Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 08. Jan. 2019 - M 7 K 17.1334

bei uns veröffentlicht am08.01.2019

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Bescheid der Kriminalpolizeiinspektion Ingolstadt - K 5 vom 3. März 2017 wird in den Nrn. 2 und 3 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Vorladung zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen.

Mit Bescheid vom 3. März 2017 forderte die Kriminalpolizeiinspektion Ingolstadt - K 5 (im Folgenden: KPI) den Kläger auf, sich nach telefonischer Anmeldung bei der KPI zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen (Aufnahme von Lichtbildern, Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken sowie Vornahme von Messungen und Personenbeschreibungen) einzufinden (Nr. 1). Für den Fall, dass der Kläger dieser Vorladung bis spätestens 7. April 2017 ohne ausreichenden Grund keine Folge leisten sollte, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- Euro angedroht und festgesetzt. Für den Fall, dass der Kläger weiterhin nicht zur erkennungsdienstlichen Behandlung erscheine, werde wöchentlich ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 50,- Euro fällig (Nr. 2). Für den Fall, dass die erkennungsdienstliche Behandlung unentschuldigt nicht bis 21. April 2017 nach Vollstreckbarkeit des Bescheids erfolgt sein sollte, werde sie mittels unmittelbaren Zwangs durchgesetzt. Für die Anwendung unmittelbaren Zwangs würden Kosten gemäß Art. 58 Abs. 3 PAG erhoben (Nr. 3).

Als Begründung wurde ausgeführt, die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen beruhe auf § 81b Alt. 2 StPO. Diese würde nicht der Strafverfolgung, sondern präventiven Zwecken dienen. Der Kläger sei Beschuldigter in dem bei der Staatsanwaltschaft Ingolstadt unter dem Aktenzeichen Az.: 25 Js 1193/17 anhängigen Ermittlungsverfahren wegen versuchter Erpressung. Dieser habe am 1. April 2015 im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens dem zuständigen Gerichtsvollzieher eine schriftliche Erklärung übersandt, in der er u.a. einen Nachweis dessen amtlicher Legitimation gefordert habe. Bei Nichterfüllung der Forderung sei dies die Zustimmung zu einem privaten Pfandrecht in Höhe von 300.000,- Euro. Die Wiederholungsgefahr folge daraus, dass der Kläger in der Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. So habe er im Zeitraum 20. bis 23. September 2013 eine weibliche Person mehrfach beleidigt und sei hierfür mit Entscheidung des Amtsgerichts Ingolstadt (Az.: 4 Cs 23 Js 16777/13) vom 27. März 2014 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden. Auch habe der Kläger am 23. Dezember 2012 mehrere Personen beleidigt und sei deshalb mit Strafbefehl des Amtsgerichts Ingolstadt (Az.: 4 Cs 24 Js 1665/13) vom 24. April 2013 zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt worden. Außerdem habe der Kläger am 5. März 2004 einer männlichen Person mit einem Messer mehrfach in den Oberkörper gestochen und dieser hierdurch erhebliche Verletzungen zugefügt. Auf Grund dessen sei er wegen gefährlicher Körperverletzung durch das Landgericht Ingolstadt (Az.: 1 Ks Js 10399/04; gemeint wohl: 1 Kls 11 Js 10399/04) am 10. Januar 2006 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Selbst empfindliche Freiheitsstrafen sowie wiederholte Geldstrafen würden den Kläger nicht davon abhalten, weitere Straftaten zu begehen. Daher lägen keinerlei Hinweise vor, dass er sein kriminelles Verhalten ändern oder gar ablegen würde. Vielmehr ließen die bisherigen Straftaten den Schluss zu, dass sich darin ein allgemeines Verhaltensmuster offenbare. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei insgesamt verhältnismäßig. Das erkennungsdienstliche Material sei geeignet und auch erforderlich, den Kläger aufgrund des erhöhten Entdeckungsrisikos von neuen Taten abzuhalten sowie bei neuen Taten als Täter zu überführen. Andere, weniger einschneidende, aber gleich geeignete Mittel seien auch deshalb nicht ersichtlich, weil der Kläger die mit formloser Vorladung vom 1. März 2017 angebotene freiwillige erkennungsdienstliche Behandlung abgelehnt habe. Schließlich sei die erkennungsdienstliche Behandlung angemessen. Zwar sei diese ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und mit einem Abschreckungseffekt verbunden, der das Verhalten des Betroffenen beeinflussen könne. Auch bestehe die Gefahr, dass der Betroffene weiteren strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt werde. Die erkennungsdienstliche Behandlung erfolge jedoch nicht anlasslos, sondern aufgrund des geschilderten Verhaltens. Aus diesem ergebe sich auch zukünftig eine Gefahr für die Gemeinschaft. Das legitime öffentliche Interesse, vor solchen Gefahren geschützt zu werden, überwiege das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Schwere des Eingriffs werde dadurch gemindert, dass mit der erkennungsdienstlichen Behandlung nur eine kurze Freiheitsbeschränkung verbunden, das erkennungsdienstliche Material nur bei der Polizei gespeichert und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sei. Zwar sei der Kläger am 8. Juni 2001 bereits erkennungsdienstlich behandelt worden. Inzwischen sei jedoch ein Zeitraum von fast 16 Jahren vergangen. In dieser Zeit verändere sich das Aussehen eines Menschen. Des Weiteren könnten sich auch Finger- und Handflächenabdrücke im Laufe der Jahre durch Verletzungen an der Hand verändern. Um eine effektive Ermittlungsarbeit leisten zu können, müsse die Polizei bezüglich der Fingerabdrücke auf möglichst verlässliche Daten zurückgreifen können. Darüber hinaus könnten Handflächenabdrücke erst seit dem Jahr 2003 abgeglichen werden. Die Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 56 und 59 PAG, die Androhung des unmittelbaren Zwangs auf Art. 58 und 59 PAG.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 30. März 2017 Klage erhoben.

Der Kläger trägt vor, die Voraussetzungen für eine erkennungsdienstliche Behandlung nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 PAG seien nicht erfüllt, da er seine Identität vollumfänglich preisgegeben habe und auch sonst keinerlei Hinweise ersichtlich seien, weswegen eine derartige Feststellung nicht möglich sein solle. Auch die Voraussetzungen nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 PAG seien nicht erfüllt. Aufgrund seiner Vorstrafen seien die Voraussetzungen formelhaft bejaht worden. Dies könne einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten. Der Geschädigte der Beleidigung habe ihn aufgrund einer erkennungsdienstlichen Maßnahme identifizieren können, die vor 16 Jahren durchgeführt worden sei. Insofern mangle es an der Erforderlichkeit zur Bekämpfung von Straftaten. Darüber hinaus wäre - aufgrund des Delikts der Beleidigung - eine Identitätsfeststellung eine unverhältnismäßige Maßnahme. Überdies habe sich die Polizei von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Erst nachdem er mitgeteilt habe, dass er keinerlei Angaben zur Sache machen und zur Vernehmung nicht erscheinen werde, habe man diese Maßnahme angeordnet. Die Maßnahme erfolge deswegen schikanös und nicht zu dem Zweck sie zur Verfolgung von Straftaten und zur Verhinderung künftiger Straftaten einzusetzen. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2018 ergänzte der Kläger, dass die Behauptung der Kriminalpolizei, dass er ein Reichsbürger sei, nicht zutreffe, da sog. Reichsbürger sich nicht an geltende Gesetze halten und den Rechtsweg ablehnen würden. Die Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung beweise jedoch, dass er den Rechtsstaat annehme. Die Kriminalpolizei versuche ihn als kritischen Bürger, der sich auch öffentlich zur politischen Lage in Deutschland äußere mit - auf bloßen Behauptungen Dritter beruhender - Hausdurchsuchungen sowie ungerechtfertigten Ermittlungsverfahren mundtot zu machen und einzuschüchtern. Eine kritische, ja sogar ablehnende Betrachtung des Staates sei jedoch kein Grund für eine schikanöse Behandlung seitens von Polizei und Behörden. Sogar im Grundgesetz sei die Möglichkeit enthalten eine neue Verfassung für Deutschland zu erarbeiten, solange dies nicht die Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes entwerte. Zu den darin enthaltenen Grundsätzen stehe er als überzeugter Anhänger der Demokratie.

Der Kläger beantragt,

Der Bescheid vom 3. März 2017 wird aufgehoben.

Die Beklagte beantragt,

Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte nimmt zur Begründung Bezug auf den Vorladungsbescheid sowie auf die Entscheidung des Gerichts über den Prozesskostenhilfeantrag vom 17. August 2018.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 27. November 2018 zu einer Entscheidung mittels Gerichtsbescheid angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte sowie die Akten der Staatsanwaltschaft in den Verfahren Az.: 25 Js 1193/17, 11 Js 10399/04, 24 Js 1665/13 und 24 Js 16777/13 Bezug genommen.

Gründe

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Parteien wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO angehört.

Die zulässige Klage hat nur teilweise Erfolg.

Die Klage ist lediglich hinsichtlich der Nrn. 2 und 3 des Bescheids vom 3. März 2017 begründet, hinsichtlich der Nr. 1 jedoch unbegründet.

Die in den Nr. 2 und 3 getroffenen Anordnungen sind mangels Vorliegens der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 53 Abs. 1 PAG a.F. rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach

Art. 53 Abs. 1 PAG a.F. kann der Verwaltungsakt der Polizei, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Vorliegend ist der mit den Zwangsmitteln i.S.v.

Art. 54 Abs. 1 PAG a.F. durchzusetzende Verwaltungsakt, die förmliche Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung in Nr. 1 des Bescheids vom 3. März 2018, weder unanfechtbar noch entfaltet die erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung. Die förmliche Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung ist weder nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar noch wurde die sofortige Vollziehung - vgl. auch die Antragserwiderung im Verfahren M 7 S 17.1338 - besonders angeordnet i.S.v. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Zudem wurde die Klage innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erhoben, so dass auch keine Unanfechtbarkeit eingetreten ist.

Demgegenüber ist die in Nr. 1 des Bescheids angeordnete Vorladung zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahme rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten.

Nach § 81b Alt. 2 StPO dürfen bei einem Beschuldigten, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, Lichtbilder und Fingerabdrücke auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden. Dazu kann er - entweder aufgrund von § 81b StPO (quasi als Annex) oder jedenfalls nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 PAG a.F. (i.E. dogmatisch strittig, (vgl. Berner/Köhler/Käß, PAG, 20. Aufl. 2010, Art. 15 Rn. 9) - zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung schriftlich vorgeladen werden.)

Der Kläger war zum - insoweit entscheidungserheblichen - Zeitpunkt des Bescheidserlasses (vgl. BayVGH, B.v. 2.4.2015 - 10 C 15.304 - juris Rn. 5 m.w.N.) Beschuldigter eines laufenden Strafverfahrens - des Ermittlungsverfahrens Az.: 25 Js 1193/17 - und damit Beschuldigter i.S.v. § 81b StPO. Dass die Anordnung nur gegen einen Beschuldigten ergehen darf, besagt dabei lediglich, dass sie nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und sich jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muss. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung bezogen auf das Tatbestandsmerkmal der Beschuldigteneigenschaft entfällt dabei selbst bei einem späteren Freispruch oder der Einstellung des Verfahrens nicht (vgl. BayVGH, B.v. 2.4.2015 - 10 C 15.304 - juris Rn. 6 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 20).

Ebenso ist die - noch nicht vollzogene - Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. dazu weiterführend BayVGH, U.v. 12.11.2013 - 10 B 12.2078 - juris Rn. 20) notwendig.

Die Notwendigkeit der angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen beurteilt sich grundsätzlich danach, ob der Sachverhalt, der anlässlich eines gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellt wurde, nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden anderen strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 18). Die für diese Prognoseentscheidung maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ergeben sich insbesondere aus Art, Schwere und Begehungsweise der dem Beschuldigten im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, aus seiner Persönlichkeit sowie seinem bisherigen strafrechtlichen Erscheinungsbild (st.Rspr. des BayVGH, vgl. etwa B.v. 6.12.2016 - 10 CS 16.2069 - juris Rn. 10 m.w.N.). Aufgrund des präventiven Charakters dieser Maßnahme kann bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, der in einem Ermittlungsverfahren erhobene Tatverdacht sogar dann berücksichtigt werden, wenn dieses Ermittlungsverfahren nach den §§ 153 ff. oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2005 a.a.O.). Denn die Einschätzung der Strafverfolgungsbehörde, das Ermittlungsergebnis gebe nicht genügenden Anlass zur Anklage, steht einer Bewertung des zugrunde liegenden „Anfangsverdachts“ sowie des Ermittlungsergebnisses nach den Maßstäben kriminalistischer Erfahrung nicht entgegen, wenn trotz Einstellung des Strafverfahrens ein „Restverdacht“ verbleibt (vgl. BayVGH, B.v. 6.12.2016 a.a.O.).

Eine Bewertung aller Umstände des Einzelfalles, v.a. die der Anlasstat und der im Bescheid dargestellten weiteren Sachverhalte („Vortaten“) trägt die Prognose einer Wiederholungsgefahr.

So ist nicht auszuschließen, dass der Kläger erneut Beschuldigter in einem, dem Anlassverfahren vergleichbaren, Ermittlungsverfahren sein wird.

Dies folgt zum einen daraus, dass sich der dem Anlassverfahren zugrunde liegende Tatverdacht tatsächlich erwiesen hat. Denn der Kläger wurde in dem Anlassverfahren (Az.: 25 Js 1193/17) mit Strafbefehl vom 5. Mai 2017 - rechtskräftig seit dem

25. Mai 2017 - wegen versuchter Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.

Zum anderen folgt dies daraus, dass sich aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte des Anlassverfahrens ergibt, dass der Kläger sich der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig fühlt bzw. er sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht hat.

Der Verfassungsschutzbericht 2016 des Bundes (S. 90) definiert „Reichsbürger“ als eine organisatorisch wie ideologisch äußerst heterogene Szene, der jedoch die fundamentale Ablehnung des Staates, seiner Repräsentanten sowie der gesamten Rechtsordnung gemein ist. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2016 (S. 180 ff.) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. Die Reichsbürgerbewegung wird als sicherheitsgefährdende Bestrebung eingestuft. Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein (Verfassungsschutzbericht Bayern 2016, S. 185).

In der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte ist das Fax des Klägers vom 1. April 2015 an den Gerichtsvollzieher enthalten. Dieses beinhaltet unter anderem einen Vertrag über Schadensersatz und Beratungshonorar, auf dem sich der Antragsteller als „natürliche Person nach staatliche § 1 BGB“ bezeichnet. Außerdem enthält dies eine Leben-/Willenserklärung mit integrierter Personenstandserklärung und integriertem Schadensersatzvertrag, in der der Kläger erklärt, dass er seit Geburt Staatsangehöriger des Freistaats Bayern, Rechtsstand 1. Januar 2014, Verfassungsstand 8. Dezember 1946 sei. Zudem besitze er die wahrhaftige Staatsangehörigkeit des Freistaats Bayern und diese könne ihm nicht entzogen werden, da er diese durch Abstammung erhalten habe. Auch sei seine Zugehörigkeit zur Bundesrepublik Deutschland und zur Europäischen Union nichtig. Nach Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 gehe seine Rechtsstellung als Bayer vor.

Der Kläger hat dadurch eine für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Argumentationslinie zum Ausdruck gebracht. Er hat zu erkennen gegeben, dass er die Bundesrepublik als Staat sowie das geltende Rechtssystem ablehnt. Dies rechtfertigt die Annahme, dass er künftig vergleichbar gegenüber staatlichen Akteuren auftreten, deren Legitimation in Frage stellen sowie deren Handlungen als für sich nicht verbindlich ansehen wird. Es ist zu erwarten, dass er dabei wiederum eine Kostennote, die Androhung eines privaten Pfandrechts sowie einen Vertrag über Schadensersatz und Beratungshonorar vorlegen wird, um seiner Intention Nachdruck zu verleihen. Es besteht somit eine auf Tatsachen gründende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger auch künftig Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen versuchter Erpressung sein wird.

Die Einlassungen des Klägers im gerichtlichen Verfahren vermögen - angesichts der eindeutigen, schriftlich getätigten vorhergehenden Äußerungen - an der Einschätzung des Gerichts, dass dieser der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat, nichts zu ändern.

Eine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ ist diesen nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Anforderungen an eine glaubhafte Distanzierung kann aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung - Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - die ausländerrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entsprechend herangezogen werden. Dementsprechend ist für eine glaubhafte Distanzierung zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 - 1 B 11/18 - juris Rn. 12). Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Betroffene in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit den einschlägigen sicherheitsrechtlichen Tatbestand erfüllt zu haben. Ohne Einsicht des Betroffenen in die Unrichtigkeit des im vorgeworfenen Handelns hat die Ankündigung einer Verhaltensänderung keine glaubwürdige Grundlage (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2017 - 10 B 16.1252 - juris Rn. 53).

Dem Vorbringen des Klägers lässt sich insgesamt keine diesen Anforderungen genügende, glaubhafte, nachdrückliche Distanzierung von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ entnehmen. So räumt der Kläger darin ein Fehlverhalten nicht ein, sondern versucht vielmehr sein Verhalten zu rechtfertigen.

Ebenfalls ist nicht auszuschließen, dass der Kläger erneut Beschuldigter in einem anderweitigen Ermittlungsverfahren wird. Die diesbezügliche Negativprognose einer Wiederholungsgefahr ist durch die anderen rechtskräftigen Verurteilungen des Klägers wegen verschiedener strafrechtlicher Tatvorwürfe indiziert. So wurde der Kläger mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom 24. April 2013 (Az.: 4 Cs 24 Js 1665/13) wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen, mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom 27. März 2014 (Az.: 4 Cs 24 Js 16777/13) wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen sowie mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 10. Januar 2006 (Az.: 1 KS 11 Js 10399/04) wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Pfaffenhofen/Ilm vom 19. Mai 2004 (Az.: LS 11 Js 16216/03) verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die bereits verhängten Strafe ließen den Kläger scheinbar unbeeindruckt und konnten ihn nicht von weiteren Straftaten abgehalten. Es ist somit davon auszugehen, dass die bisherigen Verurteilungen den Kläger nicht davon abhalten werden, künftig erneut straffällig zu werden, so dass die auf Tatsachen gründende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Kläger künftig erneut Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren sein wird.

