunächst:
1. Der Beklagte wird verurteilt die (ggf. abgeschirmte) Vernehmung der Vertrauenspersonen als Zeugen in dem derzeit vor dem Landgericht Regensburg geführten Strafprozess - 5 KLs 127 Js … - durchzuführen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die vollumfängliche Sperrerklärung rechtswidrig sei und den Kläger in seinem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK verletze. Der Kläger habe ein Recht auf Erteilung der Aussagegenehmigung der VPen. Angesichts der Weiterentwicklung des Strafprozessrechts und der Kommunikationstechnik in den letzten Jahren seien Sperrerklärungen, wie in der Rechtsprechung festgestellt, unzulässig, soweit sie sich erstens auf eine vom zuständigen Strafgericht für zulässig und erforderlich gehaltene Zeugenvernehmung einer VP der Polizei beziehen und zweitens durch eine audiovisuelle Vernehmung dieser Person unter Nutzung weiterer strafprozessualer Möglichkeiten des Zeugenschutzes deren Enttarnung verhindert werden könne. Nach der Rechtsprechung des EGMR dürften sich dementsprechend Gerichte nicht mehr mit einer vollständigen Sperrung zufrieden geben. Die Befragung der VPen sei vorliegend auch von essentieller Bedeutung. Werde nämlich eine Verurteilung allein oder maßgeblich auf die Erkenntnisse von VPen gestützt, spiele es nach der Rechtsprechung des EMGR eine entscheidende Rolle, ob und wie die Gewährsperson von der Verteidigung befragt werden konnte. Die Verteidigungsrechte seien nur gewahrt, wenn die Verteidigung eine angemessene und geeignete Gelegenheit erhalte, die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson überhaupt in Frage zu stellen und sie zu befragen. Bekundungen, die auf eine in der Hauptverhandlung nicht gehörten VP zurückgingen, genügten in der Regel gerade nicht für eine tragfähige Verurteilung, wenn sie nicht durch andere, nach der Überzeugung des Gerichts wichtige Gesichtspunkte bestätigt würden. Die Sperrerklärung werde den hieran zu stellenden Anforderungen nicht gerecht. Sie erschöpfe sich primär in Allgemeinplätzen. Es seien nicht ansatzweise werthaltige Informationen über die VPen zur Beurteilung deren Glaubwürdigkeit vorhanden, auf deren Aussagen indes der Großteil der Anschuldigungen fuße. Insbesondere die evtl. Motivation für belastende Angaben gegenüber dem Kläger bleibe völlig im Dunkeln. In wesentlichen Teilen berufe sich die Sperrerklärung allein auf allgemeine polizeiliche Erkenntnisse, ohne dabei den Bezug zum konkreten Verfahren herzustellen. Konkrete, angeblich regelmäßig vorhandene Hintermänner würden nicht präsentiert oder seien nicht ersichtlich. Vermeintliche Äußerungen des Klägers im Rahmen von emotionalen Beziehungsstreitigkeiten würden ihm als generelle Gewaltbereitschaft ohne Rücksicht auf Verluste ausgelegt. Weil man nicht alle seine Freunde und Bekannte kenne, werde dem Kläger quasi pauschal unterstellt, könne auch eine Gefahr von diesen evtl. vorhandenen Personen nicht ausgeschlossen werden, weshalb die VPen um Leib und Leben fürchten müssten. Es handele sich augenscheinlich um einen Zirkelschluss, weil dem Angeklagten die effektive Verteidigung gegen einen Vorwurf genau mit den Umständen, die dieser Vorwurf angeblich mit sich bringe, verwehrt werde. So werde dem Kläger vorverurteilend unterstellt, mit großen Mengen Rauschgift Handel zu treiben, während sämtliche zur Begründung einer Gefährdung angeführte Erkenntnisse sich auf eben jene Personen bezögen, die dem Rauschgifthandel nachgingen, was gerade in Frage stehe. In Bezug auf die Gefahr einer Enttarnung bei (verfremdeter) audiovisueller Vernehmung sei der Vortrag so allgemein gehalten, dass diese Begründung immer dazu führen würde, eine audiovisuelle Vernehmung als milderes Mittel auszuschließen, wovon die Rechtsprechung jedoch nicht ausgehe.
