Verwaltungsgericht München Urteil, 18. März 2014 - 4 K 11.3763

bei uns veröffentlicht am18.03.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der 1968 in .../Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger.

Er heiratete am ... Mai 1996 in der Türkei eine in Deutschland lebende türkische Staatsangehörige und reiste mit einem Visum zum Familiennachzug am ... November 1997 in das Bundesgebiet ein. In der Folge erhielt er befristete Aufenthaltserlaubnisse, am ... Dezember 2004 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Die Ehefrau des Klägers wurde am ... Februar 1999 eingebürgert. Die Ehe, aus der der am ... Oktober 1999 geborene Sohn B. hervorging, wurde durch Urteil des Amtsgerichts ... vom ... März 2006 geschieden, die elterliche Sorge über den gemeinsamen Sohn der Mutter übertragen. Da der Kläger am ... September 2005 gegen seine Ehefrau zum wiederholten Mal gewalttätig geworden sei und sie in Gegenwart des gemeinsamen Sohnes so erheblich verletzt habe, dass sie stationär behandelt werden musste, bedeute die Fortsetzung der Ehe für die Ehefrau eine unzumutbare Härte. Die elterliche Sorge werde, einer Stellungnahme des Allgemeinen Sozialen Dienstes der ... folgend, der Mutter übertragen, denn der Kläger sei für die Erziehung des Sohnes ungeeignet; er habe die Mutter in Gegenwart des Kindes brutal zusammengeschlagen.

Strafrechtlich trat der Kläger wie folgt in Erscheinung:

Das Amtsgericht ... verurteilte den Kläger mit Urteil vom ... Oktober 2001 wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs einer halbautomatischen Selbstladewaffe und unerlaubten Erwerbs von Munition zu acht Monaten Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger unerlaubt eine Pistole samt Munition erworben hatte. Damit erschien er wenige Tage vor dem ... April 2001 bei seiner damaligen Frau in deren Wohnung, wo diese zusammen mit dem gemeinsamen Sohn lebte. Er stellte drei Patronen auf den Küchentisch und erklärte, falls sich seine Frau scheiden lasse, sei für jeden von ihnen eine der drei Patronen bestimmt.

Mit angeklagt (Anklageschrift v. ...6.2001) waren ursprünglich auch zwei Vergehen der Bedrohung, in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung; Tatopfer war jeweils die Ehefrau des Klägers.

Im Zusammenhang mit diesen Taten befand sich der Kläger vom ... April bis ... Mai 2001 in Untersuchungshaft.

Mit Urteil vom ... April 2006 verurteilte das Amtsgericht ... den Kläger zu zwei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung in zwei tatmehrheitlichen Fällen, sachlich zusammentreffend mit Sachbeschädigung in zwei Fällen, in Tatmehrheit mit sieben sachlich zusammentreffenden Fällen des Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz, davon in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit Bedrohung und in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit Beleidigung.

Dieser Verurteilung lag u. a. zugrunde, dass der Kläger seine damalige Frau am ... Februar 2005 derart geschlagen hatte, dass sie neben Schürfwunden und Prellungen einen Jochbeinbruch davon trug. Nachdem der Kläger das Opfer nach dieser Tat über Monate hinweg mehrfach bedroht hatte, schlug er seine damalige Ehefrau vor den Augen des gemeinsamen Sohnes in deren Wohnung am ... September 2005 erneut derart zusammen, dass sie u. a. eine Gesichtstrümmerfraktur erlitt und deswegen drei Mal operiert werden musste.

Mit Bescheid vom ... Juni 2007 wies das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen den Kläger für dauernd aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die alsbaldige Abschiebung des Klägers aus der Haft in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den der Kläger einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, an (Nr. 2 des Bescheids).

Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 26. Februar 2008 - M 4 K 07.2984 - (juris) ab.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts bis zu diesem Zeitpunkt, insbesondere zur Straffälligkeit des Klägers gegenüber seiner damaligen Ehefrau sowie zu den familiären Verhältnissen, wird auf die Darstellungen in diesem Urteil Bezug genommen.

Gegen das Urteil vom 26. Februar 2008 wurde die Zulassung der Berufung be-antragt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ließ die Berufung mit Beschluss vom 13. August 2008 - 10 B 08.2210 - zu.

Der Kläger befand sich seit dem ... Oktober 2005 in Untersuchungshaft, nach der Verurteilung in Strafhaft, nach deren Ende (... Juli 2008) schließlich Abschiebehaft.

Am ... August 2008 ordnete das Landratsamt Bad ... nachträglich die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 1 des Bescheids vom ... Juni 2007 an.

Den Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. August 2008 - 10 AS 08.2152 - (juris) ab.

Am ... September 2008 wurde der Kläger auf dem Luftweg in die Türkei abgeschoben.

Mit Beschluss vom 18. September 2008 - 10 B 08.2210 - ordnete der Bayer. Verwaltungsgerichtshof das Ruhen des Verfahrens an, weil dies mit Blick auf zu erwartende Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bzw. des Europäischen Gerichtshofs in Parallelverfahren zweckmäßig sei. Mit Beschluss vom 9. April 2009 wurde das Verfahren statistisch erledigt.

Die jetzigen Bevollmächtigten des Klägers meldeten sich mit Schreiben vom ... Mai 2010 beim Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen und erkundigten sich, ob für den Kläger eine Einreisesperre bestehe. Für diesen Fall stellten sie den Antrag auf Aufhebung bzw. Befristung der Einreisesperre. Das Landratsamt lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom ... Mai 2010 ab und verwies zur Begründung auf die in den Gerichtsentscheidungen festgestellte Gefährlichkeit des Klägers. Der Kläger ließ hiergegen Klage erheben (Az. M 4 K 10.2963). Mit Schreiben vom ... Juni 2011 hob das Landratsamt den Bescheid vom ... Mai 2010 „in Anwendung der Rückführungsrichtlinie“ auf und kündigte eine neue Entscheidung an. Das Klageverfahren wurde mit Beschluss vom 14. Juni 2011 eingestellt.

Mit dem nunmehr streitgegenständlichen Bescheid vom ... Juli 2011 entschied das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen:

„Die Wirkung der Ausweisung im Bescheid des Landratsamtes Bad ... vom ... Juni 2007, mit dem der Kläger unbefristet aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde, wird ebenso wie die Wirkung der Abschiebung vom ... September 2008 nachträglich zeitlich bis zum ... September 2018 befristet.“

Die Entscheidung wurde auf Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) gestützt. Unter Verweis auf die oben genannten Gerichtsentscheidungen sei von einer so hohen Gefährlichkeit des Klägers vor allem gegenüber seiner früheren Ehefrau auszugehen, dass eine fortdauernde Fernhaltung geboten sei. Nach Mitteilung der früheren Ehefrau habe sie zum Kläger seit dem letzten Gerichtstermin keinen Kontakt mehr gehabt, sie habe auch ihren Sohn in die Türkei geschickt, um ihm und dem Kläger eine Kontaktaufnahme zu ermöglichen. Eine mögliche Wiedereinreise des Klägers sehe sie jedoch als für sich lebensgefährlich. Die Sperrwirkung werde daher auf zehn Jahre nach der Ausreise befristet.

Der Bescheid wurde den Bevollmächtigten des Klägers am ... Juli 2011 zugestellt.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 12. August 2011, der am gleichen Tag bei Gericht einging, erhob der Kläger Klage und führte zur Begründung aus:

Der Kläger lebe seit seiner Abschiebung in der Türkei, wo er wieder verheiratet sei; er verfüge über eine Arbeit und sei nicht vorbestraft. Er hege keine Rachegedanken gegenüber seiner ehemaligen Ehefrau; er habe weder sie noch andere Familienangehörige bedroht oder belästigt. Er habe regelmäßigen telefonischen Kontakt zu seinem Sohn B. Es sei darauf hinzuweisen, dass das Jugendamt der Meinung sei, dass ein Umgang des Kindes dem Kindeswohl dienlich sei. Der Sohn habe nicht die Möglichkeit, den Kläger regelmäßig in der Türkei zu besuchen. Dagegen habe der Kläger die finanziellen Möglichkeiten, in das Bundesgebiet zu reisen und den Umgang mit seinem Kind zu pflegen. Derzeit sei er auf die Mitwirkung seiner ehemaligen Ehefrau angewiesen, dass diese das Kind zu Besuchszwecken in die Türkei bringen lasse. Diese Gesichtspunkte berücksichtige der angefochtene Bescheid nicht ausreichend.

Nach den beigefügten Unterlagen hat der Kläger am ... Juni 2010 in I. wieder geheiratet. Eine Strafregisterauskunft der türkischen Generalstaatsanwaltschaft weist (nur) die Verurteilung durch das Amtsgericht ... vom ... April 2006 aus.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2014 trugen die Bevollmächtigten des Klägers weiter vor, dass sich der Sohn B. zunächst über die Sommerferien 2013 in der Türkei bei dem Kläger aufgehalten habe. Der Kläger zahle zwar keinen Unterhalt an den Sohn, finanziere aber die Flugreisekosten und die Aufenthaltskosten in der Türkei. Auch telefoniere er regelmäßig mit seinem Sohn. Der Sohn wolle, dass der Vater in das Bundesgebiet einreise, um mit ihm einen geregelten Umgang zu haben. Der Kläger wolle für seinen Sohn jederzeit erreichbar sein und auch sehen, wie sein Sohn aufwachse.

Der Kläger beantragte zuletzt:

1. Der Bescheid des Beklagten vom ... Juli 2011 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, die Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auf den... März 2014 zu befristen.

Das Landratsamt Bad ... beantragte,

die Klage abzuweisen.

Es verwies zur Begründung auf die vorangegangenen Urteile und den streitgegenständlichen Bescheid. Die Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet stelle für seine frühere Ehefrau eine ernst zu nehmende konkrete Gefahr dar.

Mit Schreiben vom 30. Januar 2014 teilte das Landratsamt Bad ... weiter mit, der Kläger schulde noch 7.280,60 € an Abschiebungskosten; diese Kosten seien jedoch noch nicht geltend gemacht worden, weil man davon ausgehe, dass der Kläger aufgrund seiner Lebensumstände und Einkommenssituation nicht in der Lage sei, die Forderung zu begleichen.

Die frühere Ehefrau des Klägers wandte sich in einem Schreiben vom ... Februar 2014 an das Landratsamt gegen eine mögliche Wiedereinreise des Klägers. Sie fühle sich von ihm sehr gefährdet. Der Sohn B. besuche seinen Vater einmal im Jahr in der Türkei, dieser zahle jedoch keinerlei Unterhalt.

Auf Anfrage äußerte sich die frühere Ehefrau des Klägers erneut mit Schreiben vom 28. Februar 2014 gegenüber dem Gericht. Sie habe bis vor ca. zehn Monaten wegen des Kindes telefonischen Kontakt mit dem Kläger gehabt; da er aber den Sohn gegen sie „provoziert“ habe, habe sie den Kontakt beendet. Wenn der Kläger wieder nach Deutschland käme, fühle sie sich von ihm gefährdet, denn er wolle ihr Leben zerstören. Er wolle seinen Sohn nur benutzen, um nach Deutschland zu kommen. Vor ein paar Jahren habe er Probleme gemacht, er habe B. bei sich haben wollen, weil der Aufenthalt in den Sommerferien ihm zu wenig gewesen sei. Sie habe ihm angeboten, B. für ein Jahr zur Probe zu ihm zu schicken; das habe er jedoch abgelehnt und das Sorgerecht gefordert. B. sei fast jede Sommerferien beim Kläger, sie habe aber immer die Hälfte der Reisekosten bezahlt. Für Besuche in den anderen Ferien habe der Kläger die Reisekosten nicht übernehmen wollen. Auch habe er noch keinen Cent Unterhalt für B. bezahlt. Er spiele nur Vater.

Das für den Sohn des Klägers zuständige Kreisjugendamt beim Landratsamt München nahm am ... Februar 2014 Stellung. Eine Einreise des Vaters stelle keine akute Gefährdung für das Kindeswohl dar. Es bestehe eine stabile Beziehung, die auch bei einer Nicht-Ausweitung des Umgangs bestehen bleiben würde. Aufgrund der massiven Vorgeschichte sei jedoch das Wohl der Mutter bei einer Entscheidung über eine Einreise zu berücksichtigen.

Dem Verwaltungsgericht München schuldet der Kläger noch 721,22 € Gerichtskosten, die er trotz mehrfacher Mahnung nicht bezahlt hat.

Das Gericht hat am 18. März mündlich verhandelt. Der Bevollmächtigte des Klägers erklärte, dass dieser nicht beabsichtige, auf Dauer wieder in Deutschland zu leben; er wolle nur die Möglichkeit haben, öfter im Jahr seinen Sohn zu besuchen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, sowie auf die vorgelegte Behördenakten Bezug genommen, ferner auf die Akten der vorangegangenen Verfahren M 4 K 07.2984 und M 4 K 10.2963.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Wirkungen seiner Ausweisung und Abschiebung auf kürzer als bis zum ... September 2018 befristet werden; der Bescheid des Landratsamts Bad Tölz-Wolfratshausen vom ... Juli 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 VwGO).

1. Der Entscheidung im vorliegenden Verfahren steht nicht entgegen, dass der Ausweisungsbescheid vom ... Juni 2007 noch nicht bestandskräftig ist. Das Berufungsverfahren ist zwar noch nicht abgeschlossen, und der Kläger könnte gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in diesem Verfahren noch einen Hilfsantrag stellen, die Wirkungen der Ausweisung auf einen seiner Meinung nach angemessenen Zeitraum zu befristen (BVerwG, U.v. 14.5.2013 - 1 C 13/12 - InfAuslR 2013, 334, Rn. 27; BVerwG, U.v.10.7.2012 - 1 C 19/11 - BVerwGE 143, 277, Rn. 28).

Allerdings ist hier nicht absehbar, ob und wann das Berufungsverfahren hinsichtlich des Ausweisungsbescheids fortgesetzt und letztlich rechtskräftig abgeschlossen werden wird. Die Sperrwirkung der Ausweisung ist gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bereits mit der Zustellung des Ausweisungsbescheids vom... Juni 2007 am ... Juni 2007 entstanden (Hailbronner, AuslR, § 11 AufenthG Rn. 12), mit der Abschiebung des Klägers am ... September 2008 hat die Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG zu laufen begonnen.

Vor diesem Hintergrund hat der Kläger grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass über die Dauer der Befristung der Ausweisungs- (und Abschiebungs-)Wirkungen alsbald entschieden wird, um Gewissheit zu erlangen, wann er - unabhängig davon, wann die Ausweisung rechtskräftig wird - jedenfalls wieder ins Bundesgebiet einreisen darf. Hier ist zu sehen, dass seit der Ausreise bzw. Abschiebung des Klägers mittlerweile mehr als sechs Jahre vergangen sind und es nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass die Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung mittlerweile zu beenden sind. Insoweit wäre es nicht gerechtfertigt, den Kläger darauf zu verweisen, die Entscheidung im Berufungsverfahren abzuwarten (so bereits BayVGH, B.v. 24.5.2004 - 24 C 04.474 - juris, Rn. 19; siehe auch BayVGH, B.v. 20.6.2013 - 19 ZB 13.40 - juris, Rn. 18).

2. Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder angeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs kein Aufenthaltstitel erteilt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 u. 2 AufenthG).

Diese Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise (§ 11 Abs. 1 Satz 3 bis 6 AufenthG).

Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Leitet sich diese regelmäßige Höchstdauer für die Befristung aus dem Umstand ab, dass mit zunehmender Zeit die Fähigkeit zur Vorhersage zukünftiger persönlicher Entwicklungen abnimmt, bedeutet ihr Ablauf aber nicht, dass bei einem Fortbestehen des Ausweisungsgrundes oder der Verwirklichung neuer Ausweisungsgründe eine Aufenthaltserlaubnis ohne weiteres erteilt werden müsste (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).

Die auf diese Weise ermittelte Frist muss sich aber an höherrangigem Recht, d. h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen lassen und ist daher gegebenenfalls in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie gegebenenfalls seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen und von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts vollumfänglich zu überprüfen (zum ganzen: BVerwG, U.v. 14.5.2013 - 1 C 13/12 - InfAuslR 2013, 334; BVerwG, U.v. 13.12.2012 - 1 C 14/12 - InfAuslR 2013, 141; BVerwG, U.v. 10.7.2012 -1 C 19/11 - BVerwGE 143, 277; BayVGH, U.v. 2.5.2013 - 19 B 12.2539 - juris).

3. In Anwendung dieser Grundsätze ist das Gericht - ebenso wie das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen - der Ansicht, dass eine kürzere Frist als bis zum ... September 2018, also zehn Jahre seit der Ausreise bzw. Abschiebung, nicht gerechtfertigt ist.

a) Festzuhalten ist zunächst, dass die vom Gericht zu treffende Prognose, wann der spezialpräventive Zweck der Ausweisung voraussichtlich erreicht sein wird, in diesem Fall nicht zehn Jahre, sondern zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung „nur“ noch rund viereinhalb Jahre in die Zukunft reicht. Es kann somit aufgrund aktueller Ermittlungen einen überschaubaren Zeitraum beurteilen.

b) Nicht zur Anwendung kommt die Grenze von fünf Jahren in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG, denn der Kläger ist aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden und es geht von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentlichen Sicherheit oder Ordnung aus.

Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe in dem Urteil der Kammer vom 26. Februar 2008 - M 4 K 07.2984 - Bezug genommen.

Hier hat das Gericht festgestellt, die mit den strafrechtlichen Verurteilungen vom ... Oktober 2001 und vom ... April 2006 abgeurteilten mehr als zwanzig Einzeltaten, die sämtlich gegenüber seiner damaligen Ehefrau begangen wurden, seien „gekennzeichnet durch außerordentliche Brutalität gegenüber dem Opfer sowie von hoher krimineller Energie, die sich in der Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit zeigt, mit der das Opfer durch den Kläger über Monate hinweg verfolgt, beleidigt und bedroht worden ist. … Es kommt hinzu, dass der Kläger bezüglich seiner Taten, die für das Opfer mit ganz erheblichen Verletzungen verbunden waren, keinerlei Reue zeigt (bis heute hat er sich bei seiner Ex-Frau nicht entschuldigt). Zudem ist das Gericht nach dem persönlichen Eindruck vom Kläger in der mündlichen Verhandlung, den dort getätigten Äußerungen des Klägers und seines Bevollmächtigten sowie den schriftsätzlichen Stellungnahmen davon überzeugt, dass der Kläger jederzeit wieder gegenüber seiner Ehefrau Gewalt anwenden wird, wenn diese etwa bezüglich des Umgangsrechts mit dem gemeinsamen Sohn nicht entsprechend den Vorstellungen des Klägers verfährt. Das gilt umso mehr, als der Kläger seine Ex-Frau in der Vergangenheit bereits mehrfach massiv bedroht hat und sich vor Gewalttätigkeiten dieser gegenüber auch durch eine einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz nicht abschrecken bzw. abhalten ließ.“ (juris-Rn. 55). Weiter ist dort festgehalten, es handele sich bei den vom Kläger begangenen Taten „eben nicht um eine vereinzelte Beziehungstat, sondern um über Jahre hinweg erfolgte systematische Handlungen, deren einziges Ziel es war, den Willen der Ex-Frau des Klägers zu brechen und sie ‚gefügig zu machen‘. Es kann somit keine Rede davon sein, dass es sich bei den Taten des Klägers um einen einmaligen ‚Ausrutscher‘ oder etwas ähnliches handelte.“ Seine Taten „entsprechen vielmehr der Persönlichkeit des Klägers, bilden sie geradezu ab.“ (juris-Rn. 56).

