Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Jan. 2015 - M 18 K 12.5739

bei uns veröffentlicht am28.01.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid des Beklagten vom ... September 2011 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom ... Februar 2012 und in der Form des Widerspruchsbescheids von ... Oktober 2012 wird aufgehoben.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist der Vater des am ... 1998 geborenen ... Mit der Mutter des Kindes, die das alleinige Sorgerecht innehat, war der Kläger nicht verheiratet.

Mit Bescheid vom ... April 2004 wurde vom Landratsamt Fürstenfeldbruck für den Sohn des Klägers eine Inobhutnahme durch Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einer Bereitschaftspflegestelle gewährt; mit Bescheid vom ... August 2004 erfolgte eine Weiterbewilligung. Eine an den Kläger gerichtete Mitteilung über den Übergang des Unterhaltsanspruchs wegen dieser Maßnahme wurde am ... November 2004 öffentlich zugestellt, nachdem vorherige Zustellungsversuche fehlgeschlagen waren.

Mit Schreiben vom ... Februar 2006 forderte der Beklagte den Kläger wegen der beabsichtigten Erhebung eines Kostenbeitrags zur Vorlage eines Einkommensnachweises auf. Eine Reaktion des Klägers hierauf erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom ... Juni 2006 verpflichtete das Landratsamt Fürstenfeldbruck den Kläger, für die seinem Sohn gewährte Hilfe zur Erziehung einen monatlichen Kostenbeitrag von 257,- Euro zu leisten. Ob dieser Bescheid dem Kläger zugestellt werden konnte, kann nach Aktenlage nicht abschließend beurteilt werden.

Nach einem Team-Protokoll des Jugendamtes vom ... Dezember 2009 wird für den Sohn des Klägers eine Jugendhilfemaßnahme nach § 42 SGB VIII als notwendig und geeignet angesehen. Die voraussichtliche Dauer der Maßnahme ist mit „seit ...12.09 max. 60 Tage“ angegeben.

Unter dem ... Dezember 2009 richtete der Beklagte ein Schreiben an den Kläger, dass dessen Sohn seit 10. Dezember 2009 Jugendhilfe erhält und dass der Kläger zu den hierbei entstehenden Aufwendungen einen Kostenbeitrag zu leisten hat. Weiter wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass aufgrund der Jugendhilfegewährung statt der bürgerlichrechtlichen Unterhaltsverpflichtung ein öffentlichrechtlicher Kostenbeitrag fällig wird. Der Kläger wurde aufgefordert, zur Ermittlung des Kostenbeitrags Einkommensnachweise vorzulegen.

Das Schreiben vom ... Dezember 2009 enthält links neben dem Datum den handschriftlichen Vermerk „...“.

Mit an die Mutter des Sohns des Klägers adressierten Bescheid vom ... Februar 2010 wurde für den Sohn vom 10. Dezember 2009 bis zum 17. Dezember 2009 eine Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII gewährt sowie für den Zeitraum ab 18. Dezember 2009 Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 33 SGB VIII (Vollzeitpflege) durch Zahlung eines monatlichen Pflegegeldes. Mit wiederum an die Mutter des Sohns des Klägers adressierten Bescheid vom ... Juli 2010 wurde die mit Bescheid vom ... Februar 2010 gewährte Hilfe zur Erziehung in einer Pflegefamilie zum ... August 2010 eingestellt. Gleichzeitig wurde für den Sohn des Klägers ab 13. August 2010 Hilfe zur Erziehung durch Übernahme der Kosten für eine vollstationäre Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung gewährt.

Mit an den Kläger adressierten Schreiben vom ... Juni 2011 gab der Beklagte gegenüber dem Kläger erneut eine Rechtswahrungsanzeige gemäß § 92 Abs. 3 SGB VIII ab und übermittelte einen Fragebogen zur Auskunftserteilung über die Einkommensverhältnisse. Dieses Schreiben trägt wiederum den handschriftlichen Vermerk „...“ links neben dem Datum. Seitens des Klägers erfolgte hierauf keine Reaktion. Der daraufhin vom Jugendamt angeschriebene Arbeitgeber des Klägers teilte mit Schreiben vom ... August 2011 das Einkommen des Klägers für die Monate Januar bis Juli 2011 mit. Danach ergibt sich ein durchschnittlicher monatlicher Nettoverdienst von 2.572,96 Euro. Der Beklagte errechnete daraus einen monatlichen Kostenbeitrag von 475,- Euro und hörte den Kläger mit Schreiben vom ... August 2011 zur Festsetzung dieses Kostenbeitrags an.

