Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt, – unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 2. November 2017 in den Ziffern 1.,3.,4.,5. und 6. – diese zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass hinsichtlich der Abschiebung nach Nigeria zu Gunsten des Klägers Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorliegen.

Der am 14. April 1983 geborene Kläger, ein nigerianischer Staatsbürger vom Volk der Edo und christlicher Religionszugehörigkeit, reiste am … Dezember 2015 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein.

Gegenüber den mobilen Einheiten der Beklagten vor Ort nannte sich der Kläger am 1. Februar 2016 „… …“. Er wurde unter diesem Namen und als mit der ebenfalls eingereisten „… …“ verheiratet in die Datenbank aufgenommen. Am selben Tag ergaben sich für „… …“ und „… …“ Eurodac-Treffer der Kategorie 2 für Italien.

Am 25. April 2016 stellte der Kläger einen Asylantrag und nannte sich hierbei erneut „… …“, geboren am *. Dezember 1995. Bei dem persönlichen Gespräch gab der Kläger unter anderem an, dass die Reise von Nigeria nach Deutschland ein Jahr gedauert habe.

Am … April 2016 ergab eine Antragsauskunft des Bundesverwaltungsamtes … an die Beklagte, dass der Kläger unter dem Namen „… …“, ausgewiesen durch einen Reisepass, gültig vom 18. Januar 2011 bis zum 17. Januar 2016, einen Antrag auf Erteilung eines Visums gestellt hatte.

Am … April 2016 gab … … bei dem persönlichen Gespräch unter anderem an, dass die Reise von Nigeria nach Deutschland drei Monate gedauert habe.

Am … Juni 2016 brachte … … die Tochter … … … im Bundesgebiet zur Welt.

Mit Bescheid vom 19. August 2016 ordnete die Beklagte unter anderem die Abschiebung des Klägers im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin-III-Verordnung nach Italien an.

Am 31. Oktober 2016 ordnete das bayerische Verwaltungsgericht München wegen der Geburt des Kindes … … … die aufschiebende Wirkung der Klage der … … gegen die Abschiebungsanordnung nach Italien im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin-III-Verordnung an (M 26 S 16.50656). Mit Beschluss vom 10. November 2016 ordnete das bayerische Verwaltungsgericht München sodann wegen der Geburt des Kindes … … … die aufschiebende Wirkung des Klägers gegen die Abschiebungsanordnung nach Italien im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin-III-Verordnung an (M 26 S 16.50658).

Am 16. Dezember 2016 erkannte der Kläger die Vaterschaft des Kindes … … … an.

Mit Beschluss vom 21. April 2017 hob das bayerische Verwaltungsgericht München den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2016 auf (M 26 K 16.50657).

Bei der persönlichen Anhörung am *. August 2017 erklärte der Kläger auf die Frage, ob er Personalpapiere, wie zum Beispiel einen Pass, Passersatz oder einen Personalausweis besessen habe, dass er keine Personalpapiere habe, weil er weggelaufen sei. Seine Adoptivmutter habe einen Reisepass für ihn beantragt, den er allerdings nie erhalten habe. Er stamme aus … … in … … Auf die Bitte der Beklagten, zu erklären, wie es sein könne, dass er Christ sei, aber … … heiße, erklärte der Kläger, dass er viele Namen habe. Sie hätten ihn mal „Mohammed“ genannt, dann wieder „…“. Seine Adoptivmutter habe ihm den Namen „… …“ gegeben. Auf die Frage, was sein richtiger Name sei, antwortete er „… …“. Auf den Vorhalt des Eurodac-Treffers und die Frage hin, warum er einen anderen Namen angegeben habe, antwortete er, dass dies der Name seines biologischen Vaters sei. Auf die Frage, wo sein Reisepass sei, antwortete er, dass sein Adoptivvater ihm alles weggenommen habe. Darüber hinaus trug der Kläger – unter anderem – Folgendes vor: Er habe Drogen auf der Straße verkaufen sollen. Die Adoptiveltern wären mit einem anderen Mann in einen Streit um Geld geraten. Die Adoptiveltern hätten dann vom Kläger und anderen Adoptierten verlangt, dass diese den Gegner hätten ermorden sollen. Da der Kläger und eine andere Person dies nicht hätten machen wollen, seien die anderen Adoptierten auf die beiden angesetzt worden, um diese zu ermorden. Der Kläger sei dann zu seiner Freundin gegangen und habe dort erfahren, dass diese beschnitten werden solle, was er verurteilt habe. Zusammen mit seiner Frau sei er dann mit der Hilfe eines Freundes aus Nigeria ausgereist. Auf Nachfrage erklärte der Kläger, dass der Gegner der Geschäftspartner seines Adoptivvaters gewesen sei. Den Namen oder die Adresse der Person kenne der Kläger nicht, der Adoptivvater habe dem Kläger dies nicht mitgeteilt. In der Niederschrift ist vermerkt, dass der Kläger eine ärztliche Bescheinigung vorlegte, aus der hervorgeht, dass … … bereits beschnitten ist. Der Kläger behauptete zudem, dass er eine Operation am Herzen haben werde. Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin auf, ärztliche Bescheinigungen über seinen Gesundheitszustand bis zum 31. August 2017 nachzureichen.

Mit Schreiben vom 13. September 2017 teilte der Kläger nach Fristverlängerung der Beklagten mit, dass er keine besonderen Angaben zu seinem Gesundheitszustand machen könne, da bisher nicht habe festgestellt werden können, woher seine Beschwerden stammten.

Mit angegriffenem Bescheid vom 2. November 2017 traf die Beklagte folgende Regelungen:

„1. Der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.

2. Der Antrag auf Asylanerkennung wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.

3. Der Antrag auf subsidiären Schutz wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.

4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes liegen nicht vor.

5. Der Antragsteller wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, wird er nach Nigeria abgeschoben. Der Antragsteller kann auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist.

6. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wird auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.“

Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass der Sachvortrag des Klägers unsubstantiiert und widersprüchlich gewesen sei. Der Kläger habe angegeben, Nigeria wegen der Weigerung eines Mordauftrages verlassen zu haben, jedoch weder den Namen noch die Adresse des Opfers gekannt zu haben (wird ausgeführt). Außerdem habe der Kläger über seine Identität getäuscht (wird ausgeführt). Überdies bestehe eine inländische Fluchtalternative (wird ausgeführt). Weitere Gefährdung- und Bedrohungslagen existierten nicht (wird ausgeführt). Abschiebungsverbote lägen nicht vor (wird ausgeführt).

Am 9. November 2017 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Asylklage erheben mit dem Antrag,

unter Aufhebung der Ziffern 1., 3., 4., 5. und 6 des Bescheides der Beklagten vom 2. November 2017 diese zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass hinsichtlich der Abschiebung nach Nigeria Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Daneben beantragte er,

dass die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet wird (M 27 S 17.49211).

Mit Schriftsatz vom 13. November 2017 teilte die Bevollmächtigte mit, dass der Kläger ihm gegenüber angegeben habe, dass seine Adoptiveltern ihm verschiedene Namen gegeben hätten. Sein Rufname laute … … Der Kläger wisse aber auch, dass ihm sein Adoptivvater weitere Namen zu kriminellen Zwecken gegeben hätte. Der Adoptivvater habe ihn beim Drogenverkauf eingesetzt. Je nachdem, in welcher Rolle er aufgetreten sei, habe er ihm einen anderen Namen gegeben, damit Behörden oder Konkurrenten ihn nicht so leicht auffinden würden. Der Kläger habe dem Bevollmächtigten versichert, dass er die deutschen Behörden in keiner Weise über seine Identität habe täuschen wollen. Auch sei es ihm nicht darum gegangen, bessere Erfolgsaussichten im Asylverfahren zu erhalten. Dies werde dadurch unterlegt, dass die Ehefrau … … heiße.

Am 15. November 2017 stellte das Verwaltungsgericht dem Kläger die Behördenakten zur Verfügung.

Mit Schriftsatz vom 20. November 2017 führte der Bevollmächtigte Folgendes aus: Der Kläger habe aus freien Stücken mitgeteilt, dass er verschiedene Namen habe. Hieraus werde deutlich, dass der Kläger nicht über seine Identität habe täuschen wollen. Die Adoptiveltern hätten in dem Reisepass den Namen … … angegeben. Dies sei nicht korrekt gewesen. Da seiner Verlobten … … die Beschneidung gedroht habe, habe sich das Paar zur Flucht entschlossen. Bei der Flucht habe der Kläger den Reisepass nicht bei sich gehabt, weil der Adoptivvater ihn verwahrt habe. Nach der Schließung der Flüchtlingsunterkunft in Italien habe er bei einem Nigerianer gelebt, der ihm behilflich habe sein wollen, einen Reisepass zu organisieren auf der Basis des Reisepasses, den der Adoptivvater habe ausstellen lassen. Wegen der am 10. Juni 2016 geborenen Tochter des Klägers bestünden Abschiebungsverbote. Eine Abschiebung des Klägers allein ohne seine Familie würde gegen den Schutz der Ehe und Familie verstoßen. Er könne nicht darauf verwiesen werden, die familiäre Einheit durch eine gemeinsame Ausreise zu wahren. Dies würde verkennen, dass das Asylverfahren der Ehefrau noch nicht abgeschlossen sei. Die Eltern könnten in Nigeria ihre Tochter vor Beschneidung nicht schützen. Beigefügt waren ein Auszug des Geburtenregisters des Kindes … … …, Tochter des … … (Identität nicht nachgewiesen) sowie der … … (Identität nicht nachgewiesen) sowie die Anerkennung der Vaterschaft des … … (Identität nicht nachgewiesen) für das Kind … … … Am 23. November 2017 wurden die Gerichtsakte (M 26 S …) sowie die Behördenakten von … … (Az. …) beigezogen.

Am 27. November wurde die Hauptsache auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Beschluss vom 29. November 2017 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab (M 27 S 17.49211).

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2017 bat das Verwaltungsgericht den Kläger um die Vorlage der in der Behördenakte erwähnten ärztlichen Bescheinigung über die Beschneidung von … … Mit Telefax vom 13. Dezember 2017 legte die Bevollmächtigte die erbetene ärztliche Bescheinigung vor, wonach … … bereits als Kind beschnitten wurde. Dazu führte die Bevollmächtigte Folgendes aus: In Nigeria würden Beschneidungen an jungen Mädchen beziehungsweise Frauen bis zu drei Mal vorgenommen werden, jedes Mal würde mehr weggeschnitten werden, je nach Zielsetzung der Beschneidung. In Nigeria herrsche die Vorstellung, dass eine unbeschnittene Frau ständig Lust auf Sex habe und dass ein einzelner Mann nicht in der Lage sei, eine ungeschnittene Frau zu befriedigen. Eine junge Frau sei spätestens bei der Heirat den Fängen der Familie des Bräutigams ausgeliefert. Möchten Eltern eine Tochter vor der Beschneidung bewahren, so bedeute dies, dass sie sie niemals aus dem Blick lassen dürften. Beschneidungen würden durchgeführt, ohne dass die Einwilligung der Eltern eingeholt werde. Wenn klar werde, dass die Eltern nicht zustimmen würden, würden Beschneidungen von den übrigen Familienmitgliedern der Großfamilie oder den Dorfältesten durchgeführt, sobald sich die Möglichkeit ergebe. Selbst im Krankenhaus würden bei notwendigen Operationen Beschneidungen gleichzeitig erledigt, ohne dass die Eltern informiert würden. Unbeschnittene Frauen würden zudem häufiger Opfer von Vergewaltigungen, da ihnen unterstellt werde, unersättlich zu sein und der Prostitution nachzugehen.

Am 12. Januar 2018 fand die mündliche Verhandlung statt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte im Eilverfahren sowie die beigezogenen Gerichtsakte M 26 S 16. … sowie die beigezogenen Behördenakten (Az. …- …*) Bezug genommen.

Gründe

1. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2018 trotz Ausbleibens der Beklagtenseite entschieden werden. Denn das Verwaltungsgericht hat mit der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen, dass es auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandeln und entscheiden kann.

2. Die zulässige Klage gegen die Entscheidung über den Asylantrag ist offensichtlich unbegründet.

a) Die Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet setzt voraus, dass in dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt. Da dem Asylgesetz ein einheitlicher Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit zugrunde liegt, ist die Bestimmung des § 30 AsylG grundsätzlich auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren maßgeblich.

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht nach § 113 Abs. 1 und 5 VwGO in seinen Rechten. Der Kläger hat in dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die gemäß § 34 AsylG in Verbindung mit § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG sind ebenfalls nicht zu beanstanden.

aa) Das Verwaltungsgericht folgt insgesamt den Feststellungen und der Begründung in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten und sieht zu der Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung gemäß § 77 Abs. 2 AsylG ab.

bb) Überdies verweist das Verwaltungsgericht entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO auf die Entscheidungsgründe in dem Beschluss vom 29. November 2017 (M 27 S 17.49211). Darin hatte dieses – unter anderem – Folgendes ausgeführt:

Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 Asylgesetz sei ein unbegründeter Asylantrag unter anderem dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn das Vorbringen des Ausländers in wesentlichen Punkten nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich sei oder offenkundig den Tatsachen nicht entspreche.

So liege der Fall hier. Der Sachvortrag des Klägers gegenüber der Beklagten sei äußerst vage, detailarm, in wesentlichen Teilen unplausibel und in maßgeblichen Punkten auch widersprüchlich und daher unglaubwürdig. Er zeichne sich aus durch das maßgebliche Fehlen von konkreten Angaben zu Namen und Beschreibungen von Personen und Institutionen, Zeiten und Orten sowie Motiven und Hintergründen. Dazu habe der Kläger vorgetragen, dass er das Land verlassen habe, weil der namentlich nicht genannte und auch anderweitig nicht näher konkretisierte Adoptivvater ihn mit einem Mord beauftragt haben soll, dass er aber das Mordopfer weder mit Namen noch mit Adresse gekannt habe. Dies sei gänzlich unplausibel. Nicht eindeutig seien auch die Einlassungen zu der Verbindung zu … …, teils werde sie als Freundin, teils als Verlobte oder teils als Ehegattin bezeichnet, ohne dass eine Eheschließung erwähnt oder näher konkretisiert worden sei. Außerdem habe der Kläger angegeben, dass namentlich nicht genannte und auch anderweitig nicht näher konkretisierte Personen die erwachsene … … mit Beschneidung bedroht hätten. Laut dem Vermerk in der persönlichen Anhörung habe der Kläger eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt, wonach … … bereits beschnitten sei. Diesen Widerspruch habe er nicht aufgelöst. Zu Beginn der persönlichen Anhörung habe er vorgetragen, dass seine Adoptivmutter einen Reisepass für ihn beantragt habe, den er allerdings nie erhalten habe. Später habe er angegeben, dass sein Adoptivvater ihm alles weggenommen habe. Auch diesen Widerspruch habe er nicht aufgelöst. Zu Beginn der persönlichen Anhörung habe er angegeben, den Namen seiner Eltern nicht zu kennen. Im Fortlauf der persönlichen Anhörung habe er jedoch mit seinem wahren Namen konfrontiert angegeben, dass der Nachname seines biologischen Vaters Mohammed sei. Auch diesen Widerspruch habe er nicht aufgelöst. Gegen Ende der persönlichen Anhörung habe er angegeben, dass er sich einer Operation am Herzen unterziehen müsse. Er habe aber trotz Aufforderung und Fristverlängerung der Beklagten keine ärztlichen Bescheinigungen beibringen können.

Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 2 Asylgesetz sei ein Asylantrag daneben – selbstständig tragend – als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn ein Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täusche. Es sei dem Ausländer daher zuzumuten, spätestens gegenüber der für die Entscheidung zuständigen Beklagten seine Identität darzulegen oder Angaben hierzu zu machen (vgl. BT-Drs. 12/4450, S. 22). Die Täuschung setze ein vorsätzliches Handeln voraus und könne darin liegen, dass ein Irrtum durch unwahre Behauptungen hervorgerufen oder ein bei der Beklagte bereits bestehender Irrtum aufrechterhalten werde. Sobald die Beklagte auf anderem Wege die Identität und Staatsangehörigkeit eines Asylbewerbers herausgefunden habe, kämen dessen nachträgliche Aufklärungsversuche zu spät (VG Regensburg, B.v. 7.2.2017 – RN 5 S 17.30264 – juris Rn. 18).

