Verwaltungsgericht München Urteil, 29. Jan. 2015 - M 17 K 12.495

bei uns veröffentlicht am29.01.2015

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der 1954 geborene Kläger begehrt Beihilfeleistungen zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung. Der maßgebliche Bemessungssatz beträgt 50%.

Laut „kieferorthopädischem Heil- und Kostenplan“ vom ... Februar 2011 wurde beim Kläger zur Wiederherstellung der Kaufähigkeit und zur Verhütung von Erkrankungen eine kieferorthopädische Behandlung als erforderlich erachtet. Die erforderlichen Gesamtkosten wurden mit EUR 3.732,55 (darin enthalten: voraussichtliche Material- und Laborkosten i. H. v. EUR 800,--) veranschlagt.

Mit Schreiben vom 2. März 2011 teilte das Landesamt für Finanzen, Dienststelle Bayreuth, dem Kläger auf seine Anfrage hin mit, dass die geplante kieferorthopädische Behandlung nicht als beihilfefähig anerkannt werden könne. Nach § 15 BayBhV seien kieferorthopädische Maßnahmen bei über 18-Jährigen nur beihilfefähig, wenn schwere Kieferanomalien vorlägen, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Dabei handle es sich bereits um eine Ausnahmeregelung, weil kieferorthopädische Behandlungen regelmäßig bei Heranwachsenden vor Vollendung des 18. Lebensjahrs durchgeführt würden. Mit der Ausnahmeregelung solle die Beihilfefähigkeit bei schweren Kieferanomalien auch bei über 18-Jährigen gewährleistet sein. Aus den vorgelegten Unterlagen seien derartige schwere Kieferanomalien nicht ersichtlich. Auch sei aus dem Behandlungsplan nicht ersichtlich, dass auch ein kieferchirurgisches Vorgehen beabsichtigt wäre.

Auf Nachfrage des Klägers vom ... März 2011 (Bl. 3 d. BA) hin und nach Einreichung weiterer Unterlagen (Bl. 4 ff.), befasste der Beklagte einen Beratungsarzt mit der Angelegenheit. Dieser kam laut Schreiben vom 5. August 2011 (Bl. 21 f.) zu dem Ergebnis, dass eine schwere Kieferanomalie nicht vorliege.

Mit Bescheid vom 20. September 2011 wurde die Anerkennung der Aufwendungen nach dem Heil- und Kostenplan vom ... Februar 2011 als beihilfefähig abgelehnt.

Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers vom 6. Oktober 2014 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2012 zurückgewiesen. Die beratungsärztliche Stellungnahme habe ergeben, dass eine schwere Kieferanomalie nicht gegeben sei.

Mit seiner am 26. Januar 2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er beantragte im Schriftsatz vom 26. Januar 2012: 1.) Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 3. Januar 2012 wird aufgehoben. 2.) Die Beklagte wird verurteilt, Beihilfe für kieferorthopädische Leistungen zu gewähren, soweit kieferorthopädische Leistungen bereits erbracht wurden und zukünftig noch erbracht werden.

Der behandelnde Zahnarzt habe dem Kläger mitgeteilt, zur Behebung seiner gesundheitlichen Schäden kämen grundsätzlich zwei Behandlungsmethoden in Betracht: eine zahnärztliche, die jedoch wesentlich aufwändiger und kostenintensiver wäre, sowie eine kieferorthopädische, zu der er geraten habe. Insbesondere um die höheren Kosten zu vermeiden, habe er sich für die kieferorthopädische Behandlung entschieden. Die private Krankenversicherung des Klägers habe Kostenerstattung i. H. v. 50% zugesagt. Die Begründung des Widerspruchsbescheids sei unrichtig. Es werde darin der falsche Standpunkt eingenommen, eine schwere Kieferanomalie liege nicht vor. Außerdem werde die Ansicht vertreten, dass auch kein Ausnahmefall gegeben sei, weil auch ein zahnärztliches Gutachten gemäß § 48 Abs. 8 BayBhV nicht vorliege. Es bestehe beim Kläger aber eine schwere Kieferanomalie.

Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2012 wurde der Klageantrag um EUR 879,69 erweitert (vgl. unten Klageantrag zu 3.). In der mündlichen Verhandlung vom 8. Januar 2015 beantragte der Klägerbevollmächtigte:

1. Der Bescheid vom 20. September 2011 in Form des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 3. Januar 2012 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, Beihilfe für kieferorthopädische Leistungen gemäß dem kieferorthopädischen Behandlungs- und Kostenplan Dr. ... und Dr. ... vom ... Februar 2011 zu gewähren.

3. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Beihilfe zu der Rechnung vom ... Dezember 2011 von Dr. ... über EUR 879,69 zzgl. Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 13. Februar 2012:

Die Klage wird abgewiesen.

Über die beiden in § 15 Satz 2 BayBhV geregelten Tatbestände hinaus seien Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen nicht beihilfefähig. Dies gelte insbesondere auch dann, wenn die Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen wirtschaftlicher seien als die Aufwendungen für andere beihilfefähige Maßnahmen. Nach Vorlage aller eingereichten Unterlagen an den Beratungsarzt habe die entsprechende Stellungnahme ergeben, dass beim Kläger keine schwere Kieferanomalie vorliege.