Auch bei der Abwägung im Rahmen des Art. 6 GG hat die Kammer damals auf den „dringend erforderlichen Schutz“ der früheren Ehefrau des Klägers und die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebende Schutzpflicht des Staates abgestellt und betont: „Es muss auf jeden Fall verhindert werden, dass der Kläger auch nur den ‚Hauch einer Chance‘ erhält, jemals wieder gegenüber seiner Ehefrau gewalttätig werden zu können. Dies gilt umso mehr, als der Kläger offensichtlich keinerlei Probleme hat, sich Schusswaffen und entsprechende Munition zu besorgen (siehe die Verurteilung vom 4.10.2001), was ihn in besonderer Weise als unkalkulierbares Risiko für seine Ex-Frau erscheinen lässt. Auch aufgrund des persönlichen Eindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung (bei der Aussage des Zeugen … fiel es dem Kläger ersichtlich schwer, sich zu beherrschen) ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger mit seiner Ex-Frau ‚noch nicht abgeschlossen‘ hat, sondern die kleinste Möglichkeit ergreifen wird, dieser erneut zu schaden bzw. diese zu verletzen, um seine eigenen Interessen, insbesondere den ungehinderten Zugriff auf seinen Sohn, sicher zu stellen. Dabei hält es das Gericht für nicht ausgeschlossen, dass der Kläger insoweit auch eine ‚endgültige Lösung‘ der Probleme mit seiner Ex-Frau anstreben könnte.“ (juris-Rn. 76 u. 77).

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist in seinem Beschluss vom 21. August 2008 - 10 AS 08.2152 - im Hinblick auf die vom Kläger ausgehende Gefahr den Ausführungen der Kammer in dem oben genannten Urteil „in vollem Umfang“ gefolgt und kam ebenfalls zu der Auffassung, dass seine weitere Anwesenheit im Bundesgebiet für seine frühere Ehefrau eine ernstzunehmende konkrete Gefahr bedeute. Es erscheine nicht vertretbar, den Aufenthalt des Klägers in Freiheit auch nur vorübergehend hinzunehmen. Er leugne zwar, Rachegedanken zu haben und nach der Entlassung aus der Haft seiner früheren Ehefrau wieder begegnen zu wollen. Es sei aber nicht gerechtfertigt, seinen Angaben Glauben zu schenken. Angesichts des vorangegangenen Verhaltens, das im Strafurteil als terrorisierend bezeichnet worden sei, sei „nicht erkennbar, aufgrund welcher Tatsachen anzunehmen sein soll, dass er sein Verhalten bereut und zu einer Änderung seiner Einstellung gegenüber seiner früheren Ehefrau gefunden haben soll“. Ebenfalls hier zu berücksichtigen seien die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt, wonach wegen nicht ausschließbarer Rachepläne und Repressalien zum Nachteil seiner früheren Ehefrau keine Vollzugslockerungen hätten erprobt werden können, und eine Entscheidung des Landgerichts über eine Abschiebehaftbeschwerde, in der auf den fehlenden Respekt des Klägers vor dem geltenden Recht und gerichtlichen Anordnungen hingewiesen worden sei (juris-Rn. 20 u. 21).

c) Das Gericht ist davon überzeugt, dass die aufgrund der oben beschriebenen Erwägungen vom Kläger ausgehende Gefahr für seine frühere Ehefrau zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausgeräumt ist. Zwar sind mittlerweile etwa sechs Jahre vergangen, und der Kläger behauptet, er habe keine Rachegedanken ihr gegenüber. Angesichts der massiven Vorgeschichte sind hieran allerdings erhebliche Zweifel angebracht. Dass der Kläger seither, soweit aus den vorgelegten türkischen Strafregister-Auszügen entnommen werden kann, straffrei geblieben ist, widerlegt diese Einschätzung nicht, denn gerade der Umstand, dass er bisher nicht von der Türkei aus nach Deutschland einreisen darf, hat ihn von seiner früheren Ehefrau ferngehalten.

Auch fühlt sich die frühere Ehefrau, wie aus ihren Schreiben an das Gericht und an das Landratsamt hervorgeht, weiterhin vom Kläger bedroht. Dass es sich dabei nicht nur um eine subjektive Befindlichkeit handelt, sondern die Befürchtungen einen realen Hintergrund haben, geht eben aus der massiven Vorgeschichte hervor. Die frühere Ehefrau wirft in ihrem Brief an das Gericht dem Kläger auch - von diesem unwidersprochen - vor, den Sohn B. gegen sie aufgehetzt zu haben, weshalb sie den telefonischen Kontakt vor ca. zehn Monaten abgebrochen habe. Ein gewisses Aggressionspotential des Klägers ist daraus jedenfalls zu erkennen.

d) Zulasten des Klägers ist auch zu werten, dass er keine Bemühungen unternimmt, seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber der öffentlichen Hand zu erfüllen. So schuldet er noch 7.280,60 € an Abschiebungskosten (§ 66 Abs. 1, § 67 Abs. 1 AufenthG). Zwar hat das Landratsamt die Kosten noch nicht durch Leistungsbescheid (§ 67 Abs. 3 AufenthG) geltend gemacht, doch hat der Kläger sich auch nicht - wie sonst üblich - bei der Stellung des Befristungsantrags nach eventuellen zu erstattenden Kosten erkundigt; auch nach der Bezifferung im Schreiben des Landratsamtes vom ... Januar 2014 hat er kein Interesse erkennen lassen, zu einer Regelung mit dem Landratsamt zu kommen. Vergleichbares gilt für die noch ausstehenden Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 721,22 €; diese wurden trotz mehrfacher Anmahnung weder bezahlt noch wurde mit dem Gericht wegen einer Ratenzahlung Kontakt aufgenommen. Zwar kann eine Befristung der Ausweisungswirkungen (wohl) nicht von einer Bezahlung der Abschiebungs- oder sonstiger Kosten abhängig gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 25.3.2013 - 10 ZB 11. 1394 - NVwZ-RR 2013, 860, juris-Rn. 2), jedoch lässt das Verhalten des Klägers Rückschlüsse auf seine Bereitschaft zu, seinen in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Verpflichtungen nachzukommen und sich künftig rechtstreu zu verhalten.

e) Die Beziehung des Klägers zu seinem Sohn B. erfordert nicht in einem „zweiten Schritt“ die Verkürzung der festgesetzten Frist. Der Kläger besitzt nach wie vor kein Sorgerecht. Trotzdem verbringt der - derzeit 14 Jahre alte - Sohn regelmäßig die Sommerferien beim Kläger. Häufigere oder längere Aufenthalte in der Türkei hat der Kläger nach - ebenfalls unwidersprochenen - Angaben seiner früheren Ehefrau abgelehnt.

Zu seinen Ungunsten ist hier auch zu werten, dass er keinen Unterhalt für seinen Sohn zahlt und somit zwar Rechte an ihm geltend macht, aber nicht bereit ist, seinen eigenen Verpflichtungen nachzukommen. Es spricht nichts dafür, dass er dazu finanziell nicht in der Lage wäre. Der Vortrag des Klägers hierzu ist widersprüchlich. Er gibt zwar an, von seinem Arbeitgeber nur das „Existenzminimum“ zu erhalten, hat jedoch schon in der Klageschrift betont, die finanziellen Mittel zu besitzen, um seinen Sohn in Deutschland besuchen zu können. In dem Schriftsatz vom 28. Februar 2014 hat er eindringlich vorgetragen bzw. vortragen lassen, dass er „für seinen Sohn jederzeit erreichbar“ sein möchte; er wolle mit ihm zu Fußballspielen gehen und die Freunde und Lehrer des Sohnes kennenlernen, und in der mündlichen Verhandlung erklärte er durch seinen Bevollmächtigten, er wolle nicht auf Dauer in Deutschland leben, sondern nur die Möglichkeit haben, öfter im Jahr seinen Sohn zu besuchen. Mehrmals im Jahr stattfindende Reisen nach Deutschland und der Aufenthalt dort erfordern jedoch einen deutlich höheren finanziellen Aufwand als Ferienaufenthalte des Sohnes in der Türkei. Es ist deshalb nicht einzusehen, weshalb der Kläger nicht in der Lage sein sollte, seinen finanziellen Unterhaltspflichten gegenüber seinem Sohn nachzukommen.

Das zuständige Kreisjugendamt hat festgestellt, dass zwischen dem Kläger und dem Sohn B. wohl eine stabile Beziehung besteht, die auch bei einer Nicht-Ausweitung des Umgangs bestehen bleiben würde. Das Kindeswohl erfordert daher nicht die Möglichkeit für den Vater, ungehindert in das Bundesgebiet einreisen zu können. Auch das Kreisjugendamt weist darauf hin, dass angesichts der Vorgeschichte insoweit auch das Wohl der Mutter in die Entscheidung einzubeziehen ist.

f) Mit der Befristung der Wirkungen der Ausweisung sind auch die entsprechenden Wirkungen der am ... September 2008 erfolgten Abschiebung befristet. Der Zweck der Abschiebung deckt sich zwar nicht unbedingt mit dem Zweck der Ausweisung (vgl. Hailbronner, AuslR, § 11 AufenthG Rn. 44). Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Abschiebung des Klägers nicht deswegen erfolgt ist, weil er nicht freiwillig ausgereist ist, vielmehr wurde er aus der Haft heraus abgeschoben, weil aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erschien (§ 58 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 u. Nr. 3 AufenthG). Das beruhte in erster Linie auf der oben dargestellten Annahme einer erheblichen Gefahr für seine frühere Ehefrau. Daher entsprechen im vorliegenden Fall die mit der Abschiebung des Klägers verfolgten Zwecke und die Gründe, ihn für eine bestimmte Zeit vom Bundesgebiet fernzuhalten, denen, die auch für die Ausweisung maßgeblich waren. Da aber die im Hinblick auf die Wirkungen der Abschiebung festzusetzende Frist ebenso mit der Abschiebung des Klägers am ... September 2008 zu laufen beginnt, kann sie nicht der Frist, die für die Wirkungen der Ausweisung festgesetzt wurde, hinzugerechnet werden, sondern läuft mit dieser parallel.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung - ZPO -.

Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 84 Wirkungen von Widerspruch und Klage


(1) Widerspruch und Klage gegen 1. die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,1a. Maßnahmen nach § 49,2. die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,2a. Auflagen zur Sicherun

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 66 Kostenschuldner; Sicherheitsleistung


(1) Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen. (2) Neben dem Ausländer haftet für die in Absatz 1 bezeichneten Kosten, wer sich geg

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 67 Umfang der Kostenhaftung


(1) Die Kosten der Abschiebung, Zurückschiebung, Zurückweisung und der Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung umfassen1.die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets und bis zum Zielort außerhalb des Bu

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Verwaltungsgericht München Urteil, 18. März 2014 - 4 K 11.3763 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Urteil, 18. März 2014 - 4 K 11.3763 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 14. Mai 2013 - 1 C 13/12

bei uns veröffentlicht am 14.05.2013

Tatbestand 1 Der im Jahr 1974 in Deutschland geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine Ausweisung.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 13. Dez. 2012 - 1 C 14/12

bei uns veröffentlicht am 13.12.2012

Tatbestand 1 Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, begehrt die Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 10. Juli 2012 - 1 C 19/11

bei uns veröffentlicht am 10.07.2012

Tatbestand 1 Der im Jahr 1964 geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine unbefristete Ausweisung.

Referenzen

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Der im Jahr 1974 in Deutschland geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine Ausweisung.

2

Der Kläger wuchs bei seinen Eltern im Bundesgebiet auf. Er besuchte zunächst eine Förderschule und im Anschluss daran das Berufsgrundschuljahr, das er ohne Abschluss beendete. Eine Berufsausbildung absolvierte er nicht. Er arbeitete jeweils nur für kurze Zeiträume, war überwiegend arbeitslos. Ihm wurden mehrere befristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt, zuletzt bis zum 20. Oktober 1999. Sein Verlängerungsantrag vom 12. Oktober 1999 wurde nicht mehr beschieden.

3

Der unverheiratete und kinderlose Kläger ist drogenabhängig. Er konsumierte nach eigenen Angaben seit seinem dreizehnten Lebensjahr zunächst Haschisch und seit seinem sechzehnten Lebensjahr Heroin. Seit mehr als 20 Jahren ist er immer wieder straffällig geworden, überwiegend wegen Drogen- und Eigentumsdelikten. Er verbrachte viele Jahre in Strafhaft und begann mehrfach Drogentherapien, allerdings ohne Erfolg. Im Juni 2007 wurde er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, u.a. wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wofür eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat verhängt wurde.

4

Die Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 16. September 2008 aus und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Über die Ausweisung des Klägers sei nach Ermessen zu entscheiden, weil er als Kind türkischer Arbeitnehmer ein aus dem Assoziationsratsbeschluss ARB 1/80 abgeleitetes Aufenthaltsrecht besitze. Zudem genieße er aufgrund seiner Geburt in Deutschland besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Sein in den begangenen Straftaten zum Ausdruck gekommenes Verhalten stelle eine hinreichend schwere Gefährdung dar. Er sei in der Vergangenheit mehrfach straffällig geworden und habe sich dabei weder durch strafrechtliche Verurteilungen noch durch ausländerbehördliche Ermahnungen und Hinweise auf die Konsequenzen erneuten strafbaren Verhaltens von der Verübung weiterer Taten abhalten lassen. Zudem habe er in den letzten Jahren keine ernsthaften Bemühungen unternommen, um von seinem Drogenkonsum loszukommen.

5

Das Verwaltungsgericht hat die gegen den Ausweisungsbescheid gerichtete Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 22. März 2012 zurückgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hält die Ausweisung auch ohne Durchführung eines Widerspruchsverfahrens für formell rechtmäßig, weil trotz der Rechtsstellung des Klägers nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 die Richtlinie 64/221/EWG auf ihn nicht mehr anwendbar sei. Wegen der fortbestehenden Gefahr der Betäubungsmittelkriminalität des Klägers sei die Ausweisung auch materiell rechtmäßig nach § 55 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Der Kläger habe neben dem Besitz sog. harter Drogen auch mit Heroin gehandelt, um seinen eigenen Drogenbedarf zu finanzieren. Von ihm gehe die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten aus. Er habe seit nunmehr über 22 Jahren immer wieder Straftaten begangen und sich davon durch Ermahnungen, Verurteilungen, Strafhaft und Anhörungen zur drohenden Ausweisung nicht abhalten lassen. Die Ermessensentscheidung der Beklagten sei auch unter Berücksichtigung der Tatsache nicht zu beanstanden, dass der Kläger sein ganzes Leben in Deutschland verbracht habe und hier seine Mutter und seine erwachsenen Geschwister lebten. Die Ausweisung sei trotz Fehlens einer Befristung mit Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG vereinbar.

6

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiterhin die Aufhebung der Ausweisung. Hilfsweise erstrebt er die Befristung ihrer Wirkungen auf maximal vier Jahre. Er begründet dies im Wesentlichen damit, die Ausweisung sei formell rechtswidrig, weil kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden sei. Das verstoße gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Dezember 2011 in der Sache Ziebell stehe dem nicht entgegen, denn es beziehe sich nur auf die materiellen Voraussetzungen der Ausweisung. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens verstoße zudem gegen die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80. Die Fortgeltung der Verfahrensgarantien für türkische Staatsangehörige, die eine geschützte Rechtsstellung nach dem Assoziationsrecht besitzen, verstoße nicht gegen das Besserstellungsverbot des Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen vom 12. September 1963, denn freizügigkeitsberechtigte EU-Staatsangehörige hätten einen höheren materiellen Ausweisungsschutz. Das angefochtene Urteil verletze Bundesrecht auch deshalb, weil es eine unbefristete Ausweisung bestätige. Das verstoße gegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG und gegen Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG. Der deutsche Gesetzgeber habe nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Ausländer, die aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung ausgewiesen werden, grundsätzlich von der in der Richtlinie vorgegebenen Höchstfrist von fünf Jahren für die zu verhängende Einreisesperre auszunehmen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Im Verlauf des Revisionsverfahrens hat sie mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2012 die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf einen Zeitraum von sieben Jahren, beginnend mit der Ausreise oder Abschiebung des Klägers, befristet. Der Kläger ist dem entgegengetreten und hält allenfalls eine Befristung von maximal vier Jahren für zulässig.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) die Ausweisung (1.) und die Abschiebungsandrohung (3.) als rechtmäßig angesehen. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf einen Zeitraum von weniger als sieben Jahren zu befristen (2.).

9

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung und der vom Kläger hilfsweise begehrten Befristung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (stRspr, vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 12 m.w.N.). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmungen aber nicht geändert.

10

1. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation - ARB 1/80.

11

1.1 Der Kläger besitzt eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80. Er ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen im Bundesgebiet bei seinen Eltern aufgewachsen, sein Vater war mindestens von 1969 bis 1990 türkischer Arbeitnehmer. Demzufolge kann der Kläger gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2012, 422). Das ist hier der Fall. Damit liegen auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG vor.

12

1.2 Der Kläger begeht seit vielen Jahren regelmäßig Drogenstraftaten, die ihre Ursache in seiner Drogenabhängigkeit haben. Dazu zählen nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts neben Straftaten des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln auch solche des unerlaubten Handeltreibens mit Heroin (in zwei Fällen) und der unerlaubten Abgabe von Heroin (in einem Fall). Die Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit der Bürger nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein. Der Gerichtshof der Europäischen Union sieht in der Rauschgiftsucht ein "großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit" (vgl. EuGH, Urteil vom 23. November 2010 - Rs. C-145/09, Tsakouridis - NVwZ 2011, 221 Rn. 47). Die Mitgliedstaaten dürfen daher die unerlaubte Verwendung von Betäubungsmitteln als eine Gefahr für die Gesellschaft ansehen, die besondere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung gegen Ausländer rechtfertigt, die gegen Vorschriften über Betäubungsmittel verstoßen. Dabei zählt der illegale Drogenhandel zu den Straftaten, die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV als Bereiche besonders schwerer Kriminalität genannt werden. Diese können als schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen werden und die Ausweisung von Personen rechtfertigen, die entsprechende Straftaten begangen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - Rs. C-348/09, P.I. - NVwZ 2012, 1095 Rn. 28). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht den Handel mit Betäubungsmitteln als schwerwiegende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Interessen an (vgl. Urteile vom 3. November 2011 - Nr. 28770/05, Arvelo Aponte/Niederlande - Rn. 58 und vom 12. Januar 2010 - Nr. 47486/06, Khan/Vereinigtes Königreich - InfAuslR 2010, 369 Rn. 40 m.w.N.).

13

Nach diesen Maßstäben stellt das persönliche Verhalten des Klägers eine schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft im Sinne des Art. 14 ARB 1/80 dar. Die meisten der von ihm begangenen Drogenstraftaten beschränken sich zwar auf den unerlaubten Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum. Der Kläger hat sich aber auch am unerlaubten Handel und der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an Dritte beteiligt, wobei es sich bei der gehandelten bzw. abgegebenen Droge überwiegend um das besonders gefährliche Heroin handelte.

14

1.3 Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise für den Kläger die Gefahr der Wiederholung seines strafbaren Verhaltens sowohl im Bereich der Beschaffungskriminalität als auch im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität bejaht. Seine Prognose hat das Berufungsgericht aus dem Fehlen einer grundlegenden Verhaltensänderung des Klägers abgeleitet, insbesondere aus dem Fehlen nachhaltiger Bemühungen, sich durch geeignete Therapiemaßnahmen aus der Betäubungsmittelabhängigkeit zu lösen. Die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten der beschriebenen Art stellt - wie ausgeführt - eine schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Senat - nachdem der Kläger keine Verfahrensrügen erhoben hat - gemäß § 137 Abs. 2 VwGO auszugehen.