Die förmliche Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung ist zudem verhältnismäßig und damit auch ermessensgerecht (vgl. zum Ermessen BayVGH, B.v.16.11.2015 - 10 CS 15.1564 - juris Rn. 27). Die Maßnahme ist geeignet und erforderlich. Maßstab für die Prüfung der Erforderlichkeit der - ohne weiteres geeigneten - erkennungsdienstlichen Behandlung ist lediglich, dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die zu führenden Ermittlungen, den Betroffenen letztlich überführend oder entlastend, fördern könnten (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2015 - 10 CS 15.1564 - juris Rn. 17 m.w.N.). Es ist dem Kläger angesichts der erheblichen Wiederholungsgefahr zuzumuten, den relativ geringfügigen Grundrechtseingriff (erneut) hinzunehmen. Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen ist zu beachten, dass die Schwere des mit der erkennungsdienstlichen Behandlung im Einzelfall verbundenen Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesses stehen darf (vgl. VGH BW, U.v. 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - juris Rn. 42; NdsOVG, U.v. 28.9.2006 - 11 LB 53/06 - juris Rn. 30 und U.v. 28.6.2007 - 11 LC 372/06 - juris Rn. 36). Das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen bemisst sich nicht nur an der Schwere der in der Vergangenheit erfolgten Anlasstat, sondern auch nach dem Gewicht und der Wahrscheinlichkeit derjenigen Straftaten, bei denen der Betroffene zukünftig zum Kreis der potenziellen Beteiligten gehören kann und zu deren Aufklärung die anzufertigenden Unterlagen dienen sollen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2012 - 10 ZB 12.1468 - juris Rn. 8). Der Kläger ist bisher vielfach polizeilich und strafrechtlich in Erscheinung getreten. Dabei kann weder bei der Anlasstat von einem Bagatelldelikt gesprochen werden noch weisen die zuvor begangenen Straftaten Bagatellcharakter auf. Zudem ist im Rahmen der Abwägung hinsichtlich des öffentlichen Interesses an der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen anerkannte Zielsetzung, den Betroffenen künftig von der Begehung entsprechender Straftaten abzuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 5.11. 2012 - 10 CS 12.1855 - juris Rn. 13). Insgesamt führt dies zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses - zumal der mit der erkennungsdienstlichen Behandlung verbundene Grundrechtseingriff grundsätzlich als nicht schwerwiegend anzusehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2008 - 10 C 08.2872 - juris Rn. 13).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Beklagte unterliegt zwar hinsichtlich der Nrn. 2 und 3 des Bescheids vom 3. März 2017. Allerdings handelt es sich dabei nur um ein Unterliegen zu einem geringen Teil im Verhältnis zum gesamten Streitgegenstand, so dass es der Billigkeit entspricht dem Kläger die vollständigen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erho

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(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

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(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnah

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2017 - 10 B 16.1252

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Tenor I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit sich die Klage gegen die Ziffern 6., 7. und 8. des Bescheids vom 28. Dezember 2009 richtet. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Januar 2011 wirkungslos.

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(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,

1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a),
2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist,
4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.

(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern

1.
es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt,
2.
der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und
4.
die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.
Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.

(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.

(4) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn

1.
der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde,
2.
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder
3.
die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.
Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.

(5) Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485. Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren gegen den Bescheid der Polizeiinspektion S. vom 8. Dezember 2014 weiter. Mit diesem Bescheid war die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers angeordnet worden.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, denn die Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu Recht verneint, weil die beabsichtigte Klage des Klägers auf Aufhebung des Bescheides vom 8. Dezember 2014, mit dem seine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO angeordnet wurde, voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Zunächst ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Ergehens der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung vom 8. Dezember 2014 Beschuldigter eines Strafverfahrens und damit zulässiger Adressat der angefochtenen Maßnahme gemäß § 81b Alt. 2 StPO war.

Soweit es für die Rechtmäßigkeit der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen auf die Eigenschaft als Beschuldigter ankommt, ist auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen (BVerwG, B. v. 14.7.2014 - BVerwG 6 B 2.14 - juris Rn. 4). Beschuldigter i. S. d. § 81 Alt. 2 StPO ist, gegen wen aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte (§ 152 Abs. 2 StPO) das Strafverfahren betrieben wird. Die Beschuldigteneigenschaft wird durch die erste Ermittlungshandlung begründet, die sich gegen eine bestimmte Person richtet. Die ersten Ermittlungshandlungen gegen den Kläger wurden nach der Anzeige wegen des Vorfalls vom 23. April 2014 eingeleitet. Unerheblich für die Beschuldigteneigenschaft des Klägers ist, dass inzwischen wegen dieses Vorfalls am 20. Oktober 2014 Anklage zum Amtsgericht S. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern erhoben wurde. Denn § 81b Alt. 2 StPO ermächtigt zu präventiv-polizeilichen Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge und dient, ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren, der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten. Dass die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden darf, besagt lediglich, dass deren Anordnung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und sich jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muss (BVerwG, U. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 20). Für die Beschuldigteneigenschaft kommt es somit allein darauf an, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides formell betrachtet Beschuldigter eines Strafverfahrens war. Die Beschuldigteneigenschaft i. S. d. § 81b Alt. 2 StPO entfällt nicht rückwirkend, wie der Kläger wohl meint, wenn das Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist und Anklage erhoben wird.

Nicht erheblich ist insoweit, ob die Einleitung des Strafverfahrens nach materiellem Recht ordnungsgemäß erfolgt ist, oder die Rechte des Betroffenen im Ermittlungsverfahren gewahrt wurden. Mit § 81 Alt. 2 StPO und Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 PAG stehen zwei Befugnisnormen für die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen durch die Polizei zur Verfügung, deren Anwendungsbereich sich nur durch die Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen abgrenzen lässt und die zueinander in Gesetzeskonkurrenz stehen (Berner/Köhler/Käß, PAG, 20. Aufl. 2010, Art. 14 Rn. 2 und 9), so dass ausschließlich auf die formelle Einleitung des Strafverfahrens abzustellen ist, weil sonst die Polizeibehörden in jedem Einzelfall überprüfen müssten, ob das Strafverfahren gegen einen Beschuldigten zu Recht eingeleitet worden ist (vgl. BayVGH, U. v. 12.11.2013 - 10 B 12.2078 - Rn. 19; BayVGH, B. v. 6.11.2011 - 10 ZB 11.365 - juris Rn. 3; NdsOVG, B. v. 20.11.2014 - 11 LC 232/13 - juris Rn. 25; NdsOVG, U. v. 28.9.2006 - 11 LB 53/6 - juris Rn. 23). Somit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger wegen von ihm behaupteten Verfahrensfehlers im Ermittlungsverfahren tatsächlich verurteilt werden könnte. Selbst wenn im Rahmen des Ermittlungsverfahrens das rechtliche Gehör des Klägers verletzt worden wäre, wäre dies allenfalls im Strafverfahren zu berücksichtigen. Auf die Beschuldigteneigenschaft i. S. d. § 81b Alt. 2 StPO wäre dies aber ohne Einfluss. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung bezogen auf das Tatbestandsmerkmal der Beschuldigteneigenschaft entfällt nämlich selbst bei einem späteren Freispruch oder der Einstellung des Verfahrens nicht (BVerwG, U. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 20; BayVGH, U. v. 12.11.2013 - 10 B 12.2078 - juris Rn. 19; NdsOVG, B. v. 20.11.2014 - 11 LC 232/13 - juris Rn. 25 jeweils m. w. N.).

Die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81 Alt. 2 StPO zu einem Zeitpunkt, in dem der Betroffene noch nicht wegen der ihm zur Last gelegten Straftat rechtskräftig verurteilt ist, widerspricht auch nicht der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK). Nach ständiger Rechtsprechung ist die erkennungsdienstliche Behandlung als präventiv-polizeiliche Maßnahme zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung zwar von einem fortbestehenden hinreichenden Tatverdacht, nicht aber von einer (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Schuldfeststellung abhängig. Die Feststellung eines Tatverdachts ist vielmehr etwas substanziell anderes als eine Schuldfeststellung (vgl. BayVGH, B. v. 29.10.2014 - 10 ZB 14.1355 - juris Rn. 7 m. w. N.). Aufgrund der präventiv-polizeilichen Ausrichtung der Anordnung nach § 81b Alt. 2 StPO als Maßnahme zur Strafverfolgungsvorsorge ist vielmehr unter Würdigung der gesamten Umstände des Falles der Frage nachzugehen, ob mit der Einstellung des Strafverfahrens bzw. mit dem Freispruch der Tatverdacht gegen den Beteiligten vollständig entfallen ist, oder ob ein „Restverdacht“ verbleibt. Widerspricht die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO selbst dann nicht der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK, wenn die Beschuldigteneigenschaft nach Erlass der Anordnung durch Verfahrenseinstellung oder Freispruch entfällt und ein Restverdacht verbleibt, so gilt dies erst recht für den Zeitraum, in dem das Strafverfahren noch nicht endgültig abgeschlossen ist.

Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung i. S. d. § 81b Alt. 2 StPO bestimmt sich danach, ob der Sachverhalt, der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellt wurde, nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene in den Kreis der Verdächtigen einer noch aufzuklärenden anderen Straftat einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen, den Betroffenen letztlich überführend oder entlastend, fördern könnten (BVerwG, U. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 22 m. w. N.). Es hat stets eine Abwägung zu erfolgen, in die einerseits das Interesse der Öffentlichkeit an einer effektiven Verhinderung bzw. Aufklärung von Straftaten und andererseits das Interesse des Betroffenen einzustellen ist, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht bereits deshalb als potentieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist. Im Falle des Klägers hat der der Anzeige der Großmutter der Geschädigten zugrunde liegende Sachverhalt zur Erhebung der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft und inzwischen wohl auch zur Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Amtsgericht geführt. Dieser Sachverhalt rechtfertigt auch die Prognose des Beklagten, der Kläger werde auch in Zukunft Straftaten auf sexueller Basis begehen. Für die Prognose der Wiederholungsgefahr sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Art, Schwere und Begehensweise der dem Beschuldigten zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit und der Zeitraum, während dem er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, als Anhaltspunkte heranzuziehen. Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Einschätzung des Beklagten, dass nach sachgerechter und vertretbarer kriminalistischer Erfahrung tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, der Kläger könne als Beschuldigter einer Sexualstraftat künftig in den Kreis möglicher Tatverdächtiger einer aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden und die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen könne dann ermittlungsfördernd sein, als zutreffend. Sexualdelikte sind regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt und bergen damit statistisch betrachtet eine signifikant höhere Rückfallgefahr, wenn nicht die Tatumstände und alle weiteren bedeutsamen Faktoren auf eine zu erwartende Einmaligkeit der Tat hindeuten (OVG Saarland, B. v. 13.3.2009 - 3 B 34.09 - juris Rn. 33 ff.; BayVGH, U. v. 22.11.2013 - 10 B 12.278 - juris Rn. 25). Gegen die Einmaligkeit der Anlasstat spricht vorliegend bereits, dass die Geschädigte der Tat vom 23. April 2014 ausgesagt hat, dass sie den Kläger bereits im Januar oder Februar 2014 ebenfalls im Hallenbad in S. bei exhibitionistischen Handlungen beobachtet habe. Auch die Begehensweise der Tat in einem Schwimmbad, in dem die anderen Schwimmer nur mit Badekleidung bekleidet sind und sich in unmittelbarer Nähe des Klägers im Schwimmbecken aufhalten, spricht gegen den Kläger. Das von den Stadtwerken S. ausgesprochene Hausverbot in dem Schwimmbad in S. lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Es ist nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass der Kläger aufgrund seiner Veranlagung andere Bäder aufsuchen könnte, um dort exhibitionistische Handlungen zu begehen, nachdem ihm für das Hallenbad in S. ein Hausverbot erteilt worden ist.

Der Beklagte hat sich im Bescheid vom 8. Dezember 2014 auch damit auseinandergesetzt, welche erkennungsdienstlichen Unterlagen über den Kläger benötigt werden. Er hat ausgeführt, dass mit Hilfe von Lichtbildern und einer Personenbeschreibung eine Identifizierung möglich ist oder Fahndungsmaßnahmen eingeleitet werden können. Mit Fingerabdrücken könne die Anwesenheit an einem bestimmten Tatort nachgewiesen werden. Die Einwendungen des Klägers, wonach bei Tathandlungen unter Wasser Fingerabdrücke zur Identifizierung nicht geeignet seien und ihm außerdem schon vor ca. 30 Jahren Fingerabdrücke abgenommen worden sein, lassen die im Bescheid vom 8. Dezember 2014 angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht unverhältnismäßig erscheinen. Finger- und Handflächenabdrücke unterliegen schon durch den natürlichen Alterungsprozess Veränderungen (vgl. BayVGH, B. v. 20.1.2011 - 10 CS 10.2725 - juris Rn. 12; OVG Lüneburg, U. v. 21.2.2008 - 11 LB 417/97 - juris Rn. 30 ff. m. w. N.). Aus der dem Kläger zur Last gelegten Straftat ergibt sich auch nicht zwangsläufig, dass der Kläger exhibitionistische Handlungen ausschließlich unter Wasser vornehmen würde und daher die Abnahme von Fingerabdrücken zu seiner Überführung nicht notwendig sein könnte. Da es sich bei Sexualstraftaten um Neigungsdelikte handelt, ist durchaus denkbar, dass der Kläger auch außerhalb von Schwimmbädern mit exhibitionistischen Handlungen auffällig wird und dabei Fingerabdrücke hinterlässt.

Bedenken an der Zumutbarkeit der durch den Bescheid vom 8. Dezember 2014 angeordneten Maßnahmen bestehen auch im Hinblick auf die vom Kläger behauptete seelische Belastung durch die erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht. Im konkreten Einzelfall darf zwar die Schwere des mit der konkreten erkennungsdienstlichen Maßnahme verbundenen Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesse stehen (NdsOVG, U. v. 30.1.2013 - 11 LB 51/12 - juris Rn. 34). Da aber tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der Kläger auch künftig wieder exhibitionistische Handlungen vornehmen könnte und somit eine Gefahr für ein hohes Schutzgut besteht, und demgegenüber nicht ersichtlich ist, inwieweit die Vornahme der angeordneten er-kennungsdienstlichen Maßnahmen den Kläger wegen der von ihm geschilderten Verfolgung durch das SED-Regime in besonderer Weise belasten würde, überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse, ermittlungsfördernde Unterlagen über den Kläger zu erhalten. Insbesondere ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen zu den Opfern des SED-Regimes und dem Vorbringen des Klägers nicht, dass es durch die Vornahme der erkennungsdienstlichen Behandlung beim Kläger zu einer schweren psychischen Krise oder ähnlich schwerwiegenden Folgen kommen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.

(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern

1.
es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt,
2.
der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und
4.
die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.
Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.

(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.

(4) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn

1.
der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde,
2.
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder
3.
die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.
Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.

(5) Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485. Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren gegen den Bescheid der Polizeiinspektion S. vom 8. Dezember 2014 weiter. Mit diesem Bescheid war die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers angeordnet worden.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, denn die Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu Recht verneint, weil die beabsichtigte Klage des Klägers auf Aufhebung des Bescheides vom 8. Dezember 2014, mit dem seine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO angeordnet wurde, voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Zunächst ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Ergehens der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung vom 8. Dezember 2014 Beschuldigter eines Strafverfahrens und damit zulässiger Adressat der angefochtenen Maßnahme gemäß § 81b Alt. 2 StPO war.

Soweit es für die Rechtmäßigkeit der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen auf die Eigenschaft als Beschuldigter ankommt, ist auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen (BVerwG, B. v. 14.7.2014 - BVerwG 6 B 2.14 - juris Rn. 4). Beschuldigter i. S. d. § 81 Alt. 2 StPO ist, gegen wen aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte (§ 152 Abs. 2 StPO) das Strafverfahren betrieben wird. Die Beschuldigteneigenschaft wird durch die erste Ermittlungshandlung begründet, die sich gegen eine bestimmte Person richtet. Die ersten Ermittlungshandlungen gegen den Kläger wurden nach der Anzeige wegen des Vorfalls vom 23. April 2014 eingeleitet. Unerheblich für die Beschuldigteneigenschaft des Klägers ist, dass inzwischen wegen dieses Vorfalls am 20. Oktober 2014 Anklage zum Amtsgericht S. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern erhoben wurde. Denn § 81b Alt. 2 StPO ermächtigt zu präventiv-polizeilichen Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge und dient, ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren, der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten. Dass die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden darf, besagt lediglich, dass deren Anordnung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und sich jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muss (BVerwG, U. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 20). Für die Beschuldigteneigenschaft kommt es somit allein darauf an, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides formell betrachtet Beschuldigter eines Strafverfahrens war. Die Beschuldigteneigenschaft i. S. d. § 81b Alt. 2 StPO entfällt nicht rückwirkend, wie der Kläger wohl meint, wenn das Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist und Anklage erhoben wird.

Nicht erheblich ist insoweit, ob die Einleitung des Strafverfahrens nach materiellem Recht ordnungsgemäß erfolgt ist, oder die Rechte des Betroffenen im Ermittlungsverfahren gewahrt wurden. Mit § 81 Alt. 2 StPO und Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 PAG stehen zwei Befugnisnormen für die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen durch die Polizei zur Verfügung, deren Anwendungsbereich sich nur durch die Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen abgrenzen lässt und die zueinander in Gesetzeskonkurrenz stehen (Berner/Köhler/Käß, PAG, 20. Aufl. 2010, Art. 14 Rn. 2 und 9), so dass ausschließlich auf die formelle Einleitung des Strafverfahrens abzustellen ist, weil sonst die Polizeibehörden in jedem Einzelfall überprüfen müssten, ob das Strafverfahren gegen einen Beschuldigten zu Recht eingeleitet worden ist (vgl. BayVGH, U. v. 12.11.2013 - 10 B 12.2078 - Rn. 19; BayVGH, B. v. 6.11.2011 - 10 ZB 11.365 - juris Rn. 3; NdsOVG, B. v. 20.11.2014 - 11 LC 232/13 - juris Rn. 25; NdsOVG, U. v. 28.9.2006 - 11 LB 53/6 - juris Rn. 23). Somit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger wegen von ihm behaupteten Verfahrensfehlers im Ermittlungsverfahren tatsächlich verurteilt werden könnte. Selbst wenn im Rahmen des Ermittlungsverfahrens das rechtliche Gehör des Klägers verletzt worden wäre, wäre dies allenfalls im Strafverfahren zu berücksichtigen. Auf die Beschuldigteneigenschaft i. S. d. § 81b Alt. 2 StPO wäre dies aber ohne Einfluss. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung bezogen auf das Tatbestandsmerkmal der Beschuldigteneigenschaft entfällt nämlich selbst bei einem späteren Freispruch oder der Einstellung des Verfahrens nicht (BVerwG, U. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 20; BayVGH, U. v. 12.11.2013 - 10 B 12.2078 - juris Rn. 19; NdsOVG, B. v. 20.11.2014 - 11 LC 232/13 - juris Rn. 25 jeweils m. w. N.).

Die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81 Alt. 2 StPO zu einem Zeitpunkt, in dem der Betroffene noch nicht wegen der ihm zur Last gelegten Straftat rechtskräftig verurteilt ist, widerspricht auch nicht der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK). Nach ständiger Rechtsprechung ist die erkennungsdienstliche Behandlung als präventiv-polizeiliche Maßnahme zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung zwar von einem fortbestehenden hinreichenden Tatverdacht, nicht aber von einer (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Schuldfeststellung abhängig. Die Feststellung eines Tatverdachts ist vielmehr etwas substanziell anderes als eine Schuldfeststellung (vgl. BayVGH, B. v. 29.10.2014 - 10 ZB 14.1355 - juris Rn. 7 m. w. N.). Aufgrund der präventiv-polizeilichen Ausrichtung der Anordnung nach § 81b Alt. 2 StPO als Maßnahme zur Strafverfolgungsvorsorge ist vielmehr unter Würdigung der gesamten Umstände des Falles der Frage nachzugehen, ob mit der Einstellung des Strafverfahrens bzw. mit dem Freispruch der Tatverdacht gegen den Beteiligten vollständig entfallen ist, oder ob ein „Restverdacht“ verbleibt. Widerspricht die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO selbst dann nicht der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK, wenn die Beschuldigteneigenschaft nach Erlass der Anordnung durch Verfahrenseinstellung oder Freispruch entfällt und ein Restverdacht verbleibt, so gilt dies erst recht für den Zeitraum, in dem das Strafverfahren noch nicht endgültig abgeschlossen ist.

Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung i. S. d. § 81b Alt. 2 StPO bestimmt sich danach, ob der Sachverhalt, der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellt wurde, nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene in den Kreis der Verdächtigen einer noch aufzuklärenden anderen Straftat einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen, den Betroffenen letztlich überführend oder entlastend, fördern könnten (BVerwG, U. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 22 m. w. N.). Es hat stets eine Abwägung zu erfolgen, in die einerseits das Interesse der Öffentlichkeit an einer effektiven Verhinderung bzw. Aufklärung von Straftaten und andererseits das Interesse des Betroffenen einzustellen ist, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht bereits deshalb als potentieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist. Im Falle des Klägers hat der der Anzeige der Großmutter der Geschädigten zugrunde liegende Sachverhalt zur Erhebung der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft und inzwischen wohl auch zur Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Amtsgericht geführt. Dieser Sachverhalt rechtfertigt auch die Prognose des Beklagten, der Kläger werde auch in Zukunft Straftaten auf sexueller Basis begehen. Für die Prognose der Wiederholungsgefahr sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Art, Schwere und Begehensweise der dem Beschuldigten zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit und der Zeitraum, während dem er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, als Anhaltspunkte heranzuziehen. Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Einschätzung des Beklagten, dass nach sachgerechter und vertretbarer kriminalistischer Erfahrung tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, der Kläger könne als Beschuldigter einer Sexualstraftat künftig in den Kreis möglicher Tatverdächtiger einer aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden und die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen könne dann ermittlungsfördernd sein, als zutreffend. Sexualdelikte sind regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt und bergen damit statistisch betrachtet eine signifikant höhere Rückfallgefahr, wenn nicht die Tatumstände und alle weiteren bedeutsamen Faktoren auf eine zu erwartende Einmaligkeit der Tat hindeuten (OVG Saarland, B. v. 13.3.2009 - 3 B 34.09 - juris Rn. 33 ff.; BayVGH, U. v. 22.11.2013 - 10 B 12.278 - juris Rn. 25). Gegen die Einmaligkeit der Anlasstat spricht vorliegend bereits, dass die Geschädigte der Tat vom 23. April 2014 ausgesagt hat, dass sie den Kläger bereits im Januar oder Februar 2014 ebenfalls im Hallenbad in S. bei exhibitionistischen Handlungen beobachtet habe. Auch die Begehensweise der Tat in einem Schwimmbad, in dem die anderen Schwimmer nur mit Badekleidung bekleidet sind und sich in unmittelbarer Nähe des Klägers im Schwimmbecken aufhalten, spricht gegen den Kläger. Das von den Stadtwerken S. ausgesprochene Hausverbot in dem Schwimmbad in S. lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Es ist nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass der Kläger aufgrund seiner Veranlagung andere Bäder aufsuchen könnte, um dort exhibitionistische Handlungen zu begehen, nachdem ihm für das Hallenbad in S. ein Hausverbot erteilt worden ist.

Der Beklagte hat sich im Bescheid vom 8. Dezember 2014 auch damit auseinandergesetzt, welche erkennungsdienstlichen Unterlagen über den Kläger benötigt werden. Er hat ausgeführt, dass mit Hilfe von Lichtbildern und einer Personenbeschreibung eine Identifizierung möglich ist oder Fahndungsmaßnahmen eingeleitet werden können. Mit Fingerabdrücken könne die Anwesenheit an einem bestimmten Tatort nachgewiesen werden. Die Einwendungen des Klägers, wonach bei Tathandlungen unter Wasser Fingerabdrücke zur Identifizierung nicht geeignet seien und ihm außerdem schon vor ca. 30 Jahren Fingerabdrücke abgenommen worden sein, lassen die im Bescheid vom 8. Dezember 2014 angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht unverhältnismäßig erscheinen. Finger- und Handflächenabdrücke unterliegen schon durch den natürlichen Alterungsprozess Veränderungen (vgl. BayVGH, B. v. 20.1.2011 - 10 CS 10.2725 - juris Rn. 12; OVG Lüneburg, U. v. 21.2.2008 - 11 LB 417/97 - juris Rn. 30 ff. m. w. N.). Aus der dem Kläger zur Last gelegten Straftat ergibt sich auch nicht zwangsläufig, dass der Kläger exhibitionistische Handlungen ausschließlich unter Wasser vornehmen würde und daher die Abnahme von Fingerabdrücken zu seiner Überführung nicht notwendig sein könnte. Da es sich bei Sexualstraftaten um Neigungsdelikte handelt, ist durchaus denkbar, dass der Kläger auch außerhalb von Schwimmbädern mit exhibitionistischen Handlungen auffällig wird und dabei Fingerabdrücke hinterlässt.

Bedenken an der Zumutbarkeit der durch den Bescheid vom 8. Dezember 2014 angeordneten Maßnahmen bestehen auch im Hinblick auf die vom Kläger behauptete seelische Belastung durch die erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht. Im konkreten Einzelfall darf zwar die Schwere des mit der konkreten erkennungsdienstlichen Maßnahme verbundenen Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesse stehen (NdsOVG, U. v. 30.1.2013 - 11 LB 51/12 - juris Rn. 34). Da aber tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der Kläger auch künftig wieder exhibitionistische Handlungen vornehmen könnte und somit eine Gefahr für ein hohes Schutzgut besteht, und demgegenüber nicht ersichtlich ist, inwieweit die Vornahme der angeordneten er-kennungsdienstlichen Maßnahmen den Kläger wegen der von ihm geschilderten Verfolgung durch das SED-Regime in besonderer Weise belasten würde, überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse, ermittlungsfördernde Unterlagen über den Kläger zu erhalten. Insbesondere ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen zu den Opfern des SED-Regimes und dem Vorbringen des Klägers nicht, dass es durch die Vornahme der erkennungsdienstlichen Behandlung beim Kläger zu einer schweren psychischen Krise oder ähnlich schwerwiegenden Folgen kommen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26. August 2015, mit dem die erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers angeordnet und er zu ihrer Durchführung unter Fristsetzung vorgeladen wurde.

Seinen Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. September 2016 abgelehnt. Die Behörde habe das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung ihrer Anordnung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO noch genügenden Weise begründet und in knapper Form dargelegt, dass der Sofortvollzug aufgrund der vorliegenden Gefahr einer Wiederholung strafbarer Handlungen in naher Zukunft erforderlich sei. Die der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zugrunde liegende Gefährdungsprognose trage bereits die Gründe für deren sofortige Vollziehbarkeit in sich. Die auf § 81b 2. Alt. StPO gestützte Anordnung erweise sich als rechtmäßig. Der Antragsteller sei zum maßgeblichen Zeitpunkt Beschuldigter in einem polizeilichen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen und damit zulässiger Adressat dieser Anordnung gewesen. Die Anwendung der präventivpolizeilichen Ermächtigungsgrundlage sei nicht von einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Schuldfeststellung abhängig. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei notwendig im Sinn von § 81b 2. Alt. StPO, weil der Antragsgegner davon ausgehen habe dürfen, dass beim Antragsteller weiterhin die Gefahr strafrechtlicher Handlungen bestehe. Der Antragsteller habe den Drogenkonsum auch eingestanden. Bei Betäubungsmitteldelikten bestehe eine statistisch signifikant erhöhte Rückfallgefahr, weshalb sogar bei einer erstmaligen Begehung einer solchen Tat eine Wiederholungsgefahr angenommen werden könne, solange nicht weitere Faktoren, die auf eine Einmaligkeit der Tat hindeuteten, vorlägen. Gegen den Antragsteller seien aber bereits im Jahr 2010 im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz Ermittlungen geführt worden, auch wenn das Verfahren damals nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Die polizeiliche Prognose einer Wiederholungsgefahr sei insbesondere vor dem Hintergrund nicht zu beanstanden, dass am 16. Oktober 2014 beim Antragsteller ca. 200 g Marihuana sichergestellt sowie eine Cannabis-Plantage mit 18 Pflanzen aufgefunden worden sei. Schließlich spreche der Umstand, dass in unmittelbarer Nähe einer Schreckschusspistole gefunden worden sei, für eine fortgesetzte Tatbegehung und damit für eine Wiederholungsgefahr.

Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Begründung des Sofortvollzugs sei noch ausreichend, treffe nicht zu. Es handele sich vielmehr um eine formelhafte, den spezifischen Einzelfall nicht berücksichtigende Begründung; es werde nicht dargetan, wieso der Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung Anhaltspunkte für die Begehung erneuter Taten aus dem Betäubungsmittelbereich nahelege. Als Ermächtigungsgrundlage sei vorrangig Art. 14 PAG heranzuziehen, der hier aber nicht eingreifen könne, da der Antragsteller bereits am 4. Dezember 2006 als 19-jähriger erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Im Übrigen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Der Antragsteller sei durch Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 14. April 2016 (rechtskräftig seit 22.4.2016) wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit vorsätzlichem unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden; weder der Vorwurf des Handeltreibens noch der der Tatbegehung „mit einer Waffe“ sei auch nur zur Anklage gekommen, so dass der Tatbestand eines Verbrechens nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht vorgelegen habe. Der vom Verwaltungsgericht erhobene Vorwurf eines unerlaubten Handeltreibens unter Mitführen von Waffen gehe damit ins Leere. Die Betäubungsmittel hätten ausschließlich zum Eigenbedarf verwendet werden sollen. Der Antragsteller sei auch nicht vorbestraft, denn das Ermittlungsverfahren, in dem es um den Fund einer geringen Menge von Marihuana in einem auch vom Antragsteller benutzten Fahrzeug gegangen sei, habe mangels Tatverdacht eingestellt werden müssen. Dem Antragsteller sei nicht bekannt, dass bereits eine erstmalige Begehung eines Betäubungsmitteldelikts eine erhöhte Rückfallgefahr begründe; hinzutreten müssten für die Annahme einer Wiederholungsgefahr vielmehr weitere Umstände in der Begehungsweise und der Täterpersönlichkeit, wie dies zum Beispiel der Kontakt zu Personen aus dem Drogenmilieu darstelle. Eine Haarprobe vom 1. Juni 2015 habe überdies ergeben, dass der Antragsteller mindest seit zwei Monaten vor der Untersuchung keine Drogen mehr konsumiert habe. Die Anordnung sei auch unverhältnismäßig, weil sich der Verdacht der Begehung eines Verbrechens wegen unerlaubten Handeltreibens in nicht geringer Menge mit Waffen als unbegründet erwiesen habe.

Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen. Die ursprünglich vom Antragsteller im Jahre 2006 gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen seien im Jahre 2014 als Folge einer fehlerhaften Einschätzung der Situation vernichtet worden. Die Notwendigkeit der neuerlichen erkennungsdienstlichen Behandlung ergebe sich aus der durch Art, Schwere und Begehungsweise der Straftat begründeten Wiederholungsgefahr. Hinsichtlich der Größe der aufgefundenen Menge an Marihuana, die für einen Eigenbedarf bei weitem zu groß sei, sowie der griffbereiten Schreckschusspistole verbleibe es bei einem polizeilichen Restverdacht. Die erkennungsdienstliche Behandlung wäre aber auch anzuordnen gewesen, wenn mit dem illegalen Anbau keine Absicht des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verbunden wäre. Die im Strafverfahren veranlasste Haaranalyse lasse im Übrigen nur einen begrenzten Rückschluss auf den Konsum des Antragstellers von Betäubungsmitteln zu; im Strafverfahren habe er jedenfalls selbst angegeben, über zwei Jahre hinweg regelmäßig Marihuana konsumiert zu haben. Der Antragsgegner habe den Sofortvollzug in ausreichender Form begründet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Behördenakten sowie der Strafakte Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die in der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die beantragte Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Nach der vom Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der verfügten erkennungsdienstlichen Behandlung das Aufschiebungsinteresse des Antragstellers, weil deren Anordnung im angefochtenen Bescheid vom 26. August 2015 nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtmäßig ist und auch ein besonderes Vollzugsinteresse besteht.

1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat der Antragsgegner die Anord-nung zu Recht auf § 81b 2. Alt. StPO gestützt. Diese Vorschrift ermächtigt zu präventivpolizeilichen Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge und dient - ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren - der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten (vgl. BVerwG, U. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 18). Die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b 2. Alt. StPO setzt voraus, dass der betroffene Antragsteller zum Zeitpunkt der streitbefangenen Anordnung noch Beschuldigter in einem gegen ihn geführten Ermittlungs- oder Strafverfahren war; der spätere Wegfall der Beschuldigteneigenschaft infolge der Beendigung des Strafverfahrens durch Einstellung, Verurteilung oder Freispruch lässt die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen dagegen unberührt (vgl. BVerwG, U. v. 23.11.2005, a. a. O., juris Rn. 20; BayVGH, B. v. 2.4.2015 - 10 C 15.304 - juris Rn. 5). Präventivpolizeiliche (erkennungsdienstliche) Maßnahmen nach Art. 14 Abs. 1 PAG kann die Polizei demgegenüber nur an Personen vornehmen, die im maßgeblichen Zeitpunkt nicht die Stellung eines Beschuldigten im Sinn der Strafprozessordnung innehaben (BayVGH, a. a. O., Rn. 6; Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 20. Aufl. 2010, Art. 14 Rn. 1, 2, 9).

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Antragsteller zum Zeit-punkt des Erlasses des streitbefangenen Bescheids am 26. August 2015 (noch) Beschuldigter in einem Strafverfahren (Az. 5024-0524/160/15) und damit zulässiger Adressat der angefochtenen Maßnahme war. Die objektiv feststehende Beschuldigteneigenschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt wird vom Antragsteller auch nicht bestritten.

2. Nicht zu beanstanden ist auch die durch den Beklagten angestellte Prognose einer Wiederholungsgefahr dahingehend, dass der Antragsteller künftig in ähnlicher Weise im Betäubungsmittelbereich erneut straffällig werden könnte. Die Notwendigkeit der angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen beurteilt sich grundsätzlich danach, ob der Sachverhalt, der anlässlich eines gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellt wurde, nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden anderen strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten (vgl. BVerwG, U. v. 23.11.2005, a. a. O.; U. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192/199). Die für diese Prognoseentscheidung maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ergeben sich insbesondere aus Art, Schwere und Begehungsweise der dem Beschuldigten im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, aus seiner Persönlichkeit sowie seinem bisherigen strafrechtlichen Erscheinungsbild (st. Rspr. des Senats; vgl. BayVGH, B. v. 23.11.2009 - 10 CS 09.1854 - juris Rn. 12; B. v. 2.4.2015 - 10 C 15.304 - juris Rn. 8). Aufgrund des präventiven Charakters dieser Maßnahme kann bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, der in einem Ermittlungsverfahren erhobene Tatverdacht sogar dann berücksichtigt werden, wenn dieses Ermittlungsverfahren nach den §§ 153 ff. oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist (vgl. BVerwG, U. v. 23.11.2005, a. a. O.). Denn die Einschätzung der Strafverfolgungsbehörde, das Ermittlungsergebnis gebe nicht genügenden Anlass zur Anklage, steht einer Bewertung des zugrunde liegenden „Anfangsverdachts“ sowie des Ermittlungsergebnisses nach den Maßstäben kriminalistischer Erfahrung nicht entgegen, wenn trotz Einstellung des Strafverfahrens ein „Restverdacht“ verbleibt (vgl. BayVGH, B. v. 2.4.2015, a. a. O., Rn. 7; NdsOVG, B. v. 20.11.2008 - 11 ME 297/08 - juris Rn. 9 f.).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die vom Verwaltungsgericht im angefoch-tenen Beschluss vom 15. September 2016 nachvollzogene Gefährdungsprognose, die in Unkenntnis der zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung vom 14. April 2006 durch das Amtsgericht Nürnberg getroffen wurde, nicht zu beanstanden. Der Antragsteller ist rechtskräftig zu einer immerhin neun-monatigen Freiheitsstrafe wegen des unerlaubten Besitzes von etwa 196 g Marihuana sowie des Anbaus von 18 Cannabispflanzen verurteilt worden; dabei ist das Strafgericht von einem vorangegangenen mehrjährigen Betäubungsmittelkonsum des Antragstellers ausgegangen, den er allerdings seit der polizeilichen Durchsuchung seiner Wohnung am 16. Oktober 2014 aufgegeben habe. Der Senat tritt gleichwohl der Beurteilung des Verwaltungsgerichts bei, dass bei Betäubungsmitteldelikten von einer erheblichen allgemeinen Rückfallgefahr ausgegangen werden muss, so dass auch eine erstmalige Verurteilung wegen einer entsprechenden Tat grundsätzlich die Annahme einer Wiederholungsgefahr begründen kann, wenn nicht besondere Tatumstände, die für eine einmalige Tat sprechen, vorliegen (vgl. a. OVG Saarl, B. v. 13.3.2009 - 3 B 34/09 - juris Rn. 35 f.); derartige Umstände sind aber im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Im Gegenteil sprechen hier der langjährige Konsum von Marihuana - insbesondere auch vor dem Hintergrund des verbotenen Selbstanbaus durch den Antragsteller - sowie die (behauptete) Weitergabe an seinen Vater zum Zwecke der Schmerzlinderung für eine erhöhte Gefahr der erneuten Begehung gleichgerichteter Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die demgegenüber im Strafurteil zugunsten des Antragstellers aufgeführten Umstände, die die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ermöglicht haben, vermögen an der Annahme einer Wiederholungsgefahr nichts zu ändern; dies gilt insbesondere im Hinblick auf fehlende Vorstrafen, sein Schuldeingeständnis, die gezeigte Reue sowie die durch eine Haarprobe im Juni 2015 für einen Zeitraum von zwei Monaten belegte Betäubungsmittelfreiheit. Diese für die Frage der Strafzumessung zweifellos bedeutsamen Umstände haben im Hinblick auf die aus präventivpolizeilicher Sicht zu erstellende Gefahrenprognose nur eine untergeordnete Bedeutung (vgl. zur negativen Gefahrenprognose trotz Aussetzung der Strafe zur Bewährung BayVGH, B. v. 6.12.2011 - 10 ZB 11.365 - juris Rn. 5). Der Senat ist der Auffassung, dass sich bei Betäubungsmitteltätern die Gefahr erneuter Rechtsverstöße gerade nach längerem Drogenkonsum - wie im vorliegenden Fall - erst nach längerer Dauer der Drogenabstinenz verringert.

Soweit die Beschwerde beanstandet, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht im Rahmen seiner Gefahrenprognose auch die nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgte Einstellung eines gegen den Kläger im Jahr 2010 geführten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in den Blick genommen, ist dem entgegenzuhalten, dass es nach den eingangs dargestellten Grundsätzen keiner rechtskräftigen strafrichterlichen Verurteilung bedarf, um bestimmte Sachverhalte gleichwohl der Gefahrenprognose zugrunde legen zu können. Vielmehr reicht der Fortbestand eines „Restverdachts“ aus; im vorliegenden Fall ergibt sich ein solcher aus den Umständen der damals geführten Ermittlungen, die deshalb eingestellt wurden, weil nicht nachweisbar war, wem die in dem PKW, in dem auch der Kläger saß, aufgefundenen Betäubungsmittel gehörten. Schließlich meint die Beschwerde, eine negative Gefahrenprognose müsse durch weitere Umstände in der Tatbegehung und der Täterpersönlichkeit gestützt werden, wie etwa durch nachgewiesene Kontakte zu Personen im Drogenmilieu. Einen derartigen Rechtssatz stellt der vom Kläger in Bezug genommene Beschluss des Senats vom 6. Dezember 2011 (a. a. O.) jedoch nicht auf, auch wenn der Klägerin des dortigen Verfahrens Kontakte ins Drogenmilieu nachgewiesen werden konnten. Im vorliegenden Fall ist im Übrigen das Fehlen dieses Umstandes schon deshalb ohne Bedeutung, weil der Antragsteller nicht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt wurde.

Aus der Gesamtschau der dargestellten Aspekte ergeben sich damit hinreichend begründete Anhaltspunkte für die Vermutung, dass der Antragsteller auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen im Zusammenhang mit entsprechenden Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz geben könnte. Mit den durch die erkennungsdienstliche Behandlung gewonnenen Unterlagen kann im Rahmen von Ermittlungen dieser Art der Antragsteller leichter als Täter überführt oder aber seine Täterschaft leichter ausgeschlossen werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.11.2009 - 10 CS 09.1894 - juris Rn. 15).

