Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Am … März 2012 ist der am … … … geborene … … in München verstorben (Bl. 1 der Behördenakte). Das Klinikum … teilte mit, dass keine Daten über Angehörige außer der Rechtsanwaltskanzlei … (Betreuer) vorlägen (Bl. 3 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 21. März 2012 bat die Friedhofsverwaltung der Beklagten die Verwaltung der Gemeinde … mitzuteilen, ob es bei den Daten des Klägers Angaben zur Eheschließung, zu einer eventuell vorverstorbenen Ehefrau oder auch zu Kindern oder sonstigen Auskunftspersonen gebe (Bl. 5 der Behördenakte). Die Gemeinde … teilte mit Schreiben vom 21. März 2012 mit, der Verstorbene sei als geschieden zugezogen. Daten der geschiedenen Ehefrau seien nicht bekannt. Die Eheschließung sei am … … 1959 erfolgt. Ein Ort der Eheschließung sei nicht bekannt, Angaben zu Kindern könne die Gemeinde auch nicht machen (Bl. 6 der Behördenakte).

Am 23. März 2012 ordnete die Beklagte eine Bestattung von Amts wegen an (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 Bestattungsgesetz - BestG). Ausgeführt wird, dass der Verstorbene in … im Altersheim gelebt habe, dass zur Eheschließung bzw. Scheidung nichts bekannt sei, dass die Ehefrau wohl vorverstorben sei, dass der Verstorbene schon lange allein gelebt und keine Kinder gehabt habe. Zu Geschwistern gäbe es keine Infos (Bl. 7 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 23. März 2012 an das Alten- und Pflegeheim … bat die Beklagte mitzuteilen, ob dort Angehörige bekannt seien (Bl. 8 der Behördenakte). Das Altenheim teilte mit, in dem Sterbefall … … seien keine Angehörigen bekannt bzw. es lägen keine Erkenntnisse vor, dass sich diese nicht um die Bestattung kümmern würden. Betreuer des Verstorbenen sei Rechtsanwalt … … in München gewesen (Bl. 9 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 26. März 2012 an die Verwaltung der Stadt N … bat die Beklagte, mitzuteilen, ob dort Kenntnisse über Familienangehörige vorhanden seien. Der Verstorbene habe dort am … … 1959 geheiratet. Die Ehe sei vom Amtsgericht O* … im Jahre 1988 geschieden worden (Bl. 11 Behördenakte). Als Kinder seien angeführt: …, geboren am … … …, und …, geboren am … … … (Bl. 13 der Behördenakte).

Die Friedhofsverwaltung der Beklagten bat das Einwohnermeldeamt der Beklagten mit Schreiben vom 28. März 2012, die Adresse der beiden Kinder des Verstorbenen zu ermitteln und mitzuteilen (Bl. 14 der Behördenakte). Aus einem Aktenvermerk sei ersichtlich, dass die Dauer für die Anschriftenermittlung der Kinder nicht absehbar sei. Der Verstorbene habe kein Grab in … In dem Altersheim seien keine Angehörigen bekannt gewesen (Bl. 15 der Behördenakte).

Am 29. Dezember 2012 ordnete die Friedhofsverwaltung die Bestattung an mit dem Hinweis, dass bestattungspflichtig die beiden Kinder seien, deren Aufenthalt noch nicht ermittelt worden sei (Bl. 16 der Behördenakte). Der Verstorbene sollte in … bestattet werden, wobei die Stadt München die Einsargung, den Transport und die Leichenschau bezahle. Die Gemeinde … bezahle die Kremierung und den Urnenversand (Bl. 17 der Behördenakte). In der Akte befindet sich die Rechnung der Städtischen Bestattung über die vorgenannten Posten der Beklagten in Höhe von 1.097, 50 €.

Die Kreisstadt N … übersandte am 29. März 2012 die (alte) Anschrift der Tochter des Verstorbenen, … … in N … Sie sei am … … 1994 verzogen nach O* …, … … … … (Bl. 21 der Behördenakte).

Bezüglich des Bruders … … teilte die Stadt N … mit, dass er im automatisiert geführten Melderegister nicht als eindeutig „gemeldet“ oder „gemeldet gewesen“ ermittelt werden konnte (Bl. 22 der Behördenakte).

Aus einem Aktenvermerk ergibt sich, dass zur Zeit der Geburt des … … die Familie … in O … gewohnt hat (Bl. 23 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 29. März 2012 bat die Beklagte die Verwaltung der Stadt O …, die Anschriften des … … und der … … mitzuteilen (Bl. 24 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 23. April 2012 bat die Beklagte das Amtsgericht München mitzuteilen, ob dort im Rahmen des Erbverfahrens Angehörige bekannt seien (Bl. 25 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 23. April 2012 ersuchte die Beklagte den Bezirk Oberbayern mitzuteilen, ob dort Angehörige vorhanden seien (Bl. 26 der Behördenakte).

Das Amtsgericht München führte am … … 2009 aus, dass keine Nachlassverhandlungen durchgeführt würden, weil kein Grundstück oder grundstücksgleiches Recht vorliege (Bl. 29 der Behördenakte).

Am 14. Februar 2014 antwortete das Einwohnermeldeamt O …, dass Frau … … aktuell gemeldet sei in: … … … … in … O … (Bl. 30 der Behördenakte).

Das Einwohnermeldeamt A … teilte am 14. Februar 2014 mit, dass Herr … … in der …  in A … wohnhaft und aktuell gemeldet sei (Bl. 31 der Behördenakte).

Mit zwei Scheiben vom 14. Februar 2014 informierte die Beklagte die beiden Kinder des Verstorbenen von dessen Tod. Aufgrund der obliegenden Ermittlungsverpflichtungen sei selbstverständlich versucht worden, die nächsten bestattungspflichtigen Angehörigen zu ermitteln. Zunächst seien nur der Name, der Vorname und das Geburtsdatum bekannt geworden. Erst zu einem späteren Zeitpunkt hätte die Beklagte weitere Informationen erhalten, so dass nun nachträglich die Anschrift habe ermittelt werden können. Die Beklagte habe am 29. März 2012 die Bestattung von Amts wegen anordnen müssen und eine Überführung des Verstorbenen zur Bestattung nach … (Wohnortgemeinde) organisiert. Als zuständige Ordnungsbehörde habe die Gemeinde … auch die Art der Bestattung bestimmt. Die Kinder seien bestattungspflichtig. Es sei beabsichtigt, hinsichtlich der offenen Überführungskosten nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG das jeweilige Kind in Anspruch zu nehmen. Die Empfänger des Schreibens hätten Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen bis 17. März 2014 zu äußern (Bl. 32 ff. der Behördenakte).

Mit Schreiben vom … März 2014 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte für die Tochter des Verstorbenen, die Klägerin. Er führte aus, die Gemeinde … habe der Klägerin bereits am 8. August 2012 einen Betrag von 631, 91 € in Rechnung gestellt und sie habe diesen Betrag auch entrichtet. Nachdem nunmehr fast zwei Jahre vergangen seien, sei es verwunderlich, dass dies jetzt erst an die Klägerin herangetragen werde. Die Kosten für die Einäscherung der Städtischen Friedhöfe München habe die Gemeinde … in Rechnung gestellt und diese seien letztlich auch von der Klägerin bezahlt worden. Die Rechnung sei unverständlich und nicht nachvollziehbar. Es stelle sich die Frage, warum bei einer Feuerbestattung ein Betrag von 99,00 € für die Sargausstattung, 44,00 € für die Sargpolster und 35,00 € für Kleidung sowie für die Träger einer Urne 198,00 € anfielen(Bl. 38 der Behördenakte).

In der Akte befindet sich der Bescheid der Gemeinde … vom 8. August 2012, zugestellt an die Klägerin an die Adresse … … … … in O* …, wonach Kosten für die Einäscherung (beauftragt durch die Landeshauptstadt München, Städtische Friedhofsverwaltung) und Kosten für die Beschriftung der Urnennische in Höhe von 533, 73 € und 98,18 € zusammen 631, 91 €, angefallen sind (Bl. 41 der Behördenakte).

Die Friedhofsverwaltung antwortete dem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 3. August 2015 im Wesentlichen wie folgt (Bl. 45 der Behördenakte): Die Stadt München sei als Sterbeortgemeinde verpflichtet gewesen, die Einsargung, den Transport und die Überführung zur Wohnortgemeinde … vorzunehmen und bei der Feuerbestattung den Verstorbenen zum nächsten Krematorium anzuliefern.

Die Gemeinde … sei als Wohnortgemeinde für die Bestattungsart und den Bestattungsort zuständig gewesen und habe für diesen Aufgabenteil die Kosten zu tragen gehabt. Die Kostenaufstellung, die zugesandt worden sei, seien die Kosten, die der Stadt München als Strebeortgemeinde für die Einsargung des Verstorbenen im Krankenhaus bis zur Anlieferung im Krematorium München entstanden seien. Die Einlage in einem Sarg „Sargpolster“ sei aus gesetzlichen Gründen vorgeschrieben (§ 7 Satz 1 2. Bestattungsverordnung - BestV). Aus Gründen der Pietät sei es üblich, Verstorbene bekleidet (entweder in eigener Kleidung oder einem Sterbehemd (35,00 €) in einem Sarg gebettet (mit Kissen und Decke - 99,00 €) zu bestatten. Es werde immer die einfachste und kostengünstigste Ausstattung gewählt. Die Einsargung des Vaters der Klägerin, das Tragen des Sarges vom Krankenbett zum Leichenwagen sowie der Transport vom Krankenhaus … zu den Friedhofseinrichtungen und das Tragen des Sarges vom Leichenwagen in die Leichenhalle werde mit insgesamt 198,00 € in Rechnung gestellt. Für den Transport der Urne sei die Stadt München nicht zuständig gewesen. Für die Leistung der Beratung/Organisation der Bestattung verlange das Bestattungsunternehmen 95,00 € (Bl. 45 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 21. September 2015 mahnte die Beklagte beim Bruder des Verstorbenen unter der Adresse … in A* … die Bezahlung der Rechnung in Höhe von 1.097, 50 € an (Bl. 47 der Behördenakte).