Mit Bescheid vom ... September 2011 verpflichtete der Beklagte den Kläger zur Leistung eines monatlichen Kostenbeitrags ab 1. Januar 2010 in Höhe von monatlich 475,- Euro für die für seinen Sohn gewährte Jugendhilfe. Für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. August 2011 wurde ein Rückstand in Höhe von 9.500,- Euro festgestellt sowie eine monatliche Ratenzahlung von mindestens 250,- Euro festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 5. September 2011 - in dem ausdrücklich auf das Anhörungsschreiben vom 12. August 2011 Bezug genommen wurde - erhob die Bevollmächtigte des Klägers - sinngemäß - Widerspruch gegen den Bescheid vom ... September 2011. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Klägers der letzten zwölf Monate betrage nur gerundet 2.350,- Euro. Einkommensnachweise für die Monate Juli 2010 bis Juni 2011 wurden vorgelegt; das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen betrug 2.375,55 Euro. Das Einkommen sei auch nicht nur mit 25% pauschal zu bereinigen, da der Kläger noch etliche Verbindlichkeiten zu tilgen habe. Ein Privatinsolvenzverfahren werde geprüft. Der Kläger arbeite von zuhause und habe daher eine größere Wohnung angemietet, für die er Aufwendungen in Höhe von monatlich 1.240,- Euro habe. Ferner zahle er Kindsunterhalt in Höhe von 300,- Euro monatlich und auf verschiedene noch offen stehende Verbindlichkeiten monatliche Raten. Eine Aufstellung der monatlichen Verpflichtungen sei beigefügt, einzelne Belege hierfür könnten, wenn notwendig, vorgelegt werden. Die zu tilgenden Verbindlichkeiten lägen höher als das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Klägers. Diese Verbindlichkeiten könnten daher nur aus in der Vergangenheit gebildeten Rücklagen getilgt werden. Der Kläger sei zur Zahlung eines Kostenbeitrags daher nicht leistungsfähig.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2011 forderte der Beklagte bei der Bevollmächtigten des Klägers verschiedene Unterlagen an.

Mit Schriftsatz vom 10. Januar 2012 (ergänzt durch Schriftsatz vom 11. Januar 2012) teilte die Bevollmächtigte des Klägers mit, der Kläger lebe mit seiner Lebensgefährtin und deren (nicht vom Kläger stammenden) Kind zusammen und im Februar 2012 sei der Geburtstermin eines weiteren unterhaltsberechtigten Kindes des Klägers. Der Kläger habe erst über dritte Personen erfahren, dass sein Sohn ... nicht mehr bei seiner Mutter lebe und es sei ihm nicht klar, warum dieser bei einer Pflegefamilie untergebracht worden sei. Der Kläger sei bereit, das Kind in seine Familie aufzunehmen. Hinsichtlich der vom Kläger eingegangenen Zahlungsverpflichtungen wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

- Ein Schreiben der ...-Betriebskrankenkasse vom ... Dezember 2011, betreffend einen Schadenersatzanspruch wegen Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 30. April 2006 in Höhe von 2.981,68 Euro, in dem dem Kläger unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom ... Dezember 2011 mitgeteilt wird, dass grundsätzlich Einverständnis mit einer Stundungs- und Teilzahlungsvereinbarung besteht;

- ein Schuldanerkenntnis des Klägers vom ... Mai 2011 gegenüber der AOK über 32.030,22 Euro sowie eine Einverständniserklärung der AOK vom ... Mai 2011 über eine monatliche Ratenzahlung von 100,- Euro;

- eine Teilzahlungsvereinbarung mit der KKH vom ... April 2011, betreffend eine Summe von 4.743,10 Euro nach einem Versäumnisurteil des Amtsgerichts ..., wonach ein Vergleichsbetrag in Höhe von 1.755,- Euro in Monatsraten von 135,- Euro zu leisten ist;

- eine Teilzahlungsvereinbarung vom ... April 2011 mit der Taunus-BKK wegen einer Forderung in Höhe von 10.591,77 Euro nach einem Versäumnisurteil des Landgerichts München I, wonach ein Vergleichsbetrag in Höhe von 2.080,- Euro in monatlichen Raten von 160,- Euro zu leisten ist;

- eine Teilzahlungsvereinbarung vom ... April 2011 mit der Hanseatischen Krankenkasse über eine Forderung in Höhe von 2.072,22 Euro aufgrund eines Versäumnisurteils des Amtsgerichts München, wonach ein Vergleichsbetrag in Höhe von 728,- Euro in monatlichen Raten von 56,- Euro zu leisten ist;

- Ratenzahlungsverträge mit der Deutschen BKK vom ... Dezember 2010 bzw. vom 22. Dezember 2010, über die Leistung von Arbeitnehmeranteilen (nebst Zinsen und Kosten) in Höhe von 684,71 Euro bzw. 1.372,32 Euro, zahlbar in monatlichen Raten von 50,- Euro bzw. 100,- Euro;