3. Gegen die Rechtmäßigkeit der angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnah-men ergeben sich auch im Übrigen, insbesondere im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, keine durchgreifenden Bedenken. Die Durchführung der angeordneten Maßnahmen stellt zwar einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen dar (vgl. BayVGH, B. v. 19.5.2005 - 24 CS 05.368 - juris). Demgegenüber rechtfertigt jedoch die Schwere der Betäubungsmitteldelikte, wegen derer der Antragsteller zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, und das damit verbundene Gewicht des mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesses (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U. v. 12.11.2013 - 10 B 12.2078 - juris Rn. 26) die angefochtene Anordnung auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Hieran ändert auch die unzutreffende Annahme im Beschluss des Verwaltungsgerichts nichts, der Kläger stehe im Verdacht des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen, also eines Verbrechens mit einer Strafandrohung von mindestens fünf Jahren. Denn auch wenn das Tatgeschehen in dieser Form nicht zur Anklage gekommen ist, ergibt sich die Verhältnismäßigkeit der Anordnung aus dem tatsächlich festgestellten Sachverhalt, der zur Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit vorsätzlichem Anbau von Betäubungsmitteln geführt hat. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme erfordert nicht die Erfüllung des betäubungsmittelrechtlichen Tatbestands eines Verbrechens.

Schließlich stellt die angefochtene Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen auch nicht deswegen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte des Klägers dar, weil er bereits einmal im Jahre 2006 als 19-jähriger junger Mann erkennungsdienstlich behandelt worden war. Die vom Verwaltungsgericht insoweit angestellten Erwägungen, vor dem Hintergrund des anzuerkennenden Bedürfnisses der Polizei, aktuelles erkennungsdienstliches Material vorrätig zu halten, bestünden gegen eine erneute erkennungsdienstliche Behandlung nach einem Zeitraum von mehr als fünf Jahren keine rechtlichen Bedenken, sind überholt, nachdem der Beklagte im Beschwerdeverfahren mitgeteilt hat, die im Rahmen der damaligen erkennungsdienstlichen Behandlung gewonnenen und gespeicherten Daten des Antragstellers seien vom Bayerischen Landeskriminalamt inzwischen gelöscht worden (vgl. Schr. v. 17.8.2015, Bl. 93 d. Strafakte: „…da eine weitere Speicherung für nicht erforderlich gehalten wird.“). Damit bedarf es auch keines Eingehens auf den Einwand des Antragstellers, die hier streitgegenständliche erkennungsdienstliche Behandlung komme wegen der bereits 2006 durchgeführten Maßnahme nicht mehr in Betracht. Die Annahme des Beklagten, eine weitere Speicherung der seit 2006 vorgehaltenen Daten zur Person des Klägers sei nicht mehr erforderlich, hat sich gerade als unzutreffend herausgestellt.

4. Schließlich hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die im konkreten Fall der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zugrundeliegende Prognose der Wiederholungsgefahr von Betäubungsmitteldelikten auch die Begründung der sofortigen Vollziehbarkeit dieser Maßnahme in sich trägt. Danach überwiegt bereits für die u.U. längere Dauer eines Hauptsacheverfahrens das besondere öffentliche Interesse an der effektiven Aufklärung von Straftaten das gegensätzliche Interesse des Antragstellers, einstweilen von der angeordneten Maßnahme verschont zu bleiben (vgl. a. NdsOVG, B. v. 20.11.2008 - 11 ME 297/08 - Rn. 21). Die Anordnung des Sofortvollzugs im angefochtenen Bescheid (S. 5) trägt dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO in ausreichender Form Rechnung, weil sie die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles, auf die sie verweist, in den Blick nimmt und zur Grundlage ihrer Entscheidung macht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit sich die Klage gegen die Ziffern 6., 7. und 8. des Bescheids vom 28. Dezember 2009 richtet. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Januar 2011 wirkungslos.

II. Die Klage wird, soweit sie sich auf die Ziffern 1., 3., 4. und 5. bezieht, abgewiesen und das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Januar 2011 insoweit aufgehoben.

III. Soweit das Verfahren eingestellt wird, trägt der Beklagte, im Übrigen der Kläger die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, ein in K. geborener irakischer Staatsangehöriger arabisch-turkmenischer Abstammung, wendet sich mit der Klage gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.

Er reiste im Juli 1999 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 2. November 1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte aber fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorliegen. Nach erfolgloser Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wurde dem Kläger am 22. März 2000 eine bis zum 21. März 2001 gültige Aufenthaltsbefugnis erteilt, die zuletzt bis 21. März 2007 als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG verlängert wurde. Am 23. Februar 2007 heiratete der Kläger eine türkische Staatsangehörige, mit der er zwei am 25. März 2005 und am 4. Juni 2006 geborene Töchter hat, die deutsche Staatsangehörige sind und mit denen er in familiärer Lebensgemeinschaft lebt.

Am 26. Januar 2006 wurde in einem vom Kläger geführten Pkw eine Schreckschusspistole samt Platzpatronen aufgefunden. Der Kläger wurde deshalb mit Strafbefehl des Amtsgerichts A. vom 2. März 2006 zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe verurteilt.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 2. November 1999 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in der damals geltenden Fassung beim Kläger vorliegen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Augsburg mit rechtskräftigem Urteil vom 29. April 2016 (Au 5 K 07.30204) abgewiesen.

Am 25. Oktober 2007 beantragte der Kläger die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels. Eine Entscheidung hierüber wurde von der Ausländerbehörde im Hinblick auf die am 28. September 2007 von der Staatsanwaltschaft A. erhobene Anklage gegen den Kläger u.a. wegen vorsätzlichen Handelns ohne Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz in zwölf sachlich zusammenhängenden Fällen zurückgestellt; dem Kläger wurde vorgeworfen, in der Zeit von März 2005 bis Februar 2006 mehrere sog. Hawala-Transfers von Deutschland in den Irak und in umgekehrter Richtung organisiert zu haben; außerdem sei er im Besitz von etlichen Audiokassetten gewesen, die zum Teil zum Kampf gegen die Ungläubigen, zu Gewalttätigkeiten und zum Hass gegenüber diesen aufriefen.

Am 13. November 2008 fand ein sog. Sicherheitsgespräch mit dem Kläger statt, bei dem neben Vertretern der Regierung von Oberbayern auch Vertreter des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) und der Polizei teilnahmen. In diesem Gespräch hat der Kläger u.a. erklärt, sein in den Akten festgehaltenes Geburtsdatum sei falsch. Er sei vielmehr am 7. August 1974 geboren. Er könne das aber nicht so einfach ändern lassen. Außerdem sei das Datum egal, denn er sei immer der gleiche Mensch. Er sei früher Schiit gewesen wie seine Mutter, jetzt sei er Sunnit wie sein Vater und sei im Jahr 2006 auf Pilgerreise, auf Hadsch, gewesen. Er besuche in A. entweder die arabische Moschee (S.-Moschee) oder die türkische Moschee, die näher sei. Er habe verschiedene Bekannte, kenne aber den Nachnamen der meisten nicht. Nähere Bekannte seien H., A., A., B., H. und H. Mit M. sei er befreundet gewesen. Es sei aber keine so große Freundschaft gewesen. Für dessen Anwalt habe er einmal gespendet. Die zweite Spende habe er wieder zurückgenommen, weil ihm die Polizei gesagt habe, das dürfe er nicht machen. In Berlin habe er in einer Moschee den R. kennengelernt. Dieser habe ihm eine Arbeitsstelle versprochen. Daraus sei aber nichts geworden. Er wisse, dass R. und M. wegen der Sache A. verurteilt worden seien. Von Spendensammlungen wisse er nichts. Wenn das so wäre, würde er eine Anzeige machen. Schließlich wurden dem Kläger mehrere Lichtbilder von Landsleuten vorgelegt, die er zum Großteil wieder erkannt hat.

Mit Schreiben vom 25. März 2009 unterrichtete die Regierung von Oberbayern die Stadt A. davon, dass sie das Verfahren in Bezug auf den Erlass einer Ausweisungsverfügung gemäß der Ermächtigung des § 3 Abs. 3 Nr. 2 ZustVAuslR a.F. an sich ziehe. Es werde gebeten, von der Erteilung der beantragten Niederlassungserlaubnis abzusehen. Diesem Schreiben legte die Regierung von Oberbayern eine sicherheitsrechtliche Bewertung des Klägers durch das LfV zur Kenntnis bei. In dieser Bewertung vom 9. Februar 2009 kam das Landesamt zu dem Schluss, dass der Kläger mit der Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna (AAI/AAS; i.F: AAI) einer Vereinigung angehöre und diese unterstütze, die ihrerseits den Terrorismus unterstütze. Darüber hinaus gehöre der Kläger dem Netzwerk islamistischer Iraker in A. an, das ebenfalls den Terror im Irak unterstütze. Außerdem habe er im Sicherheitsgespräch, das der Klärung von Bedenken gegen seinen weiteren Aufenthalt diene, in wesentlichen Punkten falsche oder unvollständige Angaben gemacht. Dieser Bewertung lagen wiederum Auszüge aus Polizeiberichten, aus Vernehmungen des Klägers sowie TKÜ-Gesprächsprotokolle des Polizeipräsidiums Schwaben bei.

Nach Anhörung des Klägers wies ihn die Regierung von Oberbayern mit Bescheid vom 28. Dezember 2009 aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1), lehnte seinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom 25. Oktober 2007 ab (Nr. 2) und untersagte seine Wiedereinreise (Nr. 3). Er wurde verpflichtet, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats ab Vollziehbarkeit der Ausweisung und Vollziehbarkeit des Widerrufs seiner Rechtsstellung nach § 51 Abs. 1 AuslG durch das Bundesamt zu verlassen (Nr. 4). Sollte er dieser Verpflichtung nicht nachkommen, werde er in den Irak oder einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben (Nr. 5). Hinsichtlich der weiteren Anordnungen in Nr. 6 bis 8 des Bescheids (räumliche Beschränkung des Aufenthalts, tägliche Meldepflicht und Zwangsgeldandrohung) haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Zur Begründung der von einer Regel- zur Ermessensausweisung herabgestuften Ausweisung stützte sich die Regierung von Oberbayern auf § 54 Nr. 5, 5a und 6 AufenthG (in der bis 31.12.2015 geltenden Fassung; i.F.: a.F.). Der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. sei erfüllt, weil der Kläger der terroristischen Vereinigung AAI angehöre bzw. diese zumindest unterstütze. Die Schlussfolgerung der Mitgliedschaft bzw. Unterstützung der AAI ergebe sich aus dem Gesamtbild, das auch aufgrund von Informationen des LfV über den Kläger gewonnen worden sei. Er bewege sich seit Jahren in einem Umfeld, das von Mitgliedern und Sympathisanten der AAI durchsetzt sei. Von diesen seien einige zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Auch nach der Festnahme dieser Personen habe der Kläger konspirativen Kontakt zu Anführern der lokalen AAI-Gruppe gehabt. Die Wahrnehmung organisatorischer Aufgaben durch ihn, wie etwa der festgestellte Transfer von gesammelten Spenden an die Hauptorganisation im Irak, stelle Unterstützungshandlungen für die AAI dar. Ein gewichtiges Indiz seien die Erkenntnisse zur Tätigkeit des Klägers als „Hawala-Banker“. Auch habe er für die Strafverteidigung eines verurteilten AAI-Mitglieds Geldsammlungen durchgeführt. Eine mit der Ideologie der AAI übereinstimmende Haltung des Klägers zeige sich deutlich darin, dass anlässlich eines Einsatzes eines Pkw-Lauschers festgestellt worden sei, dass er über das Autoradio häufig Lieder mit djihadistischer Propaganda abspiele und zum Teil mitsinge sowie in diesem Zusammenhang radikale Äußerungen getätigt habe. In einem Telefonat im Februar 2006 habe er erklärt, ein „Takfiri“ zu sein. Im Rahmen einer Durchsuchung seiner Wohnung am 7. Dezember 2006 seien zwei von zahlreichen aufgefundenen Kassetten ausgewertet und deren Inhalt als Kampflieder eingestuft worden, in denen zum militärischen Djihad aufgerufen, die Attentäter des 11. September 2001 gelobt und zum gewaltsamen Kampf gegen Nicht-Muslime aufgerufen werde. Die Angehörigkeit des Klägers zur AAI dauere an und belege seine gegenwärtige Gefährlichkeit. Der Tatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG a.F. sei ebenfalls erfüllt, denn der Kläger gefährde die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Diese Einschätzung beruhe darauf, dass er Mitglied bzw. Unterstützer einer die Sicherheit gefährdenden terroristischen Vereinigung sei. Von ihm gehe die ernsthafte Gefahr weiterer schwerwiegender Störungen der öffentlichen Sicherheit aus. Schließlich liege auch der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG a.F. vor, denn der Kläger habe in mehrfacher Hinsicht falsche Angaben im Rahmen der sicherheitsrechtlichen Befragung mittels Fragebogen durch die Stadt A. am 13. November 2007 gemacht. Aber auch im Rahmen des am 13. November 2008 durchgeführten Sicherheitsgesprächs bei der Regierung von Oberbayern habe er in mehreren Punkten falsche oder zumindest unvollständige Angaben gemacht bzw. unzweifelhaft festgestellte Erkenntnisse zu relativieren versucht. Da der Kläger (noch) die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genieße, komme ihm zwar der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG a.F. zugute, so dass die Regelausweisung zur Ermessensentscheidung herabgestuft sei. Nach sachgerechter Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausreise des Klägers mit dessen persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib in der Bundesrepublik überwiege jedoch das öffentliche Interesse an der Ausweisung. Die Folgen der Ausweisung träfen den Kläger auch nicht in unverhältnismäßiger Weise. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass allein die Anwesenheit von Helfern des internationalen Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland zu einer erheblichen Beeinträchtigung staatlicher Sicherheitsbelange führe, die es zu beseitigen gelte. Demgegenüber müssten die persönlichen Interessen des Klägers zurücktreten. Er lebe zwar seit zehn Jahren im Bundesgebiet, habe aber den weit überwiegenden Teil seines Lebens im Irak verbracht und sei mit den Gepflogenheiten und der Sprache im Heimatland vertraut. Dort lebten auch Verwandte von ihm. Wegen des als höher einzustufenden Sicherheitsinteresses des Staats und seiner Einwohner am Schutz vor terroristischen Aktivitäten müssten auch seine persönlichen Interessen an der Führung eines Ehe- und Familienlebens in Deutschland zurücktreten. Die Tatsache, dass die Ehefrau türkische Staatsangehörige und die Kinder türkische und deutsche Staatsangehörige seien, führe nicht automatisch zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung. Die familiäre Lebensgemeinschaft könne, sofern die Ehefrau und die Kinder nicht im Bundesgebiet blieben, sowohl in einem der Herkunftsstaaten der Eheleute als auch in einem Drittland fortgeführt werden. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass die Familie in die Türkei umziehen könne, zumal dies das Heimatland der Ehefrau sei und alle Familienmitglieder die türkische Sprache beherrschten. Die noch sehr jungen Kinder könnten ohne weiteres in einem anderen Land Fuß fassen.

Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2010 ließ der Kläger Klage gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 28. Dezember 2009 erheben mit dem Antrag, den Bescheid aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Ausländerakte des Klägers zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, hilfsweise einer befristeten Aufenthaltserlaubnis an die zuständige Ausländerbehörde abzugeben. Beim Kläger könnten weder Regelverstöße noch eine drohende Sicherheitsgefährdung festgestellt werden. Auf jeden Fall wiege sein persönliches Interesse am Zusammenleben mit seinen beiden deutschen Kindern höher als das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung.

Am 19. Februar 2010 teilte sein Bevollmächtigter mit, der Kläger sei mit seiner Familie am 15. Februar 2010 aus beruflichen Gründen nach B. umgezogen. Daraufhin wurde das Klageverfahren (Au 1 K 10.212), mit dem der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zunächst durch die Stadt A. begehrt hatte, an das Verwaltungsgericht G. verwiesen (dortiges Az.: 8 K 1446/11).

In der mündlichen Verhandlung am 18. Januar 2011 hat das Verwaltungsgericht insgesamt neun Zeugen, darunter die Ehefrau des Klägers, einvernommen. Wegen des Inhalts ihrer Aussagen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Mit Urteil vom 18. Januar 2011 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 28. Dezember 2009 – u.a. in den noch streitgegenständlichen Ziffern 1. und 3. bis 5. aufgehoben. Die Ausweisung des Klägers sei rechtswidrig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5, 5a und 6 AufenthG a.F., auf die die Verfügung gestützt werde, nicht vorlägen. Die Kammer sei nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht mit hinreichender Sicherheit davon überzeugt, dass gemäß den Vorgaben des § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, der Kläger gehöre einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung an oder unterstütze eine solche zumindest. So lägen keine hinreichenden Indiztatsachen für die Annahme des Beklagten vor, der Kläger gehöre der AAI/AAS an. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Kläger Mitglied oder zumindest Angehöriger der sog. „A. Gruppe“ sei, die nach Auffassung der Sicherheitsbehörden die Kerngruppe der AAI/AAS im Irak insbesondere durch finanzielle Zuwendungen unterstütze. Die tatbestandliche Alternative des „Förderns“ sei ebenfalls nicht erfüllt. Auch von einer „Befürwortung“ könne nicht ausgegangen werden. Lediglich bei einem Zeugen sei die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass er den Terrorismus unterstütze. Zusammenfassend ergebe sich das Bild einer Wohngemeinschaft, bei deren Durchsuchung Tonträger mit extremistischen Inhalten gefunden worden seien. Zwei Mitglieder der Gruppe hätten Straftaten eingeräumt oder begangen, die aber auch keine belegbaren Bezüge zu terroristischen Bestrebungen aufwiesen. Schließlich rechtfertigten auch die durch die Beweiserhebung zur Überzeugung des Gerichts festgestellten Tatsachen nicht die Schlussfolgerung, der Kläger unterstütze die AAI/AAS. Er habe zwar nicht bestritten, Kontakt zu Personen gehabt zu haben, die teilweise entweder wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung rechtskräftig verurteilt oder dessen zumindest verdächtigt worden seien, es lägen jedoch keine verwertbaren Hinweise dafür vor, dass der Kläger deren terroristische Absichten gekannt oder unterstützt habe. Weitere Personen, die der Kläger kenne, würden allenfalls verdächtigt, Unterstützer einer terroristischen Vereinigung zu sein. Die Tätigkeit im sog. Hawala-Banking, die der Kläger bei einer polizeilichen Vernehmung selbst eingeräumt habe, lasse keine nachweisbaren Bezüge zum internationalen Terrorismus erkennen. Gewisse Verdachtsmomente bestünden zwar im Hinblick auf das Zusammenwirken des Klägers mit anderen Personen bei organisierten Schleusungen und damit zusammenhängenden Delikten. Trotz umfassender Ermittlungen hätten diese allerdings nicht erhärtet werden können. Beim Kläger bestünden zwar erhebliche Hinweise darauf, dass er extremistisch-islamistischem Gedankengut nahestehe. Die bloße Tatsache, dass er möglicherweise mit den Zielen einer terroristischen Organisation sympathisiere, belege aber weder die tatbestandsmäßige Mitgliedschaft noch Unterstützungshandlungen. Bei eventuell extremistischen Äußerungen handele es sich um einen überspitzten, aber nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG dennoch zulässigen Beitrag zur Meinungsbildung. In einer Gesamtschau stehe den einzelnen Indizien, die auf eine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlung des Klägers hinweisen könnten, der Befund entgegen, dass es den Sicherheitsbehörden trotz seiner intensiven Überwachung über einen langen Zeitraum nicht gelungen sei, mehr als die im Urteil genannten, letztlich vereinzelten Indizien zu ermitteln. Die Vermutung, dass der Kläger extremistischem Gedankengut nahestehe, nicht selten gegen deutsche Rechtsvorschriften verstoßen habe und sich im Übrigen hauptsächlich mit irakischen Landsleuten umgebe, die einander auch Gefälligkeiten erwiesen, liege nahe, erfülle jedoch nicht den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG a.F.. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG a.F. seien nicht erfüllt, denn eine aktuelle vom Kläger ausgehende Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei nicht erkennbar. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme könne weiter nicht von einer Verwirklichung des Ausweisungstatbestands nach § 54 Nr. 6 AufenthG a.F. ausgegangen werden. Es könnten nämlich nur bewusst falsche oder unvollständige Angaben zu sicherheitsrelevanten Sachverhalten den Verdacht begründen, der Ausländer wolle aus unlauteren, sicherheitsrelevanten Motiven etwas verbergen, wobei von Bedeutung auch der Verständnishorizont des Ausländers sei. Gemessen daran könnten dem Kläger keine bewussten Falschangaben im Sinne des Ausweisungstatbestands nachgewiesen werden. Die wegen des besonderen Ausweisungsschutzes erforderliche Ermessensentscheidung des Beklagten begegne durchgreifenden rechtlichen Bedenken im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG. Insbesondere stelle die Auffassung der Beklagten, dem Kläger und seiner Familie sei eine Übersiedlung in die Türkei oder ein anderes Land gemeinsam möglich und zumutbar, allenfalls eine nicht belegte Vermutung dar. Der Beklagte hätte vielmehr sicherstellen müssen, dass der Kläger überhaupt einen legalen Aufenthalt in der Türkei begründen könne. Als Konsequenz aus der Aufhebung der Ausweisung seien auch die weiteren im Tenor genannten streitgegenständlichen Regelungen aufzuheben.

