Verwaltungsgericht München Urteil, 17. Aug. 2016 - M 16 K 14.30893

bei uns veröffentlicht am17.08.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15. Juli 2014 wird in Nr. 4 insoweit aufgehoben, als festgestellt wurde, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegt.

Er wird zudem in Nr. 5 insoweit aufgehoben, als die Abschiebung nach Aserbaidschan angedroht wurde.

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschans vorliegen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der am ... 1989 geboren Kläger ist aserbaidschanischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 7. März 2012 erstmals in das Bundesgebiet ein und stelle am 21. März 2012 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Bei seiner Anhörung gemäß § 25 AsylVfG vor dem Bundesamt am4. September 2012 gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe von 2006 bis 2010 an der Universität Baku Maschinenbau studiert. Gegen Ende des Studiums habe er ein Mädchen kennengelernt. Es habe türkisch gesprochen und aus einer kurdischen Familie gestammt. Auch die Familie des Klägers sei kurdischen Ursprungs. So habe es ihm zumindest seine Großmutter erzählt, bei der er aufgewachsen sei. Er selbst würde sich als aserbaidschanischen Volkszugehörigen bezeichnen. Sie hätten geplant, nach dem Ende seines Wehrdiensts zu heiraten. Nach dem Ende seines Wehrdiensts 2011 hätten sie sich mehrfach getroffen. In dieser Zeit habe ihm das Mädchen gesagt, sie sei sehr traurig. Ihr Vater habe die Absicht, sie mit einem älteren männlichen Verwandten ihre Familie zu verheiraten. Dies lehne sie aber ab. Der Kläger habe darauf den Entschluss gefasst, dass Mädchen mit zu ihnen nach Hause zu nehmen. Sie sei dann ab Dezember 2011 etwa drei Wochen bei ihnen im Dorf gewesen. Der Kläger habe in dieser Zeit im Lebensmittelladen gearbeitet. Eines Abends, am 19. Januar 2012, sei er gegen 01.00 Uhr nachts nach Hause gekommen. Vor dem Haus habe er Krankenwagen und auch Polizei gesehen. Er habe in das Haus hineingehen wollen, ihr Nachbar habe ihn daran gehindert. Er habe den Kläger mit zu sich nach Hause genommen. Dort habe er ihm gesagt, dass das Mädchen von Verwandten von ihr getötet worden sei. Konkret seien ihr Vater, zwei Brüder und ein Cousin von ihr bei ihnen gewesen und hätten sie umgebracht. Der Nachbar habe auch gesagt, die Jesiden seien Teufelsanbeter. Sie würden auch die Blutrache ausüben. Die Jesiden dürften auch nur untereinander heiraten. Bei einem Verstoß dagegen würden sowohl der jesidische Teil des Paars als auch der Nicht-Jeside getötet. Das Mädchen habe dem Kläger einmal gesagt, dass seine Familie aus der Türkei stamme. Ihr Vater halte sich als Bauingenieur etwa vier Jahre lang in Aserbaidschan auf. Es sei nur seine Großmutter zu Hause gewesen. Die Verwandten des Mädchens hätten sie zur Seite gestoßen. Sie habe dadurch eine Kopfverletzung erlitten. Auch dies habe er alles von seinem Nachbarn erfahren. Er habe ihm später auch gesagt, dass einer der Täter bei der Polizei die Tat gestanden habe. Das Geständnis sei auch nur erfolgt, um die anderen Familienmitglieder seiner Freundin zu entlasten. Noch in derselben Nacht habe der Nachbar ihn in einem Taxi nach Baku begleitet. Sie seien dort zu einem Bekannten des Nachbarn gegangen. Dort habe er sich etwa eine Woche lang aufgehalten. Es sei ihm psychisch sehr schlecht gegangen. Er habe Beruhigungsmittel nehmen müssen. Als der Nachbar nach einer Woche wieder nach Baku zurückgekehrt sei, habe er gesagt, er und andere Nachbarn seien von den Verwandten des Mädchens befragt worden, wo sich der Kläger aufhalte. Es sei deswegen am besten, wenn der Kläger das Land verlassen würde. Der Nachbar habe auch gesagt, dass die Jesiden ihn töten könnten, weil er kein Jeside sei, er das Mädchen als Angehörige dieser Religionsgruppe bei ihm als unverheiratete Frau habe übernachten lassen und sie mit ihm eine Beziehung begonnen habe. Die Blutrache könne bis zu 50 Jahre nach der Tat vollzogen werden. Er fühle sich deswegen auch in Deutschland nicht sicher. In der Unterkunft gebe es auch Jesiden. Er habe deswegen Angst, dort weiter zu leben. Seit dem Tod des Mädchens sei er psychisch krank. Er sei in Deutschland sowohl stationär als auch ambulant in Behandlung gewesen. Die ambulante Behandlung dauere an. Wenn er nach Aserbaidschan zurückkehren müsste, würden ihn die Verwandten des Mädchens bestimmt töten, wenn sie ihn finden würden. Er wäre nirgendwo sicher, egal wohin er in Aserbaidschan zurückkehren würde.

Nach einem im Folgenden eingereichten Kurzarztbrief vom 21. August 2012 befand sich der Kläger vom 23. Juli 2012 bis zum 21. August 2012 stationär in einer Psychiatrischen Klinik. Nach einer ärztlichen Bescheinigung des weiterbehandelnden Arztes vom 23. August 2012 bestünden bei dem Kläger massive Angst- und Panikzustände, die zu einer paranoid-halluzinatorischen Psychose geführt hätten. Der Kläger benötige weiterhin dauerhaft Medikamente.

Nach einem Ärztlichen Attest der zuständigen Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie der Fachklinik vom 12. Juni 2014 befinde sich der Kläger dort in der ambulanten Behandlung. Diagnostisch handele es sich bei dem Kläger zum einen um eine „Posttraumatische Belastungsstörung (ICD10: F 43.1)“, zum anderen um eine wohl anhaltende „wahnhafte Störung (ICD10: F22.0)“. Bei dem letzten stationären Aufenthalt seien eine „Polymorph-psychotische Störung (ICD10: F23.0)“ sowie eine „Posttraumatische Belastungsstörung (ICD10: F43.1)“ diagnostiziert worden. Es erfolge eine psychopharmakologische Kombinationsbehandlung mit Medikamenten. Infolge der ausgeprägten Symptomatik bemühe sich der Kläger schon seit langem um einen geeigneten ambulanten Psychotherapeuten. Aus psychiatrisch - psychotherapeutischer Sicht sei davon auszugehen, dass sich die gesundheitliche Situation des Klägers im Falle einer evtl. Rückkehr in sein Heimatland deutlich verschlechtern würde. Nachdem der Kläger schon hier unter anhaltenden Ängsten leide, die Familie der Freundin können ihn hier aufspüren, würden seine Ängste bei einer Rückkehr an Intensität zunehmen. Es müsse befürchtet werden, dass der Kläger in seiner Not einen Suizidversuch verüben könnte.

Mit Bescheid vom 15. Juli 2014, zugestellt am 23. Juli 2014, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie den Antrag auf Asylanerkennung ab, erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu und verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen, im Falle einer Klageerhebung 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Aserbaidschan oder in einen anderen Staat angedroht, in den der Kläger einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Der Kläger habe seine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. In dem Sachvortrag des Klägers sei kein substantiierter und detaillierter Tatsachenvortrag erkennbar gewesen. Sein Sachvortrag sei vielmehr pauschal und oberflächlich gewesen. Darüber hinaus seien auch erhebliche Ungereimtheiten und Widersprüche aufgetreten. Selbst wenn man das Vorbringen als wahr unterstellen würde, wäre dennoch keine Verfolgung des Klägers in asylrechtlich geschützten Rechten erkennbar. Nach hiesiger Kenntnis seien die aserbaidschanischen Behörden grundsätzlich auch schutzbereit. Repressionen Dritter, die der Staat anrege, unterstütze oder tatenlos hinnehme, kämen nach dem Lagebericht selten vor. Zumindest wäre nicht erkennbar, dass dem Kläger der erforderliche Schutz verweigert werden könnte, um ihn in seinen asylrechtlich geschützten Rechten zu treffen. Der Vortrag des Klägers in Bezug auf die Polizei zeige bereits, dass seitens der Polizei ein Verfolgungswille und demnach auch eine entsprechende Schutzbereitschaft bestehe. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger in Aserbaidschan Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen könnten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Aserbaidschan führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Es drohe dem Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Insbesondere sei kein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erkennbar. Es sei nicht erkennbar, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan wesentlich oder gar lebensbedrohlich verändern würde. Soweit in den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ausgeführt werde, der Kläger leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung, genüge die entsprechende Bescheinigung diesbezüglich nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernissen. Eine psychische Erkrankung sei in Aserbaidschan nach der Auskunftslage behandelbar.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Bevollmächtigten des Klägers am 4. August 2015 Klage. Zur Begründung wurde zunächst vorgetragen, der Kläger sei vom 24. Juli 2014 bis 14. August 2014 erneut stationär in der Fachklinik behandelt worden. Nach dem beigefügten Brief der Klinik an den weiterbehandelnden Arzt vom 27. Juli 2014 sei der Kläger notfallmäßig im Rahmen einer schweren depressiven Episode mit akuter Suizidalität in die akutstationäre Behandlung eingewiesen worden. Auslöser sei möglicherweise der Erhalt der Ablehnung des Asylgesuchs gewesen. Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2014 wurde weiter im Wesentlichen vorgetragen, das vom Kläger vorgetragene Verfolgungsschicksal sei glaubhaft. Er sei in der Lage, seine Erlebnisse detailliert und in sich schlüssig darzustellen. Die von der Beklagten vorgebrachten angeblichen Unstimmigkeiten im Vortrag des Klägers überzeugten nicht. Dem Kläger drohe bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan die Tötung aus Blutrache. Dies stelle eine Verfolgungshandlung i. S. d. § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG dar. Die drohende Verfolgung knüpfe an den Verfolgungsgrund der Religion gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 AsylG an. Eine Verknüpfung zwischen dem Verfolgungsgrund der Religion und einer Verfolgungshandlung könne auch darin bestehen, dass die Betroffenen verfolgt würden, weil sie eine Beziehung zu jemandem außerhalb ihrer Religion hätten. Denn eine solche Verfolgung verletze die negative Religionsfreiheit des Betroffenen, der dieses bestimmte Gebot nicht anerkenne und für sich nicht als zwingend ansehe, und knüpfe auch gerade an diese abweichende religiöse Ansicht und das daran orientierte Verhalten an. Die dem Kläger drohende Verfolgung gehe von nichtstaatlichen Akteuren aus, wobei der Staat nicht in der Lage oder willens sei, diese Verfolgung zu unterbinden, § 3c und § 3d AsylG. Die Beklagte räume selbst ein, dass der Staat Repressionen Dritter tatenlos hinnehme oder sogar unterstütze. Der Kläger habe daher einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. §§ 3a bis 3e AsylG. Der Kläger besitze darüber hinaus einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG. Er besitze außerdem hilfsweise einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, da er schwer psychisch erkrankt sei. Ihm würden im Falle einer Rückkehr nach Aserbaidschan aufgrund seiner Erkrankung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit konkrete Gefahren für Leib und Leben drohen. Aufgrund der ausgeprägten seelischen Erkrankung bedürfe der Kläger dringend einer psychotherapeutischen Behandlung. Aus klinischer Erfahrung führe eine nicht behandelte PTBS in der Regel zu einer klinischen Chronifizierung der Symptome. Eine solche Therapie erhalte der Kläger derzeit bei der Institutsambulanz der Klinik. Bei einer Rückkehr des Klägers nach Aserbaidschan bestehe - schon unabhängig von der Frage, ob eine hinreichende Therapie in Aserbaidschan existiere - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefahr für Leib und Leben. In Aserbaidschan - dem Ort der traumaauslösenden Ereignisse und wo der Kläger auch die Verfolger erwarte - könne ein Sicherheitsgefühl für den Kläger nicht bestehen und wäre eine Psychotherapie daher auf keinen Fall heilend möglich. Schon die Ankündigung der Abschiebung habe einen Suizidversuch nach sich gezogen. Darüber hinaus wäre eine psychotherapeutische Behandlung in Aserbaidschan für den Kläger nicht gewährleistet.

Der Kläger beantragt:

1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ... vom 15.07.2014 wird in Nr.1, 3, 4 und 5 aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Flüchtling gemäß § 3 I AsylG anzuerkennen, hilfsweise: dem Kläger subsidiären Schutz gemäß § 4 I AsylG zuzuerkennen, hilfsweise: festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungsverbote gemäß § 60 V, VII 1 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschans vorliegen.

Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 die Behördenakte und stellte keinen Antrag.

Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 13. August 2015 gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Schriftsatz vom 8. September 2015 teilten die Bevollmächtigten mit, der Kläger befinde sich seit 3. September 2015 erneut stationär in der Fachklinik. Mit weiterem Schriftsatz vom 30. November 2015 wurde der vorläufige Arztbrief der Klinik über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 3. bis 29. September 2015 sowie ein fachärztliches Attest vom 30. Oktober 2015 vorgelegt. Daraus ergebe sich, dass der Kläger weiterhin unter einer „Posttraumatischen Belastungsstörung (ICD10: F 43.1)“ sowie unter einer „rezidivierenden depressiven Störung mit psychotischen Symptomen (ICD10: F33.2)“ leide. Aus fachärztlicher Sicht sei eine Rückkehr ins Heimatland derzeit und bis auf weiteres nicht möglich. Der Kläger habe nach dem stationären Aufenthalt eine Therapie begonnen. Ein weiteres fachärztliches Attest vom 26. Februar 2016 wurde mit Schriftsatz vom 1. März 2016 vorgelegt. Im Folgenden wurde die Klage mit Schriftsatz vom 13. April 2016 weiter begründet. Auf der Grundlage des dargestellten Verfolgungsschicksals besitze der Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG. Dem Kläger drohe bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan Blutrache in Form von Tötung. Hierzu erfolgten weitere nähere Ausführungen.

Zudem wurde auf mündliche Verhandlung verzichtet. Die Beklagte hat gegenüber dem Gericht ein generelles Einverständnis mit dem Verzicht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Maßgeblich für die Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG).

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Sie hat Erfolg, soweit der Kläger die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehrt. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts ist rechtswidrig, soweit darin in Nr. 4 festgestellt wird, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegt und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots hinsichtlich Aserbaidschans nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter entsprechender Aufhebung der Regelung in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 gemäß § 3 Abs. 4 AsylG noch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klage war daher insoweit abzuweisen.

Der Kläger macht geltend, dass ihm in seinem Herkunftsland die konkrete Gefahr der Blutrache durch nichtstaatliche Akteure droht. In Bezug auf das von ihm geschilderte Verfolgungsgeschehen ist das Gericht zwar von der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens überzeugt, jedoch ist grundsätzlich von der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des Herkunftsstaats auszugehen (vgl. § 3d AsylG) sowie auch der Möglichkeit und Zumutbarkeit, internen Schutz in Anspruch zu nehmen (vgl. § 3e AsylG).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss auch in Asylstreitigkeiten das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit - und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit - des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B. v. 21.7.1989 - 9 B 239/89 - juris Rn.3). Das Tatsachengericht darf dabei berücksichtigen, dass die Befragung von Asylbewerbern aus anderen Kulturkreisen mit erheblichen Problemen verbunden ist (vgl. BVerwG, B. v. 21.7.1989, a. a. O. Rn. 4). Der Asylbewerber befindet sich typischerweise in Beweisnot. Er ist als „Zeuge in eigener Sache“ zumeist das einzige Beweismittel. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Wer durch Vortrag eines Verfolgungsschicksals um Asyl nachsucht, ist in der Regel der deutschen Sprache nicht mächtig und deshalb auf die Hilfe eines Sprachmittlers angewiesen, um sich mit seinem Begehren verständlich zu machen. Zudem ist er in aller Regel mit den kulturellen und sozialen Gegebenheiten des Aufnahmelands, mit Behördenzuständigkeiten und Verfahrensabläufen sowie mit den sonstigen geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, auf die er nunmehr achten soll, nicht vertraut. Es kommt hinzu, dass Asylbewerber, die alsbald nach ihrer Ankunft angehört werden, etwaige physische und psychische Auswirkungen einer Verfolgung und Flucht möglicherweise noch nicht überwunden haben, und dies ihre Fähigkeit zu einer überzeugenden Schilderung ihres Fluchtgrunds beeinträchtigen kann (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris Rn. 121).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze geht das Gericht von der Glaubwürdigkeit des Klägers aus. So hat der Kläger die Abläufe nachvollziehbar und plausibel - auch unter Nennung von Einzelheiten - geschildert. Dabei ist auch die psychische Verfassung des Klägers zu berücksichtigen, ausgelöst durch das traumatisierende Ereignis der Tötung seiner Freundin. Wesentliche Widersprüche oder Ungereimtheiten lassen sich in seinem Vortrag nicht erkennen. Das Gericht teilt insoweit nicht die Einschätzung des Bundesamts. Zwar hat der Kläger bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gemäß § 25 AsylG am 21. März 2012 laut der Niederschrift die Frage, ob er sich an der letzten offiziellen Anschrift in Aserbaidschan bis zur Ausreise aufgehalten habe, bejaht, zuvor hatte er jedoch bei der Befragung durch die Regierung von Mittelfranken - ZRS Nordbayern - am 14. März 2012 bereits angegeben, von Baku aus ausgereist zu sein. Auch die Angabe des Klägers in seiner persönlichen Anhörung, seine Großmutter habe ihm erzählt, dass seine Familie kurdischen Ursprungs sei, stellt keinen Widerspruch zu seiner Angabe dar, er sei aserbaidschanischer Volkszughöriger, da er zugleich erklärt hat, er selbst würde sich als aserbaidschanischen Staatsangehörigen bezeichnen. Auch der Umstand, dass der Kläger einem möglichen Angriff auf ihn selbst entgehen konnte, spricht nicht per se gegen die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens. So hat er nachvollziehbar geschildert, dass er sich unmittelbar nach der Tat nach Baku begeben hat, um sich einem befürchteten Zugriff zu entziehen.