Die Gemeinde A … teilte der Beklagten mit, der Sohn des Verstorbenen sei in A … nicht mehr gemeldet. Die Ziel-Adresse sei …  in B … Die letzte Anschrift sei U …, … in A … gewesen (Bl. 52 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2015 mahnte die Beklagte den Sohn des Verstorbenen unter der Adresse B … an, die Rechnung für die Überführung des Verstorbenen zu bezahlen (Bl. 53 der Behördenakte).

Da sich der Sohn des Verstorbenen nicht rührte, erließ die Beklagte den Bescheid vom 19. November 2015, in dem der Bruder der Klägerin verpflichtet wurde, die Kosten in Höhe von 1097, 50 € zu bezahlen (Bl. 55 der Behördenakte).

Am 19. November 2015 übersandte die Beklagte auch an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Bescheid vom 19. November 2015 (Bl. 66 der Behördenakte).

Dem Bruder der Klägerin wurde der Bescheid am 21. November 2015 mit PZU zugestellt und zwar an die Adresse … in B … (Bl. 74 der Behördenakte). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin übersandte die Empfangsbekenntnis betreffend des Bescheides vom 19. November 2015 am 3. Dezember 2015, wonach der Bescheid an diesem Tag eingegangen ist (Bl. 75 der Behördenakte).

Am … Dezember 2015 teilte der Bruder der Klägerin mit, dass das Geld von seiner Schwester bezahlt worden sei und er verstehe nicht, wo das Problem liege (Bl. 76 der Behördenakte). Er habe der Schwester Vollmacht erteilt, um seine „vermeintliche“ Angelegenheit klären zu können. Er übersandte einen Bescheid des Jobcenter, wonach er Leistungen nach SGB II erhalte (Bl. 77 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2015 teilte die Beklagte dem Bruder der Klägerin mit, die Klägerin habe nichts bezahlt. Es wurde ihm empfohlen, beim zuständigen Sozialhilfeträger einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten zu stellen (Bl. 80 der Behördenakte).

Am Montag, den ... Januar 2016 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag,

den Bescheid vom 19. November 2015 aufzuheben.

Die Klage wurde mit Schreiben vom … Februar 2016 im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte mache mit dem Bescheid eigene, aber auch fremde Kosten für die Beerdigung des Vaters geltend. Die Klägerin habe niemandem, auch nicht der Beklagten, einen Auftrag zur Bestattung erteilt. Die Beklagte mache Kosten der Gemeinde … geltend, welche die Klägerin in Höhe von 631,91 € bereits bezahlt habe. Diese Kosten müsse die Klägerin nicht mehr bezahlen. Allein vom Datum des Schreibens sei ersichtlich, dass bereits vor mehr als drei Jahren die Anschrift der Klägerin behördlich bekannt gewesen sei. Es werde vorsorglich die Einrede der Verjährung, höchstvorsorglich die der Verwirkung erhoben. Aus der Anlage zum Bescheid der Gemeinde … sei ersichtlich, dass in deren Bescheid eine Rechnung der Beklagten mit einer Bearbeitungsgebühr von 95,00 € enthalten sei, die ebenfalls bezahlt sei. Nachdem der Beklagten bei Rechnungsstellung keine Verwandten des Verstorbenen bekannt gewesen seien, stelle sich die Frage, wen die Beklagte für 95,00 € beraten habe wollen.

Die Beklagte führte mit Schreiben vom 3. März 2016 aus, die am 7. Januar 2016 bei Gericht eingegangene Klage sei unzulässig, da die Rechtsmittelfrist des am 3. Dezember 2015 zugestellten Bescheids am 4. Januar 2016 geendet habe. Die Klage sei auch unbegründet. Es liege keine Kostenüberschneidung mit den von der Gemeinde … geltend gemachten Kosten vor. Lediglich die Bearbeitungsgebühr sei zweimal angefallen, weil vorliegend zwei Kommunen jeweils einen Auftrag erteilt hätten. Da der Bescheid hinsichtlich der Ersatzvornahme aus dem Jahr 2012 noch im Jahr 2015 zugestellt worden sei, greife weder der Einwand der Verjährung noch der Einwand der Verwirkung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.

Gründe

Die Verwaltungsstreitsache konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, weil sowohl der Klägerbevollmächtigte (Schreiben vom …07.2016) als auch die Beklagte (Schreiben vom 14.7.2016) darauf verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.

Die Klage ist zulässig, insbesondere wahrt die am 4. Januar 2016 erhobene Klage die Klagefrist des § 74 VwGO. Der Bescheid vom 19. November 2015 wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Empfangsbekenntnis am 3. Dezember 2015 zugestellt (Bl. 75 BA). Die Klagefrist begann am 4. Dezember 2015 zu laufen (§ 57 VwGO, § 222 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB) und endete am Montag, den 4. Januar 2016 (§ 57 VwGO, § 222 ZPO, § 187 Abs. 2 BGB, § 193 BGB).

Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Rechtsgrundlage für den Bescheid ist Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Bestattungsgesetz (BestG). Danach kann eine Gemeinde von einem Bestattungspflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangen, wenn sie gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG für die Bestattung des Verstorbenen Sorge tragen musste, weil der nach § 15 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Bestattungsverordnung (BestV) Bestattungspflichtige seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist und Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 BestG nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgsversprechend gewesen sind.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Die Bestattung des Verstorbenen musste von der Beklagten von Amts wegen durchgeführt werden, da die Beklagte mit zumutbarem Aufwand die Anschriften der bestattungspflichtigen Kinder des Verstorbenen innerhalb der Bestattungsfrist des § 19 Abs. 1 BestV nicht ermitteln konnte; die Kinder haben von sich aus auch keinen Bestattungsauftrag erteilt. Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BestG waren nicht erfolgversprechend, nachdem die Anschriften der Kinder des Verstorbenen nicht bekannt waren und erst im Februar 2014 der Beklagten bekannt geworden sind.

Als Tochter des Verstorbenen gehört die Klägerin zum Kreis derjenigen Angehörigen, die gemäß Art. 15 Abs. 1 BestG i.V.m. § 15, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 b) BestV bestattungspflichtig sind.

Da die Klägerin und ihr Bruder für den Betrag gesamtschuldnerisch haften, kann sich die Beklagte auch an denjenigen Bestattungspflichtigen halten, der die Gewähr bietet, die Summe begleichen zu können. Gleichrangig Pflichtige sind Gesamtschuldner im Sinne von § 421 BGB. Die Entscheidung, welchen von mehreren Gesamtschuldnern die Beklagte heranzieht, fällt in ihren Ermessenspielraum. Grenzen ergeben sich lediglich durch das Willkürverbot und offenbare Unrichtigkeiten. Ausreichend ist deshalb, wenn die Wahl des Schuldners unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität geeignet und zweckmäßig erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1993 - 8 C 57/91 - NJW 1993, 1667; VG München, U.v. 30.9.2004 - M 10 K 04.2800 - juris). Gemessen an diesen Vorgaben ist die Schuldnerauswahl der Beklagten vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG die Entscheidung in das Ermessen der Behörde stellt („kann“), handelt es sich um einen Fall des intendierten Ermessens, d.h. in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei. Dies folgt aus der Zweckrichtung der Regelung in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG, wonach es regelmäßig ohne Ansehung der tatsächlichen persönlichen Beziehung des Pflichtigen zum Verstorbenen dem Interesse der Allgemeinheit an der rechtmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Steuergeldern entspricht, die durch die Gemeinde verauslagten Bestattungskosten vom Bestattungspflichtigen zurückzufordern. Einer Darlegung der Ermessenserwägungen bedarf es hier nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten (BayVGH, B.v. 9.6.2008 - 4 ZB 07.2815 - juris Rn. 6). Solche außergewöhnlichen Umstände liegen hier nicht vor.

Auch die Höhe der geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zur Erstattung der notwendigen Kosten der Bestattung verpflichtet. Notwendige Kosten der Bestattung sind sämtliche Kosten der Beklagten, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG aufwenden musste, um eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren (vgl. VGH Baden- Württemberg, U.v. 25.9.2001 - 1 S 974/01 - juris; a.A. VGH Baden-Württemberg, U.v. 15.11.2007 - 1 S 2720/06 - juris). Der Kostenrahmen darf hierbei den in § 74 SGB XII vorgegebenen erstattungsfähigen Rahmen nicht überschreiten.