Der Kläger wurde mit Urteil des Amtsgerichts A. vom 3. März 2011 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz in zwölf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt worden; zudem wurde das Verfahren im Hinblick auf zehn weitere vorsätzliche Verstöße nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.

Zur Begründung der mit Beschluss vom 9. August 2012 wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassenen Berufung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor, eine wertende Gesamtbetrachtung der hinreichend belegten Aktivitäten und des Verhaltens des Klägers rechtfertige die Schlussfolgerung, er habe die terroristische Vereinigung AAI jedenfalls unterstützt, woraus sich auch noch seine gegenwärtige Gefährlichkeit im Sinn von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG a. F. ergebe. Unterstützung sei jede Tätigkeit, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Organisation auswirken könnten, ohne dass der Nutzen messbar sein müsse. Der Senat habe bereits mehrfach festgestellt, dass in der Moschee in A. Geldsammlungen für verschiedene Zwecke stattgefunden hätten und hiervon Teile im Hawala-Verfahren in den Irak zur Unterstützung der dort operierenden AAI transferiert worden seien. Der Kläger sei wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz in zwölf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt worden; zudem sei das Verfahren im Hinblick auf weitere zehn Verstöße nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass keiner dieser Geldtransfers der AAI im Irak zu Gute gekommen sei. Der Kläger habe selbst eingeräumt, im Hawala-Verfahren Geld an den Bruder des M. S.M., der wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung AAI und versuchter Beteiligung an einem Mord zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt worden sei, geschickt zu haben. Zu M. S.M. habe der Kläger außerdem ein enges Verhältnis gepflegt und eine persönliche Spende zur Finanzierung der Kosten von dessen Strafverteidiger geleistet. Darüber hinaus habe der Kläger nachweislich Kontakt zu weiteren Anhängern und Unterstützern der AAI gehabt. Er teile deren extremistische Haltung, was durch ein am 30. Dezember 2005 während einer Autofahrt geführtes und abgehörtes Gesprächs bewiesen werde, bei dem im Hintergrund Musik mit djihadistischem Inhalt gelaufen sei, zu der der Kläger gelegentlich mitgesungen habe. Außerdem sei bei ihm umfangreiches Audiomaterial mit entsprechenden Kampfliedern sichergestellt worden; auf seinem Computer habe man Verknüpfungen zu und Besuche von Internetauftritten verschiedener islamistischer Gruppierungen nachgewiesen. Der Kläger sei schon im Jahr 2006 wegen unerlaubten Führens einer Gaspistole zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Es bestünden im Rahmen einer zusammenfassenden Betrachtung hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für eine Unterstützung der AAI. Diese Beurteilung werde durch die als unglaubhaft anzusehenden Zeugenaussagen nicht widerlegt; es sei schon unglaubwürdig, dass sich die in A. lebenden Exil-Iraker als politisch völlig desinteressiert bezeichneten. Das Verwaltungsgericht überspanne außerdem die Anforderungen an den Nachweis der Zugehörigkeit zu einer Vereinigung im Sinn des § 54 Nr. 5 AufenthG a.F.; insoweit seien weder eine strafrechtliche Verurteilung noch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren erforderlich. Nach den Erkenntnissen des LfV sei der Kläger Angehöriger einer lokalen Gruppe, die die Kernorganisation der AAI im Irak mit Geldsammlungen unterstützt habe. Dass eine solche Gruppe bestehe, habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 25. März 2010 (Az. 10 BV 09.1784) festgestellt. Der Kläger habe sich bis heute nicht von der terroristischen Vereinigung distanziert. Auch der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG a.F. sei verwirklicht, da der Kläger sehr wohl falsche bzw. unvollständige Angaben zu seinen Kontakten mit Personen, die einer terroristischen Vereinigung angehörten oder nahestünden, gemacht habe. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei nicht zu beanstanden; auch der Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG sei ausreichend berücksichtigt und rechtmäßig abgewogen worden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Januar 2011 abzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt er auf die Ausführungen des mit der Berufung angefochtenen Urteils vom 18. Januar 2011 Bezug. Auf die hilfsweise Beantragung einer Befristung der Wirkungen der Ausweisung hat der Kläger im Hinblick auf die hierfür fehlende Zuständigkeit des Beklagten verzichtet.

In der vom Senat am 21. Juli 2014 durchgeführten ersten mündlichen Verhandlung, wegen deren Ablaufs auf die Niederschrift verwiesen wird, wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt. Anschließend wurde er informatorisch angehört. Mit Beschluss vom 24. Juli 2014 wurde das (damals unter dem Aktenzeichen 10 B 12.1823 anhängige) Berufungsverfahren im Hinblick auf die vorgreifliche Frage, ob der Kläger weiterhin Flüchtling im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG ist, ausgesetzt und erst nach Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 29. April 2016 (unter dem aktuellen Aktenzeichen) wieder aufgegriffen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens, hier insbesondere die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2017, sowie auf die beigezogenen Behördenunterlagen Bezug genommen. Mit dort verkündetem Beschluss hat der Senat die Akten der Verfahren 10 B 09.1784, 10 B 10.1999 und 10 B 13.1446 beigezogen.

Gründe

I.

Den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens bildet (nur noch) die im Bescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2009 unter Bestimmung einer Ausreisefrist und Androhung der Abschiebung verfügte Ausweisung (Ziffern 1., 3., 4., 5.), während der Rechtsstreit bezüglich der Nebenentscheidungen in den Ziffern 6., 7. und 8. in der letzten mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Das Klageverfahren war daher insoweit in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und auszusprechen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Januar 2011 in gleichem Umfang wirkungslos ist (§ 173 Satz 1 VwGO i. V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

II.

Soweit die Klage noch anhängig ist, hat die zulässige Berufung Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers zu Unrecht als rechtswidrig angesehen. Die Klage war daher insoweit abzuweisen und das Urteil des Verwaltungsgerichts im gleichen Umfang aufzuheben.

1. Maßgeblich für die Beurteilung der Ausweisung und der Abschiebungsandrohung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts, also hier des Berufungsgerichts (stRspr, vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2015 – 10 B 15.1854 – juris Rn. 29 m.w.N.). Der Entscheidung sind daher die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780), zugrundezulegen.

Rechtlicher Maßstab für die Überprüfung der vom Beklagten noch nach § 54 Nr. 5, 5a und 6 AufenthG in der bis 31. Dezember 2015 gültigen Fassung (a.F.) verfügten Ausweisung ist daher das ab 20. Juli 2017 geltende Ausweisungsrecht. Die bereits am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelungen zur Ausweisung (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 BGBl I S. 1386) differenzieren nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangen für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist in vollem Umfang durch das Gericht überprüfbar (BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 23; BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 26). Eine nach altem Recht verfügte Ausweisung wird auch nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dies ist vorliegend der Fall.

2. Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage im Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt (u.a.) die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet (2.1), ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen (2.2) an seiner Ausreise mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (vgl. grundlegend zum ab 1.1.2016 geltenden Rechtszustand: BVerwG, U.v. 22.2.2017, a.a.O., Rn. 21 ff.). Die Ausweisung setzt nach § 53 Abs. 1 AufenthG eine umfassende und ergebnisoffene Abwägung aller Umstände des Einzelfalls voraus, die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet wird. Der Grundsatz des § 53 Abs. 1 AufenthG erhält durch die §§ 54 und 55 AufenthG weitere Konkretisierungen. Einzelnen in die Abwägung einzustellenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen wird dabei von vornherein ein spezifisches, bei der Abwägung zu berücksichtigendes Gewicht beigemessen, jeweils qualifiziert als „besonders schwerwiegend“ (Absatz 1) oder als „schwerwiegend“ (Absatz 2; BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 17). Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sind neben den explizit in §§ 54 und 55 AufenthG angeführten Interessen aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Ausweisungs- und Bleibeinteressen denkbar (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 25.2.2015, BT-Drs. 18/4097 S. 49)

2.1 Der Kläger hat durch sein Verhalten ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinn von § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (2.1.1) verwirklicht, indem er durch relevante individuelle Handlungen in den Jahren 2004 bis 2006 die AAI als terroristische Vereinigung unterstützt hat (2.1.2). Die für § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs noch gegeben (2.1.3).

2.1.1 Es liegt besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Dies ist dann der Fall, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist u.a. auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er eine Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, die ihrerseits den Terrorismus unterstützt, es sei denn, er nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand. Der Tatbestand des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ist dem Wortlaut nach weitgehend an den früheren Regelausweisungstatbestand (§ 54 Nr. 5 AufenthG a.F.) angelehnt, auf den auch noch die Ausweisungsverfügung gestützt war. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem bereits zitierten Urteil vom 22. Februar 2017 (a.a.O., Rn. 28 bis 35) festgestellt, dass zur Auslegung des Tatbestands des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Sinn von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dieselben rechtlichen Maßstäbe heranzuziehen sind, die zur Auslegung des Regelausweisungstatbestands des nach § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. entwickelt worden waren (vgl. auch BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 19).

Voraussetzung ist demnach, dass dem Ausländer das Verhalten einer Vereinigung zugerechnet werden kann, die den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristischen Charakter hat (BVerwG, U.v. 25.10.2011 – 1 C 13.10 – juris Rn. 14 unter Verweis auf das U.v. 15.3.2005 – 1 C 26.03 – juris). Bei diesem Ausweisungstatbestand muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen, dass die betreffende Vereinigung den Terrorismus unterstützt. Für die erforderliche individuelle Unterstützung einer solchen Vereinigung durch den einzelnen Ausländer genügt es dagegen, dass Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen (BVerwG, U.v. 25.10.2011 – 1 C 13.10 – juris Ls. 1 und Rn. 16). Für beide Unterstützungsbegriffe in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG54 Nr. 5 AufenthG a.F.), also sowohl für die Unterstützung des Terrorismus durch die Vereinigung als auch für das individuelle Unterstützen einer solchen Vereinigung durch den Ausländer, gilt, dass mit dieser Ausweisungsnorm alle Verhaltensweisen erfasst werden sollen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus auswirken. Für die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch den Ausländer bedeutet dies, dass die vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 (a.a.O.) zur insoweit im Wesentlichen gleichlautenden Regelung in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG (i.d.F. d. G. v. 9.1.2002) entwickelten Kriterien maßgeblich sind (BVerwG, U.v. 25.10.2011, a.a.O., juris Rn. 21).

Zu diesem Unterstützungsbegriff hat das Bundesverwaltungsgericht in der angeführten Entscheidung vom 15. März 2005 (a.a.O., zur PKK und ihren Nachfolgeorganisationen) Folgendes ausgeführt:

„Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist - in Anlehnung an die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129 a StGB entwickelten Kriterien - jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83 (S) - BGHSt 32, 243; ähnlich Jakober in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 620; Berlit in: GK-StAR § 86 AuslG Rn. 90 bis 92 zum Unterstützungsbegriff in § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990). Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84 - BGHSt 33, 16 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243 <244>). Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - NJW 1988, 1677 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243, <244>) wie - unter Berücksichtigung des präventiven, der Gefahrenabwehr dienenden Zwecks des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG - auf eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54: „Dabei muss die von einem Ausländer ausgehende Gefahr entweder gegenwärtig bestehen oder für die Zukunft zu erwarten sein, abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit ohne gegenwärtige oder künftige Relevanz bleiben außer Betracht.“).

Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (zum Ausnahmefall der Inanspruchnahme als Anscheinsstörer in einer zugespitzten Krisensituation vgl. Urteile vom 11. November 1980 - BVerwG 1 C 23.75 und BVerwG 1 C 46.75 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nrn. 75, 76 und Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 35.70 - BVerwGE 49, 36 <42 ff.>). An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG kann ferner dann in Betracht kommen, wenn - wie der Klägerin vorgehalten und vom Berufungsgericht zunächst unterstellt - durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung wie der verbotenen PKK bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.). Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (oder des Fehlens jeglicher Distanzierung wie bisher bei der Klägerin) gewürdigt werden. Die potenzielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos, welches von einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und anderer Staaten sowie die Völkergemeinschaft aus-geht, ist erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Verhalten unter den durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz eingefügten, die allgemeine Sicherheitsgefährdungsklausel in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG bewusst erweiternden Unterstützungstatbestand zu subsumieren (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54: „Erfasst wird neben den Erscheinungsformen der Gewaltanwendung ebenfalls die Mitgliedschaft oder Unterstützung von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen, unabhängig davon, wo die Anschläge verübt werden. Diese Ausdehnung auf über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus agierenden Tätergruppen ist angesichts der Erscheinungsformen des international organisierten Terrorismus, der immer auch latent eine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland darstellt, geboten“).

Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich… Ebenso wenig ist ein „aktives Tätigwerden“ erforderlich, wie es im angefochtenen Berufungsurteil (UA S. 7) unter Bezugnahme auf einen vom Bundesgerichtshof aufgehobenen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Auslegung des § 129 a Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.) vorausgesetzt wird. Die Schwelle für das Eingreifen des neuen Versagungs- und Regelausweisungsgrundes nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative AuslG ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus deutlich niedriger anzusetzen als die Anforderungen an eine persönliche und konkrete Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nach der bereits früher geltenden ersten Alternative (vgl. oben 3 a).

Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung ist der Unterstützungsbegriff in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG auszulegen und anzuwenden. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings - wie bereits ausgeführt - bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte können erst nach einer umfassenden und konkreten Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamtbetrachtung entscheiden, ob ein Ausländer eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt. Nur wenn feststeht, dass und zu welchem Zeitpunkt eine Vereinigung - wie hier die PKK und ihre Teil- oder Nachfolgeorganisationen - terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich selbst terroristisch betätigt, kommt eine tatbestandsmäßige Unterstützung durch einzelne Personen in Betracht.“

Diese Grundsätze, die der Senat bereits seinem Beschluss vom 12. Oktober 2009 (10 CS 09.817) und zuletzt seinem Urteil vom 25. September 2013 (10 B 10.1999, juris Rn. 23) zugrunde gelegt hat, sind auch im vorliegenden Fall maßgebend.

2.1.2 Die AAI (später: Ansar al-Sunna) war während der Zeit ihres eigenständigen Bestehens als Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, anzusehen. Dies hat der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Strafgerichte (vgl. z.B. OLG M., U.v. 12.1.2006 – 6 St 001/05 – betr. M. L. A.; OLG S., U.v. 15.7.2008 – 5-2 StE 2/05 – betr. M. A** H.*) wiederholt festgestellt (BayVGH, B.v. 12.10.2009 – 10 CS 09.817 –; U.v. 25.3.2010 – 10 BV 09.1784 – sowie zuletzt U.v. 25.9.2013 – 10 B 10.1999 – jew. juris). Neuere Erkenntnisse, die eine abweichende Bewertung zulassen würden, liegen nicht vor. Danach war die AAI ein Zusammenschluss verschiedener salafistisch-dschihadistisch orientierter kurdischer Gruppen, die ihr Ziel, die Errichtung eines eigenständigen islamischen Staates im kurdischen Teil des Irak, mit terroristischen Mitteln, insbesondere unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen und durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt hat (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2007, S. 177f.). In diesem Zusammenhang ist insbesondere der geplante, jedoch verhinderte Mordanschlag auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten A. anlässlich dessen Besuchs in Berlin am 2./3. Dezember 2004 zu nennen.

Allerdings setzt die Anwendung von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG den Bestand einer Vereinigung voraus, die „den Terrorismus unterstützt“. Schon aus der Verwendung der Gegenwartsform („unterstützt“) folgt, dass dieses Tatbestandsmerkmal im maßgeblichen Zeitpunkt und damit aktuell vorliegen muss. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setzt damit grundsätzlich den Fortbestand der den Terrorismus unterstützenden Vereinigung (im maßgeblichen Zeitpunkt) voraus; andernfalls läge keine potentielle Erhöhung des von einer terroristischen Vereinigung ausgehenden latenten Gefährdungsrisikos (BVerwG, U.v. 15.3.2005, a.a.O., Rn. 27) infolge von Unterstützungshandlungen durch den Ausländer und damit keine von ihm ausgehende Gefahr vor. Wird also die terroristische Vereinigung, wegen deren Unterstützung der Ausländer ausgewiesen werden soll, endgültig zerschlagen oder löst sie sich und ihre Organisationsstruktur aus anderen Gründen auf, ohne dass es etwa zur Gründung einer Nachfolgeorganisation kommt, fehlt es bereits an einer „unterstützungsfähigen“ Vereinigung, die ihrerseits den Terrorismus auch in Zukunft noch unterstützen könnte.

So liegt der Fall hier jedoch nicht. Obwohl sich die terroristische Vereinigung AAI bereits im August 2014 dem Islamischen Staat im Irak (IS) unterstellt und damit ihren Namen und eine eigenständige Organisation aufgegeben hat, ist eine fortwirkende Unterstützung des Terrorismus nach wie vor zu bejahen. Denn ein großer Teil der Mitglieder der AAI hat sich – wie die Vertreterin des LfV in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat – im Jahr 2014 auf einen entsprechenden Aufruf der führenden Köpfe der AAI dem IS im Irak angeschlossen. Mit diesem Vorgehen sind zwar die eigenständigen Organisationsstrukturen der AAI weitgehend entfallen. Diese Vereinigung kommt dementsprechend nicht mehr als Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes in Betracht und wird auch im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17. Februar 2017 für den Irak – anders als noch in den vorangehenden Berichten – nicht mehr erwähnt, während sie in der aktuellen Fassung der EU-„Terrorliste“ noch genannt wird. Der Senat ist vor dem dargestellten Hintergrund zu der Überzeugung gelangt, dass – ungeachtet des Umstandes, dass offenbar einige Untergruppierungen der AAI den Anschluss an den IS verweigert haben – davon auszugehen ist, dass im Sommer 2014 die Organisationsstrukturen der AAI in maßgeblichem Umfang von einer anderen terroristischen Organisation zur Verfolgung deren terroristischer Ziele übernommen wurden und weitergeführt werden. Damit wird es dem IS möglich sein, bei Bedarf insbesondere auch auf die in Europa von der AAI geknüpften Netzwerke zurückzugreifen. Vor diesem Hintergrund ist der für die Anwendung der Ausweisungsvorschrift notwendige tatsächliche Fortbestand der ursprünglichen, unter anderem Namen agierenden terroristischen Vereinigung in ihren wesentlichen Organisationsstrukturen zu bejahen. So erscheint ohne weiteres möglich, dass der IS mithilfe von Verbindungsleuten aus der AAI an deren vormalige Mitglieder und Anhänger mit der Bitte um Unterstützung herantritt.