Mit Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 22. September 2016 wurde das Strafverfahren bis zur Entscheidung des vorliegenden Verwaltungsstreitverfahrens analog § 205 StPO vorläufig eingestellt.
Mit Schreiben des StMIBV vom 26. September 2016 gegenüber dem Landgericht Regensburg teilte der Beklagte mit, dass nach nochmaliger intensiver Prüfung der vorgetragenen Aspekte sowie der Sach- und Rechtslage eine Vernehmung der VPen im Wege einer audiovisuellen Vernehmung unter optischer und akustischer Verfremdung ausnahmsweise unter folgenden Bedingungen vertretbar sei und einer solchen zugestimmt werde:
a) „Die Durchführung der Vernehmung erfolgt an einem geheim gehaltenen Vernehmungsort, wobei die technische Übertragung der Vernehmung in das Gerichtsgebäude von einer Örtlichkeit aus erfolgt, die vom Polizeipräsidium Oberpfalz bestimmt wird. Das Gerichtsgebäude scheidet aufgrund der damit verbundenen Enttarnungsgefahr als Vernehmungsörtlichkeit aus.
b) Die Personengleichheit der eingesetzten VPen wird während der Vernehmung durch den verantwortlichen Führungsbeamten (VP-Führer) des Polizeipräsidiums Oberpfalz, oder im Verhinderungsfalle durch einen Vertreter, bestätigt.
c) Die Befragung der Vertrauenspersonen erfolgt in Anwesenheit des oben genannten Führungsbeamten. Im Verhinderungsfalle wird ein Vertreter entsandt.
d) Die Vernehmungsperson verweigert Angaben zur tatsächlichen Identität im Rahmen ihrer eingeschränkten Aussagegenehmigung.
e) Das Polizeipräsidium Oberpfalz wird für die VPen eine eingeschränkte Aussagegenehmigung erteilen. Das Gericht trägt dafür Sorge, dass Fragen der Verfahrensbeteiligten an die VPen auf das gegenständliche Verfahren beschränkt und keine Fragen an die VP zu einsatz- und kriminaltaktischen Aspekten gestellt werden.
f) Die Übertragung der visuellen und akustischen Daten wird so hinreichend optisch und akustisch verfremdet, dass eine Identifikation der VPen sicher ausgeschlossen werden kann. Die Beurteilung, wann eine hinreichende optische und akustische Verfremdung vorliegt, obliegt dem Polizeipräsidium Oberpfalz.
g) Um eine spätere technische Bearbeitung der Aufzeichnung bzw. eine sonstige missbräuchliche Verwendung sicher zu verhindern, findet eine Aufzeichnung der Vernehmung nicht statt.
h) Das Bayer. Landeskriminalamt stellt für die Durchführung der audiovisuellen Vernehmung der VPen unter hinreichender Verfremdung die dafür notwendige technische Ausstattung auf Seiten der Polizei zur Verfügung. Die technischen Voraussetzungen zum Empfang der Daten sind durch das Landgericht Regensburg zu gewährleisten. Die Übertragung der Daten wird unter Betreuung durch das Polizeipräsidium Oberpfalz und technischer Unterstützung durch das Bayer. Landeskriminalamt vorgenommen.
i) Um das Risiko einer Enttarnung auch bei optimaler Umsetzung der Verfremdung weiter zu minimieren, erfolgt seitens des Gerichts der Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 172 GVG), wobei ggf. einem polizeilichen Prozessbeobachter der Zutritt zum Gerichtssaal gestattet werden (§ 175 GVG) kann.“
Die mit Schreiben vom 27. Juli 2016 erlassene Sperrerklärung wäre hiermit entsprechend modifiziert. Die Enttarnung der VPen müsse aufgrund der vorhandenen Gefährdungslage sowie der Notwendigkeit der weiteren polizeilichen Verwendungen verlässlich vermieden werden, so dass die genannten Bedingungen für die audiovisuelle Vernehmung zwingend erforderlich seien.