Es kann hier dahinstehen, ob im Fall des Klägers ein hinreichender Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i. V. m. § 3b Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 4 AsylG (Religion oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) vorliegt, da sowohl die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als auch des subsidiären Schutzes bei Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure voraussetzt, dass der Staat (einschließlich internationaler Organisationen) erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens ist, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten (vgl, § 3c Nr. 3 AsylG, § 4 Abs. 3 AsylG). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Von der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staats ist auszugehen. Insoweit gilt, dass der Schutz vor Verfolgung wirksam sein muss und nicht nur vorübergehender Art sein darf. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat (vgl. § 3d Abs. 2 AsylG). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Gegenteilige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Soweit auch das Bundesamt diesbezüglich auf die Erkenntnisse des Lageberichts abgestellt hat, ergibt sich diesbezüglich, dass zuletzt im Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 23. März 2006 (so wortglich mit dem vom Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid in Bezug genommenen Lagebericht vom 28. Januar 2005) folgende Passage enthalten war: „Repressionen Dritter, die der Staat anregt, unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt kommen, wenn auch inzwischen selten, vor. Der letzte bekannte Fall dieser Art ereignete sich im Frühjahr 2003, als die Büros der Menschenrechtsverteidiger Junus und Zeynalov von einer Menschenmenge gestürmt wurden, ohne dass die Polizei einschritt. Ein weiteres Beispiel ist die Erstürmung der Redaktion der oppositionellen Zeitung Müsavat sowie der Parteizentrale der Mussavat im Februar 2000 durch eine angeblich aus einem Dorf in Nachitschewan stammende aufgebrachte Menge, während die Polizei tatenlos zusah bzw. trotz Vorwarnungen fernblieb“ (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 23.3.2006 sowie vom 28.1.2005. jeweils unter II.2.). Seitdem wird - wie auch im aktuellen Lagebericht vom 6. April 2016, Stand: Januar 2016 - zu diesem Punkt fortlaufend ausgeführt, dass dem Auswärtigen Amt Repressionen Dritter in neuerer Zeit nicht bekannt geworden sind. Demnach ergeben sich aus der aktuellen Auskunftslage keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es in Aserbaidschan zu Repressionen Dritter kommt, die der Staat anregt, unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt (vgl. auch VG München, U. v. 19.8.2014 - M 16 K 13.31352 u. a. - juris Rn. 18; U. v. 15.9.2015 - M 16 K 14.30763 - juris Rn. 24; VG Meiningen, U. v. 25.10.2012 - 1 K 20034/10 Me - juris). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn es um Fälle häuslicher Gewalt geht, was hier jedoch nicht zutrifft (vgl. VG München, U. v. 22.4.2016 - M 16 K 14.30987 - juris Rn. 33). Der Kläger hat zudem selbst angegeben, dass einer der Täter die Tat nach der Tötung der Freundin gegenüber der Polizei gestanden habe. Nicht vorgetragen hat er, dass er erfolglos bei der Polizei um Schutz nachgesucht hätte. Im Übrigen wurde auch im Rahmen des Klagevorbringens die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staats nicht substantiiert in Frage gestellt, sondern nur allgemein auf begrenzte Kapazitäten des Staats und auf eine langsame korruptionsanfällige Justiz hingewiesen.

Unabhängig davon hätte der Kläger auch die Möglichkeit, internen Schutz gemäß § 3e AsylG (auch i. V. m. § 4 Abs. 3 AsylG) in Anspruch zu nehmen (vgl. auch VG München, U. v. 15.9.2015 - M 16 K 14.30763 - juris Rn. 24). Danach wird die Flüchtlingseigenschaft (bzw. auch subsidiärer Schutz) nicht zuerkannt, wenn der Betroffene in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Schutz vor Verfolgung hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. So ist davon auszugehen, dass der Kläger beispielsweise in Baku, mit ca. zwei Millionen Einwohnern, oder in einer der anderen größeren Städte in hinreichender Anonymität leben könnte. Auch wenn jederzeit die Möglichkeit der Bestechung von Behörden bestünde, erscheint es kaum vorstellbar, dass dies landesweit erfolgt. Zudem hat der Kläger sein Herkunftsland bereits seit über vier Jahren verlassen. Gründe, weshalb ihm eine Übersiedlung in andere Landesteile nicht zumutbar sein sollte, sind nicht ersichtlich. Der Kläger selbst hat bei seiner Anhörung insoweit allein angegeben, er fühle sich nirgends sicher, auch nicht in Deutschland.

Der Kläger hat jedoch aufgrund seines Gesundheitszustands einen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich seines Herkunftslands unter entsprechender Aufhebung der Regelung in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids. Einer Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG bedarf es deshalb nicht mehr.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind individuelle Gefahren, also solche Gefahren, die nur dem Ausländer drohen. Wegen seiner Erkrankung droht dem Kläger bei Rückkehr in sein Herkunftsland eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben (z. B. Reiseunfähigkeit), nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis kann gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich eine vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d. h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B. v. 17.8.2011 - 10 B 13/11 u.a - juris; BayVGH, U. v. 3.7.2012 - 13a B 11.30064 - juris Rn. 34). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NRW, B. v. 30.12.2004 - 13 A 1250/04.A - juris Rn. 56). Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B. v. 2.11.1995 - 9 B 710/94 - juris). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland (vgl. VG Arnsberg, B. v. 23.2.2016 - 5 L 242/16.A - juris Rn. 64 m. w. N.).

Zudem kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei einer psychischen Erkrankung auch (allein) wegen einer im Herkunftsland zu erwartenden Retraumatisierung aufgrund der Konfrontation mit den Ursachen des Traumas ergeben. In diesem Fall sind an sich im Zielstaat vorhandene Behandlungsmöglichkeiten unerheblich, wenn sie für den Betroffenen aus für ihn in der Erkrankung selbst liegenden Gründen, nämlich wegen der Gefahr der Retraumatisierung, nicht erfolgversprechend sind (vgl. z. B. NdsOVG, U. v.12.9.2007 - 8 LB 210/05 - juris; U. v. 28.6.2011 - 8 LB 221/09 - juris Rn. 37; VGH BW, U. v. 27.4.2016 - A 6 S 916/15 - juris Rn. 42 m. w. N.; VG Gelsenkirchen, U. v. 20.5.2014 - 6a K 238/12.A - juris Rn. 33; VG Köln, U. v. 28.7.2015 - 14 K 4809/12.A - juris Rn. 27).

Mit der ab dem 17. März 2016 geltenden gesetzlichen Regelung hat auch der Gesetzgeber klargestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es wird im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Nach der Gesetzesbegründung könne die geforderte schwerwiegende Erkrankung in „Fällen von PTBS“ regelmäßig nicht angenommen werden. In „Fällen einer PTBS“ sei die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, die Abschiebung führe zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung (vgl. BT-Drs. 18/7538 S. 18).

Eine Abschiebung des Klägers nach Aserbaidschan würde für den Kläger zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefährdung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit sich bringen. Das Gericht sieht dies durch die Gesamtheit der vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen als belegt an.

Angesichts der Unschärfe des Krankheitsbildes Posttraumatische Belastungsstörung sowie seiner vielfältigen Symptome ist regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests erforderlich, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Diagnose gelangt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (vgl. BVerwG, U. v. 11.9.2007 - 10 C 8.07 - juris Rn. 15). Von erheblicher Bedeutung ist dabei auch eine eingehende Auseinandersetzung mit der Frage, welche traumatisierenden Ereignisse konkret zu der Erkrankung geführt haben - dies unter anderem deshalb, weil sich andernfalls die Gefahr einer Retraumatisierung bei Rückkehr in das Heimatland naturgemäß nicht abschätzen lässt (vgl. VG Gelsenkirchen, U. v. 20.5.2014 - 6a K 238/12.A - juris Rn. 38). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt.

Der Kläger hat bereits in seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 4. September 2012 geltend gemacht, er sei seit dem Tod der Freundin psychisch krank. Er war bereits zu diesem Zeitpunkt in Deutschland stationär als auch ambulant in Behandlung gewesen. So wurde der Kläger erstmals vom 23. Juli 2012 bis zum 21. August 2012 stationär in einer Fachklinik behandelt. Der Kläger war mit einem paranoiden Syndrom erstmalig stationär aufgenommen worden. Diagnostiziert wurden dort eine „Polymorph-psychotische Störung (ICD10: F23.0)“ sowie eine „Posttraumatische Belastungsstörung (ICD10: F43.1)“. Wie sich aus einem weiteren fachärztlichen Attest des Klinikarztes vom 12. Juni 2014 ergibt, befand sich der Kläger dort weiterhin in ambulanter Behandlung. Die Medikation wurde beschrieben. Der erforderliche Therapieplatz (ambulante Psychotherapie) konnte wegen der bestehenden Verständigungsschwierigkeiten noch nicht gefunden werden. Es sei aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht dringend erforderlich, dass die Therapie bei einem türkisch sprechenden Therapeuten erfolge. Diagnostiziert wurden eine „Posttraumatische Belastungsstörung (ICD10: F43.1)“ sowie eine „wohl anhaltende wahnhafte Störung (ICD10: F22.0)“. Auf die Ereignisse, die zur der Traumatisierung geführt haben, wurde konkret eingegangen. Weiterhin wurde festgestellt, dass aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht davon auszugehen sei, dass sich die gesundheitliche Situation des Klägers im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsland deutlich verschlechtern würde. Nachdem der Kläger schon hier unter anhaltenden Ängsten leide, die Familie der verstorbenen Freundin könne ihn hier aufspüren, würden die Ängste bei einer Rückkehr an Intensität zunehmen. Es müsse befürchtet werden, dass der Kläger in seiner Not einen Suizidversuch verüben könnte. Vom 24. Juli 2014 bis zum 14. August 2014 musste der Kläger - im zeitlichen Zusammenhang mit dem Bescheiderlass - erneut stationär-psychiatrisch in der Fachklinik behandelt werden. Hierzu liegt eine ausführliche Stellungnahme der Klinik vom 27. Juli 2014 vor. Diagnostiziert wurden dort eine „Schwere depressive Episode (ICD10: F32.2)“, „vordiagnostiziert polymorph-psychotische Störung (ICD10: F23.0)“, „vordiagnostiziert posttraumatische Belastungsstörung (ICD10: F43.1)“, „Alkohol Missbrauch (ICD10: F 10.1)“ und „Alkohol Intoxikation (ICD10: F 10.0)“. Die Aufnahme war notfallmäßig im Rahmen einer schweren depressiven Episode mit akuter Suizidalität erfolgt. Die erhobenen Befunde, Anamnesen und Untersuchungen sowie die erfolgte Therapie und deren Verlauf wurden beschrieben. Ein weiterer stationärer Aufenthalt des Klägers in der Fachklinik erfolgte vom 3. September 2015 bis zum 29. September 2015 - im zeitlichen Zusammenhang mit der Ladung des Gerichts zur mündlichen Verhandlung vom 18. August 2015. Hierzu liegt ein Arztbrief der Klinik vom 29. September 2015 vor. Grund war eine zunehmende Verschlechterung der depressiven Symptomatik mit selbst- und fremdgefährlichen Gedanken. Der Kläger litt an Schlafstörungen, Alpträumen, Ängsten sowie regelmäßigen akustischen Halluzinationen. Diagnostiziert wurden eine „Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen (ICD10: F33.2)“, „Posttraumatische Belastungsstörung (ICD10: F 43.1)“, „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol - schädlicher Gebrauch, zur Zeit abstinent (ICD10:F10.1)“. Die erhobenen Befunde, Anamnesen und Untersuchungen sowie die erfolgte Therapie und deren Verlauf wurden beschrieben. Seit Oktober 2015 ist der der Kläger bei einer (auch türkischsprachigen) Fachärztin in Behandlung. Nach dem letzten fachärztlichen Attest vom 26. Februar 2016 ist der Kläger nach Beurteilung der behandelnden Fachärztin weiterhin schwer krank und behandlungsbedürftig. Er müsse noch mindestens sechs bis zwölf Monate in Therapie kommen. Eine Rückführung in sein Herkunftsland würde seine Erkrankung gleich nach der Ankunft dort wesentlich verschlechtern. Es sei mit schweren psychischen Beeinträchtigungen zu rechnen. Die Gegebenheiten im Herkunftsland würden den Kläger retraumatisieren.

Das Gericht ist daher aufgrund der nachvollziehbaren fachärztlichen Stellungnahmen davon überzeugt, dass dem Kläger eine im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante wesentliche Verschlimmerung seiner Erkrankung droht, wenn er gezwungen wäre, nach Aserbaidschan zurückzukehren. Er leidet nach der letzten Diagnose der Fachärztin weiterhin unter einer „Posttraumatische Belastungsstörung“ sowie einer „Rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwergradigen depressiven Episode derzeit ohne psychotische Symptomen (ICD10: F33.2)“. An der Sachkunde der beteiligten Fachärzte bestehen keine Zweifel. Angesichts der zahlreichen vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen war eine weitere Sachaufklärung von Seiten des Gerichts daher nicht erforderlich.

Nach dem letzten ärztlichen Bericht ist der Kläger auch weiterhin dringend behandlungsbedürftig. Nach Auffassung der Fachärztin würden bei einer Abschiebung des Klägers nach Aserbaidschan die dortigen Gegebenheiten den Kläger retraumatisieren. Die erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands würde demnach im Fall des Klägers nicht nur im Hinblick auf den Abbruch der Therapie in Deutschland und den Abschiebevorgang eintreten, sondern auch im Hinblick auf die Verhältnisse in Aserbaidschan, die der Kläger dort bei einer Rückkehr vorfinden würde. Damit liegt jedenfalls auch ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot vor. Nicht mehr entscheidungserheblich und demnach auch nicht weiter aufzuklären ist daher auch die Frage, ob die Behandlungsmöglichkeiten für den Kläger in Aserbaidschan zureichend wären und ob er solche auch tatsächlich erlangen könnte.

Der streitgegenständlichen Bescheid war daher in Nr. 4 insoweit aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass für den Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschans vorliegen.

Infolge des Abschiebungsverbots war auch die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids aufzuheben, da im Umkehrschluss zu § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG eine Abschiebungsandrohung unzulässig ist, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen und kein atypischer Fall gegeben ist (BayVGH, U. v. 23.11.2012 - 13a B 12.30061 - juris). Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VWGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3e Interner Schutz


(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3b Verfolgungsgründe


(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen: 1. der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;2. der Begrif

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3d Akteure, die Schutz bieten können


(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden 1. vom Staat oder2. von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,sofern sie willens und in d

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 25 Anhörung


(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über W

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Verfahren mit dem Ziel der Anerkennung als ausländischer Flüchtling, auf Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 oder ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt ist.

(2) Der Ausländer hat alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.

(3) Ein späteres Vorbringen des Ausländers kann unberücksichtigt bleiben, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Der Ausländer ist hierauf und auf § 36 Absatz 4 Satz 3 hinzuweisen.

(4) Bei einem Ausländer, der verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, soll die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Asylantragstellung erfolgen. Einer besonderen Ladung des Ausländers und seines Bevollmächtigten bedarf es nicht. Entsprechendes gilt, wenn dem Ausländer bei oder innerhalb einer Woche nach der Antragstellung der Termin für die Anhörung mitgeteilt wird. Kann die Anhörung nicht an demselben Tag stattfinden, sind der Ausländer und sein Bevollmächtigter von dem Anhörungstermin unverzüglich zu verständigen.

(5) Bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt. In diesem Falle ist dem Ausländer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben.

(6) Die Anhörung ist nicht öffentlich. An ihr können Personen, die sich als Vertreter des Bundes, eines Landes oder des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ausweisen, teilnehmen. Der Ausländer kann sich bei der Anhörung von einem Bevollmächtigten oder Beistand im Sinne des § 14 des Verwaltungsverfahrensgesetzes begleiten lassen. Das Bundesamt kann die Anhörung auch dann durchführen, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand trotz einer mit angemessener Frist erfolgten Ladung nicht an ihr teilnimmt. Satz 4 gilt nicht, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand seine Nichtteilnahme vor Beginn der Anhörung genügend entschuldigt. Anderen Personen kann der Leiter des Bundesamtes oder die von ihm beauftragte Person die Anwesenheit gestatten.

(7) Die Anhörung kann in geeigneten Fällen ausnahmsweise im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.

(8) Über die Anhörung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthält. Dem Ausländer ist eine Kopie der Niederschrift auszuhändigen oder mit der Entscheidung des Bundesamtes zuzustellen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger zu 1 und 2 sind nach eigenen Angaben aserbaidschanische Staatsangehörige und mit ihren Kindern, den Klägern zu 3 und 4 im September 2011 über Polen in das Bundesgebiet eingereist. Sie stellten hier am 28. September 2011 Asylanträge. Der Kläger zu 5 wurde am ... 2012 im Bundesgebiet geboren.

In der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 3. November 2011 hat der Kläger zu 1 im Wesentlichen angegeben, er habe 10 oder 15 Tage vor seiner Ausreise gegen Mitternacht beobachtet, wie in ... ein Mann von drei anderen Männern schwer verprügelt worden sei. Die drei Männer hätten ihn bedroht und davor gewarnt, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Danach habe er sich entfernt und sei nach Hause gegangen. Beim Weggehen sei er von den Männern beobachtet worden. Einen Tag nach diesem Vorfall habe ihn einer der Täter vor seinem Haus erneut davor gewarnt, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Am nächsten Tag sei er mit seiner Familie in eine andere Wohnung in ... gezogen. Auch dort habe er einen der Täter getroffen, der ihn erneut gewarnt habe. Dennoch habe er zwei Tage vor seiner Ausreise Anzeige bei der Polizei des Stadtteils ... erstattet. Aus Angst vor diesen Männern habe er mit seiner Familie Aserbaidschan verlassen. Ein Schleuser habe sie nach ... gebracht. Dort hätten sie sich 10 Tage lang aufgehalten. Der Schleuser habe ihnen falsche russische Pässe besorgt. Mit diesen Pässen seien sie mit der Bahn über Polen nach Deutschland gereist. In Deutschland seien sie von anderen Schleusern in Empfang genommen worden, die ihnen die Pässe wieder abgenommen hätten. Bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan seien sein Leben und das Leben seiner Familie in Gefahr. Die Männer, die er beobachtet habe, könnten ihn töten. Sie hätten gedroht, dass er das gleiche Schicksal erleiden könne, wie der Mann, den sie zusammengeschlagen hätten.

Die Klägerin zu 2 berichtete in ihrer Anhörung durch das Bundesamt im Wesentlichen, dass ihr Ehemann Anfang September 2011 zu ihr gesagt habe, dass sie die Sachen für sich und die Kinder packen solle, da sie Aserbaidschan so schnell wie möglich verlassen müssten. Einen Grund hierfür habe er ihr nicht genannt. Sie selbst habe in Aserbaidschan niemals Probleme gehabt, weder mit staatlichen Stellen noch mit irgendwelchen Privatpersonen. Im letzten Monat vor ihrer Ausreise habe es mehrfach an ihre Tür geklopft. Ihr Mann habe ihr aufgetragen, in diesem Fall nicht zu öffnen. Sie habe ihm gehorcht. Bei einer Rückkehr befürchte sie, dass es gefährlich für sie werden könne.