Mit Schriftsatz vom 23. Februar 2012 erwiderte der Kläger, das notwendige Entfernen eines Zahnes sei kieferchirurgisch, das anschließende Anbringen einer Spange, um die Lücke mit einem geringeren Radius im Unterkiefer wieder zu schließen, kieferorthopädisch. Der geringere Radius im Unterkiefer sei deshalb notwendig, um zu vermeiden, dass die vorderen, oberen Schneidezähne durch dauernde Abnutzung so weit abgeschliffen werden, dass diese ausbrechen. Die Verfahrensweise sei nach sehr gründlicher und ausführlicher Begutachtung durch den Zahnarzt des Klägers dringend empfohlen worden. Eine rein kieferchirurgische Behandlung hätte die Zerstörung fast aller gesunden Zähne zur Folge gehabt.

Gemäß Beweisbeschluss vom 21. Dezember 2012 wurde vom Gericht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben zu der Frage, ob beim Kläger eine schwere Kieferanomalie vorliegt, und ggf. zur Frage, ob die schwere Kieferanomalie eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert bzw. eine alleinige kieferorthopädische Behandlung medizinisch ausreichend ist.

Im schriftlichen Gutachten vom 8. Oktober 2014 stellt die Sachverständige zusammenfassend fest, dass die eigentliche skelettale Problematik beim Kläger in einer mesialen Basenrelation bedingt durch eine Rücklage des Oberkiefers mit anteriorer Inklination bestanden habe, das Ausmaß der sagittalen Disharmonie als solcher jedoch gering gewesen sei. Problematisch sei in diesem Zusammenhang ferner die gleichzeitig ausgeprägte Zungendysfunktion gewesen, die eine dentale Kompensation im Unterkiefer verhindert habe und dafür verantwortlich gewesen sei, dass der Unterkiefer trotz extremer dentaler Kompensation im Oberkiefer nicht genug Bewegungsfreiheit nach anterior gehabt habe. Der Kläger habe an einer ausgeprägten Form des Bruxismus gelitten. Es sei wünschenswert gewesen, die extreme anteriore okklusale Verschlüsselung aufzuheben, um den Zwangsbiss nach retral abzustellen. Des Weiteren sei der traumatisierende Kontakt der oberen zu den unteren Frontzähnen aufzulösen und der sagittale Überbiss dergestalt zu vergrößern gewesen, dass genügend Platz für rekonstruktive Maßnahmen zum Wiederaufbau der abradierten Flächen und inzisalen Kanten entstehen konnte. Ohne Rekonstruktion hätte die Gefahr bestanden, dass es durch weiteren Hartsubstanzverlust an den Palatinalflächen der oberen Inzisiven langfristig zum Vitalitätsverlust der Zähne gekommen wäre. Eine rekonstruktive prothetische Behandlung sei indiziert gewesen. Der beim Kläger gewählte Behandlungsweg habe vorgesehen, die anstehenden Behandlungsaufgaben ohne interdisziplinäre kieferorthopädisch/kieferchirurgische Therapie zu lösen, sondern auf rein kieferorthopädischem Weg mittels Zahnentfernung im Unterkiefer und anschließendem Lückenschluss die sagittale Frontzahlstufe zu vergrößern. Das gewählte kieferorthopädische Vorgehen sei sinnvoll und dem individuellen Ausprägungsgrad des kieferorthopädischen Krankheitsbildes angemessen gewesen. Die Entfernung eines unteren Frontzahnes als solche (auch aus kieferorthopädischen Gründen) stelle eine kieferchirurgische Maßnahme dar. Es handle sich jedoch nicht um eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung i. S. v. § 15 BayBhV. Hierunter sei die zuvor im Gutachten erwähnte interdisziplinäre kieferorthopädische kieferchirurgische Behandlung im Sinne einer basalen Harmonisierung durch Umstellung eines oder beider Kiefer zu verstehen.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2014 beantragte der Klägerbevollmächtigte die Anhörung der Sachverständigen zu der Frage, ob beim Kläger eine schwere Kieferanomalie vorliege.

Mit Schreiben vom 7. Januar 2015 erläuterte die Sachverständige ihr Gutachten näher: Der Begriff „Kieferanomalie“ beziehe sich sowohl auf skelettale, sowie dentale und funktionelle sowie zentralnervöse Belange, deren Befunde einzeln oder in Kombination den Ausprägungsgrad eines kieferorthopädischen Krankheitsbildes bestimmen. Die beim Kläger extrem ausgeprägten morphologischen Veränderungen an der Zahnhartsubstanz offenbarten jedoch eine schwerwiegende funktionelle Problematik. Das beim Kläger vorliegende kieferorthopädische Krankheitsbild sei trotz geringgradig ausgeprägter dentaler und nahezu neutraler skelettaler Befunde als hoch komplex anzusehen, wenn man funktionelle und zentralnervöse Aspekte in das Krankheitsgeschehen miteinbeziehe.

