Verwaltungsgericht München Beschluss, 21. Feb. 2019 - M 9 S 17.52578
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
den Eilantrag abzulehnen.
II.
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
II.
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen.
II.
…
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die am ... geborene Antragstellerin ist äthiopische Staatsangehörige. Sie hatte bereits im August 2015 in der Bundesrepublik einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt wurde. Das Asylverfahren ist seit dem 19. Februar 2016 unanfechtbar abgeschlossen, die Antragstellerin wurde am 19. Mai 2016 nach Italien abgeschoben.
Am
In einer späteren Befragung durch Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab sie u. a. an, ihr Ehemann lebe in Deutschland. Sie sei auf ihrem Weg nach Deutschland im Jahr 2015 über Italien gereist, wo sie sich zwei Wochen aufgehalten habe. Daraufhin richtete das Bundesamt am 17. Juni 2016 ein Übernahmeersuchen an Italien. Die italienischen Behörden erklärten am 21. Oktober 2016 ihre Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens, woraufhin das Bundesamt mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 die Überstellung der Antragstellerin nach Italien vorbereitete
Mit Bescheid vom
Die Antragstellerin erhob am ... November 2016 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München gegen den vorgenannten Bescheid (M 1 K 16.50996). Ebenfalls an diesem Tag beantragt sie,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trägt sie vor, sie habe einen Ehemann, der in Deutschland lebe und als Flüchtling anerkannt sei. Heiratsurkunden hierzu seien jedoch nicht vorhanden. Das Asylsystem Italiens weise systemische Mängel auf, weshalb eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin nach der Europäischen Menschenrechtskonvention drohe. Die hohe Zahl an Flüchtlingen werde von den italienischen Behörden nicht bewältigt. Eine Garantieerklärung italienischer Behörden, dass in Italien ihre elementaren Bedürfnisse gedeckt würden, liege nicht vor. Dort drohe ihr Obdachlosigkeit und eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Am ... Dezember 2016 legt sie eine Kopie eines Mutterpasses vor, wonach bei einer Untersuchung am ... November 2016 eine Schwangerschaft in der 10. Schwangerschaftswoche festgestellt worden sei. Als voraussichtlicher Entbindungstermin wird der 16. Juli 2017 angegeben.
Die Antragsgegnerin legte am
Zum weiteren Vorbringen und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig gestellte Antrag ist unbegründet.
Die von der Antragstellerin erhobene Klage entfaltet von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG. Das Gericht der Hauptsache kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Grundlage der Entscheidung ist eine eigene Interessenabwägung des Gerichts zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Ein gewichtiges Indiz sind dabei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Vorliegend überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da die Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG rechtmäßig ist. Nach § 34a Abs. 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Das Bundesamt hat zu Recht seine Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens abgelehnt (1.) und das Vorliegen von Abschiebungshindernissen verneint (2.).
1. Aufgrund des bestandskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens der Antragstellerin ist der Asylantrag der Antragstellerin als Folgeantrag nach § 71 AsylG gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig. Entsprechend der bereits am 19. Mai 2016 erstmals durchgeführten Abschiebung nach Italien haben sich die dortigen Behörden am 21. Oktober 2016 für das weitere Verfahren der Antragstellerin zuständig erklärt. Deshalb ist gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin III-VO von einer Zuständigkeit Italiens auszugehen.
Besondere Umstände, die die ausnahmsweise Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 Dublin III-VO begründen oder nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO rechtfertigen bzw. bedingen würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann die Antragstellerin ihrer Überstellung nach Italien nicht mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 Grundrechtecharta (GRCh) mit sich bringen, so dass eine Überstellung nach Italien unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 Dublin III-VO).
Nach dem Konzept der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 u. a. - juris) und dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 - juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a.a.O Rn. 86). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 5 f. m. w. N.). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d. h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).
Dies zugrunde gelegt, ist in Bezug auf Italien nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse nicht davon auszugehen, dass der Antragstellerin bei einer Überstellung dorthin eine menschenunwürdige Behandlung im vorgenannten Sinne droht. Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen. Das Gericht schließt sich insoweit der Bewertung des umfangreichen aktuellen Erkenntnismaterials durch verschiedene Obergerichte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an (vgl. aktuell OVG NRW, U. v. 21.6.2016 - 13 A 1896/14.A - juris Rn. 32 ff; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte vom 13.1.2015 (Nr. 51428/10) und vom 30.06.2015 (Nr. 39350/13
Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt, sondern vielmehr nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).
Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann auch für die Personengruppe der „Dublin-Rückkehrer“, der die Antragstellerin angehört, nach alledem nicht angenommen werden (vgl. aktuell VG München, U. v.
Belegte verwandtschaftliche Bindungen, die einer Überstellung der Antragstellerin nach Italien entgegenstünden, liegen nicht vor. Ihrem Vortrag, sie habe einen Ehemann, der als anerkannter Flüchtling in Deutschland lebe, steht bereits entgegen, dass sie sich am 5. Oktober 2016 im Zuge der Erstbefragung als geschieden bezeichnet hatte. Zudem liegen nach ihrem eigenen Vortrag keine Heiratsurkunden vor.
2. Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bescheids bleibt voraussichtlich auch ohne Erfolg, soweit Abschiebungshindernisse zu prüfen sind. Persönliche Vollstreckungshindernisse, die über die allgemeinen Verhältnisse für Asylbewerber in Italien hinausgehen, hat die Antragstellerin nicht belegen können. Ihr Einwand, dass sie derzeit schwanger sei, und die Vorlage des Mutterpasses stehen dem nicht entgegen.
Über den engeren Kreis der durch die Dublin-III-VO vorgegebenen Zuständigkeitsaspekte hinaus ist eine Abschiebungsanordnung - schon im Hinblick darauf, dass § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG verlangt, dass die Abschiebung „durchgeführt werden kann“ - dann ausgeschlossen, wenn inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, wie sie in § 60a Abs. 2 AufenthG niedergelegt sind, vorliegen (BayVGH B. v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris Rn. 4; BayVGH B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris Rn. 4).
Im Falle einer Schwangerschaft der abzuschiebenden Ausländerin ist eine auf ein Abschiebungshindernis zurückzuführende Reiseunfähigkeit entweder dann anzu-nehmen, wenn eine Risikoschwangerschaft durch ärztliche Atteste nachgewiesen ist - was hier nicht der Fall ist - und ferner dann, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Einheit der Rechtsordnung bereits aus den gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG; vgl. VG München, B. v. 19.07.2016 - M 12 S 16.50456 - juris Rn. 33). In Anlehnung daran beginnt der Abschiebungsschutz sechs Wochen vor der Entbindung (§ 3 Abs. 2 MuSchG) und endet acht bzw. bei Früh- und Mehrlingsgeburten zwölf Wochen nach der Entbindung (§ 6 Abs. 1 MuSchG). Ausweislich der vorgelegten Kopie des Mutterpasses ist Entbindungstermin bei der Antragstellerin wohl der 16. Juli 2017, so dass ihre Abschiebung derzeit (noch) zulässig ist. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen insoweit somit nicht.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG)
Tenor
Der Antrag vom 18. Oktober 2016, die aufschiebende Wirkung der Klage 9 A 5886/16 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. September 2016 anzuordnen, wird abgelehnt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... wird abgelehnt.
Gründe
I.
- 1
Der nach § 34a Abs. 2 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt nicht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 21. September 2016. Denn die Abschiebungsanordnung ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt den Antragsteller deshalb nicht in seinen Rechten.
- 2
Die Abschiebungsanordnung findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt, sofern der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht, § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG.
- 3
Die Abschiebung des Antragstellers nach Italien ist rechtlich zulässig und tatsächlich möglich:
- 4
1. Für die Durchführung des Asylverfahrens ist nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 – Dublin III-VO), nicht die Antragsgegnerin, sondern der italienische Staat zuständig (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG). Nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. die Urteile der Großen Kammer des EuGH v. 7.6.2016, C-63/15 und C-155/15, beide juris) hat ein Asylsuchender im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Anspruch auf Prüfung der fehlerfreien Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den in Kapitel III der Dublin III-VO aufgeführten Kriterien.
- 5
a) Italien ist nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zuständig für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz. Denn der Antragsteller ist nach seinen eigenen Angaben von Afghanistan aus im Mai 2016 nach Italien gelangt, hielt sich dort etwa drei Tage auf und wurde erkennungsdienstlich behandelt. Dies bestätigt ein entsprechender EURODAC-Treffer der Kategorie 2.
- 6
b) Auf das Aufnahmegesuch der Antragsgegnerin vom 14. Juli 2016 hat Italien nach Aktenlage nicht reagiert. Nach Art. 22 Abs. 7 i. V. m. Abs. 1 Dublin III-VO ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, wenn innerhalb einer Frist von zwei Monaten, nachdem der ersuchte Mitgliedstaat mit dem Gesuch befasst wurde, keine Antwort erteilt wird. Damit ist Italien seit dem 14. September 2016 zuständig.
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c) Die Zuständigkeit ist nicht nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zuständig, wenn keine Überstellung an einen anderen Mitgliedstaat erfolgen kann. Die Überstellung nach Italien ist indes nicht unmöglich, denn es bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Schwachstellen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, juris) liegen systemische Mängel vor, wenn es sich um Defizite handelt, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedsstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Dabei müssen das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sein, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war (BVerwG, Beschl. v. 6.6.2014, 10 B 35/14, juris). Derartige individuelle Erfahrungen sind vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen. Eine tragfähige Grundlage für die Annahme systemischer Mängel dürfte jedenfalls dann vorliegen, wenn hierfür kompetente Stellen wie der UNHCR und das EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen, errichtet durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 132 v. 29.5.2010, S. 11) derartige Mängel feststellen (VG Hamburg, Urt. v. 3.3.2015, 10 A 4414/14, n. v.; s. auch die Erwägungsgründe 22 und 23 sowie Art. 33 der Dublin III-VO).