Mit Bescheid vom ... Dezember 2013, zugestellt am 11. Dezember 2013, wurde dem Kläger zu 1 die Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und der subsidiäre Schutzstatus (Nr. 3) nicht zuerkannt. Der Antrag auf Asylanerkennung wurden abgelehnt (Nr. 2). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Nr. 4). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland wurde dem Kläger zu 1 die Abschiebung nach Aserbaidschan oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Sachvortrag des Klägers zu 1 sei weder substantiiert noch detailliert. Es seien auch erhebliche Ungereimtheiten und Widersprüche aufgetreten. Es sei nicht glaubhaft und lebensfremd, dass der Kläger zu 1 mehrmals von drei ihm nicht namentlich bekannten Männern davor gewarnt worden sei, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, wie die Männer von seinem Umzug erfahren und ihn dann nochmals vor seiner neuen Wohnung gewarnt haben sollten. Im Gegensatz zum Kläger zu 1 erwähne seine Ehefrau diesen angeblichen Umzug mit keinem Wort. Sie habe nur vorgetragen, ihr Mann habe ihr aufgetragen die Tür nicht zu öffnen, wenn es klopfe. Das Vorbringen des Klägers zu 1 erscheine konstruiert und frei erfunden. Die Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus und Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor.

Mit einem weiteren Bescheid vom ... Dezember 2013, zugestellt am 11. Dezember 2013, wurden den Klägern zu 2, 3 und 4 die Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und der subsidiäre Schutzstatus (Nr. 3) nicht zuerkannt. Der Antrag auf Asylanerkennung wurden abgelehnt (Nr. 2). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Nr. 4). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland wurde den Klägern zu 2, 3 und 4 die Abschiebung nach Aserbaidschan oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen im Bescheid des Klägers zu 1 verwiesen.

Mit einem weiteren Bescheid vom ... Dezember 2013, zugestellt am 9. Dezember 2013, wurden dem Kläger zu 5 die Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und der subsidiäre Schutzstatus (Nr. 3) nicht zuerkannt. Der Antrag auf Asylanerkennung wurden abgelehnt (Nr. 2). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Nr. 4). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland wurde dem Kläger zu 5 die Abschiebung nach Aserbaidschan oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5).

Am 19. Dezember 2013 hat der Bevollmächtigte der Kläger gegen die Bescheide des Bundesamtes vom ... Dezember 2013 Klage erhoben und für die Kläger zuletzt beantragt,

die Bescheide vom ... Dezember 2013 in Nrn. 1, 3 bis 5 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Flüchtlingseigenschaft der Kläger anzuerkennen.

Außerdem die Beklagte zu der Feststellung zu verpflichten, dass den Klägern subsidiärer Schutz zusteht, hilfsweise

zu der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG.

Das Bundesamt hat die Behördenakten vorgelegt. Ein Antrag wurde nicht gestellt.

Mit Beschluss vom 4. Februar 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

In der mündlichen Verhandlung wurden die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigte nach § 4 AsylVfG sowie auf die Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt, nicht zu. Die Bescheide des Bundesamtes vom ... Dezember 2013 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Kläger können die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG nicht verlangen, da sie eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1, § 3a AsylVfG nicht glaubhaft gemacht haben. Die Kläger befinden sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb ihres Herkunftslandes.

Dem wenig substantiierten und detailarmen Vortrag des Klägers zu 1 ist selbst bei Wahrunterstellung allenfalls eine Bedrohung seitens nichtstaatlicher Akteure zu entnehmen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass der aserbaidschanische nicht willens oder in der Lage ist, dem Kläger zu 1 und seiner Familie wirksam und dauerhaft Schutz gegen die vom Kläger befürchtete Bedrohung zu gewähren (§ 3c Nr. 3, § 3d AsylVfG). Auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden wird verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

Die Kläger haben auch allein wegen ihrer Asylantragstellung bei ihrer Rückkehr nicht mit staatlichen Zwangsmaßnahmen zu rechnen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 14.2.2014, dort S. 21).

Auf die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylVfG haben die Kläger ebenfalls keinen Anspruch. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden in diesem Sinne gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG). Wie bereits ausgeführt, drohen den Klägern solche ernsthaften Schäden schon deshalb nicht, weil von einer Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit der Behörden ihres Heimatlandes nicht auszugehen ist.

Ebenso wenig greifen die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Es fehlt insbesondere an einer erheblichen, konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Kläger i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Ungeachtet dessen, dass den Klägern die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes durch ihren Heimatstaat zumutbar ist, besteht für sie auch die Möglichkeit sich bei einer Rückkehr in einem anderen Landesteil niederzulassen und so den befürchteten Gefahren zu entgehen.

Schließlich ist auch die gemäß § 34 AsylVfG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger besitzt eigenen Angaben zufolge die Staatsangehörigkeit der Republik Aserbaidschan und ist aserbaidschanischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 27. Februar 2012 in das Bundesgebiet ein und stellte hier am 13. März 2012 einen Asylantrag.

Bei einer Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 4. Juni 2012 gab der Kläger im Wesentlichen an, seit seiner Flucht aus der Region Karabach im Jahr 1992 bis etwa drei Monate vor seiner Ausreise habe er bei seiner Tante und deren beiden Kindern in einem Flüchtlingslager in dem Ort ... gelebt. Seine Eltern seien bereits vor der Flucht aus Karabach von Armeniern getötet worden. Er habe nie eine Schule besucht, weil er keine Papiere gehabt habe. In ... habe er sich um die Tiere eines Bauern gekümmert. Etwa drei Monate lang bis zu seiner Ausreise habe er auf einem Bazar in ... gearbeitet. In den zwei Jahren vor seiner Ausreise habe ihm der Freund seiner Tante, der bei dieser gelebt habe, Geld abgenommen und ihn geschlagen. Im Jahr 2011 sei der Kläger deshalb zwei- oder dreimal bei der Polizei in ... gewesen und habe diese Vorfälle geschildert, die Polizei habe jedoch nichts unternommen. Im Jahr 2005 habe er den Wehrdienst antreten sollen. Damals seien Mitarbeiter der Militärbehörden von ... gekommen und hätten gesagt, der Kläger müsse zum Militär gehen. Von ihm sei verlangt worden, dass er seine Papiere vorlege, die er jedoch nicht gehabt habe. Die Leute von der Militärbehörde hätten dann selbst bei ihnen nach den Papieren gesucht, jedoch erfolglos. Der Kläger sei dann alle zwei oder drei Monate bei der Militärbehörde vorgeladen worden; er habe seine Papiere abgeben sollen. Nach zwei oder drei Monaten habe er von der Militärbehörde nichts mehr gehört. Insgesamt sei er zwei- oder dreimal bei der Militärbehörde in ... gewesen, das letzte Mal 2006.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom ... Mai 2014, zur Post gegeben am 27. Mai 2014, wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1 des Bescheides) und der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziffer 2). Weiter wurde der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffer 3). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (Ziffer 4). Weiter wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Aserbaidschan oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Ziffer 5). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Der Kläger habe eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Seinem Sachvortrag sei kein substantiierter und detaillierter Tatsachenvortrag zu entnehmen. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vorbringens. Soweit er vorgetragen habe, er habe Probleme mit dem Mann seiner Tante gehabt, der ihn immer wieder geschlagen und ihm Geld abgenommen habe, handle es sich um Übergriffe Dritter. Es sei dem Kläger durchaus zuzumuten, sich zunächst an die Behörden seines Heimatlandes zu wenden und dort um Schutz nachzusuchen. Nach hiesiger Erkenntnis seien die aserbaidschanischen Behörden grundsätzlich auch schutzbereit und schutzwillig. Im Übrigen habe für den Kläger auch eine interne Fluchtalternative in andere Landesteile Aserbaidschans bestanden, beispielsweise in die Millionenstadt Baku. Wegen einer Asylantragstellung im Ausland müsse in Aserbaidschan niemand mit staatlichen Zwangsmaßnahmen rechnen. Dies gelte sowohl für Rückgeführte als auch für freiwillig zurückkehrende Aserbaidschaner. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus und Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor.

Am 11. Juni 2014 erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom ... Mai 2014. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die bisherigen Angaben des Klägers Bezug genommen. Das Bundesamt habe dessen Antrag falsch gewürdigt. Dem Kläger drohe in seiner Heimatstadt eine menschenrechtswidrige Behandlung. Er habe in Aserbaidschan seinen Militärdienst noch nicht absolviert. Im Falle einer Rückkehr nach Aserbaidschan drohe ihm zunächst eine Gefängnisstrafe, danach der Einzug zum Militär. Da er zu gegebener Zeit nicht als Soldat seinen Militärdienst angetreten habe, seien die Strafen im Gefängnis sehr hart. Es drohe ihm dort auch die Folter. Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan in der Region Berg Karabach habe sich verschlechtert. Es komme immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen, in deren Folge Soldaten sterben würden. In Aserbaidschan würden alle Männer bis zu 35 Jahren registriert, so dass sie im Falle eines Krieges sofort eingezogen werden könnten. Militärdienstverweigerern drohten im Gefängnis Folter und erniedrigende Behandlungen sowie Bestrafungen. Der Kläger komme aus einer Region, auf die die Armenier immer noch Rechtsansprüche erheben würden. Diese Region sei von Krisen gekennzeichnet und auch bedingt durch die geografische Lage kriegsgefährdet.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes vom ... Mai 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen von § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

hilfsweise, dass die Voraussetzungen von § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 24. Juli 2014 die Behördenakte vor, ohne einen Antrag zu stellen.

Mit Beschluss vom 21. Mai 2015 wurde der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 15. September 2015, die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger stehen die mit der Asylantragstellung geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 21. Mai 2014 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für die Asylanerkennung liegen im Falle des Klägers bereits deshalb nicht vor, weil er eigenen Angaben zufolge aus Moskau kommend auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (vgl. Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylVfG).

2. Weiter liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 3 AsylVfG nicht vor.

a) Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG setzt die Eigenschaft als Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) unter anderem voraus, dass sich der betreffende Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet. Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylVfG sind zum einen Handlungen, die aufgrund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) - Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) - keine Abweichung zulässig ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG). Zum anderen können Verfolgungshandlungen auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG).

b) Der Vortrag der Kläger, die ihr Verfolgungsschicksal wie viele Asylbewerber nicht durch andere Beweismittel nachweisen konnten, ist gemäß dem Gebot der freien richterlichen Beweiswürdigung zu würdigen (§ 108 Abs. 1 VwGO). Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es muss dabei von dem behaupteten individuellen Schicksal und die vom Asylsuchenden dargelegte Verfolgung überzeugt sein. Eine bloße Glaubhaftmachung im Sinne von § 294 ZPO genügt nicht. Die freie richterliche Beweiswürdigung bindet das Gericht nicht an starre Regeln, sondern ermöglicht ihm, den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden. Das Gericht muss aber von der Wahrheit der klägerischen Behauptung eines individuellen Verfolgungsschicksals und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit die volle Überzeugung gewinnen. Das Gericht darf hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (vgl. BVerwG, U. v. 16.4.1985 - 9 C 109/84 - BVerwGE 71, 180 ff.).

c) Der Kläger hat nach diesen Maßstäben nicht glaubhaft machen können, vor seiner Ausreise aus Aserbaidschan einer Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3 a AsylVfG ausgesetzt gewesen zu sein.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, von dem Freund seiner Tante bedroht und misshandelt worden zu sein, wäre zum einen zweifelhaft, ob diese Taten an die für die Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG anknüpfen. Jedenfalls ist nicht davon auszugehen, dass die staatlichen Organe in Aserbaidschan im Sinne von § 3 c Nr. 3 AsylVfG erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens wären, in einem solchen Fall Schutz zu gewähren. Dies würde voraussetzen, dass die Sicherheitsbehörden entweder schutzunwillig sind oder aber - prinzipiell oder auf gewisse Dauer - zur Schutzgewährung außerstande sind, weil sie das Gesetz des Handelns an andere Kräfte verloren haben und die staatlichen Sicherheits- und Ordnungsvorschriften nicht mehr durchsetzen können; lückenloser Schutz muss dabei nicht gewährleistet sein (vgl. BVerwG, U. v. 5.7.1994 - 9 C 1/94 juris; BayVGH, U. v. 22.2.1989 - 21 BZ 86.30264 - juris Rn. 73). Insbesondere aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29. April 2015 über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Aserbaidschan ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Auch zeigen die Schilderungen des Klägers nicht auf, dass die Polizeidienststelle, bei der er im Jahre 2011 zwei- oder dreimal Vorfälle angezeigt habe, aus grundsätzlichen Erwägungen untätig geblieben ist. Die grundsätzliche Schutzfähigkeit und Willigkeit eines Staates erfordert nicht, dass jede Anzeige zu bestimmten Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen führen muss. Gerade bei Auseinandersetzungen im familiären Umfeld kann nicht damit gerechnet werden, dass Sicherheitsbehörden stets einschreiten können. Unabhängig hiervon stünde der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch entgegen, dass der Kläger in anderen Teilen von Aserbaidschan keine begründete Furcht vor Verfolgung geltend machen kann und ihm zugemutet werden kann, sich dort niederzulassen (vgl. § 3 e AsylVfG).

Weiter kann eine Verfolgung im Sinne von § 3 a AsylVfG nicht dem Umstand entnommen werden, dass der Kläger in seinem Heimatland noch keinen Militärdienst abgeleitet hat.

Der Kläger unterliegt grundsätzlich aufgrund seines Alters nach wie vor der gesetzlichen Wehrpflicht in Aserbaidschan, die das dortige Recht für alle Männer im Alter zwischen 18 und 35 Jahren unabhängig vom Aufenthaltsort vorsieht (vgl. Auskunft der Botschaft Baku vom 12.4.2013 an das Auswärtige Amt). Zudem legen nach Angaben u. a. des Auswärtigen Amtes (vgl. vorgenannter Lagebericht vom 29.4.2015, dort Ziffer II.1.6) Informationen über den Tod aserbaidschanischer Soldaten außerhalb von Einsätzen nahe, dass diese Opfer von Mobbing in der Armee wurden. Auch das U.S. Department of State (Azerbaijan - Country Report on Human Rights Practices 2014 vom 25.6.2015) berichtet über Menschenrechtsverletzungen im Bereich des aserbaidschanischen Militärs, wenngleich es Berichte gebe über einige positive Entwicklungen, wie die Abnahme von Schikanen. Diese Rechtsverletzungen beinhalten Fälle des physischen bzw. sexuellen Missbrauchs von Soldaten, der manchmal in deren Selbstmord mündet, und die Tötung durch Kameraden.

Der Kläger befürchtet eine Gefängnisstrafe und Folter, weil er sich unberechtigt der Wehrpflicht entzogen habe. Es fehlt jedoch bereits an einer hinreichend konkreten Gefahr, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Aserbaidschan tatsächlich zum Wehrdienst herangezogen und dort angenommen würde, dass er sich diesem bislang unberechtigt entzogen haben könnte. Unterstellt man den Vortrag des Klägers gegenüber dem Bundesamt als glaubhaft, so hätten die Militärbehörden im Jahr 2006 die Bemühungen eingestellt, die Wehrpflicht des Klägers durchzusetzen. Er hat selbst angegeben, nach zwei oder drei Monaten von den Militärbehörden nichts mehr gehört zu haben, d. h. offensichtlich bis zu seiner Ausreise im Jahr 2012. Weiter ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen, dass bereits ein Einberufungsbefehl gegenüber ihm ergangen wäre. Vielmehr diente seine Vorladung wohl lediglich der Wehrerfassung, da von ihm lediglich verlangt wurde, Personalpapiere vorzulegen, die er nach seinen Angaben nicht besessen hat. Eine weitergehende Aufklärung des Sachverhalts war nicht durch informatorische Befragung des Klägers möglich, da dieser an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat.

Es kommt hier demnach nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die vom Kläger geschilderten Sanktionen wegen Wehrdienstentziehung als Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 3 a AsylVfG angesehen werden könnten (vgl. zu den Voraussetzungen BVerwG, U. v. 24.4.1990 - 9 C 4/89 - juris Rn. 15). Auch stellt sich nicht die Frage, ob ihm als Wehrpflichtigem in der Armee Verfolgungshandlungen aufgrund eines Verfolgungsgrundes im Sinne von § 3 b AsylVfG mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohen würden. Im Übrigen wäre nicht erkennbar, dass der Kläger aufgrund eines bestimmten persönlichen Merkmals im Sinne von § 3 b AsylVfG Opfer von Verfolgungsmaßnahmen werden könnte.

Zudem müssen rückgeführte und freiwillig ausgereiste aserbaidschanische Staatsangehörige nach dem Erkenntnisstand des Auswärtigen Amtes (vgl. Lagebericht vom 29.4.2015, dort Ziffer IV.2.) wegen der Asylantragstellung im Ausland bei ihrer Rückkehr nicht mit staatlichen Zwangsmaßnahmen rechnen.

3. Das Bundesamt hat zudem zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG verneint. Nach den vorstehenden Ausführungen ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass der aserbaidschanische Staat gegenüber einer drohenden erniedrigenden Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG durch einen nichtstaatlichen Akteur wie den Freund der Tante des Klägers erwiesenermaßen keinen Schutz gewähren würde (vgl. § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3 c Nr. 3 AsylVfG). Im Übrigen wäre der Kläger auch insoweit auf die Möglichkeit zu verweisen, in einen anderen Teil der Republik Aserbaidschan zurückzukehren (vgl. § 3 e i. V. m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG).

Da der Kläger zudem nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer Einziehung in die aserbaidschanische Armee rechnen muss, kommt es insoweit nicht darauf an, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen im Rahmen des Wehrdienstes eine erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG drohen könnte. Im Übrigen sind insoweit allgemeine Gefahren, die sich für Wehrpflichtige aus Kampfeinsätzen ergeben, nicht einschlägig. Aus Gefahren infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts kann sich gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG lediglich für Zivilpersonen ein Schutzanspruch ergeben.

4. Der Abschiebung des Klägers steht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 bis 7 AufenthG entgegen.

Insbesondere ist kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG gegeben, das sich aus der Anwendung der EMRK ergeben würde. Vorliegend ist, wie oben näher dargelegt, nicht davon auszugehen, dass der Kläger vor Übergriffen Dritter keinen staatlichen Schutz erlangen könnte. Weiter ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass er bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan zum Wehrdienst herangezogen würde und in der Folge u.U. in dortigen Armee Schikanen ausgesetzt sein könnte.