- ein Ratenbewilligungsbescheid der Staatsanwaltschaft München I vom ... Januar 2011 in einer Strafsache gegen den Kläger, wonach hinsichtlich eines zu zahlenden Betrags von 4.927,- Euro eine monatliche Ratenzahlung von 400,- Euro bewilligt wird;

- ein Schreiben des Klägers vom ... November 2011 an die IKK Classik betreffend eine Ratenzahlung von monatlich 50,- Euro auf eine Schuld in Höhe von 1.086,55 Euro nebst eines Schreibens der IKK Classik vom ... November 2011 hinsichtlich des grundsätzlichen Einverständnisses mit dieser Ratenzahlung sowie ein vorausgegangenes Schreiben eines Obergerichtsvollziehers vom ... Oktober 2011 wegen Nichtabgabe der eidesstattlichen Versicherung;

- ein Schreiben eines Obergerichtsvollziehers vom ... August 2011 in einer Zwangsvollstreckungssache der Vereinigten IKK über eine Forderung von 6.208,25 Euro, wegen Nichtabgabe der eidesstattlichen Versicherung;

- ein Schuldanerkenntnis des Klägers gegenüber der WMF Betriebskrankenkasse vom ... November 2011 über eine Summe von 534,25 Euro sowie einer Ratenzahlungsvereinbarung von 25,- Euro monatlich;

- ein Schuldanerkenntnis des Klägers vom ... November 2011 gegenüber der mh plus Betriebskrankenkasse über eine Forderung in Höhe von 786,80 Euro für Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nebst Gebühren und Zinsen, verbunden mit einer Ratenzahlungsvereinbarung in Höhe von 25,- Euro monatlich;

- eine Einverständniserklärung von Bevollmächtigten der Halleschen Krankenversicherung auf Gegenseitigkeit vom ... Dezember 2011, bezugnehmend auf ein Schreiben des Klägers vom ... Dezember 2011, über eine monatliche Ratenzahlung von 25,- Euro, wobei nach einem Schreiben eines Obergerichtsvollziehers vom ... September 2011 sich die Forderung auf 1.703,65 Euro beläuft;

- ein Bußgeldbescheid vom ... September 2009, mit den gegenüber dem Kläger eine Geldbuße in Höhe von 5.000,- Euro wegen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e Nr. 2 SchwarzArbG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 HwO verhängt wurde;

- ein auf ein Schreiben des Klägers vom ... August 2011 Bezug nehmendes Schreiben eines für die BKK Essanelle handelnden Inkassounternehmens vom ... August 2011, mit dem dem Kläger eine monatliche Ratenzahlung in Höhe von 50,- Euro eingeräumt wurde, nebst einem vorausgegangenen Schreiben an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle des Amtsgerichts ..., wonach die Forderung 3.598,72 Euro beträgt.

Unter Berücksichtigung des vom Kläger mit dem Widerspruch angegebenen durchschnittlichen Monatseinkommens (2.375,55 Euro) führte das Jugendamt eine Neuberechnung der zu leistenden Kostenbeiträge durch. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2010 sowie vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Januar 2012 führte diese Berechnung zu einem monatlichen Kostenbeitrag von 425,- Euro, für den Zeitraum ab 1. Februar 2012 zu einem solchen von monatlich 380,- Euro. Dieser nunmehr niedrigere Kostenbeitrag beruht auf einer Herabstufung um eine Einkommensgruppe nach der Kostenbeitragsverordnung für das zwischenzeitlich geborene, unterhaltsberechtigte weitere Kind des Klägers.

Mit Teilabhilfebescheid vom ... Februar 2012 änderte das Landratsamt Fürstenfeldbruck seinen Leistungsbescheid vom ... September 2011 dahingehend, dass der Kläger für die seinem Sohn gewährte Jugendhilfe einen monatlichen Kostenbeitrag von 425,- Euro für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Januar 2012 und von monatlich 380,- Euro ab dem ... Februar 2012 zu leisten habe. Es wurde ein Zahlungsrückstand in Höhe von 11.005,- Euro festgestellt.

Mit Schreiben vom ... Februar 2012 legte das Kreisjugendamt Fürstenfeldbruck den Widerspruch der Regierung von Oberbayern zur Entscheidung vor.

Mit Schriftsatz vom ... April 2012 legte die Bevollmächtigte des Klägers eine Vaterschaftsanerkennung des Klägers vom ... Februar 2012 über das am ... Januar 2012 geborene Kind ... vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom ... Oktober 2012 wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch gegen den Bescheid vom ... September 2011 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom ... Februar 2012 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Jugendamt Fürstenfeldbruck in Ausübung seines Ermessens die geltend gemachten und selbstverschuldeten Schuldverpflichtungen nicht als berücksichtigungsfähige Ausgaben anerkannt habe. Es handle sich hierbei um nicht gezahlte Bußgelder und ausstehende Sozialversicherungsbeiträge, wobei die getroffenen Tilgungsvereinbarungen weit über den Grundsätzen der wirtschaftlichen Lebensführung lägen.