2.1.3 Der Kläger hat in der Vergangenheit die AAI unterstützt (2.1.3.1), ohne bislang von dem damit verbundenen sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen zu haben (2.1.3.2). Nach den gesamten Umständen ist daher von einer fortbestehenden Gefahr erneuter Sicherheitsgefährdungen auszugehen (2.1.3.3)

2.1.3.1 Bei umfassender Berücksichtigung aller Umstände ergibt sich im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung, dass der Kläger die terroristische Vereinigung AAI in Kenntnis der maßgeblichen Umstände unterstützt hat (§ 54 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Diese Vorschrift verlangt bezüglich der Anknüpfungstatsachen, die als Indizien für die Schlussfolgerung einer Unterstützung der terroristischen Vereinigung dienen, die volle richterliche Überzeugungsgewissheit (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2012 – 1 C 8.11 – juris Rn. 27; BayVGH, U.v. 25.9.2013, a.a.O. Rn. 31). Dabei erfasst die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirken – etwa die Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen –, wenn die Unterstützungshandlung geeignet ist, eine positive Außenwirkung im Hinblick auf die durch § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG missbilligten Ziele zu entfalten (BVerwG, U.v. 27.7.2017, a.a.O. Rn. 21). Weiterhin gilt für die Fälle des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ein abgesenkter Gefahrenmaßstab, der auch die Vorfeldunterstützung des Terrorismus erfasst und keine von der Person unmittelbar ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefahr erfordert. Der Unterstützerbegriff ist weit auszulegen und anzuwenden, um damit auch der völkerrechtlich begründeten Zwecksetzung des Gesetzes gerecht zu werden, dem Terrorismus schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell als gefährlich erscheint (BVerwG, U.v. 22.2.2017, a.a.O., Rn. 34 f. m.w.N.).

Anders als das Verwaltungsgericht meint, hat der Kläger bei Anlegung der dargestellten Maßstäbe die AAI in rechtlich erheblicher Weise individuell unterstützt. Zu dieser Überzeugung kommt der Senat zum einen aufgrund der vom Kläger getätigten, strafrechtlich wegen Verstosses gegen das Kreditwesengesetz geahndeten zwölf Hawala-Transaktionen mit einer Gesamtsumme von mindestens 125.000 Euro. Der Kläger hatte zudem intensiven Umgang mit mindestens drei weiteren, die AAI unterstützenden irakischen Staatsangehörigen aus der „A. Gruppe“, mit denen er gemeinsam regelmäßig die S.-Moschee in A. besuchte und darüberhinaus private Kontakte pflegte. Diese Erkenntnisse hat der Senat bereits in den vorangegangenen Berufungsverfahren dieser drei Unterstützer gewonnen; Zweifel an ihrer Richtigkeit bestehen nach wie vor nicht. Die entsprechenden Gerichtsakten (Az.: 10 BV 09.1784, A. K.; 10 B 10.1999, H.G.W.; 10 B 13.1446, H.J.M.) wurden zum Verfahren beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Demnach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger nicht nur in das System der Spendensammlungen zu Gunsten der AAI, die in der S.-Moschee durchgeführt wurden, eingebunden war, sondern auch die Weiterleitung der Spenden in den Irak organisierte. Mit den Protagonisten der Gruppe pflegte er häufigen, oftmals konspirativen Umgang. All dies folgt bereits aus dem rechtskräftigen Urteil vom 25. September 2013 (10 B 10.1999, UA Rn. 40 f.), mit dem die Klage des als Führungsfigur der „A. Gruppe“ eingestuften H.G.W. gegen seine Ausweisung – unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und nach Einvernahme des Klägers als Zeuge – abgewiesen wurde; dort hat der Senat zur Rolle der „A. Gruppe“ mit dem Kläger als hieran Beteiligtem die im Nachfolgenden zitierten Feststellungen getroffen (Hervorhebungen insbesondere des Namens des Klägers nicht im Original):

„1.1.2.3.4. Zusammenfassend ist entgegen der Bewertung des Erstgerichts gerade nicht davon auszugehen, dass sich die Gruppe irakischer Staatsangehöriger in A. um den Kläger und M. herum nur zum gemeinsamen Gebet in der S.-Moschee in A. getroffen und (wenige Male) Geldsammlungen ausschließlich für den Unterhalt dieser Moschee durchgeführt hat. Vielmehr liegen zahlreiche belegte Indiztatsachen dafür vor, dass jedenfalls die als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung (Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna) verurteilte Schlüsselperson M. - wie ihm von dieser Vereinigung und dem ihm innerhalb dieser Organisation hierarchisch übergeordneten Mitglied A** aufgetragen - innerhalb und außerhalb der S.-Moschee Geldsammlungen bei seinen irakischen Freunden und Bekannten für so bezeichnete „humanitäre“ oder „gute Zwecke“ bzw. „Arme“ und „hilfsbedürftige Personen“ im Irak durchgeführt und das Geld wie von vornherein beabsichtigt über entsprechende Verbindungsleute an die terroristische Vereinigung weitergeleitet hat. Aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senats auch fest, dass entgegen den wiederholten Einlassungen des M. im Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht S., es habe sich dabei nur um „Spenden für Arme und Bedürftige“ gehandelt, und entgegen den mehr oder weniger gleich lautenden Angaben der Mitglieder des A. Unterstützerkreises nicht nur M., sondern allen Beteiligten hinreichend klar war, dass diese Gelder letztlich zur finanziellen Unterstützung der Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna und für die „Brüder im Irak“ bestimmt waren. Das Aussageverhalten des M. schon im Strafverfahren, vor allem aber bei seinen Vernehmungen vor dem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof war und ist erkennbar davon geprägt, seine maßgebliche (Führungs-)Rolle innerhalb der Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna herunterzuspielen und insbesondere „niemand anderen mit hineinzuziehen“ (vgl. z.B. seine diesbezüglichen Angaben vor dem Verwaltungsgericht, S. 6 der Niederschrift vom 16.3.2010, wo er dieses Motiv ausdrücklich nennt). Besonders deutlich wird dies beispielsweise, wenn der Zeuge M. aussagt, innerhalb der Ansar al-Islam sei nie über den Kläger gesprochen worden, nur einmal sei gesagt worden, in A. lebe eine Person, die gegen den Dschihad sei (S. 6 der Niederschrift vom 16.3.2010). Der Kläger und andere Mitglieder der A. Gruppe um M. herum haben sich nachweislich konspirativ verhalten, indem sie sich zum Beispiel absprachen, wie sich die zu polizeilichen Vernehmungen vorgeladenen (acht) Mitglieder der Gruppe bezüglich M., den Hawala-Banking-Überweisungen des Isam A. sowie Kontakten zu Dritten - darunter dem ebenfalls durch das Oberlandesgericht S. verurteilten R. M. Y. - jeweils eingelassen haben bzw. besser hätten einlassen sollen. Dies ergibt sich eindeutig zum Beispiel aus einem im Pkw des I. A. abgehörten Gespräch zwischen dem Kläger, I. A. und H. M. … … (letzterer war Mitbewohner des M. in der Wohngemeinschaft in A.*) am 8. März 2006 (Bl. 226 ff. der Behördenbeiakte der Regierung von Oberbayern im Verfahren A*- … - Az. 10 ZB 11.412, jetzt 10 B 12.1823 sowie Beiakte der Regierung von Schwaben zum Verfahren Au 1 K 09. 50). In diesem Gespräch, in dem es im Wesentlichen um das Aussageverhalten der Gesprächsteilnehmer bei der Zeugenvernehmung im Rahmen des Strafverfahrens des M. geht, zeigt sich das konspirative Verhalten der A. Gruppe schon in folgendem Dialog: H.: „K** M., weil er sehr vorsichtig war, wie du schon weißt …“ H. (Kläger): „Ja.“ H.: „… haben wir niemals über etwas gesprochen, bis auf ein einziges Mal …“ (es folgt die Schilderung eines Telefongesprächs mit M.; TKÜ-Gesprächsprotokoll vom 8.3.2006, Beiakte der Regierung von Schwaben zum Verfahren Au 1 K 09. 50). Im weiteren Verlauf des Gesprächs erzählt beispielsweise A*- …, M. H. (Kläger) hätte ihm gesagt, man sollte nicht lügen: „Aber manchmal, ich musste lügen.“ Weiter erzählt er, dass er sich einmal (bei seiner Vernehmung) verraten und doch festgestellt habe, dass sie schon über vieles informiert seien und seit drei Jahren diesen Jungen (M.*) beobachtet hätten (Bl. 226 der Behördenbeiakte der Regierung von Oberbayern im Verfahren A*- …*). Dabei gibt der Kläger den Rat, A*- … hätte bei Beschuldigungen im Zusammenhang mit Geldüberweisungen und M. sagen sollen, es hätte sich nur um Ausleihen und Rückzahlungen gehandelt (Bl. 227 a.a.O.). Weiter ergibt sich aus diesem Gespräch, dass A*- … offensichtlich im Auftrag des M. Geld an einen Ismail überwiesen hat. In diesem Zusammenhang rät der Kläger wiederum A*- …, es sei sein Recht zu schweigen und er solle nichts vorzeitig zugeben, sondern erst, wenn einem „der Beweislast“ vorgelegt wird. In der Folge berichtet A*- …, dass bei seiner Vernehmung durch das Vorspielen von Telefongesprächen seine Lüge, R. nicht zu kennen, aufgedeckt worden sei. Der Kläger erklärt dabei, er kenne R. ebenfalls. Schließlich wird aus dem Gespräch klar, dass den Beteiligten die Rolle des M. für die Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna durchaus bewusst war, wenn A*- … an einer Stelle sagt: „K** M., du machst so was, 24 Stunden sprichst du im Internet mit k** K., mit A** und mit … Und du hast nichts getan; bei Gott, ich weiß es, er hat nichts getan.“ (Bl. 228 a.a.O.). Bei einem bei der Regierung von Oberbayern geführten Sicherheitsgespräch am 13. November 2008 hat A*- … dann im Übrigen auf entsprechenden Vorbehalt kategorisch bestritten, so etwas jemals gesagt zu haben (Bl. 319 der Behördenbeiakte der Regierung von Oberbayern im Verfahren A*- … - Az. 10 ZB 11.412, jetzt 10 B 12.1823). Im weiteren Verlauf dieses im PKW des A*- … abgehörten Gesprächs sagt A*- … zum Kläger im Zusammenhang mit seiner polizeilichen Vernehmung über Geldüberweisungen im Auftrag des M.: „M., ich stellte fest, dass er, mit Verlaub, Kenntnisse über unbedeutende Sachen hat, zum Beispiel von 2-3 unbedeutenden Sachen, wusste aber über die großen Sachen Bescheid.“ (Fortsetzung TKÜ-Gesprächsprotokoll vom 8.3.2006, Beiakte der Regierung von Schwaben zum Verfahren Au 1 K 09. 50). Schließlich unterhalten sich der Kläger und A. in diesem Gespräch über ihre jeweiligen Angaben bei ihren polizeilichen Vernehmungen (am Vortag), insbesondere auch über geleistete Hilfen für M. ….

Der Kläger war sowohl mit M. als auch mit A*- … über Jahre hinweg befreundet und hatte mit beiden in A. regelmäßigen und intensiven, besonders häufig auch telefonischen Kontakt (vgl. Stellungnahme der Kriminalpolizeiinspektion (Z) Schwaben Nord vom 7.4.2009 an das Bayerische Landeskriminalamt M. in Sachen des Klägers, Bl. 54/56 f. der VGH-Akte im Verfahren 10 CS 09.817 sowie Stellungnahme zum Fragenkatalog des VG Augsburg vom 26.2.2010, Bl. 291 ff. VGH-Akte im Verfahren des Klägers 10 B 10.1999). Diese Kontakte haben die Beteiligten bei ihren verschiedenen Vernehmungen während der anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen eingeräumt, wenn auch zum Teil herunterzuspielen versucht. Die besonders enge Beziehung des Klägers zu M. wird auch daraus deutlich, dass der Kläger nach der Inhaftierung des M. als einer der wenigen durch das Oberlandesgericht S. eine Dauerbesuchserlaubnis in der Justizvollzugsanstalt S. erhielt und diesen auch mehrfach in der Haft besuchte (vgl. Stellungnahme der Kriminalpolizeiinspektion (Z) Schwaben Nord vom 7.4.2009 an das Bayerische Landeskriminalamt M. in Sachen des Klägers, Bl. 54/56 der VGH-Akte im Verfahren 10 CS 09.817 mit Anlage 3). Alle drei werden als streng gläubige Moslems sunnitischer Glaubensrichtung und radikale Islamisten ein-gestuft bzw. beschrieben. Bei M. ergibt sich dies schon aus den Feststellungen des OLG S. im Urteil vom 15. Juli 2008, wonach die in der Wohnung des M. sichergestellten zahlreichen Beweismittel islamistischen Inhalts u.a. dafür sprächen, dass M. auch den bewaffneten Dschihad befürworte (S. 59 dieser Entscheidung). Bei A*- … ergibt sich diese Einstufung vor allem aus der Auswertung der akustischen Überwachung seines Pkws im Jahr 2006, bei der festgestellt werden konnte, dass „permanent dschihadistische Kampflieder und Koranrezitationen“ abgespielt werden (vgl. dazu den Bericht des Polizeipräsidiums Schwaben, OK-Dienststelle vom 5.10.2007 an die Regierung von Oberbayern mit beigefügten TKÜ-Protokollen, Bl. 165 ff. der Behördenbeiakte der Regierung von Oberbayern im Verfahren A. - Az. 10 ZB 11.412, jetzt 10 B 12.1823). Radikale religiöse Äußerungen des Klägers sind zum Beispiel in dem von ihm am 23. Februar 2004 mit A** geführten und vom LKA Baden-Württemberg überwachten Telefongespräch belegt, wonach er Andersgläubigen gedroht hat, ihnen die Zunge abzuschneiden und sie aus dem vierten Stock zu werfen (vgl. Stellungnahme der Kriminalpolizeiinspektion (Z) Schwaben Nord zum Fragenkatalog des VG Augsburg vom 26.2.2010, Bl. 291 ff. VGH-Akte im Verfahren des Klägers 10 B 10.1999). Auch in der dem Verwaltungsgerichtshof im Eilverfahren des Klägers (10 CS 09.817) vorgelegten amtlichen Auskunft des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 1. April 2009 (Bl. 51 ff. der VGH-Akte) ist bei den Erkenntnissen zur Person des Klägers ausgeführt, seit 2005 werde der Kläger dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz als streng religiöser Mensch und Islamist beschrieben (S. 2 dieser Stellungnahme).

Hervorzuheben ist, dass H.G.W. nicht nur einfaches Mitglied der „A. Gruppe“, sondern einer ihrer maßgeblichen Köpfe war. Nachdem der Kläger – wie dargelegt – in engem Kontakt zu ihm stand, ist davon auszugehen, dass er genau wusste, welche Aktivitäten der terroristischen Vereinigung er durch seine Handlungen unterstützt. Zur besonderen Rolle des H.G.W. in der Gruppe heißt es in dem ihn als Kläger betreffenden Urteil vom 25. September 2013 (a.a.O.) weiter:

…Der Kläger war zur Überzeugung des Senats nicht nur Teil dieser A. Anhängerbzw. Unterstützergruppe der Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna, sondern nahm innerhalb dieser Gruppe eine besondere, d.h. herausgehobene Stellung ein. Auch aus diesem Grund geht der Senat davon aus, dass dem Kläger die oben dargelegten Aktivitäten des M. und der „A. Gruppe“ im Umfeld der S.-Moschee in A. zur Unterstützung der Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna nicht etwa verborgen geblieben sind, sondern er vielmehr innerhalb dieser Unterstützergruppe maßgeblichen Einfluss hatte.

Zum einen ergibt sich die herausgehobene Stellung des Klägers schon daraus, dass er über einen längeren Zeitraum als stellvertretender Imam und Vorbeter in der S.-Moschee in A. fungiert hat und ausweislich von Protokollen von Mitgliederversammlungen des Islamischen Vereins A. e.V. aus den Jahren 2001 und 2005 Mitglied dieses Vereins war (vgl. Stellungnahme der Kriminalpolizeiinspektion (Z) Schwaben Nord zum Fragenkatalog des VG Augsburg vom 26.2.2010, Bl. 291/292 VGH-Akte im Verfahren des Klägers 10 B 10.1999). Seine Funktion als Vorbeter in der Moschee, wenn der (eigentliche) Imam - insbesondere an Wochenenden - nicht anwesend war, hat der Kläger bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 28. März 2012 erneut bestätigt und dabei auch erläutert, weshalb er diese Funktion wahrnimmt und als religiöse Autorität innerhalb der Gruppe der Besucher dieser Moschee aber auch von anderen Personen angesehen wird. Demgemäß wurde der Kläger innerhalb dieser Gruppe regelmäßig mit „M.“ angesprochen, womit man einen Lehrer oder respektvoll eine höhergestellte Person bezeichnet (Begriffserklärung des Dolmetschers in erster Instanz, S. 3 der Niederschrift vom 16.3.2010). Seine Eigenschaft als Mitglied des islamischen Trägervereins der Moschee hat der Kläger dagegen - nicht überzeugend - bestritten und angegeben, er wäre nie auf Versammlungen des Vereins gewesen (S. 4 der Niederschrift vom 28.3.2012).

Weiter wird die herausgehobene Stellung des Klägers innerhalb der A. Anhängerbzw. Unterstützergruppe durch die Vielzahl und insbesondere die Qualität seiner Beziehungen und Kontakte zu Personen deutlich, die zum Teil bereits wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna) rechtskräftig verurteilt, zum Teil wie der Kläger selbst wegen Unterstützung der Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna (teilweise bestandskräftig) ausgewiesen worden sind. Ein entsprechendes durch die Kriminalpolizeiinspektion (Z) Schwaben Nord - Operativer Staatsschutz - auf der Basis festgestellter TKÜ-Gespräche oder anderweitig bewiesener persönlicher Kontakte erstelltes Kontaktbild vom 28. Juli 2010 wurde dem Senat über den Vertreter des öffentlichen Interesses vorgelegt (Bl. 74 ff. der VGH-Akte im Verfahren des Klägers 10 B 10.1999). Die dort aufgelisteten einschlägigen Kontakte des Klägers werden in der dem Senat in der mündlichen Verhandlung übergebenen Stellungnahme der Kriminalpolizeiinspektion (Z) Schwaben Nord zum Fragenkatalog des VG Augsburg vom 26.2.2010 (Bl. 291 ff. VGH-Akte im Verfahren des Klägers 10 B 10.1999) zum Teil anhand konkreter Erkenntnisse aus Telefonüberwachungsmaßnahmen bei Gesprächsteilnehmern des Klägers nochmals näher erläutert und präzisiert sowie bewertet.“

Das Verwaltungsgericht Augsburg beruft sich im angefochtenen erstinstanzlichen Urteil vom 18. Januar 2011 zur Begründung seiner Auffassung, der Kontakt zwischen dem Kläger und H.G.W. sei rein freundschaftlicher Natur und ein Zusammenwirken im Hinblick auf die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nicht feststellbar (UA S. 27), auf seine Feststellungen im Urteil vom 16. März 2010 (Au 1 K 09.50); dieses Urteil wurde jedoch durch das in Bezug genommene Berufungsurteil des Senats vom 25. September 2013 aufgehoben. Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, dass der Kläger in die Organisation der „A. Gruppe“ als Ableger der AAI eingebunden war und die Aufgabe hatte, Gelder zur Finanzierung der Aktivitäten der terroristischen Vereinigung insbesondere in den Irak weiterzuleiten. Damit hat er eine wichtige Aufgabe innerhalb der Organisation im Vorfeld ihrer eigentlichen sicherheitsgefährdenden Bestrebungen übernommen. Es bestehen keine Zweifel daran, dass der Kläger um diese Bestrebungen wusste, weshalb sie ihm auch subjektiv zurechenbar sind (BVerwG, U.v. 27.7.2017, a.a.O., Rn. 22). Zwar weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass die Empfänger der einzelnen Geldtransaktionen im Irak nicht hätten nachgewiesen werden können; angesichts der (dargestellten) engen Beziehungen des Klägers zu anderen Unterstützern der AAI, seines konspirativen Verhaltens und den aus der akustischen Überwachung seines PKW gewonnenen Erkenntnissen ist es jedoch auszuschließen, dass die von ihm durchgeführten Hawala-Transfers ausschließlich privaten oder rein wirtschaftlichen Zwecken gedient haben.