Die Einlassung des Prozessbevollmächtigten, die Beklagte mache auch „fremde“ Kosten für die Beerdigung des Verstorbenen geltend, ist unzutreffend. Die dem streitgegenständlichen Bescheid zugrundeliegende Kostenrechnung vom 30. März 2012 beinhaltet nur Positionen, die die Beklagte als Trägerin der Aufgabe „Bestattung“ im eigenen Wirkungskreis (Art. 83 BV, Art. 57 GO) für die von dem beauftragten Bestattungsunternehmen (Städtische Bestattung) für diesen Zweck erbrachte Leistung verlangen kann. Dass daneben auch die Gemeinde … für von ihr (ebenfalls im eigenen Wirkungskreis) erbrachte Leistungen für die Bestattung des Verstorbenen einen Kostenbescheid erließ, ist folgerichtig und entbindet die Klägerin nicht davon, die im Wege der Ersatzvornahme angefallenen Bestattungskosten der Beklagten zu bezahlen. Dass bei Fällen wie dem vorliegenden - wenn Wohn- und Sterbeort auseinanderfallen - eine zweimalige Organisationsgebühr in Höhe von 95 € anfällt, liegt in der Natur der Sache, da mit dem Sterbefall beide Gemeinden jeweils in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich befasst sind und die anfallenden Arbeiten auf ihrem Zuständigkeitsgebiet in Auftrag geben müssen. Die Höhe der Organisationsgebühr ist mit 95 € für die Organisation der Bestattung angemessen und entspricht der von der Beklagten üblicherweise erhobenen Gebühr (vgl.www.städtische-bestattung-münchen.de/index_kosten.html).

Die weitere Einlassung des Prozessbevollmächtigten, die geltend gemachten Kosten für die Ausstattung des Sarges und Kleidung des Verstorbenen sei unangemessen, ist nicht nachvollziehbar. Es handelt sich durchweg um notwendige Kosten, die auch gemäß § 74 SGB XII erstattungsfähig wären.

Die für Leistungen des beauftragten Bestatters (städtische Bestattung) in Rechnung gestellten Kosten (vgl. Rechnung vom 30. März 2012) für Sarg, Sargausstattung und Kleidung etc. entsprechen einer Bestattung in sehr schlichter Ausführung, wie sie auf der Homepage der Städtischen Bestattung veröffentlicht sind (www.städtische-bestattung-münchen.de/index_kosten.html). Es handelt sich hierbei ohne Zweifel um notwendige Kosten der Bestattung i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG. Dies gilt auch für die Kosten des Transports vom Sterbeort zum Krematorium München in Höhe von 198 €. Auch diese Kosten sind Kosten für der Bestattung notwendig vorausgehende Verrichtungen und zählen damit zu den notwendigen Kosten, die von den Bestattungspflichtigen zu tragen sind.

Der Anspruch der Beklagten ist auch nicht gemäß Art. 71 Abs. 1 AGBGB erloschen. Danach erlöschen die auf eine Geldzahlung gerichteten öffentlich-rechtlichen Ansprüche einer bayerischen Gemeinde, soweit nichts anderes bestimmt ist, in drei Jahren, Art. 71 Abs. 1 Nr. 1 AGBGB. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Berechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, nicht jedoch vor Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Demnach hat die dreijährige Erlöschensfrist vorliegend mit dem Schluss des Jahres 2012 begonnen. Durch Erlass des streitgegenständlichen Bescheides vom 19. November 2015, der dem Kläger am 3. Dezember 2015 zugestellt wurde, wurde das Erlöschen des Anspruchs zum Ende des Jahres 2015 gemäß Art. 53 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz gehemmt.

Der Anspruch der Beklagten ist entgegen dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten auch nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt das Verstreichen eines längeren Zeitraums seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung sowie das Vorliegen besonderer Umstände voraus, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (BVerwG v. 16.4.2002 Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 164). Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beklagte hat den Anspruch ca. 1 ½ Jahre nach Kenntnis der Anschriften der bestattungspflichtigen Kinder mit Bescheid geltend gemacht. Zuvor hat sie die Klägerin und ihren Bruder angeschrieben und sie gebeten, die Kosten zu bezahlen. Es liegen keine besonderen Umstände vor, die die Geltendmachung der Bestattungskosten als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf

§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 187 Fristbeginn


(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Ist der Beginn

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(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erho

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(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

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(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung. (2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 22

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Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 15. Nov. 2007 - 1 S 2720/06

bei uns veröffentlicht am 15.11.2007

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand   1 Der Antragsteller wendet sich ge

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 225 und 226 der Zivilprozeßordnung.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 225 und 226 der Zivilprozeßordnung.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Antragsteller wendet sich gegen den von der Antragsgegnerin in der „Polizeiverordnung gegen umweltschädliches Verhalten, zum Schutze der Grün- und Erholungsanlagen und über das Anbringen von Hausnummern“ (Polizeiliche Umweltschutzverordnung - UmweltschutzVO - vom 21.11.1996, zuletzt geändert durch Polizeiverordnung vom 01.06.2006) geregelten Leinenzwang für Hunde.
Mit der im gemeindlichen Amts- und Mitteilungsblatt Nr. 23 vom 10.06.2005 bekannt gemachten und 01.07.2006 in Kraft getretenen Änderungsverordnung wird im neu gefassten § 10 („Gefahren durch Tiere“) die Regelung über die Beaufsichtigung von Hunden um den Leinenzwang für Hunde ergänzt; Abs. 3 bestimmt nun:
„Im Innenbereich (§§ 30-34 BauGB) sind auf öffentlichen Straßen und Gehwegen sowie im Außenbereich in folgenden Gebieten:
1. im gesamten Südbereich bis zum Waldrand zwischen Schützenstraße in Schwann und der Straße Am Sportplatz in Conweiler,
        
2. im Bereich des Betonwegs von der Maienstraße in Feldrennach Richtung Ittersbach,
        
3. im Bereich der Bannholzstraße in Feldrennbach bis zum Festplatz beim Waldbeginn
        