Der Widerspruchsbescheid wurde der Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am ... Oktober 2012 zugestellt.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 19. November 2012, der am gleichen Tag, einem Montag, bei Gericht einging, ließ der Kläger Klage erheben und sinngemäß beantragen,

den Bescheid des Landratsamts Fürstenfeldbruck vom ... September 2011 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom ... Februar 2012 und diesen in Form des Widerspruchsbescheids vom ... Oktober 2012 aufzuheben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Kläger sei in den maßgeblichen Zeiträumen zur Zahlung eines Kostenbeitrags nicht leistungsfähig gewesen. Es sei festzustellen, dass der Kläger seine Schulden nicht selbst verursacht habe. Vielmehr sei der Kläger bei Eintritt in den Betrieb in Unkenntnis der ausstehenden Sozialversicherungsleistungen gewesen. Der Kläger habe die Sozialabgaben nicht selbst vereinnahmt und verbraucht. Da die Sozialversicherungsbeiträge in einem Insolvenzverfahren nicht aufgenommen würden, bliebe nur die Möglichkeit, Ratenzahlungen anzubieten. Zum Zeitpunkt der Ratenzahlungsvereinbarungen sei der Kläger noch in Unkenntnis gewesen, dass sei Sohn im Rahmen einer Jugendhilfemaßnahme untergebracht worden sei. Hätte der Kläger Kenntnis erlangt, dass die Kindsmutter nicht erziehungsfähig sei, hätte er seinen Sohn gern selbst aufgenommen. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Kläger gegenüber einem anderen Kind unterhaltsverpflichtet gewesen sei. Weiter sei er verpflichtet gewesen, der Mutter des Neugeborenen ebenfalls Unterhaltszahlungen zu erbringen, da er mit dieser nicht zusammenlebe. Zusammenfassend sei festzustellen, dass der Kläger aufgrund seiner diversen Verbindlichkeiten nicht in der Lage gewesen sei, einen Kostenbeitrag zu erbringen.

Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Schuldverpflichtungen des Klägers seien selbst verursacht. Es handle sich um ausstehende Sozialabgaben, die sich in einem längeren Zeitraum angesammelt hätten. Insoweit sei nicht glaubhaft, dass der Kläger keine Kenntnis von der Angelegenheit gehabt habe. Die Geldbußen seien auf schuldhaftes Handeln zurückzuführen. Die Ratenzahlungen seien im Wesentlichen im Jahr 2011 vereinbart worden. Dem Kläger sei aber schon mit Rechtswahrungsanzeige vom ... Dezember 2009 mitgeteilt worden, dass für seinen Sohn Jugendhilfe geleistet werde und er dafür einen Kostenbeitrag zu leisten habe. Auch nach Zugang des Leistungsbescheids vom ... September 2011 habe der Kläger weitere Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen. Die vereinbarten Ratenzahlungen seien, zusammen mit sonstigen Verpflichtungen, höher als das monatliche Durchschnittseinkommen und entbehrten damit einer wirtschaftlich vertretbaren Grundlage. Der Kläger habe auch in der Vergangenheit nie auf Schreiben des Jugendamts reagiert und habe auch nicht in anderer Weise Interesse an der Situation seines Kindes bekundet. Das zweite Kind des Klägers finde ab dem Zeitpunkt seiner Geburt Berücksichtigung bei der Berechnung des Kostenbeitrags.

Mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 lehnte die erkennende Kammer einen vom Kläger gestellten Prozesskostenhilfeantrag ab. Im Rahmen der gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde ließ der Kläger den Zugang des Schreibens vom ... Dezember 2009 bestreiten. Mit Beschluss vom 18. November 2014 (Az.: 12 C 14.2416) hob der BayVGH den Beschluss vom 8. Oktober 2014 auf und bewilligte dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren. Diese Entscheidung wurde maßgeblich darauf gestützt, dass der Beklagte den Zugang des Mitteilungs- und Aufklärungsschreibens vom ... Dezember 2009 an den Kläger nicht beweisen konnte.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2015 brachte der Beklagte ergänzend vor, schon im Rahmen einer vom 1. August 2004 bis zum 4. August 2006 gewährten Jugendhilfe sei dem Kläger ein Leistungsbescheid über einen Kostenbeitrag zugestellt worden, so dass dem Kläger bekannt gewesen sei, dass er bei stationärer Jugendhilfe kostenbeitragspflichtig sei. Entgegen der Behauptung im Beschwerdeschreiben vom ... Oktober 2014, der Kläger habe erstmalig mit dem Bescheid vom September 2011 Kenntnis von den Forderungen des Beklagten erhalten, habe dem Kläger zumindest die Anhörung vom ... August 2011 vorgelegen, was aus dem Schreiben der Klägerbevollmächtigen vom 5. September 2011 hervorgehe. Weiter sei darauf hinzuweisen, dass Ratenzahlungen auch nach Kenntnis der Forderungen des Beklagten vereinbart worden seien, der Kläger also keine Anstrengungen unternommen habe, seine Zahlungsverpflichtungen zu reduzieren.