15

1.4 Die Ausweisung des Klägers erweist sich auch unter Würdigung seiner schützenswerten Belange als unerlässlich, um das oben näher beschriebene Grundinteresse der Gesellschaft zu wahren (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 86). Das Berufungsgericht hat die schützenswerten Belange des Klägers, die sich auf sein Privat- und Familienleben beziehen, unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kriterien umfassend gewürdigt. Es hat in den Blick genommen, dass der Kläger in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, die deutsche Sprache beherrscht und seine gesamte Erziehung und Sozialisation in Deutschland erfahren hat. Das Gericht hat auch die familiären Bindungen des Klägers an seine in Deutschland lebende Mutter und seine erwachsenen Geschwister berücksichtigt. Bei der Bewertung der Integration des Klägers in Deutschland war für das Berufungsgericht von Bedeutung, dass er hier keinen Schulabschluss erzielte, keine Berufsausbildung absolviert hat und einer Berufstätigkeit allenfalls kurzzeitig nachgegangen ist. Für die Möglichkeit eines Lebens in der Türkei spielte für das Gericht eine Rolle, dass der Kläger nach den getroffenen Feststellungen über türkische Sprachkenntnisse verfügt und mit den Gepflogenheiten in der Türkei vertraut ist, was sich auch darin zeige, dass er in der Vergangenheit versucht habe, eine türkischsprachige Therapieeinrichtung zu finden, in der auf seine Suchtproblematik unter Berücksichtigung seiner kulturellen Herkunft eingegangen werden könne. Zudem lebten in der Türkei ihm bekannte Personen, die ihm jedenfalls in der ersten Zeit der Eingewöhnung zur Seite stehen könnten. Die unter Abwägung der öffentlichen und privaten Belange getroffene Wertung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger eine Ausreise in die Türkei zuzumuten sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

16

1.5 Die Ermessensausübung der Beklagten im Ausweisungsbescheid vom 16. September 2008 lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Beklagte geht von einem aus dem Assoziationsrecht abgeleiteten Aufenthaltsrecht des Klägers nach Art. 7 ARB 1/80 aus und misst die Rechtmäßigkeit der Ausweisung am Maßstab des Art. 14 ARB 1/80. Sie erkennt die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung und beachtet deren gesetzliche Grenzen. Die erfolgte Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Abwehr der vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr für die hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit im Fall der Fortsetzung des illegalen Drogenhandels gegen das Interesse des Klägers an einem Verbleib in Deutschland ist rechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Begründung des öffentlichen Interesses stützt sich die Beklagte ausschließlich auf Gefahren, die vom Kläger selbst ausgehen und nicht auf generalpräventive Gründe.

17

1.6 Entgegen der Auffassung der Revision ist auch das Ausweisungsverfahren fehlerfrei durchgeführt worden.

18

Zwar war das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene "Vier-Augen-Prinzip" auf assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige zu übertragen. In dem hier vorliegenden Fall hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid aber am 16. September 2008 und damit erst nach Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG zum 30. April 2006 (Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG) erlassen. Zu diesem Zeitpunkt galt Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr.

19

Es kann offenbleiben, ob sich für assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige die unionsrechtlichen Anforderungen an den Rechtsschutz gegen Ausweisungsentscheidungen nunmehr nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG (betreffend langfristig Aufenthaltsberechtigte) oder nach Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG (betreffend Unionsbürger) bestimmen. Denn in keiner dieser Vorschriften ist die Beteiligung einer unabhängigen Stelle im Ausweisungsverfahren zur Prüfung der Zweckmäßigkeit der Maßnahme vorgeschrieben. Das hat der Senat in dem mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörterten Urteil vom 13. Dezember 2012 (BVerwG 1 C 20.11 - NVwZ 2013, 733 Rn. 29 f.) näher dargelegt; darauf wird Bezug genommen.

20

Im Übrigen trifft die vom Kläger in der Revisionsbegründung vertretene Auffassung nicht zu, eine verfahrensmäßige Besserstellung von assoziationsrechtlich begünstigten türkischen Staatsangehörigen verstoße nicht gegen das Besserstellungsverbot des Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP, weil freizügigkeitsberechtigte EU-Staatsangehörige gegenüber den assoziationsrechtlich Begünstigten einen höheren materiellen Ausweisungsschutz besäßen. Denn soweit Unionsbürger nach der Richtlinie 2004/38/EG gegenüber Berechtigten nach dem Assoziationsrecht EWG-Türkei einen erhöhten materiellen Ausweisungsschutz genießen, beruht dieser nicht auf dem wirtschaftlich begründeten Freizügigkeitsrecht von Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten, sondern auf der besonderen Rechtsstellung der Unionsbürger, mit der die assoziationsrechtlich begünstigten türkischen Staatsangehörigen keine Gleichstellung verlangen können (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2013, 422 Rn. 68 - 74). Dem stehen auch die durch das Assoziationsrecht getroffenen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Union zum Stillstandsgebot nicht entgegen. Jedenfalls in dem Umfang, in dem sich die Vertragsparteien EWG und Türkei in Art. 59 ZP völkerrechtlich zur Beachtung des Besserstellungsverbots verpflichtet haben, durfte die Union den Wegfall einer Regelung zum außergerichtlichen Rechtsschutz, der für die Angehörigen ihrer Mitgliedstaaten geschaffen worden war, auch mit Wirkung für die Berechtigten nach dem ARB 1/80 entfallen lassen (so schon Beschluss vom 15. April 2013 - BVerwG 1 B 22.12 - Rn. 14). Einer von der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeregten Klärung durch ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH bedarf es insoweit nicht, da die Rechtslage aufgrund der bereits ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs offenkundig ist ("acte clair").

21

Auch aus den Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP ergibt sich nicht, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG bei der Ausweisung assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger weiterhin anzuwenden ist. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 22 ff.; vom 13. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 33 und vom 15. Januar 2013 - BVerwG 1 C 10.12 - NVwZ-RR 2013, 435 Rn. 23 f.) und wurde ebenfalls bereits in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 (a.a.O. Rn. 33) näher dargelegt; auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.

22

Der Rechtsauffassung der Kommission in ihrer Stellungnahme vom 15. Dezember 2006 in der Rechtssache Polat (Rs. C-349/06), auf die sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers bezogen hat, wonach die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und die auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss habe, ist der EuGH nicht gefolgt. Vielmehr hat er für Regelungen zum Ausweisungsschutz, bei denen die für Unionsbürger geltenden Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG im Hinblick auf ihren Gegenstand und Zweck nicht auf Berechtigte nach dem Assoziationsrecht EWG - Türkei übertragbar sind, Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG als neuen unionsrechtlichen Bezugsrahmen bestimmt, nicht aber die außer Kraft getretenen Bestimmungen der Richtlinie 64/221/EWG zugunsten der assoziationsrechtlich Begünstigten für weiterhin anwendbar angesehen (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 74 - 79).

23

Ohne Erfolg rügt der Kläger einen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln durch den Wegfall des nationalen Widerspruchsverfahrens gegen Ausweisungsentscheidungen in Nordrhein-Westfalen seit 1. November 2007. Zum einen stellte die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Ausweisung dar, sondern - anders als Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG - lediglich eine Prozessvoraussetzung für die Erhebung einer Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Zum anderen betrifft der Wegfall des Widerspruchsverfahrens türkische Assoziationsberechtigte und Unionsbürger in gleicher Weise. Nach der Rechtsprechung des EuGH steht der Erlass oder Wegfall von Regelungen, die - wie hier - in gleicher Weise auf türkische Staatsangehörige und auf Gemeinschaftsangehörige Anwendung finden, nicht im Widerspruch zu den Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP. Auch dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 (a.a.O. Rn. 34) - dort bezogen auf den Wegfall des Widerspruchsverfahrens in Baden-Württemberg - im Einzelnen dargelegt; auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.

24

1.7 Der Rechtmäßigkeit der Ausweisung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte die gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nicht bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung befristet hat. Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) - Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - haben Ausländer zwar grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 30). Fehlt die notwendige Befristung der Ausweisung, hat das aber auch nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht zur Folge, dass die - als solche - rechtmäßige Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr ist in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 39).

25

1.8 Schließlich verstößt die Ausweisung nicht gegen die Richtlinie 2008/115/EG - Rückführungsrichtlinie. Dabei kann dahinstehen, ob sie an den Bestimmungen dieser Richtlinie zu messen ist. Denn selbst wenn man die intertemporale Geltung und die sachliche Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie auf die Ausweisung bejaht, verhilft das der Anfechtungsklage gegen die Ausweisung nicht zum Erfolg. Da der Kläger mittels seines Hilfsantrags die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. gebotene Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung zusammen mit deren gerichtlicher Prüfung durchsetzen kann, wird den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie im Ergebnis Genüge getan (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 45).

26

2. Der Hilfsantrag des Klägers, mit dem dieser die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von maximal vier Jahren begehrt, ist zulässig, aber nicht begründet.

27

2.1 Der erst in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag ist zulässig. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kann ein Kläger seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 auch noch in der Revisionsinstanz einen Hilfsantrag auf Befristung der Wirkungen der von ihm angefochtenen Ausweisungsentscheidung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 28). Er verfolgt damit nur den bereits in seinem Anfechtungsbegehren gegen die Ausweisung für den Fall der Abweisung enthaltenen Hilfsantrag weiter, den das Berufungsgericht hier der Sache nach abgewiesen hat. Erachtet das Gericht die Ausweisung für rechtmäßig, hat es auf den Hilfsantrag des Betroffenen hin die Befristungsentscheidung der Ausländerbehörde im Rahmen des durch die Antragstellung begrenzten Streitgegenstandes vollumfänglich zu überprüfen. Hat eine Ausländerbehörde eine zu lange Frist festgesetzt oder fehlt eine behördliche Befristungsentscheidung, hat das Gericht über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden und die Ausländerbehörde zu einer entsprechenden Befristung der Ausweisung zu verpflichten (Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 40).

28

2.2 Der Hilfsantrag ist aber unbegründet.

29

Nachdem die Beklagte während des Revisionsverfahrens eine Befristung für die Dauer von sieben Jahren, beginnend mit der Ausreise oder Abschiebung des Klägers ausgesprochen hat, war vom Senat nur noch zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist von maximal vier Jahren hat. Dies ist nicht der Fall.

30

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt nach Satz 6 mit der Ausreise. Nach Satz 7 erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.

31

Unter Zugrundelegung der Maßstäbe des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf weniger als die von der Ausländerbehörde zwischenzeitlich festgesetzten sieben Jahre. Die allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre schon deshalb überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Begehung von Straftaten im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität - einschließlich des Handels mit Heroin - und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung.

32

Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Der Senat geht davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 1 C 20.11 - NVwZ 2013, 733 Rn. 40). Im vorliegenden Fall geht es vorrangig um die Abwehr von Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung durch den Handel mit Heroin durch den Kläger. Dabei handelt es sich um hochrangige Rechtsgüter. Der Kläger ist drogenabhängig und hat zur Beschaffung von Betäubungsmitteln über die Dauer von mehr als 20 Jahren regelmäßig Straftaten begangen. Dazu gehörten neben Eigentumsdelikten mehrere Straftaten wegen Erwerbs, Besitzes, Abgabe und Handels mit Betäubungsmitteln, vornehmlich mit Heroin. Im Juni 2007 wurde er wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Heroin und Kokain) zu einer Einzelstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt, was verdeutlicht, dass es sich nicht um Bagatellkriminalität handelte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts besteht beim Kläger eine erhöhte Rückfallgefahr. Denn er ist seit vielen Jahren heroinabhängig, mehrere Therapieversuche blieben ohne Erfolg und er verfügt über keine Berufsausbildung, um sich eine Existenzgrundlage außerhalb der Kriminalität aufzubauen. In seinem Fall ist ein Ende der von ihm ausgehenden Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung infolge des Handels mit Drogen nicht absehbar. Die von der Beklagten zwischenzeitlich festgesetzte Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots von sieben Jahren ist unter Berücksichtigung der gefährdeten Rechtsgüter und der hohen Rückfallgefahr nicht überhöht.

33

Allerdings muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK, messen lassen. Sie ist daher gegebenenfalls in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie gegebenenfalls seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 42 m.w.N.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Im vorliegenden Fall ist der Kläger zwar in Deutschland geboren und hat hier nahezu sein ganzes Leben verbracht. Familiäre Bindungen hat er allerdings - anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 13. Dezember 2012 entschiedenen Fall eines nach islamischem Ritus verheirateten Klägers, dessen Frau ein Kind von ihm erwartete (a.a.O. Rn. 42) - nur an seine Mutter und seine erwachsenen Geschwister. Zudem hat der Kläger sein Leben im Wesentlichen in Strafhaft, in verschiedenen Wohn- und Therapieeinrichtungen und in der Drogenszene verbracht, sodass das Maß seiner Integration in das legale gesellschaftliche Leben in Deutschland gering ist. Die Festsetzung einer Sperrfrist von weniger als sieben Jahren kommt unter Zugrundelegung der vom Senat entwickelten Kriterien daher nicht in Betracht.

34

Der Senat weist darauf hin, dass der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von der Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten, etwa weil sich seine Rückfallgefahr infolge einer erfolgreichen Drogentherapie deutlich vermindert hat.

35

3. Die Abschiebungsandrohung in der in der Berufungsverhandlung abgeänderten Fassung ist rechtmäßig. Der Kläger ist ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG), da infolge der Ausweisung seine aufgrund des rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend geltende Aufenthaltserlaubnis erloschen ist (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die von der Beklagten für den Fall der Haftentlassung getroffene Festsetzung der Ausreisefrist von einem Monat legt der Senat in Übereinstimmung mit § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugunsten des Klägers dahingehend aus, dass ihm eine Frist von 30 Tagen für die freiwillige Ausreise zur Verfügung steht.

Tatbestand

1

Der im Jahr 1964 geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine unbefristete Ausweisung.

2

Der Kläger reiste 1976 in das Bundesgebiet zu seinen Eltern ein. Seine Mutter war von 1969 bis 1982 als Arbeitnehmerin beschäftigt. Nach dem Besuch der Hauptschule schloss er eine Lehre als Elektrokaufmann ab. Im Dezember 1987 erhielt er eine Aufenthaltsberechtigung. Aus der im März 1988 geschlossenen Ehe mit einer türkischen Staatsangehörigen sind zwei Töchter hervorgegangen. Die Ehe wurde mittlerweile geschieden.

3

Der Kläger ist mehrfach strafrechtlich aufgefallen: Wegen Vergewaltigung seiner damaligen Ehefrau wurde er im November 2000 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Landgericht Krefeld verhängte gegen ihn im Oktober 2005 eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 11 Fällen und Körperverletzung. Dem Strafurteil ist zu entnehmen, dass der Kläger ab Januar 2004 Zeiten berufsbedingter Abwesenheit seiner Ehefrau zur Vornahme sexueller Handlungen an seiner älteren Tochter ausnutzte. Als er bemerkte, dass diese trotz des elterlichen Verbots Kontakt zu einem Jungen hatte, schlug er sie mit der Hand und der Faust ins Gesicht.

4

Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 2. Mai 2006 aus und drohte ihm für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Über die Ausweisung des assoziationsberechtigten Klägers sei im Ermessenswege zu entscheiden. Wegen der als Niederlassungserlaubnis fortgeltenden Aufenthaltsberechtigung genieße dieser besonderen Ausweisungsschutz, so dass er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden könne. Diese lägen in spezialpräventiver Ausprägung vor, denn der Schutz von Kindern vor Sexualdelikten und gewalttätigen Übergriffen sei eine überragend wichtige Aufgabe der Gemeinschaft und berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die den Ausweisungsanlass bildende Tat wiege schwer; besonders fielen die Ausnutzung der Vertrauensstellung, die Wehrlosigkeit des Opfers und die Intensität der Tatbegehung ins Gewicht. Angesichts der Gesamtpersönlichkeit des Klägers und seines bisherigen Verhaltens bestehe eine hohe Wiederholungsgefahr. Er sei einschlägig vorbestraft und habe weder Einsicht in das begangene Unrecht gezeigt noch seien eine Aufarbeitung der Geschehnisse und der Versuch einer Überwindung seiner Neigungen erkennbar. Trotz Verwurzelung in den hiesigen Verhältnissen sowie familiärer Bindungen sei die Ausweisung angesichts der künftig vom Kläger ausgehenden Gefahren für elementare Rechtsgüter auch mit Blick auf Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Die Ausweisung werde zunächst auf unbefristete Zeit ausgesprochen, da über eine Befristung erst nach positiven Veränderungen in der Person des Klägers entschieden werden könne. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Bezirksregierung Düsseldorf am 25. August 2006 zurück.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 16. Januar 2007 ab. Die auf § 55 AufenthG und Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gestützte Ermessensausweisung sei nicht zu beanstanden, weil der weitere Aufenthalt des Klägers eine tatsächliche und hinreichend schwere, das Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefährdung begründe. Die spezialpräventive Ausweisung stütze sich nicht allein auf die strafrechtliche Verurteilung. Vielmehr bestünden Anhaltspunkte dafür, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch neue Verfehlungen des Klägers drohe, wenn er zu seiner Familie und damit auch zu seiner jüngeren minderjährigen Tochter in das Umfeld komme, das seine Straftaten ermöglicht habe. Art. 8 EMRK und Art. 6 GG seien nicht verletzt, da bei der Abwägung die Art und Schwere der begangenen Straftaten sowie die Wiederholungsgefahr erheblich zulasten des Klägers ins Gewicht fielen.

6

Während des Berufungsverfahrens hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 7. März 2008 die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe wegen erhöhter Rückfallgefährdung des Klägers abgelehnt. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 13. Mai 2008 verworfen.

7

Mit Beschluss vom 5. September 2008 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat sich die Begründung des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht und darüber hinaus ausgeführt, dass das Ausweisungsverfahren nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens nicht zu beanstanden sei. Die Ausweisung sei auch materiell rechtmäßig, denn die Gefahrenprognose habe - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts - weiterhin Bestand. Der Kläger sei in erhöhtem Maße rückfallgefährdet. Dies verdeutlichten die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer sowie des Oberlandesgerichts Düsseldorf.

8

Auf die Revision des Klägers hat der Senat das Verfahren mit Beschluss vom 25. August 2009 - BVerwG 1 C 25.08 - (Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 53) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorgelegt, ob sich der Schutz vor Ausweisung gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zugunsten eines türkischen Staatsangehörigen, der eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80 gegenüber dem Mitgliedstaat besitzt, in dem er seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren gehabt hat, nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG richtet. Der EuGH hat die Frage mit Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08 - (Ziebell) in einem Parallelverfahren verneint und entschieden, dass Art. 14 ARB 1/80 einer Ausweisung nicht entgegensteht, sofern das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Der Senat hat daraufhin mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 den Vorlagebeschluss aufgehoben.