In der mündlichen Verhandlung ist dem Klägerbevollmächtigten eine Schriftsatzfrist bis spätestens 22. Januar 2015 eingeräumt worden. Der Beklagtenvertreter hat auf weitere Schriftsatzfrist verzichtet. Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, dass eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergeht.

Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2015, eingegangen bei Gericht am selben Tag, nahm der Klägerbevollmächtigte im Hinblick auf den vorsorglich gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung Stellung: Die derzeitige Rechtslage müsse nach Sinn und Zweck so ausgelegt werden, dass nicht nur bei schweren Kieferanomalien die Beihilfefähigkeit zu bejahen ist, sondern auch in Fällen, in denen einen Kieferbehandlung zum gleichen oder besseren Ergebnis wie eine zahnärztliche Behandlung führt und erst recht, wenn sie mit geringeren Kosten verbunden ist.

Die unter dem ... Dezember 2011 in Rechnung gestellten EUR 879,69 seien identisch mit der Position „Material- und Laborkosten“ des Heil- und Kostenplans. Falls die Rechnung nicht beim Beklagten eingegangen sei, dürfte sie auf dem Postweg verloren gegangen sein.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2015 verwiesen.

Gründe

I.

Die Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, da die Beteiligten im Termin vom 8. Januar 2014 übereinstimmend auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.

II.

Die Klage ist unzulässig, soweit Beihilfe zu den laut Rechnung vom ... Dezember 2011 angefallenen Aufwendungen begehrt wird, denn der Kläger hat für diese Aufwendungen nicht vor Klageerhebung erfolglos einen Beihilfeantrag gestellt.

Es handelt sich bei den in Rechnung gestellten Leistungen ersichtlich nicht um die im Heil- und Kostenplan aufgeführten Material- und Laborkosten. In Rechnung gestellt werden lediglich Material- und Laborkosten i. H. v. EUR 200,41. Die in der Rechnung sonst aufgeführten Leistungsziffern finden sich nur teilweise im Heil- und Kostenplan wieder. Die Klagepartei hat nicht dargelegt, inwieweit die Rechnungsstellung „gemäß Heil- und Kostenplan“ erfolgte.

Mit der Verpflichtungsklage kann der Kläger einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts durchsetzen (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 24). § 42 Abs. 1 VwGO sieht die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts vor (Happ, a. a. O. Rn. 28). Zu den vorgenannten Aufwendungen wurde nach Aktenlage noch keine Beihilfe beantragt und folglich auch die Beihilfeleistung nicht abgelehnt. Dem Vortrag des Klägers, der Beihilfeantrag dürfe auf dem Postweg verloren gegangen sein, ist unbehelflich, da sich auch bei Wahrunterstellung dieses Vorbringens ergibt, dass gerade kein Antrag gestellt wurde. Die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage ist unzulässig, da die Sperrfrist nach § 75 Satz 1 VwGO mangels Antragstellung nicht an- und daher auch nicht abgelaufen war.

Die Einreichung des Kostenvoranschlags mit dem Antrag auf Anerkennung der danach künftig entstehenden Aufwendungen als beihilfefähig, kann nicht als Antrag auf Beihilfegewährung zu diesen Aufwendungen verstanden werden.

III.

Soweit die Klage zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Beihilfeleistung, vgl. § 113 Abs. 5 VwGO.

1. Die Einzelheiten der Beihilfegewährung gemäß Art. 96 BayBG sind in der Bayerischen Beihilfeverordnung - BayBhV - geregelt. Maßgeblich ist hier die Fassung vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15; BayRS 2030-2-27-F), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Bayerischen Beihilfeverordnung vom 11. März 2011 (GVBl S. 130). Beihilferechtliche Streitigkeiten sind grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe beantragt wird, zu beurteilen (BVerwG, U. v. 8.11.2012 - 5 C 4.12 - juris Rn. 12). Die hier streitgegenständlichen Aufwendungen sind erst nach dem 11. März 2011 entstanden. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV gelten Aufwendungen in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird. Die Leistungserbringung gemäß Heil- und Kostenplan und auch die Rechnungsstellung für die Behandlung erfolgten nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der BayBhV in der oben genannten Fassung (vgl. Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Bd. 4., § 5 (11)). Dass der Heil- und Kostenplan vom Februar 2011 datiert, ist unerheblich, da er weder Erfüllung noch Fälligkeit begründet.

2. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig (Nr. 1), der Höhe nach angemessen (Nr. 2) sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (Nr. 3).