Die Verwaltungsstreitsache wurde am 28. Januar 2015 mündlich verhandelt. Die Parteien wiederholten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom ... September 2011 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom ... Februar 2012, diese in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom ... Oktober 2012, ist rechtwidrig und verletzt als belastender Verwaltungsakt den Kläger damit in seinen Rechten.

Nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII kann ein jugendhilferechtlicher Kostenbeitrag bei den Eltern, Ehegatten und Lebenspartnern ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Bei dieser Mitteilung einschließlich der erforderlichen Aufklärung handelt es sich um eine materielle Tatbestandsvoraussetzung der Beitragserhebung, unabhängig davon, ob der Pflichtige gegenüber dem Hilfeempfänger bar- oder naturalunterhaltsverpflichtet ist (BayVGH v. 18.11.2014 Az.: 12 C 14.2416 - juris, Rn. 2, m. w. N.; vgl. auch OVG NRW v. 27.3.2014 Az.: 12 A 149/14 - juris, Rn. 3). Da es sich um ein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal handelt, muss die Behörde den Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung im Bestreitensfall beweisen können; lässt sich der Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung nicht nachweisen, geht diese stets zulasten der Behörde (BayVGH v. 18.11.2014 a. a. O., Rn. 3).

Vorliegend hat der Kläger bestritten, vor Erlass des Kostenbeitragsbescheids vom 2. September 2011 Kenntnis von dem Mitteilungs- und Aufklärungsschreiben des Beklagten vom ... Dezember 2009 gehabt zu haben. Aus den vorliegenden Behördenakten ergibt sich kein Nachweis auf den Zugang dieses Schreibens (vgl. BayVGH v. 18.11.2014 a. a. O. Rn. 4). Auch aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 21. Januar 2015 kann ein solcher Nachweis nicht hergeleitet werden. Dieser Schriftsatz verhält sich zur Frage des Zugangs des Schreibens vom 18. Dezember 2009 an den Kläger nicht, sondern stellt vielmehr darauf ab, dass der Kläger jedenfalls Kenntnis von dem Anhörungsschreiben vom ... August 2011 hatte. Dies wird im Widerspruchsschreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 5. September 2011 auch ausdrücklich eingeräumt. Auch trifft der Einwand des Beklagten zu, dass der Kläger nach dem Anhörungsschreiben vom ... August 2011 weitere Ratenzahlungsverpflichtungen eingegangen ist (mit der Mobil-Betriebskrankenkasse am .../... Dezember 2011, mit der IKK Classik am .../... November 2011, mit der WMF Betriebskrankenkasse am ... November 2011, gegenüber der mh plus+ Betriebskrankenkasse ebenfalls vom ... November 2011 und mit der Halleschen Krankenversicherung auf Gegenseitigkeit am .../... Dezember 2011). Für die Frage des Zugangs des Mitteilungs- und Aufklärungsschreibens vom ... Dezember 2009 gibt dies indes nichts her.

Auch der Hinweis des Beklagten auf eine frühere, gleichartige Jugendhilfeleistung in den Jahren 2004 bis 2006 rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die Erhebung eines Kostenbeitrags ist jeweils an eine konkrete Jugendhilfemaßnahme gebunden. Auf die Frage, ob bei einer lediglich kurzen Unterbrechung einer solchen Maßnahme eine erneute Mitteilung nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII entbehrlich sein könnte, kommt es hier nicht an, da die Jugendhilfemaßnahme, für die der streitige Kostenbeitrag erhoben wurde, ca. drei Jahre nach Ende der früheren Jugendhilfeleistung bewilligt wurde. Ein „Fortwirken“ einer eventuellen früheren Mitteilung nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist damit auszuschließen.

Da es damit bereits an der Tatbestandsvoraussetzung für einen Kostenbeitrag nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII fehlt, kommt es auf die in der Klageschrift vorgebrachten Aspekte nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
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2.
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(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.

(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.

Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.

(1) Zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen sind Elternteile aus ihrem Einkommen nach Maßgabe der §§ 93 und 94 heranzuziehen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.

(1a) Unabhängig von ihrem Einkommen sind nach Maßgabe von § 93 Absatz 1 Satz 3 und § 94 Absatz 3 heranzuziehen:

1.
Kinder und Jugendliche zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen,
2.
junge Volljährige zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1, 4 und 8 genannten Leistungen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 19 zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 2 genannten Leistungen,
4.
Elternteile zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.

(2) Die Heranziehung erfolgt durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird; Elternteile werden getrennt herangezogen.

