Verwaltungsgericht München Urteil, 05. Apr. 2016 - M 2 K 15.2003

bei uns veröffentlicht am05.04.2016

Tenor

I. Der Bescheid der Landeshauptstadt München vom 16. November 2012 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 10. April 2015 werden aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung der F. …straße (zwischen J. … Straße und Fi. …-/S. …straße) im Gebiet der Beklagten. Er ist Eigentümer eines 4/10.000 Miteigentumsanteils am Grundstück FlNr. 814/19 (Gemarkung …, F. …straße …, … … …\ …, …, ..).

Die Beklagte stellte diese Erschließungsanlage bis zum Jahr 2006 in technischer Hinsicht her. Seit 1966 besteht ein Bebauungsplan (Nr. 43 a), der die Festsetzung von Straßenbegrenzungslinien und öffentlichen Verkehrsflächen der F. …straße enthält. Für die östlich an die abgerechnete Anlage angrenzenden Grundstücke enthält ein 1979 in Kraft getretener Bebauungsplan (Nr. 43 e) Festsetzungen. Er sieht auch drei von der F. …straße abzweigende Stichstraßen als öffentliche Verkehrsflächen vor, die der Erschließung der vorgesehenen Bebauung dienen sollten. Im Jahr 2003 wurde ein Aufstellungsbeschluss für eine Teiländerung dieses Bebauungsplans Nr. 43 e gefasst. Nach Satzungsbeschluss vom 3. Dezember 2008 trat dieser Bebauungsplan (Nr. 1932), der keine von der F. …straße abzweigenden öffentlichen (Stich-)Straßen mehr enthält, am 30. März 2009 in Kraft.

Mit Bescheid vom 16. November 2012 setzte die Beklagte für Erschließungsmaßnahmen an der vorgenannten Anlage einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 49,55 € fest und forderte den Kläger unter Fristsetzung zur Zahlung auf.

Den gegen diesen Bescheid gerichteten Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2015, dem Kläger zugestellt am 16. April 2015, zurück.

Am Montag, dem … Mai 2015 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte,

den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 16. November 2012 und den Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 10. April 2015 aufzuheben.

Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsatz vom … September 2015 im Wesentlichen ausgeführt: Der Beitragsbescheid sei rechtswidrig, da bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Unstreitig sei, dass die Anlage im April 2006 hergestellt wurde und auch abgerechnet werden konnte. Im Jahr 2006 habe auch ein gültiger Bebauungsplan vorgelegen, demgemäß die F. …straße rechtmäßig errichtet worden sei. Die Erschließungsanlage werde bereits durch den Bebauungsplan Nr. 43 a festgesetzt. Es sei offenbar von Anfang an so gewollt gewesen, dass die F. …straße isoliert festgesetzt wird und dann nach und nach die einzelnen Teile, wie etwa die Stichstraßen durch den Bebauungsplan Nr. 43 e, daneben festgesetzt werden. Der Bebauungsplan Nr. 43 a werde auch durch den späteren Bebauungsplan Nr. 1932 nicht geändert. Dass eine einheitliche Festsetzung der Erschließungsanlage erfolgt sein sollte, sei nicht ersichtlich. Die Beklagte gehe deshalb zu Unrecht davon aus, dass erst der später erlassene Bebauungsplan Nr. 1932, der keine Stichstraßen mehr vorsieht, die Grundlage für die Herstellung sei. Selbst wenn durch den Bebauungsplan Nr. 43 e und die Festsetzung der Stichstraßen eine einheitliche Erschließungsanlage festgesetzt worden wäre, könne trotzdem ausschließlich auf den Plan Nr. 43 a abgestellt werden. Zum einen seien die Bebauungspläne Nr. 43 e und Nr. 1932 unwirksam, zum anderen würde - für den Fall ihrer Wirksamkeit - eine rechtmäßige und zulässige Planunterschreitung vom Plan Nr. 43 e vorliegen, was zu einer rechtmäßigen Errichtung und zum Beginn der Verjährung im Jahr 2006 führen würde. Der Bebauungsplan Nr. 1932 sei unwirksam, da die im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung - absolute Festsetzungen der Geschossflächen und Grundflächen für mehrere Baugrundstücke - gegen § 16 Abs. 2 und 3 BauNVO verstoßen würden, was die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge habe. Der Bebauungsplan Nr. 43 e sei seinem Inhalt nach funktionslos und obsolet. Das Gebiet sei tatsächlich jetzt anders bebaut. Hinsichtlich der Planunterschreitung wird ausgeführt, im Zeitpunkt der Herstellung der F. …straße seien die Stichstraßen nicht realisiert worden und sollten auch nicht mehr realisiert werden. Das „Weglassen“ sei mit den Grundzügen der Planung i.S.v. § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB vereinbar. Abzustellen sei dabei auf den Bebauungsplan Nr. 43 e, nicht auf den Bebauungsplan Nr. 1932. Der Anlass für die Teiländerung des Bebauungsplans Nr. 43 e sei nicht die Anpassung der Straßenbegrenzungslinien gewesen, sondern die neue Planung der Wohnbebauung. Hätte es die neue Planung der Wohnbebauung nicht gegeben, wäre vermutlich kein neuer Bebauungsplan erlassen worden.

Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2015 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen, und erwiderte auf die Klage im Wesentlichen: Die geltend gemachte Erschließungsbeitragsforderung sei nicht verjährt, die sachlichen Beitragspflichten seien erst mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage am 3. Dezember 2008 entstanden. Mit dem Bauende am 6. April 2006 sei die Straße lediglich erstmalig ordnungsgemäß i.S.v. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB hergestellt worden. Der Ausbau habe aber nicht den Festsetzungen der geltenden Bebauungspläne entsprochen und der Straßengrund habe sich noch nicht vollständig im städtischen Eigentum befunden, da der Bebauungsplan Nr. 43 e auf der östlichen Straßenseite auf dem ehemaligen Grundstück FlNr. 814 eine unselbständige S.tich Straße und zwei weitere Stichstraßen auf dem Grundstück FlNr. 815/1 vorgesehen habe. Erst mit dem Satzungs-beschluss zum Bebauungsplan Nr. 1932 am 3. Dezember 2008 habe festgestanden, dass die Stichstraßen nicht mehr verwirklicht werden, dass sie also weder tatsächlich herzustellen noch die diesbezüglichen Flächen als Straßengrund zu erwerben sind. Der Straßengrunderwerb sei erst mit der Teiländerung des Bebauungsplans Nr. 43 e durch den Bebauungsplan Nr. 1932 vollständig gewesen. Entgegen der Auffassung der Klägerseite sei die Festsetzung der Straßenbegrenzungslinien der abgerechneten Erschließungsanlage nicht allein durch den Bebauungsplan Nr. 43 a, sondern auch durch die Bebauungspläne Nrn. 1087, 43 d, 43 e und 1932 erfolgt. Ob die abgerechnete Anlage Bestandteil eines, zweier oder gar mehrerer Bebauungspläne sei, habe für die Rechtmäßigkeit der Herstellung keine Bedeutung. Der Bebauungsplan Nr. 1932 sei auch nicht unwirksam. Im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens hätten lediglich zwei Buchgrundstücke bestanden, im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses sogar nur eines. Ein ausreichender Grundstücksbezug der Festsetzungen zur Grund- und Geschossfläche sei gegeben gewesen. Auch sei der Bebauungsplan Nr. 43 e nicht funktionslos, denn mit Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 1932 sei dieser lediglich insoweit verdrängt worden, als er geändert worden sei. Im Übrigen liege auch keine einfache Planunterschreitung vor: Die straßenmäßige Erschließung des vom Bebauungsplan Nr. 43 e umfassten Baugebiets habe nach dem planerischen Wollen über die F. …straße mit den abzweigenden Stichstraßen erfolgen sollen. Diese Stichstraßen seien nicht „schlicht weggelassen“ worden, sondern auf Grund der mit dem Bebauungsplan Nr. 1932 vorgenommenen Planungsänderung bezüglich der Bebauung für die Erschließung nicht mehr erforderlich gewesen. Anlass für die Teiländerung des Bebauungsplans Nr. 43 e sei nicht die Anpassung der Straßenbegrenzungslinien an den 2004 bis 2006 erfolgten Ausbau gewesen. Vielmehr habe die im Bebauungsplan Nr. 43 e vorgesehene Wohnbebauung nicht mehr den Anforderungen an den Lärmschutz, insbesondere im Hinblick auf die Lage des Planungsgebiets an einer Bahnlinie, entsprochen. Des Weiteren habe angesichts des hohen Bedarfs an Wohnungen der Planungsbereich nunmehr überwiegend einer Wohnbebauung mit Geschosswohnungen zugeführt werden sollen. Es sei lediglich eine Folge dieser Planungsabsichten gewesen, die bestehende Planung bezüglich der Straßengestaltung zu korrigieren. Nur auf Grund des geänderten Planungskonzepts sei beschlossen worden, auf die bisher geplanten öffentlichen Verkehrsflächen zu verzichten. Nach dem Satzungsbeschluss habe damit die Festsetzungsverjährung am 1. Januar 2009 begonnen, der Beitragsbescheid sei rechtzeitig ergangen.