Der Kläger hat die AAI aber nicht nur durch seine Tätigkeit im Hawala-Banking unterstützt, sondern auch dadurch, dass er im Kreise der „A. Gruppe“ Spendensammlungen organisiert und selbst Geld gespendet hat. Auch insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Feststellungen im rechtskräftigen Urteil vom 25. September 2013 (a.a.O., Rn. 33 bis 39). Dort wird mit umfänglicher Begründung das Vorbringen, die von irakischen Landsleuten in A. und von Besuchern der S.-Moschee regelmäßig eingesammelten Geldbeträge seien ausschließlich an die Moschee abgeführt oder für Hilfsbedürftige im Irak verwendet worden, teilweise als widerlegt, jedenfalls als unglaubwürdig angesehen. Der Kläger selbst hat in einem abgehörten Gespräch am 26. Januar 2006 berichtet, er und andere hätten zur Finanzierung der mit einem gegen ein hochrangiges Mitglied der Gruppe laufenden Strafverfahren verbunden Kosten eine erhebliche Geldsumme gesammelt (vgl. im Einzelnen: U.v. 25.9.2013, a.a.O., Rn. 38). Das sich nach dem zitierten Urteil ergebende Gesamtbild lässt nur den Schluss zu, dass der Kläger in die Spendensammlungen in der Moschee eingebunden war, eigene finanzielle Beiträge im Rahmen seiner Möglichkeiten geleistet und so die AAI unterstützt hat.

Das Verwaltungsgericht war nach der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme (Einvernahme von neun Zeugen) „nicht mit hinreichender Sicherheit davon überzeugt“, dass Tatsachen vorlägen, die die Schlussfolgerung rechtfertigten, der Kläger unterstütze eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung. Diese Auffassung ist bereits angesichts des äußerst „zurückhaltenden“ Aussageverhaltens der Zeugen, die der Senat zum großen Teil selbst im Berufungsverfahren H.G.W. (10 B 10.1999) einvernommen hat, nicht nachvollziehbar. In jedem Fall lassen die dargestellten sicherheitsbehördlichen Erkenntnisse den Schluss auf ein von den Zeugenaussagen abweichendes Gesamtbild zu, das von einem konspirativen Umgang untereinander geprägt war, um in Kenntnis der sicherheitsbehördlichen Beobachtung die Ziele der AAI verdeckt verfolgen zu können. Das Verwaltungsgericht weist im Übrigen selbst auf das beim Kläger festzustellende „extremistisch-islamistische Gedankengut“ (UA S. 32- 34) sowie auf den kurzzeitigen Kontakt zu einem später wegen Mitgliedschaft in der AAI verurteilten Zeugen (UA S. 25 f.) hin; allerdings betrachtet es auch diese beiden Aspekte nur isoliert und stellt fest, dass jeder für sich allein keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer für die Ausweisung erforderlichen Unterstützungshandlung liefert. Im Rahmen der anzustellenden Gesamtschau sind sie jedoch weitere tatsächliche Anhaltspunkte für die Bewertung des Senats. Auch der Hinweis des Verwaltungsgerichts (UA S. 34), selbst bei den vom Juni 2004 bis Oktober 2006 andauernden Überwachungsmaßnahmen, insbesondere der Telefongespräche des Klägers, sei „zu keiner Zeit ein Hinweis dafür gefunden worden, dass sich der Kläger in irgendeiner Form an terroristischen Bestrebungen beteiligte“, vermag nicht zu überzeugen. Denn unabhängig von den bei der akustischen PKWÜberwachung gewonnenen eindeutigen Erkenntnissen ist angesichts der Kenntnis der Gruppe von den gegen sie gerichteten Überwachungsmaßnahmen davon auszugehen, dass sie im nicht überwachten öffentlichen Raum oder verschlüsselt telefonisch kommuniziert haben.

2.1.3.2 Der Kläger hat bislang auch nicht erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln im Sinn von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG („es sei denn“) Abstand genommen, so dass der Tatbestand dieser Vorschrift nicht entfallen ist.

Die objektive Tatsache der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in der Vergangenheit könnte ihm dann nicht mehr zugerechnet werden, wenn er sich inzwischen glaubhaft hiervon distanziert hätte (stRspr, BVerwG, U.v. 15.3.2005, a.a.O.; U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – BVerwGE 147, 261 Rn. 17; U.v. 22.2.2017, a.a.O., Rn. 33: „Abstandnehmen“ i.S.v. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entspricht dem Distanzieren). Das Abstandnehmen von sicherheitsgefährdenden Handlungen ist ein innerer Vorgang und erfordert daher das Vorliegen äußerlich feststellbarer Umstände, die eine Veränderung der bisher gezeigten Einstellung als wahrscheinlich erscheinen lassen; Voraussetzung für eine derartige Annahme ist in jedem Fall eine Einsicht des Ausländers in die Unrichtigkeit des ihm vorgeworfenen Handelns, ohne die die Ankündigung einer Verhaltensänderung keine glaubwürdige Grundlage hat (vgl. OVG NW, U.v. 17.3.2016 – 19 A 2330/11 – juris Rn. 65 f.).

Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Allein die Feststellung, dass der Kläger seit Jahren nicht mehr mit nachweisbaren Unterstützungshandlungen für eine terroristische Vereinigung in Erscheinung getreten ist, reicht für ein „Abstandnehmen“ nicht aus; das hierfür erforderliche aktive und nach außen wirkende Verhalten ist nicht erkennbar. Der Kläger hat sich bisher insbesondere nicht zu den ihm konkret anzulastenden Unterstützungshandlungen (s.o. 2.1.3.1) zugunsten der AAI und seinen langjährigen Beziehungen zu dieser Organisation bekannt oder wenigstens in irgendeiner Form Einsicht gezeigt. Auch in der mündlichen Verhandlung hat er keinerlei Erklärungen abgegeben, aus denen eine Distanzierung von seinem vorausgegangenen Tun erkennbar werden könnte.

2.1.3.3 Vom Kläger geht schließlich zum maßgeblichen Zeitpunkt dieses Urteils weiterhin die für die Erfüllung des Tatbestands nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu fordernde Gefahr eines erneuten sicherheitsgefährdenden Handelns aus (BVerwG, U.v. 22.2.2017, a.a.O., Rn. 26).

Für die Feststellung der Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 1911 – juris Rn. 16 m.w.N.; U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18). Ausreichend, aber auch erforderlich ist das Vorliegen einer konkreten Wiederholungsgefahr. Eine solche konkrete Gefahr, die das Gericht im Wege einer eigenständigen Prognose zu beurteilen hat, besteht nach Auffassung des Senats (§ 108 Abs. 1 VwGO) beim Kläger fort; es spricht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass er weiterhin islamistischem Gedankengut anhängt und sich hieraus erneut motiviert sieht, entsprechende Vereinigungen – wie die AAI oder nunmehr den IS – bei der Verfolgung ihrer terroristischen Bestrebungen zu unterstützen. Die hierbei drohenden Gefahren etwa in Form eines terroristischen Anschlags sind ganz erheblich, sodass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine zu strengen Anforderungen zu stellen sind. Eine vom Kläger nach wie vor ausgehende konkrete Gefahr kann deshalb nicht etwa unter Hinweis darauf verneint werden, dass die festgestellten Unterstützungstätigkeiten schon etliche Jahre zurückliegen, die „A. Gruppe“ zerschlagen wurde und der Kläger seit längerem in Nordrhein-Westfalen wohnt. Er hat sich jedenfalls zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise, erst recht nicht glaubhaft von der Terrororganisation AAI distanziert oder auch nur deren Ziele infrage gestellt. Sonstige Anhaltspunkte, aus denen auf eine dauerhafte Veränderung der inneren Einstellung des Klägers geschlossen werden könnte, sind nicht erkennbar.

Ist demnach der Ausweisungstatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der hier maßgeblichen Variante der Unterstützung einer ihrerseits den Terrorismus unterstützenden Vereinigung erfüllt, bedarf es keines weiteren Eingehens auf den vom Verwaltungsgericht geprüften (und ebenfalls verneinten) Tatbestand der Ausweisung nach § 54 Nr. 6 AufenthG a.F. (nun: § 54 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG) wegen falscher Angaben im Rahmen einer ausländerrechtlichen Befragung.

2.2 Dem besonders schwerwiegenden öffentlichen Ausweisungsinteresse stehen besonders schwerwiegende Bleibeinteressen des Klägers und seiner beiden Töchter nach § 53 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG gegenüber (2.2.1). Im Rahmen der Gesamtabwägung der gegenläufigen Interessen ergibt sich jedoch bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses (2.2.2).

2.2.1 Der Kläger erfüllt den Tatbestand des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG dadurch, dass er seit dem Jahr 2010 mit seinen beiden minderjährigen Töchtern, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in B. in familiärer Lebensgemeinschaft lebt. Daraus folgt, dass auf der Ebene der gesetzlichen Umschreibung bestimmter Fälle eines Ausweisungsinteresse einerseits und eines Bleibeinteresse andererseits („Vertypung“) noch kein Überwiegen des einen oder anderen Interesses festgestellt werden kann, da beide im Rahmen der Betrachtung der gesetzlich vertypten Interessen gleichermaßen als besonders schwerwiegend zu behandeln sind. Es bedarf daher einer besonderen individuellen Begründung für das Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Ausweisung, in deren Rahmen das den Ausweisungsgrund bildende Verhalten im Einzelnen weiter zu gewichten ist und etwa vorliegende atypische Umstände in den Blick zu nehmen sind (BVerwG, U. v. 27.7.2017, a.a.O., Rn. 39).

2.2.2 Die demnach unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmende Gesamtabwägung ergibt ein Überwiegen des öffentlichen Ausweisungsinteresses gegenüber den Bleibeinteressen des Klägers gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG. Dabei sind sämtliche Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen; im konkreten Fall sind dies insbesondere Art und Umfang der festgestellten Unterstützung, Bedeutung der (unterstützten) Vereinigung, Einbindung des Klägers in die Vereinigung, das Gewicht der bedrohten Rechtsgüter sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt.

Auf Seiten des Klägers ist in erster Linie in Rechnung zu stellen, dass er sich bereits seit 1999 im Bundesgebiet aufhält, dabei zu Beginn einen rechtmäßigen Aufenthalt von mehr als sieben Jahren vorweisen kann und Vater zweier deutscher Töchter ist, mit denen und deren Mutter er in gemeinsamen Haushalt zusammenlebt. Die für die Ausweisung maßgeblichen Unterstützungshandlungen liegen inzwischen mehr als zehn Jahre zurück, ohne dass der Beklagte seither Erkenntnisse über erneute sicherheitsgefährdende Handlungen gewonnen hat. Die ihm vorgeworfenen Handlungen, hier insbesondere die Spenden, Geldsammlungen und -transfers zwischen Deutschland und dem Irak, waren von ihrer Bedeutung her betrachtet eher im „unteren Gefährlichkeitsbereich“ (vgl. BVerwG, U. v. 27.7.2017, a.a.O., Rn. 39) angesiedelt; eine hervorgehobene Position in der AAI hat der Kläger nicht bekleidet. Die AAI ist inzwischen als selbstständige terroristische Vereinigung nicht mehr existent, sondern organisatorisch im IS aufgegangen. Die „A. Gruppe“ der AAI, in deren Umfeld er agierte, ist zerschlagen. Das Gewicht der Bleibeinteressen wird allerdings dadurch relativiert, dass es der Kläger nach seiner Ausreise in der Hand hätte, eine angemessene – im vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständliche – Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots wegen seiner familiären Situation zu beantragen (vgl. § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG).

Gegen den Kläger und damit für das Gewicht des Ausweisungsinteresses spricht in erster Linie seine erhebliche Verstrickung in sicherheitsgefährdende Aktivitäten der AAI und die damit verbundenen Kontakte in den Irak, die ihn zu einem Mitglied des weit verzweigten terroristischen Netzwerks der AAI gemacht haben. Auch wenn sich deren Strukturen im Bundesgebiet nach und nach aufgelöst haben, bleibt das nicht unerhebliche Risiko bestehen, dass sich der IS im Irak der internationalen Beziehungen bedient, die das Führungspersonal der AAI nach Unterstellung unter den IS mit „eingebracht“ hat. Auch der Umstand, dass der Kläger über Jahre hinweg enge Beziehungen zu drei zu langjährigen Haftstrafen verurteilten AAI-Tätern gepflegt und sein Verhalten bewusst auf die logistische und finanzielle Förderung dieser Vereinigung ausgerichtet hat, bedeutet eine Erhöhung des latent fortbestehenden Gefährdungsrisikos. Diese Annahme wird dadurch bestärkt, dass sich der Kläger im Laufe der vergangenen Jahre niemals – auch nicht andeutungs- oder teilweise – zu seinem sicherheitsgefährdenden Handeln bekannt oder damit auseinandergesetzt hat. Auch die beiden strafrechtlichen Verurteilungen zu Geldstrafen in Höhe von 60 bzw. 150 Tagessätzen aus den Jahren 2006 bzw. 2011 sind bei der Gesamtabwägung in den Blick zu nehmen. Zum Nachteil gereicht dem Kläger schließlich seine fehlende wirtschaftliche Integration (vgl. § 53 Abs. 2 AufenthG: „wirtschaftlichen… Bindungen im Bundesgebiet“); die in der mündlichen Verhandlung übergebenen Unterlagen zeigen, dass er für sich und seine drei Familienangehörigen Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nimmt. Letztlich entscheidend ist jedoch, dass der Kläger die öffentliche Sicherheit künftig erheblich beeinträchtigen könnte, indem er die Aktionsmöglichkeiten einer terroristischen Vereinigung fördert und damit höchste Rechtsgüter – Leben und körperliche Unversehrtheit Dritter – gefährdet.

Danach ergibt sich, dass das öffentliche Ausweisungsinteresse die Bleibeinteressen des Klägers überwiegt. Die Ausweisung und die Abschiebungsandrohung erweisen sich bei Anwendung des ab 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrechts somit als rechtmäßig. Das insoweit angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts kann daher keinen Bestand haben.

3. Die Kosten des Klageverfahrens, soweit es durch die übereinstimmenden Erledigungserklärung beendet wurde (Tenor I.), trägt gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen der Beklagte, da er unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes ohne Erledigung des Rechtsstreits insoweit voraussichtlich unterlegen wäre. Der Beklagte hat sich dem Umzug des Klägers im Februar 2010 nach B. – kurz nach Bescheidserlass – nicht widersetzt und keine Bemühungen unternommen, die zwangsgeldbewehrten Maßnahmen (Beschränkung seines Aufenthalts auf das Stadtgebiet A. und die angeordnete tägliche Meldepflicht) durchzusetzen; damit hat er hinreichend zu erkennen gegeben, dass er an den Anordnungen in den Ziffern 6. bis 8. des Bescheids vom 28. Dezember 2009 tatsächlich nicht mehr festhalten will.

Im Übrigen beruht die für beide Rechtszüge zu Lasten des Klägers auszusprechende Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Januar 2015 weiter. Mit diesem Bescheid ordnete die Polizeiinspektion N. die erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers nach § 81b 2. Alt. StPO an.

Anlass für die im Bescheid vom 14. Januar 2015 angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung war die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Sachbeschädigung. Dem Antragsteller wird zur Last gelegt, in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 2014 acht Sachbeschädigungen durch Graffitis begangen zu haben. In den Gründen des Bescheids vom 14. Januar 2015 werden unter dem Stichpunkt „Sachverhalt und Gefahrenprognose“ vier weitere Vorfälle aufgeführt. Es handelt sich dabei um die Vorgänge vom 29. Oktober 2011, 6. Dezember 2012, 11. Mai 2013 und 26. April 2014, bei denen sich der Antragsteller als Mitglied der „Banda di Amici“, einer Fan-Gruppierung des 1. FC Nürnberg, in einer Gruppe von Fußballfans befand, die an Ausschreitungen anlässlich von Fußballspielen beteiligt waren oder sich daran beteiligen wollten. Wegen der Straftaten am 26. April 2014 wurde gegen den Antragsteller wegen Landfriedensbruch ermittelt. Dieses Strafverfahren ist mittlerweile gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Aufgrund der Vorfälle vom 29. Oktober 2011 und 11. Mai 2013 wurde der Antragsteller in Unterbindungsgewahrsam genommen. Zu einem Vorfall vom 6. Dezember 2012 finden sich keine Unterlagen in den Behördenakten. Vorhanden ist ein Schlussvermerk des Polizeipräsidiums Dortmund über Ausschreitungen anlässlich eines Fußballspiels am 20. Oktober 2012. Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Dortmund wurde gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch eingeleitet, das am 23. Mai 2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.

Zur Begründung der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung führte der Antragsgegner an, es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller auch in Zukunft an Straftaten, vor allem in Zusammenhang mit Fußballspielen, beteiligt sein werde. Die erkennungsdienstliche Behandlung erstrecke sich auf die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, die Fertigung von Lichtbildern und Messungen und einer Personenbeschreibung. Der Antragsteller habe bereits versucht, nach der Tat unerkannt zu flüchten. Er agiere häufig aus geschlossenen Personengruppen heraus, was seine Identifizierung erschwere. In Anbetracht der Bedeutung und Gefährlichkeit der Taten des Antragstellers sei der Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht weniger schwer zu gewichten als das Interesse der Allgemeinheit, vor solchen Straftaten geschützt zu werden. Die sofortige Vollziehung der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung wurde angeordnet.

Der Antragsteller erhob gegen den Bescheid vom 14. Januar 2015 Klage und beantragte zudem, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 14. Januar 2015 wiederherzustellen.

Diesen Antrag lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 25. Juni 2015 ab. Die auf § 81b StPO gestützte Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses sei gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Sachbeschädigung anhängig gewesen. Als präventiv-polizeiliche Maßnahme zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung sei die erkennungsdienstliche Behandlung zwar von einem fortbestehenden hinreichenden Tatverdacht, nicht aber von einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Schuldfeststellung abhängig. Bei der Feststellung der Notwendigkeit der Maßnahme sei insbesondere auf die Art, Schwere und Begebungsweise der dem Antragsteller zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit sowie darauf abzustellen, wie er bislang strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Es sei die Gefahr gegeben, dass der Antragsteller auch künftig durch das Anbringen von Graffitis den Straftatbestand der Sachbeschädigung verwirklichen werde. Dem stehe nicht entgegen, dass die Staatsanwaltschaft nur hinsichtlich einer Anlasstat den Erlass eines Strafbefehls beantragt habe. Denn die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen wiesen auch hinsichtlich der weiteren dokumentierten Fälle auf einen Tatverdacht gegen den Antragsteller hin. Der Antragsgegner habe die Wiederholungsgefahr auch unter Rückgriff auf andere strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller ermessensfehlerfrei beurteilt. Er sei in Zusammenhang mit Fußballspielen des 1. FC Nürnberg als Teil gewaltbereiter Gruppierungen wiederholt Ziel von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs gewesen. Auch wenn dem Antragsteller nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein die Strafbarkeit begründender individueller Tatbeitrag nachzuweisen gewesen sei, speise sich aus dem Umstand, dass der Antragsteller in beiden Fällen als Teil der Gruppe festgestellt worden sei, aus der heraus Tatbeiträge erbracht worden seien, ein fortbestehender polizeilicher Tatverdacht. Die gegen den Antragsteller verfügte Ingewahrsamnahme sei bestandskräftig geworden, daran ändere auch die erhobene Schadensersatzklage und die Feststellung, dass die Ingewahrsamnahme gegenüber einer anderen Person rechtswidrig gewesen sei, nichts. Auf dieser Grundlage habe der Beklagte ermessensfehlerfrei die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, die Fertigung von Lichtbildern, die Durchführung von Messungen und die Fertigung einer Personenbeschreibung angeordnet.

