Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Okt. 2015 - M 10 K 15.156
Gericht
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Inanspruchnahme zu einem Fremdenverkehrsbeitrag durch die Beklagte.
Die Klägerin ist Eigentümerin von im Gemeindegebiet der Beklagten gelegenen Grundstücken und hat diese an die Privatklinik und Sanatorium ... GmbH zur gewerblichen Nutzung als Privatklinik und Sanatorium verpachtet.
Zwischen der Klägerin, der Privatklinik und Sanatorium ... GmbH und der ... GmbH besteht ein Organschaftsverhältnis. Die Klägerin ist hierbei Organgesellschaft.
Die Beklagte erhebt von allen selbstständig Tätigen natürlichen und den juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet Vorteile erwachsen, einen Fremdenverkehrsbeitrag auf der Grundlage ihrer Satzung für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages (FBS). Zur Bestimmung des beitragspflichtigen Vorteils dienen der einkommens- oder körperschaftsteuerliche Gewinn und der steuerbare Umsatz innerhalb eines Kalenderjahres.
Mit Bescheid vom ... Dezember 2011 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 8.841,46 Euro für das Jahr 2007 fest. Sie legte hierbei einen steuerpflichtigen Gewinn für 2007 in Höhe von 180.438,00 Euro zugrunde. Dieser Betrag beruht auf einer Auskunft des Finanzamts ... vom 27. Dezember 2010 über Umsatz und Gewinn der Klägerin im Jahr 2007. Eine frühere Veranlagung für das Jahr 2007 im Bescheid vom ... Oktober 2010 (Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 2.593,08 Euro, ausgehend vom steuerbaren Umsatz in 2007 in Höhe von 420.000,00 Euro, Vorteilssatz von 98,00% und einem Mindestbeitragssatz von 0,63%) widerrief die Beklagte mit Bescheid vom ... Dezember 2011. Der Bescheid wurde mit einfachem Brief versandt.
Mit Bescheid vom ... November 2011 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 8.106,71 Euro für das Jahr 2008 fest. Sie legte hierbei einen steuerpflichtigen Gewinn in Höhe von 165.443,00 Euro in 2008 zugrunde, wobei sie diesen Betrag der Auskunft des Finanzamts ... vom 27. Dezember 2010 über Umsatz und Gewinn der Klägerin im Jahr 2008 entnahm.
Mit Bescheid vom ... November 2011 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 10.328,66 Euro für das Jahr 2009 fest. Als Vorauszahlung für 2011 setzte sie einen Betrag in Höhe von 10.325,00 Euro fest. Grundlage für die Festsetzungen war hier ein steuerpflichtiger Gewinn der Klägerin in 2009 in Höhe von 210.789,00 Euro.
Die Bescheide vom ... November 2011 wurden als Anlagen zum Schreiben der Beklagten vom 28.11.2011 an die Klägerin versandt.
Bei allen aktuellen Veranlagungen legte die Beklagte einen Vorteilssatz in Höhe von 98,00% sowie einen Beitragssatz von 5% zugrunde.
Gegen alle Bescheide erhob die Klägerin Widerspruch mit Schreiben vom 28. Dezember 2011, bei der Beklagten per Fax eingegangen am 29. Dezember 2011. Die Klägerin ist der Auffassung, eine Beitragspflicht sei wegen der organschaftlichen Eingliederungsverhältnisse der Gesellschaft nicht gegeben. Sie erziele weder körperschaftsteuerliche Gewinne noch steuerbare Umsätze, da der gesamte erwirtschaftete Ertrag an die Organträgerin abzuführen sei.