In einem Parallelverfahren (M 2 K 15.2398) nahm die Beklagte mit Schriftsatz vom 1. April 2016 noch ergänzend zur Frage des planunterschreitenden Ausbaus Stellung: Es sei richtig, dass 2006 davon auszugehen war, dass ein Ausbau der Stichstraßen nicht bevorstand. Diese Annahme könne aber „nur dazu führen, dass die Er schließungsanlage „F. …straße“ abweichend vom Bebauungsplan Nr. 43 e definiert werden muss". Ebenfalls zutreffend sei, dass der Ausbau hinter den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 43 e zurückbleibe. Es seien aber beim Ausbau der F. …straße die Grundzüge der Planung verletzt worden. Zur Beurteilung komme es auf das gesamte städtebauliche Konzept an; sowohl die verkehrliche Erschließung und die Abwicklung des Verkehrs als auch die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung gehörten zu den Grundzügen der Planung. Anhaltspunkte, ob die Grundzüge der Planung verletzt sind, ergäben sich u.a. aus der Möglichkeit der Planänderung im vereinfachten Verfahren oder einer Befreiung vom Bebauungsplan. Diese hätten vorliegend nicht durchgeführt werden können. Indem die Beklagte den Bereich östlich der Anlage neu überplante, habe sie eindeutig bekundet, dass sie selbst die Grundzüge der Planung während der Straßenbaumaßnahme als verletzt angesehen habe. Im Übrigen sei das Verkehrskonzept und die Verkehrsbelastung der F. …straße massiv verändert worden, indem die Erschließung nunmehr ausschließlich über die F. …straße erfolgen sollte. Zudem sei zunächst eine Reihenhausbebauung vorgesehen gewesen, dieses Konzept sei sodann in Geschosswohnungsbau umgewandelt worden, hierin habe eine Änderung von bedeutendem Gewicht gelegen.

In der mündlichen Verhandlung am 5. April 2016 wiederholten und vertieften die Beteiligten ihr schriftsätzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten der Beklagten und der Widerspruchsbehörde verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 16. November 2012 und der (zurückweisende) Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 10. April 2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klagepartei in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Für die Herstellung der abgerechnete Erschließungsanlage konnte im Jahr 2012 kein Erschließungsbeitrag mehr festgesetzt (und dieser damit auch nicht zur Zahlung angefordert) werden, da bereits nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. bb) BayKAG i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO Festsetzungsverjährung eingetreten war. Die sachlichen Beitragspflichten (vgl. § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) entstanden bereits im Jahr 2006 (und nicht, wie die Beklagte meint, erst mit dem Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 1932 am 3. Dezember 2008), so dass die vierjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2010 endete. Zwischen den Beteiligten ist dabei hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, die zur Entstehung der sachlichen Beitragspflichten führen (vgl. hierzu im Einzelnen: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 19 Rn. 1 ff., 15 ff.; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Januar 2016, Rn. 1100 ff.) allein streitig, ab wann die Voraussetzungen des § 125 BauGB erfüllt waren. Hierzu im Einzelnen:

Sachliche (Erschließungs-)Beitragspflichten entstehen (unbeschadet der Möglichkeit einer bebauungsplanersetzenden Planung, für die vorliegend jedoch kein Anhaltspunkt besteht) erst, wenn ein Bebauungsplan in Kraft getreten ist, dem die Herstellung der Anlage - unter Berücksichtigung von § 125 Abs. 3 BauGB - entspricht (Driehaus, a.a.O., § 19 Rn. 17). Solange die abzurechnende Erschließungsanlage den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entspricht, liegt zum einen keine rechtmäßige, zum anderen keine endgültige Herstellung im Sinn der Ausbauvorstellungen einer Gemeinde vor. Für ein Entstehen der Beitragspflicht ist es dann gleichwertig möglich, entweder die bereits errichtete Anlage abzuändern, um so die Deckungsgleichheit mit dem Bebauungsplan zu erreichen, oder aber die planerischen Festsetzungen entsprechend der tatsächlichen Herstellung abzuändern (BayVGH, B.v. 25.4.2008 - 6 ZB 06.284 - juris Rn. 8).

Vorliegend kommt es dabei maßgeblich auf die Festsetzungen der im Zeitpunkt der technischen Fertigstellung der abgerechneten Anlage im Jahr 2006 wirksamen Bebauungspläne Nr. 43 a und 43 e der Beklagten an. Die Auffassung der Klagepartei, dass insoweit allein auf den die F. …straße festsetzenden Bebauungsplan Nr. 43 a, nicht aber auf den Bebauungsplan Nr. 43 e abzustellen sei, der von der F. …straße abzweigende Stichstraßen festsetzte, greift nicht durch. Wird eine Erschließungsanlage - ggf. samt unselbständiger Stichstraßen - durch mehrere Bebauungspläne festgesetzt, sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Herstellung sämtliche Bebauungspläne in den Blick zu nehmen (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 14.1.2008 - 6 CS 04.3182 - juris Rn. 5). Ebenso wenig ist der Bebauungsplan Nr. 43 e wegen einer von Klägerseite angeführten Funktionslosigkeit außer Betracht zu lassen. Nachdem eine Bautätigkeit im Geltungsbereich des den Bebauungsplan Nr. 43 e teilweise ersetzenden Bebauungsplans Nr. 1932 nicht vor dem Jahr 2008 begann, ergeben sich für eine Funktionslosigkeit des Bebauungsplans Nr. 43 e im Jahr 2006 nicht ansatzweise tragfähige Anhaltspunkte.