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Gemessen hieran sind Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Schwachstellen in Italien weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich (vgl. dazu ausführlich OVG Münster, Urt. v. 22.9.2016, 13 A 2448/15.A, juris; Urt. v. 7.7.2016, 13 A 2238/15.A, juris; ebenso Bundesverwaltungsgericht Österreich, Spruch v. 14.12.2015, W153 2116055-1/7E). Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (v. 17.9.2014, u.a. 2 BvR 1795/14, juris) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Entscheidung der Großen Kammer v. 4.11.2014, Tarakhel, Nr. 29217/12) geben für den Fall des volljährigen Antragstellers, der als junger Alleinreisender nicht zu einer besonders schutzwürdigen Gruppe gehört, nichts her. Systemische Mängel in Italien werden in diesen Entscheidungen gerade nicht festgestellt. Beide Gerichte haben vielmehr unter Hervorhebung der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern die Auffassung vertreten, eine Überstellung nach Italien bedürfe einer vorherigen Zusicherung der zuständigen italienischen Behörden, dass die jeweils betroffenen Asylsuchenden in Italien in einer der besonderen Situation von Kindern gerecht werdenden Einrichtung gemeinsam mit ihren Eltern untergebracht werden. Diese Entscheidungen, selbst wenn man etwa die Entscheidung des EGMR als Hinweis auf einen systembedingten Mangel der Aufnahmebedingungen in Italien für eine bestimmte Personengruppe verstehen wollte, treffen für den Fall des Klägers indes keine Aussage. So hat auch der EGMR (Entscheidung der Dritten Kammer v. 5.2.2015, A.M.E against the Netherlands, Nr. 51428/10) für einen 21 Jahre alten Mann entschieden, dass eine Verletzung in dem Recht aus Art. 3 EMRK bei Rückkehr nach Italien nicht zu befürchten ist.
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Nichts anderes folgt aus dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Aufnahmebedingungen in Italien, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, abrufbar unter: https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/news/2016/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf) vom August 2016 (ebenso VG Schwerin, Urt. v. 26.9.2016, 16 A 1757/15 As SN, juris). Auch der genannte Bericht liefert keine Hinweise darauf, dass Italien zur Bewältigung der Probleme durch die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen ergreift. Vielmehr reagiert Italien gerade im Bereich der Unterbringung von Asylsuchenden sehr flexibel auf den steigenden Zustrom (OVG Münster, Urt. v. 22.9.2016, 13 A 2448/15.A, juris). Dies bestätigen auch die von der Österreichischen Botschaft Rom dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich übermittelten Zahlen über die in Italien in Flüchtlingsunterkünften untergebrachten Personen, die auf Auskünften des italienischen Innenministeriums beruhen (Länderreport von Österreich v. 2.8.2016 und v. 29.9.2016). Danach waren in Italien mit Stand 27. Juli 2016 139.207 Personen untergebracht, davon 1.016 in Hotspots, 13.572 in Erstaufnahmezentren, 104.248 in temporären Strukturen (meist durch NGO´s und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 20.371 in staatlicher Betreuung (SPRAR). Mit Stand 26. September 2016 waren 160.030 Personen untergebracht, davon 980 in Hotspots, 13.377 in Erstaufnahmezentren, 123.481 in temporären Strukturen und 22.192 in staatlicher Betreuung (SPRAR). Soweit der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe darauf verweist, dass Personen Obdachlosigkeit drohe, weil ein Anspruch auf Unterbringung in einem Aufnahmezentrum nicht mehr besteht, wenn dieses ohne Genehmigung verlassen wurde, so begegnet dies keinen Bedenken, weil dieser Umstand an ein von den jeweils Betroffenen zu vertretendes Verhalten anknüpft. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Wiederaufnahme mit Genehmigung der Präfektur gewährt werden kann und in Gemeinden ausweislich des Berichts Informationsschalter bestehen, an denen Unterkunftsplätze auf Gemeindeebene vermittelt werden können. Im Übrigen folgt aus dem Bericht, dass das italienische Sozialsystem die Deckung der Elementarbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Nahrung, Hygiene und medizinischer Versorgung in noch ausreichender Weise gewährleistet.
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2. Die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist voraussichtlich ebenfalls rechtmäßig. Der Antragsteller kann sich auf zielstaatsbezogene – bezogen auf Italien – oder inlandsbezogene Abschiebungsverbote, die in Bezug auf die Abschiebungsanordnung gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht werden können (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 31.5.2011, A 11 S 1523/11, juris; OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2010, 4 Bs 223/10, juris), nicht berufen. Er hat insofern weder etwas vorgebracht noch gibt es sonstige Anhaltspunkte hierfür.
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3. Ob die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG auf 6 Monate rechtmäßig ist, kann dahinstehen. Denn die Rechtmäßigkeit der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots, wirkt sich nur dann auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebung aus, wenn der Antragsteller ausnahmsweise einen Anspruch auf Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf „Null“ hätte, wenn damit also auch die Ausreiseverpflichtung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG entfiele (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.3.2014, 1 C 2/13, juris). Umstände, die einen solchen Anspruch begründen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Für den Fall von zu lang bemessenem Einreise- und Aufenthaltsverbot ist es dem Antragsteller zuzumuten, auszureisen und einen ggf. erforderlichen Rechtsstreit vom Ausland aus zu führen.
II.
- 13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
III.
- 14
Der Prozesskostenhilfeantrag ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch gemessen an dem im Prozesskostenhilfeverfahren zu Gunsten des Antragstellers anzulegenden großzügigen Maßstab, der lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung voraussetzt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 28.7.2016, 1 So 42/16, juris), aus den unter I. genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO.
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 30. Juli 2014 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am 3. Oktober 19.. geborene Kläger algerischer Staatsangehörigkeit stellte am 18. Oktober 2013 in Deutschland einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) erklärte er, er habe weder in einem anderen Staat der EU Asyl beantragt noch sei er erkennungsdienstlich behandelt worden. Er sei im Januar 2012 zu Fuß nach Marokko gegangen, von dort aus mit dem Schiff nach Barcelona gefahren und weiter über Paris und Lüttich nach Deutschland gereist. Nachdem das Bundesamt Kenntnis davon erlangt hatte, dass dem Kläger am 16. Mai 2013 von italienischen Behörden in Algier ein vom 3. bis 24. Juni 2013 gültiges Schengen-Visum erteilt worden ist, ersuchte es unter dem 22. November 2013 Italien um Aufnahme des Klägers auf der Grundlage der Dublin-Verordnung. Eine Antwort der italienischen Behörden erfolgte nicht.
3Durch Bescheid vom 11. Februar 2014 stellte das Bundesamt auf der Grundlage des § 27a AsylVfG (jetzt: AsylG) unter Hinweis auf die Zuständigkeit Italiens fest, der Asylantrag des Klägers sei unzulässig, (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an (Ziffer 2).
4Am 21. Februar 2014 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Mit Beschluss vom 17. März 2014 ordnete das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung nach Italien an (7a L 284/14.A).
5Zur Klagebegründung hat der Kläger geltend gemacht, das italienische Asylverfahren sei aufgrund der offensichtlichen Überforderung der dortigen Behörden mangelhaft. Er habe keine Garantie, dass in Italien über sein Asylgesuch rechtmäßig entschieden werde.
6Der Kläger hat beantragt,
71. den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Februar 2014 aufzuheben,
82. die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,
93. die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass
10Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 2 - 7
11AufenthG vorliegen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat ausgeführt, das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien wiesen keine systemischen Mängel auf. Dies sei auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt.
15Mit Urteil vom 30. Juli 2014 hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen den Bescheid des Bundesamts vom 11. Februar 2014 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei mit dem Antrag zu 1. zulässig, mit dem Verpflichtungsantrag (Anträge zu 2. und 3) unzulässig, weil die Anfechtungsklage die richtige Klageart sei. Die Anfechtungsklage sei auch begründet. Die Beklagte sei nach der hier maßgeblichen Dublin II-VO zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts verpflichtet, weil Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien auch derzeit noch systemische Mängel aufwiesen, die die Prognose rechtfertigten, dass der Asylbewerber dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sei.
16Zur Begründung der vom früher für das Verfahren zuständigen 11. Senat zugelassenen Berufung trägt die Beklagte vor: Nach der Rechtsprechung des OVG NRW bestünden in Italien keine systemischen, die Grenze zur Grundrechtsverletzung nach Art. 4 GR-Charta überschreitenden Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einschließlich der Gesundheitsversorgung.
17Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
18das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 30. Juli 2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.
19Der Kläger beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des Eilverfahrens sowie die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der im Berufungsverfahren nur noch streitgegenständlichen Anfechtungsklage zu Unrecht stattgegeben. Diese Klage ist zulässig, aber unbegründet.
24Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394), sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), ebenfalls zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394).
25A. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig.
26Die isolierte Anfechtungsklage ist die allein statthafte Klageart, wenn ein Asylbewerber die Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung seines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin-Verordnung begehrt.
27Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 -, NVwZ 2016, 154 = juris, Rn. 13 f., und vom 16. November 2015 ‑ 1 C 4.15 -, DVBl. 2016, 313 = juris, Rn. 9, sowie Beschluss vom 12. Januar 2016 - 1 B 64.15 -, juris, Rn. 2; OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 - 13 A 800/15.A -, juris, Rn. 22 ff., und vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, DVBl. 2014, 790 = juris, Rn. 31; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 18.
28Das Bundesamt hat in Ziffer 1 des Bescheids auch eine rechtsgestaltende Regelung über die Zulässigkeit des Asylantrags getroffen, deren Aufhebung mit der Anfechtungsklage begehrt werden kann. Ungeachtet der gewählten Formulierung („Der Asylantrag ist unzulässig.“) liegt nicht lediglich eine Feststellung, sondern eine rechtsgestaltende Entscheidung über die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig vor, wie dies § 31 Abs. 1 Satz 4, Abs. 6 AsylG verlangt.
29Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. November 2015 ‑ 1 C 4.15 -, juris, Rn.10, und vom 17. September 2015 - 1 C 26.14 -, NVwZ 2016, 67 = juris, Rn. 12.
30B. Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 11. Februar 2014 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
31I. Die Rechtmäßigkeit des auf §§ 27a, 34a AsylG gestützten Bescheids beurteilt sich nach der Dublin II-VO. Diese ist aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ungeachtet des § 77 Abs. 1 AsylG anwendbar.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 ‑ 1 C 4.15 -, juris, Rn. 17.
33Auch die Ersetzung durch die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) ist insoweit unerheblich. Nach Art. 49 Satz 3 Dublin III-VO erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-VO, wenn der Asylantrag vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist. Das ist hier der Fall. Der Kläger hat sein maßgebliches Schutzgesuch am 18. Oktober 2013 angebracht. Die Dublin III-VO gilt zwar ab dem 1. Januar 2014 – ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung – für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern, wenn sie nicht bereits vor diesem Datum gestellt wurden.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 -, BVerwGE 150, 29 = juris, Rn. 27, und vom 17. September 2015 - 1 C 26.14 -, juris, Rn. 14.
35Hier ist aber das Wiederaufnahmeersuchen bereits am 22. November 2013 und damit vor dem Stichtag gestellt worden.
36II. Der formell rechtmäßige Bescheid vom 11. Februar 2014 ist sowohl hinsichtlich der Regelung in Ziffer 1 (1.) als auch hinsichtlich der Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 (2.) materiell rechtmäßig.
371. Rechtsgrundlage der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig in Ziffer 1 ist § 31 Abs. 1 Satz 4, Abs. 6 AsylG i. V. m. § 27a AsylG. Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 4, Abs. 6 AsylG ist in solchen Fällen der Asylantrag als unzulässig abzulehnen.
38Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG entscheidungserheblich ist, ist der Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylG unzulässig. Italien ist nach der Dublin II-VO für die sachliche Prüfung und Entscheidung des Asylantrags zuständig (a.). Es bestehen auch keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien, die der Rückführung entgegenstünden (b.). Ein Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen Verfahrensdauer (c.).
39a. Nach der Dublin II-VO ist Italien zuständig für das Asylverfahren. Dies ergibt sich aus Art. 9 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Dublin II-VO, weil Italien dem Kläger ein Visum ausgestellt hat, das im maßgeblichen Zeitpunkt der Asylantragstellung in Deutschland (Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO) weniger als sechs Monate abgelaufen war. Die Asylantragstellung in Deutschland erfolgte am 18. Oktober 2013, das Visum war gültig bis zum 24. Juni 2013. Die Zuständigkeit ist nicht auf Deutschland übergegangen, insbesondere ist die Überstellungsfrist nach Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht – mit der Folge eines Zuständigkeitswechsels – verstrichen. Danach erfolgt die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Da Italien auf das Aufnahmeersuchen nicht reagiert hat, begann die Frist gemäß Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO am 23. Januar 2014 zu laufen. Das Verwaltungsgericht ordnete mit Beschluss vom 17. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage an (7a L 284/14.A). In einem solchen Fall endet die Überstellungsfrist – wenn und solange die Überstellung (weiter) ausgesetzt ist – erst sechs Monate nach Entscheidung über die vorliegende Klage, d. h. nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptsacheverfahrens.
40Vgl. OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 56, und vom 16. Juni 2015 ‑ 11 A 890/14.A -, juris, Rn. 26; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13.OVG -, juris, Rn. 35; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19. Juni 2012 - A 2 S 1355/11 -, AuAS 2012, 213 = juris, Rn. 24; Hess. VGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 2 A 1863/10.Z.A -, InfAuslR 2011, 463 = juris, Rn. 7.
41Die aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 23. Januar 2014 bestehende aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage dauert fort. Sie endet, da der erst-instanzlichen Klage stattgegeben worden ist, gemäß § 80 b Abs. 1 Satz 1 VwGO erst mit der Unanfechtbarkeit des Bescheids.
42Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 4. Februar 2016 - 13 A 59/15.A -, juris, Rn. 39 ff.
43b. Der Beklagten ist auch nicht deshalb die Berufung auf die Zuständigkeit Italiens für den Asylantrag des Klägers verwehrt, weil der Kläger wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Italien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt wäre.
44aa. Die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens beruhende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der EU (im Folgenden: GR-Charta), der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) steht, kann widerlegt werden. Eine Widerlegung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die asylrecht-lichen Richtlinien der EU – Richtlinie 2003/9/EG bzw. 2013/33/EU (Aufnahme-richtlinie), Richtlinie 2004/83/EG bzw. 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), Richt-linie 2005/85/EG bzw. 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) – genügen. Vielmehr müssen die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebe-dingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta – der Art. 3 EMRK entspricht – ausgesetzt zu werden.
45Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C- 411/10 und C-493/10 (N.S.) -, NVwZ 2012, 417 = juris, Rn. 78 ff., vom 14. November 2013 - C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 30 ff., und vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi ) -, NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 52; EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, ZAR 2011, 395, Rn. 216 ff., und vom 4. November 2014 ‑ 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 93 und102 ff.; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 = juris, Rn. 5 ff., vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5, und vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 3 ff.; vgl. zum Ganzen ausführlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 65 ff.
46Wegen des in Deutschland geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss sich der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Systemische Mängel liegen danach vor, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
47Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 9.
48Zwar setzt dies nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel so gravierend sein, dass sie in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Das kann darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern (objektiv) vorhersehbar von ihnen betroffen sind. Ein systemischer Mangel kann daneben aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - faktisch in weiten Teilen funktionslos wird.
49Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 89 ff.
50Hingegen kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Derartige individuelle Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung (hier: der Berufungsverhandlung) systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen, wobei zu beachten ist, dass persönliche Erlebnisse Betroffener durch neuere Entwicklungen in dem betreffenden Staat überholt sein können.
51Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, juris, Rn. 6; s. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 30.
52Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Asylbewerbern ist maßgeblich auf Ausländer in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage wie der des Klägers abzustellen, eines allein stehenden, jungen, arbeitsfähigen Mannes, der in Italien vor seiner Weiterreise nach Deutschland noch keinen Asylantrag gestellt hatte.
53bb. Hiervon ausgehend steht nach dem im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung vorliegenden Erkenntnismaterial zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger im Falle seiner Überstellung nach Italien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden.
54Vgl. ebenso für Italien – in unterschiedlichen Fallkonstellationen – EGMR, Urteil vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 36, vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 35, und vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, juris, Rn. 114 f.; OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 35 ff., und vom 10. Juli 2015 - 15 A 1048/14.A -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 47 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 43 ff.; Bay. VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628 = juris; Hess. VGH, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 10 A 681/13.Z.A -, juris; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 14. November 2013 - 4 L 44/13 -, juris.
55(1) Bei der Würdigung der Erkenntnisse ist zunächst davon auszugehen, dass Italien - sowohl im Hinblick auf das dortige Rechtssystem als auch die Verwaltungspraxis - über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes Asylverfahren verfügt.
56Vgl. zum Asylverfahren im Einzelnen Auswärtiges Amt (AA), Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 2. und 3.; CIR (Consiglio Italiano per i Rifugiati), Asylum Information Database (aida): Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 16 ff.; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 4; s. auch EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 37.
57Ob Art. 4 GR-Charta die vollständige Umsetzung der diesbezüglichen Richtlinien erfordert, kann offen bleiben. Das Asylverfahren in Italien ist inzwischen richt-linienkonform. Mit Wirkung vom 30. September 2015 wurden die Neufassungen der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU und der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU in das italienische Recht übernommen (Gesetzesdekret 142/2015: decreto legislative 18 agosto 2015, n 143 „Attuazione della direttiva 2013/33/UE recante norme relative all’accoglienza die richiedenti protezione internazionale, noché della direttiva 2013/32/UE, recante procedure comuni ai fini del riconoscimento e della revoca dello status die protezione internazionale“).
58Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 9 und 12.
59Der Senat ist auch davon überzeugt, dass das Asylsystem trotz ggf. einzelner Unzulänglichkeiten prinzipiell funktionsfähig ist. Es ist weder in Bezug auf die tatsächliche Dauer noch auf die Qualität menschenrechtswidrig. In etwa der Hälfte der Fälle ist in den letzten Jahren ein Schutzstatus gewährt worden (2013: 61 %, 2014: 59 %, 2015: 42 %).
60Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 44 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 133 ff.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 7; zur Schutzquote vgl. Eurostat, recognition rates, 2013, 2014, 2015, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
61Bisher ist regelmäßig vor allem gerügt worden, dass für die formelle Registrierung als Asylbewerber (verbalizzazione) eine Wohnsitzbestätigung erforderlich sei und in der mitunter langen Zeit bis zur verbalizzazione eine Unterbringung nicht gewährleistet sei. Es kann offen bleiben, ob insoweit systemische Mängel anzunehmen wären. Nach der aktuellen Rechtslage (Gesetzesdekret 142/2015) wird ein Wohnsitz nicht verlangt und beträgt die Frist zwischen Asylgesuch und formeller Registrierung drei, maximal zehn Tage. Selbst wenn das Verfahren in der Praxis länger dauert, ist die Unterbringung in der Regel gewährleistet.
62Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.
63Gesetzesdekret 142/2015 stellt klar, dass die Adresse der Unterbringungseinrichtung, in dem der Antragsteller wohnt, als Wohnsitz zu betrachten ist.
64Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 21.
65(2) Dublin-Rückkehrer wie der Kläger müssen nach der aktuellen Erkenntnislage auch während der Durchführung ihres Asylverfahrens in Italien nicht beachtlich wahrscheinlich damit rechnen, dass sie wegen der Aufnahmebedingungen in ihrem Grundrecht aus Art. 4 GR-Charta verletzt werden. Die dem Senat vorlie-genden Erkenntnisse rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Kläger während der Dauer des Asylverfahrens die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Grundversorgung) nicht in einer noch zumutbarer Weise wird befriedigen können. Die zweifellos bestehenden Mängel der Aufnahmebedingungen sind nicht derart gravierend, dass bei jedem Rückkehrer die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 4 GR-Charta zu bejahen wäre.
66Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen, die als Konkretisierung des für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltenden Maßstabs im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta angesehen werden,
67vgl. EGMR, Urteile vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 28 f., vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 96 f., und vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 250 f. und 263; zurückhaltender EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, Rn. 84 (nicht jeder geringste Verstoß genügt); OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 120 ff.; kritisch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406 (407), sowie Hailbronner, AuslR, Stand März 2015, § 27a Rn. 22,
68hat Italien, wie bereits ausgeführt, in innerstaatliches Recht übernommen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtlichen Vorgaben in der Praxis im erheblichen Ausmaß nicht beachtet werden.
69(a) Das in Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 g) Aufnahmerichtlinie verankerte Recht auf Unterkunft bleibt auch nicht systematisch unbeachtet, so dass etwa mit monatelanger Obdachlosigkeit zu rechnen wäre.
70Vgl. für Griechenland EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, EuGRZ 2011, 243 = juris, Rn. 253, 263.
71Eine solchermaßen dramatische Lage lässt sich aktuell für Italien aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen.
72Wer – wie der Kläger – noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann bei der Questura desjenigen Flughafens, an den er rücküberstellt wird, einen Asylantrag stellen (Verbalizzazione) und erhält etwa bei der Nichtregierungsorganisation (non-governmental organization, NGO) am Flughafen in Rom einen Unterbringungsplatz in einem CAS (Centro die accoglienza straordinaria)-Zentrum in der Umgebung von Rom. Wer vor der Weiterreise bereits ein Asylgesuch in Italien gestellt hatte, muss zur zuständigen Questura reisen, um das Asylverfahren weiterzuführen. Dazu erhält er an der Grenze, etwa auch bei seiner Ankunft am Flughafen in Rom, von NGOs ein Bahnticket zur Verfügung gestellt. Bei der zuständigen Präfektur wird die Unterkunft beantragt. Wer das Unterbringungszentrum ohne Meldung verlassen hat, verliert zwar grundsätzlich seinen Unterkunfts-anspruch, kann aber einen neuen Platz beantragen.
73Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 4 ff.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.2 und 2.1., und vom 11. September 2013; zu letztgenanntem Gesichtspunkt s. auch CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 75.