So liege der Fall hier. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten einen anderen Vor- und Nachnamen, ein falsches Geburtsdatum und damit falsches Alter – er habe sich um zwölf Jahre jünger gemacht – angeführt als in dem Reisepass. Die Beklagte habe über das Bundesverwaltungsamt in … von dem richtigen Namen und dem richtigen Geburtsdatum des Klägers erfahren. Erst nachträglich auf Nachfragen der Beklagten hat der Kläger eingeräumt, dass sein richtiger Name … … sei. An dieser Einschätzung ändere auch der nachträgliche Sachvortrag vom … November 2017 und vom … November 2017 nichts. Der Vortrag, dass die namentlich nicht genannten und auch anderweitig nicht näher konkretisierten Adoptiveltern für den Kläger einen falschen Reisepass beantragt haben sollen, sei angesichts des Umstandes, dass es sich bei dem am … April 1983 geborenen Kläger um einen erwachsenen Mann handele, dass er selbst den Namen … … als den richtigen Namen bezeichnet habe, dass ein Visumsantrag auf diesen Namen für ihn vorliege und in Anbetracht der übrigen geschilderten widersprüchlichen Angaben nicht tragfähig. Der Umstand, dass die Frau an der Seite des Klägers „… …“ heiße, deute eher darauf hin, dass der Kläger eine zu deren Angaben passende Identität gewählt habe. Dass der Kläger sich auf Ehe und Familie berufen habe, vermöge ernsthafte Zweifel nicht zu begründen. Es gebe keine Pflicht der Beklagten, mehrere antragstellende Personen in einem Bescheid zu verbescheiden, und dementsprechend auch kein entsprechendes Recht hierauf. Es sei eine Prüfung des individuellen Schicksals erforderlich. Gemäß § 43 Abs. 3 AsylG dürfe die Ausländerbehörde zur Wahrung der Familieneinheit die Abschiebung vorübergehend aussetzen, um die gemeinsame Ausreise der Familie zu ermöglichen, wenn Familienangehörige im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG gleichzeitig oder jeweils unverzüglich nach ihrer Einreise einen Asylantrag gestellt hätten.

Auch der Sachvortrag zu der behaupteten drohenden Beschneidung des Kindes … … … vermöge ernsthafte Zweifel an dem angegriffenen Bescheid nicht zu begründen.

Zwar gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass Beschneidungen nach wie vor in Nigeria verbreitet seien, obwohl Präsident … … im Jahr 2015 ein Gesetz gegen Beschneidungspraxis unterzeichnet habe. Aktuell dürften etwa 25 Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 beschnitten sein (vgl. NGO 28toomany, Key Findings, https://www.28toomany.org/country/nigeria/), jedoch mit großen regionalen Differenzen (vgl. AA, Lagebericht v. 21.11.2016, S. 15). In einigen Bundesstaaten sei sie inzwischen unter Strafe gestellt. Insgesamt werde von einem Rückgang der Praxis berichtet. Von maßgeblicher Bedeutung für die Einschätzung der Gefahr von Beschneidungen sei auch die Haltung der Eltern (vgl. VG Augsburg, U.v. 21.6.2017 – Au 7 K 16.31586 – juris Rn. 57).

Im konkreten Fall habe der Kläger bereits nicht substantiiert dargelegt, von wem und aus welchen Gründen dem Kind konkret eine Beschneidung drohen solle. Dazu sei weder substantiiert vorgetragen noch sei anderweitig ersichtlich, aus welchen Gründen es dem Kläger und der Mutter des Kindes nicht gelingen sollte, das Kind einer drohenden Beschneidung zu entziehen, zumal Personen, die dies anstreben sollten, dieses in einer Stadt wie beispielsweise Lagos mit ihren über 18 Millionen Einwohnern kaum finden dürften. Der Kläger könne hierzu auch bei staatlichen Organisationen um Schutz zu bitten (vgl. VG München, U.v. 11.9.2017 – M 21 K 17.41915 – juris Rn. 18). Der Kläger habe unter anderem behauptet, wegen der drohenden Beschneidung der Mutter des Kindes das Land verlassen zu haben. Er habe damit zum Ausdruck gebracht, ebenso wie die Mutter des Kindes selbst gegen Beschneidungen zu sein.

cc) Die Geschehnisse und der Sachvortrag des Klägers seit dem Erlass des Bescheides der Beklagten beziehungsweise seit dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. November 2017 tragen nichts zu einer abweichenden Beurteilung bei.

Dies gilt insbesondere für den Sachvortrag mit Telefax vom 13. Dezember 2017 und in der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2018. Mit dem Vorbringen in dem Telefax vom … Dezember 2017, dass in Nigeria Beschneidungen an jungen Mädchen beziehungsweise Frauen bis zu drei Mal vorgenommen würden, hat der Kläger den Widerspruch zwischen der zunächst behaupteten Gefahr der (erstmaligen) Beschneidung von … … und der zutage getretenen, bereits bestehenden Beschneidung von … … nicht aufgelöst. Die Gefahr einer weiteren Beschneidung ist ein gänzlich anderer Lebenssachverhalt als die behauptete Gefahr einer (erstmaligen) Beschneidung. Die Art und Weise, in der Gründe vorgetragen werden, insbesondere auch der stückchenweise und nachträgliche Sachvortrag zu offenkundig zuvor widersprüchlichem Vortrag, sind ein maßgebender Faktor bei der Beurteilung der Tragfähigkeit und Glaubwürdigkeit von Aussagen. In dem Telefax vom … Dezember 2017 ließ der Kläger noch nicht einmal ausdrücklich vortragen, dass der Grund für das Verlassen des Heimatlandes die behauptete Gefahr einer weiteren Beschneidung ist. Zwar hat der Kläger (dessen Reise nach Deutschland nach eigenen Angaben ein Jahr gedauert haben soll) in der mündlichen Verhandlung erwähnt, dass „man“ … … (deren Reise nach Deutschland nach eigenen Angaben drei Monate gedauert haben soll) erneut habe beschneiden wollen. Damit bleibt weiterhin im Dunkeln, wer, wann, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen in Nigeria konkret eine solche Beschneidung gewollt haben soll.

Außerdem wird lediglich behauptet, dass es in Nigeria eine weit verbreitete Tradition der mehrmaligen Beschneidung bis in das Erwachsenenalter hinein gibt. In dem Telefax vom … Dezember 2017 sind diesbezüglich keinerlei Quellen zitiert oder beigefügt. Diese Behauptung steht im Widerspruch zu den Erkenntnissen aus einschlägigen verfügbaren Quellen. Bei 82% der beschnittenen Frauen zwischen 15 und 49 in Nigeria ist die Beschneidung vor dem fünften Lebensjahr erfolgt (vgl. die auf FGM spezialisierte internationale Nichtregierungsorganisation 28toomany – FGM let´s end it, Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, S. 8; https://www.28toomany.org/country/nigeria/).

Zu Beschneidungen gilt insgesamt Folgendes: Der ehemalige Präsident Nigerias … … hat im Jahr 2015 ein Gesetz gegen Beschneidungspraxis unterzeichnet. Dieses Gesetz ist anwendbar auf das Federal Capital Territory von Abuja. Daneben ist die Beschneidung mittlerweile in 13 bundesstaatlichen Untergliederungen („States“) von Nigeria ebenfalls gesetzlich (strafbewehrt) verboten (vgl. die auf FGM spezialisierte internationale Nichtregierungsorganisation 28toomany – FGM let´s end it, Executive Summary, Stand: Oktober 2016, S. 3 sowie Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, Appendix II, S. 68 ff.; https://www.28toomany.org/country/nigeria/). First Lady Aisha Buhari hat im Februar 2016 ein nationales Programm initiiert, um die Praxis innerhalb einer Generation abzuschaffen (vgl. 28toomany – FGM let´s end it, Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, S. 21; https://www.28toomany.org/country/nigeria/). Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass Beschneidungen nach wie vor in Nigeria vorgenommen werden. Aktuell dürften in Nigeria etwa 25 Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 beschnitten sein (vgl. NGO 28toomany – FGM let´s end it, Key Findings („24,8%“), https://www.28toomany.org/country/nigeria/), wenngleich mit regionalen Differenzen (vgl. AA, Lagebericht v. 21.11.2016, S. 15 und 28toomany – FGM let´s end it, Executive Summary, Stand: Oktober 2016, S. 1 https://www.28toomany.org/country/nigeria/). Insgesamt ist jedoch ein merklicher Rückgang der Praxis über die Generationen hinweg festzustellen (vgl. NGO 28toomany – FGM let´s end it, Executive Summary, Stand: Oktober 2016, S. 2 („steady decline in support of FGM“) https://www.28toomany.org/country/nigeria/). Von maßgeblicher Bedeutung für die Einschätzung der Gefahr von Beschneidungen ist hierbei insbesondere die Haltung der Eltern (vgl. VG Augsburg, U.v. 21.6.2017 – Au 7 K 16.31586 – juris Rn. 57 und NGO 28toomany – FGM let´s end it, Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, Conclusions, S. 63). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in … …, dem Heimatstaat des Klägers, Beschneidungen verboten sind (vgl. NGO 28toomany – FGM let´s end it, Executive Summary, Stand: Oktober 2016, S. 3 sowie Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, Appendix II, S. 68 ff.; https://www.28toomany.org/country/nigeria/).

Auch in Bezug auf die Gefahr der Beschneidung des im Bundesgebiet geborenen Kindes … … … gibt der Sachvortrag mit Telefax vom … Dezember 2017 keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Die Beschneidung ist, wie dargestellt, auf Bundesebene in … und mittlerweile in 13 bundesstaatlichen States Nigerias ebenfalls gesetzlich (strafbewehrt) verboten, insbesondere auch in … …, dem Heimatstaat des Klägers (vgl. NGO 28toomany – FGM let´s end it, Executive Summary, Stand: Oktober 2016, S. 3 sowie Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, Appendix II, S. 68 ff.; https://www.28toomany.org/country/nigeria/).

Im konkreten Fall ist die Gefahr, die erforderliche Wahrscheinlichkeit der Gefahr sowie die erforderliche zeitliche Nähe der Realisierung der Gefahr ab Ausreise nicht substantiiert dargelegt.

Der Kläger hat sich in der persönlichen Anhörung gegen Beschneidungen gestellt („ich habe das verurteilt“). Es ist nicht substantiiert dargetan, von wem, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen dem Kind konkret eine Beschneidung drohen soll. Die nachträglich behauptete Gefahr soll von namenlosen und auch anderweitig nicht näher konkretisierten Personen ausgehen. Dazu ist weder substantiiert vorgetragen noch ist anderweitig ersichtlich, aus welchen Gründen es dem Kläger nicht gelingen sollte, wie in der deutlichen Mehrheit der Fälle (75 Prozent) auch, eine solche Beschneidung durch Kundgabe des (Un-)Willens abzuwehren. Der Kläger kann bei staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen um Schutz zu bitten (vgl. VG München, U.v. 11.9.2017 – M 21 K 17.41915 – juris Rn. 18), zumal … …, aus dem der Kläger stammt, sogar zu den Bundesstaaten in Nigeria gehört, in denen die Beschneidung verboten ist (vgl. NGO 28toomany – FGM let´s end it, Executive Summary, Stand: Oktober 2016, S. 3 sowie Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, Appendix II, S. 68 ff.; https://www.28toomany.org/country/nigeria/).

Die Behauptung, dass Beschneidungen ohne die Einwilligung der Eltern stattfinden, findet in den Quellen keine Grundlage. Im Gegenteil kommt in den Quellen die maßgebliche Bedeutung der Haltung der Eltern für die Gefahr der Beschneidung zum Ausdruck (vgl. VG Augsburg, U.v. 21.6.2017 – Au 7 K 16.31586 – juris Rn. 57 und NGO 28toomany – FGM let´s end it, Country in Profile: FGM in Nigeria, Stand: Oktober 2016, Conclusions, S. 63). Die Behauptung, dass unbeschnittene Mädchen Opfer von Vergewaltigungen werden, ist ebenfalls nicht belegt und findet in den Quellen keine Grundlage. Abgesehen davon ist damit auch nicht die erforderliche Wahrscheinlichkeit der Gefahr sowie die erforderliche zeitliche Nähe der Realisierung der Gefahr substantiiert dargelegt.

Im Hinblick auf den Kläger ist auch kein Abschiebungsverbot ersichtlich. Der Kläger ist jung und mangels entgegenstehender ärztlicher Atteste als gesund und arbeitsfähig anzusehen. Der Kläger verfügt über praktische Berufserfahrung. Bei seiner persönlichen Anhörung am *. August 2017 hat der Kläger ausgesagt, dass er seinen Lebensunterhalt als Fahrer (Traktor und Bus) verdient habe. Der Kläger kann augenscheinlich lesen, buchstabieren und zählen. Außerdem hat der Kläger ausgesagt, dass er seine Flucht in Höhe von 700.000 Naira mit seinen Ersparnissen und den Ersparnissen von … … bestritten habe.

Der Kläger stünde auch nicht allein. Er hat in der persönlichen Anhörung angegeben, in Nigeria „viele Freunde“ haben. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf die Frage nach der Kommunikation mit Freunden und Familie in Nigeria zunächst ausweichend und inkohärent geantwortet. Letztendlich hat er ausgesagt, dass er einen Freund habe, der für ihn nach Nigeria telefonieren würde. Daraus geht hervor, dass es für den Kläger in Nigeria Bezugspersonen gibt. Es sind daher keine Gründe ersichtlich, aus denen der Kläger nicht – gegebenenfalls mit Unterstützung dieser Personen in Nigeria sowie gegebenenfalls mit dem Ausreisegeld – für sich sowie … … und das Kind … … eine Existenz aufbauen können soll.

Aus den ehelichen und familiären Banden kann der Kläger unmittelbar kein Abschiebungsverbot herleiten. Zwar verstärkt die mündliche Verhandlung den Eindruck, dass der Kläger eine zu … … passende Identität und Geschichte gewählt hat. Der Kläger hat die Frage nach der Religion von … … nicht beantworten können und gesagt, dass er dies nicht wisse. Das kann aber letztendlich dahingestellt bleiben. Selbst wenn man die ehelichen und familiäre Banden für die Zwecke der Prüfung unterstellt, ergibt sich nichts anderes: Es gibt keine Pflicht der Beklagten, mehrere antragstellende Personen in einem Bescheid zu verbescheiden, und dementsprechend auch kein entsprechendes Recht hierauf. Es ist eine Prüfung des individuellen Schicksals erforderlich. Ein Fall der Asylanerkennung gemäß § 26 Abs. 1 AsylG beziehungsweise der Zuerkennung internationalen Schutzes gemäß § 26 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 5 AsylG liegt in Bezug auf … … und das Kind … … bislang erkennbar nicht vor, wobei hier hinsichtlich des Klägers jeweils auch § 26 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 AsylG zu beachten wäre. § 43 Abs. 3 AsylG stellt sicher, dass die Ausländerbehörde zur Wahrung der Familieneinheit die Abschiebung vorübergehend aussetzen darf, um die gemeinsame Ausreise der Familie zu ermöglichen, wenn Familienangehörige im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG gleichzeitig oder jeweils unverzüglich nach ihrer Einreise einen Asylantrag gestellt haben.

3. Der Kläger trägt als unterliegender Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

5. Das Urteil ist gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG unanfechtbar.

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Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Jan. 2018 - M 27 K 17.49207 zitiert 20 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 117


(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 78 Rechtsmittel


(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 30 Offensichtlich unbegründete Asylanträge


(1) Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. (2) Ein Asylantrag ist

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 26 Familienasyl und internationaler Schutz für Familienangehörige


(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn 1. die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,2. die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Sta

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 43 Vollziehbarkeit und Aussetzung der Abschiebung


(1) War der Ausländer im Besitz eines Aufenthaltstitels, darf eine nach den Vorschriften dieses Gesetzes vollziehbare Abschiebungsandrohung erst vollzogen werden, wenn der Ausländer auch nach § 58 Abs. 2 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes vollziehbar aus

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Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Jan. 2018 - M 27 K 17.49207 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht Regensburg Beschluss, 07. Feb. 2017 - RN 5 S 17.30264

bei uns veröffentlicht am 07.02.2017

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Der Antragsteller begehrt die Gewährung vorl

Verwaltungsgericht München Urteil, 11. Sept. 2017 - M 21 K 17.41915

bei uns veröffentlicht am 11.09.2017

Tenor I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen. II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Tatbestand Die nicht ausgewiesenen Klägerinnen sind nach eigenen Angaben ni

Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Nov. 2016 - M 26 S 16.50658

bei uns veröffentlicht am 10.11.2016

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom ... August 2016 gegen die Nummer 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 19. August 2016 wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Ve

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 21. Juni 2017 - Au 7 K 16.31586

bei uns veröffentlicht am 21.06.2017

Tenor I. Die Klagen werden abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom ... August 2016 gegen die Nummer 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 19. August 2016 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die drohende Überstellung nach Italien im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens.

Der Antragsteller, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste nach eigenen Angaben am ... Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er wurde am ... Februar 2016 mit seiner Ehefrau aufgegriffen. Am selben Tag ergaben sich Eurodac-Treffer, die eine illegale Einreise nach Italien belegten (IT...…, Aufgriffsdatum ...9.2015). Am ... März 2016 stellte die Antragsgegnerin ein Aufnahmeersuchen an Italien, auf das keine Antwort erfolgte. Der Antragsteller und seine Ehefrau stellten am ... April 2016 einen Asylantrag.