Nach den mithin im Jahr 2006 maßgeblichen Bebauungsplänen Nrn. 43 a und 43 e umfasste die abgerechnete Erschließungsanlage neben der F. …straße selbst auch zwei von ihr in östliche Richtung abzweigende, unselbständige (vgl. hierzu: Driehaus, a.a.O., § 12 Rn. 14 ff.; Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 10) Stichstraßen. Es handelt sich dabei um eine 16,5 m breite und rund 30 m lange öffentliche Verkehrsfläche im nordwestlichen Bereich der damaligen FlNr. 814 sowie eine 3,5 m breite und rund 55 m lange öffentliche Verkehrsfläche am südlichen Ende des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 43 e. Die dritte in diesem Bebauungsplan festgesetzte öffentliche Verkehrsfläche bleibt außer Betracht, da auf Grund ihres abknickenden Verlaufs von einer selbständigen Erschließungsanlage auszugehen gewesen wäre. Dass die Herstellung der beiden unselbständigen Stichstraßen im Jahr 2006 aus Rechtsgründen bereits nicht mehr geboten gewesen wäre, wie dies von Klägerseite angeführt wird, ist nicht ersichtlich. Zwar mag angesichts des bereits im Jahr 2003 erfolgten Aufstellungsbeschlusses für den Bebauungsplan Nr. 1932 eine Änderung der Bebauungsplanung absehbar gewesen sein. Dies ändert aber nichts daran, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 43 e bis zum In-Kraft-Treten des Bebauungsplans Nr. 1932 im Jahr 2009 rechtlich verbindlich blieben.

Nachdem die Beklagte die beiden vorgenannten - unselbständigen - Stichstraßen im Zuge der technischen Herstellung der abgerechneten Anlage bis zum Jahr 2006 nicht herstellte, bestand keine Deckungsgleichheit mit den Festsetzungen der seinerzeit wirksamen Bebauungspläne.

Diese Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hindert jedoch nach § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB nicht die Entstehung der sachlichen Beitragspflichten. Danach wird die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und die Erschließungsanlage hinter den Festsetzungen zurückbleibt. Letztere Voraussetzung, das Zurückbleiben hinter den Festsetzungen, ist zwischen den Beteiligten unstreitig (vgl. hierzu auch Driehaus, a.a.O., § 7 Rn. 32, hinsichtlich des räumlichen Zurückbleibens in Bezug auf die Länge einer Erschließungsanlage). Auch ist kein Anhaltspunkt, insbesondere kein substantiierter Vortrag der Beklagten, dafür ersichtlich, dass die Beklagte im Jahr 2006 nicht auch bereits davon ausging, ihr konkretes Bauprogramm erfüllt zu haben und sich mit den tatsächlich durchgeführten Baumaßnahmen endgültig von den Planvorgaben abzusetzen (vgl. hierzu: Driehaus, a.a.O., § 7 Rn. 33). Streitig ist vielmehr zwischen den Beteiligten allein, ob diese Abweichung mit den Grundzügen der Planung vereinbar ist i.S.v. § 125 Abs. 3 BauGB. Dies ist aus nachfolgenden Gründen zu bejahen:

Mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind Abweichungen von minderem Gewicht, die nur den - gleichsam formalen - Festsetzungsinhalt treffen, nicht hingegen auch das, was an Planungskonzeption diese Festsetzung trägt und damit den für sie wesentlichen Gehalt bestimmt. Ob das der Fall ist, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden planerischen Willen der Gemeinde. Eine Abweichung hat minderes Gewicht, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d.h. wenn angenommen werden kann, die Abweichung liege (noch) im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes der Abweichung gekannt hätte (BVerwG, U.v. 9.3.1990 - 8 C 76.88 - juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 21.5.2014 - 6 ZB 12.377 - juris Rn. 6). Die Vereinbarkeit der planabweichenden Herstellung einer Erschließungsanlage mit dem Planungskonzept ist zu bejahen, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegt. Umgekehrt ist die abweichende Erschließungsanlage dann mit den Grundzügen der Planung nicht mehr vereinbar, wenn das Konzept der geordneten städtebaulichen Entwicklung, wie es in den Festsetzungen des Bebauungsplans zum Ausdruck kommt, in wesentlichen Punkten geändert oder die nach dem be zeichneten Konzept angestrebte Entwicklung eines Gebietes behindert wird (Ernst/Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand November 2015, § 125 BauGB Rn. 14a).

Gemessen hieran ist festzustellen:

Als zentrales Argument dafür, dass die Nichterrichtung der beiden genannten (unselbständigen) Stichstraßen die Grundzüge der Planung der Bebauungspläne Nrn. 43 a und e berühren könnte, ist zu berücksichtigen, dass diese Stichstraßen der seinerzeit vorgesehenen Wohnbebauung eine (Binnen-)Erschließung durch öffentliche Verkehrsflächen vermittelt hätte. In rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht, insbesondere im Hinblick auf die öffentliche Wahrnehmung der Straßenbaulast, ergeben sich hieraus für die Anlieger im Vergleich zu einer privaten (Binnen-)Erschließung der Wohngebäude erhebliche Unterschiede. Der Auffassung der Beklagten, auch die erhebliche Veränderung der Planungskonzeption hinsichtlich der Wohnbebauung durch den Bebauungsplan Nr. 1932 (u.a. andere Situierung der Baukörper, Verzicht auf die Reihenhausbebauung im Süden) spreche dafür, dass die Grundzüge der Planung berührt seien, ist hingegen nicht zu folgen: Für die Maßgeblichkeit der Planunterschreitung kommt es vorliegend allein auf die Festsetzungen hinsichtlich der verkehrlichen Erschließung aus der Sicht im Jahr 2006 an, selbst wenn in diesem Zeitpunkt (angesichts des Aufstellungsbeschlusses für die Teiländerung des Bebauungsplans Nr. 43 e aus dem Jahr 2003) bereits die Grundzüge der neuen Bebauungsplanung bekannt gewesen sein dürften.