9

Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG (Vier-Augen-Prinzip), das nach der Stand-Still-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 weiter anzuwenden sei. Die Befassung der Widerspruchsbehörde im Nachgang zur Ausweisung genüge dem nicht. Bei der Gefahrenprognose seien auch nach der letzten Behördenentscheidung eingetretene Veränderungen zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, der sich nach der Entlassung aus der Strafhaft im September 2009 einer psychotherapeutischen Behandlung unterzogen und straffrei geführt habe. Klärungsbedürftig sei, was der EuGH in der Ziebell-Entscheidung mit der Schranke der Unerlässlichkeit der Ausweisung meine. Im Übrigen verstoße die unbefristete Ausweisung gegen das Übermaßverbot sowie Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Der Kläger sei faktischer Inländer, da er sich wirtschaftlich und sozial integriert habe. Schließlich verletze die Ausweisung Art. 24 Abs. 3 der Grundrechte-Charta. Hilfsweise begehrt der Kläger im Revisionsverfahren, die Wirkungen der Ausweisung mit sofortiger Wirkung zu befristen. Er habe einen Befristungsanspruch aus der Rückführungsrichtlinie sowie § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG i.d.F. des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011.

10

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt und hält die Revision für unbegründet.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Klägers hat nur in geringem Umfang Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) die Ausweisung (1.) und die Abschiebungsandrohung (3.) als rechtmäßig angesehen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG i.d.F. des während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 ist der Beklagte jedoch zu verpflichten, die in Satz 1 und 2 der Vorschrift genannten Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von sieben Jahren zu befristen (2.).

12

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, des Befristungsbegehrens und der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Berufungsgerichts am 5. September 2008 (Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 12 für die Ausweisung; Urteil vom 22. März 2012 - BVerwG 1 C 3.11 - Rn. 13 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen - für die Abschiebungsandrohung). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 m.w.N.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl I S. 3044). Damit sind insbesondere auch die Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - zu beachten.

13

1. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig.

14

1.1 Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (ANBA 1981, 4 = InfAuslR 1982, 33) - ARB 1/80 -. Denn der Kläger besitzt eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80. Er ist im Alter von 12 Jahren zum Zweck der Familienzusammenführung erlaubt in das Bundesgebiet eingereist. Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass seine Mutter von 1969 bis 1982 dem regulären Arbeitsmarkt angehört hat. Der Kläger hat bei seinen Eltern gelebt und die Mindestaufenthaltszeiten des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erfüllt. Nach Abschluss der Lehre zum Elektrokaufmann greift auch Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 zu seinen Gunsten. Demzufolge kann der Kläger gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2012, 422). Das ist hier der Fall. Damit liegen auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vor.

15

1.2 Der Senat hat bereits in dem Vorlagebeschluss vom 25. August 2009 - BVerwG 1 C 25.08 - (Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 53 Rn. 21) darauf hingewiesen, dass die Vergewaltigung der Ehefrau und der mehrfache sexuelle Missbrauch der älteren Tochter einen Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht bilden. Das strafrechtlich geahndete persönliche Verhalten des Klägers begründet eine - über die mit jedem Rechtsverstoß verbundene Störung der öffentlichen Ordnung hinausgehende - tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter der sexuellen Selbstbestimmung und der körperlichen Integrität nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen sehr hohen Rang ein und lösen - insbesondere bei sexuellem Missbrauch von Minderjährigen - staatliche Schutzpflichten aus, die sich auch gegen die Eltern richten.

16

In dem Vorlagebeschluss (a.a.O. Rn. 22) hat der Senat des Weiteren ausgeführt, dass bei bedrohten Rechtsgütern mit einer hervorgehobenen Bedeutung für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr eher geringere Anforderungen gelten (ebenso Urteile vom 2. September 2009 - BVerwG 1 C 2.09 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 54 Rn. 17 und vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <305 f.>). An diesem differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung Kritik geäußert worden, da er dem Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten und der daher gebotenen engen Auslegung der unionsrechtlichen Rechtsgrundlagen für die Aufenthaltsbeendigung als ultima ratio nicht gerecht werde (VGH Mannheim, Urteile vom 4. Mai 2011 - 11 S 207/11 - NVwZ 2011, 1210 und vom 10. Februar 2012 - 11 S 1361/11 - NVwZ-RR 2012, 492). Dem vermag der Senat schon deshalb nicht zu folgen, da jede sicherheitsrechtliche Gefahrenprognose nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts eine Korrelation aus Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem) Schadensausmaß ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (Urteile vom 6. September 1974 - BVerwG 1 C 17.73 - BVerwGE 47, 31 <40>; vom 17. März 1981 - BVerwG 1 C 74.76 - BVerwGE 62, 36 <39> und vom 3. Juli 2002 - BVerwG 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347 <356>). Auch die den Gerichten der Mitgliedstaaten obliegende und auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O.), kann im Hinblick auf die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts den Rang des bedrohten Rechtsguts nicht außer Acht lassen, denn dieser bestimmt die mögliche Schadenshöhe. Das bedeutet aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet. Der Senat hat schon zu § 12 Abs. 3 AufenthG/EWG entschieden, dass im Hinblick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden dürfen (Urteil vom 27. Oktober 1978 - BVerwG 1 C 91.76 - BVerwGE 57, 61 <65>).

17

Diesen Maßgaben genügt die von dem Beklagten gestellte und von den Vorinstanzen bestätigte Prognose der konkreten Wiederholungsgefahr beim Kläger. Beklagter und Verwaltungsgericht haben die Tatumstände, die Persönlichkeitsstruktur des Klägers, bei dem Einsicht, Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Geschehenen fehlen, sowie die mangelnde Überwindung seiner Neigungen durch therapeutische Unterstützung umfassend gewürdigt. Das Berufungsgericht hat sich das zu eigen gemacht. Darüber hinaus hat es darauf abgestellt, dass die Strafvollstreckungskammer wegen der erhöhten Rückfallgefährdung des Klägers die Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung abgelehnt und die Justizvollzugsanstalt sich dahingehend geäußert hat, dass bereits eine Gewährung von Hafturlaub nicht kalkulierbare Sicherheitsrisiken berge. Auf der Grundlage dieser das Revisionsgericht bindenden tatrichterlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) zur erhöhten Rückfallgefährdung des Klägers ist auch nicht ansatzweise zu erkennen, dass das Berufungsgericht seiner Prognose zulasten des Klägers einen zu niedrigen und damit unzutreffenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt hat. Die ausführliche Würdigung der Persönlichkeit des Klägers und die aus konkreten Umständen abgeleitete Wiederholungsgefahr belegen, dass der Beklagte nicht allein die strafrechtliche Verurteilung zum Anlass für die ausschließlich spezialpräventiv motivierte Ausweisung genommen, sondern die zukünftig vom Kläger ausgehende Gefahr in den Blick genommen hat.

18

Entgegen der Auffassung des Klägers rechtfertigt die Zeitspanne, die infolge der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an den EuGH zwischen der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts und der Verhandlung vor dem Senat verstrichen ist, weder die Berücksichtigung der von ihm vorgetragenen neuen tatsächlichen Umstände im Revisionsverfahren noch eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht ist - abgesehen von Fällen begründeter Verfahrensrügen - entsprechend seiner vornehmlich auf die Rechtsprüfung beschränkten Aufgabenstellung nach § 137 Abs. 2 VwGO an die vom Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Diese das Rechtsmittel der Revision kennzeichnende Beschränkung führt dazu, dass das Revisionsgericht den Streitfall nicht in gleichem Umfang wie das Berufungsgericht prüft und dass es deshalb - im Gegensatz zum Berufungsgericht (§ 128 VwGO) - neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel nicht berücksichtigt (Urteil vom 3. Juni 1977 - BVerwG 4 C 37.75 - BVerwGE 54, 73 <75>). Dies schließt auch eine Zurückverweisung der Sache nur wegen nachträglicher Veränderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts grundsätzlich aus. Damit soll gleichzeitig der Gefahr einer "Endlosigkeit" des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgebeugt und verhindert werden, dass einer in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandenden Berufungsentscheidung nachträglich die Grundlage entzogen wird (Urteile vom 28. Februar 1984 - BVerwG 9 C 981.81 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 19 S. 48<51 f.> und vom 20. Oktober 1992 - BVerwG 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <105 f.>).

19

Die in § 137 Abs. 2 VwGO enthaltene revisionsrechtliche Sperre für die Berücksichtigung neuer tatsächlicher Umstände wird nicht dadurch überwunden, dass Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen das Vorliegen einer gegenwärtigen, d.h. aktuellen Gefahr verlangt (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 80, 82 und insbesondere Rn. 84). Damit wird der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachlage angesprochen, der infolge der der Verwaltungsgerichtsordnung zu entnehmenden Trennung zwischen Tatsacheninstanzen und Revisionsinstanz nur für Entscheidungen der Tatsachengerichte maßgeblich ist. Denn nur ihnen obliegt gemäß § 86 Abs. 1 und 2, §§ 108 und 128 VwGO die Erforschung des Sachverhalts und die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen im Wege freier richterlicher Beweiswürdigung. Diese Trennung der Funktionen von Tatsachen- und Rechtsinstanz wird durch das Unionsrecht nicht modifiziert, da es nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten ist, das gerichtliche Verfahrensrecht auch insoweit zu regeln, als es den Schutz von aus dem Unionsrecht erwachsenden individuellen Rechten gewährleisten soll. Dabei dürfen die prozessrechtlichen Regelungen jedoch nicht weniger günstig ausgestaltet sein als bei entsprechenden, nur auf nationales Recht gestützten Rechtsbehelfen (Äquivalenzgrundsatz). Zudem darf nach dem Effektivitätsgrundsatz die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden (EuGH, Urteile vom 12. Februar 2008 - Rs. C-2/06, Kempter - Slg. 2008, I-411 Rn. 57 und vom 10. April 2003 - Rs. C-276/01, Steffensen - Slg. 2003, I-3735 Rn. 60 ff. - jeweils m.w.N.). Beiden Grundsätzen wird die Bindung des Revisionsgerichts aus § 137 Abs. 2 VwGO auch in der vorliegenden Fallkonstellation gerecht. Die Eröffnung der auf eine reine Rechtskontrolle beschränkten dritten Instanz widerspricht auch nicht dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf aus Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh). Denn der dort niedergelegte Grundsatz effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes eröffnet dem Einzelnen den Zugang zu einem Gericht und nicht zu mehreren Gerichtsinstanzen (EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 - Rs. C-69/10, Samba Diouf - NVwZ 2011, 1380 Rn. 69). Er verlangt nicht, dass ein nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats eröffnetes Rechtsmittel wie die Revision eine Überprüfung der Tatsachen auf aktuellem Sachstand ermöglicht. Im Übrigen steht dem Kläger im Hinblick auf nach der Berufungsentscheidung eingetretene Umstände, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der von ihm ausgehenden Gefahr mit sich bringen können, die Möglichkeit zur Beantragung einer Verkürzung der von der Ausländerbehörde gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 - 5 AufenthG bereits mit der Ausweisung festzusetzenden Frist offen (dazu unter 2.).

20

1.3 Da der Kläger ein assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht besitzt, darf er nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Bei deren gerichtlicher Überprüfung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen (EuGH, Urteil vom Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 84; so bereits Urteil vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 29.02 - BVerwGE 121, 315 <320 f.>). Die Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde über den Erlass einer Ausweisung erfordert eine sachgerechte Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausreise mit den privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet. Zugunsten des Ausländers sind die Gründe für einen besonderen Ausweisungsschutz (§ 56 AufenthG) sowie die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Außerdem sind die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben, in die Abwägung einzustellen (§ 55 Abs. 3 AufenthG). Die von Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange auf Achtung des Privat- und Familienlebens sind dabei entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere bei im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen Ausländern, zumal wenn sie über keine Bindungen an das Land ihrer Staatsangehörigkeit verfügen.

21

Mit Blick auf diese Vorgaben hat der Senat bereits im Vorlagebeschluss vom 25. August 2009 (a.a.O. Rn. 24) ausgeführt, dass die Ermessensausübung des Beklagten nicht zu beanstanden ist. Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens werden angesichts der vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr für die hochrangigen Rechtsgüter der sexuellen Selbstbestimmung sowie der körperlichen Integrität von Frauen in seiner Umgebung nicht überschritten. Es begegnet keinen Bedenken, dass der Beklagte das durch den Rechtsgüterschutz geprägte und durch grundrechtliche Schutzpflichten zusätzlich verstärkte öffentliche Interesse daran, den Aufenthalt des Klägers zu beenden, höher gewichtet hat als dessen Interesse an einem Verbleib in Deutschland. Zwar schlägt sein über dreißigjähriger rechtmäßiger Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu seinen Gunsten zu Buche. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass er über ausreichende persönliche Bindungen in die Türkei verfügt, so dass ihm die Ausreise dorthin zumutbar ist. Der Schutz des Familienlebens und der elterlichen Sorge genießt hohe Bedeutung, verliert aber an Gewicht, wenn man das Kindeswohl der minderjährigen Tochter mitberücksichtigt, so dass die Aufenthaltsbeendigung auch im Hinblick auf Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 24 Abs. 3 der GRCh gerechtfertigt ist. In der Gesamtabwägung aller gegenläufigen Belange ist die Ausweisung verhältnismäßig und "unerlässlich" im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 86). Denn mit diesem Begriff hat der Gerichtshof lediglich die gebotene Abwägung der öffentlichen mit den privaten Interessen des Betroffenen, d.h. dessen tatsächlich vorliegende Integrationsfaktoren, im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesprochen (ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 10. Februar 2012 - 11 S 1361/11 - NVwZ-RR 2012, 492).

22

1.4 Die weiteren Rügen der Revision sind unbegründet; insbesondere ist das Ausweisungsverfahren fehlerfrei durchgeführt worden. Zwar war das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene "Vier-Augen-Prinzip" auf assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige zu übertragen (Urteil vom 13. September 2005 - BVerwG 1 C 7.04 - BVerwGE 124, 217 <221 f.> im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - Rs. C-136/03, Dörr und Ünal - Slg. 2005, I-4759 = NVwZ 2006, 72). In dem hier vorliegenden Fall hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid aber am 2. Mai 2006 und damit erst nach Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG zum 30. April 2006 (Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG) erlassen. Zu diesem Zeitpunkt galt Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr; stattdessen ist nunmehr Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG als unionsrechtlicher Bezugsrahmen für die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 heranzuziehen (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 79). Nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG steht langfristig Aufenthaltsberechtigten zur Überprüfung einer Ausweisung der Rechtsweg offen; die Beteiligung einer unabhängigen Stelle im Ausweisungsverfahren zur Prüfung der Zweckmäßigkeit der Maßnahme ist nicht vorgeschrieben.

23

Im Übrigen hat der Gerichtshof vor Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG die Anwendung des "Vier-Augen-Prinzips" auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige damit begründet, dass die im Rahmen von Art. 48 EGV eingeräumten Rechtspositionen so weit wie möglich auf assoziationsberechtigte türkische Arbeitnehmer übertragen werden müssen. Um effektiv zu sein, müssten diese (materiellen) Rechte von den türkischen Staatsangehörigen vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Zur Gewährleistung der Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes sei es unabdingbar, ihnen die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden. Daher müsse es ihnen ermöglicht werden, sich u.a. auf Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG zu berufen, da die Verfahrensgarantien untrennbar mit den materiellen subjektiven Rechten verbunden seien, auf die sie sich beziehen (EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 a.a.O. Rn. 62 und 67). Da Ausgangspunkt der Betrachtung des Gerichtshofs die Verfahrensgarantien sind, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, erweist sich seine Rechtsprechung zur Übertragung auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige schon im Ansatz offen für Fälle von Rechtsänderungen, die die Stellung der Unionsbürger betreffen. Für diese gewährleistet Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG gegen Entscheidungen, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung getroffen werden, einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde. Im Rechtsbehelfsverfahren sind nach Art. 31 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2004/38/EG die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und die Umstände zu überprüfen, auf denen die Entscheidung beruht. Nach Satz 2 gewährleistet das Rechtsbehelfsverfahren, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG nicht unverhältnismäßig ist. Demzufolge gebietet Unionsrecht bei Ausweisungen von Unionsbürgern keine behördliche Kontrolle mehr nach dem "Vier-Augen-Prinzip". Dann können assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige nach der dynamisch angelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Übertragung von Rechten auf diese Gruppe keine bessere verfahrensrechtliche Rechtsstellung beanspruchen.

24

Demgegenüber beruft sich der Kläger auf die Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP. Gemäß Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Gemäß Art. 41 Abs. 1 ZP werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Aus diesen Stand-Still-Klauseln ergibt sich nach Auffassung des Klägers, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG bei der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger weiterhin anzuwenden sei. Dem folgt der Senat nicht.

25

Gegen die Auffassung des Klägers spricht bereits, dass Art. 13 ARB 1/80 seinem Wortlaut nach nur die Mitgliedstaaten, nicht aber die Europäische Union verpflichtet. Art. 41 Abs. 1 ZP betrifft sachlich nur Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, nicht aber die der Arbeitnehmerfreizügigkeit zuzurechnende aufenthaltsrechtliche Stellung aus Art. 7 ARB 1/80. Des Weiteren erscheint fraglich, ob die auf den Zugang zum Arbeits- bzw. Binnenmarkt zugeschnittenen Stand-Still-Klauseln überhaupt Verfahrensregelungen bei der Aufenthaltsbeendigung erfassen (vgl. Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn. 20 zu den gesetzlichen Erlöschenstatbeständen für Aufenthaltstitel) und ob die Aufhebung des "Vier-Augen-Prinzips" mit Blick auf die gerichtliche Überprüfbarkeit nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG eine merkliche Verschlechterung der Rechtsposition darstellt. Das kann aber dahinstehen, da die weitere Anwendung des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige selbst bei Annahme einer rechtserheblichen Verschlechterung gegen Art. 59 ZP verstoßen würde. Nach dieser Vorschrift darf der Türkei in den von diesem Protokoll erfassten Bereichen keine günstigere Behandlung gewährt werden als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander aufgrund des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft einräumen. Das wäre aber bei weiterer Anwendung des "Vier-Augen-Prinzips" im Vergleich zu den Verfahrensrechten von Unionsbürgern aus Art. 31 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG - wie oben dargelegt - der Fall.

26

Im Übrigen entspricht das im vorliegenden Fall durchgeführte Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO den Anforderungen der in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltenen Verfahrensgarantien (Urteil vom 13. September 2005 a.a.O. S. 221 f.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat mangels durchgreifender neuer Argumente der Revision fest.

27

2. Auf den Hilfsantrag des Klägers, mit dem dieser die Befristung der Wirkungen der Ausweisung mit sofortiger Wirkung begehrt, ist die Beklagte zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von sieben Jahren zu befristen. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.

28

2.1 Der erst in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag ist zulässig. Das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren in § 142 VwGO steht dem nicht entgegen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift soll sich das Revisionsgericht grundsätzlich auf die rechtliche Prüfung des in der Vorinstanz bereits erörterten und aufbereiteten Streitstoffes beschränken, um nicht wegen eines erstmals im Revisionsverfahren gestellten Klageantrags ohne weitere Rechtsprüfung zu einer Zurückverweisung gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO gezwungen zu sein (Urteil vom 14. April 1989 - BVerwG 4 C 21.88 - Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 21 = NVwZ 1990, 260<261>). Eine solche Situation liegt aber hier nicht vor. Während des Revisionsverfahrens ist § 11 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 in der Weise geändert worden, dass der Kläger nunmehr einen Anspruch auf gleichzeitige Befristung der in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung hat (s.u. 2.2.2). Dieser Änderung des materiellen Rechts trägt der gestellte Hilfsantrag Rechnung. Durch dessen Einbeziehung wird der Streitstoff auch nicht verändert, da der Befristungsanspruch in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich auf dem gegen die Ausweisung gerichteten Anfechtungsbegehren aufbaut (vgl. Urteil vom 26. Januar 1995 - BVerwG 3 C 21.93 - BVerwGE 97, 331 <342>).