Im Rahmen der persönlichen Anhörung des Antragstellers am ... April 2016 (Erstbefragung) gab dieser an, von Nigeria aus über Libyen und Italien nach Deutschland gereist zu sein. Die Reise habe ein Jahr gedauert.

Mit Bescheid vom 19. August 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids), stellte fest, das Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und setzte ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von a... Monaten ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 AufenthG fest (Nr. 4).

Zur Begründung führte es u. a. aus, dass Italien aufgrund der Ersteinreise über die Außengrenze der Mitgliedstaaten für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sowie Gründe zur Annahme von systemischen Mängeln im italienischen Asylverfahren oder der dortigen Aufnahmebedingungen lägen nicht vor. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am ... August 2016 zugestellt.

Am ... August 2016 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Er beantragte die Aufhebung des Bescheids vom 19. August 2016 (M 26 K 16.50657).

Außerdem beantragte er,

die aufschiebende Wirkung der Klage - Anordnung der Abschiebung nach Italien - anzuordnen.

Zur Begründung verwies er auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 4. November 2014. Zur Familie des Klägers gehöre das am ... Juni 2016 geborene Kind A.... Der Antragsteller gehöre mit seinem Kind zum besonders geschützten Personenkreis, für welchen der EGMR als Voraussetzung zur Rückschiebung eine konkrete Unterbringungsmöglichkeit bzw. eine individuelle Garantieerklärung fordere. Letztere gebe Italien aber gegenwärtig nicht mehr ab.

Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2016 übermittelte das Bundesamt für die Antragsgegnerin die Behördenakte. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2016 beantragte es,

den Antrag abzulehnen.

Mit Beschluss vom 31. Oktober 2016 ordnete das Bayerische Verwaltungsgericht München die aufschiebende Wirkung der Klage der Ehefrau gegen die Abschiebungsanordnung in dem zu ihrer Person ergangenen Bescheid vom 19. August 2016 an (M 26 S 16.50656). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diesen Beschluss, auf die Gerichtsakten in dem hier anhängigen Verfahren und im Verfahren M 26 K 16.50657 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 und § 75 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO) hat Erfolg.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen, wobei insbesondere die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu berücksichtigen sind.

Nach der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung sind im vorliegenden Fall die Erfolgsaussichten der vom Antragsteller erhobenen Klage als offen anzusehen. Im Rahmen der sonach noch vom Gericht vorzunehmenden allgemeinen Interessenabwägung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheids vom 19. August 2016. Denn würde der Sofortvollzug in Kraft bleiben und auf dieser Basis eine Abschiebung tatsächlich durchgeführt, käme es trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache rein faktisch wohl zu einem nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten revidierbaren Zustand. Ein solches Vorgehen würde den Grundsätzen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) widersprechen.

Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier derzeit nicht vor.

Zwar ist Italien gemäß Art. 3 Abs. 1, 7 ff., 11 lit. a, 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, so dass der Asylantrag des Antragstellers (derzeit) gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG unzulässig ist. Laut eigenen Angaben und auch nach dem Ergebnis der Eurodac-Abfrage ist der Antragsteller im September 2015 in Italien eingereist. Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen (vgl. dazu weitergehend VG München, B.v. 5.7.2016 - M 1 S 16.50364 - juris Rn. 11). Auch ist gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO von der Stattgabe Italiens hinsichtlich des gemäß Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin III-VO rechtzeitig gestellten Aufnahmegesuchs auszugehen, da hierauf innerhalb der maßgeblichen Zweimonatsfrist des Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO keine Reaktion erfolgte.

Es steht jedoch nicht fest, dass die Abschiebung im Sinne von § 34a Abs. 1 AsylG durchgeführt werden kann. Denn nach Auffassung des Gerichts ist eine Überstellung nach Italien gegenwärtig unzulässig. Der Antragsteller sowie dessen Ehefrau und das im Juni 2016 geborene Kind gehören als Familie mit Kleinkind einer besonders schutzbedürftigen Gruppe an, für die im Zeitpunkt dieser Entscheidung die Voraussetzungen für die Durchführung ihrer Abschiebung nach Italien - gesicherte kindgerechte Unterkunft - nicht vorliegen.

Durch die obergerichtliche Rechtsprechung, der sich dieses Gericht anschließt, ist mittlerweile geklärt, dass In Italien nicht von systemischen Mängeln des Asylverfahrens auszugehen ist (s. BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - NVwZ 2014, 1677 ff.; BayVGH, U.v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris Rn. 30 ff.; OVG NW, U.v. 18.7.2016 - 13 A 1859/14.A - juris Rn. 41 ff., U.v. 7.7.2016 - 13 A 2302/15.A - juris Rn. 41, vgl. auch VG München, B.v. 20.9.2016 - M 8 S 16.50293 - juris). Nichts anderes ergibt sich auch aus der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Nr. 29217/12, Tarakhel - juris). Danach ist jedoch noch einzelfallbezogen zu prüfen, ob ein Asylbewerber zu einer Gruppe besonders schutzbedürftiger Personen gehört. Ist das der Fall, kann durch die Abgabe einer Garantieerklärung hinreichend sichergestellt werden, dass nach einer Abschiebung ausreichender Schutz auch in Italien besteht (vgl. EGMR, U.v. 4.11.2014 a.a.O). Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Beschlüssen vom 17. September 2014 (2 BvR 732/14, 2 BvR 991/14, 2BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris), ausgeführt, dass offen bleiben könne, ob systemische Mängel vorliegen, die deutschen Behörden aber zum Schutz der von der Rückführung betroffenen Kleinkinder geeignete Vorkehrungen zu treffen haben, wenn belastbare Anhaltspunkte für Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer bestehen. Demnach könne die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist.

Der Antragsteller sowie die übrigen Familienmitglieder gehören als Familie mit Kleinkind zu einer Gruppe besonders schutzbedürftiger Personen, die anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland, bei der Rückführung nach Italien regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen können. Da in Bezug auf Italien aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen und des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer bestehen, hat das auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Bundesamt dem angemessen Rechnung zu tragen. Angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls hat es jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit Neugeborenen (vgl. Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO) und Kleinkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden Italiens sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete (Gesundheits-)Gefahren für die in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.

Das Bundesamt hat bisher (möglicherweise mangels Kenntnis über das Neugeborene) eine solche Garantieerklärung Italiens nicht angefordert. Sollten die italienischen Behörden tatsächlich noch eine Garantieerklärung zur Unterbringung des Antragstellers und seiner Familie abgeben, ist es Sache des Bundesamts, eine solche Erklärung (in die deutsche Sprache übersetzt) im Hauptsachverfahren, sofern noch anhängig, vorzulegen und/oder ggf. einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auf Abänderung dieses Beschlusses zu stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG)

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen.

(2) Ein Asylantrag ist insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält.

(3) Ein unbegründeter Asylantrag ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn

1.
in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird,
2.
der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert,
3.
er unter Angabe anderer Personalien einen weiteren Asylantrag oder ein weiteres Asylbegehren anhängig gemacht hat,
4.
er den Asylantrag gestellt hat, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl er zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, einen Asylantrag zu stellen,
5.
er seine Mitwirkungspflichten nach § 13 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 oder § 25 Abs. 1 gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich,
6.
er nach §§ 53, 54 des Aufenthaltsgesetzes vollziehbar ausgewiesen ist oder
7.
er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird oder nach § 14a als gestellt gilt, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind.

(4) Ein Asylantrag ist ferner als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Abs. 2 vorliegen oder wenn das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.

(5) Ein beim Bundesamt gestellter Antrag ist auch dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn es sich nach seinem Inhalt nicht um einen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 handelt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Abschiebungsandrohung.

Am 25. Februar 2013 stellte der Kläger seinen Asylantrag und gab dabei an, ein am ... 1986 geborener sierraleonischer Staatsangehöriger zu sein. Personalpapiere legte er nicht vor.

Der Antragsteller wurde am 1. März 2013 von der Regierung von Oberbayern befragt. Er gab auch hier seine Personalien wie bei der Asylantragstellung an. Die Regierung hielt schriftlich fest, dass und weshalb sie den dringenden Verdacht habe, der Antragsteller sei kein sierraleonischer Staatsangehöriger.

Am 24. September 2014 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Akteneinsicht. Am 26. September 2014 wurde diesem ein Ausdruck der elektronischen Akte zugeleitet.

Die Anhörung des Antragstellers erfolgte am 26. Oktober 2016. Dabei trug er zunächst vor, er heiße O... und stamme aus Nigeria und sei am ... 1976 geboren. Er sei mit einem geschäftlichen Visum der Deutschen Botschaft in Lagos eingereist. Nach seiner Ankunft habe er während des Karnevals zwei Tage lang einen Freund in Köln besucht. Dort sei sein Reisepass geblieben und nicht mehr auffindbar. Er habe gesagt, aus Sierra Leone zu sein, weil er bei seiner Ankunft zu verängstigt gewesen sei, um die Wahrheit zu sagen.

Er sei Ende November 2012 nach Deutschland eingereist.

Das Bundesamt für ... lehnte mit Bescheid vom 18. Januar 2017 die Anträge auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und subsidiären Schutzes (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurde festgestellt (Nr. 4) und die Abschiebung unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche nach Nigeria angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate befristet (Nr. 6).

Die Ablehnung als offensichtlich wurde auf § 30 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 AsylG gestützt.

Der Bescheid wurde am 19. Januar 2017 als Einschreiben zur Post gegeben.

Am 23. Januar 2017 ließ der Kläger Klage (RN 5 K 17.30265) erheben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen. Die Klage und der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurden begründet.

Der Antragsteller beantragt:

Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin beantragt unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung:

Der Antrag wird abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behörden- und der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist zulässig, aber unbegründet.

1. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine Abschiebungsandrohung im Zusammenhang mit der Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet kann nur dann Erfolg haben, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Verwaltungsakt in diesem Sinne ist die vom Bundesamt gemäß § 34 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG, welche nach § 36 Abs. 1 AsylG mit einer Ausreisefrist von einer Woche versehen wurde. Die Setzung dieser kurzen Ausreisefrist ist nur zulässig, wenn der Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.

Der Asylantrag wurde zu Recht nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Nach dieser Vorschrift ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn ein Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert. Dieser Vorschrift liegt nach dem Willen des Gesetzgebers die Erwägung zugrunde, dass ein individuelles Verfolgungsschicksal nur festgestellt werden kann, wenn die Identität und die Staatsangehörigkeit des Verfolgten bekannt sind, und dass ein politisch Verfolgter in Deutschland um Asyl nachsucht, weil er auf den Schutz deutscher Behörden vertraut. Es ist dem Ausländer daher zuzumuten, spätestens gegenüber dem für die Entscheidung zuständigen Bundesamt seine Identität darzulegen oder seine Angaben dazu zu machen (vgl. BT-Drs. 12/4450, S. 22). Die Täuschung setzt ein vorsätzliches Handeln voraus und kann darin liegen, dass ein Irrtum durch unwahre Behauptungen hervorgerufen oder ein beim Bundesamt für ... bereits bestehender Irrtum aufrechterhalten wird (vgl. Susanne Schröder, in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 30 AsylVfG, Rz. 24). Verletzt der Asylbewerber die Obliegenheit, seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit anzugeben, in dem er bewusst versucht, beim Bundesamt für ... einen Irrtum über diese persönlichen Merkmale hervorzurufen oder aufrechtzuerhalten, dann trifft ihn die qualifizierte Ablehnung seines unbegründeten Asylantrags. Klärt der Asylbewerber den von ihm zu verantwortenden Irrtum über seine Identität oder Staatsangehörigkeit auf oder trägt er die zunächst verweigerten Angaben nach, dann steht dies einer Anwendung des § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG entgegen. Die Korrektur muss bis zum Ende der Anhörung beim Bundesamt für ... erfolgen. Sobald das Bundesamt für ... auf anderem Wege die Identität und Staatsangehörigkeit eines Asylbewerbers herausgefunden hat, kommen dessen nachträgliche Aufklärungsversuche zu spät (vgl. Heusch, in Beck-OK AuslR, Stand: 1. November 2016, § 30 AsylG, Rz. 41). Lediglich die Angabe eines unzutreffenden Geburtsdatums soll für eine Anwendung des § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht ausreichen (vgl. VG Köln vom 25. Juli 2012, 16 L 904/12.A, BeckRS 2013, 45280), weil eine Täuschung über die Identität voraussetzt, dass der Asylbewerber Angaben macht, die tatsächlich geeignet sind, eine Täuschung über seine eigene Identität herbeizuführen, was insbesondere dann vorliegt, wenn sie auf eine andere Person, also eine fremde Identität, hindeuten können (vgl. Susanne Schröder, a. a. O., Rz. 25).

Gemessen an diesen Vorgaben hat der Antragsteller bei der Asylantragstellung Personalien und eine Staatsangehörigkeit angegeben, von der er bei seiner Anhörung behauptete, diese seien falsch gewesen. In Wirklichkeit seien seine Personalien ebenso andere wie seine Staatsangehörigkeit. Allein durch diese neuerliche Behauptung bei der Anhörung kann der Antragsteller aber nicht glaubhaft machen, dass seine ursprünglichen Angaben falsch waren und die neuen nunmehr der Wahrheit entsprechen. Zur Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit ist in einem solchen Fall mehr notwendig als die bloße Behauptung des Asylbewerbers. Der Asylbewerber, der selbst durch seine unterschiedlichen Angaben dafür gesorgt hat, dass seine Identität und Staatsangehörigkeit ungeklärt ist, kann diese Unklarheit nicht durch eine bloße Behauptung beseitigen, dazu muss er vielmehr Nachweise vorlegen. Solange dies nicht geschehen ist, ist von einer ungeklärten Identität und Staatsangehörigkeit aufgrund einer Täuschung durch den Asylbewerber auszugehen und der Anwendungsbereich des § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG eröffnet.

Solange Identität und Staatsangehörigkeit eines Asylbewerbers nicht in der für das Asylverfahren ausreichenden Art und Weise geklärt sind, fehlt einer vorgetragenen Verfolgungsgeschichte die Basis. In diesem Fall kann eine Verfolgungsgeschichte nicht Grundlage für einen erfolgreichen Asylantrag oder für einen nationalen Schutz sein.

Ein näheres Eingehen auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist im Rahmen dieser Entscheidung nicht angezeigt.

Das Vorbringen des Antragstellers im Schriftsatz vom 23. Januar 2017 ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Bundesamtes für ... im angefochtenen Bescheid zu wecken.

2. Hinsichtlich der Befristung des in § 11 Abs. 1 AufenthG angeordneten gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, obwohl eine isolierte Anfechtungsklage auf bloße Aufhebung der Befristungsentscheidung unzulässig und stattdessen eine Verpflichtungsklage zu erheben wäre (vgl. die ausführlichen Darlegungen: VG Regensburg vom 14. Juni 2016, RN 5 S 16.30716, juris, Rz. 42 ff.).

Die Befristungsentscheidung stellt sich als rechtmäßig dar. Ein Grund, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, findet sich nicht.

3. Kosten: §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

(1) War der Ausländer im Besitz eines Aufenthaltstitels, darf eine nach den Vorschriften dieses Gesetzes vollziehbare Abschiebungsandrohung erst vollzogen werden, wenn der Ausländer auch nach § 58 Abs. 2 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes vollziehbar ausreisepflichtig ist.

(2) Hat der Ausländer die Verlängerung eines Aufenthaltstitels mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten beantragt, wird die Abschiebungsandrohung erst mit der Ablehnung dieses Antrags vollziehbar. Im Übrigen steht § 81 des Aufenthaltsgesetzes der Abschiebung nicht entgegen.

(3) Haben Familienangehörige im Sinne des § 26 Absatz 1 bis 3 gleichzeitig oder jeweils unverzüglich nach ihrer Einreise einen Asylantrag gestellt, darf die Ausländerbehörde die Abschiebung vorübergehend aussetzen, um die gemeinsame Ausreise der Familie zu ermöglichen. Sie stellt dem Ausländer eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung aus.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Klägerin zu 1 (geb. am ... 1973) und ihre in Italien/... geborenen Kinder (... 2007 und ... 2009.) sind ihren eigenen Angaben nach nigerianische Staatsangehörige, die dem Volk der Edo zugehörig sind.

Der Klägerinnen zu 1 und zu 2 sowie der Kläger zu 3 sind nach eigenen Angaben von Italien kommend auf dem Landweg am 31. Juli 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.

Am 8. August 2013 beantragten die Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) die Anerkennung als Asylberechtigte.

Am ... 2013 hat die Klägerin zu 1 in Deutschland ein weiteres Kind zur Welt gebracht.

Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt am 21. Juni 2016 gab die Klägerin zu 1 an, bis zu ihrer Ausreise in, ... gelebt zu haben. Ihr Heimatland hätte sie im Jahr 1995 verlassen. Bevor sie nach Deutschland eingereist sei, habe sie sieben Monate in Mali und fünf Monate in Tunesien gelebt. In Italien habe sie am längsten gelebt. Bevor sie die Kinder bekommen habe, habe sie bereits seit über fünf Jahren in Italien gelebt. Ihre Eltern seien geschieden; ihre Mutter lebe in ...

Sie habe noch eine 27-jährige Tochter in Nigeria. Zudem würden dort auch noch Verwandte leben; sie wisse aber nicht, ob sie noch am Leben seien. Sie habe bis zur sechsten Klasse die Schule besucht. Dann habe sie familiäre Probleme gehabt. Ihr Vater habe fünf Frauen und sehr viele Kinder. Er habe von seinen Frauen erwartet, dass sie selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Sie habe der Mutter geholfen; sie hätten zur Erntezeit Früchte ein- und verkauft.

Zu ihren Asylgründen führt die Klägerin zu 1 aus:

In der Zeit, als sie ihrer Mutter geholfen habe, sei sie vergewaltigt worden. So sei auch ihre erste Tochter zur Welt gekommen. Sie habe sich geschämt, weil sie eine Tochter gehabt habe, die keinen richtigen Vater habe.

Aus diesem Grund habe sie sich entschlossen, ... zu verlassen. Sie sei in eine Stadt gekommen und habe einen Schleuser kennengelernt. Um nach Europa gehen und die Reisekosten bezahlen zu können, habe sie als Prostituierte in Europa Geld verdienen sollen. Sie habe ihre Tochter bei einem Freund gelassen, um ihre Ausreise planen zu können. Sie habe einen Eid schwören müssen, dass sie das Geld auf jeden Fall zurückzahlen werde, andernfalls würde sie umgebracht. Sie hätte eigentlich das Flugzeug Richtung Italien nehmen sollen. Der Schleuser habe sie jedoch betrogen. Sie sei mit dem Auto nach Mali gefahren worden. Es sei monatelang nichts passiert. Der Schleuser habe neue Frauen aus Nigeria geholt. Sie sei nach Tunesien gefahren und sei dort zwei Monate geblieben. Per Boot sei sie mit 150 anderen Menschen an Bord nach Italien gekommen. Sie seien von der Polizei verhört worden und man habe sie aufgefordert, innerhalb der nächsten sieben Tage auch andere Länder Europas anzustreben und Italien zu verlassen. Sie sei nach ... gegangen und der Schleuser sei gekommen, um sein Geld einzufordern. Sie habe also das Leben einer Prostituierten angefangen. Sie habe immer wieder damit aufhören wollen und habe das auch dem Schleuser gesagt. Er habe aber gesagt, das sei jetzt ihre Arbeitsstelle. Da sie wirklich nicht mehr weitermachen habe wollen, sei sie nach ... geflogen und habe dort den Vater ihrer Kinder kennengelernt. Er sei anfangs ein sehr netter Mensch gewesen. Sie habe ihm von ihren Schulden erzählt. Sie habe von ihm Kinder bekommen. Die Beziehung habe sich immer mehr verschlechtert. Sie habe ihn gebeten, die Schulden für sie zurückzubezahlen. Der Schleuser habe herausgefunden, dass sie in ... sei und die Männer sich begegnet seien. Ihr Mann habe gesagt, dass es ein Fehler gewesen sei, mit ihr Kinder zu haben. Sie solle wieder auf die Straße gehen und ihre Schulden selbst zurückbezahlen. Er habe sie noch aufgefordert, ihre Tochter zurück nach Afrika zu schicken, um sie beschneiden zu lassen. Nach dieser Situation habe sich die Beziehung stark verschlechtert; er habe sie auch immer wieder geschlagen.

Sie habe ihn vier Jahre lang gebeten, ihr bei ihrem Problem zu helfen. Er habe sich aber mit diesem Mann nicht anlegen wollen. Dann habe er sie verlassen. Als sie erfahren habe, dass sie wieder schwanger sei, habe sie ihren Mann gesucht. Freunde hätten ihr gesagt, dass er nach Nigeria zurückgegangen sie. Sie habe ihn dann einmal erreicht. Die Nachricht von ihrer Schwangerschaft habe ihn nicht glücklich gemacht. Er habe gesagt, er wolle mit ihr nichts mehr zu tun haben.

Es habe keinen schriftlichen Vertrag mit dem Schleuser gegeben, sondern eine Vereidigungszeremonie. Man habe ihr einen Fingernagel, ein Haar und auch ein Haar aus ihrem Intimbereich genommen. Diese Dinge sollten für einen Voodoo-Zauber hergenommen werden, falls sie das Geld nicht zurückzahlen könne. Es habe einen Schrein und einen Priester gegeben, der das dort durchführe.

Als sie auf der Straße gearbeitet habe, sei sie von einer Frau namens Madame ... betreut worden. Falls sie nicht arbeiten würde, sei ihr angedroht worden umgebracht zu werden. Auch die Verwandten sollten umgebracht werden. Sie hätten auch ihre Sachen gehabt, um die Voodoo-Zauber durchzuführen. Mittlerweile glaube sie nicht mehr daran. Sie habe gelernt selbst zu denken. Mit ihren Kindern sei auch nichts passiert. Sie habe gesagt, sie gehe arbeiten und sei dann aber abgehauen. Sie sei wiedergefunden worden und man habe ihr wieder gedroht, sie, ihre Mutter und die Töchter umzubringen.

Falls sie zurückkehren würde, würde ihre Tochter beschnitten werden. Sie hätten auch keine Sicherheit mehr.

Mit Bescheid vom 5. August 2016 entschied das Bundesamt über die Anträge der Kläger. Es lehnte die Asylanträge (Ziffer 2. des Bescheids) und die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1. des Bescheids) ab. Weiter wurden die Anträge auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz abgelehnt (Ziffer 3. des Bescheids) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes/AufenthG (Ziffer 4. des Bescheids) nicht vorliegen würden. Den Klägern wurde die Abschiebung nach Nigeria angedroht (Ziffer 5. des Bescheids). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6. des Bescheids).

Der Bescheid wurde laut Postzustellungsurkunde am 12. August 2016 der Klägerin zu 1 zugestellt.

Per Telefax ließen die Kläger durch ihre Bevollmächtigte am 23. August 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg gegen die Bundesrepublik Deutschland erheben mit dem Antrag:

1. Der Bescheid des Bundsamtes vom 5. August 2016 mit dem Geschäftszeichen ... wird in Ziffern 1 und 3 bis 6 aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass den Klägern die Flüchtlingseigenschaft bzw. hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen ist.

3. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 2. Juni 2017 ausgeführt, dass die Klägerin zu 1 in ihrer Heimat Nigeria Opfer von Menschenhandel geworden sei. Regelmäßig werde dabei, wie auch von der Klägerin zu 1 konkret geschildert, mit dem Opfer ein Auswanderungsvertrag ausgehandelt. Der Vertragspartner erklären sich zur Übernahme der Reisekosten sowie zur Organisation der Reise nach Europa bereit, während das Opfer verspreche, das Geld zurückzuzahlen, den Menschenhändlern bedingungslos untergeben zu sein und sie nicht bei der Polizei anzuzeigen. Die Vereinbarung werde oft im Rahmen einer Zeremonie besiegelt. Sowohl in Europa als auch in Nigeria werde durch dieses Netzwerk auf die Opfer und deren Familien ein erheblicher Druck ausgeübt, um die Rückzahlung der hohen Schulden zu bewerkstelligen. Die Klägerin zu 1 wäre bei einer Rückkehr nach Nigeria unter Zugrundelegung der vorliegenden Erkenntnismittel konkret gefährdet, indem das ihrer Madame umspannende Menschenhändlernetzwerk sie zur Abarbeitung ihrer noch nicht bezahlten Schulden im Wege der Prostitution zwingen oder ihr physische Gewalt bis hin zu einer Tötung antun würde.

Zudem drohe der Klägerin zu 2 bei einer Rückkehr die Genitalverstümmelung.

Die Beklagte legte am 20. Oktober 2016 die Behördenakten vor.

Mit Beschluss vom 12. Mai 2017 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Den seitens der Klägerin zu 1 gestellten Anträgen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ... wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 12. Juni 2017 entsprochen.

Am 21. Juni 2017 wurde die Verwaltungsstreitsache mündlich verhandelt.

Die Bevollmächtigte der Kläger stellte den Antrag aus der Klage vom 23. August 2016.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sachverhalts auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2017, sowie auf den gesamten Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Über die Klagen konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2017 entschieden werden. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten nach § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

Die zulässigen Klagen sind unbegründet.

Der Bescheid vom 5. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger zu 1 bis 4 nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-​) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.

In der Klage wird geltend gemacht, dass die Klägerin zu 1 in Nigeria Opfer von Menschenhandel geworden sei (nachfolgend unter a) und der Klägerin zu 2 bei einer Rückkehr nach Nigeria Genitalverstümmelung (nachfolgend unter b) drohe.

Das Gericht bewertet jedoch die behaupteten Verfolgungsgeschichten als unglaubhaft.

Es obliegt nämlich dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).

An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Ausländer im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint.

So liegt der Fall hier.

a) Es lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin zu 1 vor ihrer Ausreise aus Nigeria oder im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria landesweit von politischer Verfolgung betroffen war bzw. bedroht sein wird.

Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich der alleinstehenden Frauen, die von Menschenhandel betroffen sind oder waren, sich davon befreit haben (und die Täter angezeigt haben vgl. VG Würzburg, U.v. 17.11.2015 – W 2 K 14.30213 – juris) mag die Zugehörigkeit zu einer abgrenzbaren sozialen Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG darstellen. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 AsylG wegen begründeter Furcht vor Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) kommt im Falle der Klägerin zu 1 jedoch nicht in Betracht, da ihr Vorbringen nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlungen nicht glaubhaft ist bzw. zur Überzeugung des Gerichts nicht den Tatsachen entspricht.

Die Verfolgungsgeschichte der Klägerin zu 1 ist vielmehr derart von nicht aufklärbaren Widersprüchen und Ungereimtheiten gekennzeichnet, dass das Gericht nicht die volle tatrichterliche Überzeugung (§ 108 VwGO) gewonnen hat, dass von einer Verfolgung der Klägerin zu 1 als Opfer von Menschenhandel auszugehen ist.

Die Klägerin zu 1 konnte den geltend gemachten Verfolgungsgrund, in Nigeria Opfer von Menschenhandel geworden zu sein, nicht glaubhaft machen.

Im gesamten Vortrag ergeben sich zunächst erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der Reise und der Aufenthaltsorte der Klägerin zu 1.

Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt gab die Klägerin zu 1 an, vor ihrer Einreise in Italien sieben Monate in Mali und zwei bzw. fünf Monate in Tunesien (Protokoll über die Anhörung vor dem Bundesamt, nachfolgend: BA-Protokoll, S. 2 Frage 7 und S. 4) gelebt zu haben. Da ihre Ausreise aus Nigeria im Jahr 1995 gewesen sein soll, ist der Vortrag in der mündlichen Verhandlung (Niederschrift über die mündliche Verhandlung, nachfolgend: Niederschrift, S. 4), im Jahr 2000 nach Italien gekommen zu sein, ebenso unschlüssig, wie ihr Vortrag hierzu vor dem Bundesamt (BA-Protokoll, S. 2 Frage 7), 5 Jahre bevor ihre Kinder geboren worden seien, nach Italien gekommen zu sein, was dann im Jahr 2002 gewesen wäre.

Weiter will die Klägerin zu 1 nach ihrem Vortrag im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt (BA-Protokoll, S. 4) nach ihrer Ankunft in Italien nach ... gekommen und vom Schleuser aufgesucht worden sein. Das Leben einer Prostituierten habe angefangen.

In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin zu 1 an, sechs Monate in ... gelebt zu haben. Sollte die Klägerin zu 1 tatsächlich Opfer von Menschenhandel geworden sein, hätte sie nicht unbehelligt sechs Monate in ... bei Personen aus Ghana leben können. Mit Sicherheit wäre sie gleich angegangen worden, das ausstehende Geld zu bezahlen oder zu „erarbeiten“. Sie gab hierzu in der mündlichen Verhandlung an, in ... gar nichts getan zu haben. Nicht nachvollziehbar ist es in diesem Zusammenhang, dass der Schleuser wegen des ausstehenden Geldbetrags für die Reise mit dem Vater der Klägerin zu 1 in Nigeria Kontakt aufgenommen haben soll, während dieser in ... jedenfalls nicht an die Klägerin zu 1 herangetreten sein soll, dies, obwohl sie sich ihren Angaben entsprechend dort sechs Monate lang aufgehalten hat (Niederschrift, S. 4).

Während die Klägerin zu 1 vor dem Bundesamt vortrug, in ... – wenn auch ungern – als Prostituierte gearbeitet zu haben (BA-Protokoll, S. 4), verneinte sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Tätigkeit als Prostituierte in Italien (Niederschrift, s. 4).

In diesem Zusammenhang ist es völlig unglaubwürdig, dass die Klägerin zu 1 ab dem Jahr 2001 und danach in dem Zeitraum, als sie mit dem Vater ihrer Kinder zusammen war, also von 2006 bis 2012/2013, keinerlei Probleme mit dem Schleuser wegen der von ihr noch nicht bezahlten Reisekosten gehabt haben will. Ebenso unglaubwürdig ist, dass die Klägerin zu 1 im Jahr 2001 unproblematisch von ... weggehen konnte und die Zeit bis 2006 im Grunde allenfalls mit sehr geringen finanziellen Mitteln überstanden haben will.

Weiter ist es nicht glaubhaft, dass sie unproblematisch von ... nach ... fliegen konnte.

Die Unglaubwürdigkeit des Sachvortrags der Klägerin zu 1 wird auch durch die unschlüssigen Ausführungen zu dem Grund ihrer Ausreise im Jahr 1995 untermauert. Sie gab an, vergewaltigt worden zu sein und in der Folge ein Kind bekommen zu haben. Sollte die Vergewaltigung tatsächlich der Grund für ihre Ausreise gewesen sein, ist nicht nachvollziehbar, warum die Ausreise erst im Jahr 1995 erfolgt sein soll, während das Kind bereits im Jahr 1989 geboren wurde. Auch insoweit lässt sich ein weiterer Widerspruch feststellen. In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin zu 1 an, Nigeria verlassen zu haben, als ihr Kind ein Jahr alt gewesen wäre. Das kann nicht in Einklang gebracht werden mit ihrer Ausreise im Jahr 1995.

Die Schilderung der Klägerin zu 1 zu ihrer Schleusung aus Nigeria ist jedenfalls nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismaterialien nicht als Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen anzusehen. Ansonsten hätte sie nicht derart lange Zeitspannen, wie von der Klägerin zu 1 selbst geschildert, ohne Einflussnahme des Schleusers leben können. Auch wäre es der Klägerin zu 1 mit Sicherheit nicht so leicht gelungen, sich der Tätigkeit, als Prostituierte zu arbeiten, zu entziehen. Wenn die Klägerin zu 1 zwar auch von Bedrohungen ihrer Person und ihrer in Nigeria lebenden Familie berichtet, so wurden hierzu keine konkreten Bedrohungen erwähnt. Vielmehr führte sie in der mündlichen Verhandlung aus, an den Voodoo-Zauber, mit dem die Bedrohungen verknüpft sind, selbst nicht mehr zu glauben, da ihren Kindern tatsächlich nichts passiert sei (BA-Protokoll, S. 5).

Da der Sachvortrag der Klägerin zu 1, sie sollte zur Prostitution gezwungen werden, um ihre Schulden für die Organisation der Reise abzuarbeiten, nach alledem nicht glaubhaft ist, kann zur Überzeugung des Gerichts hier nicht von einer Bedrohung der Klägerin zu 1 durch Menschenhändler ausgegangen werden, so dass die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG nicht in Betracht kommt.

b) Soweit für die Klägerin zu 2 im Fall einer Rückkehr nach Nigeria eine Genitalverstümmelung geltend gemacht wird, kann auch insoweit zur Überzeugung des Gerichts nicht von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eintretenden Gefahr für die Klägerin zu 2 ausgegangen werden.

Allerdings geht das Gericht nach den vorliegenden Erkenntnissen grundsätzlich davon aus, dass die weibliche Genitalverstümmelung in allen bekannten Formen nach wie vor in Nigeria verbreitet ist. Schätzungen zur Verbreitung der weiblichen Genitalverstümmelung gehen jedoch weit auseinander und reichen von 19% bis zu 50% bis 60% (vgl. dazu etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – vom 21. November 2016, Stand September 2016, Nr. II.1.8).