Richtigerweise ist indes davon auszugehen, dass die Nichterrichtung der beiden Stichstraßen die Grundzüge der Planung nicht i.S.v. § 125 Abs. 3 BauGB berührt: Entscheidend ist vor allem, dass sich hierdurch das Konzept der verkehrlichen Erschließung der bebaubaren Flächen zwischen der F. …straße und der Bahnlinie München - … im Kern nicht änderte. Eine ausreichende Erschließung dieser Bauflächen (und zwar auch der Baukörper in der im Bebauungsplan Nr. 43 e vorgesehenen Anordnung) kann in der konkreten örtlichen Situation auch ohne die beiden Stichstraßen problemlos über Grundstückszufahrten auf Privatgrund gewährleistet werden. An der generellen Erschließungskonzeption, nämlich einer ausschließlichen und zugleich ausreichenden verkehrlichen Erschließung von Westen her über die F. …straße ändert sich dadurch nichts. Bestätigt wird dies im Ergebnis auch durch die mit dem Bebauungsplan Nr. 1932 umgesetzte Erschließungskonzeption, die genau diese Weise der Erschließung festsetzt. Auch das konkret im Bebauungsplan Nr. 43 e festgesetzte Maß der beiden Stichstraßen spricht dagegen, dass ihre Nichterrichtung die Grundzüge der Planung berühren könnte. Die nördliche Stich Straße hätte eine Länge von lediglich rund 30 m aufgewiesen und insoweit lediglich eine Art „Stauraum“ zwischen der F. …straße und den Zufahrten zu den in den Bauräumen vorgesehenen Tiefgaragen dargestellt, wodurch möglicherweise einer Ende der 1970er Jahre vermuteten Entwicklung der verkehrlichen Erfordernisse in der F. …straße entsprochen werden sollte. Dass es hierzu aber gerade einer öffentlichen Verkehrsfläche bedurfte, ist nicht ersichtlich, auch nicht aus § 8 Abs. 2 des Satzungstextes für den Bebauungsplan Nr. 43 e. Wenn dort davon die Rede ist, dass die Ein- und Ausfahrten der Tiefgaragen im für die nördliche Stich Straße maßgeblichen WR 1 „ausnahmsweise an die F. …straße angebunden werden“ können, spricht dies nur dafür, dass der Satzungsgeber nach den Planungsvorstellungen Ende der 1970er Jahre im Grundsatz davon ausgegangen ist, dass die F. …straße von Grundstückszufahrten aus Tiefgaragen freigehalten werde sollte, nicht aber, dass diese allein über öffentliche Verkehrsflächen erfolgen sollte. Hinsichtlich der südlichen Stich Straße spricht bereits deren geringe Breite von nur 3,5 m und die nicht vorgesehene Wendefläche klar gegen eine wesentliche Prägung des im Bebauungsplan Nr. 43 e zum Ausdruck kommenden städtebaulichen Konzepts durch diese öffentliche Verkehrsfläche.

Waren mithin im Jahr 2006 die Voraussetzungen des § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB und die sonstigen, zwischen den Beteiligten unstreitigen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen zur Entstehung der sachlichen Beitragspflichten erfüllt, entstanden diese im Jahr 2006 kraft Gesetzes, ohne dass es diesbezüglich einer weiteren gemeindlichen Willensbildung bedurft hätte (Driehaus, a.a.O., § 7 Rn. 55).

Der Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor, insbesondere begründet allein die Tatsache, dass eine Vielzahl von Beitragsbescheiden bezüglich der F. …straße noch keine Bestandskraft erlangt haben, noch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, solange - wie hier - nicht zugleich eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage mit über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung klärungsbedürftig ist.

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(1) Wird im Flächennutzungsplan das allgemeine Maß der baulichen Nutzung dargestellt, genügt die Angabe der Geschossflächenzahl, der Baumassenzahl oder der Höhe baulicher Anlagen.

(2) Im Bebauungsplan kann das Maß der baulichen Nutzung bestimmt werden durch Festsetzung

1.
der Grundflächenzahl oder der Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen,
2.
der Geschossflächenzahl oder der Größe der Geschossfläche, der Baumassenzahl oder der Baumasse,
3.
der Zahl der Vollgeschosse,
4.
der Höhe baulicher Anlagen.

(3) Bei Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung im Bebauungsplan ist festzusetzen

1.
stets die Grundflächenzahl oder die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen,
2.
die Zahl der Vollgeschosse oder die Höhe baulicher Anlagen, wenn ohne ihre Festsetzung öffentliche Belange, insbesondere das Orts- und Landschaftsbild, beeinträchtigt werden können.

(4) Bei Festsetzung des Höchstmaßes für die Geschossflächenzahl oder die Größe der Geschossfläche, für die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen im Bebauungsplan kann zugleich ein Mindestmaß festgesetzt werden. Die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen können auch als zwingend festgesetzt werden.

(5) Im Bebauungsplan kann das Maß der baulichen Nutzung für Teile des Baugebiets, für einzelne Grundstücke oder Grundstücksteile und für Teile baulicher Anlagen unterschiedlich festgesetzt werden; die Festsetzungen können oberhalb und unterhalb der Geländeoberfläche getroffen werden.

(6) Im Bebauungsplan können nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen von dem festgesetzten Maß der baulichen Nutzung vorgesehen werden.

(1) Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 setzt einen Bebauungsplan voraus.

(2) Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 bezeichneten Anforderungen entsprechen.

(3) Die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen wird durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und

1.
die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben oder
2.
die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen.

(1) Der Erschließungsaufwand nach § 127 umfasst die Kosten für

1.
den Erwerb und die Freilegung der Flächen für die Erschließungsanlagen;
2.
ihre erstmalige Herstellung einschließlich der Einrichtungen für ihre Entwässerung und ihre Beleuchtung;
3.
die Übernahme von Anlagen als gemeindliche Erschließungsanlagen.
Der Erschließungsaufwand umfasst auch den Wert der von der Gemeinde aus ihrem Vermögen bereitgestellten Flächen im Zeitpunkt der Bereitstellung. Zu den Kosten für den Erwerb der Flächen für Erschließungsanlagen gehört im Falle einer erschließungsbeitragspflichtigen Zuteilung im Sinne des § 57 Satz 4 und des § 58 Absatz 1 Satz 1 auch der Wert nach § 68 Absatz 1 Nummer 4.

(2) Soweit die Gemeinden nach Landesrecht berechtigt sind, Beiträge zu den Kosten für Erweiterungen oder Verbesserungen von Erschließungsanlagen zu erheben, bleibt dieses Recht unberührt. Die Länder können bestimmen, dass die Kosten für die Beleuchtung der Erschließungsanlagen in den Erschließungsaufwand nicht einzubeziehen sind.

(3) Der Erschließungsaufwand umfasst nicht die Kosten für

1.
Brücken, Tunnels und Unterführungen mit den dazugehörigen Rampen;
2.
die Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen sowie von Landstraßen I. und II. Ordnung, soweit die Fahrbahnen dieser Straßen keine größere Breite als ihre anschließenden freien Strecken erfordern.

Tenor

I.

Der Bescheid der ... vom 16. November 2012 und der Widerspruchsbescheid der Regierung ... vom 30. April 2015 werden aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

III.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung der ...straße (zwischen ... Straße und ...-/...straße) im Gebiet der Beklagten. Sie ist in ungeteilter Erbengemeinschaft Miteigentümerin des zum Gesamthandsvermögen zählenden Grundstücks FlNr. ... (Gemarkung ..., ...straße 70, 72, 74, 76).

Die Beklagte stellte diese Erschließungsanlage bis zum Jahr 2006 in technischer Hinsicht her. Seit 1966 besteht ein Bebauungsplan (Nr. ...), der die Festsetzung von Straßenbegrenzungslinien und öffentlichen Verkehrsflächen der ...straße enthält. Für die östlich an die abgerechnete Anlage angrenzenden Grundstücke enthält ein 1979 in Kraft getretener Bebauungsplan (Nr. ...) Festsetzungen. Er sieht auch drei von der ...straße abzweigende Stichstraßen als öffentliche Verkehrsflächen vor, die der Erschließung der vorgesehenen Bebauung dienen sollten. Im Jahr 2003 wurde ein Aufstellungsbeschluss für eine Teiländerung dieses Bebauungsplans Nr. ... gefasst. Nach Satzungsbeschluss vom 3. Dezember 2008 trat dieser Bebauungsplan (Nr. ...), der keine von der ...straße abzweigenden öffentlichen (Stich-)Straßen mehr enthält, am 30. März 2009 in Kraft.