29

2.2 Der Hilfsantrag ist nur in geringem Umfang begründet. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt nach Satz 6 mit der Ausreise. Nach Satz 7 erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.

30

2.2.1 Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 haben Ausländer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet (Weiterentwicklung der Rechtsprechung im Urteil vom 14. Februar 2012 - BVerwG 1 C 7.11 - juris Rn. 28 f.). Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

31

Die Regelungen zur Befristung der Wirkungen einer Ausweisung und Abschiebung sind seit dem Ausländergesetz 1965 kontinuierlich zugunsten der betroffenen Ausländer verbessert worden. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 stand die Befristung der Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung noch vollumfänglich im Ermessen der Ausländerbehörde. § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990 sah vor, dass auf Antrag eine Befristung in der Regel erfolgte (ebenso § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG 2004); die Länge der Frist lag im Auswahlermessen der Behörde. Diese Entwicklung belegt die gewachsene Sensibilität des Gesetzgebers für die Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung in zeitlicher Dimension angesichts der einschneidenden Folgen für die persönliche Lebensführung des Ausländers und die ihn ggf. treffenden sozialen, familiären und wirtschaftlichen Nachteile (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1979 - 1 BvR 650/77 - BVerfGE 51, 386 <398 ff.>). Denn typischerweise genügt eine zeitlich befristete Ausweisung zur Erreichung der mit dieser ordnungsrechtlichen Maßnahme verfolgten präventiven Zwecke (Urteile vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 13.99 - BVerwGE 110, 140 <147> und vom 11. August 2000 - BVerwG 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <371 ff.>).

32

Die Befristung der Wirkungen der Ausweisung setzte nach den bisher geltenden Vorschriften grundsätzlich die vorherige Ausreise des Ausländers voraus (Beschluss vom 17. Januar 1996 - BVerwG 1 B 3.96 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 5; Urteil vom 7. Dezember 1999 a.a.O. S. 147; vgl. auch BTDrucks 11/6321 S. 57 zu § 8 Abs. 2 AuslG 1990). Die gesetzliche Systematik von Ausweisung und Befristung war zweitaktig angelegt, da im Zeitpunkt des Erlasses einer (auch) spezialpräventiv motivierten Ausweisung typischerweise kaum zu prognostizieren ist, wie der Betroffene sich zukünftig verhalten wird. Das Verhalten nach der Ausweisung ist aber neben dem Gewicht des Ausweisungsgrundes, der Berücksichtigung des Ausweisungszwecks und der Folgenbetrachtung im Hinblick auf das Übermaßverbot einer der für die Fristbestimmung maßgeblichen Faktoren (Urteil vom 11. August 2000 a.a.O. S. 372 ff.). Die im Gesetz angelegte Trennung von Ausweisung einerseits und Befristung ihrer Wirkungen andererseits hat zur Folge, dass eine fehlerhafte Befristungsentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit der Ausweisung führt, sondern selbstständig angreifbar ist (Beschlüsse vom 31. März 1981 - BVerwG 1 B 853.80 - Buchholz 402.24 § 15 AuslG Nr. 3 und vom 10. Dezember 1993 - BVerwG 1 B 160.93 - Buchholz 402.240 § 47 AuslG 1990 Nr. 2; Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 30).

33

Der Senat hat bereits zur früheren Rechtslage mehrfach entschieden, dass die Ausländerbehörde zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Einzelfall auch von Amts wegen verpflichtet sein kann, die Wirkungen der Ausweisung schon bei Erlass der Ausweisung zu befristen. Ob dies erforderlich war, hing bei einer spezialpräventiven Ausweisung von den gesamten Umständen des Einzelfalles, insbesondere dem Ausmaß der von dem Ausländer ausgehenden Gefahr, der Vorhersehbarkeit der zukünftigen Entwicklung dieser Gefahr und den schutzwürdigen Belangen des Ausländers und seiner Angehörigen ab (Urteile vom 15. März 2005 - BVerwG 1 C 2.04 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 42, vom 23. Oktober 2007 - BVerwG 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367 Rn. 18 und vom 2. September 2009 - BVerwG 1 C 2.09 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 54 Rn. 25 sowie Beschluss vom 20. August 2009 - BVerwG 1 B 13.09 - Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 4 Rn. 8). Bei einer allein generalpräventiv motivierten Ausweisung eines Ausländers mit besonderem Ausweisungsschutz war es demgegenüber regelmäßig geboten, über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung von Amts wegen zugleich mit der Ausweisung zu entscheiden. Denn in diesen Fällen lässt sich bereits in dem für die Ausweisung maßgeblichen Zeitpunkt beurteilen, wie lange der Betroffene unter Berücksichtigung seiner schutzwürdigen privaten Belange vom Bundesgebiet ferngehalten werden muss, um die notwendige generalpräventive Wirkung zu erzielen, so dass es unverhältnismäßig wäre, ihn über diesen für seine Lebensplanung wichtigen Umstand im Unklaren zu lassen (Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 29). Sowohl bei der generalpräventiven als auch bei der spezialpräventiven Ausweisung kann der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. Art. 6 GG ausnahmsweise sogar die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung "auf Null" gebieten, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet ist (Urteil vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226 LS 4 und Rn. 28).

34

Das Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 hat die Rechtslage für die betroffenen Ausländer weiter verbessert: § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. verschafft dem Betroffenen nunmehr - vorbehaltlich der Ausnahmen in Satz 7 der Vorschrift - einen uneingeschränkten, auch hinsichtlich der Dauer der Befristung voller gerichtlicher Überprüfung unterliegenden Befristungsanspruch (Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 32 f. - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen). Zugleich ist hinsichtlich der Dauer der Frist geregelt, dass diese unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen ist und fünf Jahre nur überschreiten darf, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (§ 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG n.F.).

35

Diese Änderungen des § 11 AufenthG dienen der Umsetzung der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 - Rückführungsrichtlinie (ABl EU Nr. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98). Diese Richtlinie, die auf Art. 63 Abs. 3 Buchst. b EG (jetzt: Art. 79 Abs. 2 Buchst. c AEUV) gestützt ist und die illegale Einwanderung bekämpfen soll, ergänzt die Migrationspolitik um eine wirksame Rückkehrpolitik mit klaren, transparenten und fairen Vorschriften (4. Erwägungsgrund). Die Richtlinie findet gemäß Art. 2 Abs. 1 - vorbehaltlich der Opt-out-Klausel in Absatz 2 der Vorschrift - Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese die Voraussetzungen für die Einreise bzw. den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllen (5. Erwägungsgrund). Im Einklang mit allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts sollen Entscheidungen gemäß dieser Richtlinie auf Grundlage des Einzelfalls und anhand objektiver Kriterien getroffen werden (6. Erwägungsgrund). Um die Interessen der Betroffenen wirksam zu schützen, sollen für Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr eine Reihe gemeinsamer rechtlicher Mindestgarantien gelten (11. Erwägungsgrund). Die Wirkung der einzelstaatlichen Rückführungsmaßnahmen soll einen europäischen Zuschnitt erhalten (14. Erwägungsgrund). Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie definiert die Rückkehrentscheidung als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird. Rückkehrentscheidungen gehen in den in Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie genannten Fällen mit einem Einreiseverbot einher; gemäß Satz 2 der Vorschrift können sie in anderen Fällen mit einem Einreiseverbot einhergehen. Das Einreiseverbot definiert Art. 3 Nr. 6 der Richtlinie als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt werden und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Die Dauer des Einreiseverbots wird gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Die Dauer des Einreiseverbots kann jedoch nach Satz 2 der Vorschrift fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Verfahrensrechtlich garantiert Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie die Möglichkeit der Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs gegen Entscheidungen nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie, also Rückkehrentscheidungen sowie ggf. Entscheidungen über ein Einreiseverbot oder eine Abschiebung.

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Die Begründung des Gesetzentwurfs zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 geht davon aus, dass große Teile der in der Rückführungsrichtlinie enthaltenen Vorgaben durch die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zur Aufenthaltsbeendigung bereits erfüllt werden. Da die Richtlinie - anders als das geltende Aufenthaltsrecht mit der Differenzierung zwischen Ausreisepflichten kraft Verwaltungsakts und kraft Gesetzes - eine "Rückkehrentscheidung" verlange, an die unterschiedliche prozedurale bzw. formelle Garantien geknüpft würden, seien punktuelle gesetzliche Anpassungen erforderlich. Diese erfolgten jedoch innerhalb der geltenden Systematik, indem sie an den die Ausreisepflicht begründenden Verwaltungsakt (z.B. Ausweisung) oder an die Abschiebungsandrohung nach § 59 des Aufenthaltsgesetzes geknüpft würden. Die Umsetzung der Rückführungsrichtlinie erfordere darüber hinaus die Einführung einer Regelobergrenze von fünf Jahren für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG (BTDrucks 17/5470 S. 17).

37

Das macht deutlich, dass sich der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 11 AufenthG auch hinsichtlich der in Absatz 1 Satz 1 und 2 der Vorschrift genannten gesetzlichen Folgen der Ausweisung und deren Befristung an den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Rückkehrentscheidung orientiert hat. Im Regelungsmodell der Richtlinie ist das Einreiseverbot jedoch als antragsunabhängige, mit einer Rückkehrentscheidung von Amts wegen einhergehende Einzelfallentscheidung ausgestaltet, in der die Dauer der befristeten Untersagung des Aufenthalts in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt wird (Art. 3 Nr. 6 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie). Aus der Absicht des Gesetzgebers, dieses Modell trotz der beibehaltenen systematischen Trennung von Ausweisung und Befristung nachzuvollziehen, ergeben sich zwei Konsequenzen: Zum einen gebietet § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. den gleichzeitigen Erlass von Ausweisung und Befristung. Zum anderen genügt für den in dieser Vorschrift vorgesehenen Antrag jede Form der Willensbekundung des Betroffenen, mit der dieser sich gegen eine Ausweisung wendet (anders noch zu § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990: Beschluss vom 14. Juli 2000 - BVerwG 1 B 40.00 - Buchholz 402.240 § 8 AuslG Nr. 18). Dieser Auslegungsbefund des einfachen Rechts trägt zugleich der besonderen Bedeutung der Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK Rechnung. Denn der EGMR zieht die Frage der Befristung bei der Prüfung von Ausweisungen am Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK als ein wesentliches Kriterium heran (EGMR, Urteile vom 17. April 2003 - Nr. 52853/99, Yilmaz/Deutschland - NJW 2004, 2147; vom 27. Oktober 2005 - Nr. 32231/02, Keles/Deutschland - InfAuslR 2006, 3 <4>; vom 22. März 2007 - Nr. 1638/03, Maslov/Österreich - InfAuslR 2007, 221 <223> und vom 25. März 2010 - Nr. 40601/05, Mutlag/Deutschland - InfAuslR 2010, 325 <327>). Diese grund- und menschenrechtlichen Impulse verbunden mit der Absicht des Gesetzgebers, sich am Regelungsmodell der Rückführungsrichtlinie zu orientieren, führen in der Gesamtschau zu dem Ergebnis, dass der Erlass einer Entscheidung zur Befristung der Wirkungen einer Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht mehr die vorherige Ausreise des Ausländers voraussetzt.

38

Dagegen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, aus § 11 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ergebe sich, dass der Gesetzgeber nach wie vor von einer nachträglichen Befristung ausgehe. Nach dieser Vorschrift ist bei der Bemessung der Fristlänge zu berücksichtigen, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Es liegt auf der Hand, dass sich diese Umstände erst nach Erlass der Ausweisung feststellen lassen. Dennoch läuft die Vorschrift bei gleichzeitigem Erlass von Ausweisung und Befristung nicht leer. Denn die Ausländerbehörde hat ihre zusammen mit der Ausweisung getroffene Befristungsentscheidung, die sich u.a. auf eine Prognose des künftigen Verhaltens des Ausländers stützt und die Folgen der Ausweisung im Hinblick auf das zeitliche Übermaßverbot berücksichtigt, auf Antrag zu überprüfen und ggf. neu zu fassen, wenn einer der für die Fristbestimmung maßgeblichen Faktoren sich im Nachhinein ändert. Neben nachgewiesenen entscheidungserheblichen Änderungen der Sachlage kennzeichnet § 11 Abs. 1 Satz 5 AufenthG einen zusätzlichen Punkt, der von der Ausländerbehörde bei einer nachträglich beantragten Verkürzung der Frist zu berücksichtigen ist. Im Übrigen haben auch die Gerichte bei ihrer Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Befristungsentscheidung, die auch hinsichtlich der Bemessung der Fristdauer seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht mehr im Ermessen der Ausländerbehörde steht (Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 31), die rechtzeitige und freiwillige Ausreise des Betroffenen zu berücksichtigen.

39

2.2.2 Fehlt die notwendige Befristung der Wirkungen der Ausweisung, hat das aber auch nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht zur Folge, dass die - als solche rechtmäßige - Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr kann der Ausländer zugleich mit Anfechtung der Ausweisung seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gerichtlich durchsetzen (Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 30). Damit wird dem sich aus dem materiellen Recht ergebenden Anspruch des Betroffenen auf gleichzeitige Entscheidung über die Ausweisung und die Befristung ihrer Wirkungen Rechnung getragen und die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung im Ergebnis gewährleistet. Diese verfahrensrechtliche Ausgestaltung entspricht der gesetzlichen Systematik, die nach wie vor zwei getrennte Verwaltungsakte - die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits - vorsieht (s.o. Rn. 32). Prozessual wird dieses Ergebnis dadurch sichergestellt, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen gesehen wird, sofern eine solche nicht bereits von der Ausländerbehörde verfügt worden ist. Das Prozessrecht muss gewährleisten, dass der Ausländer gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht auf ein eigenständiges neues Verfahren verwiesen wird. Daher ist im Fall der gerichtlichen Bestätigung der Ausweisung auf den Hilfsantrag zugleich eine Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu treffen.

40

Erachtet das Gericht die Ausweisung für rechtmäßig, hat es auf den Hilfsantrag des Betroffenen hin die Befristungsentscheidung der Ausländerbehörde vollumfänglich zu überprüfen. Hat eine Ausländerbehörde eine zu lange Frist festgesetzt oder fehlt - wie hier - eine behördliche Befristungsentscheidung, hat das Gericht über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden und die Ausländerbehörde zu einer entsprechenden Befristung der Ausweisung zu verpflichten (Weiterentwicklung des Urteils vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 31).

41

2.2.3 Der Senat hält im vorliegenden Fall - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts und auf der Grundlage von dessen tatsächlichen Feststellungen - eine Frist von sieben Jahren für angemessen.

42

Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (zu der zuletzt genannten Voraussetzung vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG). Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Fall bedeutsame Gefahrenschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und ggf. relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. Urteile vom 11. August 2000 - BVerwG 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> und vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 19 ff.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen bzw. von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts zu überprüfen oder bei fehlender behördlicher Befristungsentscheidung - wie hier - durch eine eigene Abwägung als Grundlage des Verpflichtungsausspruchs zu ersetzen.

43

Die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren ist im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, da von dem Kläger - im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts - eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht; das ergibt sich aus den Ausführungen zu den Ausweisungsvoraussetzungen. Wegen des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter und der vom Berufungsgericht festgestellten hohen Wiederholungsgefahr erachtet der Senat auch im Hinblick auf die familiären und persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet einen Zeitraum von sieben Jahren für erforderlich, um dem hohen Gefahrenpotential in der Person des Klägers Rechnung tragen zu können. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Rückfallgefahr bei Delikten dieser Art, des Alters des Klägers, seines (Nach-)Tatverhaltens ohne therapeutische Auf- und Verarbeitung des Geschehens sowie seines familiären Umfelds ist nicht zu erwarten, dass er die hier maßgebliche Gefahrenschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vor Ablauf der festgesetzten Frist unterschreiten wird. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte auf den bei ihm während des Revisionsverfahrens gestellten Befristungsantrag auf aktueller Tatsachengrundlage zu prüfen hat, ob sich aus dem Vorbringen des Klägers zur Entwicklung seit dem 5. September 2008 Anhaltspunkte für eine Verkürzung der Frist ergeben.

44

3. Die Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig. Der Kläger ist ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG), da infolge der Ausweisung seine gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgeltende Aufenthaltsberechtigung erloschen ist (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die im angefochtenen Bescheid vom Beklagten getroffene Festsetzung der Ausreisefrist von einem Monat legt der Senat in Übereinstimmung mit § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. zugunsten des Klägers dahingehend aus, dass ihm eine Frist von 31 Tagen für die freiwillige Ausreise zur Verfügung steht.

45

4. Die Frage, ob die Ausweisung, die Befristung ihrer Wirkungen und die Abschiebungsandrohung an den Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie zu messen sind, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Der Senat ist bisher davon ausgegangen, dass die Rückführungsrichtlinie, die von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG bis zum 24. Dezember 2010 umzusetzen war, für davor erlassene und mit der Klage angegriffene Abschiebungsandrohungen keine Geltung beansprucht (Urteile vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 35 und vom 22. März 2012 a.a.O. Rn. 15; a.A. VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2012 - 11 S 4/12 - juris Rn. 49 ff.; vgl. auch VerwGH Wien, Urteile vom 16. Juni 2011 - Az. 2011/18/0064 - und vom 20. März 2012 - Az. 2011/21/0298). Für den sachlichen Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie ist zudem umstritten, ob die Ausweisung als Rückkehrentscheidung i.S.d. Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2008/115/EG angesehen werden kann (dafür: Basse/Burbaum/Richard, ZAR 2011, 361<364>; Hörich, ZAR 2011, 281 <284 Fn. 45>; dagegen: VGH Mannheim, Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 - NVwZ-RR 2012, 412; offen: OVG Münster, Urteil vom 22. März 2012 - 18 A 951/09 - juris Rn. 88). Das alles kann indes hier dahinstehen. Denn selbst wenn man die intertemporale Geltung und die sachliche Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie auf die (Wirkungen der) Ausweisung und die Abschiebungsandrohung unterstellt, verhilft das der Revision im vorliegenden Fall nicht in weitergehendem Umfang zum Erfolg. Da der Kläger mit seinem Hilfsantrag die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. gebotene Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung zusammen mit deren gerichtlicher Prüfung durchsetzen kann, wird den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie im Ergebnis Genüge getan. In dem hier vorliegenden Fall konnte die Dauer des Einreiseverbots auch die Regelfrist von fünf Jahren überschreiten, da der Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung i.S.d. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG darstellt.

46

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat gewichtet den gegen die Ausweisung und die Abschiebungsandrohung gerichteten Anfechtungsantrag mit 4/5 und den auf Befristung zielenden Verpflichtungsantrag mit 1/5. Nachdem der Kläger aber mit seinem Hilfsantrag nur zum Teil obsiegt hat, hat er 9/10 der Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

(1) Widerspruch und Klage gegen

1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
1a.
Maßnahmen nach § 49,
2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,
2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e,
3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft,
4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes,
5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d,
6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1,
7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11,
8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie
9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, begehrt die Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung.

2

Der Kläger ist 1988 in Stuttgart geboren und war zuletzt im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Sein Vater besitzt die türkische, seine Mutter die kroatische Staatsangehörigkeit. Der Kläger erreichte nach mehrfachen Schulwechseln 2006 den Hauptschulabschluss. Danach bemühte er sich weder um einen Ausbildungsplatz noch um eine Arbeitsstelle, sondern lebte von finanziellen Zuwendungen seiner Eltern. Seit seinem 15. Lebensjahr konsumiert er regelmäßig Marihuana.