Auch liegen die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor. Der Kläger hat keine Anhaltspunkte für eine entsprechende individuelle und konkrete Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Aserbaidschan glaubhaft gemacht. Dabei können die befürchteten Verfolgungsmaßnahmen durch Dritte oder aserbaidschanische Sicherheitsorgane wiederum nicht zugrunde gelegt werden.

Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (vgl. vorgenannter Lagebericht vom 29.4.2015, dort Ziffer IV.1.1.) ist die Grundversorgung der aserbaidschanischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet. Die über 800.000 (Binnen-) Vertriebenen, die im Zuge des Bergkarabach-Konflikts aus ihren bisherigen Wohnorten in den besetzten Gebieten vertrieben wurden oder geflohen sind und z.T. seit 20 Jahren in Flüchtlingsunterkünften leben, erhalten staatliche Unterstützungsleistungen. Der Kläger gehört nach seinen Angaben zu diesen Vertriebenen. Zudem war er vor seiner Ausreise aus Aserbaidschan erwerbstätig und konnte gewisse Rücklagen bilden, obwohl der Freund seiner Tante ihm unter Androhungen Geld abgenommen hat. Der Kläger müsste daher im Falle einer Rückkehr nach Aserbaidschan in der Lage sein, sich durch eigene Anstrengungen eine Existenzgrundlage zu schaffen.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

I.Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. August 2014 wird in den Nrn. 1, 3, 4 und 5 aufgehoben. 

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin zu 1) die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Unter der aufschiebenden Bedingung, dass dieses Urteil hinsichtlich der Klägerin zu 1) rechtskräftig wird, wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger zu 2) dementsprechend internationalen Schutz für Familienangehörige (Flüchtlingseigenschaft) zuzuerkennen.

II.Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die am … 1973 geborene Klägerin zu 1) und ihr am … 1997 geborener Sohn, der Kläger zu 2), sind aserbaidschanischer Staatsangehörige. Am 8. Februar 2013 stellten sie bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylanträge.

Bei einer Befragung durch das Bundesamt zur Vorbereitung der Anhörung gemäß § 25 AsylVfG am 8. Februar 2013 gab die Klägerin zu 1) unter anderem an, ihre Schwester sei 2001 als jüdische Immigrantin nach Deutschland gekommen. In 2009 habe die Klägerin zu 1) ein Schengen-Visum erhalten. Sie habe am … November 2009 in Dänemark (einen deutschen Staatsangehörigen) geheiratet.

Bei ihrer Anhörung gemäß § 25 AsylVfG am 11. September 2013 trug die Klägerin zu 1) im Wesentlichen vor, ihr Ehemann, von dem sie zwischenzeitlich getrennt lebe, habe ihren Pass zusammen mit anderen Papieren weggeworfen. In Aserbaidschan habe sie gleich nach dem Abschluss der 11. Klasse geheiratet. Ihr früherer Ehemann habe sie sehr schlecht behandelt. Er habe sie auch geschlagen. Sie habe sich mehrere Male bei der Polizei beschwert, es sei aber nichts passiert. Man könne in Aserbaidschan mit Geldzahlung alles regeln. Ihr Ehemann habe das wohl mit Geldzahlung geregelt. Es sei nicht zu einem Gerichtsverfahren gekommen. Außer ihrem Sohn habe sie mit ihm zusammen noch zwei ältere Töchter. Sie habe zu ihnen keinen Kontakt mehr. Sie habe ihrer Erinnerung nach im November 1990 geheiratet. Im Jahr 2001 sei sie offiziell geschieden worden. Ihr Ehemann habe ihr gleich nach der Gerichtsverhandlung die drei Kinder abgenommen und sei mit ihnen zu seiner Wohnung gefahren. Sie habe mit ihrem Mann in … gewohnt. Sie sei dann mit ihrem Sohn und der jüngeren Tochter zu ihrer Mutter gegangen, die auch in … gewohnt habe. Die ältere Tochter sei bei ihrem Ehemann geblieben. Ihr Ehemann habe sie und die Kinder immer wieder geschlagen. Einmal habe er sie so misshandelt, dass ihr Arm gebrochen worden sei. Sie habe mit einem ärztlichen Attest bei der Polizei Anzeige erstattet. Sie seien dann zu ihr nach Hause gekommen und hätten ihren Ehemann befragt. Dieser habe dann aber Gegenanzeige erstellt und gesagt, dass er nicht wüsste, wer ihr den Arm gebrochen hätte. Sie würde sich auf der Straße prostituieren. Dies habe aber nicht gestimmt. Bei diesem Vorfall habe sie sich von ihrem Ehemann getrennt. Die Polizei sei noch anwesend gewesen. Sie habe alle drei Kinder mitnehmen wollen. Ihr Ehemann habe aber gesagt, dass die älteste Tochter bei ihm bleiben solle. So habe sie nur ihren Sohn und die jüngere Tochter mitnehmen können zu ihrer Mutter. Sie habe dann die älteste Tochter fünf oder sechs Monate nicht gesehen. Fünf oder sechs Tage nach der Trennung habe sie dann Antrag auf Ehescheidung gestellt. Sie habe auch beantragt, dass sie die Kinder bekommen solle. Dies sei ihr bei der Gerichtsverhandlung anlässlich der Scheidung so genehmigt worden. Ihr Ehemann habe ihr gesagt, dass die Kinder bei ihm bleiben würden. Er habe gewusst, dass sie ohne ihre Kinder nicht leben könne. So habe er sie gezwungen, dass sie wieder zu ihm zurückkehre. Sie habe dann weiterhin mit ihm ungefähr fünf Jahre zusammengelebt. Er habe sie aber immer wieder misshandelt und insbesondere auch ihren Sohn. Im Jahr 2005/2006 habe sie dann mit den Kindern endgültig ihren Ehemann verlassen. Sie sei mit den Kindern nach … gefahren und habe sich dann dort bei einem Bekannten aufgehalten. Ihre Mutter habe sich seit 2001 in … aufgehalten. Ihr Ehemann habe zwei Polizisten zu ihrer Mutter geschickt. Sie hätten ihre Mutter bedroht und gesagt, dass die Klägerin zu 1) ihren Ehemann bestohlen hätte. Sie müsse ihnen sagen, wo sich die Klägerin zu 1) mit den Kindern aufhalte. Anderenfalls würde sie ins Gefängnis kommen. Sie hätten auch bei ihrer Mutter eine Telefonnummer hinterlassen. Die Klägerin zu1) habe Angst gehabt, dass ihrer Mutter tatsächlich etwas passieren können. Sie habe daher die Leute kontaktiert und es sei ein Treffpunkt vereinbart worden. Sie hätten sich in … auf der Straße getroffen. Es seien zwei Männer in Zivil und ihr Ehemann dort gewesen. Dieser habe gesagt, sie müsse mit den Kindern zu ihm zurückkehren, sonst würde er Anzeige gegen sie erstatten und behaupten, dass sie ihn bestohlen habe. Er würde dafür sorgen, dass sie ins Gefängnis komme. Dort komme es immer wieder zu Vergewaltigungen. Aus Angst sei sie zu ihrem Ehemann zurückgekehrt. Sie sei aber nur zwei Wochen bei ihm geblieben. Er habe sie weiterhin misshandelt. Sie habe dann die Kinder genommen und sei mit ihnen in das Haus der Mutter nach … gegangen. Beim Abschied habe ihr Ehemann ihr noch nachgewunken und gesagt, dass er schon wissen würde, wie er sie wieder finden würde. Er habe sie dann erneut bedroht. Sie habe sich dann ein Jahr dort aufgehalten. Ihr Mann habe versucht herauszufinden, wo sie sich aufhalte. Nach den Ferien habe er auch die Kinder von der Schule verfolgt. Schließlich habe er ihren Aufenthaltsort herausgefunden. Er habe auch ihre Handynummer an irgendwelche fremden Männer weitergegeben. Sie habe dann Anrufe von diesen erhalten, dass sie sie kennen lernen wollten. Nachts habe es auch an die Tür geklopft. Sie habe Angst bekommen und nicht aufgemacht. Sie habe sich deswegen nicht an die Polizei gewandt, da sie inzwischen das Vertrauen zur Polizei verloren gehabt hätte. Im März 2007 seien die beiden Töchter nicht nach Hause gekommen. Die Klägerin zu 1) habe dann versucht, sie auf dem Handy zu erreichen. Sie hätten ihr gesagt, dass sie bei ihrem Vater wären und sie dort bleiben würden. Die Klägerin zu 1) habe Angst gehabt, dass ihr Ehemann auch noch ihren Sohn wegnehmen könnte. Sie sei deshalb mit ihm zu ihrer Mutter nach … gezogen. Dort habe sie sich die letzten zwei Jahre vor der Ausreise aufgehalten. Ihr Ehemann habe sie öfters angerufen und sie am Telefon beschimpft. Er habe auch versucht, ihren Sohn anzurufen und sich mit ihm zu treffen. Dieser habe aber Angst vor einem Treffen gehabt. Ihr Ehemann habe auch irgendwelche fremden Männer zu ihr geschickt. Sie seien dann zu ihnen gekommen und hätten sie belästigt. Die Töchter seien 1991 und 1993 geboren. Im Jahr 1999 habe sie schon einmal versucht, Aserbaidschan zu verlassen. Sie habe die Anerkennung als jüdischer Kontingentflüchtling in Deutschland erreichen wollen. Ihr Ehemann habe ihr das damals aber nicht erlaubt. Ihre Schwester habe dann Kontakt mit dem Deutschen geknüpft, den sie gleich nach ihrer Einreise geheiratet habe. Die Zustimmung ihres Ehemanns zur Ausreise des Sohns habe sie fälschen lassen. Sie sei notariell beglaubigt worden. Ein Schleuser habe das für sie erledigt. Dieser habe ihr dann auch das Visum besorgt. Das Geld dafür habe aus dem Verkauf der Wohnung der Mutter in … gestammt. Ihr Ehemann belästige ihre Mutter in … immer wieder, telefonisch als auch persönlich. Er habe gesagt, dass sie den Aufenthaltsort der Klägerin zu 1) preisgeben solle. Er wisse bis jetzt nicht, dass sie in Deutschland sei. Er habe gesagt, dass er sie töten werde. Er hätte sogar schon für ihr Begräbnis in Aserbaidschan gesorgt. Sie befürchte, dass ihr Ehemann ihr auch Schwierigkeiten bereiten würde, wenn sie nach Aserbaidschan zurückkehren müsste. Entweder würde er sie umbringen oder er würde sie ins Gefängnis bringen, da sie mit der gefälschten Zustimmung ausgereist sei. Diese habe sie in … am Flughafen abgeben müssen.

Der Kläger zu 2) trug ergänzend vor, der Vater habe ihn sehr streng erzogen und er habe ihn sehr oft geschlagen. Einmal habe er auch ein weißes Pulver bei ihm gefunden. Er vermute, dass es Kokain gewesen sei. Sein Vater habe mit ihm auch Schießübungen veranstaltet. Er könne nicht zurückkehren, weil er nicht wisse, was sein Vater dann mit ihm anstellen würde. Er wäre in Aserbaidschan seinem Vater schutzlos ausgeliefert.

Mit Bescheid vom 5. August 2014, zugestellt am 19. August 2014, erkannte das Bundesamt die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1 des Bescheids), lehnte die Anträge auf Asylanerkennung ab (Nr. 2 des Bescheids), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3 des Bescheids) und verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Nr. 4 des Bescheids). Die Kläger wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Aserbaidschan oder in einen anderen Staat angedroht, in den die Kläger einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei (Nr. 5 des Bescheids).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei keine Betroffenheit der Kläger in asylrechtlich geschützten Rechten erkennbar. In Bezug auf die Probleme mit dem Ehemann, wäre es den Klägern durchaus zuzumuten, sich diesbezüglich an die Behörden des Heimatlandes um Schutz zu wenden. Die aserbaidschanischen Behörden seien grundsätzlich auch schutzbereit und schutzwillig. Abwegig sei die Befürchtung, es könne eine Gefängnisstrafe drohen. Gegen die behauptete Verfolgungsfurcht spreche auch der Zeitpunkt der Asylantragstellung. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Die Todesstrafe sei in Aserbaidschan abgeschafft. Es sei nicht glaubhaft, dass den Klägern in Aserbaidschan Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen könnte. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Aserbaidschan führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Kläger eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Es drohe den Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.

Am 2. September 2014 erhob die frühere Bevollmächtigte der Kläger Klage. Zuletzt wurde beantragt,

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 5. August 2014 verpflichtet festzustellen, dass die Kläger die Voraussetzungen des § 3 AsylG erfüllen und als Flüchtlinge anzuerkennen;

hilfsweise den Klägern subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG hinsichtlich Aserbaidschan zuzuerkennen;

weiter hilfsweise festzustellen, dass hinsichtlich Aserbaidschan Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wurde zunächst im Wesentlichen vorgetragen, den Klägern sei Asyl zu gewähren. Der geschiedene Ehemann sei nach wie vor in Aserbaidschan nach den Klägern suchend. Er tauche häufiger bei der Mutter dort auf und frage nach, wo die Kläger seien. Die Klägerin zu 1) habe ehemals Papiere gefälscht, um mit dem minderjährigen Sohn ausreisen zu können. Nach der Trennung von ihrem geschiedenen Ehemann sei die Klägerin zu 1) als „Prostituierte“ bezeichnet und gesucht worden. Der Kläger zu 2) werde als „Sohn einer Prostituierten“ bezeichnet. Die Kläger könnten nicht mehr nach Aserbaidschan einreisen. Es würde dort Gefängnisstrafe drohen. Die Klägerin zu 1) sei bereits dort für einige Tage im Gefängnis festgehalten worden. Ihr geschiedener Ehemann habe Geld und könne der Polizei daher entsprechende Anweisungen geben. Als „Prostituierte“ im Gefängnis würde der Klägerin zu 1) auch körperliche Gewalt drohen, ebenso dem Kläger zu 2) als „Sohn einer Prostituierten“. Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2016 teilte die Bevollmächtigte der Kläger mit, es werde ein fachärztliches Attest vom … Dezember 2015 überreicht, aus welchem hervorgehe, dass der Kläger zu 2) an paranoider Schizophrenie leide. Er habe sich vier Monate in einem stationären Krankenhausaufenthalt befunden und sei weiterhin behandlungsbedürft. Die Klägerin zu 1) sei durch Beschluss des Amtsgerichts … vom … November 2015 zur Betreuerin bestellt worden. Dem Kläger zu 2) drohe die Verhaftung bzw. Einziehung zum Militärdienst. In Anbetracht der hier diagnostizierten Erkrankung sei der Kläger zu 2) jedoch nicht in der Lage, den Wehrdienst abzuleisten. Um sich vom Wehrdienst aus gesundheitlichen Gründen befreien zu lassen, müsste er ein ärztliches Attest aus Aserbaidschan vorlegen. Dies wäre ihm jedoch nicht möglich. Aufgrund der bestehenden Korruption sei der Zugang zum Gesundheitswesen nicht für die gesamte Bevölkerung gewährleistet. Vielmehr werde auch in diesem Bereich, wie auch in allen anderen administrativen und staatlichen Angelegenheiten die Zahlung von „Schmiergeld“ notwendig, um eine geeignete Behandlung zu erhalten. Unabhängig vom Wehrdienst sei die Gesundheit und das Leben des Klägers zu 2) gefährdet, weil eine Behandlung der Krankheit nicht gewährleistet sei. Bei Abbruch der Behandlung sei nach dem fachärztlichen Attest sowohl von einer Fremd- als auch von einer Selbstgefährdung auszugehen. Vor diesem Hintergrund seien auch die Ausführungen der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung glaubhaft. Ihr früherer Ehemann habe die finanziellen Mittel, um durch Zahlung von Bestechungsgeldern die Klägerin zu 1) zu Unrecht inhaftieren zu lassen. Nicht selten würden in Aserbaidschan auf diese Art und Weise, d. h. unter falschen Anschuldigungen unliebsame Personen „aus dem Weg geräumt“, wobei Polizei und Justiz unter dem Druck der Exekutivgewalt nicht unabhängig und neutral agierten. In den Gefängnissen drohten Misshandlungen und Folter. Die Klägerin zu 1) könne sich daher auch nicht darauf verlassen, von den staatlichen Einrichtungen Schutz vor ihrem früheren Ehemann zu erhalten. Sie habe auch glaubhaft geschildert, von ihm misshandelt und geschlagen worden zu sein. Auch in diesen Situationen sei sie von der Polizei nicht ernstgenommen bzw. nicht geschützt worden. Sie sei ihrem früheren Ehemann schutzlos ausgeliefert gewesen und sei sogar für einige Tage inhaftiert worden. Innerstaatliche Fluchtalternativen bestünden für die Klägerin nicht. Auch bisher habe der frühere Ehemann sie stets ausfindig gemacht, gleichgültig, an welchen Ort sie geflüchtet sei.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 4. September 2014 die Behördenakte vor und stellte keinen Antrag.

Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss der Kammer vom 13. August 2015 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Die Kläger haben mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 10. März 2016 auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet. Die Beklagte hat gegenüber dem Gericht ein generelles Einverständnis mit dem Verzicht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 27. Januar 2016 Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet.

Maßgeblich für die Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG).

Die Klägerin zu 1) hat einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG in Bezug auf ihr Herkunftsland Aserbaidschan. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 4. August 2014 erweist sich daher insoweit als rechtswidrig und war in dem ausgesprochenen Umfang aufzuheben (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Der Kläger zu 2) hat im Wege des internationalen Schutzes für Familienangehörige gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 AsylG ebenfalls einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Bezug auf sein Herkunftsland Aserbaidschan, sofern das Urteil bezüglich der Klägerin zu 1) rechtskräftig wird. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 4. August 2014 erweist sich daher auch insoweit als rechtswidrig und war in dem ausgesprochenen Umfang aufzuheben (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juni 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GK), wenn er sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - keine Abweichung zulässig ist, oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist (vgl. § 3a Abs. 1 AsylG). Als Verfolgung in diesem Sinne kann unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt gelten (vgl. § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG). Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Eine nähere Umschreibung der Verfolgungsgründe enthält § 3b AsylG. Dabei kann eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 4 letzter Halbsatz AsylG).

Eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG kann ausgehen von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (vgl. § 3c AsylG). Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam sein und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat (vgl. § 3d Abs. 2 AsylG).