Auf richterliche Nachfrage vom 10. Oktober 2016, ob klägerseits die Hauptsache für erledigt erklärt würde, teilte der Kläger mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2016 mit, dass die Hauptsache nicht für erledigt erklärt werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Vorgaben nicht ausreichten, um eine Erledigung zu erklären. Im welchem Maße die optische und akustische Verfremdung der VPen erfolgen solle, ob dieses überhaupt noch eine verwertbare oder für die Verteidigung hinreichend brauchbare Vernehmung ergeben werde, sei vollkommen offen. Die Art und Weise, wie die Vernehmung durchgeführt werden solle, sei unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten „vollkommen inakzeptabel“. Die Zielrichtung der Verteidigung, durch Befragung dieser Personen eine dem Konfrontationsrecht entsprechende Verteidigung zu führen, werde damit in wesentlichen Teilen unterlaufen. Die Verteidigung solle offensichtlich sehenden Auges eine Vernehmung akzeptieren, bei der keinerlei Stimmschwankung, keiner Unruhe oder Aufregung, keinerlei optische Bewegung bei den Fragen, die gestellt werden und die sich ergeben, feststellbar sei. Darüber hinaus sollten durch die zwingend gewünschte Anwesenheit des VP-Führungsbeamten die Vernehmungspersonen offensichtlich permanent „gecoacht“ werden. Was mit der Frage der Verfahrensbeteiligten an die Vertrauenspersonen, beschränkt auf das „gegenständliche Verfahren“ gemeint sei, sei vollkommen offen.
In der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2015 ergänzte der Klägerbevollmächtigte das bisherige Vorbringen dahingehend, dass die Identität der VPen insoweit nicht schutzwürdig sei, als Anhaltpunkte dafür bestünden, eine VP sei weiterhin in Nittendorf eingesetzt und der Kläger, der sich im gleichen Umfeld aufhalte, diesen kennen würde. Ein entsprechender Beweisantrag wurde gerichtlicherseits abgelehnt.
Der Kläger hat sodann beantragt,
Der Beklagte wird verpflichtet, der uneingeschränkten Vernehmung der Vertrauenspersonen als Zeugen in dem derzeit vor dem Landgericht Regensburg geführten Strafprozess - 5 KLs 127 Js … -zuzustimmen.
Hinsichtlich der Zustimmung des Beklagten zu einer eingeschränkten Vernehmung der VPen wurde das Verfahren für teilweise erledigt erklärt.
Die Beklagtenvertreter stimmten der teilweisen Erledigungserklärung zu und beantragten im Übrigen:
Die Klage wird abgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Soweit das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, nachdem die Beklagte die ursprünglich vollumfängliche Sperrklärung abgeändert und einer Zeugeneinvernahme der VPen unter bestimmten, näher bezeichneten Bedingungen zugestimmt hat, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
Verfahrensgegenständlich ist damit (nur) die eingeschränkte Sperrerklärung in der Fassung des Schreibens des Beklagten vom 26. September 2016. Die hiergegen gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Für einen Streit um die Rechtmäßigkeit einer Sperrerklärung nach § 96 StPO ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO eröffnet (nunmehr einhellige Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage 2007, § 96 - Rn 14; BVerwG, U.v. 19.8.1986, 1 C 7/85 - juris - Rn. 39). Bei einer Sperrerklärung handelt es sich um eine interne Weisung der obersten Dienstbehörde an die aktenführende Behörde und keinen Verwaltungsakt (HessVGH, B.v. 3.6.2013, 8 B 1001/13 - juris - Rn. 19, offengelassen noch BVerwG, a.a.O. - Rn. 42 ff.). Somit stellt eine Leistungsklage die statthafte Klageart dar und ist das nach Änderung des Klageantrags formulierte Begehren, dass der Beklagte verpflichtet werde, der uneingeschränkten Vernehmung der genannten VPen zuzustimmen, zulässig.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Sperrerklärung vom 26. September 2016 mit den dort dargestellten Bedingungen für eine Zeugeneinvernahme der beiden VPen, insbesondere hinsichtlich akustischer und optischer Verfremdung, ist rechtmäßig und begegnet auch vor dem Hintergrund von Art. 6 EMRK keinen Bedenken. Sie hält sich im Rahmen der von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgezeigten Vorgaben.