3. Hinsichtlich der Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bestimmt § 15 Satz 2 BayBhV, dass diese, wenn die behandelte Person das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat (§ 15 Satz 1 Nr. 2 BayBhV), beihilfefähig sind bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern (§ 15 Satz 2 Nr. 1 BayBhV), sowie in besonderen Ausnahmefällen, wenn nach einem zahnärztlichen Gutachten (§ 48 Abs. 8 BayBhV) eine alleinige kieferorthopädische Behandlung medizinisch ausreichend ist (§ 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV).

a. Das Sachverständigengutachten besagt eindeutig, dass eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung beim Kläger nicht erforderlich war. Hierunter wäre eine interdisziplinäre kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung im Sinne einer basalen Harmonisierung durch Umstellung eines oder beider Kiefer zu verstehen (vgl. S. 8 des Gutachtens). Der beim Kläger gewählte Behandlungsweg sah aber vor, die anstehenden Behandlungsaufgaben ohne kieferorthopädisch/kieferchirurgische Therapie zu lösen, sondern auf rein kieferorthopädischem Weg mittels Zahnentfernung im Unterkiefer und anschließendem Lückenschluss, um die sagittale Frontzahnstufe zu vergrößern (vgl. S. 7 f. des Gutachtens).

b. Ein besonderer Ausnahmefall i. S. v. § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV lag beim Kläger nicht vor. Dieser setzt nach der Systematik der Norm eine schwere Kieferanomalie voraus, die aber gerade nicht gegeben war.

aa. § 15 Satz 2 BayBhV ist so strukturiert, dass beide Alternativen einer Ausnahme von der Altersbegrenzung nach § 15 Satz 1 Nr. 2 BayBhV nur bei Vorliegen einer schweren Kieferanomalie einschlägig sind. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist nämlich nicht nur in Nr. 1 genannt, sondern wurde in Satz 2 „vor die Klammer gezogen“, so dass § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV nur schwere Ausnahmefälle einer schweren Kieferanomalie, aber keine sonstigen kieferorthopädischen Krankheitsbilder unterhalb dieser Schwelle erfasst.

bb. Eine schwere Kieferanomalie ist beim Kläger auf Grundlage der Beweiserhebung nicht feststellbar.

Der Begriff der schweren Kieferanomalie ist in den Beihilfevorschriften selbst nicht näher definiert. Es kann aber auf die Krankheitsbilder zurückgegriffen werden, bei denen auch im Bereich der GKV ausdrücklich eine Ausnahme vorgesehen ist.“ (s. Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Bd. 4., A III, § 6 (5)). Darunter fallen zum einen angeborene Missbildungen des Gesichts und der Kiefer und angeborene oder durch Unfall verursachte skelettale Kieferfehlstellungen, wie Progenie, Mikrogenie, Formen des skelettal offenen Bisses bzw. tiefen Bisses oder ausgeprägte skelettal bedingte Unterschiede der Zahnbogen- oder Kieferbreite. Schwere Kieferanomalien sind nach obergerichtlicher Rechtsprechung nicht schon bei jeder fehlerhaften Stellung oder Lagebeziehung der Zähne im Kiefer gegeben. Hierunter versteht man vielmehr angeborene Missbildungen des Gesichts und der Kiefer, schwere skelettale Dysgnathien und verletzungsbedingte Kieferfehlstellungen (OVG NRW, B. v. 1.2.2010 - 3 A 2979/07 - juris Rn. 12).

Der Kläger litt unstreitig nicht an einer durch Unfall verursachten Kieferfehlstellung. Auch eine angeborene oder sonst erworbene schwere Anomalie des Kiefers bestand beim Kläger nach dem Sachverständigengutachten nicht. Vielmehr hat demnach aus skelettaler Sicht zu Beginn der Behandlung ein harmonischer Schädelaufbau vorgelegen (vgl. Gutachten S. 2). Auch von dentaler Seite hat der Gutachterin zufolge beim Kläger keine schwere Anomalie vorgelegen (vgl. Gutachten S. 3).

Die von der Gutachterin bescheinigte schwerwiegende funktionelle Problematik führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen sind nach dem Gutachten funktionelle und zentralnervöse Aspekte keineswegs zwingend in das Krankheitsbild einzubeziehen (vgl. S. 8 des Gutachtens). Zum anderen liegt der Fokus der heranzuziehenden Definitionen einer schweren Kieferanomalie klar auf skelettalen Aspekten, die nach dem Sachverständigengutachten beim Krankheitsbild des Klägers praktisch keine Rolle spielten. Auch das Ausmaß der Anomalie in dentaler Hinsicht wird von der Gutachterin als geringgradig beschrieben. Vor diesem Hintergrund ist die - sicherlich vorhandene - funktionelle Problematik für sich genommen nicht geeignet, einen hinreichenden Beitrag zum Gesamtbild einer schweren Kieferanomalie zu leisten.

cc. Die Ausnahmevorschrift des § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV ist - entgegen der im letzten klägerischen Schriftsatz geäußerten Auffassung - naturgemäß streng zu handhaben und nicht auf sonstige Fälle einer kieferorthopädischen Erkrankung auszudehnen. Die Ansprüche der Beihilfeberechtigten in Bezug auf zahnärztliche Behandlungen sind in den Beihilfevorschriften umfassend und abschließend geregelt. Die Verwaltungsgerichte können sich nicht über die eindeutige Beschränkung hinwegsetzen und den Beihilfevorschriften gleichwohl Leistungsansprüche des Beihilfeberechtigten entnehmen (BayVGH, B. v. 5.10.2006 - 14 B 04.2997 - juris Rn. 17; a.A. VGH BW, U. v. 2.5.2012 - 2 S 2904/10 - juris 33 f.). Für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Ausnahmevorschrift entgegen deren eindeutigem Wortlaut (vgl. oben III.2.b.aa.) besteht hier kein Anlass.