Mit (allein an die Klägerin gerichteten) Bescheid vom 16. November 2012 setzte die Beklagte für Erschließungsmaßnahmen an der vorgenannten Anlage einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 162.842,25 € fest und forderte die Klägerin unter Fristsetzung zur Zahlung auf.

Den gegen diesen Bescheid gerichteten Widerspruch wies die Regierung ... mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2015, der Klägerin zugestellt am 11. Mai 2015, zurück.

Am 10. Juni 2015 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte,

den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 16. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung ... vom 30. April 2015 aufzuheben.

Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsatz vom 14. Juli 2015 im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei Mitglied einer ungeteilten Erbengemeinschaft, das Grundstück FlNr. ... sei Gesamthandsvermögen. Die Klägerin sei deshalb nicht persönlich beitragspflichtig. Im Übrigen sei am 31. Dezember 2010 Festsetzungsverjährung eingetreten: Der Bebauungsplan Nr. ... setze die ...straße nicht fest und ändere sie auch nicht. Grundlage für die erstmalige endgültige Herstellung sei allein der Bebauungsplan Nr. .... Die Nichtherstellung der Stichstraßen stelle allenfalls eine Planunterschreitung bezüglich des Bebauungsplans Nr. ... dar, dessen Grundzüge der Planung nicht berührt würden. Mit dem Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. ... im Jahr 2003 sei bereits klar gewesen, dass die Stichstraßen wegfallen würden. Der Bebauungsplan Nr. ... sei im Übrigen nichtig wegen der Festsetzung absoluter Zahlen für die zulässige Grundfläche, ohne einen Grundstücksbezug herzustellen. Der Bebauungsplan Nr. ... sei inzwischen funktionslos geworden, es liege deshalb ein Gebiet nach § 34 BauGB vor.

Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2015 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen,

und erwiderte auf die Klage im Wesentlichen: Der Erschließungsbeitragsbescheid sei zu Recht an die Klägerin ergangen und auch inhaltlich hinreichend bestimmt. Die Heranziehung eines Mitglieds einer Erbengemeinschaft sei zulässig. Ein besonderer Hinweis im Beitragsbescheid oder die Begründung der Auswahl der in Anspruch genommenen Gesamtschuldnerin seien nicht erforderlich gewesen. Die geltend gemachte Erschließungsbeitragsforderung sei nicht verjährt, die sachlichen Beitragspflichten seien erst mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage am 3. Dezember 2008 entstanden. Mit dem Bauende am 6. April 2006 sei die Straße lediglich erstmalig ordnungsgemäß i. S.v. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB hergestellt worden. Der Ausbau habe aber nicht den Festsetzungen der geltenden Bebauungspläne entsprochen und der Straßengrund habe sich noch nicht vollständig im städtischen Eigentum befunden, da der Bebauungsplan Nr. ... auf der östlichen Straßenseite auf dem ehemaligen Grundstück FlNr. ... eine unselbstständige Stichstraße und zwei weitere Stichstraßen auf dem Grundstück FlNr. ... vorgesehen habe. Erst mit dem Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. ... am 3. Dezember 2008 habe festgestanden, dass die Stichstraßen nicht mehr verwirklicht werden, dass sie also weder tatsächlich herzustellen noch die diesbezüglichen Flächen als Straßengrund zu erwerben sind. Der Straßengrunderwerb sei erst mit der Teiländerung des Bebauungsplans Nr. ... durch den Bebauungsplan Nr. ... vollständig gewesen. Entgegen der Auffassung der Klägerseite sei die Festsetzung der Straßenbegrenzungslinien der abgerechneten Erschließungsanlage nicht allein durch den Bebauungsplan Nr. ..., sondern auch durch die Bebauungspläne Nrn. ..., 43 d, ... und ... erfolgt. Ob die abgerechnete Anlage Bestandteil eines, zweier oder gar mehrerer Bebauungspläne sei, habe für die Rechtmäßigkeit der Herstellung keine Bedeutung. Der Bebauungsplan Nr. ... sei auch nicht unwirksam. Im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens hätten lediglich zwei Buchgrundstücke bestanden, im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses sogar nur eines. Ein ausreichender Grundstücksbezug der Festsetzungen zur Grund- und Geschossfläche sei gegeben gewesen. Auch sei der Bebauungsplan Nr. ... nicht funktionslos, denn mit Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. ... sei dieser lediglich insoweit verdrängt worden, als er geändert worden sei. Im Übrigen liege auch keine einfache Planunterschreitung vor: Die straßenmäßige Erschließung des vom Bebauungsplan Nr. ... umfassten Baugebiets habe nach dem planerischen Wollen über die ...straße mit den abzweigenden Stichstraßen erfolgen sollen. Diese Stichstraßen seien nicht „schlicht weggelassen“ worden, sondern aufgrund der mit dem Bebauungsplan Nr. ... vorgenommenen Planungsänderung bezüglich der Bebauung für die Erschließung nicht mehr erforderlich gewesen. Anlass für die Teiländerung des Bebauungsplans Nr. ... sei nicht die Anpassung der Straßenbegrenzungslinien an den 2004 bis 2006 erfolgten Ausbau gewesen. Vielmehr habe die im Bebauungsplan Nr. ... vorgesehene Wohnbebauung nicht mehr den Anforderungen an den Lärmschutz, insbesondere im Hinblick auf die Lage des Planungsgebiets an einer Bahnlinie, entsprochen. Des Weiteren habe angesichts des hohen Bedarfs an Wohnungen der Planungsbereich nunmehr überwiegend einer Wohnbebauung mit Geschosswohnungen zugeführt werden sollen. Es sei lediglich eine Folge dieser Planungsabsichten gewesen, die bestehende Planung bezüglich der Straßengestaltung zu korrigieren. Nur aufgrund des geänderten Planungskonzepts sei beschlossen worden, auf die bisher geplanten öffentlichen Verkehrsflächen zu verzichten. Nach dem Satzungsbeschluss habe damit die Festsetzungsverjährung am 1. Januar 2009 begonnen, der Beitragsbescheid sei rechtzeitig ergangen.

Mit Schriftsatz vom 21. März 2016 äußerten sich die Klägerbevollmächtigten zu der Klageerwiderung der Beklagten.

Mit Schriftsatz vom 1. April 2016 nahm die Beklagte noch ergänzend zur Frage des planunterschreitenden Ausbaus Stellung: Es sei richtig, dass 2006 davon auszugehen war, dass ein Ausbau der Stichstraßen nicht bevorstand. Diese Annahme könne aber „nur dazu führen, dass die Erschließungsanlage „...straße“ abweichend vom Bebauungsplan Nr. ... definiert werden muss“. Ebenfalls zutreffend sei, dass der Ausbau hinter den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. ... zurückbleibe. Es seien aber beim Ausbau der ...straße die Grundzüge der Planung verletzt worden. Zur Beurteilung komme es auf das gesamte städtebauliche Konzept an; sowohl die verkehrliche Erschließung und die Abwicklung des Verkehrs als auch die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung gehörten zu den Grundzügen der Planung. Anhaltspunkte, ob die Grundzüge der Planung verletzt sind, ergäben sich u. a. aus der Möglichkeit der Planänderung im vereinfachten Verfahren oder einer Befreiung vom Bebauungsplan. Diese hätten vorliegend nicht durchgeführt werden können. Indem die Beklagte den Bereich östlich der Anlage neu überplante, habe sie eindeutig bekundet, dass sie selbst die Grundzüge der Planung während der Straßenbaumaßnahme als verletzt angesehen habe. Im Übrigen sei das Verkehrskonzept und die Verkehrsbelastung der ...straße massiv verändert worden, indem die Erschließung nunmehr ausschließlich über die ...straße erfolgen sollte. Zudem sei zunächst eine Reihenhausbebauung vorgesehen gewesen, dieses Konzept sei sodann in Geschosswohnungsbau umgewandelt worden, hierin habe eine Änderung von bedeutendem Gewicht gelegen.