(3) Ein Kostenbeitrag kann bei Eltern ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Ohne vorherige Mitteilung kann ein Kostenbeitrag für den Zeitraum erhoben werden, in welchem der Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Pflichtigen fallen, an der Geltendmachung gehindert war. Entfallen diese Gründe, ist der Pflichtige unverzüglich zu unterrichten.

(4) Ein Kostenbeitrag kann nur erhoben werden, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter nicht geschmälert werden. Von der Heranziehung der Eltern ist abzusehen, wenn das Kind, die Jugendliche, die junge Volljährige oder die Leistungsberechtigte nach § 19 schwanger ist oder der junge Mensch oder die nach § 19 leistungsberechtigte Person ein leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(5) Von der Heranziehung soll im Einzelfall ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn sonst Ziel und Zweck der Leistung gefährdet würden oder sich aus der Heranziehung eine besondere Härte ergäbe. Von der Heranziehung kann abgesehen werden, wenn anzunehmen ist, dass der damit verbundene Verwaltungsaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Kostenbeitrag stehen wird.

(1) Der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe ist nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. Personengesellschaften im Sinne dieses Gesetzes sind Personenhandelsgesellschaften und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts.

(2) Ein Gewerbebetrieb ist ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfaßt, das in der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten). Keine wesentlichen Tätigkeiten sind insbesondere solche, die

1.
in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können,
2.
zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet ist, oder
3.
nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind.
Die Ausübung mehrerer Tätigkeiten im Sinne des Satzes 2 Nr. 1 und 2 ist zulässig, es sei denn, die Gesamtbetrachtung ergibt, dass sie für ein bestimmtes zulassungspflichtiges Handwerk wesentlich sind.

(3) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlage A zu diesem Gesetz dadurch zu ändern, daß es darin aufgeführte Gewerbe streicht, ganz oder teilweise zusammenfaßt oder trennt oder Bezeichnungen für sie festsetzt, soweit es die technische und wirtschaftliche Entwicklung erfordert.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. Oktober 2014 - Az.: M 18 K 12.5739 - wird aufgehoben.

II.

Dem Kläger wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Anja F. beigeordnet.

Gründe

Der Kläger beansprucht mit seiner Beschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, mit dem er sich gegen die Heranziehung zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag wendet.

Die zulässige Beschwerde, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat, ist begründet, da die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bietet. Denn nach § 92 Abs. 3 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) kann ein jugendhilferechtlicher Kostenbeitrag bei einem Elternteil des Hilfeempfängers erst ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab dem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Bei der Mitteilung einschließlich der erforderlichen Aufklärung handelt es sich um eine materielle Tatbestandsvoraussetzung der Beitragserhebung, unabhängig davon, ob der Pflichtige gegenüber dem Hilfeempfänger bar- oder naturalunterhaltsverpflichtet ist (vgl. BVerwG, U. v. 11.10.2012 - 5 C 22.11 - BVerwGE 144, 313 ff. Rn. 9 ff.). Weiter stellt die Mitteilung keinen Verwaltungsakt, sondern schlichtes Verwaltungshandeln dar, so dass sie grundsätzlich keiner besonderen Form bedarf.

Indes muss die Behörde ihrerseits, da es sich um ein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal handelt, den Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung im Bestreitensfall beweisen können. Lässt sich der Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung nicht nachweisen, geht dies stets zulasten der Behörde (vgl. VG München, U. v. 25.7.2012 - M 18 K 10.6260 - juris Rn. 37). Von daher fordert die Kommentarliteratur aus Beweisgründen eine Zustellung des Mitteilungsschreibens mit Postzustellungsurkunde oder gegen Empfangsbekenntnis, sofern, wie hier, die Mitteilung nicht mit dem Hilfebescheid an den Leistungsempfänger verknüpft ist (vgl. Degener in Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, § 92 SGB VIII Rn. 7 f.; Stähr in Hauck, SGB VIII, § 92 Rn. 21; Schindler in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 92 Rn. 22; Mann in Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Aufl. 2012, § 92 Rn. 14; Wiesner in Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 92 Rn. 14).