Gemäß § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (sog. „interner Schutz“, vgl. § 3e Abs. 1 AsylG Nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung bedroht sind. Dadurch wird der Vorverfolgte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür dazulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.2009 - 10 C 5/09 - juris Rn. 23). Die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU kommt dem vorverfolgten Antragsteller dabei auch bei der Prüfung zugute, ob für ihn im Gebiet einer internen Schutzalternative keine begründete Furcht vor Verfolgung besteht (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2009 - 10 C 21/08 - juris Rn. 24 f.). Mit Blick auf den Normzweck der Beweiserleichterung erscheint es nicht nachvollziehbar, der Prüfung internen Schutzes als Ausdruck der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes einen strengeren Maßstab zugrunde zu legen als der systematisch vorgelagerten Stellung der Verfolgungsprognose. Die hinter der Beweiserleichterung stehende Teleologie - der humanitäre Charakter des Asyls - verbietet es, einem Schutzsuchenden, der das Schicksal der Verfolgung bereits einmal erlitten hat, das Risiko einer Wiederholung solcher Verfolgung aufzubürden (BVerwG, U.v. 5.5.2009 - 10 C 21/08 - juris Rn. 25).

Bei der individuellen Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz sind alle mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag relevant sind, einschließlich der Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Herkunftslands und der Weise, in der sie angewandt werden, sowie die maßgeblichen Angaben des Antragstellers und die von ihm vorgelegten Unterlagen, einschließlich Informationen zu der Frage, ob er verfolgt worden ist bzw. verfolgt werden könnte (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a und b Richtlinie 2011/95/EU). Weiterhin sind zu berücksichtigen die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Antragstellers, einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, um bewerten zu können, ob in Anbetracht seiner persönlichen Umstände die Handlungen, denen er ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte, einer Verfolgung gleichzusetzen sind (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. c Richtlinie 2011/95/EU).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss auch in Asylstreitigkeiten das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit - und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit - des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 - 9 B 239/89 - juris Rn. 3). Das Tatsachengericht darf dabei berücksichtigen, dass die Befragung von Asylbewerbern aus anderen Kulturkreisen mit erheblichen Problemen verbunden ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989 a. a. O. Rn. 4). Der Asylbewerber befindet sich typischerweise in Beweisnot. Er ist als „Zeuge in eigener Sache“ zumeist das einzige Beweismittel. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris Rn. 121).

Unter Beachtung dieser Maßstäbe hat die Klägerin zu 1) in ihrem konkreten Einzelfall Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Gericht ist auf der Grundlage ihres Vortrags und des in der mündlichen Verhandlung von ihr gewonnenen persönlichen Eindrucks davon überzeugt, dass sie ihr Herkunftsland aus begründeter Furcht vor einer geschlechtsspezifischen Verfolgung durch ihren früheren Ehemann verlassen hat und sie im Falle einer Rückkehr hiervon weiterhin bedroht ist. Dabei kommt der Klägerin die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU zugute und das Gericht kann im Rahmen der freien Beweiswürdigung keine stichhaltigen Gründe für eine Widerlegung der dort geregelten Vermutung erkennen.

Unter Berücksichtigung ihres Herkommens, Bildungsstands und Alters hält das Gericht den Vortrag der Klägerin zu 1) für glaubhaft. Sie hat in überzeugender Weise das Verfolgungsgeschehen und die weiteren Vorkommnisse geschildert. Sie hat in allen Verfahrensstadien hierzu nahezu vollständig übereinstimmende Angaben gemacht, die Geschehnisse unter Nennung von Einzelheiten und zusammenhängend ohne Übertreibungen dargestellt und verbliebene Unklarheiten im Rahmen der informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung ohne Zögern nachvollziehbar erläutert. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass die Klägerin zu 1) das von ihr geschilderte Geschehen tatsächlich erlebt hat.

So fällt bereits der äußerst ausführliche und detailreiche Vortrag der Klägerin zu 1) bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt auf. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat sie ihr Vorbringen weiter vertieft. Danach wurde die Klägerin zu 1) von ihrem früheren Ehemann in ihrem Herkunftsland wiederholt und nachhaltig misshandelt und bedroht und sie konnte sich dem auch nicht durch den erfolgten Umzug entziehen. Ihre Glaubwürdigkeit wird nach Ansicht des Gerichts auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass sie den Asylantrag nicht unmittelbar nach ihrer Einreise gestellt hat, da sie zunächst in nachvollziehbarer Weise auf ein ausländerrechtliches Ehegattenaufenthaltsrecht vertraut hat.

Das Gericht sieht den Verfolgungsgrund der geschlechtsspezifischen Verfolgung im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG im Fall der Klägerin zu 1) als gegeben an (vgl. so auch zu Fällen von häuslicher Gewalt VG Schwerin, U.v. 20.11.2015 - 15 A 1524/13 As - juris Rn. 47; VG Stuttgart, U.v. 13.2.2014 - A 7 K 1457/13 - juris; VG Karlsruhe, U.v. 13.6.2013 - A 9 K 1859/12 - juris; VG Augsburg, U.v. 10.6.2011 - Au 6 K 11.30090 - juris). Diese geht von ihrem früheren Ehemann aus und es besteht eine unmittelbare Verknüpfung zwischen dem Verfolgungsgrund und den Verfolgungshandlungen. Dahinstehen kann daher und war deshalb nicht weiter aufzuklären, ob der Klägerin zu 1) darüber hinaus bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland auch die Festnahme bzw. Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen Kindesentziehung oder Urkundenfälschung mit der Gefahr von Misshandlung oder Vergewaltigung in der Haft konkret drohen würde.

Häusliche Gewalt ist im Herkunftsland der Klägerin zu 1) weit verbreitet. Nach den Erkenntnissen des Lageberichts (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 29. April 2015, Stand: Januar 2015, S. 17; vgl. auch aktueller Lagebericht vom 6. April 2016, Stand Januar 2016, S. 17) garantiert Art. 25 Abs. 2 der Verfassung die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Wie weiter ausgeführt wird, ist dieser Grundsatz (zwar) im Großraum Baku (4 Mio. von 9 Mio. Gesamtbevölkerung) weitestgehend auch in der Praxis realisiert, während (jedoch) auf dem Land traditionelle Vorstellungen des Geschlechterverhältnisses vorkommen. Dies führe beispielsweise dazu, dass nach der Untersuchung einer NGO, die sich für die Rechte der Frauen einsetze, 35% der befragten Opfer häuslicher Gewalt geworden seien. Deren Bekämpfung sei auch die vorrangig genannte Herausforderung für weibliche Kommunalpolitikerinnen.

Nach der dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel ist davon auszugehen, dass der Herkunftsstaat derzeit nicht in der Lage ist, den betroffenen Frauen ausreichenden Schutz vor häuslicher oder familiärer Gewalt zu bieten. So wird im Lagebericht des Auswärtigen Amts ausgeführt, Frauen könnten im Fall von Vergewaltigungen innerhalb der Ehe nicht darauf vertrauen, dass die Sicherheitsorgane sie schützen und Ermittlungen aufnehmen würden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die Asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 29. April 2015, Stand: Januar 2015, S. 17; vgl. auch aktueller Lagebericht vom 6. April 2016, Stand Januar 2016, S. 17). Die Klägerin hat insoweit auch vorgetragen, sich mehrfach erfolglos an die Polizei gewandt zu haben. Dabei sei zwar beim ersten Mal ihre Anzeige gegen den früheren Ehemann entgegen genommen und dieser befragt worden, es sei jedoch nichts dabei herausgekommen. Dieser habe die Tat geleugnet und eine Gegenanzeige gegen sie erstattet. Zudem berichtete sie von Bestechungen bei der Polizei durch ihren früheren Ehemann, der Immobilienmakler und vermögend gewesen sei. So sei sie auch einmal auf Veranlassung ihres früheren Ehemanns in Polizeigewahrsam gekommen und Anzeigen von ihr seien von der Polizei nicht verfolgt worden. Dies wird auch durch die Erkenntnismittellage gestützt, wo vielfach über Korruption in Aserbaidschan berichtet wird, auch im Bereich der Strafjustiz (vgl. z. B. Bertelsmann Stiftung 2016, Aserbaidschan, Länderbericht zu politischer Partizipation; Rechtsstaatlichkeit; Stabilität demokratischer Institutionen; sozioökonomischer Entwicklung; Wirtschaft; Privateigentum; etc; S. 14, abrufbar unter http://www.ecoi.net). Von einem ausreichenden Zugang zu einem wirksamen staatlichen Schutz im Sinne von § 3d Abs. 2 AsylG kann daher im Fall der Klägerin zu 1) nicht ausgegangen werden.

Als vorverfolgt ausgereist ist die Klägerin zu 1) im Falle einer Rückkehr nach Aserbaidschan von nichtstaatlichen Akteuren im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG bedroht. Insoweit kommt ihr die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zugute. Stichhaltige Gründe nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU dagegen, dass die Klägerin zu 1) erneut von einer solchen Verfolgung bedroht wird, bestehen nicht. Vielmehr hat die Klägerin zu 1) überzeugend dargelegt, dass sich der Verfolgungsdruck noch erhöht hat, da sie zum einen den gemeinsamen Sohn unerlaubt mit Hilfe einer gefälschten Zustimmungserklärung außer Landes gebracht und zudem zwischenzeitlich erneut geheiratet hat, was der frühere Ehemann als ehelichen Betrug betrachten würde.

Für die Klägerin zu 1) besteht auch keine inländische Fluchtalternative im Sinne eines internen Schutzes, § 3e AsylG. Die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU kommt der vorverfolgten Klägerin zu 1) - wie ausgeführt - auch bei der Prüfung zugute, ob für sie im Gebiet einer internen Schutzalternative keine begründete Furcht vor Verfolgung besteht (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2009 - 10 C 21/08 - juris Rn. 24 f.). Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass nach dem Vortrag der Klägerin zu 1) auch die begründete Gefahr besteht, dass ihr früherer Ehemann im Falle einer Rückkehr der Kläger nach Aserbaidschan von dieser Tatsache und von ihrem Aufenthaltsort erfahren würde. Beide gehören der jüdischen Gemeinde an, die (insgesamt) einen Anteil an der Gesamtbevölkerung (ca. 9,5 Millionen) von lediglich 0,1% hat (vgl. unter https://de.wikipedia.org/wiki/Aserbaidschan), so dass es sich um einen relativ kleinen und daher überschaubaren Personenkreis handelt. Die Klägerin zu 1) hat hierzu nachvollziehbar vorgetragen, es werde daher bekannt, wenn jemand umgezogen sei.

Nach alledem war der Klage der Klägerin zu 1) auf Flüchtlingsanerkennung und Aufhebung der entgegenstehenden Nummer 1 des Bescheids des Bundesamts vom 5. August 2014 stattzugeben, so dass über die hilfsweise gestellten Verpflichtungsanträge nicht mehr zu entscheiden war.

Die Klage ist auch begründet, soweit die Aufhebung der Nummern 3 und 4 des angefochtenen Bescheids begehrt wird. Denn die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, lässt die negative Feststellung des Bundesamts im Übrigen angesichts des Eventualverhältnisses (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 - 9 C 19/96 - juris) gegenstandslos werden, so dass der ablehnende Bescheid auch insoweit aufzuheben ist. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.

Der Hauptantrag des Klägers zu 2), ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ist im Ergebnis insoweit begründet, als bei ihm die Voraussetzungen des internationalen Schutzes für Familienangehörige nach § 26 Abs. 2 AsylG erfüllt sind. Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes ist insoweit rechtwidrig und verletzt den Kläger zu 2) auch in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), als ihm nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist. Aufgrund der Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für seine Mutter, der Klägerin zu 1), hat er Anspruch auf internationalen Schutz für Familienangehörige nach Maßgabe des § 26 Abs. 2 und 5 AsylG.

Nach § 26 Abs. 2 AsylG wird ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Asylanerkennung eines Elternteils unanfechtbar geworden ist. Dies gilt auch für den Anspruch auf internationalen Schutz (vgl. § 26 Abs. 5 Satz 1 AsylG).

Im Fall des 1997 geborenen Klägers zu 2) liegen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 und 5 AsylG vor. Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung am 8. Februar 2013 war er noch minderjährig. Das Gericht hat die Beklagte im ersten Teil des Tenors des vorliegenden Urteils verpflichtet, seiner Mutter, der Klägerin zu 1), die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Der in § 26 Abs. 2 AsylG genannten Voraussetzung, dass der Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 4 AsylG für die stammberechtigte Mutter des Klägers zu 2) unanfechtbar, d. h. im vorliegenden Fall rechtskräftig geworden sein muss, wird dadurch Rechnung getragen, dass die Beklagte lediglich verpflichtet wird, die positive Feststellung zu § 3 Abs. 4 AsylG bezüglich des Klägers zu 2) unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Rechtskraft des die Klägerin zu 1) betreffenden Teils des vorliegenden Urteils auszusprechen, um den Eintritt der Voraussetzungen des zu erteilenden Verwaltungsakts zu gewährleisten (vgl. VG Schwerin, U.v. 20.11.2015 - 15 A 1524/13 As - juris Rn. 54; VG Freiburg (Breisgau), U.v. 19.4.2006 - A 1 K 11298/05 -, juris Rn. 10).

Es kann diesbezüglich dahinstehen, ob der Kläger zu 2) zudem einen Anspruch auf Prüfung eigener Asyl- bzw. Fluchtgründe hätet (vgl. VG Schwerin, U.v. 20.11.2015 - 15 A 1524/13 As - juris Rn. 52; bejahend, falls nur internationaler Schutz begehrt wird, Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 26 Rn. 47), da eine solche Prüfung im Ergebnis keinen weitergehenden Anspruch vermitteln könnte. Da bei dem Kläger zu 2) jedenfalls kein geschlechtsspezifischer (und auch kein sonstiger) Verfolgungsgrund im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ersichtlich ist, wären die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bei ihm selbst nicht gegeben. Die Voraussetzungen für die subsidiäre Schutzberechtigung (§ 4 AsylG) dürften hingegen bei ihm vorliegen, ohne dass es für die vorliegende Entscheidung darauf ankäme.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger besitzt eigenen Angaben zufolge die Staatsangehörigkeit der Republik Aserbaidschan und ist aserbaidschanischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 27. Februar 2012 in das Bundesgebiet ein und stellte hier am 13. März 2012 einen Asylantrag.

Bei einer Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 4. Juni 2012 gab der Kläger im Wesentlichen an, seit seiner Flucht aus der Region Karabach im Jahr 1992 bis etwa drei Monate vor seiner Ausreise habe er bei seiner Tante und deren beiden Kindern in einem Flüchtlingslager in dem Ort ... gelebt. Seine Eltern seien bereits vor der Flucht aus Karabach von Armeniern getötet worden. Er habe nie eine Schule besucht, weil er keine Papiere gehabt habe. In ... habe er sich um die Tiere eines Bauern gekümmert. Etwa drei Monate lang bis zu seiner Ausreise habe er auf einem Bazar in ... gearbeitet. In den zwei Jahren vor seiner Ausreise habe ihm der Freund seiner Tante, der bei dieser gelebt habe, Geld abgenommen und ihn geschlagen. Im Jahr 2011 sei der Kläger deshalb zwei- oder dreimal bei der Polizei in ... gewesen und habe diese Vorfälle geschildert, die Polizei habe jedoch nichts unternommen. Im Jahr 2005 habe er den Wehrdienst antreten sollen. Damals seien Mitarbeiter der Militärbehörden von ... gekommen und hätten gesagt, der Kläger müsse zum Militär gehen. Von ihm sei verlangt worden, dass er seine Papiere vorlege, die er jedoch nicht gehabt habe. Die Leute von der Militärbehörde hätten dann selbst bei ihnen nach den Papieren gesucht, jedoch erfolglos. Der Kläger sei dann alle zwei oder drei Monate bei der Militärbehörde vorgeladen worden; er habe seine Papiere abgeben sollen. Nach zwei oder drei Monaten habe er von der Militärbehörde nichts mehr gehört. Insgesamt sei er zwei- oder dreimal bei der Militärbehörde in ... gewesen, das letzte Mal 2006.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom ... Mai 2014, zur Post gegeben am 27. Mai 2014, wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1 des Bescheides) und der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziffer 2). Weiter wurde der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffer 3). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (Ziffer 4). Weiter wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Aserbaidschan oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Ziffer 5). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Der Kläger habe eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Seinem Sachvortrag sei kein substantiierter und detaillierter Tatsachenvortrag zu entnehmen. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vorbringens. Soweit er vorgetragen habe, er habe Probleme mit dem Mann seiner Tante gehabt, der ihn immer wieder geschlagen und ihm Geld abgenommen habe, handle es sich um Übergriffe Dritter. Es sei dem Kläger durchaus zuzumuten, sich zunächst an die Behörden seines Heimatlandes zu wenden und dort um Schutz nachzusuchen. Nach hiesiger Erkenntnis seien die aserbaidschanischen Behörden grundsätzlich auch schutzbereit und schutzwillig. Im Übrigen habe für den Kläger auch eine interne Fluchtalternative in andere Landesteile Aserbaidschans bestanden, beispielsweise in die Millionenstadt Baku. Wegen einer Asylantragstellung im Ausland müsse in Aserbaidschan niemand mit staatlichen Zwangsmaßnahmen rechnen. Dies gelte sowohl für Rückgeführte als auch für freiwillig zurückkehrende Aserbaidschaner. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus und Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor.

Am 11. Juni 2014 erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom ... Mai 2014. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die bisherigen Angaben des Klägers Bezug genommen. Das Bundesamt habe dessen Antrag falsch gewürdigt. Dem Kläger drohe in seiner Heimatstadt eine menschenrechtswidrige Behandlung. Er habe in Aserbaidschan seinen Militärdienst noch nicht absolviert. Im Falle einer Rückkehr nach Aserbaidschan drohe ihm zunächst eine Gefängnisstrafe, danach der Einzug zum Militär. Da er zu gegebener Zeit nicht als Soldat seinen Militärdienst angetreten habe, seien die Strafen im Gefängnis sehr hart. Es drohe ihm dort auch die Folter. Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan in der Region Berg Karabach habe sich verschlechtert. Es komme immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen, in deren Folge Soldaten sterben würden. In Aserbaidschan würden alle Männer bis zu 35 Jahren registriert, so dass sie im Falle eines Krieges sofort eingezogen werden könnten. Militärdienstverweigerern drohten im Gefängnis Folter und erniedrigende Behandlungen sowie Bestrafungen. Der Kläger komme aus einer Region, auf die die Armenier immer noch Rechtsansprüche erheben würden. Diese Region sei von Krisen gekennzeichnet und auch bedingt durch die geografische Lage kriegsgefährdet.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes vom ... Mai 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen von § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

hilfsweise, dass die Voraussetzungen von § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 24. Juli 2014 die Behördenakte vor, ohne einen Antrag zu stellen.

Mit Beschluss vom 21. Mai 2015 wurde der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 15. September 2015, die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger stehen die mit der Asylantragstellung geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 21. Mai 2014 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für die Asylanerkennung liegen im Falle des Klägers bereits deshalb nicht vor, weil er eigenen Angaben zufolge aus Moskau kommend auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (vgl. Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylVfG).