c. Die beim Kläger bestehende Erkrankung mag durchaus behandlungsbedürftig gewesen sein. Da sie aber nicht unter einen der Ausnahmetatbestände des § 15 Satz 2 BayBhV fällt, ist sie von der Beihilfefähigkeit ausgenommen, vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 3 BayBhV. Dies ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Mit der Altersbegrenzung ist in typisierender und generalisierender Weise eine angemessene Einschränkung der besonders kostenintensiven Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen festgelegt worden. Mit der Beschränkung auf Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, trägt die Regelung der Tatsache Rechnung, dass eine rein kieferorthopädische Behandlung in der Regel deutlich mehr Aussicht auf Erfolg bietet, wenn mit ihr zu einem möglichst frühen Lebenszeitpunkt - jedenfalls vor Abschluss des Körperwachstums - begonnen wird, weil zu diesem Zeitpunkt der Kiefer noch besser formbar ist. Ein weiterer Grund für den grundsätzlichen Ausschluss der Übernahme der Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener liegt in der Erwägung, dass eine solche Behandlung bei Erwachsenen häufig nur aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren erfolgt. Die Beihilfevorschriften des Dienstherrn eines Beamten enthalten im Grundsatz eine abschließende Konkretisierung dessen, was der Dienstherr für diesen Rechtsbereich aufgrund seiner Fürsorgepflicht an - den diesbezüglichen Anteil in der Besoldung ergänzenden - Leistungen u. a. in Krankheitsfällen für geboten und angemessen ansieht. Sie sind eine den durchschnittlichen Verhältnissen angepasste Regelung, bei der in Kauf genommen werden muss, dass nicht in jedem Einzelfall eine volle Deckung der Aufwendungen erreicht wird (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 7.8.2013 - 5 LA 95/13 - juris Rn. 7 m. w. N.). Es ist zu berücksichtigen, dass die Beihilfe als alimentative Fürsorgeleistung lediglich ergänzend zu der zumutbaren Eigenfürsorge des Beamten hinzutritt, um ihm seine wirtschaftliche Lage in einer der Fürsorgepflicht entsprechenden Weise zu erleichtern. Die Beihilfe muss demnach nicht sicherstellen, dass sämtliche im Zusammenhang mit einer Krankheit auftretenden Kosten berücksichtigt werden. Bei der Ausgestaltung der Beihilfe kommt dem Normgeber ein weites Ermessen zu. Er muss mithin nicht jeden Unterschied zum Ansatzpunkt für eine Differenzierung nehmen. Der Beamte muss wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe auch Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der am Alimentationsgrundsatz orientierten pauschalisierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergeben und keine unzumutbare Belastung bedeuten (BVerwG, U. v. 31.1.2002 - 2 C 1/01 - juris Rn. 17; BayVGH B. v. 8.1.2007 - 14 ZB 06.2911 - juris Rn. 13).

IV. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 2.306,12 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 02. Mai 2012 - 2 S 2904/10