Es wird zwar teilweise von einem Rückgang der Beschneidungspraxis bzw. einem Bewusstseinswandel ausgegangen, dennoch ist die Beschneidungspraxis noch in den Traditionen der nigerianischen Gesellschaft verwurzelt. Nach traditioneller Überzeugung dient die weibliche Genitalverstümmelung der Sicherung der Fruchtbarkeit, der Kontrolle der weiblichen Sexualität, der Verhinderung von Promiskuität und der Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft der Frauen durch eine Heirat. Angesichts des Umstandes, dass teilweise nur eine beschnittene Frau als heiratsfähig angesehen wird, kann der Druck auf die Betroffenen als auch auf deren Eltern zur Durchführung einer Beschneidung erheblich sein. Zur Erreichung der „Heiratsfähigkeit“ sind häufig gerade weibliche Familienmitglieder bemüht, die Beschneidung durchführen zu lassen und mitunter erfolgt dies auch gegen den Willen der Eltern. Übereinstimmend wird davon ausgegangen, dass die weibliche Genitalverstümmelung besonders in ländlichen Gebieten und hierbei insbesondere im Süden bzw. Südwesten und im Norden des Landes verbreitet ist. Das Beschneidungsalter variiert von kurz nach der Geburt bis zum Erwachsenenalter und ist abhängig von der jeweiligen Ethnie. Eine einheitliche, bundesweite Gesetzgebung gegen die Beschneidungspraxis gibt es nicht, eine Verfolgung ist lediglich nach dem allgemeinen Strafrecht möglich. Einige Bundesstaaten, darunter auch, haben Gesetze gegen die Genitalverstümmelung erlassen; allerdings sind Verfahren bislang nicht bekannt geworden; ein effektiver Schutz von Frauen und Mädchen durch diese Gesetze müsse bezweifelt werden, jedoch werde von einem Rückgang der Eingriffe berichtet; FGM werde auch gegen den Willen der Eltern durchgeführt (vgl. Auswärtiges Amt – Lagebericht – a.a.O.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 18.7.2008 und vom 21.8.2008; vgl. auch Lageberichte vom 28. August 2013, Nr. II.1.8; und vom 6. Mai 2012, Nr.II.1.8; zum Ganzen außerdem Institut für Afrikakunde, Auskunft an das VG Düsseldorf vom 28. März 2003; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Informationszentrum Asyl und Migration – weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010; ACCORD – Nigeria – Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, 21. Juni 2011, S. 6ff; WHO, Eliminating female genital mutiliation – an interagency statement – 2008, http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/43839/1/ 9789241596442_eng.pdf; VG Aachen, U.v. 16.9.2014 – 2 K 2262/13.A – juris, m.w.N.).

Auf Grund der Angaben der Klägerin zu 1 hat das Gericht jedoch nicht die Überzeugung gewonnen, dass eine Beschneidung der Klägerin zu 2 im Falle der Rückkehr in ihr Heimatland beachtlich wahrscheinlich ist.

Die Mutter der Klägerin zu 2 führt selbst aus, dass sie auf keinen Fall eine Beschneidung ihrer Tochter wolle. Daher ist davon auszugehen, dass jedenfalls im familiären Bereich eine Beschneidung der Klägerin zu 2 nicht droht. Hinzu kommt, dass der Vater der Klägerin zu 2 aus ... stammt, während die Kläger aus ... kommen. Nachdem die Klägerin zu 1 weiter ausführte, seit vier Jahren keinerlei Kontakt zu dem Vater ihrer Kinder zu haben, ist es unverständlich, wie eine Gefahr durch eine bevorstehende Beschneidung bestehen könnte.

Lediglich ergänzend wir ausgeführt, dass es nach den Erkenntnismaterialien keinerlei Beleg dafür gibt, dass bei der Volksgruppe der Edo, der die Kläger angehören wollen, überhaupt noch die Praxis der weiblichen Beschneidung durchgeführt wird. Insoweit führt die Auskunft des Bundesamts vom 7. Juli 2005 aus, dass nach Befragung der Angehörigen zu der Volksgruppe der Bini, welche auch als Edo bezeichnet werde, die „Praxis der weiblichen Beschneidung“ übereinstimmend als überkommener und bereits seit vielen Jahren als entgegenstehender Brauch zurückgewiesen worden sei (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7.7.2005, Az.: 508-516.80/43807).

2. Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG bleibt ohne Erfolg, wofür ergänzend auf die zu § 3 AsylG erläuterten Gründe (siehe unter 1.) verwiesen wird.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).

Gemessen an diesen Maßstäben haben die Klägerinnen zu 1 und 2 keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Die Schilderungen zur Gefahr sind völlig unglaubhaft und unsubstantiiert im Sinne von § 30 Abs. 1, Abs. 2 AsylG. Im Herkunftsstaat haben sie (siehe Ausführungen unter 1) keine Gefahr erlebt. Weshalb ihnen bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden, insbesondere eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder gar die Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) drohen sollte, ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar geworden. Schließlich besteht in Nigeria auch kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

Für die Kläger zu 3 und 4 wurden keine eigenen Asylgründe geltend gemacht, so dass auch ihnen ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) nicht zusteht.

3. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig, soweit das Nichtvorliegen von (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wurde (Ziffer 4 des Bescheids).

a) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht erkennbar.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria – hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Lagebericht, Nr. I.2.) – und die damit zusammenhängenden Gefahren grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade den Klägern drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.

Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C-15/12 – BVerwGE 146, 12-31, juris, Rn. 23 ff m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – a.a.O. – Rn. 22, 36). Die angebliche Bedrohung der Klägerin zu 1 kann, wie bereits oben unter 1. und 2. ausgeführt wurde, insoweit nicht herangezogen werden.

b) Auch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) für einen Betroffenen aufgrund allgemein für die Bevölkerung bestehender Gefahren, die über diese allgemein bestehenden Gefahren hinausgeht ist, nur im Ausnahmefall im Sinne eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (BVerwG, U. v. 31.1.2013 – a.a.O. Rn. 38). Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser allgemein bestehenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen den Betroffenen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (zum Ganzen BVerwG, U.v. 31.1.2013 a.a.O. Rn. 38).

Für derartige besondere Gefahren aufgrund schlechter humanitärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere kann im Falle der Kläger nicht davon ausgegangen werden, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria zu einem Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse führt, die im Ausnahmefall als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifiziert werden könnten. Es kann hier davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zu 1 als gesunde arbeitsfähige Frau in der Lage sein wird, ein Existenzminimum für die Familie zu sichern, zumal sie vor der Ausreise in Nigeria ihrer Mutter geholfen hat, Früchte ein- und weiter zu verkaufen. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zu 1 und ihre 3 Kinder im Falle der Rückkehr nach Nigeria Hilfe (z.B. im Rahmen einer Unterkunftsmöglichkeit) bei der noch in Nigeria lebenden 27-jährigen Tochter finden können.

4. Gegen die Befristung des Einreise– und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG sind keine substantiierten Einwände erhoben worden und solche sind auch nicht ersichtlich.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO iV. m. § 159 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.

II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die nicht ausgewiesenen Klägerinnen sind nach eigenen Angaben nigerianische Staatsangehörige. Sie reisten am 21. Januar 2017 von Italien kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 16. Februar 2017 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 23. Februar 2017 brachte die Klägerin zu 1) zur Begründung ihres Asylbegehrens vor, der Vater ihres Kindes sei im Jahr 2014 verstorben. Bei der Beerdigung hätten dessen Eltern gesagt, dass sie die Klägerin zu 2) nach deren fünftem Geburtstag zu sich holen würden. Sie dürfe die Klägerin zu 2) dann nicht mehr sehen. Außerdem befürchte sie, dass man ihre Tochter beschneiden werde. Die Familie ihres verstorbenen Partners werde sie überall über Juju finden. Sie würden sie verzaubern, so dass sie das Kind freiwillig übergeben werde.

Mit Bescheid vom 18. April 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz ab (Nrn. 1 bis 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Klägerinnen wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls wurde die Abschiebung nach Nigeria angedroht (Nr. 5). Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, der Vortrag der Klägerin zu 1) sei nicht glaubhaft. Ihre Angaben seien arm an Detail, vage und oberflächlich geblieben. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass die Klägerin zu 1) nach dem zweiten Anruf der Mutter ihres verstorbenen Partners noch mehr als ein Jahr in Nigeria geblieben sei, wenn sie Angst vor einer Wegnahme der Tochter gehabt habe. Auch die Schilderung ihrer Ausreise sei unglaubhaft. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass „eine Madame“ die Kosten einer Flugreise von Lagos nach Mailand nur mit der Vereinbarung, die Schulden würden abgearbeitet, übernehme, die Klägerin dann aber nach ihrer Weigerung, sich zu prostituierten, einfach so entlassen werde.

Mit ihrer am 23. Mai 2017 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangenen Klage verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter.

Sie beantragen,

den Bescheid des Bundesamtes vom 18. April 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerinnen als Asylberechtigte anzuerkennen, ihnen die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wiederholen sie ihr Vorbringen aus der Anhörung.

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

Einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 31. Juli 2017 abgelehnt (M 21 S. 17.41916).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowohl in diesem als auch im Eilverfahren, auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2017 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2017 verhandeln und entscheiden konnte, weil die Beklagte rechtzeitig und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden ist, ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet.

Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 - juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 - juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Die Ausführungen der Klägerin zu 1) sind insgesamt unglaubhaft.

Hinsichtlich eines vom Asylsuchenden geltend gemachten individuellen Verfolgungsschicksals muss das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Herkunftsstaat befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu. Demgemäß setzt ein Asylanspruch bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, gegenüber dem Tatgericht einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – juris Rn. 11). Werden im Laufe des Verfahrens ohne plausible Erklärung unterschiedliche Angaben gemacht, enthält das Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche, erscheinen die Darstellungen nach den Erkenntnismaterialien, der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar oder wird das Vorbringen im Laufe des Verfahrens ohne ausreichende Begründung erweitert oder gesteigert und insbesondere ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren eingeführt, so kann den Aussagen in der Regel kein Glauben geschenkt werden.

Das Vorbringen der Klägerin zu 1) zu ihrem Verfolgungsschicksal ist in sich widersprüchlich und absolut unglaubhaft. Hinsichtlich der behaupteten drohenden Beschneidung der Klägerin zu 2) hat die Klägerin zu 1) im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt selbst angegeben, das Ansinnen ihrer Schwiegermutter für einen Scherz gehalten zu haben. Zudem hat sie weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, warum es der Klägerin, die weder mit dem Kindsvater zusammengelebt noch mit dessen Familie vor seinem Tod überhaupt Kontakt hatte, nicht gelingen sollte, ihr Kind einer drohenden Beschneidung zu entziehen, zumal die Familie des Kindsvaters die Klägerin zu 1) in einer Stadt wie Lagos mit ihren über 18 Millionen Einwohnern kaum finden dürfte. Die Klägerin zu 1) hat überdies nach eigenen Angaben noch nicht einmal den Versuch unternommen hat, bei staatlichen Organisationen um Schutz zu bitten. Letztlich spricht auch die Tatsache, dass die Klägerin zu 1) nach diesem Anruf noch mehr als ein Jahr in Nigeria verbracht hat, bis sie sich zur Flucht entschlossen hat, gegen die Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens,.

Das Gericht schenkt auch dem weiteren Vortrag der Klägerin zu 1), sie habe eine Frau kennengelernt, die ihren Flug nach Italien sowie sämtliche weitere Kosten ihrer Flucht ohne Gegenleistung übernommen hat, keinen Glauben. Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, dass die von der Klägerin zu 1) erwähnte „Madame“ mit der Übernahme sämtlicher Kosten in Vorleistung geht, nur auf das Versprechen hin, diese Schulden würden später abgearbeitet, dann versucht, die Klägerin zu 1) zur Prostitution zu bewegen und bei der schlichten Weigerung der Klägerin zu 1) diese ohne weitere Druckausübung oder etwa der Rückforderung ihrer Auslagen aus dem Haus wirft. Das Gericht teilt insoweit die Einschätzung des Bundesamtes, dass dieser Vortrag der Klägerin zu 1) einzig das Ziel verfolgt, ihre finanzielle Situation im Heimatland, die es ihr erlaubt hat, auf dem Luftweg ihr Land zu verlassen und in Europa einzureisen, zu verschleiern.

Die Klage ist nach alldem als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Dieses Urteil ist unanfechtbar.

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Klägerin zu 1 (geb. am ... 1973) und ihre in Italien/... geborenen Kinder (... 2007 und ... 2009.) sind ihren eigenen Angaben nach nigerianische Staatsangehörige, die dem Volk der Edo zugehörig sind.

Der Klägerinnen zu 1 und zu 2 sowie der Kläger zu 3 sind nach eigenen Angaben von Italien kommend auf dem Landweg am 31. Juli 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.

Am 8. August 2013 beantragten die Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) die Anerkennung als Asylberechtigte.

Am ... 2013 hat die Klägerin zu 1 in Deutschland ein weiteres Kind zur Welt gebracht.

Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt am 21. Juni 2016 gab die Klägerin zu 1 an, bis zu ihrer Ausreise in, ... gelebt zu haben. Ihr Heimatland hätte sie im Jahr 1995 verlassen. Bevor sie nach Deutschland eingereist sei, habe sie sieben Monate in Mali und fünf Monate in Tunesien gelebt. In Italien habe sie am längsten gelebt. Bevor sie die Kinder bekommen habe, habe sie bereits seit über fünf Jahren in Italien gelebt. Ihre Eltern seien geschieden; ihre Mutter lebe in ...

Sie habe noch eine 27-jährige Tochter in Nigeria. Zudem würden dort auch noch Verwandte leben; sie wisse aber nicht, ob sie noch am Leben seien. Sie habe bis zur sechsten Klasse die Schule besucht. Dann habe sie familiäre Probleme gehabt. Ihr Vater habe fünf Frauen und sehr viele Kinder. Er habe von seinen Frauen erwartet, dass sie selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Sie habe der Mutter geholfen; sie hätten zur Erntezeit Früchte ein- und verkauft.

Zu ihren Asylgründen führt die Klägerin zu 1 aus:

In der Zeit, als sie ihrer Mutter geholfen habe, sei sie vergewaltigt worden. So sei auch ihre erste Tochter zur Welt gekommen. Sie habe sich geschämt, weil sie eine Tochter gehabt habe, die keinen richtigen Vater habe.

Aus diesem Grund habe sie sich entschlossen, ... zu verlassen. Sie sei in eine Stadt gekommen und habe einen Schleuser kennengelernt. Um nach Europa gehen und die Reisekosten bezahlen zu können, habe sie als Prostituierte in Europa Geld verdienen sollen. Sie habe ihre Tochter bei einem Freund gelassen, um ihre Ausreise planen zu können. Sie habe einen Eid schwören müssen, dass sie das Geld auf jeden Fall zurückzahlen werde, andernfalls würde sie umgebracht. Sie hätte eigentlich das Flugzeug Richtung Italien nehmen sollen. Der Schleuser habe sie jedoch betrogen. Sie sei mit dem Auto nach Mali gefahren worden. Es sei monatelang nichts passiert. Der Schleuser habe neue Frauen aus Nigeria geholt. Sie sei nach Tunesien gefahren und sei dort zwei Monate geblieben. Per Boot sei sie mit 150 anderen Menschen an Bord nach Italien gekommen. Sie seien von der Polizei verhört worden und man habe sie aufgefordert, innerhalb der nächsten sieben Tage auch andere Länder Europas anzustreben und Italien zu verlassen. Sie sei nach ... gegangen und der Schleuser sei gekommen, um sein Geld einzufordern. Sie habe also das Leben einer Prostituierten angefangen. Sie habe immer wieder damit aufhören wollen und habe das auch dem Schleuser gesagt. Er habe aber gesagt, das sei jetzt ihre Arbeitsstelle. Da sie wirklich nicht mehr weitermachen habe wollen, sei sie nach ... geflogen und habe dort den Vater ihrer Kinder kennengelernt. Er sei anfangs ein sehr netter Mensch gewesen. Sie habe ihm von ihren Schulden erzählt. Sie habe von ihm Kinder bekommen. Die Beziehung habe sich immer mehr verschlechtert. Sie habe ihn gebeten, die Schulden für sie zurückzubezahlen. Der Schleuser habe herausgefunden, dass sie in ... sei und die Männer sich begegnet seien. Ihr Mann habe gesagt, dass es ein Fehler gewesen sei, mit ihr Kinder zu haben. Sie solle wieder auf die Straße gehen und ihre Schulden selbst zurückbezahlen. Er habe sie noch aufgefordert, ihre Tochter zurück nach Afrika zu schicken, um sie beschneiden zu lassen. Nach dieser Situation habe sich die Beziehung stark verschlechtert; er habe sie auch immer wieder geschlagen.