74Ende 2015 verfügte Italien nach einer massiven Aufstockung über rund 104.000 Unterbringungsplätze in CAS-, CPSA (Centro di primo soccorso e accoglienza)-, CDA (centro di accoglienza)-, CARA (Centro di accoglienza per richiedenti asilo; jetzt: „centri governativi di accoglienza“)- und SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugiati“)-Einrichtungen, wovon der größte Anteil auf die temporären Aufnahmeeinrichtungen des CAS-Systems entfällt (76.683 Plätze).
75Dem standen 2015 rund 84.000 neue Asylanträge gegenüber, knapp 20.000 mehr als im Vorjahr.
76Vgl. die Eurostat-Statistik „Asylum and new asylum applicants – annual aggregated data –“, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
77Hinzu kommen noch die Personen, die sich bereits zuvor im Asylverfahren befanden, und die Dublin-Rückkehrer.
78Am 29. Februar 2016 waren insgesamt 107.387 Personen in diversen national unterhaltenen Unterkunftszentren untergebracht.
79Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation, Italien, Wien, 22. März 2016.
80Unterstützt von EASO (European Asylum Support Office der EU) hat Italien die Unterkunftskapazitäten erheblich erhöht.
81Vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 1.
82Das SPRAR-System, ein kommunales Unterbringungssystem, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wird und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsieht, wird ständig ausgebaut und soll von 20.000 auf mindestens 35.000 Plätze aufgestockt werden.
83Vgl. AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4.
84Die Unterbringung in den staatlichen Einrichtungen wird grundsätzlich für die Zeit des Asylverfahrens und eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens gewährleistet.
85Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
86Eine zuvor angenommene maximale Aufenthaltsdauer von 20 bzw. 35 Tagen in CARA-/CDA-Zentren oder sechs Monaten in SPRAR-Einrichtungen, die im Übrigen oft wesentlich überschritten wurde,
87vgl. ASGI (Associazione Studi Giuridici sull’Immigrazione), The Dublin System and Italy: A Wavering Balance, März 2015, S. 13 f., 23 f.; aida (Asylum Information Database): Country Report Italy, Januar 2015, S. 53; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 11. September 2013; UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, Juli 2012, S. 12; borderline-europe e.V., Auskunft an VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 34 f. und 51,
88gibt es für Asylantragsteller nicht (mehr). Eine Obergrenze für die Dauer des Aufenthaltes ist im Gesetzesdekret 142/2015, das die entsprechenden Vorgaben der Aufnahmerichtlinie umsetzt, nicht vorgesehen.
89Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
90Ergänzend zu den staatlichen Unterbringungseinrichtungen stellen verschiedene kirchliche oder kommunale Einrichtungen sowie lokale Hilfsorganisationen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Unterkünfte zur Verfügung.
91Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4, und an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 4.4; borderline-europe e.V., Auskunft an das VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 21.
92Insgesamt kann angesichts dieser Zahlen nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterbringung, auch wenn sie von unterschiedlicher Qualität ist und nicht in jedem Fall den Mindeststandards entspricht,
93vgl. zu den Bedingungen in den Einrichtungen CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 70 ff.; SFH, Auskunft an das VG Schwerin vom 23. April 2015, S. 4,
94im Sinne systemischer Mängel defizitär ist.
95Selbst wenn man aber unterstellt, die in Italien aktuell vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern reichten derzeit oder in naher Zukunft nicht aus, ergäbe sich daraus nach Auffassung des Senats noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 4 GR-Charta überschreitendes Versagen des Staates. Die Menschenrechte verpflichten die Staaten weder, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer „Spitzenbelastung“ vorzuhalten.
96Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 158.
97Nach den vorliegenden Erkenntnissen reagiert Italien jedenfalls inzwischen flexibel auf den Zustrom. Das System ist durch die kurze Auftragsdauer für die temporären CAS-Zentren (Ausschreibung alle sechs Monate) sehr flexibel in Bezug auf Schwankungen. Ferner waren jüngst unter dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU (AMIF) verschiedene Projekte ausgeschrieben, die auch die Unterbringung von Asylbewerbern umfassten.
98Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.
99Hiervon ausgehend ist die Erwartung, dass künftig zunehmend mehr Flüchtlinge den Weg über das Mittelmeer suchen und in Italien die Grenze zur EU überschreiten werden, nicht ausreichend, um derzeit systemische Mängel anzunehmen. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn – was hier nicht der Fall ist – absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden.
100Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 41.
101(b) Auch die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln und der Zugang zu einer medizinischen Mindestversorgung (vgl. Art. 19 Richtlinie 2013/33/EU) ist während des Asylverfahrens grundsätzlich in menschenrechtskonformer Weise gewährleistet. Asylbewerber haben Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem, insbesondere ist eine kostenfreie Notversorgung gewährleistet. Die übrige Versorgung erfolgt über die Unterbringungseinrichtungen, teilweise auch über karitative Organisationen.
102Vgl. SFH, Auskünfte an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 8 f., und vom 18. Mai 2016, S. 4; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 3.1, an das VG Schwerin vom 25. März 2015, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 5. und 6.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 64, 82; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 5.
103Zudem ist es Asylbewerbern nach Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets 142/2015 bereits 60 Tage nach Stellung des Asylgesuchs erlaubt zu arbeiten.
104Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 81.
105(3) Aus der Tarakhel-Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014, mit der die Rückführung nach Italien von Garantien italienischer Behörden abhängig gemacht worden ist, kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten ableiten. Sie beruht auf der besonderen Situation einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, der spezifischen Schutzbedürftigkeit von Kindern und dem Gebot der Wahrung der Familieneinheit. Für den Fall eines alleinstehenden (jungen) Mannes hat der EGMR in späteren Entscheidungen (Urteile vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) - und vom 30. Juni 2015 – 39350/13 (A.S. ./.Schweiz) -) gerade keine Grundlage für die Annahme gesehen, ihm drohe im Fall der Rückführung nach Italien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK.
106Individuelle, in der Person des Klägers liegende besondere Gründe, die eine Zuordnung zur Gruppe der besonders verletzlichen Personen erfordern und eine Überstellung als menschenrechtswidrig erscheinen lassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
107c. Ein Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen Verfahrensdauer.
108Aus der Rechtsprechung des EuGH lässt sich unter diesem Gesichtspunkt eine Pflicht zum Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO nur ableiten, wenn in einer Situation, in der Grundrechte des Antragstellers im Falle der Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel des Asyl-verfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber verletzt würden, die Lage des Antragstellers durch eine unangemessen lange Verfahrensdauer noch verschlimmert würde.
109Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 (N.S. u.a.) -, juris, Rn. 98 und 108, sowie vom 14. November 2013 - C-4/11 (Puid) - juris, Rn. 35; BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 2015 - 1 B 66.15 -, juris, Rn. 5; Hailbronner, AuslR, Stand März 2015, § 271 Rn. 66.
110Mit einer solchen Konstellation ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Der EuGH geht von der Prämisse aus, dass im eigentlich zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel und demzufolge eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta in Rede stehen. Bei der dann gebotenen Prüfung, ob anhand der Kriterien der Dublin II-Verordnung ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann, ist die Verfahrensdauer im Blick zu behalten. Ein solcher Fall ist hier, wie ausgeführt, nicht gegeben. Vielmehr ist die Überstellung in den als zuständig ermittelten Mitgliedstaat Italien möglich.
111Selbst wenn man aber der Rechtsprechung des EuGH einen allgemeinen Anspruch auf eine angemessene Verfahrensdauer entnehmen wollte, bezieht sich die Verfahrensdauer in diesem Sinne auf die Zuständigkeitsbestimmung durch das Bundesamt, d. h. auf das Verwaltungsverfahren.
112So im Ergebnis auch BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14, 1 C 33.1 C 33.14 und 1 C 34.1 C 34.14 -, jeweils juris, Rn. 21, sowie Beschluss vom 7. Dezember 2015 - 1 B 66.15 -, juris, Rn. 5.
113Die Einbeziehung der Dauer des gerichtlichen Verfahrens zu Lasten der Beklagten scheidet jedenfalls dann aus, wenn der Asylbewerber – wie hier in Bezug auf Ziffer 1 des Bescheids – eine rechtmäßige Verwaltungsentscheidung angreift. Denn in diesem Fall hat bei normativer Betrachtung nicht die Beklagte die Ursache für die lange Verfahrensdauer gesetzt.
114Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 18. Februar 2016 ‑ 1 A 11081/14 -, juris, Rn. 33.
115Das Verwaltungsverfahren der Zuständigkeitsbestimmung dauerte hier von der Asylantragstellung am 18. Oktober 2013 bis zum Eintritt der Annahmefiktion, wie ausgeführt, am 23. Januar 2013. Bezieht man weiter das Ergehen des Bescheids am 11. Februar 2014 ein, ist auch dies noch keine unangemessene Verfahrensdauer.
116Der Kläger kann sich ferner nicht auf Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO berufen. Nach Satz 2 der Vorschrift kann die Überstellungsfrist höchstens auf 18 Monate verlängert werden, wenn der Asylbewerber flüchtig ist. Erfolgt die Überstellung nicht innerhalb dieser Frist, geht nach Satz 1 die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Daraus lässt sich, auch wenn der Dublin II-VO ein Beschleunigungszweck immanent ist, keine Höchstdauer eines Dublin-Verfahrens ableiten. Die Vorschrift regelt lediglich im Verhältnis der Staaten zueinander, nach welchem Zeitraum eine zulässige, aber nicht durchgeführte Überstellung in Gestalt eines Zuständigkeitsübergangs zu Lasten des unzuständigen Staates geht. Eine entsprechende Anwendung auf den vorliegenden Fall, in dem der Überstellung nach Italien der vom Kläger erwirkte stattgebende Eilbeschluss entgegensteht, scheidet mit Blick auf die klare Regelung in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO aus. Da nach dieser Vorschrift, wie ausgeführt, eine Überstellungsfrist von sechs Monaten ab der Entscheidung über die Klage vorgesehen ist, wenn diese aufschiebende Wirkung hat, kann der Verordnungsgeber die Frist von 18 Monaten bei Flüchtigkeit nicht im Sinne einer generellen Höchstgrenze verstanden haben. Eine entsprechende Anwendung lässt sich aufgrund der gänzlich unterschiedlich gelagerten Sachverhalte auch nicht mit dem Gleichbehandlungsgebot begründen. Schließlich widerspräche sie der Auffassung des EuGH, wonach für die Überstellung volle sechs Monate zur Verfügung stehen sollen.
117Vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 Rs. C-19/08 (Petrosian u.a.) -, Slg. 2009, I-495; BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 2015 - 1 B 66.15 -, juris, Rn. 9.
118Daran fehlt es aber, wenn aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses die Überstellung über längere Zeit nicht durchgeführt werden kann.