4. im Bereich der an die Bach- und die Kelterstraße anschließenden Wege zum Fronberg in Ottenhausen
Hunde an der Leine zu führen. Ansonsten dürfen Hunde ohne Begleitung einer Person, die durch Zuruf auf das Tier einwirken kann, nicht frei umherlaufen.“
§ 28 Abs. 1 UmweltschutzVO lautet:
„Ordnungswidrig i.S. von § 18 Polizeigesetz handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
(…)
Nr. 11: entgegen § 10 Abs. 3 Hunde frei herumlaufen lässt.“
Der Antragsteller wohnt im Ortsteil Conweiler der Antragsgegnerin. Er ist seit einigen Jahren Halter eines Hundes, den er täglich im Gebotsbereich der Polizeiverordnung ausführt. Am 17.03.2006 setzte die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller ein Bußgeld wegen Verstoßes gegen den Leinenzwang fest. Hiergegen erhob der Antragsteller Einspruch. Durch Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 04.08.2006 - 8 OWi 84 Js 6960/06 - wurde der Antragsteller zu einer Geldbuße von 25 EUR verurteilt; über die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde ist noch nicht entschieden.
Am 20.11.2006 hat der Antragsteller das Normenkontrollverfahren eingeleitet, zu dessen Begründung er vorträgt: Die Änderungsverordnung vom 01.06.2005 sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, da die bekanntgemachte Verordnung vom Beschluss des Gemeinderats hinsichtlich der jeweiligen Gebietsgrenzen nicht gedeckt sei; denn der im Sitzungsprotokoll der Gemeinderatssitzung vom 01.06.2005 festgehaltene Beschluss zur Änderung der Verordnung enthalte anders als die Beschlussvorlage und der ausgefertigte Verordnungstext in § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmweltschutzVO nicht die Worte „bis zum Waldrand“. Darüber hinaus sei die dortige Gebietsabgrenzung unklar und missverständlich und damit zu unbestimmt. Auch in der Sache sei der angeordnete Leinenzwang rechtswidrig. Die Annahme, dass eine abstrakt-generelle Gefahr von unangeleinten Hunden für Menschen oder andere Hunde ausgehe, könne nicht nachgewiesen werden. Ferner verstoße die Verordnung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die vorgenommene Abgrenzung könne nicht nachvollziehbar begründet werden. Bei der umfassenden Regelung für den südlichen Bereich habe der Gemeinderat nicht berücksichtigt, dass Hundehaltern auch Freilaufflächen für ihre Tiere zur Verfügung gestellt werden müssten. Andernfalls sei die nach Art. 20a GG gebotene artgerechte Tierhaltung nicht mehr möglich. Den in der Gemeinde wohnenden Hundehaltern könne auch nicht zugemutet werden, in ein gemeindefernes Freilaufgebiet zu fahren. Es sei ferner nicht dargetan, warum für den südlichen Außenbereich ein umfassender Leinenzwang erforderlich sei, während im nördlichen Außenbereich ein wegebezogener Leinenzwang für ausreichend angesehen wurde. Schließlich sei der normierte Leinenzwang auch nicht dazu geeignet, die von dem Gemeinderat heftig diskutierte Hundekotproblematik zu lösen.
10 
Der Antragsteller beantragt,
11 
§ 10 Abs. 3 Satz 1 der Polizeiverordnung gegen umweltschädliches Verhalten, zum Schutze der Grün- und Erholungsanlagen und über das Anbringen von Hausnummern (Polizeiliche Umweltschutzverordnung) der Antragsgegnerin vom 21.11.1996 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 01.06.2005 für unwirksam zu erklären.
12 
Die Antragsgegnerin beantragt,
13 
den Antrag abzulehnen.
14 
Sie trägt vor: Die Verordnung sei formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Zwar weiche der im Sitzungsprotokoll des Gemeinderats festgehaltene Beschlusstext geringfügig vom Wortlaut der Beschlussvorlage und der Verordnung ab. Das sei aber vor dem Hintergrund der Diskussion, deren Gegenstand nur der Bereich außerhalb des Waldgebiets gewesen sei, unerheblich; denn das Sitzungsprotokoll sei kein Wortprotokoll. Jedenfalls könne eine etwaige Lücke im Beschlusstext durch Auslegung anhand des objektiven Empfängerhorizonts geschlossen werden. Der räumliche Geltungsbereich des Leinenzwangs im streitigen Südbereich sei hinreichend bestimmt; dies werde durch einen Blick auf den Ortsplan bestätigt. Darüber hinaus werde mit Hinweistafeln auf Anfang und Ende des Leinenzwangs hingewiesen. Der Leinenzwang sei durch die Ermächtigungsgrundlage des § 10 PolG gedeckt. Von unangeleinten Hunden gehe eine abstrakte Gefahr für Menschen aus. Denn durch unberechenbares Verhalten der Hunde würden Menschen typischerweise gesundheitlich gefährdet oder zumindest erheblich belästigt. Zudem seien binnen eines Jahres ca. 25 bis 30 Vorfälle mit Bissen und Angriffen von freilaufenden Hunden zu verzeichnen gewesen. Seit Bestehen der Leinenpflicht sei die Zahl derartiger Vorfälle erheblich zurückgegangen. Des Weiteren werde die Landwirtschaft und der im dortigen Gebiet gelegene Segelflugplatz durch freilaufende Hunde und deren Kot sowie durch Stöcke, die von Hundehaltern geworfen würden, beeinträchtigt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Insbesondere die unterschiedliche Behandlung von nördlichem und südlichem Außenbereich sei im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers gerechtfertigt, weil der südliche Bereich erheblich stärker touristisch genutzt werde. Die Verordnung stelle eine sinnvolle Kompromisslösung zwischen den Interessen der Hundehalter und den Interessen der Erholungssuchenden dar. Durch die örtliche Begrenzung des Leinenzwangs seien genügend Flächen vorhanden, die ein Freilaufen der Hunde ermöglichten.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
16 
Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Er kann als Hundehalter, der bei seinen täglichen Spaziergängen mit dem Hund mit dem Anleingebot konfrontiert ist, geltend machen, in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen zu sein; auch ist gegen ihn bereits ein Bußgeld verhängt worden. Die insoweit noch maßgebliche Zweijahresfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis zum 31.12.2006 geltenden Gesetzesfassung (vgl. § 195 Abs. 7 VwGO, eingefügt durch Gesetz vom 21.12.2006 ) ist gewahrt.
II.
17 
Der Antrag ist nicht begründet. Die zur Prüfung gestellten Vorschriften sind rechtsfehlerfrei zustande gekommen und auch inhaltlich von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
18 
1. Die Änderungsverordnung, durch die § 10 Abs. 3 UmweltschutzVO neu gefasst wurde, ist, wie sich aus den vorgelegten Behördenakten ergibt, mit der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates der Antragsgegnerin erlassen (§ 15 Abs. 2 PolG) und dem Landratsamt als der Aufsichtsbehörde vorgelegt worden (§ 16 Abs. 1 PolG). Die Formerfordernisse des § 12 Abs. 1 und 2 PolG sind gewahrt.
19 
Eine ordnungsgemäße Verkündung durch öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt der Gemeinde (§ 5 VerkG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 DVO-GemO) liegt ebenfalls vor. Die vom Antragsteller gerügte Abweichung des im Sitzungsprotokoll des Gemeinderats festgehaltenen Beschlusstextes vom bekannt gemachten Wortlaut der Norm steht dem nicht entgegen.
20 
Eine Verordnung ist zwar unwirksam, wenn sie nicht mit dem vom Gemeinderat beschlossenen Wortlaut bekannt gemacht wird bzw. die bekannt gemachte Norm so nicht beschlossen worden ist. Ein nach dem Rechtsstaatsprinzip ausgestaltetes Bekanntmachungsverfahren setzt voraus, dass die Rechtsnorm nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt veröffentlicht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.2004 - 8 CN 1.02 -, BVerwGE 120, 82). Eine solche Abweichung liegt hier aber auch bezüglich der Gebietsabgrenzung in § 10 Abs. 3 Satz Nr. 1 UmweltschutzVO nicht vor.
21 
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller auf die gemäß § 38 Abs. 1 GemO gefertigte Niederschrift über die Verhandlungen des Gemeinderats. Diese muss u.a. den Wortlaut der Beschlüsse enthalten. Die Niederschrift dient dem späteren Nachweis über den Ablauf der Sitzungen, den Verlauf der Verhandlungen und den Inhalt der gefassten Beschlüsse. Ihr kommt als öffentliche Urkunde die in den §§ 415, 417 und 418 ZPO normierte erhöhte Beweiskraft zu (vgl. Senatsurteil vom 09.10.1989 - 1 S 5/88 -, NJW 1990, 1808; vom 17.10.2002 - 1 S 2114/99 -, juris Rz. 39). Es wird vermutet, dass der Inhalt der Verhandlungen und die Beschlüsse des Gemeinderates vollständig und richtig wiedergeben sind. Die Niederschrift wirkt aber nicht rechtsbegründend für die Beschlüsse des Gemeinderates (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, § 38 Rn. 1). Aus der formalen Beweisfunktion der Niederschrift folgt, dass die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit durch Gegenbeweise entkräftet werden kann.
22 
In der Niederschrift über die Verhandlungen und Beschlüsse des Gemeinderats vom 01.06.2005 wird auf Blatt 104 zwar festgehalten, dass nach der Zustimmung zur grundsätzlichen Festlegung von Leinenzwang in bestimmten Außengebieten u.a. der Leinenzwang für das Gebiet „Südbereich zwischen Schützenstraße in Schwann und der Straße Am Sportplatz in Conweiler“ beschlossen wurde. In dieser Umschreibung fehlt im Unterschied sowohl zur diskutierten Beschlussvorlage als auch zur veröffentlichten Verordnungsregelung die Angabe „bis zum Waldrand“. Eine inhaltliche Abweichung wird damit aber nicht dokumentiert. Es handelt sich vielmehr ersichtlich um eine leicht verkürzte Wiedergabe des in der Beschlussvorlage bezeichneten Gebiets, das - auch ausweislich der Diskussion im Gemeinderat - in seiner Ausdehnung unverändert bleiben sollte. Denn auf Blatt 106 der Sitzungsniederschrift wird der gesamte Text der vom Gemeinderat - zunächst in getrennten Abstimmungen - beschlossenen Änderungsverordnung nochmals zusammenfassend aufgeführt; dieser Text stimmt mit dem der Bekanntmachung überein.
23 