bei uns veröffentlicht am 02.05.2012

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 27.10.2008

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die 1948 geborene Klägerin begehrt Beihilfe zu den Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung. Sie ist als Beamtin mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt.
Mit Schreiben vom 28.8.2008 legte sie dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) einen kieferorthopädischen Behandlungsplan zur Prüfung der Beihilfefähigkeit vor. In dem Behandlungsplan wurden die voraussichtlichen Gesamtkosten auf 3.666,57 EUR geschätzt. Die Diagnose für den Oberkiefer lautete: „Retinierter und verlagerter Zahn 13; fehlender Zahn 25; mesiopaltinal rotierter Zahn 26; Implantate regio 25 und 27 bereits gesetzt". Zum Unterkiefer wurde festgestellt: „Fehlende Zähne durch Implantate ersetzt regio 36 und 45, 46; mesioklinierte Molaren; frontaler Engstand, Rotationen und Kippungen". Die Bisslage wird wie folgt beschrieben: „Skel. Klasse I, mand. Verschiebung nach rechts; Biss abgesackt durch fehlende dorsale Abstützung". Des Weiteren heißt es, die Behandlung sei aus funktionellen Gründen (Kiefergelenke) und zum längeren Erhalt der Zähne indiziert. Ohne die kieferorthopädische Aufrichtung der Molaren sei die prothetische Versorgung nicht lege artis möglich.
Unter dem 3.9.2008 teilte das Landesamt der Klägerin mit, dass die Kosten der geplanten Maßnahme nicht als beihilfefähig anerkannt würden. Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen seien nur dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Etwas anderes gelte nur bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Mit Antrag vom 12.10.2008 begehrte die Klägerin Beihilfe zu den bis dahin entstandenen Aufwendungen für die mittlerweile durchgeführte kieferorthopädische Behandlung in Höhe von 1.122,69 EUR (Rechnung vom 10.10.2008). Mit Bescheid vom 27.10.2008 versagte das Landesamt die begehrte Beihilfe.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend: Durch eine starke Bissabsenkung und ein prothetisch unterversorgtes Gebiss habe sie funktionale Probleme im Kieferbereich (schmerzhafte Kiefergelenke und eine eingeschränkte Kaufunktion). Durch die langjährigen Zahnlücken rechts und links im Unterkiefer seien die Backenzähne gekippt, was auch die Ursache starker parodontaler Probleme sei. Auch Schmerzen im Halswirbelbereich hingen damit zusammen. Nur durch eine kieferorthopädische Behandlung könnten die prothetische Versorgung durchgeführt und die gesetzten Implantate fertiggestellt werden, um ihre Zähne auf lange Sicht zu erhalten.
In einer dem Widerspruch beigefügten Stellungnahme der die Klägerin behandelnden Zahnärzte vom 17.11.2008 heißt es, dass eine kieferorthopädische Behandlung wegen einer Bisshebung, Aufrüstung und Passung der Seitenzähne dringend erforderlich gewesen sei. Dadurch sei eine Verbesserung der parodontalen Situation gegeben. Es habe außerdem eine schwere craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) - Problematik der Muskel- und Kieferfunktion - bestanden, die starke Schmerzen hervorgerufen habe. Die Folge seien Verspannungen der Nackenmuskulatur und Spannungskopfschmerz. Kiefergelenksbeschwerden, Kiefergelenksknacken und eine eingeschränkte Nackenbeweglichkeit seien schmerzhaft und hätten nur durch die kieferorthopädische Behandlung behoben werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009 wies das Landesamt den Widerspruch der Klägerin zurück, da die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen bei über 18-jährigen Beihilfeberechtigten nicht vorlägen.
Am 25.2.2009 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Der in Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO geregelte Ausschluss von Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bei Personen über 18 Jahren von der Beihilfefähigkeit stelle eine sachlich unbegründete Diskriminierung erwachsener Beihilfeberechtigter dar. Er verstoße auch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es handle sich um eine ausschließlich an das Alter gebundene Diskriminierung, für die es keine zulässigen Gründe gebe. Die inzwischen abgeschlossenen kieferorthopädischen Maßnahmen seien medizinisch notwendig gewesen. Sie habe schon viele Jahre eine Doppellücke und zwei weitere Zahnlücken durch fehlende Zähne gehabt. Oben habe sie keinen Gegenbiss gehabt und ihr Kiefer habe sich verändert, da der Biss schon lange nicht mehr gestimmt habe. Vier Zähne seien in die Lücke „gekippt" und ein Zahn habe sich gedreht. Bei der Sanierung ihres Gebisses sei es erforderlich gewesen, mehrere gesunde Backenzähne mittels einer kieferorthopädischen Behandlung zu richten. Eine fachgerechte Alternative zu dieser Behandlung habe es nicht gegeben. Auch ihre chronischen Nacken- und Kopfschmerzen seien geheilt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Auch die Fürsorgepflicht erfordere nicht den Ausgleich jeglicher aus Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen. Allenfalls unzumutbare Belastungen bzw. erhebliche Aufwendungen, die für den Beamten unausweichlich seien und denen er sich nicht entziehen könne, könnten den Wesenskern der Fürsorgepflicht berühren. Zu denken sei an die Behandlung schwerer oder gar lebensbedrohlicher Krankheiten. Um eine solche handele es sich vorliegend nicht.
10 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.7.2010 - zugestellt am 2.12.2010 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Nach Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO seien kieferorthopädische Leistungen nur beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe; dies gelte nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Gemessen hieran komme eine Beihilfegewährung nicht in Betracht. Die Klägerin habe bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr (längst) überschritten. Auch eine Ausnahme von der Altersgrenze habe nicht vorgelegen, da sie nicht an einer schweren Kieferanomalie gelitten habe. Dass die kieferorthopädische Behandlung nach ihrem Vorbringen und den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen für eine prothetische Versorgung und zur Behebung einer durch die Zahnfehlstellungen verursachten craniomandibulären Dysfunktion erforderlich gewesen sei, sei unbeachtlich.
11 
Die unterschiedliche Regelung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen für Minderjährige und Erwachsene verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Bei der im Beihilferecht erlaubten pauschalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise lägen sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Minderjährigen und Erwachsenen vor, die auch nicht zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern führten. Dem grundsätzlichen Leistungsausschluss liege die Erwägung zugrunde, dass mit einer kieferorthopädischen Behandlung aus medizinischen Gründen vor Abschluss des Körperwachstums begonnen werden solle, und dass solche Maßnahmen bei Erwachsenen überwiegend aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren erfolgten. Dies sei nicht zu beanstanden.