Wann im Einzelfall die Versagung einer Auskunft und eine dadurch ausgelöste Beeinträchtigung der Beweiserhebung rechtsstaatlich nicht zu beanstanden ist, lässt sich nicht abstrakt festlegen (BVerfG, B.v. 26.5.1981, 2 BvR 215/81 - juris - Rn. 80). Für die Rechtmäßigkeit einer Sperrerklärung kommt es darauf an, ob Gründe geltend gemacht und im Rahmen des Möglichen belegt sind, die die Feststellung zulassen, dass die Verweigerung der Aktenvorlage aus in einem § 96 StPO aufgeführten Hinderungsgrund unumgänglich ist. Hierbei ist erforderlich und ausreichend, dass die oberste Dienstbehörde ihre Wertung der Tatsachen als geheimhaltungspflichtig so einleuchtend darlegt, dass das Gericht diese Wertung unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange noch als triftig anerkennen kann (BVerwG, a.a.O. juris Leits. 3). Die Erklärung der obersten Dienstbehörde kann dabei durch die Verwaltungsgerichte nur beschränkt überprüft werden, weil der Inhalt der von der Sperrerklärung betroffenen Akten unbekannt ist und deshalb nicht anhand dieser Akten festgestellt kann, ob die von der Behörde geltend gemachten Gründe die Zurückhaltung der Akten rechtfertigen (BVerwG, a.a.O., Rn. 58). Überprüft werden kann nur, ob die Sperrerklärung formell ordnungsgemäß zustande gekommen ist, ob die oberste Dienstbehörde ihrer Entscheidung einen zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt und alle nach diesem Maßstab erkennbar erheblichen Umstände bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat, und ob die Sperrerklärung auch im Übrigen angesichts der bekannten Umstände des Einzelfalls nach ihrem Inhalt und ihrem Erklärungswert den Anforderungen des § 96 StPO genügt (BVerwG, a.a.O., Rn. 58).
Die für diese Prüfung maßgeblichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG a.a.O.) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG a.a.O.) weitgehend geklärt (s. a. HessVGH B.v. 29.5.2013, 8 B 1905/13 - juris - und OVG Lüneburg B.v. 4.4.2000, 11 M 1239/00 - juris). Danach bedarf es einer sorgfältigen Abwägung der im Spannungsfeld stehenden Rechtsgüter und einer entsprechenden Würdigung des gesamten Sachverhalts. Besonders zu berücksichtigten sind dabei einerseits die Schwere der zur Aburteilung anstehenden Straftat und das Ausmaß der dem Beschuldigten drohenden Nachteile sowie das Gewicht der einer bestmöglichen Aufklärung entgegenstehenden Umstände, insbesondere der Schutz der VPen vor Gefahren für Leib und Leben, die Geheimhaltung der polizeilichen Arbeitsweise sowie der Umstand, dass im Fall der Offenlegung ihrer Identität von dieser VPen zukünftig keine entsprechenden Hinweise mehr erfolgen werden und die Gewinnung weiterer Vertrauenspersonen erschwert wird (BVerfG a.a.O., BVerwG a.a.O., HessVGH a.a.O.).