3

Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 5. März 2008 wurde er wegen Mordes und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 10 Jahren verurteilt; gleichzeitig wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Kläger hatte im August 2007 aus Eifersucht zusammen mit zwei von ihm angestifteten Mittätern den angeblichen Ex-Freund seiner Freundin auf besonders grausame Weise ermordet. Das Landgericht ging in seinem Urteil von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Klägers im Tatzeitpunkt aus. Für die Annahme einer akuten psychotischen Störung spreche, dass der Kläger nach der Tat wieder lachen konnte und wie befreit wirkte. Er habe keinerlei Reue gezeigt. Bei ihm lägen erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel vor, die in seiner leichten Erregbarkeit und Aggressivität zum Ausdruck kämen. Dem Führungsbericht vom Januar 2009 ist zu entnehmen, dass eine Auseinandersetzung mit der Straftat und deren Aufarbeitung bislang nicht stattgefunden hat; von einer Verantwortungsübernahme sei der Kläger noch weit entfernt.

4

Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Kläger mit Bescheid vom 25. Mai 2009 aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Die dagegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Zurückweisung der Berufung darauf gestützt, dass die Ausweisung mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nicht zu beanstanden sei. Bislang habe sich der Kläger nicht grundlegend mit der von ihm begangenen Tat und seiner gesamten Lebenssituation auseinander gesetzt. Beim ihm liege eine ausgeprägte therapiebedürftige Persönlichkeitsstörung vor; einer Therapie habe sich der Kläger aber bislang nicht geöffnet. Das komme auch in seiner in der mündlichen Verhandlung bestätigten Entscheidung zum Ausdruck, sich baldmöglichst in die Türkei abschieben lassen zu wollen. Daher gehe vom Kläger nach wie vor eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben anderer Mitmenschen aus.

5

Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger die Klage gegen die Ausweisung und Abschiebungsandrohung zurückgenommen. Er begehrt nur noch die Verpflichtung des Beklagten, die Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre ab Ausreise zu befristen.

6

Der Beklagte erachtet wegen der unverändert hohen Gefahr, dass der Kläger erneut ein Gewalt- und Tötungsdelikt begeht, eine Frist von zwölf Jahren auch im Hinblick auf seine Bindungen an das Bundesgebiet für angemessen.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt. Er ist der Auffassung, die Wirkungen einer Ausweisung seien nur auf Antrag zu befristen. Eine generelle Verpflichtung, eine Befristungsentscheidung zusammen mit der Ausweisung zu treffen, lasse sich weder der Rückführungsrichtlinie noch dem Aufenthaltsgesetz entnehmen.

Entscheidungsgründe

8

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; die angegriffenen Urteile sind gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in diesem Umfang für wirkungslos zu erklären. Im Übrigen hat die Revision des Klägers nur teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es keine Verpflichtungsentscheidung zur Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. enthält. Da das Berufungsgericht alle dafür notwendigen tatsächlichen Feststellungen im Zusammenhang mit der Ausweisung getroffen hat, kann der Senat - bezogen auf den Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

9

1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Befristungsbegehrens ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Berufungsgerichts am 16. April 2012 (Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - Rn. 12 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 m.w.N.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl I S. 1224). Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmungen aber nicht geändert.

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2. Der Verpflichtungsantrag, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre zu befristen, ist nur teilweise begründet. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt nach Satz 6 mit der Ausreise. Nach Satz 7 erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.

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2.1 Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 (BGBl I S. 2258) haben Ausländer - vorbehaltlich der Ausnahmen in Satz 7 der Vorschrift - einen uneingeschränkten, auch hinsichtlich der Dauer der Befristung voller gerichtlicher Überprüfung unterliegenden Befristungsanspruch (Urteil vom 14. Februar 2012 - BVerwG 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 32 f.). Zugleich ist hinsichtlich der Dauer der Frist geregelt, dass diese unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen ist und fünf Jahre nur überschreiten darf, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (§ 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG n.F.). Diese Änderungen des § 11 AufenthG dienen der Umsetzung der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 - Rückführungsrichtlinie (ABl EU Nr. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98). Dabei geht die Begründung des Gesetzentwurfs zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 davon aus, dass große Teile der in der Rückführungsrichtlinie enthaltenen Vorgaben durch die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zur Aufenthaltsbeendigung bereits erfüllt werden. Die erforderlichen punktuellen gesetzlichen Anpassungen erfolgten innerhalb der geltenden Systematik, indem sie an den die Ausreisepflicht begründenden Verwaltungsakt (z.B. Ausweisung) oder an die Abschiebungsandrohung nach § 59 des Aufenthaltsgesetzes geknüpft würden. Die Umsetzung der Rückführungsrichtlinie erfordere darüber hinaus die Einführung einer Regelobergrenze von fünf Jahren für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG (BTDrucks 17/5470 S. 17). Das macht deutlich, dass sich der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 11 AufenthG auch hinsichtlich der in Absatz 1 Satz 1 und 2 der Vorschrift genannten gesetzlichen Folgen der Ausweisung und deren Befristung an den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Rückkehrentscheidung orientiert hat. Im Regelungsmodell der Richtlinie ist das Einreiseverbot jedoch als antragsunabhängige, von Amts wegen mit einer Rückkehrentscheidung einhergehende Einzelfallentscheidung ausgestaltet, in der die Dauer der befristeten Untersagung des Aufenthalts in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt wird (Art. 3 Nr. 6 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie). Aus der Absicht des Gesetzgebers, dieses Modell trotz der beibehaltenen systematischen Trennung von Ausweisung und Befristung nachzuvollziehen, ergeben sich zwei Konsequenzen: Zum einen gebietet § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. den gleichzeitigen Erlass von Ausweisung und Befristung. Zum anderen genügt für den in dieser Vorschrift vorgesehenen Antrag jede Form der Willensbekundung des Betroffenen, mit der dieser sich gegen eine Ausweisung wendet (anders noch zu § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990: Beschluss vom 14. Juli 2000 - BVerwG 1 B 40.00 - Buchholz 402.240 § 8 AuslG Nr. 18). Dieser Auslegungsbefund des einfachen Rechts trägt zugleich der besonderen Bedeutung der Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK Rechnung. Das hat der Senat im Urteil vom 10. Juli 2012 (BVerwG 1 C 19.11 a.a.O. Rn. 30 ff.) näher dargelegt; darauf wird Bezug genommen.

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Fehlt die notwendige Befristung der Wirkungen der Ausweisung, hat das auch nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht zur Folge, dass die - als solche rechtmäßige - Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr kann der Ausländer zugleich mit Anfechtung der Ausweisung seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gerichtlich durchsetzen. Damit wird dem Anspruch des Betroffenen auf gleichzeitige Entscheidung über die Ausweisung und die Befristung ihrer Wirkungen Rechnung getragen und die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung im Ergebnis gewährleistet. Diese verfahrensrechtliche Ausgestaltung entspricht der gesetzlichen Systematik, die nach wie vor zwei getrennte Verwaltungsakte - die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits - vorsieht. Prozessual wird dieses Ergebnis dadurch sichergestellt, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen gesehen wird, sofern eine solche nicht bereits von der Ausländerbehörde verfügt worden ist. Das Prozessrecht muss gewährleisten, dass der Ausländer gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht auf ein eigenständiges neues Verfahren verwiesen wird. Daher ist im Fall der gerichtlichen Bestätigung der Ausweisung auf den Hilfsantrag zugleich eine Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu treffen (Urteile vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 30 und vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 39 f.).

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2.2 Der Senat hält im vorliegenden Fall - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts und auf der Grundlage von dessen tatsächlichen Feststellungen - eine Frist von zehn Jahren für angemessen.

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Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (zu der zuletzt genannten Voraussetzung vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG). Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Selbst wenn die Voraussetzungen für ein Überschreiten der zeitlichen Grenze von fünf Jahren gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorliegen, geht der Senat davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal 10 Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Leitet sich diese regelmäßige Höchstdauer für die Befristung von 10 Jahren aus dem Umstand ab, dass mit zunehmender Zeit die Fähigkeit zur Vorhersage zukünftiger persönlicher Entwicklungen abnimmt, bedeutet ihr Ablauf nicht, dass bei einem Fortbestehen des Ausweisungsgrundes oder der Verwirklichung neuer Ausweisungsgründe eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).

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Die auf diese Weise ermittelte Frist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK, messen lassen und ist daher ggf. in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. Urteile vom 11. August 2000 - BVerwG 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> und vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 19 ff.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen bzw. von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts vollumfänglich zu überprüfen. Fehlt - wie hier - die behördliche Befristungsentscheidung, ist sie vom Gericht durch eine eigene Abwägung als Grundlage des Verpflichtungsausspruchs zu ersetzen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 42 f.).

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Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG enthaltene Fristgrenze von fünf Jahren ohne Bedeutung, da von dem Kläger im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Das ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die es zu den Ausweisungsvoraussetzungen getroffen hat. Wegen des hohen Gewichts der erheblich gefährdeten Rechtsgüter von Leib und Leben erachtet der Senat trotz der Bindungen des Klägers im Bundesgebiet einen Zeitraum von zehn Jahren für erforderlich, um dem hohen Gefahrenpotential in seiner Person Rechnung tragen zu können. Angesichts seines Alters, des sich durch äußerste Brutalität auszeichnenden (Nach-)Tatverhaltens, das eine erschreckende Gleichgültigkeit und Gefühlskälte offenbart, der fehlenden Auf- und Verarbeitung des Geschehens sowie des familiären Umfelds, das wenig stabilisierenden Einfluss verspricht, ist nicht zu erwarten, dass er die maßgebliche Gefahrenschwelle vor Ablauf der festgesetzten Frist unterschreiten wird. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte auf einen Antrag des Klägers hin auf aktueller Tatsachengrundlage zu prüfen haben wird, ob sich aus der Entwicklung des Klägers seit der Berufungsverhandlung am 16. April 2012 Anhaltspunkte für eine Verkürzung der Frist ergeben.

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3. Die Frage, ob die Befristung der Wirkungen der Ausweisung an den Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie zu messen sind, kann auch im vorliegenden Fall offen bleiben (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 45). Selbst wenn man die intertemporale Geltung und die sachliche Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie auf die Wirkungen der Ausweisung unterstellt, verhilft das der Revision im vorliegenden Fall nicht in weitergehendem Umfang zum Erfolg. Da der Kläger mit seinem Hilfsantrag die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. gebotene Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung vor seiner Abschiebung aus dem Bundesgebiet durchzusetzen vermag, wird den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie im Ergebnis Genüge getan. In dem hier vorliegenden Fall konnte die Dauer des Einreiseverbots auch die Regelfrist von fünf Jahren überschreiten, da der Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung i.S.d. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG darstellt.

18

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 VwGO. Der Senat gewichtet den gegen die Ausweisung sowie die Abschiebungsandrohung gerichteten, im Revisionsverfahren zurückgenommenen Anfechtungsantrag mit 4/5 und den auf Befristung zielenden Verpflichtungsantrag mit 1/5. Nachdem der Beklagte auch nach Inkrafttreten des § 11 AufenthG n.F. nicht über die Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung entschieden hat und der Kläger mit seinem Antrag insoweit nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, hat er 4/5 und der Beklagte 1/5 der Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Der im Jahr 1964 geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine unbefristete Ausweisung.

2

Der Kläger reiste 1976 in das Bundesgebiet zu seinen Eltern ein. Seine Mutter war von 1969 bis 1982 als Arbeitnehmerin beschäftigt. Nach dem Besuch der Hauptschule schloss er eine Lehre als Elektrokaufmann ab. Im Dezember 1987 erhielt er eine Aufenthaltsberechtigung. Aus der im März 1988 geschlossenen Ehe mit einer türkischen Staatsangehörigen sind zwei Töchter hervorgegangen. Die Ehe wurde mittlerweile geschieden.

3

Der Kläger ist mehrfach strafrechtlich aufgefallen: Wegen Vergewaltigung seiner damaligen Ehefrau wurde er im November 2000 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Landgericht Krefeld verhängte gegen ihn im Oktober 2005 eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 11 Fällen und Körperverletzung. Dem Strafurteil ist zu entnehmen, dass der Kläger ab Januar 2004 Zeiten berufsbedingter Abwesenheit seiner Ehefrau zur Vornahme sexueller Handlungen an seiner älteren Tochter ausnutzte. Als er bemerkte, dass diese trotz des elterlichen Verbots Kontakt zu einem Jungen hatte, schlug er sie mit der Hand und der Faust ins Gesicht.

4

Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 2. Mai 2006 aus und drohte ihm für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Über die Ausweisung des assoziationsberechtigten Klägers sei im Ermessenswege zu entscheiden. Wegen der als Niederlassungserlaubnis fortgeltenden Aufenthaltsberechtigung genieße dieser besonderen Ausweisungsschutz, so dass er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden könne. Diese lägen in spezialpräventiver Ausprägung vor, denn der Schutz von Kindern vor Sexualdelikten und gewalttätigen Übergriffen sei eine überragend wichtige Aufgabe der Gemeinschaft und berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die den Ausweisungsanlass bildende Tat wiege schwer; besonders fielen die Ausnutzung der Vertrauensstellung, die Wehrlosigkeit des Opfers und die Intensität der Tatbegehung ins Gewicht. Angesichts der Gesamtpersönlichkeit des Klägers und seines bisherigen Verhaltens bestehe eine hohe Wiederholungsgefahr. Er sei einschlägig vorbestraft und habe weder Einsicht in das begangene Unrecht gezeigt noch seien eine Aufarbeitung der Geschehnisse und der Versuch einer Überwindung seiner Neigungen erkennbar. Trotz Verwurzelung in den hiesigen Verhältnissen sowie familiärer Bindungen sei die Ausweisung angesichts der künftig vom Kläger ausgehenden Gefahren für elementare Rechtsgüter auch mit Blick auf Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Die Ausweisung werde zunächst auf unbefristete Zeit ausgesprochen, da über eine Befristung erst nach positiven Veränderungen in der Person des Klägers entschieden werden könne. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Bezirksregierung Düsseldorf am 25. August 2006 zurück.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 16. Januar 2007 ab. Die auf § 55 AufenthG und Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gestützte Ermessensausweisung sei nicht zu beanstanden, weil der weitere Aufenthalt des Klägers eine tatsächliche und hinreichend schwere, das Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefährdung begründe. Die spezialpräventive Ausweisung stütze sich nicht allein auf die strafrechtliche Verurteilung. Vielmehr bestünden Anhaltspunkte dafür, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch neue Verfehlungen des Klägers drohe, wenn er zu seiner Familie und damit auch zu seiner jüngeren minderjährigen Tochter in das Umfeld komme, das seine Straftaten ermöglicht habe. Art. 8 EMRK und Art. 6 GG seien nicht verletzt, da bei der Abwägung die Art und Schwere der begangenen Straftaten sowie die Wiederholungsgefahr erheblich zulasten des Klägers ins Gewicht fielen.

6

Während des Berufungsverfahrens hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 7. März 2008 die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe wegen erhöhter Rückfallgefährdung des Klägers abgelehnt. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 13. Mai 2008 verworfen.

7

Mit Beschluss vom 5. September 2008 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat sich die Begründung des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht und darüber hinaus ausgeführt, dass das Ausweisungsverfahren nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens nicht zu beanstanden sei. Die Ausweisung sei auch materiell rechtmäßig, denn die Gefahrenprognose habe - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts - weiterhin Bestand. Der Kläger sei in erhöhtem Maße rückfallgefährdet. Dies verdeutlichten die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer sowie des Oberlandesgerichts Düsseldorf.

8

Auf die Revision des Klägers hat der Senat das Verfahren mit Beschluss vom 25. August 2009 - BVerwG 1 C 25.08 - (Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 53) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorgelegt, ob sich der Schutz vor Ausweisung gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zugunsten eines türkischen Staatsangehörigen, der eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80 gegenüber dem Mitgliedstaat besitzt, in dem er seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren gehabt hat, nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG richtet. Der EuGH hat die Frage mit Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08 - (Ziebell) in einem Parallelverfahren verneint und entschieden, dass Art. 14 ARB 1/80 einer Ausweisung nicht entgegensteht, sofern das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Der Senat hat daraufhin mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 den Vorlagebeschluss aufgehoben.

9

Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG (Vier-Augen-Prinzip), das nach der Stand-Still-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 weiter anzuwenden sei. Die Befassung der Widerspruchsbehörde im Nachgang zur Ausweisung genüge dem nicht. Bei der Gefahrenprognose seien auch nach der letzten Behördenentscheidung eingetretene Veränderungen zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, der sich nach der Entlassung aus der Strafhaft im September 2009 einer psychotherapeutischen Behandlung unterzogen und straffrei geführt habe. Klärungsbedürftig sei, was der EuGH in der Ziebell-Entscheidung mit der Schranke der Unerlässlichkeit der Ausweisung meine. Im Übrigen verstoße die unbefristete Ausweisung gegen das Übermaßverbot sowie Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Der Kläger sei faktischer Inländer, da er sich wirtschaftlich und sozial integriert habe. Schließlich verletze die Ausweisung Art. 24 Abs. 3 der Grundrechte-Charta. Hilfsweise begehrt der Kläger im Revisionsverfahren, die Wirkungen der Ausweisung mit sofortiger Wirkung zu befristen. Er habe einen Befristungsanspruch aus der Rückführungsrichtlinie sowie § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG i.d.F. des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011.

10

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt und hält die Revision für unbegründet.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers hat nur in geringem Umfang Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) die Ausweisung (1.) und die Abschiebungsandrohung (3.) als rechtmäßig angesehen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG i.d.F. des während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 ist der Beklagte jedoch zu verpflichten, die in Satz 1 und 2 der Vorschrift genannten Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von sieben Jahren zu befristen (2.).

12

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, des Befristungsbegehrens und der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Berufungsgerichts am 5. September 2008 (Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 12 für die Ausweisung; Urteil vom 22. März 2012 - BVerwG 1 C 3.11 - Rn. 13 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen - für die Abschiebungsandrohung). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 m.w.N.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl I S. 3044). Damit sind insbesondere auch die Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - zu beachten.

13

1. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig.

14

1.1 Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (ANBA 1981, 4 = InfAuslR 1982, 33) - ARB 1/80 -. Denn der Kläger besitzt eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80. Er ist im Alter von 12 Jahren zum Zweck der Familienzusammenführung erlaubt in das Bundesgebiet eingereist. Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass seine Mutter von 1969 bis 1982 dem regulären Arbeitsmarkt angehört hat. Der Kläger hat bei seinen Eltern gelebt und die Mindestaufenthaltszeiten des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erfüllt. Nach Abschluss der Lehre zum Elektrokaufmann greift auch Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 zu seinen Gunsten. Demzufolge kann der Kläger gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2012, 422). Das ist hier der Fall. Damit liegen auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vor.

15

1.2 Der Senat hat bereits in dem Vorlagebeschluss vom 25. August 2009 - BVerwG 1 C 25.08 - (Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 53 Rn. 21) darauf hingewiesen, dass die Vergewaltigung der Ehefrau und der mehrfache sexuelle Missbrauch der älteren Tochter einen Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht bilden. Das strafrechtlich geahndete persönliche Verhalten des Klägers begründet eine - über die mit jedem Rechtsverstoß verbundene Störung der öffentlichen Ordnung hinausgehende - tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter der sexuellen Selbstbestimmung und der körperlichen Integrität nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen sehr hohen Rang ein und lösen - insbesondere bei sexuellem Missbrauch von Minderjährigen - staatliche Schutzpflichten aus, die sich auch gegen die Eltern richten.