In der mündlichen Verhandlung am 5. April 2016 wiederholten und vertieften die Beteiligten ihr schriftsätzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten der Beklagten und der Widerspruchsbehörde verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 16. November 2012 und der (zurückweisende) Widerspruchsbescheid der Regierung ... vom 30. April 2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klagepartei in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Zwar greift der Einwand der Klägerin, sie habe nicht persönlich zu einem Erschließungsbeitrag bezüglich des Grundstücks FlNr. ... herangezogen werden dürfen, weil das Grundstück im gesamthänderisch gebundenen Eigentum einer ungeteilten Erbengemeinschaft stehe, deren Mitglied sie sei, nicht durch: Auch Miterben mit Anteil am gesamthänderisch gebundenen Eigentum trifft die Beitragspflicht gemäß § 134 Abs. 1 BauGB, mehrere beitragspflichtige Miterben haften nach § 134 Abs. 1 Satz 4 BauGB als Gesamtschuldner (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 24 Rn. 5; ders., Kommunalabgabenrecht, Stand März 2011, § 8 Rn. 62b; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Januar 2016, Rn. 1201a; BVerwG, U.v. 11.8.1993 - 8 C 13/93 - juris Rn. 24; OVG SA, B.v. 1.7.2008 - 4 O 305/08 - juris Rn. 3; OVG Lüneburg, B.v. 11.10.2007 - 9 LC 345/04 - juris Rn. 13; VG Oldenburg, U.v. 15.4.2008 - 1 A 296/06 - juris Rn. 30; VG Braunschweig, U.v. 21.6.2000 - 8 A 383/99 - juris; aA: VG Meiningen, U.v. 6.6.2011 - 1 K 477/09 Me - juris Rn. 24; VG Koblenz, U.v. 26.6.2006 - 4 K 1305/05.KO - juris Rn. 35 ff.). Die alleinige Heranziehung der Klägerin musste im Bescheid auch nicht besonders deutlich gemacht und/oder begründet werden (Matloch/Wiens, a. a. O., Rn. 1202; Driehaus, a. a. O., § 24 Rn. 9 f.; OVG SA, B.v. 1.7.2008 - 4 O 305/08 - juris Rn. 4; OVG SA, B.v. 20.2.2002 - A 2 S 521/98 - juris Rn. 5). Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Grundsätze in einer aktuellen Entscheidung zu einem Ausgleichsbetrag nach § 154 BauGB erneut bestätigt (BVerwG, U.v. 10.9.2015 - 4 C 3/14 - juris).

Für die Herstellung der abgerechnete Erschließungsanlage konnte jedoch im Jahr 2012 kein Erschließungsbeitrag mehr festgesetzt (und dieser damit auch nicht zur Zahlung angefordert) werden, da bereits nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. bb) BayKAG i. V. m. § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO Festsetzungsverjährung eingetreten war. Die sachlichen Beitragspflichten (vgl. § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) entstanden bereits im Jahr 2006 (und nicht, wie die Beklagte meint, erst mit dem Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr.... am 3. Dezember 2008), so dass die vierjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2010 endete. Zwischen den Beteiligten ist dabei hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, die zur Entstehung der sachlichen Beitragspflichten führen (vgl. hierzu im Einzelnen: Driehaus, a. a. O., § 19 Rn. 1 ff., 15 ff.; Matloch/Wiens, a. a. O., Stand Januar 2016, Rn. 1100 ff.) allein streitig, ab wann die Voraussetzungen des § 125 BauGB erfüllt waren. Hierzu im Einzelnen:

Sachliche (Erschließungs-)Beitragspflichten entstehen (unbeschadet der Möglichkeit einer bebauungsplanersetzenden Planung, für die vorliegend jedoch kein Anhaltspunkt besteht) erst, wenn ein Bebauungsplan in Kraft getreten ist, dem die Herstellung der Anlage - unter Berücksichtigung von § 125 Abs. 3 BauGB - entspricht (Driehaus, a. a. O., § 19 Rn. 17). Solange die abzurechnende Erschließungsanlage den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entspricht, liegt zum einen keine rechtmäßige, zum anderen keine endgültige Herstellung im Sinn der Ausbauvorstellungen einer Gemeinde vor. Für ein Entstehen der Beitragspflicht ist es dann gleichwertig möglich, entweder die bereits errichtete Anlage abzuändern, um so die Deckungsgleichheit mit dem Bebauungsplan zu erreichen, oder aber die planerischen Festsetzungen entsprechend der tatsächlichen Herstellung abzuändern (BayVGH, B.v. 25.4.2008 - 6 ZB 06.284 - juris Rn. 8).

Vorliegend kommt es dabei maßgeblich auf die Festsetzungen der im Zeitpunkt der technischen Fertigstellung der abgerechneten Anlage im Jahr 2006 wirksamen Bebauungspläne Nr. ... und ... der Beklagten an. Die Auffassung, dass insoweit allein auf den die ...straße festsetzenden Bebauungsplan Nr. ..., nicht aber auf den Bebauungsplan Nr. ... abzustellen sei, der von der ...straße abzweigende Stichstraßen festsetzte, greift nicht durch. Wird eine Erschließungsanlage - ggf. samt unselbstständiger Stichstraßen - durch mehrere Bebauungspläne festgesetzt, sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Herstellung sämtliche Bebauungspläne in den Blick zu nehmen (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 14.1.2008 - 6 CS 04.3182 - juris Rn. 5). Ebenso wenig ist der Bebauungsplan Nr. ... wegen Funktionslosigkeit außer Betracht zu lassen. Nachdem eine Bautätigkeit im Geltungsbereich des den Bebauungsplan Nr. ... teilweise ersetzenden Bebauungsplans Nr. ... nicht vor dem Jahr 2008 begann, ergeben sich für eine Funktionslosigkeit des Bebauungsplans Nr. ... im Jahr 2006 nicht ansatzweise tragfähige Anhaltspunkte.

Nach den mithin im Jahr 2006 maßgeblichen Bebauungsplänen Nrn. ... und ... umfasste die abgerechnete Erschließungsanlage neben der ...straße selbst auch zwei von ihr in östliche Richtung abzweigende, unselbstständige (vgl. hierzu: Driehaus, a. a. O., § 12 Rn. 14 ff.; Matloch/Wiens, a. a. O., Rn. 10) Stichstraßen. Es handelt sich dabei um eine 16,5 m breite und rund 30 m lange öffentliche Verkehrsfläche im nordwestlichen Bereich der damaligen FlNr. ... sowie eine 3,5 m breite und rund 55 m lange öffentliche Verkehrsfläche am südlichen Ende des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. ... Die dritte in diesem Bebauungsplan festgesetzte öffentliche Verkehrsfläche bleibt außer Betracht, da aufgrund ihres abknickenden Verlaufs von einer selbstständigen Erschließungsanlage auszugehen gewesen wäre. Dass die Herstellung der beiden unselbstständigen Stichstraßen im Jahr 2006 aus Rechtsgründen bereits nicht mehr geboten gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Zwar mag angesichts des bereits im Jahr 2003 erfolgten Aufstellungsbeschlusses für den Bebauungsplan Nr. ... eine Änderung der Bebauungsplanung absehbar gewesen sein. Dies ändert aber nichts daran, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. ... bis zum In-Kraft-Treten des Bebauungsplans Nr. ... im Jahr 2009 rechtlich verbindlich blieben.