Eine Offenlegung der Identitäten der VPen aus den in der Sperrerklärung - für das Gericht überzeugend - dargelegten Gründen kommt somit nicht in Betracht (vgl. auch HessVGH B.v. 3.6.2013, 8 B 1001/13 - juris Rn 27). Dies ergibt sich einerseits aus der kriminalpolizeilichen Notwendigkeit des Einsatzes von VPen im Bereich der Bekämpfung der erheblich sozialschädlichen Betäubungsmitteldelikte an sich verbunden mit der entsprechenden Zusage den VPen gegenüber im Vorfeld und der Gefahr des Ausbleibens zukünftigter VPen, falls diese eine Offenlegung ihrer Identität im Nachgang befürchten müssen (vgl. BVerfG, B.v. 8.10.2009, 2 BvR 547/08, juris Rn 23,25; VGH Ba-Wü, B.v. 28.8.2012, 1 S 1517/12, juris - Rn 4f.; OVG NRW, B.v. 19.11.2014, 5 B 1276/14 - juris Rn 11). Die Geheimhaltungsbedürftigkeit gründet sich zudem im konkret erforderlichen Schutz der eingesetzten - und sich nach Angaben der Beklagten bewährten - VPen für ihre weitere Verwendung als VPen ebenso wie zu deren Schutz vor Gefahren für Leib und Leben. Entgegen der klägerischen Auffassung bedarf es keiner über das erfolgte Maß hinausgehender konkreter Anhaltpunkte für die Gefährdung der VPen. Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass er die VPen kennen müsse, da er sie nach den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen getroffen hätte, bedeutet dies nicht, dass er den Namen oder Wohnort der Personen kennt oder auch nur ein näheres Bild von Ihnen hat. Das hat der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
Dieser gebotenen Geheimhaltungsbedürftigkeit der konkreten Identitäten der VPen wird gerade durch die - nunmehr nur noch - eingeschränkte Sperrerklärung mit einer angemessenen Konkordanz mit den strafrechtlichen Verfahrensrechten des Klägers, insbesondere dem Konfrontationsrecht, Rechnung getragen (vgl. auch BGH, B.v. 7.3.2007, 1 StR 646/06, juris - Rn. 8). Die audiovisuelle Vernehmung führt als gangbare Alternative zur vollständigen Sperrung des Zeugen zu einer sinnvollen Konkordanz zwischen Wahrheitsermittlung, Verteidigungsinteressen und Zeugenschutz (BGH a.a.O.).
Unter den vorgegebenen eingeschränkten Bedingungen der Zeugeneinvernahme ist die Befragung der VPen durch den Verteidiger und sogar den Kläger, der nach dem Schreiben des StMIBV vom 26. September 2016 anwesend sein darf, durchaus möglich. Die eingeschränkte Sperrerklärung ist daher auch mit Blick auf Art. 6 EMRK und dem strafprozessualen Konfrontationsrecht nicht zu beanstanden (vgl. auch HessVGH, B.v. 29.5.2013, 8 B 1005/13 u.a., juris - Rn. 23 a.E und OVG Lüneburg B.v. 4.4.2000, 11 M 1239/00, Rn. 9).
Im Rahmen der gebotenen Abwägung ist zwar von Bedeutung, dass dem Kläger eine erhebliche Straftat nach der vom Gericht beigezogenen Anklageschrift mit einem von der Staatsanwaltschaft erwarteten Strafmaß von über 4 Jahren zur Last gelegt wird. Nach Angaben des StMIBV stehen jedoch weitere objektive Beweismittel wie z.B. Erkenntnisse aus der TK-Überwachung, das sichergestellte Kokain, Angaben eines eingesetzten noeP als unmittelbarer Zeuge und der VP-Führer als Zeuge vom Hörensagen zur Verfügung.
Die erhobenen Einwände gegen die weiteren vom Beklagten formulierten Bedingungen der Zeugeneinvernahme, die im Wesentlichen den Auflagen des Hess.VGH in seiner Entscheidung vom 29. Mai 2013 entsprechen, sind im Übrigen nicht überzeugend. Insbesondere bestehen keinerlei Bedenken gegen die Anwesenheit eines Führungsbeamten bei der Zeugeneinvernahme. Schließlich gibt die StPO Zeugen die Möglichkeit eines Zeugenbeistands.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154, 155 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Soweit die ursprünglich vollumfängliche Sperrerklärung vom Beklagten geändert wurde, hätte der Kläger im Verfahren voraussichtlich obsiegt, so dass es billigem Ermessen entspräche, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Im Übrigen, weit überwiegenden Teil, unterliegt der Kläger jedoch. Mangels Teilbarkeit des vorliegenden Streitwerts ist es im Rahmen der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung daher angemessen, die Kosten insgesamt gegeneinander aufzuheben.