Im Beschwerdeverfahren beantragt der Antragsteller,

den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. Juni 2015 aufzuheben und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage anzuordnen.

Die Verwertung von früheren Ermittlungsverfahren verstoße gegen § 51 BZRG. Diese Vorschrift gelte nicht nur für eine Verwertung im Strafverfahren, sondern auch im Rahmen von Prognoseentscheidungen. Der Vorgang vom 26. April 2014 sei ebenfalls nicht verwertbar, weil dieser Eintrag am 9. April 2015 gelöscht worden sei. Im Zug seien die Personalien von 77 Personen festgestellt worden, an der Auseinandersetzung seien nur 50 Personen beteiligt gewesen. Zudem seien die Einstellungsgründe nie aufgeklärt worden. Bezüglich des Sachverhalts vom 26. Oktober 2011 lägen keinerlei Anhaltspunkte für eine Störung durch den Antragsteller vor. Die Ingewahrsamnahme ändere daran nichts. Die Gefahrenprognose dürfe nicht auf rechtswidrige Maßnahmen gestützt werden, nur weil diese nicht angefochten worden seien. In keinem der angeführten Fälle bestand ein hinreichend konkreter Anfangsverdacht gegen den Antragsteller, es habe sich nur um Vorermittlungen gehandelt. Der Sachverhalt vom 20. Dezember 2012 sei ebenfalls nicht aufgeklärt worden, ebenso wenig der Inhalt der Einstellungsverfügung. Der Sachverhalt vom 11. Mai 2013 könne dem Antragsteller ebenfalls nicht vorgehalten werden. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung stehe außer Verhältnis zu den dem Antragsteller vorgeworfenen Straftaten. Bei Sachbeschädigung handle es sich nur um eine geringfügige Straftat. Es liege zudem bereits ausreichend Identifizierungsmaterial bei der Polizeiinspektion vor. Der Antragsteller gehöre zudem nicht der Sprayer-Szene an. Es habe sich bei dem Vorgang an dem fraglichen Abend um eine einmalige Verfehlung gehandelt.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sachbeschädigungen durch Graffitis seien nicht per se als Bagatelldelikt zu qualifizieren. Der Antragsteller sei nicht nur verdächtigt, ein Graffiti angebracht zu haben, sondern eine Vielzahl weiterer Graffitis in einer direkten Linie von der Innenstadt zum Bahnhof. Die meisten Graffitis hätten einen Bezug zur Fan-Gruppe „Banda di Amici.“ Angesichts des Alters des Antragstellers zu diesem Zeitpunkt könne auch nicht mehr von einer jugendlichen Verfehlung ausgegangen werden. Das Auffälligwerden des Antragstellers in Zusammenhang mit gewaltbereiten oder randalierenden Fangruppen und seine Zugehörigkeit zur Szene der sogenannten „Ultras“ untermauerten die Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung. Aufgrund des bisherigen In-Erscheinung-Tretens des Antragstellers lägen daher gute Gründe für die Annahme der Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung vor, etwa in Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs oder erheblicher Sachbeschädigungen durch Graffiti. Im Übrigen werde auf die Stellungnahme des Polizeipräsidiums Mittelfranken vom 25. August 2015 verwiesen. § 51 BZRG stehe einer Verwertung nicht entgegen, da Einstellungsverfügungen nicht in das Bundeszentralregister aufgenommen würden. Für die Nutzung der Daten seien die Vorschriften des Polizeiaufgabengesetzes maßgeblich. Die Löschung der Daten zu dem Vorfall am 26. April 2014 aus dem Datenbestand der Bundespolizei stehe der Verwertbarkeit der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Hanau nicht entgegen, da noch ein Restverdacht bestehe. In der Vergangenheit liegende Strafverfahren und Verfahrenseinstellungen könnten bei der Gefahrenprognose berücksichtigt werden, sofern die Verdachtsmomente nicht ausgeräumt seien. Bezüglich der Ingewahrsamnahme am 29. Oktober 2011 sei festzustellen, dass die konkrete Gefahr der Begehung von Straftaten durch die aufgebrachte Menschenmenge bestanden habe. Eine umfangreiche Beweisaufnahme müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Auch bezüglich des Vorfalls vom 20. Dezember 2012 verbleibe ein Restverdacht, auch wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahrenen eingestellt worden sei. Bezüglich des Vorfalls am 12. Mai 2012 werde dem Antragsteller kein Tatvorwurf im Hinblick auf die Erfüllung eines Straftatbestandes gemacht, es werde lediglich seine Zugehörigkeit zur randalierenden Gruppe im Rahmen der Gefahrenprognose berücksichtigt. Lichtbilder des Antragstellers lägen bei der Polizei noch nicht vor. Die Schadenwiedergutmachung betreffe nur die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche.

Der Antragsteller erwiderte auf den Schriftsatz der Landesanwaltschaft mit Schreiben vom 28. September 2015 und brachte ergänzend vor, dass die Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts fehlerhaft sei.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. Juni 2015 hat keinen Erfolg.

Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung fristgemäß dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 14. Januar 2015 wiederherzustellen. Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotenen Interessenabwägung überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners das Interesse des Antragstellers, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht erkennungsdienstlich behandelt zu werden, weil die Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird.

Rechtsgrundlage für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung des Antragstellers ist § 81b 2. Alt. StPO. Danach dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers notwendig ist. Die Notwendigkeit i. S.d § 81b Alt. 2 StPO bestimmt sich danach, ob der Sachverhalt, der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellt wurde, nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden anderen Straftat einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen, den Betroffenen letztlich überführend oder entlastend, fördern könnten (BVerwG, U. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 - juris Rn. 22 m. w. N.; BayVGH, U. v. 12.11.2013 - 10 B 12.2078 - juris Rn. 22). Es hat stets eine Abwägung zu erfolgen, in die einerseits das Interesse der Öffentlichkeit an einer effektiven Verhinderung bzw. Aufklärung von Straftaten und andererseits das Interesse des Betroffenen einzustellen ist, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht bereits deshalb als potentieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist (Krause in Löwe-Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Stand 2008, § 81b Rn. 11). Bei dieser Prognoseentscheidung kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Dabei ist insbesondere auf die Art, Schwere und Begehungsweise der dem Beschuldigten im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit sowie darauf abzustellen, wie er bisher strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte (Krause in Löwe-Rosenberg, a. a. O., Rn. 11).

Der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht sind auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Beschwerdeverfahren im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass sich sowohl mit Blick auf die Anlasstat als auch durch das bisherige strafrechtlich relevante Verhalten des Antragstellers sowie seine Persönlichkeit die Notwendigkeit seiner erkennungsdienstlichen Behandlung ergibt. Das Verwaltungsgericht war dabei nicht nur auf die Angaben des Antragsgegners im streitgegenständlichen Bescheid beschränkt, sondern durfte wegen der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit der Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung seiner Entscheidung den gesamten Akteninhalt und danach bekannten Sachverhalt zugrunde legen. Darin liegt entgegen dem Vorbringen des Antragstellers keine Ergänzung des Ermessens des Antragsgegners für die Entscheidung, ob die erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet wird.

Das Verwaltungsgericht hat die Anlasstat des Antragstellers zutreffend gewürdigt. Auch wenn nur bezüglich der ihm durch die Videoaufnahme nachgewiesenen Sachbeschädigung ein (noch nicht rechtskräftiger) Strafbefehl erlassen worden ist und bezüglich der übrigen dem Antragsteller zur Last gelegten Graffiti das Verfahren nach § 154 StPO eingestellt worden ist, heißt dies nicht, dass diese Sachbeschädigungen nicht bei der Prüfung der Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung berücksichtigt werden dürfen. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B. v. 29.10.2014 - 10 ZB 14.1355 - juris Rn. 7) können auch andere gegen den Betroffenen bereits geführte Verfahren Bedeutung gewinnen, die mit einer Einstellung nach §§ 153 ff. bzw. § 170 Abs. 2 StPO oder sogar einem Freispruch geendet haben.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Tatverdacht bezüglich mehrerer vom Antragsteller in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 2014 begangener Sachbeschädigungen trotz der Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 154 StPO fortbesteht. Eine Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO lässt gerade nicht den Tatverdacht entfallen, weil sie erfolgt, wenn die Strafe für das eingestellte Verfahren neben einer Strafe, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt. Das Verwaltungsgericht hat bezüglich des fortbestehenden Tatverdachts für die nach § 154 StPO eingestellten Verfahren zutreffend auf den engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang der Sachbeschädigungen und den charakteristischen Schriftzug „BDA“ abgestellt. Es weisen zwar nicht alle, aber jedenfalls weitere in der fraglichen Nacht gesprühte „BDA“-Graffiti eine augenfällige Übereinstimmung mit dem nachweislich vom Antragsteller gesprühten Graffiti auf. Die Anwesenheit weiterer Personen auf dem Video, die nicht an der Sachbeschädigung beteiligt waren, schließt eine Täterschaft des Antragstellers für die anderen Graffiti mit ähnlichem Erscheinungsbild nicht aus. Eine Wiederholungsgefahr entfällt auch nicht deshalb, weil er nach seinen Angaben nicht der Sprayer-Szene angehört und Schadensersatz für den von ihm nachweislich verursachten Schaden geleistet hat. Es handelt sich hierbei um kein besonders zu würdigendes Verhalten, das von einer nachhaltigen Auseinandersetzung mit seiner Straftat zeugt, sondern schlicht um die Erfüllung einer sich aus dem Gesetz ergebenden Verpflichtung. Auch liegt bei der nachgewiesenen Sachbeschädigung kein Bagatelldelikt vor, da immerhin ein Schaden von 470,-- Euro entstanden ist. Ebenso wenig kann von einer einmaligen jugendtypischen Verfehlung gesprochen werden, da der Antragsteller bereits 24 Jahre alt ist. Das Betreiben eines Studiums spricht bezogen auf die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung weder für noch gegen den Antragsteller.

Die beiden Ingewahrsamnahmen vom 29. Oktober 2011 und vom 11. Mai 2013 finden bei der Prognoseentscheidung nicht als strafbares Verhalten des Antragstellers Berücksichtigung, sondern lassen lediglich Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu. Er hält sich als Angehöriger einer Fangruppe der „Ultras“ des Öfteren an Orten auf, an denen es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fußballfangruppen kommt und geht diesen Konflikten offensichtlich nicht aus dem Weg.

Der angebliche Landfriedensbruch vom 6. Dezember 2012 wirkt sich bei der Prognose, ob der Antragsteller erneut Straftaten begehen wird, nicht zu seinen Lasten aus. Weder befinden sich diesbezüglich aussagekräftige Unterlagen in den Behördenakten (lediglich ein Schlussvermerk zu Vorfällen am 20. Oktober 2012) noch ist aus der Mitteilung, dass das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, ersichtlich, ob insoweit der Tatverdacht gänzlich ausgeräumt ist.

Auch wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs am 26. April 2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, kann der Tatverdacht fortbestehen, wenn die Einstellung nicht wegen gänzlich ausgeräumten Tatverdachts, sondern aus anderen Gründen erfolgt ist (BayVGH, B. v. 31.10.2007 - 24 C 07.1078 - juris Rn. 5; SächsOVG, B. v. 31.1.2013 - 3 A 565/11 - juris Rn. 7). Für das gänzliche Entfallen des Tatverdachts bezüglich des Landfriedensbruchs ergeben sich weder aus den bei den Akten befindlichen Auszügen aus den Ermittlungsakten noch aus der Einstellungsverfügung noch aus dem Beschwerdevorbringen hinreichende Anhaltspunkte. Laut der Einstellungsverfügung vom 3. November 2014 konnte ein konkreter Nachweis für die Beteiligung einzelner Personen am Landfriedensbruch nicht geführt werden. Dies sagt aber nicht aus, im Ermittlungsverfahren hätte sich herausgestellt, dass der Antragsteller unschuldig sei oder gegen ihn kein (Rest-)Verdacht mehr bestehe, dass er an den Ausschreitungen beteiligt gewesen sei. Die Strafverfolgung scheiterte ausschließlich daran, dass die Fußballfans in Gruppen aufeinander losgegangen sind und so einzelnen Tätern keine Tatbeiträge zugeordnet werden konnten. Auch lässt die Tatsache, dass sich nicht alle im Zug befindlichen Personen, deren Personalien durch die Polizei aufgenommen worden waren, an den Ausschreitungen auf dem Bahnhofsplatz in Hanau beteiligt hatten, den Tatverdacht gegen den Antragsteller nicht automatisch entfallen. Gegen ihn spricht insoweit insbesondere, dass er Mitglied in der „Banda di Amici“ ist und in der Datei „Gewalttäter Sport“ als Gefährder erfasst ist.

Entgegen dem Vorbringen im Beschwerdeverfahren steht § 51 BRZG einer Berücksichtigung des mit Verfügung vom 3. November 2014 eingestellten Strafverfahrens wegen Landfriedensbruch bei der Frage, ob eine Wiederholungsgefahr besteht und daher die erkennungsdienstliche Behandlung notwendig ist, nicht entgegen. § 51 BZRG regelt nur die Tilgung von Eintragungen über Verurteilungen (Tolzmann, Bundeszentralregistergesetz, 5. Aufl., § 51 Rn. 7). Eine analoge Anwendung auf Verfahrenseinstellungen scheidet aus (Tolzmann, a. a. O., Rn. 49).

Ob die nachträgliche Löschung der über den Antragsteller im Vorgangsbearbeitungssystem der Bundespolizei @rtus-Bund und INPOL gespeicherten Daten zum Landfriedensbruch vom 26. April 2014 vorliegend - wie der Antragsteller meint - tatsächlich zu einem Verwendungs- oder Verwertungsverbot mit der Folge führt, dass dieses Verfahren nicht mehr zur Beantwortung der Frage der Notwendigkeit der Maßnahme und der Wiederholungsgefahr herangezogen werden darf, muss im Eilverfahren nicht abschließend geklärt werden. Denn zum einen lagen die Voraussetzungen für eine Datenlöschung nach § 29 Abs. 2 Satz 4 BPolG nicht vor, weil sich aus der Einstellungsverfügung nicht ergibt, dass der Antragsteller die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat (vgl. BVerwG, U. v. 9.6.2010 - 6 C 5.09 - juris Rn. 26 zum wortgleichen § 8 Abs. 3 BKAG).

Zum anderen reichen die Anlasstat, der fortbestehende Tatverdacht bezüglich weiterer Sachbeschädigungen in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 2014 sowie die Affinität des Antragstellers zur gewaltbereiten Fußballfanszene aus, um die Prognoseentscheidung, er könnte wieder im Bereich gewalttätiger Auseinandersetzungen unter Fußballanhängern und Sachbeschädigungen straffällig werden, (noch) zu rechtfertigen. Unerheblich ist insoweit, dass im Bescheid vom 14. Januar 2015 zur Begründung der Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht zwischen strafrechtlich relevantem Verhalten und solchen Verhaltensweisen, die Rückschlüsse auf die Persönlichkeitsstruktur des Antragstellers zulassen, unterschieden wurde. Da es sich insoweit um keine Ermessensentscheidung, sondern um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff handelt, kommt es ausschließlich darauf an, ob der ermittelte Sachverhalt die Prognoseentscheidung trägt.

Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen wird dem Antragsgegner mit der Vorschrift des § 81b 2. Alt. StPO ein Ermessen eingeräumt, d. h. die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Ermessensentscheidung voraus („dürfen“). Die Ermessensbetätigung auf der Rechtsfolgenseite setzt dabei sowohl eine Entscheidung des „Ob“ der Anordnung (Entschließungsermessen) - die Polizei kann erkennungsdienstliche Maßnahmen ergreifen, sie muss dies aber nicht - als auch eine Entscheidung des „Wie“ der Anordnung (Auswahlermessen) - d. h. zu Art und Umfang der erkennungsdienstlichen Maßnahme - voraus (sog. Opportunitätsprinzip). Ermessensfehler des Antragsgegners sind insoweit nicht ersichtlich. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist insbesondere verhältnismäßig. Denn das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen bemisst sich nicht nur nach der Schwere der konkreten Anlasstat, sondern auch nach dem Gewicht und der Wahrscheinlichkeit derjenigen Straftaten, bei denen der Antragsteller zukünftig zum Kreis der potentiellen Beteiligten gehören kann und zu deren Aufklärung die anzufertigenden Unterlagen dienen sollen (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 24.11.2010 - 11 LA 468/10 - juris Rn. 4).

Über den Antragsteller liegen auch noch keine erkennungsdienstlichen Unterlagen beim Antragsgegner vor. Die Aufnahme aus der Videoaufzeichnung kann ein für die Zwecke der erkennungsdienstlichen Behandlung angefertigtes Foto nicht ersetzen. Eine Identifizierung des Antragstellers war nur möglich, weil ein szenekundiger Beamter den Antragsteller aus einer Gefährderansprache kannte. Fingerabdrücke und Daten über eine Vermessung des Antragstellers sind beim Antragsgegner nicht vorhanden. Die Abnahme von Fingerabdrücken ist entgegen dem Vorbringen im Beschwerdeverfahren auch geeignet, den Antragsteller bei etwaigen künftigen Sachbeschädigungen zu überführen, aber auch zu entlasten. Nur weil der Antragsteller möglicherweise nicht der Sprayer-Szene angehört, ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass er nochmals in diesem Bereich aktiv werden wird. Auch bei der verfolgten Tat ist er nicht in Zusammenhang mit Ausschreitungen bei Fußballspielen, sondern mit einer Sachbeschädigung aufgefallen, obwohl er vorher in diesem Bereich unauffällig war.

Soweit der Antragsteller erstmals im Schriftsatz vom 28. September 2015 die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung rügt und insoweit kritisiert, dass das Erstgericht dabei auf die Erfolgsaussichten der Klage abgestellt habe, liegt dieses Vorbringen außerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO. Der Senat ist aber auf die Prüfung der fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 4 und 6 VwGO). Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass bei einer Interessenabwägung, die nicht auf der Berücksichtigung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren basierte, das Interesse des Antragstellers bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht erkennungsdienstlich behandelt zu werden, überwöge. Sollte das Verwaltungsgericht im Klageverfahren tatsächlich zu dem Ergebnis kommen, dass vom Antragsteller keine weiteren Straftaten zu erwarten sind, so könnten die erkennungsdienstlichen Unterlagen wieder vernichtet werden. Die vorübergehende Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen ist keine so gravierende Rechtsbeeinträchtigung, dass sie nicht für diesen Zeitraum hingenommen werden könnte, wenn andererseits den Ermittlungsbehörden die Möglichkeit eingeräumt wird, den Antragsteller bei etwaigen erneuten Ausschreitungen in Zusammenhang mit Fußballspielen oder Sachbeschädigungen zu überführen oder auch zu entlasten.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.