2. Auch in materieller Hinsicht hält § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO der rechtlichen Prüfung stand.
24 
a) Der in dieser Vorschrift angeordnete Leinenzwang für Hunde ist durch die gesetzliche Ermächtigung des § 10 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG gedeckt.
25 
Eine hiernach erforderliche abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. nur Senatsurteil vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <86>; BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 - 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <351 f.>, jeweils m.w.N.).
26 
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass von Hunden Gefahren für die menschliche Gesundheit und für andere Hunde ausgehen können, die geeignet sind, die allgemeine Anordnung eines Leinenzwangs zu rechtfertigen (vgl. schon Beschluss vom 05.07.1967 - I 195/66 -, ESVGH 18, 19 <21 f.>; vom 31.01.1980 – I 1996/79 -, BWVPr 1980, 167 und vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289>). Hieran hält der Senat fest. Dabei mag dahinstehen, ob eine entsprechende Gefahrenlage schon durch die von der Antragsgegnerin angeführten, in der Mehrzahl aber nicht näher umschriebenen Vorfälle mit unangeleinten Hunden hinreichend verlässlich dokumentiert wird. Denn schon die allgemeine Lebenserfahrung belegt aufgrund der (potentiellen) Konfliktträchtigkeit einer Begegnung von Hunden und Menschen die erforderliche abstrakt-generelle Gefahrenlage. Zum natürlichen Verhaltensrepertoire von Hunden gehören nämlich das Beißen, Hetzen, Reißen, Anspringen, Schnappen, Nachrennen und Beschnüffeln, das sich bei freilaufenden Hunden spontan und unberechenbar äußert und zu einer Gefährdung unbeteiligter Dritter führen kann, welche die Schwelle der bloßen Lästigkeit überschreitet. Auch ein zunächst bloß subjektives Unsicherheitsgefühl, das viele Menschen, vor allem Kinder, gegenüber freilaufenden Hunden beschleicht, ist hier zu berücksichtigen; denn gerade auch ängstliches Verhalten kann bei ansonsten unauffälligen Hunden weitere Reaktionen und auf diese Weise einen gefahrerhöhenden Kreislauf in Gang setzen (Thür. OVG, Urteil vom 26.04.2007 - 3 N 699/05 -, juris Rz. 60 ff.).
27 
Der Verweis des Antragstellers auf die abweichende Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 27.01.2005 - 11 KN 38/04 -, NordÖR 2005, 179 <180 f.>), wonach eine abstrakte Gefahr durch unangeleinte Hunde nicht festgestellt werden könne, verfängt nicht. Zu Unrecht bezieht sich diese Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Mit Urteil vom 03.07.2002 (- 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <355 f.>) hat das Bundesverwaltungsgericht die niedersächsische Gefahrtier-Verordnung nämlich allein wegen des abschließend an die Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen anknüpfenden Regelungskonzepts als von der polizeirechtlichen, auf die Gefahrenabwehr zielenden Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckte Maßnahme der Gefahrenvorsorge beanstandet. Das Bundesverwaltungsgericht geht aber zugleich davon aus, dass mit der Haltung von Hunden „wegen der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens“ „unzweifelhaft“ Gefahren verbunden sind.
28 
b) Der Erlass einer Regelung über den allgemeinen Leinenzwang ist nicht gemäß § 11 PolG durch die Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde - PolVOgH - vom 3. August 2000 (GBl. S. 574) gesperrt. § 4 Abs. 3 Satz 1 PolVOgH sieht zwar einen Leinenzwang für gefährliche Hunde i.S. dieser Verordnung vor. Diese Regelung versteht sich jedoch ausweislich von § 6 PolVOgH nicht als abschließend. Denn nach dieser Bestimmung bleiben weitergehende Verordnungen nachgeordneter Polizeibehörden unberührt. Dies gilt insbesondere für Regelungen, die nicht dem Schutz der Bevölkerung und anderer Tiere vor „gefährlichen Hunden“ zu dienen bestimmt sind, sondern die von Hunden generell in bestimmten - gefahrträchtigen - Situationen ausgehenden Gefahren in den Blick nehmen.
29 
c) Die Tatbestandsmerkmale des § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmweltschutzVO sind hinreichend bestimmt.
30 
Das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Damit soll zum einen sichergestellt werden, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach einrichten kann. Zum anderen soll das Vorgehen der Verwaltung durch steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe gebunden werden. Schließlich sollen die Gerichte in die Lage versetzt werden, anhand verlässlicher normativer Vorgaben die Rechtskontrolle durchzuführen. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen Vollzug der Norm gewährleisten. Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtspositionen des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (vgl. dazu zuletzt BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 <375 ff.>, sowie Senatsurteil vom 11.10.2000 - 1 S 2964/99 -, ESVGH 51, 41 <46>; vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <86 f.>, jeweils m.w.N.).
31 
Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO zur Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs des Leinenzwangs auf die bauplanungsrechtliche Begriffe Innenbereich und Außenbereich Bezug nimmt. Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung geäußerten Bedenken (vgl. OVG RP, Urteil vom 21.09.2006 - 7 C 10539/06 -, DÖV 2007, 82 <83>; Thür. OVG, Urteil vom 26.04.2007 - 3 N 699/05 -, juris Rz. 76 ff.; siehe auch zur Unbestimmtheit des Begriffs „innerhalb der geschlossenen Ortslage“ OVG NRW, Urteil vom 26.01.1987 – 7 A 605/85 -, NVwZ 1988, 659, sowie Nds. OVG, Urteil vom 27.01.2005 - 11 KN 38/04 -, NordÖR 2005, 179 <181>) teilt der Senat jedenfalls im vorliegenden Fall nicht.
32 
Der Rechtsbegriff des Innenbereichs ist in seinem baurechtlichen Kontext hinreichend bestimmt. Dies gilt für den Planbereich (§ 30 BauGB) durch den Bezug auf parzellenscharf abgegrenzte Bebauungspläne ebenso wie für den unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB. Nach der Rechtsprechung setzt ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil i.S. dieser Vorschrift voraus, dass die Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt sowie Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist; die hierfür maßgeblichen Kriterien sind im Einzelnen entfaltet worden (siehe etwa Hofherr in: Berliner Kommentar zum BauGB, Lfg. Jan. 2005, § 34 Rn 2 ff., m.N.), so dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff hinreichend präzisiert, in seiner Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt ist. Den Verwaltungsbehörden und den Gerichten stehen damit handhabbare Maßstäbe zur Verfügung. Dem Grundstückseigentümer als dem in erster Linie von der Norm Betroffenen ist es zumutbar, sich angesichts der Bedeutung der Frage ggf. unter Hinzuziehung von Fachleuten und Einholung von Rechtsrat über die baulichen Nutzungsmöglichkeiten seines Grundstücks zu vergewissern. Auf solches jedenfalls in Grenzfällen erforderliches baurechtliches Spezialwissen kann indessen nicht in jeglichem Regelungszusammenhang verwiesen werden. Das gilt nur dann, wenn die Lage des Normadressaten vergleichbar dem Baurecht durch einen Grundstücksbezug gekennzeichnet ist. Dies ist etwa bei einer Baumschutzsatzung der Fall (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110, sowie BGH, Beschluss vom 15.03.1996 – 3 StR 506/95 -, NStZ 1996, 342). Demgegenüber sieht sich der Hundehalter nicht nur bezogen auf ein bestimmtes Grundstück, sondern potentiell an vielen Stellen, die er in Begleitung des Hundes passiert, mit der Frage des räumlichen Geltungsbereichs des Leinenzwangs konfrontiert. Auch für den rechtsunkundigen, aber verständigen, durchschnittlichen Hundehalter muss dann ohne großen Aufwand erkennbar sein, wo der Hund an der Leine zu führen ist. Ausgehend vom gefahrabwehrrechtlichen Zweck der Norm erschließt sich der auf den Innenbereich bezogene Geltungsbereich des Leinenzwangs zumeist ohne Schwierigkeiten. Wo nämlich eine nicht nur vereinzelte Bebauung mit Wohnhäusern oder sonstigen Gebäuden besteht, ist gewöhnlich mit dem Erscheinen von Menschen und anderen Tieren zu rechnen, deren Schutz beabsichtigt ist. Die Feinabgrenzung in der Ortsrandlage mag sich allerdings dem Hundeführer nicht unmittelbar erschließen. Denn die Frage, ob ein unbebautes Grundstück noch als Baulücke einzustufen ist, die den Bebauungszusammenhang nicht unterbricht, setzt eine umfassende Wertung und Bewertung der Umstände voraus, die ohne baurechtliche Kenntnisse oftmals nicht zu bewältigen ist. Vereinzelte „Unschärfen“ in Randbereichen sind indessen nicht zu beanstanden. Denn mögliche Nachteile einer insoweit verbleibenden Unbestimmtheit können durch die gerichtliche Kontrolle einer konkretisierenden Polizeiverfügung oder eines Bußgeldbescheides ausgeglichen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110 <116>; Senatsurteil vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <87> m.N.). Das Maß an Unsicherheit, das den Normadressaten – nicht zuletzt mit Blick auf die geringe Eingriffsintensität, die mit dem bloßen, wenn auch bußgeldbewehrten, Anleinen der Hunde verbunden ist – noch zugemutet werden kann, wäre jedoch überschritten, wenn die Siedlungsstruktur im Bereich des Normgebers so durch Streubebauung geprägt würde, dass nicht nur vereinzelt bauplanungsrechtlich zwischen Splittersiedlung und Ortsteil abgegrenzt werden müsste. Dann erwiese sich die Bezugnahme auf baurechtliche Begriffe für eine Regelung über den Leinenzwang als untauglich. Für eine solche (Sonder-)Situation ist hier aber angesichts der vorgelegten Pläne und Luftbilder nichts ersichtlich, so dass § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO insoweit keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Der Bezug auf den Planbereich (§ 30 BauGB) ist ebenfalls unschädlich. Solange ein Bebauungsplan noch nicht verwirklicht ist, fehlt es für den Betrachter zwar an Anhaltspunkten, die für eine rechtliche Einstufung des betreffenden Gebiets als Innenbereich sprechen. Eine solche Unsicherheit im Übergangszeitraum bis zur Planverwirklichung durch die Bebauung kann aber hingenommen werden.