Im Laufe des Widerspruchsverfahrens legte die Klägerin Unterlagen vor, woraus sich andere Unternehmensgewinne für die Jahre 2007 bis 2009 ergeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom ... Dezember 2014 setzte das Landratsamt ... in Abänderung des Bescheids der Beklagten vom ... Dezember 2011 den zu zahlenden Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2007 auf 6.144,80 Euro fest. In der Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin sei fremdenverkehrsbeitragspflichtig. Das Bestehen einer Organschaft berühre das Beitragsrecht nicht. Die Höhe des festgesetzten Fremdenverkehrsbeitrags 2007 sei aber von 8.841,46 Euro auf 6.144,80 Euro herabzusetzen. Nach den von der Klägerin zwischenzeitlich vorgelegten Unterlagen müsse der Gewinnansatz nach unten korrigiert werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom ... Dezember 2014 wurde in Abänderung des Bescheids der Beklagten vom ... November 2011 der zu zahlende Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2008 auf 6.043,56 Euro festgesetzt. Grundlage für die Herabsetzung war auch hier die Angabe eines geänderten Gewinns durch die Klägerin.
Mit Widerspruchsbescheid vom ... Dezember 2014 setzte das Landratsamt ... in Abänderung des Bescheids der Beklagten vom ... November 2011 den zu zahlenden Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2009 auf 8.184,86 Euro fest. Die Herabsetzung ist auch in diesem Fall durch später durch die Klägerin vorgelegte Dokumente begründet. Die festgesetzte Vorauszahlung für das Jahr 2011 in Höhe von 10.325,00 Euro änderte das Landratsamt nicht.
Alle Widerspruchsbescheide wurden am 11. Dezember 2014 zur Post gegeben. Auf ihre Begründung wird Bezug genommen.
Am 13. Januar 2015 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht München erhoben gegen die Fremdenverkehrsbeitragsbescheide der Beklagten vom ... November 2011 für die Jahre 2008 und 2009 sowie die zugehörigen Widerspruchsbescheide des Landratsamts ... vom ... Dezember 2014 und vom ... Dezember 2014 sowie gegen den Fremdenverkehrsbeitragsbescheid 2007 vom ... Dezember 2011 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom ... Dezember 2014. Zur Begründung wird vorgetragen, die Klägerin habe als Immobilieneigentümerin und Verpächterin einem der im streitgegenständlichen Zeitraum ausschließlich als Klinik genutzten Immobilie keinen Vorteil durch den Fremdenverkehr mittelbar oder unmittelbar erzielt. Die Veranlagung einer Klinik bzw. hier deren Vermieterin im Sinne eines touristischen Vorteilsgewinns würde unterstellen, dass therapiebedürftige Patienten den Klinikaufenthalt primär aus touristischen Gründen absolvieren würden. Eine solche Mutmaßung seitens der Beklagten sei durch nichts belegt und laufe dem eigentlichen Betriebszweck der „Privatklinik ...“ als Pächterin in dem Objekt der Klägerin klar zuwider. Kein Patient, der für seinen Aufenthalt sowohl die Einweisung eines behandelnden Arztes wie die Kostenübernahme durch seine Krankenversicherung etc. benötige, absolviere einen solchen Klinikaufenthalt primär aus Gründen des Fremdenverkehrs. Die Beklagte habe bei der Bemessung ihrer Fremdenverkehrsbeiträge gegenüber der Klägerin einen Vorteilssatz von 98% zugrunde gelegt. Die Beklagte würde also davon ausgehen, dass nahezu alle Patienten in dem in den Räumlichkeiten der Klägerin befindlichen Klinikbetrieb maßgeblich deshalb in die dortige stationäre Behandlung kämen, weil die Lage touristisch attraktiv sei. Es werde unterstellt, dass sich nur 2% der Patienten aus rein medizinischen und nicht touristisch relevanten Gründen in der dortigen Klinik aufgehalten hätten. Dies sei eine Unterstellung, die die Beklagte in keiner Weise belegen könne. In der