16

In dem Vorlagebeschluss (a.a.O. Rn. 22) hat der Senat des Weiteren ausgeführt, dass bei bedrohten Rechtsgütern mit einer hervorgehobenen Bedeutung für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr eher geringere Anforderungen gelten (ebenso Urteile vom 2. September 2009 - BVerwG 1 C 2.09 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 54 Rn. 17 und vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <305 f.>). An diesem differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung Kritik geäußert worden, da er dem Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten und der daher gebotenen engen Auslegung der unionsrechtlichen Rechtsgrundlagen für die Aufenthaltsbeendigung als ultima ratio nicht gerecht werde (VGH Mannheim, Urteile vom 4. Mai 2011 - 11 S 207/11 - NVwZ 2011, 1210 und vom 10. Februar 2012 - 11 S 1361/11 - NVwZ-RR 2012, 492). Dem vermag der Senat schon deshalb nicht zu folgen, da jede sicherheitsrechtliche Gefahrenprognose nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts eine Korrelation aus Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem) Schadensausmaß ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (Urteile vom 6. September 1974 - BVerwG 1 C 17.73 - BVerwGE 47, 31 <40>; vom 17. März 1981 - BVerwG 1 C 74.76 - BVerwGE 62, 36 <39> und vom 3. Juli 2002 - BVerwG 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347 <356>). Auch die den Gerichten der Mitgliedstaaten obliegende und auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O.), kann im Hinblick auf die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts den Rang des bedrohten Rechtsguts nicht außer Acht lassen, denn dieser bestimmt die mögliche Schadenshöhe. Das bedeutet aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet. Der Senat hat schon zu § 12 Abs. 3 AufenthG/EWG entschieden, dass im Hinblick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden dürfen (Urteil vom 27. Oktober 1978 - BVerwG 1 C 91.76 - BVerwGE 57, 61 <65>).

17

Diesen Maßgaben genügt die von dem Beklagten gestellte und von den Vorinstanzen bestätigte Prognose der konkreten Wiederholungsgefahr beim Kläger. Beklagter und Verwaltungsgericht haben die Tatumstände, die Persönlichkeitsstruktur des Klägers, bei dem Einsicht, Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Geschehenen fehlen, sowie die mangelnde Überwindung seiner Neigungen durch therapeutische Unterstützung umfassend gewürdigt. Das Berufungsgericht hat sich das zu eigen gemacht. Darüber hinaus hat es darauf abgestellt, dass die Strafvollstreckungskammer wegen der erhöhten Rückfallgefährdung des Klägers die Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung abgelehnt und die Justizvollzugsanstalt sich dahingehend geäußert hat, dass bereits eine Gewährung von Hafturlaub nicht kalkulierbare Sicherheitsrisiken berge. Auf der Grundlage dieser das Revisionsgericht bindenden tatrichterlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) zur erhöhten Rückfallgefährdung des Klägers ist auch nicht ansatzweise zu erkennen, dass das Berufungsgericht seiner Prognose zulasten des Klägers einen zu niedrigen und damit unzutreffenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt hat. Die ausführliche Würdigung der Persönlichkeit des Klägers und die aus konkreten Umständen abgeleitete Wiederholungsgefahr belegen, dass der Beklagte nicht allein die strafrechtliche Verurteilung zum Anlass für die ausschließlich spezialpräventiv motivierte Ausweisung genommen, sondern die zukünftig vom Kläger ausgehende Gefahr in den Blick genommen hat.

18

Entgegen der Auffassung des Klägers rechtfertigt die Zeitspanne, die infolge der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an den EuGH zwischen der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts und der Verhandlung vor dem Senat verstrichen ist, weder die Berücksichtigung der von ihm vorgetragenen neuen tatsächlichen Umstände im Revisionsverfahren noch eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht ist - abgesehen von Fällen begründeter Verfahrensrügen - entsprechend seiner vornehmlich auf die Rechtsprüfung beschränkten Aufgabenstellung nach § 137 Abs. 2 VwGO an die vom Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Diese das Rechtsmittel der Revision kennzeichnende Beschränkung führt dazu, dass das Revisionsgericht den Streitfall nicht in gleichem Umfang wie das Berufungsgericht prüft und dass es deshalb - im Gegensatz zum Berufungsgericht (§ 128 VwGO) - neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel nicht berücksichtigt (Urteil vom 3. Juni 1977 - BVerwG 4 C 37.75 - BVerwGE 54, 73 <75>). Dies schließt auch eine Zurückverweisung der Sache nur wegen nachträglicher Veränderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts grundsätzlich aus. Damit soll gleichzeitig der Gefahr einer "Endlosigkeit" des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgebeugt und verhindert werden, dass einer in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandenden Berufungsentscheidung nachträglich die Grundlage entzogen wird (Urteile vom 28. Februar 1984 - BVerwG 9 C 981.81 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 19 S. 48<51 f.> und vom 20. Oktober 1992 - BVerwG 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <105 f.>).

19

Die in § 137 Abs. 2 VwGO enthaltene revisionsrechtliche Sperre für die Berücksichtigung neuer tatsächlicher Umstände wird nicht dadurch überwunden, dass Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen das Vorliegen einer gegenwärtigen, d.h. aktuellen Gefahr verlangt (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 80, 82 und insbesondere Rn. 84). Damit wird der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachlage angesprochen, der infolge der der Verwaltungsgerichtsordnung zu entnehmenden Trennung zwischen Tatsacheninstanzen und Revisionsinstanz nur für Entscheidungen der Tatsachengerichte maßgeblich ist. Denn nur ihnen obliegt gemäß § 86 Abs. 1 und 2, §§ 108 und 128 VwGO die Erforschung des Sachverhalts und die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen im Wege freier richterlicher Beweiswürdigung. Diese Trennung der Funktionen von Tatsachen- und Rechtsinstanz wird durch das Unionsrecht nicht modifiziert, da es nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten ist, das gerichtliche Verfahrensrecht auch insoweit zu regeln, als es den Schutz von aus dem Unionsrecht erwachsenden individuellen Rechten gewährleisten soll. Dabei dürfen die prozessrechtlichen Regelungen jedoch nicht weniger günstig ausgestaltet sein als bei entsprechenden, nur auf nationales Recht gestützten Rechtsbehelfen (Äquivalenzgrundsatz). Zudem darf nach dem Effektivitätsgrundsatz die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden (EuGH, Urteile vom 12. Februar 2008 - Rs. C-2/06, Kempter - Slg. 2008, I-411 Rn. 57 und vom 10. April 2003 - Rs. C-276/01, Steffensen - Slg. 2003, I-3735 Rn. 60 ff. - jeweils m.w.N.). Beiden Grundsätzen wird die Bindung des Revisionsgerichts aus § 137 Abs. 2 VwGO auch in der vorliegenden Fallkonstellation gerecht. Die Eröffnung der auf eine reine Rechtskontrolle beschränkten dritten Instanz widerspricht auch nicht dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf aus Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh). Denn der dort niedergelegte Grundsatz effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes eröffnet dem Einzelnen den Zugang zu einem Gericht und nicht zu mehreren Gerichtsinstanzen (EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 - Rs. C-69/10, Samba Diouf - NVwZ 2011, 1380 Rn. 69). Er verlangt nicht, dass ein nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats eröffnetes Rechtsmittel wie die Revision eine Überprüfung der Tatsachen auf aktuellem Sachstand ermöglicht. Im Übrigen steht dem Kläger im Hinblick auf nach der Berufungsentscheidung eingetretene Umstände, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der von ihm ausgehenden Gefahr mit sich bringen können, die Möglichkeit zur Beantragung einer Verkürzung der von der Ausländerbehörde gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 - 5 AufenthG bereits mit der Ausweisung festzusetzenden Frist offen (dazu unter 2.).

20

1.3 Da der Kläger ein assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht besitzt, darf er nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Bei deren gerichtlicher Überprüfung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen (EuGH, Urteil vom Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 84; so bereits Urteil vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 29.02 - BVerwGE 121, 315 <320 f.>). Die Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde über den Erlass einer Ausweisung erfordert eine sachgerechte Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausreise mit den privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet. Zugunsten des Ausländers sind die Gründe für einen besonderen Ausweisungsschutz (§ 56 AufenthG) sowie die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Außerdem sind die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben, in die Abwägung einzustellen (§ 55 Abs. 3 AufenthG). Die von Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange auf Achtung des Privat- und Familienlebens sind dabei entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere bei im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen Ausländern, zumal wenn sie über keine Bindungen an das Land ihrer Staatsangehörigkeit verfügen.

21

Mit Blick auf diese Vorgaben hat der Senat bereits im Vorlagebeschluss vom 25. August 2009 (a.a.O. Rn. 24) ausgeführt, dass die Ermessensausübung des Beklagten nicht zu beanstanden ist. Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens werden angesichts der vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr für die hochrangigen Rechtsgüter der sexuellen Selbstbestimmung sowie der körperlichen Integrität von Frauen in seiner Umgebung nicht überschritten. Es begegnet keinen Bedenken, dass der Beklagte das durch den Rechtsgüterschutz geprägte und durch grundrechtliche Schutzpflichten zusätzlich verstärkte öffentliche Interesse daran, den Aufenthalt des Klägers zu beenden, höher gewichtet hat als dessen Interesse an einem Verbleib in Deutschland. Zwar schlägt sein über dreißigjähriger rechtmäßiger Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu seinen Gunsten zu Buche. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass er über ausreichende persönliche Bindungen in die Türkei verfügt, so dass ihm die Ausreise dorthin zumutbar ist. Der Schutz des Familienlebens und der elterlichen Sorge genießt hohe Bedeutung, verliert aber an Gewicht, wenn man das Kindeswohl der minderjährigen Tochter mitberücksichtigt, so dass die Aufenthaltsbeendigung auch im Hinblick auf Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 24 Abs. 3 der GRCh gerechtfertigt ist. In der Gesamtabwägung aller gegenläufigen Belange ist die Ausweisung verhältnismäßig und "unerlässlich" im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 86). Denn mit diesem Begriff hat der Gerichtshof lediglich die gebotene Abwägung der öffentlichen mit den privaten Interessen des Betroffenen, d.h. dessen tatsächlich vorliegende Integrationsfaktoren, im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesprochen (ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 10. Februar 2012 - 11 S 1361/11 - NVwZ-RR 2012, 492).

22

1.4 Die weiteren Rügen der Revision sind unbegründet; insbesondere ist das Ausweisungsverfahren fehlerfrei durchgeführt worden. Zwar war das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene "Vier-Augen-Prinzip" auf assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige zu übertragen (Urteil vom 13. September 2005 - BVerwG 1 C 7.04 - BVerwGE 124, 217 <221 f.> im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - Rs. C-136/03, Dörr und Ünal - Slg. 2005, I-4759 = NVwZ 2006, 72). In dem hier vorliegenden Fall hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid aber am 2. Mai 2006 und damit erst nach Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG zum 30. April 2006 (Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG) erlassen. Zu diesem Zeitpunkt galt Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr; stattdessen ist nunmehr Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG als unionsrechtlicher Bezugsrahmen für die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 heranzuziehen (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 79). Nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG steht langfristig Aufenthaltsberechtigten zur Überprüfung einer Ausweisung der Rechtsweg offen; die Beteiligung einer unabhängigen Stelle im Ausweisungsverfahren zur Prüfung der Zweckmäßigkeit der Maßnahme ist nicht vorgeschrieben.

23

Im Übrigen hat der Gerichtshof vor Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG die Anwendung des "Vier-Augen-Prinzips" auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige damit begründet, dass die im Rahmen von Art. 48 EGV eingeräumten Rechtspositionen so weit wie möglich auf assoziationsberechtigte türkische Arbeitnehmer übertragen werden müssen. Um effektiv zu sein, müssten diese (materiellen) Rechte von den türkischen Staatsangehörigen vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Zur Gewährleistung der Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes sei es unabdingbar, ihnen die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden. Daher müsse es ihnen ermöglicht werden, sich u.a. auf Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG zu berufen, da die Verfahrensgarantien untrennbar mit den materiellen subjektiven Rechten verbunden seien, auf die sie sich beziehen (EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 a.a.O. Rn. 62 und 67). Da Ausgangspunkt der Betrachtung des Gerichtshofs die Verfahrensgarantien sind, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, erweist sich seine Rechtsprechung zur Übertragung auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige schon im Ansatz offen für Fälle von Rechtsänderungen, die die Stellung der Unionsbürger betreffen. Für diese gewährleistet Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG gegen Entscheidungen, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung getroffen werden, einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde. Im Rechtsbehelfsverfahren sind nach Art. 31 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2004/38/EG die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und die Umstände zu überprüfen, auf denen die Entscheidung beruht. Nach Satz 2 gewährleistet das Rechtsbehelfsverfahren, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG nicht unverhältnismäßig ist. Demzufolge gebietet Unionsrecht bei Ausweisungen von Unionsbürgern keine behördliche Kontrolle mehr nach dem "Vier-Augen-Prinzip". Dann können assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige nach der dynamisch angelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Übertragung von Rechten auf diese Gruppe keine bessere verfahrensrechtliche Rechtsstellung beanspruchen.

24

Demgegenüber beruft sich der Kläger auf die Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP. Gemäß Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Gemäß Art. 41 Abs. 1 ZP werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Aus diesen Stand-Still-Klauseln ergibt sich nach Auffassung des Klägers, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG bei der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger weiterhin anzuwenden sei. Dem folgt der Senat nicht.

25

Gegen die Auffassung des Klägers spricht bereits, dass Art. 13 ARB 1/80 seinem Wortlaut nach nur die Mitgliedstaaten, nicht aber die Europäische Union verpflichtet. Art. 41 Abs. 1 ZP betrifft sachlich nur Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, nicht aber die der Arbeitnehmerfreizügigkeit zuzurechnende aufenthaltsrechtliche Stellung aus Art. 7 ARB 1/80. Des Weiteren erscheint fraglich, ob die auf den Zugang zum Arbeits- bzw. Binnenmarkt zugeschnittenen Stand-Still-Klauseln überhaupt Verfahrensregelungen bei der Aufenthaltsbeendigung erfassen (vgl. Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn. 20 zu den gesetzlichen Erlöschenstatbeständen für Aufenthaltstitel) und ob die Aufhebung des "Vier-Augen-Prinzips" mit Blick auf die gerichtliche Überprüfbarkeit nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG eine merkliche Verschlechterung der Rechtsposition darstellt. Das kann aber dahinstehen, da die weitere Anwendung des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige selbst bei Annahme einer rechtserheblichen Verschlechterung gegen Art. 59 ZP verstoßen würde. Nach dieser Vorschrift darf der Türkei in den von diesem Protokoll erfassten Bereichen keine günstigere Behandlung gewährt werden als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander aufgrund des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft einräumen. Das wäre aber bei weiterer Anwendung des "Vier-Augen-Prinzips" im Vergleich zu den Verfahrensrechten von Unionsbürgern aus Art. 31 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG - wie oben dargelegt - der Fall.

26

Im Übrigen entspricht das im vorliegenden Fall durchgeführte Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO den Anforderungen der in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltenen Verfahrensgarantien (Urteil vom 13. September 2005 a.a.O. S. 221 f.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat mangels durchgreifender neuer Argumente der Revision fest.

27

2. Auf den Hilfsantrag des Klägers, mit dem dieser die Befristung der Wirkungen der Ausweisung mit sofortiger Wirkung begehrt, ist die Beklagte zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von sieben Jahren zu befristen. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.

28

2.1 Der erst in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag ist zulässig. Das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren in § 142 VwGO steht dem nicht entgegen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift soll sich das Revisionsgericht grundsätzlich auf die rechtliche Prüfung des in der Vorinstanz bereits erörterten und aufbereiteten Streitstoffes beschränken, um nicht wegen eines erstmals im Revisionsverfahren gestellten Klageantrags ohne weitere Rechtsprüfung zu einer Zurückverweisung gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO gezwungen zu sein (Urteil vom 14. April 1989 - BVerwG 4 C 21.88 - Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 21 = NVwZ 1990, 260<261>). Eine solche Situation liegt aber hier nicht vor. Während des Revisionsverfahrens ist § 11 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 in der Weise geändert worden, dass der Kläger nunmehr einen Anspruch auf gleichzeitige Befristung der in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung hat (s.u. 2.2.2). Dieser Änderung des materiellen Rechts trägt der gestellte Hilfsantrag Rechnung. Durch dessen Einbeziehung wird der Streitstoff auch nicht verändert, da der Befristungsanspruch in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich auf dem gegen die Ausweisung gerichteten Anfechtungsbegehren aufbaut (vgl. Urteil vom 26. Januar 1995 - BVerwG 3 C 21.93 - BVerwGE 97, 331 <342>).

29

2.2 Der Hilfsantrag ist nur in geringem Umfang begründet. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt nach Satz 6 mit der Ausreise. Nach Satz 7 erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.

30

2.2.1 Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 haben Ausländer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet (Weiterentwicklung der Rechtsprechung im Urteil vom 14. Februar 2012 - BVerwG 1 C 7.11 - juris Rn. 28 f.). Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

31

Die Regelungen zur Befristung der Wirkungen einer Ausweisung und Abschiebung sind seit dem Ausländergesetz 1965 kontinuierlich zugunsten der betroffenen Ausländer verbessert worden. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 stand die Befristung der Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung noch vollumfänglich im Ermessen der Ausländerbehörde. § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990 sah vor, dass auf Antrag eine Befristung in der Regel erfolgte (ebenso § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG 2004); die Länge der Frist lag im Auswahlermessen der Behörde. Diese Entwicklung belegt die gewachsene Sensibilität des Gesetzgebers für die Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung in zeitlicher Dimension angesichts der einschneidenden Folgen für die persönliche Lebensführung des Ausländers und die ihn ggf. treffenden sozialen, familiären und wirtschaftlichen Nachteile (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1979 - 1 BvR 650/77 - BVerfGE 51, 386 <398 ff.>). Denn typischerweise genügt eine zeitlich befristete Ausweisung zur Erreichung der mit dieser ordnungsrechtlichen Maßnahme verfolgten präventiven Zwecke (Urteile vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 13.99 - BVerwGE 110, 140 <147> und vom 11. August 2000 - BVerwG 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <371 ff.>).

32

Die Befristung der Wirkungen der Ausweisung setzte nach den bisher geltenden Vorschriften grundsätzlich die vorherige Ausreise des Ausländers voraus (Beschluss vom 17. Januar 1996 - BVerwG 1 B 3.96 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 5; Urteil vom 7. Dezember 1999 a.a.O. S. 147; vgl. auch BTDrucks 11/6321 S. 57 zu § 8 Abs. 2 AuslG 1990). Die gesetzliche Systematik von Ausweisung und Befristung war zweitaktig angelegt, da im Zeitpunkt des Erlasses einer (auch) spezialpräventiv motivierten Ausweisung typischerweise kaum zu prognostizieren ist, wie der Betroffene sich zukünftig verhalten wird. Das Verhalten nach der Ausweisung ist aber neben dem Gewicht des Ausweisungsgrundes, der Berücksichtigung des Ausweisungszwecks und der Folgenbetrachtung im Hinblick auf das Übermaßverbot einer der für die Fristbestimmung maßgeblichen Faktoren (Urteil vom 11. August 2000 a.a.O. S. 372 ff.). Die im Gesetz angelegte Trennung von Ausweisung einerseits und Befristung ihrer Wirkungen andererseits hat zur Folge, dass eine fehlerhafte Befristungsentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit der Ausweisung führt, sondern selbstständig angreifbar ist (Beschlüsse vom 31. März 1981 - BVerwG 1 B 853.80 - Buchholz 402.24 § 15 AuslG Nr. 3 und vom 10. Dezember 1993 - BVerwG 1 B 160.93 - Buchholz 402.240 § 47 AuslG 1990 Nr. 2; Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 30).