33 
d) Die räumliche Festlegung des Gebotsgebiets im südlichen Außenbereich ist ebenfalls hinreichend bestimmt. In nördlicher Richtung ist das Gebiet durch den Begriff des Außenbereichs begrenzt. Dieser beginnt nach der letzten geschlossenen Bebauung am Ortsrand. In südlicher Richtung bezeichnet der „Waldrand“ die Grenze der Anleinpflicht. In westlicher Richtung wird das Gebiet durch die Straße „Am Sportplatz in Conweiler“, in östlicher Richtung durch die „Schützenstraße in Schwann“ begrenzt. Damit sind die äußeren Grenzen klar und für jedermann erkennbar umrissen. Eventuelle Zweifel des Betroffenen über die Geltung des Anleingebots werden zudem dadurch ausgeräumt, dass Hinweistafeln aufgestellt wurden, welche auf den Beginn des Leinenzwangs hinweisen.
34 
Hinsichtlich der Gebotsbereiche im nördlichen Gemarkungsgebiet sind konkrete Einwendungen nicht vorgebracht worden. Bedenken sind auch nicht ersichtlich; aufgrund der örtlichen Verhältnisse und der nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin aufgestellten Schilder kann es hier keine vernünftigen Zweifel an der räumlichen Erstreckung des Leinenzwangs geben. Soweit darin jeweils auf den Bereich einer Straße bzw. eines Weges abgestellt wird, wird deutlich, dass die Hunde nicht nur auf der Straße bzw. dem Weg anzuleinen sind; auch auf den daran anschließenden Grundstücken dürfen sie gleichfalls nicht frei laufen.
35 
e) Die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin, zum Zweck der Gefahrenabwehr in den genannten Gebieten des Außenbereichs den Leinenzwang anzuordnen, ist im Rahmen der begrenzten gerichtlichen Überprüfung (vgl. den Rechtsgedanken des § 114 Satz 1 VwGO), die dem weiten Einschätzungsspielraum des Normgebers Rechnung zu tragen hat, rechtlich nicht zu beanstanden.
36 
Die umstrittene Vorschrift verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
37 
Der Leinenzwang ist geeignet, Schäden durch Beißattacken zu verhindern. Er trägt darüber hinaus dazu bei, Verunreinigungen öffentlich zugänglicher Flächen zu vermeiden; denn für den Hundeführer ist es wegen des dann eingeschränkten Bewegungsradius des Hundes und der örtlichen Nähe jedenfalls leichter, die Hinterlassenschaften eines an der Leine geführten Hundes zu beseitigen (siehe auch Senatsbeschluss vom 31.01.1980 - I 1886/79 -, BWVPr 1980, 167).
38 
Die Regelung erweist sich zudem als erforderlich, weil mildere Mittel zur Gefahrenabwehr nicht in Betracht kommen. Der Verweis auf Belehrungen und weitere freiwillige Maßnahmen zur Vermeidung von Beißattacken und Verunreinigungen ist nicht in gleicher Weise geeignet, die von unangeleinten Hunden ausgehenden Gefahren wirksam zu bekämpfen.
39 
Schließlich ist der Leinenzwang auch angemessen und beschränkt die Hundehalter nicht unzumutbar in ihren Rechten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Anleinpflicht nur geringfügig in das Recht des Hundehalters auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingreift, während die geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) von Verfassung wegen einen hohen Rang beanspruchen. Bei Abwägung der durch den Leinenzwang betroffenen Interessen ist die Regelung der Antragsgegnerin mithin nicht unverhältnismäßig.
40 
Soweit der Antragsteller durch den Leinenzwang die Möglichkeit einer artgerechten Hundehaltung beeinträchtigt sieht (siehe § 2 Abs. 1 Satz 2 Tierschutz-Hundeverordnung vom 02.05.2001 ), ist darauf zu verweisen, dass grundsätzlich nicht die Antragsgegnerin das artgerechte Halten von Tieren sicherzustellen, sondern hierfür der Hundehalter selbst zu sorgen hat (vgl. § 2 Nr. 2 TierSchG; dazu Senatsbeschluss vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289 f.>). Eine solche tierschutzrechtlich unbedenkliche Haltung wird dem Antragsteller im Übrigen auf dem Gemeindegebiet auch nicht unmöglich gemacht.
41 
Denn die Antragsgegnerin hat den Leinenzwang nicht für das gesamte Gemeindegebiet angeordnet, diesen vielmehr - nach Maßgabe des nach der örtlichen Situation je verschieden zu gewichtenden Gefahrenpotentials - auf einzelne Gebiete mit einer Ausdehnung von ca. 610 ha bei einer Gemarkungsfläche von 3.307 ha beschränkt, in denen es besonders häufig zu Kontakten zwischen Menschen und Hunden kommt. Für den innerörtlichen Bereich ist dies offenkundig. Aber auch der vom Leinenzwang erfasste südliche Außenbereich der Gemeinde wird in hohem Maß von Spaziergängern, Wanderern und Joggern genutzt und ist ein touristisch attraktives Gebiet. Der Bereich befindet sich im Naturparkportal Nordschwarzwald, zahlreiche Wanderrouten (z.B. Westweg Pforzheim/Basel), Nordic Walking-Routen, Mountainbike-Routen und Radwege führen durch diesen Bereich. Zudem liegt im süd-östlichen Bereich des betroffenen Gebietes ein Segelflugplatz. Hier kam es in letzter Zeit zunehmend zu Konflikten mit freilaufenden Hunden. Die weniger stark frequentieren östlichen und westlichen Außenbereichsgebiete der Antragsgegnerin sind dagegen vom Leinenzwang ausgenommen. Im nördlichen Außenbereich sind ebenfalls nur einzelne Wege vom Leinenzwang betroffen. Diese sachlichen Gegebenheiten rechtfertigen entgegen der Ansicht des Antragstellers die unterschiedlichen Regelungen für den nördlichen und den südlichen Außenbereich; diese sind gerade Ausdruck einer angemessenen Abwägung der meist gegenläufigen Interessen von Hundehaltern und Erholungssuchenden. Den Hundehaltern kann zugemutet werden, ihre Hunde auf den vorhandenen Freiflächen artgerecht auszuführen. Der Antragsteller muss zwar in der näheren Umgebung seiner Wohnung den Leinenzwang beachten, es trifft aber nicht zu, dass der Antragsteller nunmehr in gemeindeferne Gebiete fahren müsse, um seinem Hund Auslauf zu gewähren. Auch fußläufig sind solche Gebiete gerade mit einem großen und lauffreudigen Hund erreichbar.
42 
Eine Differenzierung nach Art und Größe der Hunde ist nicht geboten. Der Verordnungsgeber darf ausgehend von der grundsätzlich bestehenden abstrakten Gefahr durch freilaufende Hunde Sachverhalte typisieren. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn er in einer generellen Regelung atypische Besonderheiten des Einzelfalles vernachlässigt (vgl. nur Senatbeschluss vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289>) und deswegen auch umsichtige Hundehalter, die immer rücksichtsvoll auftreten und in einer der Situation angemessenen Weise reagieren sowie ihren Hund – jedenfalls in aller Regel - verlässlich „im Griff“ haben, dieser Vorschrift unterwirft (siehe hierzu schon Senatsbeschluss vom 05.07.1967 - I 195/66 -, ESVGH 18, 19 <23>). Auch zu der vom Antragsteller angeregten zeitlichen Einschränkung des Leinenzwangs im Außenbereich ist die Antragsgegnerin von Rechts wegen nicht verpflichtet. Zwar ist das Konfliktpotential zwischen Hundehaltern und den übrigen Nutzern dort am Wochenende und gerade bei schönem Wetter besonders groß. Aber auch an Wochentagen kann es nicht vernachlässigt werden; dies gilt nicht zuletzt für Begegnungen mit Joggern. Darüber hinaus ist das Problem der Verunreinigung stark genutzter Freilaufflächen durch die Hunde nicht auf bestimmte Zeiten begrenzt.
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
45 
Beschluss
vom 15.11.2007
Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
I.
16 
Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Er kann als Hundehalter, der bei seinen täglichen Spaziergängen mit dem Hund mit dem Anleingebot konfrontiert ist, geltend machen, in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen zu sein; auch ist gegen ihn bereits ein Bußgeld verhängt worden. Die insoweit noch maßgebliche Zweijahresfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis zum 31.12.2006 geltenden Gesetzesfassung (vgl. § 195 Abs. 7 VwGO, eingefügt durch Gesetz vom 21.12.2006 ) ist gewahrt.
II.
17 
Der Antrag ist nicht begründet. Die zur Prüfung gestellten Vorschriften sind rechtsfehlerfrei zustande gekommen und auch inhaltlich von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
18 
1. Die Änderungsverordnung, durch die § 10 Abs. 3 UmweltschutzVO neu gefasst wurde, ist, wie sich aus den vorgelegten Behördenakten ergibt, mit der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates der Antragsgegnerin erlassen (§ 15 Abs. 2 PolG) und dem Landratsamt als der Aufsichtsbehörde vorgelegt worden (§ 16 Abs. 1 PolG). Die Formerfordernisse des § 12 Abs. 1 und 2 PolG sind gewahrt.
19 
Eine ordnungsgemäße Verkündung durch öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt der Gemeinde (§ 5 VerkG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 DVO-GemO) liegt ebenfalls vor. Die vom Antragsteller gerügte Abweichung des im Sitzungsprotokoll des Gemeinderats festgehaltenen Beschlusstextes vom bekannt gemachten Wortlaut der Norm steht dem nicht entgegen.
20 
Eine Verordnung ist zwar unwirksam, wenn sie nicht mit dem vom Gemeinderat beschlossenen Wortlaut bekannt gemacht wird bzw. die bekannt gemachte Norm so nicht beschlossen worden ist. Ein nach dem Rechtsstaatsprinzip ausgestaltetes Bekanntmachungsverfahren setzt voraus, dass die Rechtsnorm nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt veröffentlicht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.2004 - 8 CN 1.02 -, BVerwGE 120, 82). Eine solche Abweichung liegt hier aber auch bezüglich der Gebietsabgrenzung in § 10 Abs. 3 Satz Nr. 1 UmweltschutzVO nicht vor.
21 