1192. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass die Rück-nahmebereitschaft im positiven Sinne geklärt sein muss. Dem Bundesamt obliegt die Prüfung, dass weder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen noch inlandsbezogene Vollzugshindernisse der Abschiebung entgegenstehen. Dies gilt auch für nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretende Abschie-bungshindernisse und Duldungsgründe.
120Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, juris, Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, und vom 3. März 2015 - 14 B 102/15.A -, juris.
121Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Die Rückführung ist tatsächlich möglich. Da die Überstellungsfrist noch nicht verstrichen ist, ist aufgrund der gerichtsbekannten ständigen Praxis die Übernahmebereitschaft Italiens zu bejahen, auch wenn dieses auf das Aufnahmeersuchen nicht reagiert hat. Anhaltspunkte für eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit oder eine aus sonstigen Gründen resultierende Unmöglichkeit einer Abschiebung sind nicht ersichtlich.
122C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
123Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
124Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Der Antrag vom 18. Oktober 2016, die aufschiebende Wirkung der Klage 9 A 5886/16 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. September 2016 anzuordnen, wird abgelehnt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... wird abgelehnt.
Gründe
I.
- 1
Der nach § 34a Abs. 2 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt nicht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 21. September 2016. Denn die Abschiebungsanordnung ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt den Antragsteller deshalb nicht in seinen Rechten.
- 2
Die Abschiebungsanordnung findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt, sofern der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht, § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG.
- 3
Die Abschiebung des Antragstellers nach Italien ist rechtlich zulässig und tatsächlich möglich:
- 4
1. Für die Durchführung des Asylverfahrens ist nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 – Dublin III-VO), nicht die Antragsgegnerin, sondern der italienische Staat zuständig (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG). Nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. die Urteile der Großen Kammer des EuGH v. 7.6.2016, C-63/15 und C-155/15, beide juris) hat ein Asylsuchender im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Anspruch auf Prüfung der fehlerfreien Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den in Kapitel III der Dublin III-VO aufgeführten Kriterien.
- 5
a) Italien ist nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zuständig für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz. Denn der Antragsteller ist nach seinen eigenen Angaben von Afghanistan aus im Mai 2016 nach Italien gelangt, hielt sich dort etwa drei Tage auf und wurde erkennungsdienstlich behandelt. Dies bestätigt ein entsprechender EURODAC-Treffer der Kategorie 2.
- 6
b) Auf das Aufnahmegesuch der Antragsgegnerin vom 14. Juli 2016 hat Italien nach Aktenlage nicht reagiert. Nach Art. 22 Abs. 7 i. V. m. Abs. 1 Dublin III-VO ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, wenn innerhalb einer Frist von zwei Monaten, nachdem der ersuchte Mitgliedstaat mit dem Gesuch befasst wurde, keine Antwort erteilt wird. Damit ist Italien seit dem 14. September 2016 zuständig.
- 7
c) Die Zuständigkeit ist nicht nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zuständig, wenn keine Überstellung an einen anderen Mitgliedstaat erfolgen kann. Die Überstellung nach Italien ist indes nicht unmöglich, denn es bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Schwachstellen.
- 8
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, juris) liegen systemische Mängel vor, wenn es sich um Defizite handelt, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedsstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Dabei müssen das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sein, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war (BVerwG, Beschl. v. 6.6.2014, 10 B 35/14, juris). Derartige individuelle Erfahrungen sind vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen. Eine tragfähige Grundlage für die Annahme systemischer Mängel dürfte jedenfalls dann vorliegen, wenn hierfür kompetente Stellen wie der UNHCR und das EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen, errichtet durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 132 v. 29.5.2010, S. 11) derartige Mängel feststellen (VG Hamburg, Urt. v. 3.3.2015, 10 A 4414/14, n. v.; s. auch die Erwägungsgründe 22 und 23 sowie Art. 33 der Dublin III-VO).
- 9
Gemessen hieran sind Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Schwachstellen in Italien weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich (vgl. dazu ausführlich OVG Münster, Urt. v. 22.9.2016, 13 A 2448/15.A, juris; Urt. v. 7.7.2016, 13 A 2238/15.A, juris; ebenso Bundesverwaltungsgericht Österreich, Spruch v. 14.12.2015, W153 2116055-1/7E). Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (v. 17.9.2014, u.a. 2 BvR 1795/14, juris) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Entscheidung der Großen Kammer v. 4.11.2014, Tarakhel, Nr. 29217/12) geben für den Fall des volljährigen Antragstellers, der als junger Alleinreisender nicht zu einer besonders schutzwürdigen Gruppe gehört, nichts her. Systemische Mängel in Italien werden in diesen Entscheidungen gerade nicht festgestellt. Beide Gerichte haben vielmehr unter Hervorhebung der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern die Auffassung vertreten, eine Überstellung nach Italien bedürfe einer vorherigen Zusicherung der zuständigen italienischen Behörden, dass die jeweils betroffenen Asylsuchenden in Italien in einer der besonderen Situation von Kindern gerecht werdenden Einrichtung gemeinsam mit ihren Eltern untergebracht werden. Diese Entscheidungen, selbst wenn man etwa die Entscheidung des EGMR als Hinweis auf einen systembedingten Mangel der Aufnahmebedingungen in Italien für eine bestimmte Personengruppe verstehen wollte, treffen für den Fall des Klägers indes keine Aussage. So hat auch der EGMR (Entscheidung der Dritten Kammer v. 5.2.2015, A.M.E against the Netherlands, Nr. 51428/10) für einen 21 Jahre alten Mann entschieden, dass eine Verletzung in dem Recht aus Art. 3 EMRK bei Rückkehr nach Italien nicht zu befürchten ist.
- 10
Nichts anderes folgt aus dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Aufnahmebedingungen in Italien, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, abrufbar unter: https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/news/2016/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf) vom August 2016 (ebenso VG Schwerin, Urt. v. 26.9.2016, 16 A 1757/15 As SN, juris). Auch der genannte Bericht liefert keine Hinweise darauf, dass Italien zur Bewältigung der Probleme durch die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen ergreift. Vielmehr reagiert Italien gerade im Bereich der Unterbringung von Asylsuchenden sehr flexibel auf den steigenden Zustrom (OVG Münster, Urt. v. 22.9.2016, 13 A 2448/15.A, juris). Dies bestätigen auch die von der Österreichischen Botschaft Rom dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich übermittelten Zahlen über die in Italien in Flüchtlingsunterkünften untergebrachten Personen, die auf Auskünften des italienischen Innenministeriums beruhen (Länderreport von Österreich v. 2.8.2016 und v. 29.9.2016). Danach waren in Italien mit Stand 27. Juli 2016 139.207 Personen untergebracht, davon 1.016 in Hotspots, 13.572 in Erstaufnahmezentren, 104.248 in temporären Strukturen (meist durch NGO´s und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 20.371 in staatlicher Betreuung (SPRAR). Mit Stand 26. September 2016 waren 160.030 Personen untergebracht, davon 980 in Hotspots, 13.377 in Erstaufnahmezentren, 123.481 in temporären Strukturen und 22.192 in staatlicher Betreuung (SPRAR). Soweit der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe darauf verweist, dass Personen Obdachlosigkeit drohe, weil ein Anspruch auf Unterbringung in einem Aufnahmezentrum nicht mehr besteht, wenn dieses ohne Genehmigung verlassen wurde, so begegnet dies keinen Bedenken, weil dieser Umstand an ein von den jeweils Betroffenen zu vertretendes Verhalten anknüpft. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Wiederaufnahme mit Genehmigung der Präfektur gewährt werden kann und in Gemeinden ausweislich des Berichts Informationsschalter bestehen, an denen Unterkunftsplätze auf Gemeindeebene vermittelt werden können. Im Übrigen folgt aus dem Bericht, dass das italienische Sozialsystem die Deckung der Elementarbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Nahrung, Hygiene und medizinischer Versorgung in noch ausreichender Weise gewährleistet.
- 11
2. Die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist voraussichtlich ebenfalls rechtmäßig. Der Antragsteller kann sich auf zielstaatsbezogene – bezogen auf Italien – oder inlandsbezogene Abschiebungsverbote, die in Bezug auf die Abschiebungsanordnung gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht werden können (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 31.5.2011, A 11 S 1523/11, juris; OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2010, 4 Bs 223/10, juris), nicht berufen. Er hat insofern weder etwas vorgebracht noch gibt es sonstige Anhaltspunkte hierfür.
- 12
3. Ob die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG auf 6 Monate rechtmäßig ist, kann dahinstehen. Denn die Rechtmäßigkeit der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots, wirkt sich nur dann auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebung aus, wenn der Antragsteller ausnahmsweise einen Anspruch auf Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf „Null“ hätte, wenn damit also auch die Ausreiseverpflichtung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG entfiele (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.3.2014, 1 C 2/13, juris). Umstände, die einen solchen Anspruch begründen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Für den Fall von zu lang bemessenem Einreise- und Aufenthaltsverbot ist es dem Antragsteller zuzumuten, auszureisen und einen ggf. erforderlichen Rechtsstreit vom Ausland aus zu führen.
II.
- 13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
III.
- 14
Der Prozesskostenhilfeantrag ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch gemessen an dem im Prozesskostenhilfeverfahren zu Gunsten des Antragstellers anzulegenden großzügigen Maßstab, der lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung voraussetzt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 28.7.2016, 1 So 42/16, juris), aus den unter I. genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
- 1
Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte unter Androhung der Abschiebung nach Bulgarien festgestellt hat, dass ihnen in Deutschland kein Asylrecht zusteht.
- 2
Die Kläger sind eigenen Angaben zufolge Syrer. Sie tragen vor dass sie Syrien im Oktober 2013 verlassen und über die Türkei zunächst nach Bulgarien gereist seien, wo sie sich nach ihren Angaben acht Monate lang aufhielten. Auf ihren in Bulgarien gestellten Asylantrag wurde ihnen dort am 14. April 2014 der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Etwa zwei Monate später reisten sie mit ihren bulgarischen Reiseausweisen für Flüchtlinge weiter und gelangten am 18. Juni 2014 nach Deutschland, wo sie an der Grenze in einem Kleinbus von der Polizei angehalten wurden. Bei der Vernehmung des Klägers zu 1) durch die Polizei ... gab er zunächst an, mit seiner Familie …, für fünf Tage besuchen zu wollen, räumte dann aber nach weiterer Befragung ein, in Deutschland bleiben zu wollen und dass sie vorhätten, auch in Deutschland einen Asylantrag zu stellen. Auf die Frage, wie sie in Bulgarien lebten, antwortete er, sie hätten eine 3-Zimmer-Wohnung von der Stadt erhalten. Die Wohnung hätten sie seit ca. drei Monaten. Sie hätten in Bulgarien gut gelebt und seien zufrieden gewesen. Es sei aber ein armes Land. Seine Kinder seien alle in die Schule gegangen. Sie seien mit den Ärzten zufrieden gewesen. Auf die weitere Frage, wo sie sich in Bulgarien befunden hätten, erklärte der Kläger zu 1), dass sie sich in einem Dorf in einem Flüchtlingslager „Harmony“ (gemeint ist wohl Harmanli) befunden hätten. Zuerst hätten sie sich in Haft in einer Sammelunterkunft befunden. In „Harmony“ hätten sie ca. einen Monat gelebt. Dann hätten sie eine „Gratis Wohnung“ in Sofia und Reisepässe bekommen. Zur Arbeitssituation in Bulgarien befragt gab er an, dass es genügend Arbeit gebe, er aber nicht gearbeitet habe. Er habe das Camp nicht verlassen dürfen, bis er einen Pass bekommen habe. Ferner berichtete er, dass es in Bulgarien „schon gut“ sei, die Menschen dort seien aber sehr arm. Sie hätten kein Geld bekommen. Er habe ca. 3.000 € Bargeld bei sich. Dieses Geld stamme aus dem Verkauf seiner Schafe, einer Pistole und dem Goldschmuck seiner Frau. in Deutschland habe die Fahrt von Bulgarien nach Deutschland für sie organisiert und bezahlt.