Sie habe ihn vier Jahre lang gebeten, ihr bei ihrem Problem zu helfen. Er habe sich aber mit diesem Mann nicht anlegen wollen. Dann habe er sie verlassen. Als sie erfahren habe, dass sie wieder schwanger sei, habe sie ihren Mann gesucht. Freunde hätten ihr gesagt, dass er nach Nigeria zurückgegangen sie. Sie habe ihn dann einmal erreicht. Die Nachricht von ihrer Schwangerschaft habe ihn nicht glücklich gemacht. Er habe gesagt, er wolle mit ihr nichts mehr zu tun haben.

Es habe keinen schriftlichen Vertrag mit dem Schleuser gegeben, sondern eine Vereidigungszeremonie. Man habe ihr einen Fingernagel, ein Haar und auch ein Haar aus ihrem Intimbereich genommen. Diese Dinge sollten für einen Voodoo-Zauber hergenommen werden, falls sie das Geld nicht zurückzahlen könne. Es habe einen Schrein und einen Priester gegeben, der das dort durchführe.

Als sie auf der Straße gearbeitet habe, sei sie von einer Frau namens Madame ... betreut worden. Falls sie nicht arbeiten würde, sei ihr angedroht worden umgebracht zu werden. Auch die Verwandten sollten umgebracht werden. Sie hätten auch ihre Sachen gehabt, um die Voodoo-Zauber durchzuführen. Mittlerweile glaube sie nicht mehr daran. Sie habe gelernt selbst zu denken. Mit ihren Kindern sei auch nichts passiert. Sie habe gesagt, sie gehe arbeiten und sei dann aber abgehauen. Sie sei wiedergefunden worden und man habe ihr wieder gedroht, sie, ihre Mutter und die Töchter umzubringen.

Falls sie zurückkehren würde, würde ihre Tochter beschnitten werden. Sie hätten auch keine Sicherheit mehr.

Mit Bescheid vom 5. August 2016 entschied das Bundesamt über die Anträge der Kläger. Es lehnte die Asylanträge (Ziffer 2. des Bescheids) und die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1. des Bescheids) ab. Weiter wurden die Anträge auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz abgelehnt (Ziffer 3. des Bescheids) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes/AufenthG (Ziffer 4. des Bescheids) nicht vorliegen würden. Den Klägern wurde die Abschiebung nach Nigeria angedroht (Ziffer 5. des Bescheids). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6. des Bescheids).

Der Bescheid wurde laut Postzustellungsurkunde am 12. August 2016 der Klägerin zu 1 zugestellt.

Per Telefax ließen die Kläger durch ihre Bevollmächtigte am 23. August 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg gegen die Bundesrepublik Deutschland erheben mit dem Antrag:

1. Der Bescheid des Bundsamtes vom 5. August 2016 mit dem Geschäftszeichen ... wird in Ziffern 1 und 3 bis 6 aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass den Klägern die Flüchtlingseigenschaft bzw. hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen ist.

3. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 2. Juni 2017 ausgeführt, dass die Klägerin zu 1 in ihrer Heimat Nigeria Opfer von Menschenhandel geworden sei. Regelmäßig werde dabei, wie auch von der Klägerin zu 1 konkret geschildert, mit dem Opfer ein Auswanderungsvertrag ausgehandelt. Der Vertragspartner erklären sich zur Übernahme der Reisekosten sowie zur Organisation der Reise nach Europa bereit, während das Opfer verspreche, das Geld zurückzuzahlen, den Menschenhändlern bedingungslos untergeben zu sein und sie nicht bei der Polizei anzuzeigen. Die Vereinbarung werde oft im Rahmen einer Zeremonie besiegelt. Sowohl in Europa als auch in Nigeria werde durch dieses Netzwerk auf die Opfer und deren Familien ein erheblicher Druck ausgeübt, um die Rückzahlung der hohen Schulden zu bewerkstelligen. Die Klägerin zu 1 wäre bei einer Rückkehr nach Nigeria unter Zugrundelegung der vorliegenden Erkenntnismittel konkret gefährdet, indem das ihrer Madame umspannende Menschenhändlernetzwerk sie zur Abarbeitung ihrer noch nicht bezahlten Schulden im Wege der Prostitution zwingen oder ihr physische Gewalt bis hin zu einer Tötung antun würde.

Zudem drohe der Klägerin zu 2 bei einer Rückkehr die Genitalverstümmelung.

Die Beklagte legte am 20. Oktober 2016 die Behördenakten vor.

Mit Beschluss vom 12. Mai 2017 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Den seitens der Klägerin zu 1 gestellten Anträgen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ... wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 12. Juni 2017 entsprochen.

Am 21. Juni 2017 wurde die Verwaltungsstreitsache mündlich verhandelt.

Die Bevollmächtigte der Kläger stellte den Antrag aus der Klage vom 23. August 2016.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sachverhalts auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2017, sowie auf den gesamten Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Über die Klagen konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2017 entschieden werden. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten nach § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

Die zulässigen Klagen sind unbegründet.

Der Bescheid vom 5. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger zu 1 bis 4 nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-​) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.

In der Klage wird geltend gemacht, dass die Klägerin zu 1 in Nigeria Opfer von Menschenhandel geworden sei (nachfolgend unter a) und der Klägerin zu 2 bei einer Rückkehr nach Nigeria Genitalverstümmelung (nachfolgend unter b) drohe.

Das Gericht bewertet jedoch die behaupteten Verfolgungsgeschichten als unglaubhaft.

Es obliegt nämlich dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).

An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Ausländer im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint.

So liegt der Fall hier.

a) Es lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin zu 1 vor ihrer Ausreise aus Nigeria oder im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria landesweit von politischer Verfolgung betroffen war bzw. bedroht sein wird.

Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich der alleinstehenden Frauen, die von Menschenhandel betroffen sind oder waren, sich davon befreit haben (und die Täter angezeigt haben vgl. VG Würzburg, U.v. 17.11.2015 – W 2 K 14.30213 – juris) mag die Zugehörigkeit zu einer abgrenzbaren sozialen Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG darstellen. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 AsylG wegen begründeter Furcht vor Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) kommt im Falle der Klägerin zu 1 jedoch nicht in Betracht, da ihr Vorbringen nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlungen nicht glaubhaft ist bzw. zur Überzeugung des Gerichts nicht den Tatsachen entspricht.

Die Verfolgungsgeschichte der Klägerin zu 1 ist vielmehr derart von nicht aufklärbaren Widersprüchen und Ungereimtheiten gekennzeichnet, dass das Gericht nicht die volle tatrichterliche Überzeugung (§ 108 VwGO) gewonnen hat, dass von einer Verfolgung der Klägerin zu 1 als Opfer von Menschenhandel auszugehen ist.

Die Klägerin zu 1 konnte den geltend gemachten Verfolgungsgrund, in Nigeria Opfer von Menschenhandel geworden zu sein, nicht glaubhaft machen.

Im gesamten Vortrag ergeben sich zunächst erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der Reise und der Aufenthaltsorte der Klägerin zu 1.

Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt gab die Klägerin zu 1 an, vor ihrer Einreise in Italien sieben Monate in Mali und zwei bzw. fünf Monate in Tunesien (Protokoll über die Anhörung vor dem Bundesamt, nachfolgend: BA-Protokoll, S. 2 Frage 7 und S. 4) gelebt zu haben. Da ihre Ausreise aus Nigeria im Jahr 1995 gewesen sein soll, ist der Vortrag in der mündlichen Verhandlung (Niederschrift über die mündliche Verhandlung, nachfolgend: Niederschrift, S. 4), im Jahr 2000 nach Italien gekommen zu sein, ebenso unschlüssig, wie ihr Vortrag hierzu vor dem Bundesamt (BA-Protokoll, S. 2 Frage 7), 5 Jahre bevor ihre Kinder geboren worden seien, nach Italien gekommen zu sein, was dann im Jahr 2002 gewesen wäre.

Weiter will die Klägerin zu 1 nach ihrem Vortrag im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt (BA-Protokoll, S. 4) nach ihrer Ankunft in Italien nach ... gekommen und vom Schleuser aufgesucht worden sein. Das Leben einer Prostituierten habe angefangen.

In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin zu 1 an, sechs Monate in ... gelebt zu haben. Sollte die Klägerin zu 1 tatsächlich Opfer von Menschenhandel geworden sein, hätte sie nicht unbehelligt sechs Monate in ... bei Personen aus Ghana leben können. Mit Sicherheit wäre sie gleich angegangen worden, das ausstehende Geld zu bezahlen oder zu „erarbeiten“. Sie gab hierzu in der mündlichen Verhandlung an, in ... gar nichts getan zu haben. Nicht nachvollziehbar ist es in diesem Zusammenhang, dass der Schleuser wegen des ausstehenden Geldbetrags für die Reise mit dem Vater der Klägerin zu 1 in Nigeria Kontakt aufgenommen haben soll, während dieser in ... jedenfalls nicht an die Klägerin zu 1 herangetreten sein soll, dies, obwohl sie sich ihren Angaben entsprechend dort sechs Monate lang aufgehalten hat (Niederschrift, S. 4).

Während die Klägerin zu 1 vor dem Bundesamt vortrug, in ... – wenn auch ungern – als Prostituierte gearbeitet zu haben (BA-Protokoll, S. 4), verneinte sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Tätigkeit als Prostituierte in Italien (Niederschrift, s. 4).

In diesem Zusammenhang ist es völlig unglaubwürdig, dass die Klägerin zu 1 ab dem Jahr 2001 und danach in dem Zeitraum, als sie mit dem Vater ihrer Kinder zusammen war, also von 2006 bis 2012/2013, keinerlei Probleme mit dem Schleuser wegen der von ihr noch nicht bezahlten Reisekosten gehabt haben will. Ebenso unglaubwürdig ist, dass die Klägerin zu 1 im Jahr 2001 unproblematisch von ... weggehen konnte und die Zeit bis 2006 im Grunde allenfalls mit sehr geringen finanziellen Mitteln überstanden haben will.

Weiter ist es nicht glaubhaft, dass sie unproblematisch von ... nach ... fliegen konnte.

Die Unglaubwürdigkeit des Sachvortrags der Klägerin zu 1 wird auch durch die unschlüssigen Ausführungen zu dem Grund ihrer Ausreise im Jahr 1995 untermauert. Sie gab an, vergewaltigt worden zu sein und in der Folge ein Kind bekommen zu haben. Sollte die Vergewaltigung tatsächlich der Grund für ihre Ausreise gewesen sein, ist nicht nachvollziehbar, warum die Ausreise erst im Jahr 1995 erfolgt sein soll, während das Kind bereits im Jahr 1989 geboren wurde. Auch insoweit lässt sich ein weiterer Widerspruch feststellen. In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin zu 1 an, Nigeria verlassen zu haben, als ihr Kind ein Jahr alt gewesen wäre. Das kann nicht in Einklang gebracht werden mit ihrer Ausreise im Jahr 1995.

Die Schilderung der Klägerin zu 1 zu ihrer Schleusung aus Nigeria ist jedenfalls nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismaterialien nicht als Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen anzusehen. Ansonsten hätte sie nicht derart lange Zeitspannen, wie von der Klägerin zu 1 selbst geschildert, ohne Einflussnahme des Schleusers leben können. Auch wäre es der Klägerin zu 1 mit Sicherheit nicht so leicht gelungen, sich der Tätigkeit, als Prostituierte zu arbeiten, zu entziehen. Wenn die Klägerin zu 1 zwar auch von Bedrohungen ihrer Person und ihrer in Nigeria lebenden Familie berichtet, so wurden hierzu keine konkreten Bedrohungen erwähnt. Vielmehr führte sie in der mündlichen Verhandlung aus, an den Voodoo-Zauber, mit dem die Bedrohungen verknüpft sind, selbst nicht mehr zu glauben, da ihren Kindern tatsächlich nichts passiert sei (BA-Protokoll, S. 5).

Da der Sachvortrag der Klägerin zu 1, sie sollte zur Prostitution gezwungen werden, um ihre Schulden für die Organisation der Reise abzuarbeiten, nach alledem nicht glaubhaft ist, kann zur Überzeugung des Gerichts hier nicht von einer Bedrohung der Klägerin zu 1 durch Menschenhändler ausgegangen werden, so dass die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG nicht in Betracht kommt.

b) Soweit für die Klägerin zu 2 im Fall einer Rückkehr nach Nigeria eine Genitalverstümmelung geltend gemacht wird, kann auch insoweit zur Überzeugung des Gerichts nicht von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eintretenden Gefahr für die Klägerin zu 2 ausgegangen werden.

Allerdings geht das Gericht nach den vorliegenden Erkenntnissen grundsätzlich davon aus, dass die weibliche Genitalverstümmelung in allen bekannten Formen nach wie vor in Nigeria verbreitet ist. Schätzungen zur Verbreitung der weiblichen Genitalverstümmelung gehen jedoch weit auseinander und reichen von 19% bis zu 50% bis 60% (vgl. dazu etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – vom 21. November 2016, Stand September 2016, Nr. II.1.8).

Es wird zwar teilweise von einem Rückgang der Beschneidungspraxis bzw. einem Bewusstseinswandel ausgegangen, dennoch ist die Beschneidungspraxis noch in den Traditionen der nigerianischen Gesellschaft verwurzelt. Nach traditioneller Überzeugung dient die weibliche Genitalverstümmelung der Sicherung der Fruchtbarkeit, der Kontrolle der weiblichen Sexualität, der Verhinderung von Promiskuität und der Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft der Frauen durch eine Heirat. Angesichts des Umstandes, dass teilweise nur eine beschnittene Frau als heiratsfähig angesehen wird, kann der Druck auf die Betroffenen als auch auf deren Eltern zur Durchführung einer Beschneidung erheblich sein. Zur Erreichung der „Heiratsfähigkeit“ sind häufig gerade weibliche Familienmitglieder bemüht, die Beschneidung durchführen zu lassen und mitunter erfolgt dies auch gegen den Willen der Eltern. Übereinstimmend wird davon ausgegangen, dass die weibliche Genitalverstümmelung besonders in ländlichen Gebieten und hierbei insbesondere im Süden bzw. Südwesten und im Norden des Landes verbreitet ist. Das Beschneidungsalter variiert von kurz nach der Geburt bis zum Erwachsenenalter und ist abhängig von der jeweiligen Ethnie. Eine einheitliche, bundesweite Gesetzgebung gegen die Beschneidungspraxis gibt es nicht, eine Verfolgung ist lediglich nach dem allgemeinen Strafrecht möglich. Einige Bundesstaaten, darunter auch, haben Gesetze gegen die Genitalverstümmelung erlassen; allerdings sind Verfahren bislang nicht bekannt geworden; ein effektiver Schutz von Frauen und Mädchen durch diese Gesetze müsse bezweifelt werden, jedoch werde von einem Rückgang der Eingriffe berichtet; FGM werde auch gegen den Willen der Eltern durchgeführt (vgl. Auswärtiges Amt – Lagebericht – a.a.O.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 18.7.2008 und vom 21.8.2008; vgl. auch Lageberichte vom 28. August 2013, Nr. II.1.8; und vom 6. Mai 2012, Nr.II.1.8; zum Ganzen außerdem Institut für Afrikakunde, Auskunft an das VG Düsseldorf vom 28. März 2003; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Informationszentrum Asyl und Migration – weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010; ACCORD – Nigeria – Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, 21. Juni 2011, S. 6ff; WHO, Eliminating female genital mutiliation – an interagency statement – 2008, http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/43839/1/ 9789241596442_eng.pdf; VG Aachen, U.v. 16.9.2014 – 2 K 2262/13.A – juris, m.w.N.).

Auf Grund der Angaben der Klägerin zu 1 hat das Gericht jedoch nicht die Überzeugung gewonnen, dass eine Beschneidung der Klägerin zu 2 im Falle der Rückkehr in ihr Heimatland beachtlich wahrscheinlich ist.

Die Mutter der Klägerin zu 2 führt selbst aus, dass sie auf keinen Fall eine Beschneidung ihrer Tochter wolle. Daher ist davon auszugehen, dass jedenfalls im familiären Bereich eine Beschneidung der Klägerin zu 2 nicht droht. Hinzu kommt, dass der Vater der Klägerin zu 2 aus ... stammt, während die Kläger aus ... kommen. Nachdem die Klägerin zu 1 weiter ausführte, seit vier Jahren keinerlei Kontakt zu dem Vater ihrer Kinder zu haben, ist es unverständlich, wie eine Gefahr durch eine bevorstehende Beschneidung bestehen könnte.

Lediglich ergänzend wir ausgeführt, dass es nach den Erkenntnismaterialien keinerlei Beleg dafür gibt, dass bei der Volksgruppe der Edo, der die Kläger angehören wollen, überhaupt noch die Praxis der weiblichen Beschneidung durchgeführt wird. Insoweit führt die Auskunft des Bundesamts vom 7. Juli 2005 aus, dass nach Befragung der Angehörigen zu der Volksgruppe der Bini, welche auch als Edo bezeichnet werde, die „Praxis der weiblichen Beschneidung“ übereinstimmend als überkommener und bereits seit vielen Jahren als entgegenstehender Brauch zurückgewiesen worden sei (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7.7.2005, Az.: 508-516.80/43807).

2. Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG bleibt ohne Erfolg, wofür ergänzend auf die zu § 3 AsylG erläuterten Gründe (siehe unter 1.) verwiesen wird.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).

Gemessen an diesen Maßstäben haben die Klägerinnen zu 1 und 2 keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Die Schilderungen zur Gefahr sind völlig unglaubhaft und unsubstantiiert im Sinne von § 30 Abs. 1, Abs. 2 AsylG. Im Herkunftsstaat haben sie (siehe Ausführungen unter 1) keine Gefahr erlebt. Weshalb ihnen bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden, insbesondere eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder gar die Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) drohen sollte, ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar geworden. Schließlich besteht in Nigeria auch kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

Für die Kläger zu 3 und 4 wurden keine eigenen Asylgründe geltend gemacht, so dass auch ihnen ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) nicht zusteht.

3. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig, soweit das Nichtvorliegen von (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wurde (Ziffer 4 des Bescheids).

a) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht erkennbar.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria – hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Lagebericht, Nr. I.2.) – und die damit zusammenhängenden Gefahren grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade den Klägern drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.

Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C-15/12 – BVerwGE 146, 12-31, juris, Rn. 23 ff m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – a.a.O. – Rn. 22, 36). Die angebliche Bedrohung der Klägerin zu 1 kann, wie bereits oben unter 1. und 2. ausgeführt wurde, insoweit nicht herangezogen werden.

b) Auch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) für einen Betroffenen aufgrund allgemein für die Bevölkerung bestehender Gefahren, die über diese allgemein bestehenden Gefahren hinausgeht ist, nur im Ausnahmefall im Sinne eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (BVerwG, U. v. 31.1.2013 – a.a.O. Rn. 38). Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser allgemein bestehenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen den Betroffenen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (zum Ganzen BVerwG, U.v. 31.1.2013 a.a.O. Rn. 38).

Für derartige besondere Gefahren aufgrund schlechter humanitärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere kann im Falle der Kläger nicht davon ausgegangen werden, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria zu einem Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse führt, die im Ausnahmefall als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifiziert werden könnten. Es kann hier davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zu 1 als gesunde arbeitsfähige Frau in der Lage sein wird, ein Existenzminimum für die Familie zu sichern, zumal sie vor der Ausreise in Nigeria ihrer Mutter geholfen hat, Früchte ein- und weiter zu verkaufen. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zu 1 und ihre 3 Kinder im Falle der Rückkehr nach Nigeria Hilfe (z.B. im Rahmen einer Unterkunftsmöglichkeit) bei der noch in Nigeria lebenden 27-jährigen Tochter finden können.

4. Gegen die Befristung des Einreise– und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG sind keine substantiierten Einwände erhoben worden und solche sind auch nicht ersichtlich.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO iV. m. § 159 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.

II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die nicht ausgewiesenen Klägerinnen sind nach eigenen Angaben nigerianische Staatsangehörige. Sie reisten am 21. Januar 2017 von Italien kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 16. Februar 2017 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 23. Februar 2017 brachte die Klägerin zu 1) zur Begründung ihres Asylbegehrens vor, der Vater ihres Kindes sei im Jahr 2014 verstorben. Bei der Beerdigung hätten dessen Eltern gesagt, dass sie die Klägerin zu 2) nach deren fünftem Geburtstag zu sich holen würden. Sie dürfe die Klägerin zu 2) dann nicht mehr sehen. Außerdem befürchte sie, dass man ihre Tochter beschneiden werde. Die Familie ihres verstorbenen Partners werde sie überall über Juju finden. Sie würden sie verzaubern, so dass sie das Kind freiwillig übergeben werde.

Mit Bescheid vom 18. April 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz ab (Nrn. 1 bis 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Klägerinnen wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls wurde die Abschiebung nach Nigeria angedroht (Nr. 5). Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, der Vortrag der Klägerin zu 1) sei nicht glaubhaft. Ihre Angaben seien arm an Detail, vage und oberflächlich geblieben. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass die Klägerin zu 1) nach dem zweiten Anruf der Mutter ihres verstorbenen Partners noch mehr als ein Jahr in Nigeria geblieben sei, wenn sie Angst vor einer Wegnahme der Tochter gehabt habe. Auch die Schilderung ihrer Ausreise sei unglaubhaft. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass „eine Madame“ die Kosten einer Flugreise von Lagos nach Mailand nur mit der Vereinbarung, die Schulden würden abgearbeitet, übernehme, die Klägerin dann aber nach ihrer Weigerung, sich zu prostituierten, einfach so entlassen werde.

Mit ihrer am 23. Mai 2017 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangenen Klage verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter.

Sie beantragen,

den Bescheid des Bundesamtes vom 18. April 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerinnen als Asylberechtigte anzuerkennen, ihnen die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wiederholen sie ihr Vorbringen aus der Anhörung.

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

Einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 31. Juli 2017 abgelehnt (M 21 S. 17.41916).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowohl in diesem als auch im Eilverfahren, auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2017 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2017 verhandeln und entscheiden konnte, weil die Beklagte rechtzeitig und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden ist, ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet.

Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 - juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 - juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Die Ausführungen der Klägerin zu 1) sind insgesamt unglaubhaft.

Hinsichtlich eines vom Asylsuchenden geltend gemachten individuellen Verfolgungsschicksals muss das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Herkunftsstaat befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu. Demgemäß setzt ein Asylanspruch bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, gegenüber dem Tatgericht einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – juris Rn. 11). Werden im Laufe des Verfahrens ohne plausible Erklärung unterschiedliche Angaben gemacht, enthält das Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche, erscheinen die Darstellungen nach den Erkenntnismaterialien, der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar oder wird das Vorbringen im Laufe des Verfahrens ohne ausreichende Begründung erweitert oder gesteigert und insbesondere ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren eingeführt, so kann den Aussagen in der Regel kein Glauben geschenkt werden.

Das Vorbringen der Klägerin zu 1) zu ihrem Verfolgungsschicksal ist in sich widersprüchlich und absolut unglaubhaft. Hinsichtlich der behaupteten drohenden Beschneidung der Klägerin zu 2) hat die Klägerin zu 1) im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt selbst angegeben, das Ansinnen ihrer Schwiegermutter für einen Scherz gehalten zu haben. Zudem hat sie weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, warum es der Klägerin, die weder mit dem Kindsvater zusammengelebt noch mit dessen Familie vor seinem Tod überhaupt Kontakt hatte, nicht gelingen sollte, ihr Kind einer drohenden Beschneidung zu entziehen, zumal die Familie des Kindsvaters die Klägerin zu 1) in einer Stadt wie Lagos mit ihren über 18 Millionen Einwohnern kaum finden dürfte. Die Klägerin zu 1) hat überdies nach eigenen Angaben noch nicht einmal den Versuch unternommen hat, bei staatlichen Organisationen um Schutz zu bitten. Letztlich spricht auch die Tatsache, dass die Klägerin zu 1) nach diesem Anruf noch mehr als ein Jahr in Nigeria verbracht hat, bis sie sich zur Flucht entschlossen hat, gegen die Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens,.

Das Gericht schenkt auch dem weiteren Vortrag der Klägerin zu 1), sie habe eine Frau kennengelernt, die ihren Flug nach Italien sowie sämtliche weitere Kosten ihrer Flucht ohne Gegenleistung übernommen hat, keinen Glauben. Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, dass die von der Klägerin zu 1) erwähnte „Madame“ mit der Übernahme sämtlicher Kosten in Vorleistung geht, nur auf das Versprechen hin, diese Schulden würden später abgearbeitet, dann versucht, die Klägerin zu 1) zur Prostitution zu bewegen und bei der schlichten Weigerung der Klägerin zu 1) diese ohne weitere Druckausübung oder etwa der Rückforderung ihrer Auslagen aus dem Haus wirft. Das Gericht teilt insoweit die Einschätzung des Bundesamtes, dass dieser Vortrag der Klägerin zu 1) einzig das Ziel verfolgt, ihre finanzielle Situation im Heimatland, die es ihr erlaubt hat, auf dem Luftweg ihr Land zu verlassen und in Europa einzureisen, zu verschleiern.

Die Klage ist nach alldem als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Dieses Urteil ist unanfechtbar.

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Klägerin zu 1 (geb. am ... 1973) und ihre in Italien/... geborenen Kinder (... 2007 und ... 2009.) sind ihren eigenen Angaben nach nigerianische Staatsangehörige, die dem Volk der Edo zugehörig sind.

Der Klägerinnen zu 1 und zu 2 sowie der Kläger zu 3 sind nach eigenen Angaben von Italien kommend auf dem Landweg am 31. Juli 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.

Am 8. August 2013 beantragten die Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) die Anerkennung als Asylberechtigte.

Am ... 2013 hat die Klägerin zu 1 in Deutschland ein weiteres Kind zur Welt gebracht.

Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt am 21. Juni 2016 gab die Klägerin zu 1 an, bis zu ihrer Ausreise in, ... gelebt zu haben. Ihr Heimatland hätte sie im Jahr 1995 verlassen. Bevor sie nach Deutschland eingereist sei, habe sie sieben Monate in Mali und fünf Monate in Tunesien gelebt. In Italien habe sie am längsten gelebt. Bevor sie die Kinder bekommen habe, habe sie bereits seit über fünf Jahren in Italien gelebt. Ihre Eltern seien geschieden; ihre Mutter lebe in ...

Sie habe noch eine 27-jährige Tochter in Nigeria. Zudem würden dort auch noch Verwandte leben; sie wisse aber nicht, ob sie noch am Leben seien. Sie habe bis zur sechsten Klasse die Schule besucht. Dann habe sie familiäre Probleme gehabt. Ihr Vater habe fünf Frauen und sehr viele Kinder. Er habe von seinen Frauen erwartet, dass sie selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Sie habe der Mutter geholfen; sie hätten zur Erntezeit Früchte ein- und verkauft.

Zu ihren Asylgründen führt die Klägerin zu 1 aus:

In der Zeit, als sie ihrer Mutter geholfen habe, sei sie vergewaltigt worden. So sei auch ihre erste Tochter zur Welt gekommen. Sie habe sich geschämt, weil sie eine Tochter gehabt habe, die keinen richtigen Vater habe.

Aus diesem Grund habe sie sich entschlossen, ... zu verlassen. Sie sei in eine Stadt gekommen und habe einen Schleuser kennengelernt. Um nach Europa gehen und die Reisekosten bezahlen zu können, habe sie als Prostituierte in Europa Geld verdienen sollen. Sie habe ihre Tochter bei einem Freund gelassen, um ihre Ausreise planen zu können. Sie habe einen Eid schwören müssen, dass sie das Geld auf jeden Fall zurückzahlen werde, andernfalls würde sie umgebracht. Sie hätte eigentlich das Flugzeug Richtung Italien nehmen sollen. Der Schleuser habe sie jedoch betrogen. Sie sei mit dem Auto nach Mali gefahren worden. Es sei monatelang nichts passiert. Der Schleuser habe neue Frauen aus Nigeria geholt. Sie sei nach Tunesien gefahren und sei dort zwei Monate geblieben. Per Boot sei sie mit 150 anderen Menschen an Bord nach Italien gekommen. Sie seien von der Polizei verhört worden und man habe sie aufgefordert, innerhalb der nächsten sieben Tage auch andere Länder Europas anzustreben und Italien zu verlassen. Sie sei nach ... gegangen und der Schleuser sei gekommen, um sein Geld einzufordern. Sie habe also das Leben einer Prostituierten angefangen. Sie habe immer wieder damit aufhören wollen und habe das auch dem Schleuser gesagt. Er habe aber gesagt, das sei jetzt ihre Arbeitsstelle. Da sie wirklich nicht mehr weitermachen habe wollen, sei sie nach ... geflogen und habe dort den Vater ihrer Kinder kennengelernt. Er sei anfangs ein sehr netter Mensch gewesen. Sie habe ihm von ihren Schulden erzählt. Sie habe von ihm Kinder bekommen. Die Beziehung habe sich immer mehr verschlechtert. Sie habe ihn gebeten, die Schulden für sie zurückzubezahlen. Der Schleuser habe herausgefunden, dass sie in ... sei und die Männer sich begegnet seien. Ihr Mann habe gesagt, dass es ein Fehler gewesen sei, mit ihr Kinder zu haben. Sie solle wieder auf die Straße gehen und ihre Schulden selbst zurückbezahlen. Er habe sie noch aufgefordert, ihre Tochter zurück nach Afrika zu schicken, um sie beschneiden zu lassen. Nach dieser Situation habe sich die Beziehung stark verschlechtert; er habe sie auch immer wieder geschlagen.

Sie habe ihn vier Jahre lang gebeten, ihr bei ihrem Problem zu helfen. Er habe sich aber mit diesem Mann nicht anlegen wollen. Dann habe er sie verlassen. Als sie erfahren habe, dass sie wieder schwanger sei, habe sie ihren Mann gesucht. Freunde hätten ihr gesagt, dass er nach Nigeria zurückgegangen sie. Sie habe ihn dann einmal erreicht. Die Nachricht von ihrer Schwangerschaft habe ihn nicht glücklich gemacht. Er habe gesagt, er wolle mit ihr nichts mehr zu tun haben.

Es habe keinen schriftlichen Vertrag mit dem Schleuser gegeben, sondern eine Vereidigungszeremonie. Man habe ihr einen Fingernagel, ein Haar und auch ein Haar aus ihrem Intimbereich genommen. Diese Dinge sollten für einen Voodoo-Zauber hergenommen werden, falls sie das Geld nicht zurückzahlen könne. Es habe einen Schrein und einen Priester gegeben, der das dort durchführe.

Als sie auf der Straße gearbeitet habe, sei sie von einer Frau namens Madame ... betreut worden. Falls sie nicht arbeiten würde, sei ihr angedroht worden umgebracht zu werden. Auch die Verwandten sollten umgebracht werden. Sie hätten auch ihre Sachen gehabt, um die Voodoo-Zauber durchzuführen. Mittlerweile glaube sie nicht mehr daran. Sie habe gelernt selbst zu denken. Mit ihren Kindern sei auch nichts passiert. Sie habe gesagt, sie gehe arbeiten und sei dann aber abgehauen. Sie sei wiedergefunden worden und man habe ihr wieder gedroht, sie, ihre Mutter und die Töchter umzubringen.

Falls sie zurückkehren würde, würde ihre Tochter beschnitten werden. Sie hätten auch keine Sicherheit mehr.

Mit Bescheid vom 5. August 2016 entschied das Bundesamt über die Anträge der Kläger. Es lehnte die Asylanträge (Ziffer 2. des Bescheids) und die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1. des Bescheids) ab. Weiter wurden die Anträge auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz abgelehnt (Ziffer 3. des Bescheids) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes/AufenthG (Ziffer 4. des Bescheids) nicht vorliegen würden. Den Klägern wurde die Abschiebung nach Nigeria angedroht (Ziffer 5. des Bescheids). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6. des Bescheids).

Der Bescheid wurde laut Postzustellungsurkunde am 12. August 2016 der Klägerin zu 1 zugestellt.

Per Telefax ließen die Kläger durch ihre Bevollmächtigte am 23. August 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg gegen die Bundesrepublik Deutschland erheben mit dem Antrag:

1. Der Bescheid des Bundsamtes vom 5. August 2016 mit dem Geschäftszeichen ... wird in Ziffern 1 und 3 bis 6 aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass den Klägern die Flüchtlingseigenschaft bzw. hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen ist.

3. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 2. Juni 2017 ausgeführt, dass die Klägerin zu 1 in ihrer Heimat Nigeria Opfer von Menschenhandel geworden sei. Regelmäßig werde dabei, wie auch von der Klägerin zu 1 konkret geschildert, mit dem Opfer ein Auswanderungsvertrag ausgehandelt. Der Vertragspartner erklären sich zur Übernahme der Reisekosten sowie zur Organisation der Reise nach Europa bereit, während das Opfer verspreche, das Geld zurückzuzahlen, den Menschenhändlern bedingungslos untergeben zu sein und sie nicht bei der Polizei anzuzeigen. Die Vereinbarung werde oft im Rahmen einer Zeremonie besiegelt. Sowohl in Europa als auch in Nigeria werde durch dieses Netzwerk auf die Opfer und deren Familien ein erheblicher Druck ausgeübt, um die Rückzahlung der hohen Schulden zu bewerkstelligen. Die Klägerin zu 1 wäre bei einer Rückkehr nach Nigeria unter Zugrundelegung der vorliegenden Erkenntnismittel konkret gefährdet, indem das ihrer Madame umspannende Menschenhändlernetzwerk sie zur Abarbeitung ihrer noch nicht bezahlten Schulden im Wege der Prostitution zwingen oder ihr physische Gewalt bis hin zu einer Tötung antun würde.