12 
Allerdings schließe Nr. 1.2.3 der Anlage zur BVO die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener auch in den Fällen aus, in denen die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit für eine kieferorthopädische Behandlung erfüllt seien. Da der Verordnungsgeber typisieren dürfe, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden, solange solche Fallgestaltungen nicht von vornherein absehbar einen solchen Umfang und ein solches Gewicht erreichten, dass sie auch bei typisierender Betrachtungsweise nicht vernachlässigt werden könnten. Davon sei hier nicht auszugehen. Für eine verfassungsrechtlich gebotene Korrektur sei die Härtefallregelung des § 5 Abs. 6 BVO in den Blick zu nehmen. Eine atypische Fallgestaltung, die die Annahme eines Härtefalls rechtfertige, liege bei der Klägerin jedoch nicht vor. Nach ihrem Vorbringen seien es die von ihr hingenommenen und nicht behandelten Zahnlücken gewesen, die zur Verlagerung von Zähnen und zur Veränderung des Gebisses geführt hätten.
13 
Schließlich verstoße der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen von Erwachsenen nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Ob die Gewährung von Beihilfe in Krankheitsfällen für Beamte unter den sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes falle, könne dahingestellt bleiben, da die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen jedenfalls nicht wegen des Merkmals „Alter" erfolge, sondern auf den unterschiedlichen Anlässen und Voraussetzungen für eine kieferorthopädische Behandlung beruhe. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, sei die in Streit stehende Regelung zulässig, da sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Dazu gehöre auch das Ziel einer sparsamen Haushaltsführung. Den einzelnen Mitgliedstaaten sei nicht nur bei der Bestimmung der Ziele, sondern auch bei der Wahl der Mittel ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, bei dem auch haushaltsbezogene Erwägungen Berücksichtigung finden könnten.
14 
Die Klägerin hat am 27.12.2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 31.1.2011 - beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 1.2.2011 - begründet.
15 
Der Senat hat Beweis durch die Einholung ein Sachverständigengutachtens erhoben, das von Prof. em. Dr. Sch. unter dem 12.1.2012 erstattet worden ist. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Gutachtens verwiesen.
16 
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, dass der Sachverständige den von ihr vorgetragenen Sachverhalt bestätigt habe.
17 
Sie beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 - 9 K 470/09 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden- Württemberg vom 27.10.2008 und dessen Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 zu verpflichten, ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
19 
Der Beklagte beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Er macht ergänzend geltend: Der Gutachter habe darauf hingewiesen, als Behandlungsziel der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik im Vordergrund. Zudem bestünden erhebliche biologische Unterschiede. Daher bestehe die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Minderjährigen und Erwachsenen weiterhin. Der beihilferechtliche Verordnungsgeber habe einen weiten Ermessensspielraum, der ihn dazu berechtige, generalisierende, typisierende und pauschalierende Maßstäbe anzulegen.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Beihilfeakten des Landesamts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die Klägerin - entsprechend ihrem ausdrücklich gestellten Antrag - verlangen kann, dass der Beklagte ihren Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 12.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bescheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die ihr entstandenen Aufwendungen für die streitgegenständliche kieferorthopädische Behandlung sind beihilfefähig.
25 
I. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.; VGH Bad,-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 - Juris). Hier sind die Aufwendungen im September 2008 entstanden. Ob und inwieweit die Klägerin für diese Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, bestimmt sich somit nach §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes vom 17.2.2004 (GBl. S 66).
26 
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Nach Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage sind Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen unter anderem dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten hat; die gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern.
27 
II. Nach diesen Regelungen sind die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der 1948 geborenen Klägerin von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die dargestellten Indikationen, bei denen die kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig ist, im Fall der Klägerin nicht vorliegen. Eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert hätte, ist unstreitig nicht gegeben. Dies hat auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt.
28 
III. Die in Nr. 1.2.3 lit b der Anlage zur BVO getroffene Ausschlussregelung kann jedoch unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen keine Anwendung finden. Hierbei kann offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit mit höherrangigem Recht vereinbar ist (1.). Denn die Versagung der Beihilfe verstößt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2., grundlegend zur Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG im Beihilferecht: Senatsurteil vom 15.3.2012 - 2 S 2542/11 -).
29 
1. Es ist fraglich, ob sich der grundsätzliche Ausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - von der Beihilfefähigkeit sachlich rechtfertigen lässt.
30 
Einerseits spricht Vieles dafür, dass die Erwägungen, die ursprünglich zu dem Ausschluss von der Beihilfefähigkeit geführt haben, heute nicht mehr tragfähig sind. Dieser grundsätzliche Ausschluss ist in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit erfolgt. Er beruhte ersichtlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung Erwachsener früher auch in der Fachwelt mit erheblicher Skepsis betrachtet worden ist (vgl. beispielhaft: BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11.97 - BSGE 81, 245, juris-Rn. 20).
        