- 3
Am 30. Juni 2014 stellten sie Asylanträge bei der Beklagten. Sie gaben in einem Fragebogen unter anderem an, in keinen anderen Staat überstellt werden zu wollen.
- 4
Eine Prüfung der Beklagten am 1. August 2014 ergab in der Eurodac-Kartei einen Treffer für Bulgarien. Die Beklagte hörte die Kläger am 13. August 2014 zu ihrem Asylantrag an. Sie erklärten unter anderem, wegen des Bürgerkrieges aus Syrien geflohen zu sein und in Bulgarien politisches Asyl erhalten zu haben. Sie seien Yeziden, die von der Al-Nusra Front und der Freien Syrischen Armee verfolgt und getötet worden seien. Später seien die Daash gekommen und hätten alle Yeziden verfolgt. Mit der Assad-Regierung hätten sie keine Probleme gehabt. Bald nach Beginn des Bürgerkrieges habe die Regierung dort wo sie wohnten aber keine Macht mehr gehabt. Sie seien von Bulgarien nach Deutschland gekommen, weil sie hier viele Verwandte hätten.
- 5
Die Beklagte richtete am 12. September 2014 ein Wiederaufnahmegesuch an den bulgarischen Staat und erhielt am 25. September 2014 - sowie ergänzend am 19. Januar 2015 - die Antwort, dass die Kläger in Bulgarien den Status als Flüchtlinge erhalten hätten. Eine Aufnahme der Kläger nach dem Dublin III-Abkommen könne daher nicht Platz greifen. Es könne aber ein Antrag nach dem Rückübernahmeabkommen bei der Grenzpolizei in Sofia gestellt werden.
- 6
Mit Bescheid vom 7. November 2014, der den Klägern eine Woche später, am 14. November 2014, zugestellt wurde, stellte die Beklagte unter Ziffer 1. fest, dass den Klägern in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zustehe und ordnete unter Ziffer 2. zunächst ihre Abschiebung nach Bulgarien an. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kläger aus einem sicheren Drittstaat eingereist seien und sich deshalb nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen könnten. Die Ausnahmen des § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG lägen nicht vor. Über die Voraussetzungen zur Gewährung internationalen Schutzes und das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG sei nach § 31 Abs. 4 AufenthG nicht zu entscheiden. Die Abschiebungsanordnung beruhe auf § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG.
- 7
Hiergegen haben die Kläger am 21. November 2014 Klage zum Az. 16 A 5546/14 erhoben, ohne sie zu begründen.
- 8
Die Kläger beantragen,
- 9
den Bescheid vom 7. November 2014 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren durchzuführen.
- 10
Die Beklagte beantragt,
- 11
die Klage abzuweisen.
- 12
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
- 13
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2015 hat die Beklagte die mit Bescheid vom 7. November 2014 unter Ziffer 2. ausgesprochene Abschiebungsanordnung aufgehoben und den Klägern stattdessen die Abschiebung nach Bulgarien angedroht. Dieser Bescheid wurde den Klägern am 30. November 2015 zugestellt.
- 14
Auch hiergegen haben die Kläger am 14. Dezember 2015 Klage zum Az. 16 A 6716/15 erhoben, ohne die Klage zu begründen.
- 15
Die Kläger beantragen,
- 16
den Bescheid vom 12. Oktober 2015 aufzuheben.
- 17
Die Beklagte beantragt,
- 18
die Klage abzuweisen.
- 19
Auch insoweit bezieht sie sich zur Begründung ihres Antrages auf die angefochtene Entscheidung.
- 20
Die Kammer hat mit Beschlüssen vom 3. November 2016 nach Anhörung der Beteiligten die Rechtsstreite auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
- 21
Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Die Beklagte hat sich im Wege ihrer allgemeinen Prozesserklärungen (Stand: 24. März 2016) für alle erstinstanzlichen Streitsachen nach dem Asylgesetz, für die nicht ausdrücklich in der Schriftstückliste der Verfahrensakte des Bundesamtes vor der Zustellung des Bescheides eine „besondere Prozessbeobachtung“ verfügt wurde - was hier nicht der Fall ist -, mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
- 22
Mit Beschluss vom 12. Dezember 2016 hat das Gericht das Verfahren zum Aktenzeichen 16 A 5546/14 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten eingestellt, als es die Regelung in Ziffer 2. des Bescheides vom 7. November 2014 betroffen hat. Mit weiterem Beschluss vom 13. Dezember 2016 hat das Gericht die Verfahren zu den Aktenzeichen 16 A 5546/14 und 16 A 6716/15 zu gemeinsamer Entscheidung unter dem ersten Aktenzeichen verbunden. Das verbundene Verfahren betrifft somit nur noch die durch Bescheid vom 7. November 2014 getroffene Feststellung, dass den Klägern in Deutschland kein Asylrecht zusteht, sowie die mit Bescheid vom 12. Oktober 2015 ausgesprochene Abschiebungsandrohung.
- 23
Dem Gericht haben die von der Beklagten geführten Sachakten bezüglich der Kläger vorgelegen. Auf dessen Inhalt sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
- 24
Die Entscheidung konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben. Sie konnte gemäß § 76 Abs. 1 AsylG durch den Einzelrichter getroffen werden, da ihm der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer übertragen worden ist.
II.
- 25
Soweit sich die Kläger gegen die in dem Bescheid vom 7. November 2014 getroffene Feststellung wenden, dass ihnen in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zustehe, ist die Klage als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO zulässig (BVerwG, Urteil vom 27.10.2015 – 1 C 32.14), hat aber in der Sache keinen Erfolg (dazu 1.). Ebenso können sie mit ihrem gegen die Abschiebungsandrohung nach Bulgarien gerichteten Klageantrag nicht durchdringen (dazu 2.).
- 26
1. Die Regelung in Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides vom 7. November 2014 ist nicht aufzuheben. Die Feststellung, dass den Klägern kein Asylrecht zusteht, ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
- 27
Die Beklagte hat dem Asylantrag der Kläger zu Recht nicht entsprochen. Die für die Entscheidung des Gerichts maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz gewährt hat. Dies ist bei den Klägern der Fall. Ihnen wurde nämlich in dem EU-Mitgliedstaat Bulgarien der Flüchtlingsstatus gewährt, was eine Form des internationalen Schutzes nach dem Asylgesetz ist (dort Abschnitt 2, Unterabschnitt 2).
- 28
a) Obwohl die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 7. November 2014 auf § 26a AsylG gestützt hat, hat das Gericht seiner Entscheidung die neue Fassung des § 29 Abs. 1 AsylG zugrunde zu legen.
- 29
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798) sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), beide zuletzt geändert durch Art. 5 und 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939), das am 6. August 2016 in Kraft getreten ist. Die Pflicht des Gerichts, das aktuelle Asylrecht anzuwenden, ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wonach die Rechtslage zu Grunde zu legen ist, die zu dem Zeitpunkt besteht, in dem die gerichtliche Entscheidung im schriftlichen Verfahren gefällt wird. Für die in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG geregelte Fallgruppe, dass dem Ausländer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits internationaler Schutz gewährt worden ist, verdrängt diese neue Vorschrift die Regelung in § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylG zu Asylanträgen von Ausländern, die aus sicheren Drittstaaten eingereist sind. Die Anwendung des § 26a AsylG ist nach der Neufassung des § 29 AsylG in den von dieser neuen Vorschrift erfassten Fallgruppen nicht mehr möglich (OVG Münster, Urteile vom 24.08.2016 - 13 A 63/16.A – und vom 22.09.2016 – 13 A 2448/15.A -; OVG Berlin, Urteil vom 22.11.2016 – 3 B 2.16 -; VG Schleswig, Beschluss vom 09.09.2016 – 10 A 336/16 -, jeweils juris; Bethke/Hocks, Asylmagazin 2016, S. 337, 340; andere Ansicht: OVG Saarlouis, Urteil vom 25.10.2016 – 2 A 95/16 -; VGH Kassel, Urteil vom 4. November 2016 - 3 A 1292/16.A -, jeweils juris).
- 30
Mit der Neufassung des § 29 AsylG hat der Gesetzgeber zur besseren Übersichtlichkeit und Vereinfachung der Rechtsanwendung die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8612, S. 51; BVerwG, Urteil vom 09.08.2016 – 1 C 6.16 -, juris). Diesem gesetzgeberischen Ziel ist bei der Auslegung Rechnung zu tragen. Die sinnvolle Vereinfachung und Bündelung kann nur erreicht werden, wenn die Vorschrift in § 29 AsylG als vorrangig betrachtet wird. Ohnehin war die Drittstaatenregelung in § 26a AsylG keine auf die Binnenmigration von Asylsuchenden und von anerkannt Schutzberechtigten in der Europäischen Union zugeschnittene Bestimmung und wies in diesem nunmehr von § 29 Abs. 1 AsylG n.F. erfassten Bereich in mehrfacher Hinsicht Friktionen auf (vgl. Bethke/Hocks, Asylmagazin 2016, S. 337, 339; Funke-Kaiser, Asylmagazin 2015, S. 148, 151), deren Abhilfe die Neuregelung dienen soll. Schließlich verdeutlicht die Bestimmung in § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, wonach ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, dass diese Drittstaatenregelung in dem Anwendungsbereich des § 29 AsylG und nicht gelöst von dieser Regelung zur Anwendung kommen soll.