Satzung der Beklagten heiße es unter § 3 Abs. 3: der Vorteilssatz wird durch Schätzung für jeden Fall gesondert ermittelt. Eine solche Schätzung seitens der Beklagten setze gerade für einen derart besonderen Betrieb wie denjenigen einer Privatklinik eine erhebliche Detail- und Sachkenntnis voraus. Es stelle sich die Frage, woher die Beklagte eine solche Kenntnis über die angeblich medizinisch völlig irrelevanten Gründe für den Aufenthalt nahezu aller Patienten in den streitgegenständlichen Räumlichkeiten der Klinik nehmen wolle. Die Beklagte unterstelle mit dieser Schätzung, dass die in den dortigen Räumlichkeiten behandelnden Patienten unzutreffender Weise die Kostenübernahme über die jeweiligen Kostenträger in Anspruch genommen hätten, dabei in einem Großteil der Fälle über die Beamtenbeihilfe. Auch werde damit unterstellt, dass die für den Aufenthalt erforderliche ärztliche Überweisung mit einer entsprechenden Diagnose und Therapieempfehlung in den allermeisten Fällen unzutreffend gewesen sei. Die Klägerin könne das Gegenteil nachweisen. Unter Berücksichtigung der ärztlichen Vertraulichkeit könnte die relevante Einweisungsdiagnose sowie die Kostenübernahme bei einzelnen Patienten offengelegt werden. In anonymisierter Form könnten solche Belege vorgelegt werden. Im Übrigen würden auch die Auswirkungen einer Veränderung in der ärztlichen Leitung mit zusätzlichem ärztlichem Angebot darlegen, dass die Klinikaufenthalte nicht auf dem Fremdenverkehr beruht hätten. Zum Jahreswechsel 2005/2006 sei der damalige ärztliche Leiter Herr Prof. Dr. ... vorübergehend ausgeschieden. Zum Jahresende 2012 habe Herr Prof. Dr. ... im Angesicht seines fortgeschrittenen Alters die Tätigkeit in der Privatklinik ... weitgehend und zum Ende 2013 dann endgültig aufgegeben. Anfang 2013 sei die Fachärztin Frau Dr. med. ... aus dem Klinikbetrieb ausgeschieden. Diese ärztlichen Veränderungen hätten zu einem massiven Belegungs- und Umsatzrückgang geführt. Der Gesamtumsatz des Betriebes habe von 2012 auf 2013 um rund 40% und von 2013 auf 2014 nochmals um 31,5% sowie der Umsatz an medizinischen Leistungen um 70% bzw. um weitere 36,2% abgenommen. Eine solche radikale Veränderung von Auslastung und Umsatz als direkte Reaktion auf Veränderungen des medizinischen Leistungsangebotes sei nicht mit einem angeblich zu 98% auf dem Fremdenverkehr beruhenden Beherbergungsbetrieb vereinbar. Sonst hätte es so gravierende Schwankungen und Rückgänge nicht gegeben. Selbst wenn für den stationären Aufenthalt der Patienten in der Privatklinik ... tatsächlich auch eine touristische Motivation mitherangezogen würde, könne diese auf gar keinen Fall mehrheitlich oder gar nahezu vollständig maßgeblich sein.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Aus der Verpachtung der dem Betrieb von Privatklinik und Sanatorium dienenden Grundstücke ziehe die Klägerin mindestens mittelbare wirtschaftliche Vorteile aus dem Fremdenverkehr im Gemeindegebiet der Beklagten. In dem von ihr verpachteten Sanatoriums- und Klinikbetrieb würden Personen zu Heil- und Erholungszwecken untergebracht und behandelt. Diesem Betrieb würden unmittelbar wirtschaftliche Vorteile durch den Fremdenverkehr erwachsen, so dass er von der Beklagten wegen dieser Vorteile ebenfalls zum Fremdenverkehr veranlagt werde. Der Begriff „Fremdenverkehr“ als Ausgangspunkt der Vorteilsabgeltung werde in einem weiten Sinn verstanden und umfasse nach der Rechtsprechung „alle Formen des Erholungs-, Vergnügungs-, Heil- und Bildungstourismus“. Heilsuchende, die zumindest auch wegen besonderer natürlicher Heilfaktoren eines Ortes von auswärts kommen und sich dort zur Heilung in eine Klinik begeben, seien dem Fremdenverkehr zuzurechnen. Zu den