31 
Diese Skepsis dürfte nicht mehr der heutigen Erkenntnislage entsprechen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.1.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch im Erwachsenenalter möglich und sinnvoll sein kann, Zahnstellungsanomalien durch konservative kieferorthopädische Maßnahmen zu korrigieren. In vielen internationalen Publikationen werde in den letzten Jahren eine Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener beschrieben. Die Behauptung, eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener dauere länger als die von Kindern, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Bei erwachsenen Patienten kämen überwiegend festsitzende Apparaturen zur Anwendung und die Motivation sei in der Regel sehr hoch, was die Behandlungsdauer reduziere; bei Kindern hingegen sei durch den Einsatz herausnehmbarer Geräte, Verzögerungen durch den Zahnwechsel und eingeschränkte Kooperation nicht selten eine längere Behandlungszeit zu beobachten. Die in früherer Zeit vorgebrachten Vorbehalte seien nicht mehr berechtigt.
32 
Andererseits zeigt das vom Senat eingeholte Gerichtsgutachten aber auch Gesichtspunkte auf, die bei typisierender Betrachtungsweise möglicherweise noch heute einen weitgehenden Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener rechtfertigen könnten. Insoweit weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass dem Gutachten zufolge nicht (nur) medizinische Gründe, sondern auch gestiegene ästhetische Ansprüche für die Zunahme der kieferorthopädischen Behandlungen Erwachsener ursächlich seien; für den Patienten stehe häufig die Verbesserung der Ästhetik und erst in zweiter Linie die Verbesserung der Kaufähigkeit im Vordergrund.
33 
2. Es kann jedoch für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Regelung in der Beihilfeverordnung, die die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene - von eng gefassten Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich ausschließt, generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (oder die Vorschriften des AGG) verstößt. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung ist jedenfalls unter den hier im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung auch über die in Nr. 1.2.3 lit. b der Anlage zur BVO geregelten Ausnahmen hinaus geboten.
34 
Der in der Beihilfeverordnung vorgenommene grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener lässt sich nach heutiger Erkenntnislage höchstens noch mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass sie typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt wird (s. oben). Daher kann die betreffende Vorschrift jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung wie hier ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum hat, wenn eine Ungleichbehandlung wie hier an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 - NVwZ 2008, 1378, juris-Rn. 25).
35 
Aus dem vom Senat eingeholten Gutachten ergibt sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorliegen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen lassen. Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung war ausschließlich medizinische indiziert; ästhetische Gründe können ausgeschlossen werden (a). Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden (b). Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren mit erheblichen Folgeproblemen (craniomandibuläre Dysfunktion) verbunden (c). Schließlich liegt eine sog. sekundäre Anomalie vor, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde (d). Der Senat schließt sich insoweit jeweils der überzeugend begründeten Ansicht des Gutachters an, zumal der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhoben hat.
36 
a) Für die Behandlung der Klägerin waren ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend. Der Sachverständige hat im einzelnen dargelegt, dass bei Anwendung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelt worden sind, hier die Gruppe U 4 (Unterzahl) in Betracht kommt (vgl. B.2. und Anl. 1 der Richtlinien). Die vorgenommene Behandlung war nach den Feststelllungen in dem Gutachten geeignet, angemessen und notwendig, um bessere Voraussetzungen für eine funktionsoptimierte prothetische Versorgung zu schaffen. Ästhetische Aspekte haben hingegen dem Gutachten zufolge keine Rolle gespielt, da kein nennenswerter Einfluss auf die dentale Ästhetik und die Gesichtsästhetik bestehe. Diese Schlussfolgerung ist ohne Weiteres nachvollziehbar, da lediglich Seiten- und keine Frontzähne betroffen waren.
37 
b) Außerdem war keine Behandlungsalternative vorhanden. Aufgrund der ausgeprägten Kippung einiger Seitenzähne und der Lückeneinengung 25, 35 war eine funktionell zufriedenstellende prothetische Lückenversorgung ohne vorherige Stellungskorrektur der gekippten Zähne und Lückenöffnung nicht möglich. Aufgrund des Ausgangsbefundes war nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nur die vorgeschlagene kieferorthopädische Behandlung erfolgversprechend; alternativ wäre nur die Nichtdurchführung einer Behandlung, d.h. das Belassen der Gebissanomalie und der Dysfunktion infrage gekommen
38 
c) Die Zahnfehlstellungen im Gebiss der Klägerin waren Ursache erheblicher Folgeprobleme in Form einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) mit Kiefergelenkbeschwerden, Muskelverspannungen und Schmerzen. Ein infolge Seitenzahnverlusts abgesunkener Biss ist dem Gutachten zufolge eine häufig zu beobachtende Ursache für derartige Funktionsstörungen. Die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung hat dementsprechend nach Angaben der Kieferorthopädin und der Klägerin dazu geführt, die vorher bestehende craniomandibuläre Dysfunktion zu beheben.
39 
d) Schließlich liegt bei der Klägerin eine sog. sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet hat. Während bei sog. primären Zahnstellungsfehlern - die in der Jugend nicht oder nur unzureichend behandelt wurden oder bei denen es nach Behandlung zu einem Rezidiv gekommen ist - eine erfolgreiche Behandlung im Kindes- oder Jugendalter möglich gewesen wäre, ist dies bei sekundären Anomalien denknotwendig nicht der Fall. Daher kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, eine im Kindes- oder Jugendalter mögliche Behandlung ins Erwachsenenalter „verschleppt“ zu haben.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
42 
Beschluss vom 2. Mai 2012
43 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 785,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.