- 31
Demgegenüber folgt das Gericht nicht dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Urteil vom 25.10.2016 – 2 A 95/16 -, juris), das in der fraglichen Fallkonstellation die Drittstaatenregelung in § 26a AsylG weiterhin anwendet und der Bestimmungen in § 29 AsylG n.F. nur deklaratorische Bedeutung beimisst. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war indes bereits geklärt, dass die Geltendmachung internationalen Schutzes schon nach § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der seit dem 1. Dezember 2013 geltenden Fassung (BGBl. I S. 3474) unzulässig gewesen ist, wenn der Betreffende bereits außerhalb des Bundesgebiets als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt worden ist (Urteil vom 17.06.2014 – 10 C 7/13 -, BVerwGE 150, S. 29 ff., zit. nach juris). Ein Rückgriff auf die Rechtsfolge in § 26a Abs. 1 AsylG ist insofern nicht erforderlich. Eine Begründung, weshalb das Obergericht nicht die aktuell gültige Fassung des Asylgesetzes - also allein § 29 Abs. 1 AsylG - als maßgebliche Rechtsgrundlage herangezogen hat, wie es die Bestimmung in § 77 Abs. 1 AsylG eigentlich vorgibt, ist dem genannten Urteil nicht zu entnehmen.
- 32
Auch dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 4. November 2016 - 3 A 1292/16.A -, juris) vermag das Gericht nicht zu folgen. Einleitend mit den Worten, „zu dem Begehren des Klägers, (…) ein Asylverfahren durchzuführen, hat Folgendes zu gelten:“, zieht dieses Obergericht die Bestimmung in § 60 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AufenthG als maßgebliche Vorschrift heran. Die normative Anknüpfung für die Frage, ob ein Asylantrag als unzulässig zu behandeln ist, wird nach der Einführung der speziellen Vorschrift in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht mehr im Aufenthaltsgesetz gesucht werden können. Der Regelungsgehalt des § 60 Abs. 1 AufenthG beschränkt sich durch die mit Einführung des § 29 AsylG angestrebte „Bündelung“ der betreffenden Regelungsmaterie im Wesentlichen darauf, die Zuständigkeit für den asylrechtlichen Verfolgungsschutz beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, in Abgrenzung zur Zuständigkeit der Ausländerbehörden, zu konzentrieren und dadurch ein Wahlrecht zwischen asyl- oder lediglich ausländerrechtlichem Verfolgungsschutz auszuschließen (vgl. Koch in: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 2016, § 60 AufenthG Rn. 21). Darlegungen zur Rechtsgrundlage des Bescheides nach Änderung des Asylgesetzes durch Art. 5 und 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 weist das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nicht auf. Die Neuregelung, die auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17.06.2014 – 10 C 7/13 -, juris) fußt, wird in den Entscheidungsgründen nur einmal erwähnt, indem es lapidar heißt, „hinsichtlich der Unzulässigkeitsregelungen in § 29 AsylG n.F. kann daher nichts anderes gelten“. Obwohl die neu eingefügte Unzulässigkeitsregelung genau das Gegenteil dessen vorgibt, was der Hessische Verwaltungsgerichtshof letztlich entschieden hat, nämlich die Zulässigkeit des Asylantrages bei Gewährung internationalen Schutzes durch einen anderen EU-Mitgliedstaat, fehlt es an einer Befassung mit dieser konträren normativen Direktive des Gesetzgebers. Soweit diese Rechtsanwendung auf die zur alten Rechtslage ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17.06.2014 – 10 C 7/13 -, juris) zur Unzulässigkeit von Asylanträgen nach Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen EU-Mitgliedstaat zurückgeht, um sodann durch Neuschöpfung einer Ausnahme hiervon abzuweichen, hat der Gesetzgeber dieser Entscheidung des Bundesgerichts eine direkte normative Grundlage in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gegeben.
- 33
b) Der Neuregelung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG steht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dazu, dass vor dem 20. Juli 2015 wiederholt gestellte Asylanträge nicht allein deshalb als unzulässig behandelt werden können, wenn dem Betreffenden in einem anderen EU-Mitgliedstaat nur subsidiärer Schutz gewährt worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2015 – 1 B 41.15-, juris), nicht entgegen. Denn den Klägern wurde in Bulgarien - wie angeführt - nicht nur subsidiärer Schutz, sondern die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
- 34
c) Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kann der Ausspruch in Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides vom 7. November 2014 auf der Rechtsgrundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aufrechterhalten werden. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte zum einen in dem Bescheid als Rechtsgrundlage § 26a, 31 Abs. 4 AsylG a.F. und nicht § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG n.F. angeführt hat (was ihr bei Erlass des Bescheides auch noch gar nicht möglich gewesen wäre) und dass sie zum anderen die Feststellung getroffen hat, dass den Klägern in Deutschland kein Asylrecht zusteht, den Antrag aber nicht ausdrücklich als unzulässig abgelehnt hat, wie es in § 29 AsylG nunmehr vorgesehen ist.
- 35
aa) Im Rahmen der Überprüfung eines Bescheides im Rahmen einer Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt es nicht (allein) auf das von der Verwaltung herangezogene Recht an (ebenso OVG Münster, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16.A -; VGH München, Urteil vom 20.10.2016 – 20 B 14.30320 -, jeweils juris). Vielmehr ist die Kontrolle im Sinne schlichter Rechtsanwendung auf das Recht zu erstrecken, das geeignet ist, an Stelle des von ihr herangezogenen, sich etwa als nicht tragfähig erweisenden Rechts den Ausspruch des Bescheids zu rechtfertigen, vorausgesetzt, dass sich dabei am Ausspruch des Bescheides nichts Wesentliches ändert (BVerwG, Urteile vom 19.08.1988 – 8 C 29.87 -, vom 12.04.1991 – 8 C 92.89 – und vom 31.03.2010 – 8 C 12.09 -, jeweils juris), was hier nicht der Fall ist.
- 36
bb) In den Fällen des § 29 Abs. 1 AsylG ist zwar nicht die im Bescheid ausgesprochene Feststellung zu treffen, dass dem Antragsteller kein Asylrecht in Deutschland zustehe (vgl. § 31 Abs. 4 AsylG a.F.), sondern der Asylantrag ist als unzulässig abzulehnen. Das führt aber nicht zu einer Wesensänderung des angefochtenen Bescheides (ebenso OVG Münster, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16.A -; juris). Es handelt sich nicht um einen anderen Streitgegenstand mit für die Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen. Bei der Ablehnung des Asylantrags auf Grundlage des § 29 AsylG besteht ebenso wie bei der Entscheidung nach § 26a i.V.m. § 31 Abs. 4 AsylG a.F. kein Ermessensspielraum. Beide Normen erfassen die EU-Mitgliedstaaten, sehen auf der Tatbestandsseite einen konkreten Bezug zu einem anderen EU-Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezugs nicht inhaltlich geprüft werden soll.
- 37
e) Eine weitergehende Prüfung, insbesondere der Frage, ob die Kläger im Fall einer Überstellung nach Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden, sehen weder das nationale Recht noch das Unionsrecht als Voraussetzung für die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig vor (OVG Münster, Urteil vom 24.08.2016 - 13 A 63/16.A -, juris). Ungeachtet dessen, wie die tatsächlichen Verhältnisse für international Schutzberechtigte in Bulgarien sind, haben die Kläger als anerkannte Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Zuerkennung des internationalen Schutzes durch die Beklagte. Vielmehr sind diese Gesichtspunkte allein im Rahmen des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu berücksichtigen. Die Vorgabe des Gesetzgebers, dass in anderen Staaten der Europäischen Union international Schutzberechtigte in Deutschland diesen Status nicht noch einmal zugesprochen bekommen können, ist auch von der Rechtsprechung zu respektieren oder zumindest zu akzeptieren, selbst wenn diese Ausländer in anderen EU-Mitgliedstaaten nicht in den Genuss der nach der Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) für sie vorgesehenen Leistungen und Gewährleistungen kommen sollten. Der gegenläufigen Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 04.11.2016 – 3 A 1292/16.A -, juris) vermag das Gericht demgegenüber nicht zu folgen.
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aa) Bereits die vom Hessischen Verwaltungsgerichthof angeführte Rechtsgrundlage für die Beurteilung, ob der Asylantrag als unzulässig zu behandeln ist, erscheint – wie ausgeführt – nicht überzeugend, sodass es für die angestellten weitergehenden Überlegungen zu einer Ausnahme der Unzulässigkeit des in Deutschland gestellten Asylantrages nach erfolgter Anerkennung in Bulgarien an einer geeigneten normativen Anknüpfung fehlt. Es überzeugt auch nicht, das Ergebnis einer Zulässigkeit des Asylantrages aus einer europarechtskonformen Auslegung von § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG herzuleiten. Angesichts des eindeutigen Wortlautes dieser Regelung erscheint schon zweifelhaft, ob sie überhaupt einer konträren Auslegung zugänglich ist.
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bb) Davon abgesehen besteht aber auch kein Erfordernis für eine derartige vom Wortlaut des Gesetzes abweichende Auslegung. In der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs heißt es dazu: „Der von dem Gesetzgeber zulässigerweise vorgesehene Ausschluss der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat greift allerdings dann nicht, wenn aufgrund systemischer Mängel im Asylsystem davon auszugehen ist, dass elementare Rechte des Schutzberechtigten bzw. anerkannten Flüchtlings nicht gewährleistet werden, die sich insbesondere aus Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) ergeben (…)“. Systemische Mängel im Asylsystem betreffen allerdings nur das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen von Asylbewerbern, nicht aber die Lebensverhältnisse anerkannter Flüchtlinge - wie den Klägern - in dem ihnen schutzgewährenden EU-Mitgliedstaat. Systemische Mängel sind daher nur für die Bestimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen EU-Mitgliedstaates gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO von Bedeutung, nicht aber für die Phase nach Abschluss des Asylverfahrens. Erwägungen zu systemischen Mängeln sind folglich nur bei der Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG geboten, nicht aber bei der Anwendung des hier einschlägigen § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG.
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Dies führt nicht etwa zu einer Missachtung höherrangiger europarechtlicher Vorschriften. Denn die Lebensbedingungen anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien sind im Rahmen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zu berücksichtigen. Dies ist in der ab dem 6. August 2016 geltenden Fassung speziell für die Fälle von Entscheidungen über unzulässig Asylanträge – wie hier nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG n.F. - in § 31 Abs. 3 Satz 1 n.F. AsylG vorgegeben. Eines Rückgriffs auf die Rechtsfigur der systemischen Mängel im Asylsystem bedarf es insofern nicht, weil diese Rechtsfigur auf eine auf Art. 3 EMRK fußende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs zurückgeht und Art 3 EMRK – wie ausgeführt - in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG n.F. nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG n.F. im Rahmen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu prüfen ist. Zwar hat die Feststellung von Abschiebungsverboten nach dem Asylgesetz nicht zur Folge, dass ein Asylantrag zulässig wird und ein Asylverfahren durchzuführen ist, sondern führt nur zur Duldung des Ausländers. Denn nach ständiger Rechtsprechung des EGMR (Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 -, NVwZ 2012, S. 691 ff.) führt ein etwaiger Verstoß gegen Art. 3 EMRK im Zielstaat der Abschiebung nicht dazu, dass der Staat des tatsächlichen Aufenthaltes des Ausländers ein Asylverfahren für einen in dem Zielstaat bereits anerkannt Schutzberechtigten durchzuführen hätte. Die Konventionsstaaten haben nämlich nach dem Völkerrecht - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich nach der Konvention - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Ausländern eigenständig zu regeln. Die Konvention garantiert nach dieser Rechtsprechung des EGMR folglich kein Asylrecht, sondern aus der Konvention kann sich nur die Verpflichtung des Konventionsstaates ergeben, den Betroffenen nicht in ein Land abzuschieben, in dem eine Verletzung des Art. 3 EMRK droht.