33

Der Senat hat bereits zur früheren Rechtslage mehrfach entschieden, dass die Ausländerbehörde zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Einzelfall auch von Amts wegen verpflichtet sein kann, die Wirkungen der Ausweisung schon bei Erlass der Ausweisung zu befristen. Ob dies erforderlich war, hing bei einer spezialpräventiven Ausweisung von den gesamten Umständen des Einzelfalles, insbesondere dem Ausmaß der von dem Ausländer ausgehenden Gefahr, der Vorhersehbarkeit der zukünftigen Entwicklung dieser Gefahr und den schutzwürdigen Belangen des Ausländers und seiner Angehörigen ab (Urteile vom 15. März 2005 - BVerwG 1 C 2.04 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 42, vom 23. Oktober 2007 - BVerwG 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367 Rn. 18 und vom 2. September 2009 - BVerwG 1 C 2.09 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 54 Rn. 25 sowie Beschluss vom 20. August 2009 - BVerwG 1 B 13.09 - Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 4 Rn. 8). Bei einer allein generalpräventiv motivierten Ausweisung eines Ausländers mit besonderem Ausweisungsschutz war es demgegenüber regelmäßig geboten, über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung von Amts wegen zugleich mit der Ausweisung zu entscheiden. Denn in diesen Fällen lässt sich bereits in dem für die Ausweisung maßgeblichen Zeitpunkt beurteilen, wie lange der Betroffene unter Berücksichtigung seiner schutzwürdigen privaten Belange vom Bundesgebiet ferngehalten werden muss, um die notwendige generalpräventive Wirkung zu erzielen, so dass es unverhältnismäßig wäre, ihn über diesen für seine Lebensplanung wichtigen Umstand im Unklaren zu lassen (Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 29). Sowohl bei der generalpräventiven als auch bei der spezialpräventiven Ausweisung kann der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. Art. 6 GG ausnahmsweise sogar die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung "auf Null" gebieten, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet ist (Urteil vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226 LS 4 und Rn. 28).

34

Das Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 hat die Rechtslage für die betroffenen Ausländer weiter verbessert: § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. verschafft dem Betroffenen nunmehr - vorbehaltlich der Ausnahmen in Satz 7 der Vorschrift - einen uneingeschränkten, auch hinsichtlich der Dauer der Befristung voller gerichtlicher Überprüfung unterliegenden Befristungsanspruch (Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 32 f. - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen). Zugleich ist hinsichtlich der Dauer der Frist geregelt, dass diese unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen ist und fünf Jahre nur überschreiten darf, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (§ 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG n.F.).

35

Diese Änderungen des § 11 AufenthG dienen der Umsetzung der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 - Rückführungsrichtlinie (ABl EU Nr. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98). Diese Richtlinie, die auf Art. 63 Abs. 3 Buchst. b EG (jetzt: Art. 79 Abs. 2 Buchst. c AEUV) gestützt ist und die illegale Einwanderung bekämpfen soll, ergänzt die Migrationspolitik um eine wirksame Rückkehrpolitik mit klaren, transparenten und fairen Vorschriften (4. Erwägungsgrund). Die Richtlinie findet gemäß Art. 2 Abs. 1 - vorbehaltlich der Opt-out-Klausel in Absatz 2 der Vorschrift - Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese die Voraussetzungen für die Einreise bzw. den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllen (5. Erwägungsgrund). Im Einklang mit allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts sollen Entscheidungen gemäß dieser Richtlinie auf Grundlage des Einzelfalls und anhand objektiver Kriterien getroffen werden (6. Erwägungsgrund). Um die Interessen der Betroffenen wirksam zu schützen, sollen für Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr eine Reihe gemeinsamer rechtlicher Mindestgarantien gelten (11. Erwägungsgrund). Die Wirkung der einzelstaatlichen Rückführungsmaßnahmen soll einen europäischen Zuschnitt erhalten (14. Erwägungsgrund). Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie definiert die Rückkehrentscheidung als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird. Rückkehrentscheidungen gehen in den in Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie genannten Fällen mit einem Einreiseverbot einher; gemäß Satz 2 der Vorschrift können sie in anderen Fällen mit einem Einreiseverbot einhergehen. Das Einreiseverbot definiert Art. 3 Nr. 6 der Richtlinie als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt werden und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Die Dauer des Einreiseverbots wird gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Die Dauer des Einreiseverbots kann jedoch nach Satz 2 der Vorschrift fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Verfahrensrechtlich garantiert Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie die Möglichkeit der Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs gegen Entscheidungen nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie, also Rückkehrentscheidungen sowie ggf. Entscheidungen über ein Einreiseverbot oder eine Abschiebung.

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Die Begründung des Gesetzentwurfs zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 geht davon aus, dass große Teile der in der Rückführungsrichtlinie enthaltenen Vorgaben durch die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zur Aufenthaltsbeendigung bereits erfüllt werden. Da die Richtlinie - anders als das geltende Aufenthaltsrecht mit der Differenzierung zwischen Ausreisepflichten kraft Verwaltungsakts und kraft Gesetzes - eine "Rückkehrentscheidung" verlange, an die unterschiedliche prozedurale bzw. formelle Garantien geknüpft würden, seien punktuelle gesetzliche Anpassungen erforderlich. Diese erfolgten jedoch innerhalb der geltenden Systematik, indem sie an den die Ausreisepflicht begründenden Verwaltungsakt (z.B. Ausweisung) oder an die Abschiebungsandrohung nach § 59 des Aufenthaltsgesetzes geknüpft würden. Die Umsetzung der Rückführungsrichtlinie erfordere darüber hinaus die Einführung einer Regelobergrenze von fünf Jahren für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG (BTDrucks 17/5470 S. 17).

37

Das macht deutlich, dass sich der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 11 AufenthG auch hinsichtlich der in Absatz 1 Satz 1 und 2 der Vorschrift genannten gesetzlichen Folgen der Ausweisung und deren Befristung an den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Rückkehrentscheidung orientiert hat. Im Regelungsmodell der Richtlinie ist das Einreiseverbot jedoch als antragsunabhängige, mit einer Rückkehrentscheidung von Amts wegen einhergehende Einzelfallentscheidung ausgestaltet, in der die Dauer der befristeten Untersagung des Aufenthalts in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt wird (Art. 3 Nr. 6 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie). Aus der Absicht des Gesetzgebers, dieses Modell trotz der beibehaltenen systematischen Trennung von Ausweisung und Befristung nachzuvollziehen, ergeben sich zwei Konsequenzen: Zum einen gebietet § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. den gleichzeitigen Erlass von Ausweisung und Befristung. Zum anderen genügt für den in dieser Vorschrift vorgesehenen Antrag jede Form der Willensbekundung des Betroffenen, mit der dieser sich gegen eine Ausweisung wendet (anders noch zu § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990: Beschluss vom 14. Juli 2000 - BVerwG 1 B 40.00 - Buchholz 402.240 § 8 AuslG Nr. 18). Dieser Auslegungsbefund des einfachen Rechts trägt zugleich der besonderen Bedeutung der Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK Rechnung. Denn der EGMR zieht die Frage der Befristung bei der Prüfung von Ausweisungen am Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK als ein wesentliches Kriterium heran (EGMR, Urteile vom 17. April 2003 - Nr. 52853/99, Yilmaz/Deutschland - NJW 2004, 2147; vom 27. Oktober 2005 - Nr. 32231/02, Keles/Deutschland - InfAuslR 2006, 3 <4>; vom 22. März 2007 - Nr. 1638/03, Maslov/Österreich - InfAuslR 2007, 221 <223> und vom 25. März 2010 - Nr. 40601/05, Mutlag/Deutschland - InfAuslR 2010, 325 <327>). Diese grund- und menschenrechtlichen Impulse verbunden mit der Absicht des Gesetzgebers, sich am Regelungsmodell der Rückführungsrichtlinie zu orientieren, führen in der Gesamtschau zu dem Ergebnis, dass der Erlass einer Entscheidung zur Befristung der Wirkungen einer Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht mehr die vorherige Ausreise des Ausländers voraussetzt.

38

Dagegen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, aus § 11 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ergebe sich, dass der Gesetzgeber nach wie vor von einer nachträglichen Befristung ausgehe. Nach dieser Vorschrift ist bei der Bemessung der Fristlänge zu berücksichtigen, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Es liegt auf der Hand, dass sich diese Umstände erst nach Erlass der Ausweisung feststellen lassen. Dennoch läuft die Vorschrift bei gleichzeitigem Erlass von Ausweisung und Befristung nicht leer. Denn die Ausländerbehörde hat ihre zusammen mit der Ausweisung getroffene Befristungsentscheidung, die sich u.a. auf eine Prognose des künftigen Verhaltens des Ausländers stützt und die Folgen der Ausweisung im Hinblick auf das zeitliche Übermaßverbot berücksichtigt, auf Antrag zu überprüfen und ggf. neu zu fassen, wenn einer der für die Fristbestimmung maßgeblichen Faktoren sich im Nachhinein ändert. Neben nachgewiesenen entscheidungserheblichen Änderungen der Sachlage kennzeichnet § 11 Abs. 1 Satz 5 AufenthG einen zusätzlichen Punkt, der von der Ausländerbehörde bei einer nachträglich beantragten Verkürzung der Frist zu berücksichtigen ist. Im Übrigen haben auch die Gerichte bei ihrer Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Befristungsentscheidung, die auch hinsichtlich der Bemessung der Fristdauer seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht mehr im Ermessen der Ausländerbehörde steht (Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 31), die rechtzeitige und freiwillige Ausreise des Betroffenen zu berücksichtigen.

39

2.2.2 Fehlt die notwendige Befristung der Wirkungen der Ausweisung, hat das aber auch nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht zur Folge, dass die - als solche rechtmäßige - Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr kann der Ausländer zugleich mit Anfechtung der Ausweisung seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gerichtlich durchsetzen (Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 30). Damit wird dem sich aus dem materiellen Recht ergebenden Anspruch des Betroffenen auf gleichzeitige Entscheidung über die Ausweisung und die Befristung ihrer Wirkungen Rechnung getragen und die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung im Ergebnis gewährleistet. Diese verfahrensrechtliche Ausgestaltung entspricht der gesetzlichen Systematik, die nach wie vor zwei getrennte Verwaltungsakte - die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits - vorsieht (s.o. Rn. 32). Prozessual wird dieses Ergebnis dadurch sichergestellt, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen gesehen wird, sofern eine solche nicht bereits von der Ausländerbehörde verfügt worden ist. Das Prozessrecht muss gewährleisten, dass der Ausländer gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht auf ein eigenständiges neues Verfahren verwiesen wird. Daher ist im Fall der gerichtlichen Bestätigung der Ausweisung auf den Hilfsantrag zugleich eine Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu treffen.

40

Erachtet das Gericht die Ausweisung für rechtmäßig, hat es auf den Hilfsantrag des Betroffenen hin die Befristungsentscheidung der Ausländerbehörde vollumfänglich zu überprüfen. Hat eine Ausländerbehörde eine zu lange Frist festgesetzt oder fehlt - wie hier - eine behördliche Befristungsentscheidung, hat das Gericht über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden und die Ausländerbehörde zu einer entsprechenden Befristung der Ausweisung zu verpflichten (Weiterentwicklung des Urteils vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 31).

41

2.2.3 Der Senat hält im vorliegenden Fall - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts und auf der Grundlage von dessen tatsächlichen Feststellungen - eine Frist von sieben Jahren für angemessen.

42

Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (zu der zuletzt genannten Voraussetzung vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG). Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Fall bedeutsame Gefahrenschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und ggf. relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. Urteile vom 11. August 2000 - BVerwG 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> und vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 19 ff.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen bzw. von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts zu überprüfen oder bei fehlender behördlicher Befristungsentscheidung - wie hier - durch eine eigene Abwägung als Grundlage des Verpflichtungsausspruchs zu ersetzen.

43

Die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren ist im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, da von dem Kläger - im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts - eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht; das ergibt sich aus den Ausführungen zu den Ausweisungsvoraussetzungen. Wegen des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter und der vom Berufungsgericht festgestellten hohen Wiederholungsgefahr erachtet der Senat auch im Hinblick auf die familiären und persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet einen Zeitraum von sieben Jahren für erforderlich, um dem hohen Gefahrenpotential in der Person des Klägers Rechnung tragen zu können. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Rückfallgefahr bei Delikten dieser Art, des Alters des Klägers, seines (Nach-)Tatverhaltens ohne therapeutische Auf- und Verarbeitung des Geschehens sowie seines familiären Umfelds ist nicht zu erwarten, dass er die hier maßgebliche Gefahrenschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vor Ablauf der festgesetzten Frist unterschreiten wird. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte auf den bei ihm während des Revisionsverfahrens gestellten Befristungsantrag auf aktueller Tatsachengrundlage zu prüfen hat, ob sich aus dem Vorbringen des Klägers zur Entwicklung seit dem 5. September 2008 Anhaltspunkte für eine Verkürzung der Frist ergeben.

44

3. Die Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig. Der Kläger ist ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG), da infolge der Ausweisung seine gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgeltende Aufenthaltsberechtigung erloschen ist (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die im angefochtenen Bescheid vom Beklagten getroffene Festsetzung der Ausreisefrist von einem Monat legt der Senat in Übereinstimmung mit § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. zugunsten des Klägers dahingehend aus, dass ihm eine Frist von 31 Tagen für die freiwillige Ausreise zur Verfügung steht.

45

4. Die Frage, ob die Ausweisung, die Befristung ihrer Wirkungen und die Abschiebungsandrohung an den Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie zu messen sind, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Der Senat ist bisher davon ausgegangen, dass die Rückführungsrichtlinie, die von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG bis zum 24. Dezember 2010 umzusetzen war, für davor erlassene und mit der Klage angegriffene Abschiebungsandrohungen keine Geltung beansprucht (Urteile vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 35 und vom 22. März 2012 a.a.O. Rn. 15; a.A. VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2012 - 11 S 4/12 - juris Rn. 49 ff.; vgl. auch VerwGH Wien, Urteile vom 16. Juni 2011 - Az. 2011/18/0064 - und vom 20. März 2012 - Az. 2011/21/0298). Für den sachlichen Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie ist zudem umstritten, ob die Ausweisung als Rückkehrentscheidung i.S.d. Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2008/115/EG angesehen werden kann (dafür: Basse/Burbaum/Richard, ZAR 2011, 361<364>; Hörich, ZAR 2011, 281 <284 Fn. 45>; dagegen: VGH Mannheim, Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 - NVwZ-RR 2012, 412; offen: OVG Münster, Urteil vom 22. März 2012 - 18 A 951/09 - juris Rn. 88). Das alles kann indes hier dahinstehen. Denn selbst wenn man die intertemporale Geltung und die sachliche Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie auf die (Wirkungen der) Ausweisung und die Abschiebungsandrohung unterstellt, verhilft das der Revision im vorliegenden Fall nicht in weitergehendem Umfang zum Erfolg. Da der Kläger mit seinem Hilfsantrag die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. gebotene Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung zusammen mit deren gerichtlicher Prüfung durchsetzen kann, wird den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie im Ergebnis Genüge getan. In dem hier vorliegenden Fall konnte die Dauer des Einreiseverbots auch die Regelfrist von fünf Jahren überschreiten, da der Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung i.S.d. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG darstellt.

46

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat gewichtet den gegen die Ausweisung und die Abschiebungsandrohung gerichteten Anfechtungsantrag mit 4/5 und den auf Befristung zielenden Verpflichtungsantrag mit 1/5. Nachdem der Kläger aber mit seinem Hilfsantrag nur zum Teil obsiegt hat, hat er 9/10 der Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen.

(2) Neben dem Ausländer haftet für die in Absatz 1 bezeichneten Kosten, wer sich gegenüber der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung verpflichtet hat, für die Ausreisekosten des Ausländers aufzukommen.

(3) In den Fällen des § 64 Abs. 1 und 2 haftet der Beförderungsunternehmer neben dem Ausländer für die Kosten der Rückbeförderung des Ausländers und für die Kosten, die von der Ankunft des Ausländers an der Grenzübergangsstelle bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehen. Ein Beförderungsunternehmer, der schuldhaft einer Verfügung nach § 63 Abs. 2 zuwiderhandelt, haftet neben dem Ausländer für sonstige Kosten, die in den Fällen des § 64 Abs. 1 durch die Zurückweisung und in den Fällen des § 64 Abs. 2 durch die Abschiebung entstehen.

(4) Für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung haftet:

1.
wer als Arbeitgeber den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war;
2.
ein Unternehmer, für den ein Arbeitgeber als unmittelbarer Auftragnehmer Leistungen erbracht hat, wenn ihm bekannt war oder er bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass der Arbeitgeber für die Erbringung der Leistung den Ausländer als Arbeitnehmer eingesetzt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war;
3.
wer als Generalunternehmer oder zwischengeschalteter Unternehmer ohne unmittelbare vertragliche Beziehungen zu dem Arbeitgeber Kenntnis von der Beschäftigung des Ausländers hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war;
4.
wer eine nach § 96 strafbare Handlung begeht;
5.
der Ausländer, soweit die Kosten von den anderen Kostenschuldnern nicht beigetrieben werden können.
Die in Satz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Personen haften als Gesamtschuldner im Sinne von § 421 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(4a) Die Haftung nach Absatz 4 Nummer 1 entfällt, wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 4a Absatz 5 sowie seiner Meldepflicht nach § 28a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den §§ 6, 7 und 13 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung oder nach § 18 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nachgekommen ist, es sei denn, er hatte Kenntnis davon, dass der Aufenthaltstitel oder die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers gefälscht war.

(5) Von dem Kostenschuldner kann eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Ausländers oder des Kostenschuldners nach Absatz 4 Satz 1 und 2 kann von der Behörde, die sie erlassen hat, ohne vorherige Vollstreckungsanordnung und Fristsetzung vollstreckt werden, wenn andernfalls die Erhebung gefährdet wäre. Zur Sicherung der Ausreisekosten können Rückflugscheine und sonstige Fahrausweise beschlagnahmt werden, die im Besitz eines Ausländers sind, der zurückgewiesen, zurückgeschoben, ausgewiesen oder abgeschoben werden soll oder dem Einreise und Aufenthalt nur wegen der Stellung eines Asylantrages gestattet wird.

(1) Die Kosten der Abschiebung, Zurückschiebung, Zurückweisung und der Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung umfassen

1.
die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets und bis zum Zielort außerhalb des Bundesgebiets,
2.
die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und der Übersetzungs- und Dolmetscherkosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers sowie
3.
sämtliche durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten.

(2) Die Kosten, für die der Beförderungsunternehmer nach § 66 Abs. 3 Satz 1 haftet, umfassen

1.
die in Absatz 1 Nr. 1 bezeichneten Kosten,
2.
die bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehenden Verwaltungskosten und Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers und Übersetzungs- und Dolmetscherkosten und
3.
die in Absatz 1 Nr. 3 bezeichneten Kosten, soweit der Beförderungsunternehmer nicht selbst die erforderliche Begleitung des Ausländers übernimmt.

(3) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Kosten werden von der nach § 71 zuständigen Behörde durch Leistungsbescheid in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben. Hinsichtlich der Berechnung der Personalkosten gelten die allgemeinen Grundsätze zur Berechnung von Personalkosten der öffentlichen Hand.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.