In den dem Senat auszugsweise vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten findet sich auf Bl. 383 f. der Entwurf des Mitteilungs- und Aufklärungsschreibens an den Kläger vom 18. Dezember 2009, der neben dem Datum handschriftlich ein Namenskürzel des Sachbearbeiters und den Vermerk „zP“ (wohl: zur Post) enthält. Daraus lässt sich weder nachweisen, dass das genannte Schreiben überhaupt zur Post gegeben wurde, noch, dass und wann es dem Kläger zugegangen ist. Da der Kläger seinerseits den Zugang dieses Schreibens bestreitet und sich weder der vorliegenden Verfahrensakte noch sonst Hinweise über den Zugang der Mitteilung bzw. Aufklärung nach § 92 Abs. 3 SGB VIII vor dem Zeitpunkt des Zugangs des Leistungsbescheids am 2. September 2011 finden, fehlt es an einer materiellen Voraussetzung für die Erhebung des Kostenbeitrags. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 3. November 2014 kommt es vorliegend nicht darauf an, dass der Kläger dem Gericht den Nichtzugang des Mitteilungs- und Aufklärungsschreibens nach § 92 Abs. 3 SGB VIII glaubhaft macht, sondern dass der Beklagte eine Tatbestandsvoraussetzung seines Anspruchs auf Leistung eines Kostenbeitrags beweist. Dazu ist er, jedenfalls nach gegenwärtigem Kenntnisstand, nicht in der Lage, so dass die Klage gemessen an den Maßstäben des Prozesskostenhilferechts hinreichende Erfolgsaussichten bietet, zumal auch keine Anhaltspunkte für die Entbehrlichkeit der Mitteilung nach § 92 Abs. 3 Satz 2, 3 SGB VIII erkennbar sind.

Da auch die weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO vorliegen, war der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Oktober 2014 aufzuheben und dem Kläger antragsgemäß Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Im Hinblick auf den Umstand, dass Termin zur mündlichen Verhandlung bereits auf den 3. Dezember 2014 bestimmt ist und dem Senat kein Hinweis auf dessen Aufhebung vorliegt, ergeht die Entscheidung ohne vorherige Anhörung des Beklagten (§ 118 Abs. 1 Satz 1 2. Hs ZPO).

Einer Kostenentscheidung bedurfte es vorliegend nicht, da Gerichtskosten in Angelegenheiten der Jugendhilfe nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben und Kosten im prozesskostenhilferechtlichen Beschwerdeverfahren nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

(1) Zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen sind Elternteile aus ihrem Einkommen nach Maßgabe der §§ 93 und 94 heranzuziehen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.

(1a) Unabhängig von ihrem Einkommen sind nach Maßgabe von § 93 Absatz 1 Satz 3 und § 94 Absatz 3 heranzuziehen:

1.
Kinder und Jugendliche zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen,
2.
junge Volljährige zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1, 4 und 8 genannten Leistungen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 19 zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 2 genannten Leistungen,
4.
Elternteile zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.

(2) Die Heranziehung erfolgt durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird; Elternteile werden getrennt herangezogen.

(3) Ein Kostenbeitrag kann bei Eltern ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Ohne vorherige Mitteilung kann ein Kostenbeitrag für den Zeitraum erhoben werden, in welchem der Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Pflichtigen fallen, an der Geltendmachung gehindert war. Entfallen diese Gründe, ist der Pflichtige unverzüglich zu unterrichten.

(4) Ein Kostenbeitrag kann nur erhoben werden, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter nicht geschmälert werden. Von der Heranziehung der Eltern ist abzusehen, wenn das Kind, die Jugendliche, die junge Volljährige oder die Leistungsberechtigte nach § 19 schwanger ist oder der junge Mensch oder die nach § 19 leistungsberechtigte Person ein leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(5) Von der Heranziehung soll im Einzelfall ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn sonst Ziel und Zweck der Leistung gefährdet würden oder sich aus der Heranziehung eine besondere Härte ergäbe. Von der Heranziehung kann abgesehen werden, wenn anzunehmen ist, dass der damit verbundene Verwaltungsaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Kostenbeitrag stehen wird.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. Oktober 2014 - Az.: M 18 K 12.5739 - wird aufgehoben.

II.

Dem Kläger wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Anja F. beigeordnet.

Gründe

Der Kläger beansprucht mit seiner Beschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, mit dem er sich gegen die Heranziehung zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag wendet.

Die zulässige Beschwerde, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat, ist begründet, da die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bietet. Denn nach § 92 Abs. 3 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) kann ein jugendhilferechtlicher Kostenbeitrag bei einem Elternteil des Hilfeempfängers erst ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab dem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Bei der Mitteilung einschließlich der erforderlichen Aufklärung handelt es sich um eine materielle Tatbestandsvoraussetzung der Beitragserhebung, unabhängig davon, ob der Pflichtige gegenüber dem Hilfeempfänger bar- oder naturalunterhaltsverpflichtet ist (vgl. BVerwG, U. v. 11.10.2012 - 5 C 22.11 - BVerwGE 144, 313 ff. Rn. 9 ff.). Weiter stellt die Mitteilung keinen Verwaltungsakt, sondern schlichtes Verwaltungshandeln dar, so dass sie grundsätzlich keiner besonderen Form bedarf.