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller auf die gemäß § 38 Abs. 1 GemO gefertigte Niederschrift über die Verhandlungen des Gemeinderats. Diese muss u.a. den Wortlaut der Beschlüsse enthalten. Die Niederschrift dient dem späteren Nachweis über den Ablauf der Sitzungen, den Verlauf der Verhandlungen und den Inhalt der gefassten Beschlüsse. Ihr kommt als öffentliche Urkunde die in den §§ 415, 417 und 418 ZPO normierte erhöhte Beweiskraft zu (vgl. Senatsurteil vom 09.10.1989 - 1 S 5/88 -, NJW 1990, 1808; vom 17.10.2002 - 1 S 2114/99 -, juris Rz. 39). Es wird vermutet, dass der Inhalt der Verhandlungen und die Beschlüsse des Gemeinderates vollständig und richtig wiedergeben sind. Die Niederschrift wirkt aber nicht rechtsbegründend für die Beschlüsse des Gemeinderates (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, § 38 Rn. 1). Aus der formalen Beweisfunktion der Niederschrift folgt, dass die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit durch Gegenbeweise entkräftet werden kann.
22 
In der Niederschrift über die Verhandlungen und Beschlüsse des Gemeinderats vom 01.06.2005 wird auf Blatt 104 zwar festgehalten, dass nach der Zustimmung zur grundsätzlichen Festlegung von Leinenzwang in bestimmten Außengebieten u.a. der Leinenzwang für das Gebiet „Südbereich zwischen Schützenstraße in Schwann und der Straße Am Sportplatz in Conweiler“ beschlossen wurde. In dieser Umschreibung fehlt im Unterschied sowohl zur diskutierten Beschlussvorlage als auch zur veröffentlichten Verordnungsregelung die Angabe „bis zum Waldrand“. Eine inhaltliche Abweichung wird damit aber nicht dokumentiert. Es handelt sich vielmehr ersichtlich um eine leicht verkürzte Wiedergabe des in der Beschlussvorlage bezeichneten Gebiets, das - auch ausweislich der Diskussion im Gemeinderat - in seiner Ausdehnung unverändert bleiben sollte. Denn auf Blatt 106 der Sitzungsniederschrift wird der gesamte Text der vom Gemeinderat - zunächst in getrennten Abstimmungen - beschlossenen Änderungsverordnung nochmals zusammenfassend aufgeführt; dieser Text stimmt mit dem der Bekanntmachung überein.
23 
2. Auch in materieller Hinsicht hält § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO der rechtlichen Prüfung stand.
24 
a) Der in dieser Vorschrift angeordnete Leinenzwang für Hunde ist durch die gesetzliche Ermächtigung des § 10 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG gedeckt.
25 
Eine hiernach erforderliche abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. nur Senatsurteil vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <86>; BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 - 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <351 f.>, jeweils m.w.N.).
26 
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass von Hunden Gefahren für die menschliche Gesundheit und für andere Hunde ausgehen können, die geeignet sind, die allgemeine Anordnung eines Leinenzwangs zu rechtfertigen (vgl. schon Beschluss vom 05.07.1967 - I 195/66 -, ESVGH 18, 19 <21 f.>; vom 31.01.1980 – I 1996/79 -, BWVPr 1980, 167 und vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289>). Hieran hält der Senat fest. Dabei mag dahinstehen, ob eine entsprechende Gefahrenlage schon durch die von der Antragsgegnerin angeführten, in der Mehrzahl aber nicht näher umschriebenen Vorfälle mit unangeleinten Hunden hinreichend verlässlich dokumentiert wird. Denn schon die allgemeine Lebenserfahrung belegt aufgrund der (potentiellen) Konfliktträchtigkeit einer Begegnung von Hunden und Menschen die erforderliche abstrakt-generelle Gefahrenlage. Zum natürlichen Verhaltensrepertoire von Hunden gehören nämlich das Beißen, Hetzen, Reißen, Anspringen, Schnappen, Nachrennen und Beschnüffeln, das sich bei freilaufenden Hunden spontan und unberechenbar äußert und zu einer Gefährdung unbeteiligter Dritter führen kann, welche die Schwelle der bloßen Lästigkeit überschreitet. Auch ein zunächst bloß subjektives Unsicherheitsgefühl, das viele Menschen, vor allem Kinder, gegenüber freilaufenden Hunden beschleicht, ist hier zu berücksichtigen; denn gerade auch ängstliches Verhalten kann bei ansonsten unauffälligen Hunden weitere Reaktionen und auf diese Weise einen gefahrerhöhenden Kreislauf in Gang setzen (Thür. OVG, Urteil vom 26.04.2007 - 3 N 699/05 -, juris Rz. 60 ff.).
27 
Der Verweis des Antragstellers auf die abweichende Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 27.01.2005 - 11 KN 38/04 -, NordÖR 2005, 179 <180 f.>), wonach eine abstrakte Gefahr durch unangeleinte Hunde nicht festgestellt werden könne, verfängt nicht. Zu Unrecht bezieht sich diese Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Mit Urteil vom 03.07.2002 (- 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <355 f.>) hat das Bundesverwaltungsgericht die niedersächsische Gefahrtier-Verordnung nämlich allein wegen des abschließend an die Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen anknüpfenden Regelungskonzepts als von der polizeirechtlichen, auf die Gefahrenabwehr zielenden Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckte Maßnahme der Gefahrenvorsorge beanstandet. Das Bundesverwaltungsgericht geht aber zugleich davon aus, dass mit der Haltung von Hunden „wegen der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens“ „unzweifelhaft“ Gefahren verbunden sind.
28 
b) Der Erlass einer Regelung über den allgemeinen Leinenzwang ist nicht gemäß § 11 PolG durch die Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde - PolVOgH - vom 3. August 2000 (GBl. S. 574) gesperrt. § 4 Abs. 3 Satz 1 PolVOgH sieht zwar einen Leinenzwang für gefährliche Hunde i.S. dieser Verordnung vor. Diese Regelung versteht sich jedoch ausweislich von § 6 PolVOgH nicht als abschließend. Denn nach dieser Bestimmung bleiben weitergehende Verordnungen nachgeordneter Polizeibehörden unberührt. Dies gilt insbesondere für Regelungen, die nicht dem Schutz der Bevölkerung und anderer Tiere vor „gefährlichen Hunden“ zu dienen bestimmt sind, sondern die von Hunden generell in bestimmten - gefahrträchtigen - Situationen ausgehenden Gefahren in den Blick nehmen.
29 
c) Die Tatbestandsmerkmale des § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmweltschutzVO sind hinreichend bestimmt.
30 
Das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Damit soll zum einen sichergestellt werden, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach einrichten kann. Zum anderen soll das Vorgehen der Verwaltung durch steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe gebunden werden. Schließlich sollen die Gerichte in die Lage versetzt werden, anhand verlässlicher normativer Vorgaben die Rechtskontrolle durchzuführen. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen Vollzug der Norm gewährleisten. Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtspositionen des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (vgl. dazu zuletzt BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 <375 ff.>, sowie Senatsurteil vom 11.10.2000 - 1 S 2964/99 -, ESVGH 51, 41 <46>; vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <86 f.>, jeweils m.w.N.).
31 
Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO zur Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs des Leinenzwangs auf die bauplanungsrechtliche Begriffe Innenbereich und Außenbereich Bezug nimmt. Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung geäußerten Bedenken (vgl. OVG RP, Urteil vom 21.09.2006 - 7 C 10539/06 -, DÖV 2007, 82 <83>; Thür. OVG, Urteil vom 26.04.2007 - 3 N 699/05 -, juris Rz. 76 ff.; siehe auch zur Unbestimmtheit des Begriffs „innerhalb der geschlossenen Ortslage“ OVG NRW, Urteil vom 26.01.1987 – 7 A 605/85 -, NVwZ 1988, 659, sowie Nds. OVG, Urteil vom 27.01.2005 - 11 KN 38/04 -, NordÖR 2005, 179 <181>) teilt der Senat jedenfalls im vorliegenden Fall nicht.
32 
Der Rechtsbegriff des Innenbereichs ist in seinem baurechtlichen Kontext hinreichend bestimmt. Dies gilt für den Planbereich (§ 30 BauGB) durch den Bezug auf parzellenscharf abgegrenzte Bebauungspläne ebenso wie für den unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB. Nach der Rechtsprechung setzt ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil i.S. dieser Vorschrift voraus, dass die Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt sowie Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist; die hierfür maßgeblichen Kriterien sind im Einzelnen entfaltet worden (siehe etwa Hofherr in: Berliner Kommentar zum BauGB, Lfg. Jan. 2005, § 34 Rn 2 ff., m.N.), so dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff hinreichend präzisiert, in seiner Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt ist. Den Verwaltungsbehörden und den Gerichten stehen damit handhabbare Maßstäbe zur Verfügung. Dem Grundstückseigentümer als dem in erster Linie von der Norm Betroffenen ist es zumutbar, sich angesichts der Bedeutung der Frage ggf. unter Hinzuziehung von Fachleuten und Einholung von Rechtsrat über die baulichen Nutzungsmöglichkeiten seines Grundstücks zu vergewissern. Auf solches jedenfalls in Grenzfällen erforderliches baurechtliches Spezialwissen kann indessen nicht in jeglichem Regelungszusammenhang verwiesen werden. Das gilt nur dann, wenn die Lage des Normadressaten vergleichbar dem Baurecht durch einen Grundstücksbezug gekennzeichnet ist. Dies ist etwa bei einer Baumschutzsatzung der Fall (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110, sowie BGH, Beschluss vom 15.03.1996 – 3 StR 506/95 -, NStZ 1996, 342). Demgegenüber sieht sich der Hundehalter nicht nur bezogen auf ein bestimmtes Grundstück, sondern potentiell an vielen Stellen, die er in Begleitung des Hundes passiert, mit der Frage des räumlichen Geltungsbereichs des Leinenzwangs konfrontiert. Auch für den