Zudem drohe der Klägerin zu 2 bei einer Rückkehr die Genitalverstümmelung.

Die Beklagte legte am 20. Oktober 2016 die Behördenakten vor.

Mit Beschluss vom 12. Mai 2017 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Den seitens der Klägerin zu 1 gestellten Anträgen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ... wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 12. Juni 2017 entsprochen.

Am 21. Juni 2017 wurde die Verwaltungsstreitsache mündlich verhandelt.

Die Bevollmächtigte der Kläger stellte den Antrag aus der Klage vom 23. August 2016.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sachverhalts auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2017, sowie auf den gesamten Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Über die Klagen konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2017 entschieden werden. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten nach § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

Die zulässigen Klagen sind unbegründet.

Der Bescheid vom 5. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger zu 1 bis 4 nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-​) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.

In der Klage wird geltend gemacht, dass die Klägerin zu 1 in Nigeria Opfer von Menschenhandel geworden sei (nachfolgend unter a) und der Klägerin zu 2 bei einer Rückkehr nach Nigeria Genitalverstümmelung (nachfolgend unter b) drohe.

Das Gericht bewertet jedoch die behaupteten Verfolgungsgeschichten als unglaubhaft.

Es obliegt nämlich dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).

An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Ausländer im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint.

So liegt der Fall hier.

a) Es lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin zu 1 vor ihrer Ausreise aus Nigeria oder im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria landesweit von politischer Verfolgung betroffen war bzw. bedroht sein wird.

Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich der alleinstehenden Frauen, die von Menschenhandel betroffen sind oder waren, sich davon befreit haben (und die Täter angezeigt haben vgl. VG Würzburg, U.v. 17.11.2015 – W 2 K 14.30213 – juris) mag die Zugehörigkeit zu einer abgrenzbaren sozialen Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG darstellen. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 AsylG wegen begründeter Furcht vor Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) kommt im Falle der Klägerin zu 1 jedoch nicht in Betracht, da ihr Vorbringen nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlungen nicht glaubhaft ist bzw. zur Überzeugung des Gerichts nicht den Tatsachen entspricht.

Die Verfolgungsgeschichte der Klägerin zu 1 ist vielmehr derart von nicht aufklärbaren Widersprüchen und Ungereimtheiten gekennzeichnet, dass das Gericht nicht die volle tatrichterliche Überzeugung (§ 108 VwGO) gewonnen hat, dass von einer Verfolgung der Klägerin zu 1 als Opfer von Menschenhandel auszugehen ist.

Die Klägerin zu 1 konnte den geltend gemachten Verfolgungsgrund, in Nigeria Opfer von Menschenhandel geworden zu sein, nicht glaubhaft machen.

Im gesamten Vortrag ergeben sich zunächst erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der Reise und der Aufenthaltsorte der Klägerin zu 1.

Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt gab die Klägerin zu 1 an, vor ihrer Einreise in Italien sieben Monate in Mali und zwei bzw. fünf Monate in Tunesien (Protokoll über die Anhörung vor dem Bundesamt, nachfolgend: BA-Protokoll, S. 2 Frage 7 und S. 4) gelebt zu haben. Da ihre Ausreise aus Nigeria im Jahr 1995 gewesen sein soll, ist der Vortrag in der mündlichen Verhandlung (Niederschrift über die mündliche Verhandlung, nachfolgend: Niederschrift, S. 4), im Jahr 2000 nach Italien gekommen zu sein, ebenso unschlüssig, wie ihr Vortrag hierzu vor dem Bundesamt (BA-Protokoll, S. 2 Frage 7), 5 Jahre bevor ihre Kinder geboren worden seien, nach Italien gekommen zu sein, was dann im Jahr 2002 gewesen wäre.

Weiter will die Klägerin zu 1 nach ihrem Vortrag im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt (BA-Protokoll, S. 4) nach ihrer Ankunft in Italien nach ... gekommen und vom Schleuser aufgesucht worden sein. Das Leben einer Prostituierten habe angefangen.

In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin zu 1 an, sechs Monate in ... gelebt zu haben. Sollte die Klägerin zu 1 tatsächlich Opfer von Menschenhandel geworden sein, hätte sie nicht unbehelligt sechs Monate in ... bei Personen aus Ghana leben können. Mit Sicherheit wäre sie gleich angegangen worden, das ausstehende Geld zu bezahlen oder zu „erarbeiten“. Sie gab hierzu in der mündlichen Verhandlung an, in ... gar nichts getan zu haben. Nicht nachvollziehbar ist es in diesem Zusammenhang, dass der Schleuser wegen des ausstehenden Geldbetrags für die Reise mit dem Vater der Klägerin zu 1 in Nigeria Kontakt aufgenommen haben soll, während dieser in ... jedenfalls nicht an die Klägerin zu 1 herangetreten sein soll, dies, obwohl sie sich ihren Angaben entsprechend dort sechs Monate lang aufgehalten hat (Niederschrift, S. 4).

Während die Klägerin zu 1 vor dem Bundesamt vortrug, in ... – wenn auch ungern – als Prostituierte gearbeitet zu haben (BA-Protokoll, S. 4), verneinte sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Tätigkeit als Prostituierte in Italien (Niederschrift, s. 4).

In diesem Zusammenhang ist es völlig unglaubwürdig, dass die Klägerin zu 1 ab dem Jahr 2001 und danach in dem Zeitraum, als sie mit dem Vater ihrer Kinder zusammen war, also von 2006 bis 2012/2013, keinerlei Probleme mit dem Schleuser wegen der von ihr noch nicht bezahlten Reisekosten gehabt haben will. Ebenso unglaubwürdig ist, dass die Klägerin zu 1 im Jahr 2001 unproblematisch von ... weggehen konnte und die Zeit bis 2006 im Grunde allenfalls mit sehr geringen finanziellen Mitteln überstanden haben will.

Weiter ist es nicht glaubhaft, dass sie unproblematisch von ... nach ... fliegen konnte.

Die Unglaubwürdigkeit des Sachvortrags der Klägerin zu 1 wird auch durch die unschlüssigen Ausführungen zu dem Grund ihrer Ausreise im Jahr 1995 untermauert. Sie gab an, vergewaltigt worden zu sein und in der Folge ein Kind bekommen zu haben. Sollte die Vergewaltigung tatsächlich der Grund für ihre Ausreise gewesen sein, ist nicht nachvollziehbar, warum die Ausreise erst im Jahr 1995 erfolgt sein soll, während das Kind bereits im Jahr 1989 geboren wurde. Auch insoweit lässt sich ein weiterer Widerspruch feststellen. In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin zu 1 an, Nigeria verlassen zu haben, als ihr Kind ein Jahr alt gewesen wäre. Das kann nicht in Einklang gebracht werden mit ihrer Ausreise im Jahr 1995.

Die Schilderung der Klägerin zu 1 zu ihrer Schleusung aus Nigeria ist jedenfalls nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismaterialien nicht als Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen anzusehen. Ansonsten hätte sie nicht derart lange Zeitspannen, wie von der Klägerin zu 1 selbst geschildert, ohne Einflussnahme des Schleusers leben können. Auch wäre es der Klägerin zu 1 mit Sicherheit nicht so leicht gelungen, sich der Tätigkeit, als Prostituierte zu arbeiten, zu entziehen. Wenn die Klägerin zu 1 zwar auch von Bedrohungen ihrer Person und ihrer in Nigeria lebenden Familie berichtet, so wurden hierzu keine konkreten Bedrohungen erwähnt. Vielmehr führte sie in der mündlichen Verhandlung aus, an den Voodoo-Zauber, mit dem die Bedrohungen verknüpft sind, selbst nicht mehr zu glauben, da ihren Kindern tatsächlich nichts passiert sei (BA-Protokoll, S. 5).

Da der Sachvortrag der Klägerin zu 1, sie sollte zur Prostitution gezwungen werden, um ihre Schulden für die Organisation der Reise abzuarbeiten, nach alledem nicht glaubhaft ist, kann zur Überzeugung des Gerichts hier nicht von einer Bedrohung der Klägerin zu 1 durch Menschenhändler ausgegangen werden, so dass die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG nicht in Betracht kommt.

b) Soweit für die Klägerin zu 2 im Fall einer Rückkehr nach Nigeria eine Genitalverstümmelung geltend gemacht wird, kann auch insoweit zur Überzeugung des Gerichts nicht von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eintretenden Gefahr für die Klägerin zu 2 ausgegangen werden.

Allerdings geht das Gericht nach den vorliegenden Erkenntnissen grundsätzlich davon aus, dass die weibliche Genitalverstümmelung in allen bekannten Formen nach wie vor in Nigeria verbreitet ist. Schätzungen zur Verbreitung der weiblichen Genitalverstümmelung gehen jedoch weit auseinander und reichen von 19% bis zu 50% bis 60% (vgl. dazu etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – vom 21. November 2016, Stand September 2016, Nr. II.1.8).

Es wird zwar teilweise von einem Rückgang der Beschneidungspraxis bzw. einem Bewusstseinswandel ausgegangen, dennoch ist die Beschneidungspraxis noch in den Traditionen der nigerianischen Gesellschaft verwurzelt. Nach traditioneller Überzeugung dient die weibliche Genitalverstümmelung der Sicherung der Fruchtbarkeit, der Kontrolle der weiblichen Sexualität, der Verhinderung von Promiskuität und der Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft der Frauen durch eine Heirat. Angesichts des Umstandes, dass teilweise nur eine beschnittene Frau als heiratsfähig angesehen wird, kann der Druck auf die Betroffenen als auch auf deren Eltern zur Durchführung einer Beschneidung erheblich sein. Zur Erreichung der „Heiratsfähigkeit“ sind häufig gerade weibliche Familienmitglieder bemüht, die Beschneidung durchführen zu lassen und mitunter erfolgt dies auch gegen den Willen der Eltern. Übereinstimmend wird davon ausgegangen, dass die weibliche Genitalverstümmelung besonders in ländlichen Gebieten und hierbei insbesondere im Süden bzw. Südwesten und im Norden des Landes verbreitet ist. Das Beschneidungsalter variiert von kurz nach der Geburt bis zum Erwachsenenalter und ist abhängig von der jeweiligen Ethnie. Eine einheitliche, bundesweite Gesetzgebung gegen die Beschneidungspraxis gibt es nicht, eine Verfolgung ist lediglich nach dem allgemeinen Strafrecht möglich. Einige Bundesstaaten, darunter auch, haben Gesetze gegen die Genitalverstümmelung erlassen; allerdings sind Verfahren bislang nicht bekannt geworden; ein effektiver Schutz von Frauen und Mädchen durch diese Gesetze müsse bezweifelt werden, jedoch werde von einem Rückgang der Eingriffe berichtet; FGM werde auch gegen den Willen der Eltern durchgeführt (vgl. Auswärtiges Amt – Lagebericht – a.a.O.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 18.7.2008 und vom 21.8.2008; vgl. auch Lageberichte vom 28. August 2013, Nr. II.1.8; und vom 6. Mai 2012, Nr.II.1.8; zum Ganzen außerdem Institut für Afrikakunde, Auskunft an das VG Düsseldorf vom 28. März 2003; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Informationszentrum Asyl und Migration – weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010; ACCORD – Nigeria – Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, 21. Juni 2011, S. 6ff; WHO, Eliminating female genital mutiliation – an interagency statement – 2008, http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/43839/1/ 9789241596442_eng.pdf; VG Aachen, U.v. 16.9.2014 – 2 K 2262/13.A – juris, m.w.N.).

Auf Grund der Angaben der Klägerin zu 1 hat das Gericht jedoch nicht die Überzeugung gewonnen, dass eine Beschneidung der Klägerin zu 2 im Falle der Rückkehr in ihr Heimatland beachtlich wahrscheinlich ist.

Die Mutter der Klägerin zu 2 führt selbst aus, dass sie auf keinen Fall eine Beschneidung ihrer Tochter wolle. Daher ist davon auszugehen, dass jedenfalls im familiären Bereich eine Beschneidung der Klägerin zu 2 nicht droht. Hinzu kommt, dass der Vater der Klägerin zu 2 aus ... stammt, während die Kläger aus ... kommen. Nachdem die Klägerin zu 1 weiter ausführte, seit vier Jahren keinerlei Kontakt zu dem Vater ihrer Kinder zu haben, ist es unverständlich, wie eine Gefahr durch eine bevorstehende Beschneidung bestehen könnte.

Lediglich ergänzend wir ausgeführt, dass es nach den Erkenntnismaterialien keinerlei Beleg dafür gibt, dass bei der Volksgruppe der Edo, der die Kläger angehören wollen, überhaupt noch die Praxis der weiblichen Beschneidung durchgeführt wird. Insoweit führt die Auskunft des Bundesamts vom 7. Juli 2005 aus, dass nach Befragung der Angehörigen zu der Volksgruppe der Bini, welche auch als Edo bezeichnet werde, die „Praxis der weiblichen Beschneidung“ übereinstimmend als überkommener und bereits seit vielen Jahren als entgegenstehender Brauch zurückgewiesen worden sei (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7.7.2005, Az.: 508-516.80/43807).

2. Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG bleibt ohne Erfolg, wofür ergänzend auf die zu § 3 AsylG erläuterten Gründe (siehe unter 1.) verwiesen wird.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).

Gemessen an diesen Maßstäben haben die Klägerinnen zu 1 und 2 keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Die Schilderungen zur Gefahr sind völlig unglaubhaft und unsubstantiiert im Sinne von § 30 Abs. 1, Abs. 2 AsylG. Im Herkunftsstaat haben sie (siehe Ausführungen unter 1) keine Gefahr erlebt. Weshalb ihnen bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden, insbesondere eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder gar die Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) drohen sollte, ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar geworden. Schließlich besteht in Nigeria auch kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

Für die Kläger zu 3 und 4 wurden keine eigenen Asylgründe geltend gemacht, so dass auch ihnen ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) nicht zusteht.

3. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig, soweit das Nichtvorliegen von (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wurde (Ziffer 4 des Bescheids).

a) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht erkennbar.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria – hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Lagebericht, Nr. I.2.) – und die damit zusammenhängenden Gefahren grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade den Klägern drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.

Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C-15/12 – BVerwGE 146, 12-31, juris, Rn. 23 ff m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – a.a.O. – Rn. 22, 36). Die angebliche Bedrohung der Klägerin zu 1 kann, wie bereits oben unter 1. und 2. ausgeführt wurde, insoweit nicht herangezogen werden.

b) Auch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) für einen Betroffenen aufgrund allgemein für die Bevölkerung bestehender Gefahren, die über diese allgemein bestehenden Gefahren hinausgeht ist, nur im Ausnahmefall im Sinne eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (BVerwG, U. v. 31.1.2013 – a.a.O. Rn. 38). Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser allgemein bestehenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen den Betroffenen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (zum Ganzen BVerwG, U.v. 31.1.2013 a.a.O. Rn. 38).

Für derartige besondere Gefahren aufgrund schlechter humanitärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere kann im Falle der Kläger nicht davon ausgegangen werden, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria zu einem Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse führt, die im Ausnahmefall als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifiziert werden könnten. Es kann hier davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zu 1 als gesunde arbeitsfähige Frau in der Lage sein wird, ein Existenzminimum für die Familie zu sichern, zumal sie vor der Ausreise in Nigeria ihrer Mutter geholfen hat, Früchte ein- und weiter zu verkaufen. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zu 1 und ihre 3 Kinder im Falle der Rückkehr nach Nigeria Hilfe (z.B. im Rahmen einer Unterkunftsmöglichkeit) bei der noch in Nigeria lebenden 27-jährigen Tochter finden können.

4. Gegen die Befristung des Einreise– und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG sind keine substantiierten Einwände erhoben worden und solche sind auch nicht ersichtlich.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO iV. m. § 159 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

(1) War der Ausländer im Besitz eines Aufenthaltstitels, darf eine nach den Vorschriften dieses Gesetzes vollziehbare Abschiebungsandrohung erst vollzogen werden, wenn der Ausländer auch nach § 58 Abs. 2 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes vollziehbar ausreisepflichtig ist.

(2) Hat der Ausländer die Verlängerung eines Aufenthaltstitels mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten beantragt, wird die Abschiebungsandrohung erst mit der Ablehnung dieses Antrags vollziehbar. Im Übrigen steht § 81 des Aufenthaltsgesetzes der Abschiebung nicht entgegen.

(3) Haben Familienangehörige im Sinne des § 26 Absatz 1 bis 3 gleichzeitig oder jeweils unverzüglich nach ihrer Einreise einen Asylantrag gestellt, darf die Ausländerbehörde die Abschiebung vorübergehend aussetzen, um die gemeinsame Ausreise der Familie zu ermöglichen. Sie stellt dem Ausländer eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung aus.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.