2. Weiter liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 3 AsylVfG nicht vor.

a) Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG setzt die Eigenschaft als Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) unter anderem voraus, dass sich der betreffende Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet. Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylVfG sind zum einen Handlungen, die aufgrund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) - Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) - keine Abweichung zulässig ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG). Zum anderen können Verfolgungshandlungen auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG).

b) Der Vortrag der Kläger, die ihr Verfolgungsschicksal wie viele Asylbewerber nicht durch andere Beweismittel nachweisen konnten, ist gemäß dem Gebot der freien richterlichen Beweiswürdigung zu würdigen (§ 108 Abs. 1 VwGO). Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es muss dabei von dem behaupteten individuellen Schicksal und die vom Asylsuchenden dargelegte Verfolgung überzeugt sein. Eine bloße Glaubhaftmachung im Sinne von § 294 ZPO genügt nicht. Die freie richterliche Beweiswürdigung bindet das Gericht nicht an starre Regeln, sondern ermöglicht ihm, den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden. Das Gericht muss aber von der Wahrheit der klägerischen Behauptung eines individuellen Verfolgungsschicksals und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit die volle Überzeugung gewinnen. Das Gericht darf hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (vgl. BVerwG, U. v. 16.4.1985 - 9 C 109/84 - BVerwGE 71, 180 ff.).

c) Der Kläger hat nach diesen Maßstäben nicht glaubhaft machen können, vor seiner Ausreise aus Aserbaidschan einer Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3 a AsylVfG ausgesetzt gewesen zu sein.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, von dem Freund seiner Tante bedroht und misshandelt worden zu sein, wäre zum einen zweifelhaft, ob diese Taten an die für die Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG anknüpfen. Jedenfalls ist nicht davon auszugehen, dass die staatlichen Organe in Aserbaidschan im Sinne von § 3 c Nr. 3 AsylVfG erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens wären, in einem solchen Fall Schutz zu gewähren. Dies würde voraussetzen, dass die Sicherheitsbehörden entweder schutzunwillig sind oder aber - prinzipiell oder auf gewisse Dauer - zur Schutzgewährung außerstande sind, weil sie das Gesetz des Handelns an andere Kräfte verloren haben und die staatlichen Sicherheits- und Ordnungsvorschriften nicht mehr durchsetzen können; lückenloser Schutz muss dabei nicht gewährleistet sein (vgl. BVerwG, U. v. 5.7.1994 - 9 C 1/94 juris; BayVGH, U. v. 22.2.1989 - 21 BZ 86.30264 - juris Rn. 73). Insbesondere aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29. April 2015 über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Aserbaidschan ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Auch zeigen die Schilderungen des Klägers nicht auf, dass die Polizeidienststelle, bei der er im Jahre 2011 zwei- oder dreimal Vorfälle angezeigt habe, aus grundsätzlichen Erwägungen untätig geblieben ist. Die grundsätzliche Schutzfähigkeit und Willigkeit eines Staates erfordert nicht, dass jede Anzeige zu bestimmten Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen führen muss. Gerade bei Auseinandersetzungen im familiären Umfeld kann nicht damit gerechnet werden, dass Sicherheitsbehörden stets einschreiten können. Unabhängig hiervon stünde der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch entgegen, dass der Kläger in anderen Teilen von Aserbaidschan keine begründete Furcht vor Verfolgung geltend machen kann und ihm zugemutet werden kann, sich dort niederzulassen (vgl. § 3 e AsylVfG).

Weiter kann eine Verfolgung im Sinne von § 3 a AsylVfG nicht dem Umstand entnommen werden, dass der Kläger in seinem Heimatland noch keinen Militärdienst abgeleitet hat.

Der Kläger unterliegt grundsätzlich aufgrund seines Alters nach wie vor der gesetzlichen Wehrpflicht in Aserbaidschan, die das dortige Recht für alle Männer im Alter zwischen 18 und 35 Jahren unabhängig vom Aufenthaltsort vorsieht (vgl. Auskunft der Botschaft Baku vom 12.4.2013 an das Auswärtige Amt). Zudem legen nach Angaben u. a. des Auswärtigen Amtes (vgl. vorgenannter Lagebericht vom 29.4.2015, dort Ziffer II.1.6) Informationen über den Tod aserbaidschanischer Soldaten außerhalb von Einsätzen nahe, dass diese Opfer von Mobbing in der Armee wurden. Auch das U.S. Department of State (Azerbaijan - Country Report on Human Rights Practices 2014 vom 25.6.2015) berichtet über Menschenrechtsverletzungen im Bereich des aserbaidschanischen Militärs, wenngleich es Berichte gebe über einige positive Entwicklungen, wie die Abnahme von Schikanen. Diese Rechtsverletzungen beinhalten Fälle des physischen bzw. sexuellen Missbrauchs von Soldaten, der manchmal in deren Selbstmord mündet, und die Tötung durch Kameraden.

Der Kläger befürchtet eine Gefängnisstrafe und Folter, weil er sich unberechtigt der Wehrpflicht entzogen habe. Es fehlt jedoch bereits an einer hinreichend konkreten Gefahr, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Aserbaidschan tatsächlich zum Wehrdienst herangezogen und dort angenommen würde, dass er sich diesem bislang unberechtigt entzogen haben könnte. Unterstellt man den Vortrag des Klägers gegenüber dem Bundesamt als glaubhaft, so hätten die Militärbehörden im Jahr 2006 die Bemühungen eingestellt, die Wehrpflicht des Klägers durchzusetzen. Er hat selbst angegeben, nach zwei oder drei Monaten von den Militärbehörden nichts mehr gehört zu haben, d. h. offensichtlich bis zu seiner Ausreise im Jahr 2012. Weiter ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen, dass bereits ein Einberufungsbefehl gegenüber ihm ergangen wäre. Vielmehr diente seine Vorladung wohl lediglich der Wehrerfassung, da von ihm lediglich verlangt wurde, Personalpapiere vorzulegen, die er nach seinen Angaben nicht besessen hat. Eine weitergehende Aufklärung des Sachverhalts war nicht durch informatorische Befragung des Klägers möglich, da dieser an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat.

Es kommt hier demnach nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die vom Kläger geschilderten Sanktionen wegen Wehrdienstentziehung als Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 3 a AsylVfG angesehen werden könnten (vgl. zu den Voraussetzungen BVerwG, U. v. 24.4.1990 - 9 C 4/89 - juris Rn. 15). Auch stellt sich nicht die Frage, ob ihm als Wehrpflichtigem in der Armee Verfolgungshandlungen aufgrund eines Verfolgungsgrundes im Sinne von § 3 b AsylVfG mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohen würden. Im Übrigen wäre nicht erkennbar, dass der Kläger aufgrund eines bestimmten persönlichen Merkmals im Sinne von § 3 b AsylVfG Opfer von Verfolgungsmaßnahmen werden könnte.

Zudem müssen rückgeführte und freiwillig ausgereiste aserbaidschanische Staatsangehörige nach dem Erkenntnisstand des Auswärtigen Amtes (vgl. Lagebericht vom 29.4.2015, dort Ziffer IV.2.) wegen der Asylantragstellung im Ausland bei ihrer Rückkehr nicht mit staatlichen Zwangsmaßnahmen rechnen.

3. Das Bundesamt hat zudem zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG verneint. Nach den vorstehenden Ausführungen ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass der aserbaidschanische Staat gegenüber einer drohenden erniedrigenden Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG durch einen nichtstaatlichen Akteur wie den Freund der Tante des Klägers erwiesenermaßen keinen Schutz gewähren würde (vgl. § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3 c Nr. 3 AsylVfG). Im Übrigen wäre der Kläger auch insoweit auf die Möglichkeit zu verweisen, in einen anderen Teil der Republik Aserbaidschan zurückzukehren (vgl. § 3 e i. V. m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG).

Da der Kläger zudem nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer Einziehung in die aserbaidschanische Armee rechnen muss, kommt es insoweit nicht darauf an, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen im Rahmen des Wehrdienstes eine erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG drohen könnte. Im Übrigen sind insoweit allgemeine Gefahren, die sich für Wehrpflichtige aus Kampfeinsätzen ergeben, nicht einschlägig. Aus Gefahren infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts kann sich gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG lediglich für Zivilpersonen ein Schutzanspruch ergeben.

4. Der Abschiebung des Klägers steht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 bis 7 AufenthG entgegen.

Insbesondere ist kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG gegeben, das sich aus der Anwendung der EMRK ergeben würde. Vorliegend ist, wie oben näher dargelegt, nicht davon auszugehen, dass der Kläger vor Übergriffen Dritter keinen staatlichen Schutz erlangen könnte. Weiter ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass er bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan zum Wehrdienst herangezogen würde und in der Folge u.U. in dortigen Armee Schikanen ausgesetzt sein könnte.

Auch liegen die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor. Der Kläger hat keine Anhaltspunkte für eine entsprechende individuelle und konkrete Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Aserbaidschan glaubhaft gemacht. Dabei können die befürchteten Verfolgungsmaßnahmen durch Dritte oder aserbaidschanische Sicherheitsorgane wiederum nicht zugrunde gelegt werden.

Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (vgl. vorgenannter Lagebericht vom 29.4.2015, dort Ziffer IV.1.1.) ist die Grundversorgung der aserbaidschanischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet. Die über 800.000 (Binnen-) Vertriebenen, die im Zuge des Bergkarabach-Konflikts aus ihren bisherigen Wohnorten in den besetzten Gebieten vertrieben wurden oder geflohen sind und z.T. seit 20 Jahren in Flüchtlingsunterkünften leben, erhalten staatliche Unterstützungsleistungen. Der Kläger gehört nach seinen Angaben zu diesen Vertriebenen. Zudem war er vor seiner Ausreise aus Aserbaidschan erwerbstätig und konnte gewisse Rücklagen bilden, obwohl der Freund seiner Tante ihm unter Androhungen Geld abgenommen hat. Der Kläger müsste daher im Falle einer Rückkehr nach Aserbaidschan in der Lage sein, sich durch eigene Anstrengungen eine Existenzgrundlage zu schaffen.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt I.    , I1.     , wird abgelehnt.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12. Januar 2015 - A 7 K 3579/12 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Abschiebungsverbots.
Die am ... geborene Klägerin ist mazedonische Staatsangehörige mit albanischer Volkszugehörigkeit. Nach eigenen Angaben reiste sie im November 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 26.11.2012 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab sie im Wesentlichen an: Auf ihren Vater sei in Mazedonien geschossen worden. Ansonsten hätten sie in Mazedonien keine Probleme gehabt. Aus welchen Gründen auf ihren Vater geschossen worden sei, wisse sie nicht. Bei Rückkehr nach Mazedonien habe sie Angst, dass ihr Vater erschossen werde.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen und drohte die Abschiebung nach Mazedonien mit einer Frist von einer Woche an.
Die Klägerin hat hiergegen am 10.12.2012 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und zur Begründung ausgeführt: Sie habe den Überfall auf ihren Vater miterlebt und sei seither traumatisiert. Sie habe ständig Angst und die Bilder des Geschehens tauchten vor ihr auf. Die psychische Situation habe sich durch den Aufenthalt in Deutschland und den Schulbesuch etwas stabilisiert, so dass eine Psychotherapie bislang nicht durchgeführt worden sei. Vor etwa drei Monaten sei erneut ein Angriff aus das Haus ihres Vaters in Mazedonien erfolgt. Dabei sei die Eingangstür vollkommen zerstört und das Haus offensichtlich von Unbekannten ausgeräumt worden. Ferner hat die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr...., ..., vom 23.10.2014 vorgelegt, in der ausgeführt wird, dass die Klägerin unter einer generalisierten Angststörung mit Auswirkung einer Anorexia nervosa nach posttraumatischer Belastungsstörung leide, nachdem diese mit 16 Jahren habe mitansehen müssen, wie ihr Vater niedergeschossen worden sei. Sie habe sich schon in Mazedonien in psychotherapeutischer Behandlung befunden, die sich in Deutschland wegen der noch gegebenen Sprachbarriere nicht ganz einfach gestalte.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin des Weiteren ein fachärztliches Attest der Fachpraxis für Psychiatrie, Dr. ..., Skopje, vom 10.07.2012 vorgelegt.
Mit Urteil vom 12.01.2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat und habe die Vermutung des Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG, § 29a AsylVfG nicht widerlegen können. Soweit sie sich darauf berufe, dass ihr Vater von Unbekannten angeschossen worden sei, habe sie keine ihre eigene Person betreffenden Umstände geltend gemacht. Zudem handele es sich hierbei um kriminelles Verhalten ohne flüchtlingsrechtlichen Bezug. Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung der Albaner in Mazedonien lägen nicht vor. Eine grundsätzlich geringere Schutzbereitschaft der Polizei gegenüber albanischen Volkszugehörigen sei nicht feststellbar. Anhaltspunkte für das Bestehen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG seien dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen. Der Klägerin stehe auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung sei nicht ausreichend substantiiert worden, da es sich bei der ärztlichen Bescheinigung des Dr. ... nur um das Attest eines Facharztes für Allgemeinmedizin handele, das mazedonische Attest der Fachklinik für Psychiatrie in Skopje erst nach Ablauf der Frist des § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG vorgelegt worden sei und sich der Rechtsstreit bei Zulassung des Attestes wegen dessen erforderlichen Übersetzung verzögern würde. Im Übrigen seien psychische Erkrankungen in Mazedonien behandelbar. Die Klägerin habe auch die Möglichkeit, die medizinischen Behandlungen (finanziell) in Anspruch zu nehmen. Eine Retraumatisierung der Klägerin bei Rückkehr nach Mazedonien mit der Folge, dass in diesem Fall an sich im Zielstaat vorhandene Behandlungsmöglichkeiten unerheblich seien, sei nicht zu befürchten. Eine extreme Gefahr wegen krimineller Verfolgung bestehe nicht landesweit. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Personen, die es auf den Vater der Klägerin abgesehen hätten, diesen und seine Familie an einem anderen Ort in Mazedonien finden würden.
Auf den Antrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 27.04.2015 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen, soweit in diesem die Klage der Klägerin auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgewiesen wurde.
Zur Begründung der Berufung verweist die Klägerin mit am 22.05.2015 beim Senat eingegangenem Schriftsatz ihres Bevollmächtigten auf die ärztliche Stellungnahme der Fachpraxis für Psychiatrie Skopje vom 10.07.2012, die den Anforderungen an ein fachärztliches Attest genüge. In Deutschland habe sie bislang keine psychotherapeutische Behandlung beginnen können, da die Therapie nicht genehmigt worden sei. Sie leide an einer psychischen Erkrankung, die in ihrem Heimatland, selbst wenn dort entsprechende medizinische Möglichkeiten gegeben wären, nicht behandelt werden könne. Denn allein schon die Rückkehr dorthin sei für sie so belastend, dass eine erfolgreiche Therapie nicht möglich erscheine. Vielmehr sei mit einem Ausbruch der Erkrankung zu rechnen. Die Bestimmung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n.F., der gemäß § 77 Abs. 1 AsylG im vorliegenden Verfahren anwendbar sei, verstoße gegen Verfassungsrecht, insbesondere gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und gegen Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EMRK. Ferner legt die Klägerin ein ärztliches Attest der Nervenärztlichen Gemeinschaftspraxis ..., Dr. ..., vom 16.07.2015 vor, wegen dessen Inhalts auf Blatt 35 der Berufungsakte verwiesen wird.
10 
Die Klägerin beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12. Januar 2015 - A 7 K 3579/12 - zu ändern, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Mazedonien vorliegt, und den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 aufzuheben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt weiter vor, dass die vorgelegten Atteste nicht den Mindestanforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügen würden. Zudem sei für die Gefahr einer erheblichen Verschlimmerung des Krankheitsbildes bei einer Rückkehr nach Mazedonien nichts dargelegt. Hiergegen spreche bereits, dass die Klägerin in einer Fachklinik für Psychotherapie in Mazedonien behandelt worden sei.
15 
Auf Anforderung des Senats ist das ärztliche Attest der Fachpraxis für Psychiatrie in Skopje vom 10.07.2012 in die deutsche Sprache übersetzt worden. Wegen des Inhalts der Übersetzung wird auf Blatt 49 der Berufungsakte verwiesen.
16 
Mit am 23.11.2015 getroffenen Beweisbeschluss hat der Senat die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage beschlossen, ob die Klägerin unter einer posttraumatischen Belastungsstörung oder anderen psychischen Erkrankungen leidet, worauf diese gegebenenfalls beruhen und ob und wie sich der Gesundheitszustand der Klägerin bei Rückkehr und Aufenthalt in Mazedonien verändert. Hinsichtlich des Inhalts des daraufhin erstatteten fachpsychiatrischen Gutachtens des Prof. Dr. ..., Universitätsklinik ..., wird auf Blatt 75 bis 95 der Berufungsakte hingewiesen.
17 
Hinsichtlich des Gutachtens ist die Klägerin der Ansicht, dass das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung diagnostiziert worden sei und eine Rückkehr nach Mazedonien oder der Aufenthalt dort geeignet seien, zu einer vermehrten Symptomausprägung zu führen. Ergänzend legt sie ein ärztliches Attest des Dr. ... vom 30.03.2016 vor, wegen dessen Inhalts auf Blatt 131 der Berufungsakte verwiesen wird.
18 
In der Berufungsverhandlung hat der Bevollmächtigte der Klägerin auf deren bisheriges Vorbringen verwiesen.
19 
Dem Senat liegen die Akten des Bundesamtes sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, auch hinsichtlich des Asylverfahrens des Vaters der Klägerin, vor. Hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Der Senat kann zur Sache verhandeln und entscheiden, obwohl ein Vertreter der Beklagten zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist (§ 102 Abs. 2 VwGO). Sie wurde in der ordnungsgemäßen Ladung auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen.
21 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin, die lediglich auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG gerichtet ist, ist nicht begründet. Der Klägerin steht zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) kein Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.03.2016 (BGBl. I S. 390; in Kraft getreten am 17.03.2016), zu.
22 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies setzt das Bestehen einer individuellen Gefahr für ein in der Vorschrift genanntes Rechtsgut voraus, die dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit droht; unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Umständen sie beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 -, BVerwGE 127, 33). Nachdem im Berufungsverfahren zwischen den Beteiligten nur noch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus gesundheitlichen Gründen streitig ist, verweist der Senat wegen der Frage, ob eine konkrete Gefahrenlage wegen einer allgemein schwierigen wirtschaftlichen Situation in Mazedonien oder wegen der Gefahr kriminellen Unrechts auf Grund des von der Klägerin geschilderten, ihren Vater betreffenden Vorfalls am 20.01.2012 und der mit ihm zusammenhängenden Drohungen und Erpressungsversuche gegeben ist, gemäß § 130b Satz 2 VwGO auf die diesbezüglichen Ausführungen im angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts.
23 
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann auch aus gesundheitlichen Gründen nicht festgestellt werden (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 - 4 AufenthG). Hinsichtlich des hier allein zu beurteilenden psychischen Gesundheitszustandes der Klägerin führt das vom Senat eingeholte fachpsychiatrische Gutachten des Prof. Dr. ..., Universitätsklinikum ..., vom 16.02.2016 aus:
24 
„Wahrscheinlich lassen sich bei Frau ... 2 Diagnosen stellen, wobei beide aktuell behandelt sind und gering ausgeprägt nachweisbar sind bei regelmäßiger Berufstätigkeit als Hinweis auf eine gute funktionelle Anpassung.
25 
Zum einen bestand wahrscheinlich eine depressive Episode. Diese Diagnose ist begründet in den Angaben der Klinik in Skopje. Die Klägerin selbst gibt nur an, früher auch energielos gewesen zu sein, ausgeprägte Ängste gehabt zu haben, Verstimmungszustände gehabt zu haben. Bei der nicht vorhandenen depressiven Symptomatik aktuell kann bezüglich der genaueren Ursache dieser depressiven Episode beziehungsweise der Art der depressiven Erkrankung keine nähere Spezifizierung vorgenommen werden.
26 
Zum zweiten leidet Frau ... auch unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), zumindest sind einige, wenn auch nicht alle Symptome, die in den folgenden Diagnoseleitlinien der ICD-10 genannt sind, nachweisbar: …
27 
Nach der obigen Darstellung bestand das Trauma im Hören und Finden des verletzten Vaters. Wiedererlebnisse ließen sich nur in Alpträumen nachweisen, hier aber mit der erlebten Szene. Ein Vermeidungsverhalten im eigentlichen Sinne findet sich nicht, da Frau ... zwar befürchtet, dass wieder Ähnliches passieren könnte, sie vermeidet aber nicht direkt an das Trauma erinnernde Situationen, sie vermeidet Situationen auch nicht, um Wiedererlebnisse zu vermeiden. Trotzdem kann zumindest eine unvollständig und leicht ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörung angenommen werden, alternativ wäre die Formulierung der „ängstlichen Entwicklung“ angemessen.
28 
Es gilt das bei Herrn ... auch Festgestellte, wonach die Ängste, dass wieder etwas passiere, keine krankheitswertige Qualität aufweisen, es handelt sich vielmehr um begründete Ängste, dass bereits Erfahrenes wieder passieren könnte, dass die Familie Opfer werden könnte.
29 
Zusammengefasst lassen sich also noch Restsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung bei Frau ... feststellen, es lässt sich eine ängstliche Entwicklung feststellen. Dabei mischen sich Reaktionen auf das Erleben eines Traumas mit begründbaren Ängsten bezüglich Verfolgung. Letztere sind juristisch, nicht medizinisch zu werten. Aktuell haben die Symptome keine funktionellen Auswirkungen. Eine Rückkehr nach Mazedonien würde die real begründbaren Ängste wahrscheinlich zunehmen lassen, die Lage dort ist unsicherer als hier, und müsste die Klägerin veranlassen, vermehrt Angst um sich und ihre Familie zu haben. Dies ist allerdings kein medizinisch begründbarer Sachverhalt. Möglicherweise nehmen auch durch vermehrte Konfrontationen mit erinnernden Situationen Wiedererlebnisse, z.B. in Alpträumen zu. Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn an den gleichen Ort zurückgegangen wird. Es ist darauf hinzuweisen, dass eine frühere depressive Episode medikamentös behandelt wird, aktuell keine Symptome vorhanden sind, dass eine depressive Episode durch Auftreten von Stressoren - eine Rückkehr wäre möglicherweise ein solcher Stressor - allerdings erneut auftreten könnte beziehungsweise veranlasst werden könnte. Hierzu lassen sich aber keine sicheren Aussagen machen. Es ist aber weitgehend sicher, dass die aktuelle Behandlung mit den aktuellen Medikamenten fortgesetzt werden müsste.“
30 
Abschließend heißt es in dem Gutachten:
31 
„Frau ... leidet unter Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung beziehungsweise unter einer ängstlichen Entwicklung. Sie litt früher auch unter einer ausgeprägten Symptomatik und wahrscheinlich auch unter einer depressiven Episode. Die Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung sind durch das Erleben des Überfalls auf den Vater begründet. Die depressive Episode lässt sich bezüglich der Einflussfaktoren jetzt nicht mehr klären.
32 
Eine Rückkehr nach Mazedonien oder ein Aufenthalt in Mazedonien können, müssen aber nicht, zu einer vermehrten Symptomausprägung der posttraumatischen Belastungsstörung führen, z.B. könnten dann vermehrt Alpträume auftreten, und es könnten Ängste, auch besonders nicht krankhafte Ängste vor erneuter Verfolgung auftreten.“
33 
Hinsichtlich dieser bei der Klägerin festgestellten psychischen Erkrankungen ist prognostisch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich ihr Gesundheitszustand im Falle ihrer Rückkehr nach Mazedonien wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten oder mangels finanzieller Erreichbarkeit der Behandlungsmöglichkeiten in einem für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevanten Ausmaß erheblich verschlechtern würde. Hiergegen spricht schon, dass die Klägerin vor ihrer Ausreise in Mazedonien medizinisch behandelt wurde und die erforderlichen Medikamente erhalten hat. Dies gilt ausweislich des von der Klägerin vorgelegten fachärztlichen Berichts der Fachpraxis für Psychiatrie Skopje vom 10.07.2012 auch für die Medikamente Mirtazapin und Zolpidin, mit der die Klägerin nach den Angaben des sie behandelnden Arztes Dr. ... vom 16.07.2015 in der Bundesrepublik weiterbehandelt wird .
34 
Darüber hinaus hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend und im Berufungsverfahren nicht mehr substantiiert von der Klägerin in Frage gestellt darauf hingewiesen, dass psychische Erkrankungen aller Art, einschließlich der posttraumatischen Belastungsstörung, in Mazedonien sowohl stationär wie auch ambulant zureichend behandelt werden können und eine hinreichende medikamentöse Versorgung gewährleistet ist. In Skopje gibt es neben dem Universitätsklinikum „Klinisches Zentrum“ mit einer psychiatrischen Abteilung ein weiteres Krankenhaus für Psychiatrie sowie Privatkliniken zur stationären Behandlung. Im Land gibt es insgesamt drei staatliche Psychiatrien, die jeweils für eine Region des Landes zuständig sind. Es stehen daneben sowohl stationäre wie auch ambulante Behandlungsmöglichkeiten in Allgemeinkrankenhäusern (vgl. Ad-hoc-Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien vom 19.01.2011; Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Skopje vom 22.05.2013 an das VG Braunschweig; vgl. aus der erstinstanzlichen Rechtsprechung etwa: VG Aachen, Urteil vom 10.09.2015 - 1 K 752/15.a -, VG Trier, Urteil vom 26.05.2015 - 1 K 2066/14.TR -, jew. juris und m.w.N.) und etwa auch in der von der Klägerin besuchten psychiatrischen Fachpraxis in Skopje zur Verfügung.
35 
Diese Behandlung ist für die Klägerin - wie die bereits erfolgte Behandlung in Skopje im Jahr 2012 gezeigt hat - auch finanziell erreichbar (vgl. dazu ausführlich: Beschluss des Senats vom 04.05.2015 - A 6 S 1258/14 -). Dazu heißt es in einer von dem Verwaltungsgericht Düsseldorf eingeholten Stellungnahme der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Skopje vom 03.02.2014:
36 
„Jeder offiziell registrierte Bürger Mazedoniens kann in den Genuss des Versicherungsschutzes kommen, entweder als Arbeitnehmer (auch Arbeitnehmer im Ausland), als Rentner, als Arbeitsloser, als Empfänger von Sozialhilfe oder im Rahmen der Familienversicherung. Inzwischen gibt es 15 verschiedene Kategorien von Versicherungsnehmern unterteilt in Arbeitnehmer (diese zahlen 7,3 % ihres Gehalts an Beiträgen) sowie Arbeitslose und Rentner (diese zahlen keine Beiträge). Die Anmeldebedingungen in der Kategorie für arbeitslose Versicherte wurden im vergangenen Jahr vereinfacht, um den Zugang zur Krankenversicherung für mehr Personen als vorher zu ermöglichen. Das bedeutet, dass ein arbeitsloser Mazedonier, gleich ob er früher gearbeitet hat oder nicht, sich unter Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitsamts seines Wohnsitzes über seine fehlenden Einkünfte versichern lassen kann. Mit diesem Beleg kann er sich beim FZO als Versicherungsnehmer melden. Diese Möglichkeit steht auch mittellosen Rückkehrern offen - auch Abschüblingen. Für diese ist das Arbeitsamt am Ort der Niederlassung nach Rückkehr zuständig. Voraussetzung ist jeweils, dass diese Person nach Rückkehr offiziell in Mazedonien registriert ist. Für Arbeitslose, welche nicht als arbeitslos gemeldet sind, wurde inzwischen auch im Jahr 2011 eine Versicherungsberechtigung geschaffen, so dass alle arbeitslosen Personen in den Genuss eines Versicherungsschutzes kommen können. Lediglich um die Formalitäten zu Anmeldung beim FZO muss sich die Person kümmern…“
37 
Ein gleiches Bild ergibt sich aus den (Ad-hoc-)Lageberichten des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien vom 11.12.2013 und vom 12.08.2015, in denen ausgeführt wird, dass eine Rückkehr in das öffentliche Gesundheitssystem problemlos möglich ist und es keine Wartezeiten für die Wiedereingliederung nach längerer Abwesenheit gibt. Im Gesundheitssystem gebe es keine diskriminierenden Sonderbestimmungen für rückkehrende Asylantragsteller, auch nicht für zwangsweise Rückgeführte. Zwar ergibt sich aus der Stellungnahme der Gesellschaft für bedrohte Völker an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.01.2013, dass Personen, die vor ihrer Ausreise aus Mazedonien einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen gehabt haben, nach der Rückkehr nach Mazedonien dieses Recht für einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten entzogen wird (Ad-hoc-Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.12.2013: sechs Monate), weil sie während der Zeit der Abwesenheit ihrer monatlichen Meldepflicht bei dem Zentrum für Sozialarbeit nicht nachgekommen sind. Allerdings betrifft diese Aussage lediglich den Verlust eines Anspruchs auf Sozialhilfe, ohne dass hiervon die Rückkehr in das öffentliche Gesundheitssystem betroffen ist (vgl. auch: VG Münster, Urteil vom 02.05.2013 - 6 K 2710/12-A -, juris). Dies bestätigt auch die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.12.2012, nach der die Krankenversorgung vom Versäumen eines Stichtags für die Sozialhilfe unberührt bleibt und Krankenversorgung und Sozialhilfe nicht voneinander abhängig sind. Die weiteren Ausführungen in der Stellungnahme der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 28.01.2013, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung für einen Zeitraum von ein bis zwölf Monaten verwehrt werde, wenn der Pflicht nach monatlicher Meldung beim Arbeitsamt nicht nachgekommen werde, werden nicht im Zusammenhang mit der Rückkehr ins Gesundheitssystem, sondern mit der allgemein bestehenden Meldepflicht beim Arbeitsamt nach Erhalt der als „blauer Karton“ bezeichneten Versicherungskarte gemacht. Für zurückkehrende abgeschobene Asylbewerber ist mithin der Zugang zur kostenfreien Gesundheitsfürsorge gewährleistet; Personen, die längere Zeit nicht in Mazedonien gewohnt haben, können sich nach der Rückkehr beim Krankenversicherungsfonds melden und sind ab dem gleichen Tag versichert (vgl. auch VG Münster, Urteil vom 02.05.2013, a.a.O.).
38 
Hinsichtlich der erforderlichen von den Versicherungsnehmern zu tragenden Eigenanteile führt die Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Skopje vom 03.02.2014, a.a.O., aus:
39 
„Im Durchschnitt betragen die Eigenanteilzuzahlungen rund 11 %, das entspricht für eine normale Untersuchung beim Hausarzt einen Eigenanteil von ca. 1 EUR pro Untersuchung. Krankenhauskosten belaufen sich pro Jahr auf maximal 100 EUR Eigenanteil, Psychiatriepatienten sind von Eigenanteilszahlungen befreit. Es gibt eine jährliche Obergrenze für Eigenanteilszahlungen für medizinische Leistungen, die sich auf maximal 70 % des monatlichen Durchschnittlohns (rund 300 EUR) beschränken. Danach tritt die Befreiung von Eigenanteilen in Kraft. Hierfür müssen lediglich die entsprechenden Belege gesammelt werden. Ausgenommen sind die Eigenbeteiligungen an Medikamenten. Bei Langzeiterkrankungen, wie z.B. Krebs oder Dialysebehandlungen gibt es Ausnahmeregelungen hinsichtlich der Höhe des Eigenanteils, damit auch diese Behandlungen für alle Versicherten zugänglich sind. Wenn das Monatseinkommen unter dem Durchschnittslohn liegt, gibt es eine prozentuale Reduzierung der Eigenanteile. Sozialhilfeempfänger sind von Eigenanteilleistungen befreit, nicht aber von den Eigenanteilleistungen für Medikamente.“
40 
Darüber hinaus zahlt nach dieser Auskunft der Botschaft ein Sozialhilfeempfänger keine Zuzahlung, wenn er sich für den günstigsten Anbieter eines Medikaments entscheidet; entscheidet er sich für ein teureres Medikament, zahlt er die Differenz zum preisgünstigeren Medikament.
41 
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse vermag der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass eine notwendige psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung für die Klägerin nicht erreichbar ist. Ist die Weiterführung und Behandlung der psychotherapeutischen und medikamentösen Behandlung für die Klägerin in Mazedonien möglich und erreichbar, scheidet aus diesem Grund die Feststellung eines Abschiebungsverbotes aus.