Hauptanziehungspunkten des Fremdenverkehrs würden neben den natürlichen Heilfaktoren wie etwa Heilquellen, besonderes Klima, gute Luft, Höhenlage u. a. auch die von der Gemeinde zusätzlich geschaffenen Anreize, wie ausgebaute und beschilderte Wanderwege, Kurparks, Kurkonzerte und ähnliches gehören. Hierbei komme es nicht darauf an, ob die im verpachteten Klinik- und Sanatoriumsbetrieb untergebrachten Personen durch die Inanspruchnahme bestimmter Fremdenverkehrseinrichtungen auch persönliche Vorteile hätten. Nur ausnahmsweise für den Fall, dass die im streitgegenständlichen Pachtbetrieb untergebrachten Personen wegen eines akuten Krankheitszustands oder aufgrund ärztlicher Anordnung nicht in der Lage sein würden, sich außerhalb der Klinik zu bewegen und an den örtlichen Gegebenheiten des Fremdenverkehrs teilzunehmen, würde insoweit ein entsprechend niedrigerer Vorteilssatz anzusetzen sein. Dem habe die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie der Beitragsveranlagung nur einen Vorteilssatz von 98% statt eines solchen von 100% zugrunde gelegt habe. Die Klägerin sei auch ungeachtet des zwischen ihr, der Privatklinik und Sanatorium ... GmbH und der ... GmbH bestehenden Organschaftsverhältnisses beitragspflichtig. Die Organgesellschaft und die Organträgergesellschaft seien als zwei fremdenverkehrsbeitragspflichtige (juristische) Personen anzusehen. Dies gelte unabhängig davon, dass im steuerrechtlichen Sinne nur ein Unternehmen vorliege, weil die Organgesellschaft die gewerbliche Tätigkeit nie selbstständig ausübe und ihr damit die Unternehmereigenschaft fehle. Entscheidend sei, dass ein körperschaftssteuerpflichtiger Gewinn bei der Organgesellschaft vorliege, nicht aber, ob dieser Gewinn nach steuerrechtlichen Sondervorschriften aufgrund einer besonderen Unternehmenskonstruktion einer anderen juristischen Person, der Organträgergesellschaft, zugerechnet werde. Diese Auffassung vertrete auch das Bayerische Staatsministerium des Innern. Die Beitragshöhe sei wie sie in den Widerspruchsbescheiden festgesetzt worden sei, nicht zu beanstanden. Erst im Widerspruchsverfahren seien aktualisierte Gewinn- und Umsatzbeträge mitgeteilt worden. Es liege auch keine unzulässige „Doppelbesteuerung“ vor. Die parallele Veranlagung organschaftlich verbundener Gesellschaften zum Fremdenverkehrsbeitrag liege im System des Beitragsrechts begründet.
Am 2. Juli 2015 verhandelte das Gericht die Streitsache in einer mündlichen Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Im Einverständnis mit den Parteien konnte über die Verwaltungsstreitsache ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Fremdenverkehrsbeitragsbescheid der Beklagten vom ... Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... Dezember 2014 für das Jahr 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dasselbe gilt für den Beitragsbescheid vom ... November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... Dezember 2014 für das Jahr 2008 sowie für den Bescheid vom ... November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... Dezember 2014 für das Jahr 2009.
1. Nach Art. 6 Kommunalabgabengesetz (KAG) vom 26. März 1974 (GVBl S. 109) können Gemeinden, in denen die Zahl der Fremdenübernachtungen im Jahr in der Regel das Siebenfache der Einwohnerzahl übersteigt, zur Deckung ihres Aufwands für die Fremdenverkehrsförderung von den selbstständig tätigen, natürlichen und den juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Vorteile erwachsen, einen Fremdenverkehrsbeitrag erheben. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte Gebrauch gemacht durch den Erlass ihrer Fremdenverkehrsbeitragssatzung (FBS) vom ... November 2007 (in Kraft seit 1. Januar 2008).