Indes muss die Behörde ihrerseits, da es sich um ein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal handelt, den Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung im Bestreitensfall beweisen können. Lässt sich der Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung nicht nachweisen, geht dies stets zulasten der Behörde (vgl. VG München, U. v. 25.7.2012 - M 18 K 10.6260 - juris Rn. 37). Von daher fordert die Kommentarliteratur aus Beweisgründen eine Zustellung des Mitteilungsschreibens mit Postzustellungsurkunde oder gegen Empfangsbekenntnis, sofern, wie hier, die Mitteilung nicht mit dem Hilfebescheid an den Leistungsempfänger verknüpft ist (vgl. Degener in Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, § 92 SGB VIII Rn. 7 f.; Stähr in Hauck, SGB VIII, § 92 Rn. 21; Schindler in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 92 Rn. 22; Mann in Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Aufl. 2012, § 92 Rn. 14; Wiesner in Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 92 Rn. 14).

In den dem Senat auszugsweise vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten findet sich auf Bl. 383 f. der Entwurf des Mitteilungs- und Aufklärungsschreibens an den Kläger vom 18. Dezember 2009, der neben dem Datum handschriftlich ein Namenskürzel des Sachbearbeiters und den Vermerk „zP“ (wohl: zur Post) enthält. Daraus lässt sich weder nachweisen, dass das genannte Schreiben überhaupt zur Post gegeben wurde, noch, dass und wann es dem Kläger zugegangen ist. Da der Kläger seinerseits den Zugang dieses Schreibens bestreitet und sich weder der vorliegenden Verfahrensakte noch sonst Hinweise über den Zugang der Mitteilung bzw. Aufklärung nach § 92 Abs. 3 SGB VIII vor dem Zeitpunkt des Zugangs des Leistungsbescheids am 2. September 2011 finden, fehlt es an einer materiellen Voraussetzung für die Erhebung des Kostenbeitrags. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 3. November 2014 kommt es vorliegend nicht darauf an, dass der Kläger dem Gericht den Nichtzugang des Mitteilungs- und Aufklärungsschreibens nach § 92 Abs. 3 SGB VIII glaubhaft macht, sondern dass der Beklagte eine Tatbestandsvoraussetzung seines Anspruchs auf Leistung eines Kostenbeitrags beweist. Dazu ist er, jedenfalls nach gegenwärtigem Kenntnisstand, nicht in der Lage, so dass die Klage gemessen an den Maßstäben des Prozesskostenhilferechts hinreichende Erfolgsaussichten bietet, zumal auch keine Anhaltspunkte für die Entbehrlichkeit der Mitteilung nach § 92 Abs. 3 Satz 2, 3 SGB VIII erkennbar sind.

Da auch die weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO vorliegen, war der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Oktober 2014 aufzuheben und dem Kläger antragsgemäß Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Im Hinblick auf den Umstand, dass Termin zur mündlichen Verhandlung bereits auf den 3. Dezember 2014 bestimmt ist und dem Senat kein Hinweis auf dessen Aufhebung vorliegt, ergeht die Entscheidung ohne vorherige Anhörung des Beklagten (§ 118 Abs. 1 Satz 1 2. Hs ZPO).

Einer Kostenentscheidung bedurfte es vorliegend nicht, da Gerichtskosten in Angelegenheiten der Jugendhilfe nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben und Kosten im prozesskostenhilferechtlichen Beschwerdeverfahren nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicher-heitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen sind Elternteile aus ihrem Einkommen nach Maßgabe der §§ 93 und 94 heranzuziehen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.

(1a) Unabhängig von ihrem Einkommen sind nach Maßgabe von § 93 Absatz 1 Satz 3 und § 94 Absatz 3 heranzuziehen:

1.
Kinder und Jugendliche zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen,
2.
junge Volljährige zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1, 4 und 8 genannten Leistungen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 19 zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 2 genannten Leistungen,
4.
Elternteile zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.

(2) Die Heranziehung erfolgt durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird; Elternteile werden getrennt herangezogen.

(3) Ein Kostenbeitrag kann bei Eltern ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Ohne vorherige Mitteilung kann ein Kostenbeitrag für den Zeitraum erhoben werden, in welchem der Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Pflichtigen fallen, an der Geltendmachung gehindert war. Entfallen diese Gründe, ist der Pflichtige unverzüglich zu unterrichten.

(4) Ein Kostenbeitrag kann nur erhoben werden, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter nicht geschmälert werden. Von der Heranziehung der Eltern ist abzusehen, wenn das Kind, die Jugendliche, die junge Volljährige oder die Leistungsberechtigte nach § 19 schwanger ist oder der junge Mensch oder die nach § 19 leistungsberechtigte Person ein leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(5) Von der Heranziehung soll im Einzelfall ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn sonst Ziel und Zweck der Leistung gefährdet würden oder sich aus der Heranziehung eine besondere Härte ergäbe. Von der Heranziehung kann abgesehen werden, wenn anzunehmen ist, dass der damit verbundene Verwaltungsaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Kostenbeitrag stehen wird.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.