rechtsunkundigen, aber verständigen, durchschnittlichen Hundehalter muss dann ohne großen Aufwand erkennbar sein, wo der Hund an der Leine zu führen ist. Ausgehend vom gefahrabwehrrechtlichen Zweck der Norm erschließt sich der auf den Innenbereich bezogene Geltungsbereich des Leinenzwangs zumeist ohne Schwierigkeiten. Wo nämlich eine nicht nur vereinzelte Bebauung mit Wohnhäusern oder sonstigen Gebäuden besteht, ist gewöhnlich mit dem Erscheinen von Menschen und anderen Tieren zu rechnen, deren Schutz beabsichtigt ist. Die Feinabgrenzung in der Ortsrandlage mag sich allerdings dem Hundeführer nicht unmittelbar erschließen. Denn die Frage, ob ein unbebautes Grundstück noch als Baulücke einzustufen ist, die den Bebauungszusammenhang nicht unterbricht, setzt eine umfassende Wertung und Bewertung der Umstände voraus, die ohne baurechtliche Kenntnisse oftmals nicht zu bewältigen ist. Vereinzelte „Unschärfen“ in Randbereichen sind indessen nicht zu beanstanden. Denn mögliche Nachteile einer insoweit verbleibenden Unbestimmtheit können durch die gerichtliche Kontrolle einer konkretisierenden Polizeiverfügung oder eines Bußgeldbescheides ausgeglichen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110 <116>; Senatsurteil vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <87> m.N.). Das Maß an Unsicherheit, das den Normadressaten – nicht zuletzt mit Blick auf die geringe Eingriffsintensität, die mit dem bloßen, wenn auch bußgeldbewehrten, Anleinen der Hunde verbunden ist – noch zugemutet werden kann, wäre jedoch überschritten, wenn die Siedlungsstruktur im Bereich des Normgebers so durch Streubebauung geprägt würde, dass nicht nur vereinzelt bauplanungsrechtlich zwischen Splittersiedlung und Ortsteil abgegrenzt werden müsste. Dann erwiese sich die Bezugnahme auf baurechtliche Begriffe für eine Regelung über den Leinenzwang als untauglich. Für eine solche (Sonder-)Situation ist hier aber angesichts der vorgelegten Pläne und Luftbilder nichts ersichtlich, so dass § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO insoweit keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Der Bezug auf den Planbereich (§ 30 BauGB) ist ebenfalls unschädlich. Solange ein Bebauungsplan noch nicht verwirklicht ist, fehlt es für den Betrachter zwar an Anhaltspunkten, die für eine rechtliche Einstufung des betreffenden Gebiets als Innenbereich sprechen. Eine solche Unsicherheit im Übergangszeitraum bis zur Planverwirklichung durch die Bebauung kann aber hingenommen werden.
33 
d) Die räumliche Festlegung des Gebotsgebiets im südlichen Außenbereich ist ebenfalls hinreichend bestimmt. In nördlicher Richtung ist das Gebiet durch den Begriff des Außenbereichs begrenzt. Dieser beginnt nach der letzten geschlossenen Bebauung am Ortsrand. In südlicher Richtung bezeichnet der „Waldrand“ die Grenze der Anleinpflicht. In westlicher Richtung wird das Gebiet durch die Straße „Am Sportplatz in Conweiler“, in östlicher Richtung durch die „Schützenstraße in Schwann“ begrenzt. Damit sind die äußeren Grenzen klar und für jedermann erkennbar umrissen. Eventuelle Zweifel des Betroffenen über die Geltung des Anleingebots werden zudem dadurch ausgeräumt, dass Hinweistafeln aufgestellt wurden, welche auf den Beginn des Leinenzwangs hinweisen.
34 
Hinsichtlich der Gebotsbereiche im nördlichen Gemarkungsgebiet sind konkrete Einwendungen nicht vorgebracht worden. Bedenken sind auch nicht ersichtlich; aufgrund der örtlichen Verhältnisse und der nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin aufgestellten Schilder kann es hier keine vernünftigen Zweifel an der räumlichen Erstreckung des Leinenzwangs geben. Soweit darin jeweils auf den Bereich einer Straße bzw. eines Weges abgestellt wird, wird deutlich, dass die Hunde nicht nur auf der Straße bzw. dem Weg anzuleinen sind; auch auf den daran anschließenden Grundstücken dürfen sie gleichfalls nicht frei laufen.
35 
e) Die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin, zum Zweck der Gefahrenabwehr in den genannten Gebieten des Außenbereichs den Leinenzwang anzuordnen, ist im Rahmen der begrenzten gerichtlichen Überprüfung (vgl. den Rechtsgedanken des § 114 Satz 1 VwGO), die dem weiten Einschätzungsspielraum des Normgebers Rechnung zu tragen hat, rechtlich nicht zu beanstanden.
36 
Die umstrittene Vorschrift verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
37 
Der Leinenzwang ist geeignet, Schäden durch Beißattacken zu verhindern. Er trägt darüber hinaus dazu bei, Verunreinigungen öffentlich zugänglicher Flächen zu vermeiden; denn für den Hundeführer ist es wegen des dann eingeschränkten Bewegungsradius des Hundes und der örtlichen Nähe jedenfalls leichter, die Hinterlassenschaften eines an der Leine geführten Hundes zu beseitigen (siehe auch Senatsbeschluss vom 31.01.1980 - I 1886/79 -, BWVPr 1980, 167).
38 
Die Regelung erweist sich zudem als erforderlich, weil mildere Mittel zur Gefahrenabwehr nicht in Betracht kommen. Der Verweis auf Belehrungen und weitere freiwillige Maßnahmen zur Vermeidung von Beißattacken und Verunreinigungen ist nicht in gleicher Weise geeignet, die von unangeleinten Hunden ausgehenden Gefahren wirksam zu bekämpfen.
39 
Schließlich ist der Leinenzwang auch angemessen und beschränkt die Hundehalter nicht unzumutbar in ihren Rechten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Anleinpflicht nur geringfügig in das Recht des Hundehalters auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingreift, während die geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) von Verfassung wegen einen hohen Rang beanspruchen. Bei Abwägung der durch den Leinenzwang betroffenen Interessen ist die Regelung der Antragsgegnerin mithin nicht unverhältnismäßig.
40 
Soweit der Antragsteller durch den Leinenzwang die Möglichkeit einer artgerechten Hundehaltung beeinträchtigt sieht (siehe § 2 Abs. 1 Satz 2 Tierschutz-Hundeverordnung vom 02.05.2001 ), ist darauf zu verweisen, dass grundsätzlich nicht die Antragsgegnerin das artgerechte Halten von Tieren sicherzustellen, sondern hierfür der Hundehalter selbst zu sorgen hat (vgl. § 2 Nr. 2 TierSchG; dazu Senatsbeschluss vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289 f.>). Eine solche tierschutzrechtlich unbedenkliche Haltung wird dem Antragsteller im Übrigen auf dem Gemeindegebiet auch nicht unmöglich gemacht.
41 
Denn die Antragsgegnerin hat den Leinenzwang nicht für das gesamte Gemeindegebiet angeordnet, diesen vielmehr - nach Maßgabe des nach der örtlichen Situation je verschieden zu gewichtenden Gefahrenpotentials - auf einzelne Gebiete mit einer Ausdehnung von ca. 610 ha bei einer Gemarkungsfläche von 3.307 ha beschränkt, in denen es besonders häufig zu Kontakten zwischen Menschen und Hunden kommt. Für den innerörtlichen Bereich ist dies offenkundig. Aber auch der vom Leinenzwang erfasste südliche Außenbereich der Gemeinde wird in hohem Maß von Spaziergängern, Wanderern und Joggern genutzt und ist ein touristisch attraktives Gebiet. Der Bereich befindet sich im Naturparkportal Nordschwarzwald, zahlreiche Wanderrouten (z.B. Westweg Pforzheim/Basel), Nordic Walking-Routen, Mountainbike-Routen und Radwege führen durch diesen Bereich. Zudem liegt im süd-östlichen Bereich des betroffenen Gebietes ein Segelflugplatz. Hier kam es in letzter Zeit zunehmend zu Konflikten mit freilaufenden Hunden. Die weniger stark frequentieren östlichen und westlichen Außenbereichsgebiete der Antragsgegnerin sind dagegen vom Leinenzwang ausgenommen. Im nördlichen Außenbereich sind ebenfalls nur einzelne Wege vom Leinenzwang betroffen. Diese sachlichen Gegebenheiten rechtfertigen entgegen der Ansicht des Antragstellers die unterschiedlichen Regelungen für den nördlichen und den südlichen Außenbereich; diese sind gerade Ausdruck einer angemessenen Abwägung der meist gegenläufigen Interessen von Hundehaltern und Erholungssuchenden. Den Hundehaltern kann zugemutet werden, ihre Hunde auf den vorhandenen Freiflächen artgerecht auszuführen. Der Antragsteller muss zwar in der näheren Umgebung seiner Wohnung den Leinenzwang beachten, es trifft aber nicht zu, dass der Antragsteller nunmehr in gemeindeferne Gebiete fahren müsse, um seinem Hund Auslauf zu gewähren. Auch fußläufig sind solche Gebiete gerade mit einem großen und lauffreudigen Hund erreichbar.
42 
Eine Differenzierung nach Art und Größe der Hunde ist nicht geboten. Der Verordnungsgeber darf ausgehend von der grundsätzlich bestehenden abstrakten Gefahr durch freilaufende Hunde Sachverhalte typisieren. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn er in einer generellen Regelung atypische Besonderheiten des Einzelfalles vernachlässigt (vgl. nur Senatbeschluss vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289>) und deswegen auch umsichtige Hundehalter, die immer rücksichtsvoll auftreten und in einer der Situation angemessenen Weise reagieren sowie ihren Hund – jedenfalls in aller Regel - verlässlich „im Griff“ haben, dieser Vorschrift unterwirft (siehe hierzu schon Senatsbeschluss vom 05.07.1967 - I 195/66 -, ESVGH 18, 19 <23>). Auch zu der vom Antragsteller angeregten zeitlichen Einschränkung des Leinenzwangs im Außenbereich ist die Antragsgegnerin von Rechts wegen nicht verpflichtet. Zwar ist das Konfliktpotential zwischen Hundehaltern und den übrigen Nutzern dort am Wochenende und gerade bei schönem Wetter besonders groß. Aber auch an Wochentagen kann es nicht vernachlässigt werden; dies gilt nicht zuletzt für Begegnungen mit Joggern. Darüber hinaus ist das Problem der Verunreinigung stark genutzter Freilaufflächen durch die Hunde nicht auf bestimmte Zeiten begrenzt.
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
45 
Beschluss
vom 15.11.2007
Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.