Nachdem die Beklagte die beiden vorgenannten - unselbstständigen - Stichstraßen im Zuge der technischen Herstellung der abgerechneten Anlage bis zum Jahr 2006 nicht herstellte, bestand keine Deckungsgleichheit mit den Festsetzungen der seinerzeit wirksamen Bebauungspläne.

Diese Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hindert jedoch nach § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB nicht die Entstehung der sachlichen Beitragspflichten. Danach wird die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und die Erschließungsanlage hinter den Festsetzungen zurückbleibt. Letztere Voraussetzung, das Zurückbleiben hinter den Festsetzungen, ist zwischen den Beteiligten unstreitig (vgl. hierzu auch Driehaus, a. a. O., § 7 Rn. 32, hinsichtlich des räumlichen Zurückbleibens in Bezug auf die Länge einer Erschließungsanlage). Auch ist kein Anhaltspunkt, insbesondere kein substantiierter Vortrag der Beklagten, dafür ersichtlich, dass die Beklagte im Jahr 2006 nicht auch bereits davon ausging, ihr konkretes Bauprogramm erfüllt zu haben und sich mit den tatsächlich durchgeführten Baumaßnahmen endgültig von den Planvorgaben abzusetzen (vgl. hierzu: Driehaus, a. a. O., § 7 Rn. 33). Streitig ist vielmehr zwischen den Beteiligten allein, ob diese Abweichung mit den Grundzügen der Planung vereinbar ist i. S.v. § 125 Abs. 3 BauGB. Dies ist aus nachfolgenden Gründen zu bejahen:

Mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind Abweichungen von minderem Gewicht, die nur den - gleichsam formalen - Festsetzungsinhalt treffen, nicht hingegen auch das, was an Planungskonzeption diese Festsetzung trägt und damit den für sie wesentlichen Gehalt bestimmt. Ob das der Fall ist, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden planerischen Willen der Gemeinde. Eine Abweichung hat minderes Gewicht, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d. h. wenn angenommen werden kann, die Abweichung liege (noch) im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes der Abweichung gekannt hätte (BVerwG, U.v. 9.3.1990 - 8 C 76.88 - juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 21.5.2014 - 6 ZB 12.377 - juris Rn. 6). Die Vereinbarkeit der planabweichenden Herstellung einer Erschließungsanlage mit dem Planungskonzept ist zu bejahen, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegt. Umgekehrt ist die abweichende Erschließungsanlage dann mit den Grundzügen der Planung nicht mehr vereinbar, wenn das Konzept der geordneten städtebaulichen Entwicklung, wie es in den Festsetzungen des Bebauungsplans zum Ausdruck kommt, in wesentlichen Punkten geändert oder die nach dem bezeichneten Konzept angestrebte Entwicklung eines Gebietes behindert wird (Ernst/Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand November 2015, § 125 BauGB Rn. 14a).

Gemessen hieran ist festzustellen:

Als zentrales Argument dafür, dass die Nichterrichtung der beiden genannten (unselbstständigen) Stichstraßen die Grundzüge der Planung der Bebauungspläne Nrn. ... und ... berühren könnte, ist zu berücksichtigen, dass diese Stichstraßen der seinerzeit vorgesehenen Wohnbebauung eine (Binnen-)Erschließung durch öffentliche Verkehrsflächen vermittelt hätte. In rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht, insbesondere im Hinblick auf die öffentliche Wahrnehmung der Straßenbaulast, ergeben sich hieraus für die Anlieger im Vergleich zu einer privaten (Binnen-)Erschließung der Wohngebäude erhebliche Unterschiede. Der Auffassung der Beklagten, auch die erhebliche Veränderung der Planungskonzeption hinsichtlich der Wohnbebauung durch den Bebauungsplan Nr. ... (u. a. andere Situierung der Baukörper, Verzicht auf die Reihenhausbebauung im Süden) spreche dafür, dass die Grundzüge der Planung berührt seien, ist hingegen nicht zu folgen: Für die Maßgeblichkeit der Planunterschreitung kommt es vorliegend allein auf die Festsetzungen hinsichtlich der verkehrlichen Erschließung aus der Sicht im Jahr 2006 an, selbst wenn in diesem Zeitpunkt (angesichts des Aufstellungsbeschlusses für die Teiländerung des Bebauungsplans Nr. ... aus dem Jahr 2003) bereits die Grundzüge der neuen Bebauungsplanung bekannt gewesen sein dürften.

Richtigerweise ist indes davon auszugehen, dass die Nichterrichtung der beiden Stichstraßen die Grundzüge der Planung nicht i. S.v. § 125 Abs. 3 BauGB berührt: Entscheidend ist vor allem, dass sich hierdurch das Konzept der verkehrlichen Erschließung der bebaubaren Flächen zwischen der...straße und der Bahnlinie ... im Kern nicht änderte. Eine ausreichende Erschließung dieser Bauflächen (und zwar auch der Baukörper in der im Bebauungsplan Nr. ... vorgesehenen Anordnung) kann in der konkreten örtlichen Situation auch ohne die beiden Stichstraßen problemlos über Grundstückszufahrten auf Privatgrund gewährleistet werden. An der generellen Erschließungskonzeption, nämlich einer ausschließlichen und zugleich ausreichenden verkehrlichen Erschließung von Westen her über die ...straße ändert sich dadurch nichts. Bestätigt wird dies im Ergebnis auch durch die mit dem Bebauungsplan Nr. ... umgesetzte Erschließungskonzeption, die genau diese Weise der Erschließung festsetzt. Auch das konkret im Bebauungsplan Nr. ... festgesetzte Maß der beiden Stichstraßen spricht dagegen, dass ihre Nichterrichtung die Grundzüge der Planung berühren könnte. Die nördliche Stichstraße hätte eine Länge von lediglich rund 30 m aufgewiesen und insoweit lediglich eine Art „Stauraum“ zwischen der ...straße und den Zufahrten zu den in den Bauräumen vorgesehenen Tiefgaragen dargestellt, wodurch möglicherweise einer Ende der 1970er Jahre vermuteten Entwicklung der verkehrlichen Erfordernisse in der ...straße entsprochen werden sollte. Dass es hierzu aber gerade einer öffentlichen Verkehrsfläche bedurfte, ist nicht ersichtlich, auch nicht aus § 8 Abs. 2 des Satzungstextes für den Bebauungsplan Nr..... Wenn dort davon die Rede ist, dass die Ein- und Ausfahrten der Tiefgaragen im für die nördliche Stichstraße maßgeblichen WR 1 „ausnahmsweise an die ...straße angebunden werden“ können, spricht dies nur dafür, dass der Satzungsgeber nach den Planungsvorstellungen Ende der 1970er Jahre im Grundsatz davon ausgegangen ist, dass die ...straße von Grundstückszufahrten aus Tiefgaragen freigehalten werde sollte, nicht aber, dass diese allein über öffentliche Verkehrsflächen erfolgen sollte. Hinsichtlich der südlichen Stichstraße spricht bereits deren geringe Breite von nur 3,5 m und die nicht vorgesehene Wendefläche klar gegen eine wesentliche Prägung des im Bebauungsplan Nr. ... zum Ausdruck kommenden städtebaulichen Konzepts durch diese öffentliche Verkehrsfläche.