Formelle oder materielle Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Satzung wurden nicht geltend gemacht. Sie sind auch nicht ersichtlich. Das in der Satzung in § 3 enthaltene sog. „Vergleichs- oder Doppelberechnungsverfahren“, wonach grundsätzlich der einkommens- oder körperschaftssteuerliche Gewinn maßgeblich ist und der Umsatz nur dann, wenn er zu einem höhere Betrag führt, ist zulässig (Engelbrecht in Schieder/Happ, KAG, Art. 6 Rn. 54 mit Nachweisen zur Rechtsprechung).
2. Mit den angefochtenen Bescheiden in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide hat die Beklagte ihre Fremdenverkehrsbeitragssatzung auch fehlerfrei vollzogen. Die Beklagte hat die Klägerin zu Recht zu einem Fremdenverkehrsbeitrag unter Zugrundelegung eines Vorteilssatzes von 98% des Gewinns herangezogen.
a) Der Begriff des Fremdenverkehrs ist umfassend zu verstehen. Er umfasst auch den sog. „Heiltourismus“ (Engelbrecht, a. a. O., Art. 6 Rn. 49; BayVGH, U. v. 14.3.2000 - 4 B 96.809 - juris Rn. 19; OVG Lüneburg, B. v. 11.9.2007 - 9 ME 119/07 - juris).
b) Gemäß § 2 Abs. 1 FBS wird durch den Beitrag der Vorteil, der dem Beitragsschuldner innerhalb eines Kalenderjahres durch den Fremdenverkehr mittelbar oder unmittelbar erwächst, abgegolten. Hier erzielt die Klägerin einen mittelbaren Vorteil durch die Verpachtung von Grundstücken an einen Sanatoriums- und Klinikbetrieb. Der Verpächter einer Kurklinik zieht mittelbare Vorteile aus dem Fremdenverkehr (Engelbrecht, a. a. O., Art. 6 Rn. 37).
c) Die Schätzung des Vorteilssatzes ist als bloße Tatsachenfeststellung in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar (Engelbrecht, a. a. O., Art. 6 Rn. 46 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Es besteht ein Schätzungsspielraum (VGH Baden-Württemberg, U. v. 29.4.2010 - 2 S 2160/09 - juris). Der hier geschätzte Vorteilssatz von 98% ist nachvollziehbar. Die Klägerin behauptet zwar, ihr Vorteil wäre niedriger. Dies hat sie bisher nicht nachweisen können. Sie hat lediglich die Vorlage von anonymisierten Belegen angeboten. Solche Belege wären nur für solche Patienten sinnvoll, die tatsächlich wegen schwerer Erkrankung das Klinikgelände gar nicht verlassen können (s. Engelbrecht, a. a. O., Art. 6 Rn. 50; BayVGH, U. v. 14.3.2000 - 4 B 96.899 - juris Rn. 29; s. auch Sächsisches OVG, B. v. 27.1.2015 - 5 B 123/14), bzw. für Ortsansässige. Ohne Belang ist es, ob die ortsfremden Patienten, die die gemeindlichen Fremdenverkehrseinrichtungen nutzen konnten, sich selbst für die Klinik entschieden haben oder von ihrem Sozialversicherungsträger - mit oder ohne Selbstbeteiligung - zugewiesen wurden (Sächsisches OVG, B. v. 27.1.2015 - 5 B 123/14 - juris Rn. 20). Die Klägerin hat nicht einmal vorgetragen, dass die Patienten bettlägerig waren. Einwände der Klägerin, ärztliche Veränderungen in der Klinik hätten zu einem Umsatzrückgang geführt, führen zu keinem anderen Ergebnis. Solche Auswirkungen finden sich auch bei Gewinn und Umsatz wieder. Diese sind wiederum Grundlage für den Fremdenverkehrsbeitrag.
d) Die von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegten Gewinnzahlen wurden berücksichtigt. Bezüglich der konkreten Berechnung des Beitrags wurden, abgesehen von der Höhe des Vorteilssatzes, keine Einwände vorgebracht. Es sind auch keine Fehler ersichtlich.
e) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin eine Organgesellschaft in einer Organschaft ist und daher hier steuerlich rechtliche Besonderheiten gelten. Die Klägerin erzielt einen grundsätzlich einkommensteuerpflichtigen Gewinn. Ob dieser Gewinn nach steuerrechtlichen Sondervorschriften aufgrund einer besonderen Unternehmenskonstruktion einer anderen juristischen Person zugerechnet wird, ist nicht maßgeblich (VG München, U. v. 18.4.2002 - M 10 K 01.933 - juris Rn. 30).
f) Eine etwaige „Doppelbelastung“ von organschaftlich verbundenen Gesellschaften ist nicht willkürlich und liegt im System des Beitragsrechts begründet (Bayer. Verfassungsgerichtshof, U. v. 27.03.2001 - Vf. 62-VI-00
g) Die Beklagte durfte bei der Veranlagung hinsichtlich 2007 den Bescheid vom ... Oktober 2010 widerrufen und durch einen für die Klägerin ungünstigeren ersetzen mit Bescheid vom ... Dezember 2011. Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3b KAG i. V. m. § 131 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) ist der Widerruf eines rechtmäßigen belastenden Verwaltungsakts möglich. Da aktuellere Zahlen zum Gewinn der Klägerin im Jahr 2007 vorlagen, durfte die Beklagte daraufhin einen neuen Bescheid erlassen mit einem höheren Beitrag. Es liegt auch keine Festsetzungsverjährung vor bei Bescheidserlass am ... Dezember 2011. Die Beitragsschuld entsteht gemäß § 4 Abs. 1 FBS mit Ablauf des Kalenderjahres, auf das sie sich bezieht. Im Übrigen sind die Verjährungsvorschriften des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) KAG i. V. m. §§ 169 ff. AO zu beachten. Hiernach war die Beitragsfestsetzung Ende 2011 noch rechtzeitig für das Jahr 2007.
3. Die Beklagte durfte im Bescheid vom ... November 2011 (für das Jahr 2009) auch eine Vorauszahlung betreffend das Jahr 2011 festsetzen. Dies ergibt sich aus § 5 FBS. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 FBS bemessen sich die Vorauszahlungen grundsätzlich nach der Höhe der Schuld, die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Die letzte Veranlagung war bei Bescheidserlass die von 2009. Da sich im Widerspruchsverfahren im Januar 2015 eine Änderung ergeben hat, wäre eigentlich 2010 heranzuziehen gewesen. Für 2010 war mit Bescheid vom ... August 2014 ein Beitrag in Höhe von 10.057,64 Euro festgesetzt worden. Im Rahmen dieser Festsetzung bewegt sich die festgesetzte Vorauszahlung in Höhe von 10.325,00 Euro.
4. Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
5. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 30.698,22 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
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Annotations
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
- 1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist, - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat, - 3.
wenn die Finanzbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
(3) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Finanzbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt.
(4) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur
- 1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, - 2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, - 3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten, - 3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen, - 4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, - 5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, - 6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, - 7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.
(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.
(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:
- 1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung, - 2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - 3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes, - 4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt, - 5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.
(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung
- 1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis, - 2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung, - 3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle, - 4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder - 5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
Personen, die bis zum 9. September 1996 die fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 des Rechtsanwaltsgesetzes vom 13. September 1990 (GBl. I Nr. 61 S. 1504) erfüllt haben, stehen in den nachfolgenden Vorschriften einer Person mit Befähigung zum Richteramt gleich:
- 1.
§ 6 Abs. 2 Satz 1 und § 7 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes, - 2.
§ 78 Absatz 2 und § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 der Zivilprozessordnung, - 3.
§ 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - 4.
§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes, - 5.
§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes, - 6.
§ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 7.
§ 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, - 8.
§ 97 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Patentgesetzes, - 9.
§ 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Markengesetzes.