42 
Ein zu Gunsten der Klägerin festzustellendes Abschiebungsverbot ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die an sich gegebenen und erreichbaren medizinischen Behandlungsmöglichkeiten aus in der Erkrankung selbst liegenden Gründen nicht hinreichend erfolgsversprechend sind. Dies ist in der bisherigen Rechtsprechung insbesondere für die schwerwiegende Verschlimmerung psychischer Leiden, namentlich der Gefahr einer zu irreparablen Gesundheitsschäden führenden (Re-)Traumatisierung anerkannt (vgl. etwa: Hess. VGH, Urteil vom 26.02.2007 - 4 UE 1125/05.A -; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28.09.2006 - 4 LB 6/06 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.02.2007 - 10 A 10952/06 -; Bay. VGH, Urteil vom 09.09.2013 - 9 B 10.30261 -, jew. juris; Niedersächs. OVG, Beschluss vom 26.06.2007 - 11 LB 398/05 -, NVwZ-RR 2008, 280).Unter dem Begriff der „Retraumatisierung“ wird die durch äußere Ursachen oder Bedingungen (Trigger), die dem zu Grunde liegenden traumatischen Erlebnis gleichen, ähneln oder Anklänge daran haben, ausgelöste Reaktualisierung der inneren Bilder des traumatischen Erlebens in der Vorstellung und den körperlichen Reaktionen des Betroffenen verstanden, die mit der vollen oder gesteigerten Entfaltung des Symptombildes der ursprünglichen traumatischen Reaktion auf der körperlichen, psychischen und sozialen Ebene einhergeht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.04.2005 - 21 A 2152/03.A -, EzAR-NF 051 Nr. 7; Niedersächs. OVG, Beschluss vom 26.06.2007, a.a.O.; Marx, InfAuslR 2000, 357, 360). Von einer solchen Gefahr kann für die Klägerin nach den Ergebnissen des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. ... nicht ausgegangen werden. Zwar kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass möglicherweise durch vermehrte Konfrontationen mit erinnernden Situationen Wiedererlebnisse, z.B. in Alpträumen, zunehmen würden, was vor allem dann der Fall wäre, wenn an den gleichen Ort zurückgegangen würde; entsprechendes gelte für eine erneutes depressive Episode durch Auftreten von Stressoren. Andererseits sind die real begründbaren Ängste der Klägerin bei Rückkehr nach Mazedonien kein medizinisch zu erfassender Sachverhalt und weisen keine krankheitswertige Qualität auf. Unter diesen Umständen vermag der Senat von einer hinreichend konkreten und wahrscheinlichen Gefahr einer Retraumatisierung und einer damit oder auf Grund einer anderen psychischen Erkrankung einhergehenden erheblichen Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands der Klägerin in allen Landesteilen Mazedoniens (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324) und damit auch außerhalb ihrer Herkunftsregion trotz erreichbarer Behandlungsmöglichkeiten nicht auszugehen. Diese Bewertung wird durch das von der Klägerin vorgelegte ärztliche Attest des sie behandelnden Arztes Dr. ... vom 30.03.2016 nicht in Frage gestellt. Zwar spricht es von der Gefahr einer Retraumatisierung mit weitreichenden Folgen bei Rückkehr der Klägerin in ihr Heimatland, jedoch wird dies (auch in Auseinandersetzung mit dem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten) nicht näher dargelegt.
43 
Lässt sich somit bereits die Gefahr einer wesentlichen Verschlimmerung einer Erkrankung der Klägerin alsbald nach Rückkehr nach Mazedonien nicht feststellen, ist der von ihr aufgeworfenen Frage, ob das (tatbestandliche) Erfordernis einer lebensbedrohenden oder schwerwiegenden Erkrankung im neu gefassten § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (vgl. dazu: BT-Drs. 18/7538, S. 18 [auch zur posttraumatischen Belastungsstörung, die nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig keine schwerwiegende Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sein soll]; verfassungs- oder konventionskonform ist oder entsprechend auszulegen ist (vgl. dazu Thym, NVwZ 2016, 409, 412 f.), nicht weiter nachzugehen.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
45 
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
46 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
20 
Der Senat kann zur Sache verhandeln und entscheiden, obwohl ein Vertreter der Beklagten zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist (§ 102 Abs. 2 VwGO). Sie wurde in der ordnungsgemäßen Ladung auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen.
21 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin, die lediglich auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG gerichtet ist, ist nicht begründet. Der Klägerin steht zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) kein Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.03.2016 (BGBl. I S. 390; in Kraft getreten am 17.03.2016), zu.
22 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies setzt das Bestehen einer individuellen Gefahr für ein in der Vorschrift genanntes Rechtsgut voraus, die dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit droht; unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Umständen sie beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 -, BVerwGE 127, 33). Nachdem im Berufungsverfahren zwischen den Beteiligten nur noch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus gesundheitlichen Gründen streitig ist, verweist der Senat wegen der Frage, ob eine konkrete Gefahrenlage wegen einer allgemein schwierigen wirtschaftlichen Situation in Mazedonien oder wegen der Gefahr kriminellen Unrechts auf Grund des von der Klägerin geschilderten, ihren Vater betreffenden Vorfalls am 20.01.2012 und der mit ihm zusammenhängenden Drohungen und Erpressungsversuche gegeben ist, gemäß § 130b Satz 2 VwGO auf die diesbezüglichen Ausführungen im angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts.
23 
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann auch aus gesundheitlichen Gründen nicht festgestellt werden (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 - 4 AufenthG). Hinsichtlich des hier allein zu beurteilenden psychischen Gesundheitszustandes der Klägerin führt das vom Senat eingeholte fachpsychiatrische Gutachten des Prof. Dr. ..., Universitätsklinikum ..., vom 16.02.2016 aus:
24 
„Wahrscheinlich lassen sich bei Frau ... 2 Diagnosen stellen, wobei beide aktuell behandelt sind und gering ausgeprägt nachweisbar sind bei regelmäßiger Berufstätigkeit als Hinweis auf eine gute funktionelle Anpassung.
25 
Zum einen bestand wahrscheinlich eine depressive Episode. Diese Diagnose ist begründet in den Angaben der Klinik in Skopje. Die Klägerin selbst gibt nur an, früher auch energielos gewesen zu sein, ausgeprägte Ängste gehabt zu haben, Verstimmungszustände gehabt zu haben. Bei der nicht vorhandenen depressiven Symptomatik aktuell kann bezüglich der genaueren Ursache dieser depressiven Episode beziehungsweise der Art der depressiven Erkrankung keine nähere Spezifizierung vorgenommen werden.
26 
Zum zweiten leidet Frau ... auch unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), zumindest sind einige, wenn auch nicht alle Symptome, die in den folgenden Diagnoseleitlinien der ICD-10 genannt sind, nachweisbar: …
27 
Nach der obigen Darstellung bestand das Trauma im Hören und Finden des verletzten Vaters. Wiedererlebnisse ließen sich nur in Alpträumen nachweisen, hier aber mit der erlebten Szene. Ein Vermeidungsverhalten im eigentlichen Sinne findet sich nicht, da Frau ... zwar befürchtet, dass wieder Ähnliches passieren könnte, sie vermeidet aber nicht direkt an das Trauma erinnernde Situationen, sie vermeidet Situationen auch nicht, um Wiedererlebnisse zu vermeiden. Trotzdem kann zumindest eine unvollständig und leicht ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörung angenommen werden, alternativ wäre die Formulierung der „ängstlichen Entwicklung“ angemessen.
28 
Es gilt das bei Herrn ... auch Festgestellte, wonach die Ängste, dass wieder etwas passiere, keine krankheitswertige Qualität aufweisen, es handelt sich vielmehr um begründete Ängste, dass bereits Erfahrenes wieder passieren könnte, dass die Familie Opfer werden könnte.
29 
Zusammengefasst lassen sich also noch Restsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung bei Frau ... feststellen, es lässt sich eine ängstliche Entwicklung feststellen. Dabei mischen sich Reaktionen auf das Erleben eines Traumas mit begründbaren Ängsten bezüglich Verfolgung. Letztere sind juristisch, nicht medizinisch zu werten. Aktuell haben die Symptome keine funktionellen Auswirkungen. Eine Rückkehr nach Mazedonien würde die real begründbaren Ängste wahrscheinlich zunehmen lassen, die Lage dort ist unsicherer als hier, und müsste die Klägerin veranlassen, vermehrt Angst um sich und ihre Familie zu haben. Dies ist allerdings kein medizinisch begründbarer Sachverhalt. Möglicherweise nehmen auch durch vermehrte Konfrontationen mit erinnernden Situationen Wiedererlebnisse, z.B. in Alpträumen zu. Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn an den gleichen Ort zurückgegangen wird. Es ist darauf hinzuweisen, dass eine frühere depressive Episode medikamentös behandelt wird, aktuell keine Symptome vorhanden sind, dass eine depressive Episode durch Auftreten von Stressoren - eine Rückkehr wäre möglicherweise ein solcher Stressor - allerdings erneut auftreten könnte beziehungsweise veranlasst werden könnte. Hierzu lassen sich aber keine sicheren Aussagen machen. Es ist aber weitgehend sicher, dass die aktuelle Behandlung mit den aktuellen Medikamenten fortgesetzt werden müsste.“
30 
Abschließend heißt es in dem Gutachten:
31 
„Frau ... leidet unter Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung beziehungsweise unter einer ängstlichen Entwicklung. Sie litt früher auch unter einer ausgeprägten Symptomatik und wahrscheinlich auch unter einer depressiven Episode. Die Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung sind durch das Erleben des Überfalls auf den Vater begründet. Die depressive Episode lässt sich bezüglich der Einflussfaktoren jetzt nicht mehr klären.
32 
Eine Rückkehr nach Mazedonien oder ein Aufenthalt in Mazedonien können, müssen aber nicht, zu einer vermehrten Symptomausprägung der posttraumatischen Belastungsstörung führen, z.B. könnten dann vermehrt Alpträume auftreten, und es könnten Ängste, auch besonders nicht krankhafte Ängste vor erneuter Verfolgung auftreten.“
33 
Hinsichtlich dieser bei der Klägerin festgestellten psychischen Erkrankungen ist prognostisch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich ihr Gesundheitszustand im Falle ihrer Rückkehr nach Mazedonien wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten oder mangels finanzieller Erreichbarkeit der Behandlungsmöglichkeiten in einem für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevanten Ausmaß erheblich verschlechtern würde. Hiergegen spricht schon, dass die Klägerin vor ihrer Ausreise in Mazedonien medizinisch behandelt wurde und die erforderlichen Medikamente erhalten hat. Dies gilt ausweislich des von der Klägerin vorgelegten fachärztlichen Berichts der Fachpraxis für Psychiatrie Skopje vom 10.07.2012 auch für die Medikamente Mirtazapin und Zolpidin, mit der die Klägerin nach den Angaben des sie behandelnden Arztes Dr. ... vom 16.07.2015 in der Bundesrepublik weiterbehandelt wird .
34 
Darüber hinaus hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend und im Berufungsverfahren nicht mehr substantiiert von der Klägerin in Frage gestellt darauf hingewiesen, dass psychische Erkrankungen aller Art, einschließlich der posttraumatischen Belastungsstörung, in Mazedonien sowohl stationär wie auch ambulant zureichend behandelt werden können und eine hinreichende medikamentöse Versorgung gewährleistet ist. In Skopje gibt es neben dem Universitätsklinikum „Klinisches Zentrum“ mit einer psychiatrischen Abteilung ein weiteres Krankenhaus für Psychiatrie sowie Privatkliniken zur stationären Behandlung. Im Land gibt es insgesamt drei staatliche Psychiatrien, die jeweils für eine Region des Landes zuständig sind. Es stehen daneben sowohl stationäre wie auch ambulante Behandlungsmöglichkeiten in Allgemeinkrankenhäusern (vgl. Ad-hoc-Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien vom 19.01.2011; Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Skopje vom 22.05.2013 an das VG Braunschweig; vgl. aus der erstinstanzlichen Rechtsprechung etwa: VG Aachen, Urteil vom 10.09.2015 - 1 K 752/15.a -, VG Trier, Urteil vom 26.05.2015 - 1 K 2066/14.TR -, jew. juris und m.w.N.) und etwa auch in der von der Klägerin besuchten psychiatrischen Fachpraxis in Skopje zur Verfügung.
35 
Diese Behandlung ist für die Klägerin - wie die bereits erfolgte Behandlung in Skopje im Jahr 2012 gezeigt hat - auch finanziell erreichbar (vgl. dazu ausführlich: Beschluss des Senats vom 04.05.2015 - A 6 S 1258/14 -). Dazu heißt es in einer von dem Verwaltungsgericht Düsseldorf eingeholten Stellungnahme der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Skopje vom 03.02.2014:
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„Jeder offiziell registrierte Bürger Mazedoniens kann in den Genuss des Versicherungsschutzes kommen, entweder als Arbeitnehmer (auch Arbeitnehmer im Ausland), als Rentner, als Arbeitsloser, als Empfänger von Sozialhilfe oder im Rahmen der Familienversicherung. Inzwischen gibt es 15 verschiedene Kategorien von Versicherungsnehmern unterteilt in Arbeitnehmer (diese zahlen 7,3 % ihres Gehalts an Beiträgen) sowie Arbeitslose und Rentner (diese zahlen keine Beiträge). Die Anmeldebedingungen in der Kategorie für arbeitslose Versicherte wurden im vergangenen Jahr vereinfacht, um den Zugang zur Krankenversicherung für mehr Personen als vorher zu ermöglichen. Das bedeutet, dass ein arbeitsloser Mazedonier, gleich ob er früher gearbeitet hat oder nicht, sich unter Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitsamts seines Wohnsitzes über seine fehlenden Einkünfte versichern lassen kann. Mit diesem Beleg kann er sich beim FZO als Versicherungsnehmer melden. Diese Möglichkeit steht auch mittellosen Rückkehrern offen - auch Abschüblingen. Für diese ist das Arbeitsamt am Ort der Niederlassung nach Rückkehr zuständig. Voraussetzung ist jeweils, dass diese Person nach Rückkehr offiziell in Mazedonien registriert ist. Für Arbeitslose, welche nicht als arbeitslos gemeldet sind, wurde inzwischen auch im Jahr 2011 eine Versicherungsberechtigung geschaffen, so dass alle arbeitslosen Personen in den Genuss eines Versicherungsschutzes kommen können. Lediglich um die Formalitäten zu Anmeldung beim FZO muss sich die Person kümmern…“
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Ein gleiches Bild ergibt sich aus den (Ad-hoc-)Lageberichten des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien vom 11.12.2013 und vom 12.08.2015, in denen ausgeführt wird, dass eine Rückkehr in das öffentliche Gesundheitssystem problemlos möglich ist und es keine Wartezeiten für die Wiedereingliederung nach längerer Abwesenheit gibt. Im Gesundheitssystem gebe es keine diskriminierenden Sonderbestimmungen für rückkehrende Asylantragsteller, auch nicht für zwangsweise Rückgeführte. Zwar ergibt sich aus der Stellungnahme der Gesellschaft für bedrohte Völker an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.01.2013, dass Personen, die vor ihrer Ausreise aus Mazedonien einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen gehabt haben, nach der Rückkehr nach Mazedonien dieses Recht für einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten entzogen wird (Ad-hoc-Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.12.2013: sechs Monate), weil sie während der Zeit der Abwesenheit ihrer monatlichen Meldepflicht bei dem Zentrum für Sozialarbeit nicht nachgekommen sind. Allerdings betrifft diese Aussage lediglich den Verlust eines Anspruchs auf Sozialhilfe, ohne dass hiervon die Rückkehr in das öffentliche Gesundheitssystem betroffen ist (vgl. auch: VG Münster, Urteil vom 02.05.2013 - 6 K 2710/12-A -, juris). Dies bestätigt auch die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.12.2012, nach der die Krankenversorgung vom Versäumen eines Stichtags für die Sozialhilfe unberührt bleibt und Krankenversorgung und Sozialhilfe nicht voneinander abhängig sind. Die weiteren Ausführungen in der Stellungnahme der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 28.01.2013, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung für einen Zeitraum von ein bis zwölf Monaten verwehrt werde, wenn der Pflicht nach monatlicher Meldung beim Arbeitsamt nicht nachgekommen werde, werden nicht im Zusammenhang mit der Rückkehr ins Gesundheitssystem, sondern mit der allgemein bestehenden Meldepflicht beim Arbeitsamt nach Erhalt der als „blauer Karton“ bezeichneten Versicherungskarte gemacht. Für zurückkehrende abgeschobene Asylbewerber ist mithin der Zugang zur kostenfreien Gesundheitsfürsorge gewährleistet; Personen, die längere Zeit nicht in Mazedonien gewohnt haben, können sich nach der Rückkehr beim Krankenversicherungsfonds melden und sind ab dem gleichen Tag versichert (vgl. auch VG Münster, Urteil vom 02.05.2013, a.a.O.).
38 
Hinsichtlich der erforderlichen von den Versicherungsnehmern zu tragenden Eigenanteile führt die Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Skopje vom 03.02.2014, a.a.O., aus:
39 
„Im Durchschnitt betragen die Eigenanteilzuzahlungen rund 11 %, das entspricht für eine normale Untersuchung beim Hausarzt einen Eigenanteil von ca. 1 EUR pro Untersuchung. Krankenhauskosten belaufen sich pro Jahr auf maximal 100 EUR Eigenanteil, Psychiatriepatienten sind von Eigenanteilszahlungen befreit. Es gibt eine jährliche Obergrenze für Eigenanteilszahlungen für medizinische Leistungen, die sich auf maximal 70 % des monatlichen Durchschnittlohns (rund 300 EUR) beschränken. Danach tritt die Befreiung von Eigenanteilen in Kraft. Hierfür müssen lediglich die entsprechenden Belege gesammelt werden. Ausgenommen sind die Eigenbeteiligungen an Medikamenten. Bei Langzeiterkrankungen, wie z.B. Krebs oder Dialysebehandlungen gibt es Ausnahmeregelungen hinsichtlich der Höhe des Eigenanteils, damit auch diese Behandlungen für alle Versicherten zugänglich sind. Wenn das Monatseinkommen unter dem Durchschnittslohn liegt, gibt es eine prozentuale Reduzierung der Eigenanteile. Sozialhilfeempfänger sind von Eigenanteilleistungen befreit, nicht aber von den Eigenanteilleistungen für Medikamente.“
40 
Darüber hinaus zahlt nach dieser Auskunft der Botschaft ein Sozialhilfeempfänger keine Zuzahlung, wenn er sich für den günstigsten Anbieter eines Medikaments entscheidet; entscheidet er sich für ein teureres Medikament, zahlt er die Differenz zum preisgünstigeren Medikament.
41 
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse vermag der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass eine notwendige psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung für die Klägerin nicht erreichbar ist. Ist die Weiterführung und Behandlung der psychotherapeutischen und medikamentösen Behandlung für die Klägerin in Mazedonien möglich und erreichbar, scheidet aus diesem Grund die Feststellung eines Abschiebungsverbotes aus.
42 
Ein zu Gunsten der Klägerin festzustellendes Abschiebungsverbot ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die an sich gegebenen und erreichbaren medizinischen Behandlungsmöglichkeiten aus in der Erkrankung selbst liegenden Gründen nicht hinreichend erfolgsversprechend sind. Dies ist in der bisherigen Rechtsprechung insbesondere für die schwerwiegende Verschlimmerung psychischer Leiden, namentlich der Gefahr einer zu irreparablen Gesundheitsschäden führenden (Re-)Traumatisierung anerkannt (vgl. etwa: Hess. VGH, Urteil vom 26.02.2007 - 4 UE 1125/05.A -; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28.09.2006 - 4 LB 6/06 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.02.2007 - 10 A 10952/06 -; Bay. VGH, Urteil vom 09.09.2013 - 9 B 10.30261 -, jew. juris; Niedersächs. OVG, Beschluss vom 26.06.2007 - 11 LB 398/05 -, NVwZ-RR 2008, 280).Unter dem Begriff der „Retraumatisierung“ wird die durch äußere Ursachen oder Bedingungen (Trigger), die dem zu Grunde liegenden traumatischen Erlebnis gleichen, ähneln oder Anklänge daran haben, ausgelöste Reaktualisierung der inneren Bilder des traumatischen Erlebens in der Vorstellung und den körperlichen Reaktionen des Betroffenen verstanden, die mit der vollen oder gesteigerten Entfaltung des Symptombildes der ursprünglichen traumatischen Reaktion auf der körperlichen, psychischen und sozialen Ebene einhergeht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.04.2005 - 21 A 2152/03.A -, EzAR-NF 051 Nr. 7; Niedersächs. OVG, Beschluss vom 26.06.2007, a.a.O.; Marx, InfAuslR 2000, 357, 360). Von einer solchen Gefahr kann für die Klägerin nach den Ergebnissen des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. ... nicht ausgegangen werden. Zwar kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass möglicherweise durch vermehrte Konfrontationen mit erinnernden Situationen Wiedererlebnisse, z.B. in Alpträumen, zunehmen würden, was vor allem dann der Fall wäre, wenn an den gleichen Ort zurückgegangen würde; entsprechendes gelte für eine erneutes depressive Episode durch Auftreten von Stressoren. Andererseits sind die real begründbaren Ängste der Klägerin bei Rückkehr nach Mazedonien kein medizinisch zu erfassender Sachverhalt und weisen keine krankheitswertige Qualität auf. Unter diesen Umständen vermag der Senat von einer hinreichend konkreten und wahrscheinlichen Gefahr einer Retraumatisierung und einer damit oder auf Grund einer anderen psychischen Erkrankung einhergehenden erheblichen Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands der Klägerin in allen Landesteilen Mazedoniens (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324) und damit auch außerhalb ihrer Herkunftsregion trotz erreichbarer Behandlungsmöglichkeiten nicht auszugehen. Diese Bewertung wird durch das von der Klägerin vorgelegte ärztliche Attest des sie behandelnden Arztes Dr. ... vom 30.03.2016 nicht in Frage gestellt. Zwar spricht es von der Gefahr einer Retraumatisierung mit weitreichenden Folgen bei Rückkehr der Klägerin in ihr Heimatland, jedoch wird dies (auch in Auseinandersetzung mit dem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten) nicht näher dargelegt.
43 
Lässt sich somit bereits die Gefahr einer wesentlichen Verschlimmerung einer Erkrankung der Klägerin alsbald nach Rückkehr nach Mazedonien nicht feststellen, ist der von ihr aufgeworfenen Frage, ob das (tatbestandliche) Erfordernis einer lebensbedrohenden oder schwerwiegenden Erkrankung im neu gefassten § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (vgl. dazu: BT-Drs. 18/7538, S. 18 [auch zur posttraumatischen Belastungsstörung, die nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig keine schwerwiegende Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sein soll]; verfassungs- oder konventionskonform ist oder entsprechend auszulegen ist (vgl. dazu Thym, NVwZ 2016, 409, 412 f.), nicht weiter nachzugehen.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
45 
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
46 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23.07.2012 verpflichtet, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Tadschikistans vorliegt. Die Androhung der Abschiebung nach Tadschikistan in dem angefochtenen Bescheid wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.