Waren mithin im Jahr 2006 die Voraussetzungen des § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB und die sonstigen, zwischen den Beteiligten unstreitigen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen zur Entstehung der sachlichen Beitragspflichten erfüllt, entstanden diese im Jahr 2006 kraft Gesetzes, ohne dass es diesbezüglich einer weiteren gemeindlichen Willensbildung bedurft hätte (Driehaus, a. a. O., § 7 Rn. 55).

Der Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor, insbesondere begründet allein die Tatsache, dass eine Vielzahl von Beitragsbescheiden bezüglich der ...straße noch keine Bestandskraft erlangt haben, noch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, solange - wie hier - nicht zugleich eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage mit über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung klärungsbedürftig ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 162.842,25 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen. Die Gemeinde gibt bekannt, welche Grundstücke nach Satz 2 der Beitragspflicht unterliegen; die Bekanntmachung hat keine rechtsbegründende Wirkung.

(2) Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch die Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind. Im Falle des § 128 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 entsteht die Beitragspflicht mit der Übernahme durch die Gemeinde.

(3) Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Die Vorausleistung ist mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist. Ist die Beitragspflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden, kann die Vorausleistung zurückverlangt werden, wenn die Erschließungsanlage bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benutzbar ist. Der Rückzahlungsanspruch ist ab Erhebung der Vorausleistung mit 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Gemeinde kann Bestimmungen über die Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen vor Entstehung der Beitragspflicht treffen.

(1) Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 setzt einen Bebauungsplan voraus.

(2) Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 bezeichneten Anforderungen entsprechen.

(3) Die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen wird durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und

1.
die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben oder
2.
die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen.

Tenor

I.

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 25. Januar 2012 - B 4 K 10.620 - wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 11.155,66 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat keinen Erfolg. Der innerhalb der Darlegungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 - 1 BvR 2228/02 - BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.

Die beklagte Stadt hatte den Kläger mit Bescheid vom 22. Oktober 2007 zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 12.696,38 Euro für die Herstellung der Erschließungsanlage K-gäßchen (neu) nach Art. 5a Abs. 1 KAG i.V. mit den §§ 127 ff. BauGB herangezogen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2010 hob das Landratsamt K. den Bescheid insoweit auf, als darin ein höherer Beitrag als 11.155,66 Euro festgesetzt wurde und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 25. Januar 2012 die Bescheide insgesamt aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, das K-gäßchen sei nicht planungsrechtlich rechtmäßig im Sinne von § 125 BauGB hergestellt worden. Denn die tatsächliche Herstellung bleibe hinter den Festsetzungen im rechtsverbindlichen Bebauungsplan Nr. 145 in einer Weise zurück, die mit den Grundzügen der Planung nicht vereinbar sei.

Der Senat teilt die Erwägungen im angegriffenen Urteil, denen der Zulassungsantrag nichts Stichhaltiges entgegensetzt. Wie das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt hat und wovon die Beklagte selbst ausgeht, bleibt die tatsächliche Herstellung des K-gäßchens (neu) - deutlich und weit - hinter den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 145 in der Fassung der Bebauungsplanänderung vom 10. November 1983 zurück: Während im Bebauungsplan eine Gesamtstraßenbreite von 4,50 m und eine Ausweichstelle festgesetzt sind, verfügt das K-gäßchen (neu) in seinem endgültigen Ausbauzustand lediglich über eine Fahrbahnbreite einschließlich beidseitiger Rinnen aus Großsteinpflastern von 3,00 m sowie beidseitige Granitbordsteine mit einer Breite von jeweils 0,14 m (insgesamt also 3,28 m) und ist ohne Ausweichstelle angelegt worden.

Diese Planunterschreitung wäre gemäß § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB nur dann planungsrechtlich rechtmäßig mit der Folge, dass sachliche Erschließungsbeitragspflichten entstehen könnten, wenn sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar wäre. Das hat das Verwaltungsgericht mit überzeugender Begründung verneint. Daran kann auch der Stadtratsbeschluss vom 17. Mai 2001 nichts ändern, den die Beklagte mit ihrem Zulassungsantrag innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO neu in das Verfahren eingeführt hat. Die Beklagte ist zwar mit diesem neuen Vorbringen im Zulassungsverfahren nicht präkludiert (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2002 - 7 AV 3.02 - BayVBl 2003, 217; B.v. 14.6.2002 - 7 AV 1.02 - BayVBl 2003, 159). Es kann aber in der Sache keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründen, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.

Mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen. Ob das der Fall ist, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden planerischen Willen der Gemeinde (vgl. BVerwG, U.v. 15.3.2000 - 4 B 18.00 - NVwZ-RR 2000, 759). Eine Abweichung hat minderes Gewicht, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d. h. wenn angenommen werden kann, die Abweichung liege (noch) im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes der Abweichung gekannt hätte (BVerwG, U.v. 9.3.1990 - 8 C 76.88 - BVerwGE 85, 66).

Gemessen an diesem Maßstab ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die planunterschreitende Herstellung des K-gäßchens nicht mit den Grundzügen der Planung vereinbar ist. Aus der Entstehungsgeschichte der Bebauungsplanänderung 1983 ergibt sich zweifelsfrei, dass nach der Planungskonzeption mit den Festsetzungen einer Gesamtstraßenbreite von 4,50 m und einer Ausweichmöglichkeit den Mindestanforderungen an eine Erschließungsstraße entsprochen werden sollte und der Plangeber bei einer weiteren Reduzierung der Verkehrsfläche die Sicherheit der Fußgänger als nicht mehr gewährleistet angesehen hat, zumal für die Straße bei einem Gefälle von ca. 14% kein Gehsteig vorgesehen ist. Sieht die Planungskonzeption die Festsetzungen der öffentlichen Verkehrsflächen aber selbst bereits als Untergrenze an, wird der planerische Grundgedanke nicht unerheblich berührt, wenn die tatsächliche Herstellung deutlich hinter diesen Mindestanforderungen zurückbleibt. Dem Stadtratsbeschluss vom 17. Mai 2001 lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Mit ihm wird lediglich der Ausbau auf der Grundlage der Entwurfsplanung vom 2. Mai 2001 beschlossen, wie er dann später auch durchgeführt worden ist. Er enthält indes keinerlei Abwägung zu dem sich aufdrängenden Problem, wie den ursprünglichen - und die nach wie vor rechtsverbindlichen Planfestsetzungen leitenden - Sicherheitsbedenken anderweitig Rechnung getragen werden soll. Schon deshalb kann er die Planunterschreitung nicht rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 setzt einen Bebauungsplan voraus.

(2) Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 bezeichneten Anforderungen entsprechen.

(3) Die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen wird durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und

1.
die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben oder
2.
die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.