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cc) Auch sonst besteht kein Erfordernis für eine vom Wortlaut des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abweichende Auslegung bzw. der Schöpfung einer im Gesetz nicht vorgesehenen Ausnahme aufgrund vorgreiflichen Europarechts. Soweit in Bulgarien die betreffenden Vorgaben der Asyl-Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) unzureichend umgesetzt worden sind, gibt dies keinen Anlass für eine den EU-Binnenmigranten begünstigende Auslegung des deutschen Asylrechts. Denn einerseits ist es unmöglich, durch die Ausgestaltung der Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland die Umsetzung und Einhaltung der Qualifikationsrichtlinie im Herrschaftsbereich anderer EU-Mitgliedstaaten – hier Bulgarien - zu realisieren. Und andererseits lässt sich eine Pflicht, in dem Fall einer unzureichenden Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie in einem anderen EU-Mitgliedstaat den dort anerkannten Flüchtling im Bundesgebiet aufzunehmen und dazu nochmals ein Asylerfahren durchzuführen, um ihn an den in Deutschland gebotenen „weitgehenden Aufenthalts- und Teilhaberechten“ im Sinne eines „effektiven Flüchtlingsschutzes“ partizipieren zu lassen, dem geltenden Recht nicht entnehmen, sondern ein solcher Ansatz - wie er vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof verfolgt wird - entspringt flüchtlingspolitischen Vorstellungen, deren Verwirklichung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG nicht in die Kompetenz der Judikative fällt.
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2. Die Abschiebungsandrohung nach Bulgarien, wie sie unter Ziffer 2. des Bescheides vom 12. Oktober 2015 ausgesprochen worden ist, findet seine Rechtsgrundlage nunmehr in § 35 AsylG n.F. Die dort bestimmten Voraussetzungen, unter denen eine Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt zu ergehen hat, liegen vor. Es liegt ein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor, sodass den Klägern die Abschiebung in den Staat anzudrohen ist, in dem sie vor Verfolgung sicher waren, hier Bulgarien.
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a) Ein Abschiebungsverbot der Kläger nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG bezogen auf den Zielstaat Bulgarien, deren Vorliegen hier – wie ausgeführt – nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG vom Bundesamt zu prüfen und ggf. festzustellen ist, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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aa) Der Abschiebung steht nicht das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen. Die Kläger werden in Bulgarien keiner Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen. Insbesondere führen die Bedingungen, unter denen in Bulgarien als international schutzberechtigt anerkannte Ausländer leben, nicht zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung.
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(1) Die Kläger haben entsprechendes nicht vorgebracht, sondern haben im Gegenteil berichtet, dass sie in Bulgarien während ihres achtmonatigen Aufenthaltes gut und zufrieden gelebt hätten, allerdings sei Bulgarien ein armes Land und die Menschen dort seien sehr arm. Sie seien zunächst in einer Sammelunterkunft in Haft gewesen, hätten danach in einer Flüchtlingsunterkunft und während der letzten drei Monate ihres Aufenthaltes in Bulgarien kostenfrei in einer 3-Zimmer-Wohung der Stadt Sofia gewohnt. Arbeit würde es in Bulgarien genügend geben, um die sich der Kläger zu 1) im Fall seiner Rückkehr dorthin auch bemühen wolle. Die Kinder, also die Kläger zu 3) bis 6), seien alle in die Schule gegangen. Auch mit den Ärzten dort seien sie zufrieden gewesen. Rückblickend haben die Kläger Art. 3 EMRK widersprechende Lebensbedingungen in Bulgarien mithin nicht erleiden müssen.
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(2) Dies steht auch nicht zu erwarten. Nach der aktuellen Auskunftslage über die Lebensbedingungen von Ausländern in Bulgarien, die dort als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt worden sind, bestehen keine ernsthaften Gründe für die Annahme, dass die Kläger in diesem Land eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung unterworfen werden, wenn sie dorthin zurückkehren. Diese Beurteilung entspricht der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 31.08.2016 – 3 L 94/16 – juris) und des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (Urteil vom 25.10.2016 – 2 A 96/16 -, juris) sowie mehrerer Verwaltungsgerichte (z.B. VG Schleswig, Beschluss vom 09.09.2016 – 10 A 336/16 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 14.11.2016 – 12 K 5984/16.A -; VG Potsdam, Urteil vom 29.04.2016 – 12 K 393/15.A; VG Berlin, Urteil vom 10.03.2016 – 23 K 10.16 A-, jeweils juris), der sich das Gericht anschließt und auf deren Entscheidungen es zur Begründung Bezug nimmt. Hinzu kommt, dass auch Berufungszulassungen von Klägern zu dieser Frage ohne Erfolg geblieben sind (VGH München, Beschluss vom 15.11.2016 – 3a ZB 16.5004 –; OVG Münster, Beschlüsse vom 31.10.2016 – 11 A 1096/16.A – und vom 29.01.2016 – 14 A 134/15.A -, jeweils juris).
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(3) Die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 04.11.2016 – 3 A 1292/16.A; im Ergebnis ebenso: VG Göttingen, Beschluss vom 03.11.2016 – 2 b 361/16 -; VG Aachen, Urteil vom 28.10.2015 – 8 K 299/15.A -; jeweils juris) vertretene gegenteilige Ansicht, dass „das Asylsystem in Bulgarien insbesondere hinsichtlich dort bereits anerkannter Flüchtlinge an systemischen Mängeln“ leide, kann demgegenüber schon im Ausgangspunkt nicht überzeugen. Denn der Rückgriff auf die Rechtsfigur der systemischen Mängel, die auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK zurückgeht, führt im vorliegenden Zusammenhang auf Abwege. Die Frage, ob das Asylsystem in einem anderen EU-Mitgliedstaat systemische Mängel bzw. Schwachstellen aufweist, stellt sich im Gefüge des aktuellen Asylrechts nämlich nur dann, wenn das Asylverfahren noch nicht durchgeführt worden ist und ein anderer EU-Mitgliedstaat für dessen Durchführung eigentlich grundsätzlich zuständig wäre. Nur dann würde die Dublin III-VO mit der Ausnahmeregelung in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 zu systemischen Schwachstellen noch Anwendung finden. Das Europäische Asylsystem im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH betrifft nämlich nur das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, nicht aber die Lebenssituation anerkannter Flüchtlinge und anerkannter subsidiär Schutzberechtigter in einem anderen EU-Mitgliedstaat. So ist - auch die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof angeführte - Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aufgrund systemischer Mängel im Asylsystem (Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09 -, NVwZ 2011, S. 423 ff.) nur bezogen auf Asylbewerber ergangen und nicht bezogen auf bereits anerkannte Flüchtlinge - wie die Kläger. Soweit der Verwaltungsgerichtshof meint, die von dem EuGH entwickelten Maßstäbe für systemische Mängel im Asylsystem müssten „erst Recht“ Geltung für die Lebensverhältnisse anerkannter Flüchtlinge beanspruchen, kann diesem Evidenz-Schluss nicht ohne Weiteres gefolgt werden. Die humanitären Verhältnisse von Asylbewerbern bzw. die ihnen gebotenen Lebensbedingungen werden wegen der besonderen Verletzlichkeit bzw. Verwundbarkeit und der Abhängigkeit dieser Personengruppe von staatlicher Unterstützung in den Schutzbereich von Art. 3 EMRK einbezogen, obwohl die Konvention hauptsächlich darauf abzielt, bürgerliche und politische Rechte vor Eingriffen zu schützen. Wesentliche Kriterien für die Einbeziehung humanitärer Verhältnisse in den Schutzbereich dieser Norm sind die mangelnde Fähigkeit des Betroffenen, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, zu denen Nahrung, Unterkunft und Hygiene gehören, sowie seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit (EuGH, Urteil vom 28.0.2011 - 8319/07 -). Orientiert an diesen Merkmalen bestehen relevante Unterschiede zwischen Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen, die dem angeführten Erst-Recht-Schluss entgegenstehen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass auch anerkannt schutzberechtigte Ausländer zu einer besonders benachteiligten und verwundbaren Bevölkerungsgruppe zu zählen sind. Sie beherrschen anfangs die Landessprache nicht und haben daher häufig Verständigungsprobleme. Zudem sind ihre sozialen Kontakte zunächst noch sehr beschränkt und sie können in der Regel nicht auf wirksame familiäre oder nachbarschaftliche Hilfe zurückgreifen. Anerkannte Flüchtlinge halten sich aber in der Regel schon länger in dem Zufluchtsland auf als Asylbewerber, die das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen haben. Sie kennen sich deshalb in dem Land schon besser aus, weil sie schon über längere Zeit Erfahrungen sammeln und sich Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen konnten. Zumeist eröffnen sich auch erst nach erfolgreichem Abschluss des Asylverfahrens durch ein gesichertes Aufenthaltsrecht und eine Arbeitserlaubnis Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme und zur Anmietung einer Wohnung. So haben bereits anerkannte Flüchtlinge aufgrund der schon über eine längere Zeit gewonnenen Einblicke, durch gesammeltes Wissen und durch geknüpfte Kontakte eine bessere Ausgangslage, sich durch eigene Anstrengungen auch unter widrigen Bedingungen und ohne wesentliche staatliche Unterstützung ihr Existenzminimum zu sichern, als sich noch im Asylverfahren befindliche Ausländer. Hinzu kommt der Umstand, dass sich Anstrengungen zur Integration häufig erst dann lohnen, wenn auch eine längerfristige Aufenthaltsperspektive besteht, was erheblich für den Antrieb der Betroffenen ist, in dem fremden Land auch ohne staatliche Hilfe Fuß zu fassen. Diese Gesichtspunkte verdeutlichen, dass die Ausgangspositionen für Asylbewerber, sich unter widrigen Umständen in dem Zufluchtsland durchzuschlagen, deutlich schlechter sind als für anerkannte Flüchtlinge, weil sich der Asylbewerber noch in der Anfangsphase seines noch ungesicherten Aufenthalts in einem für ihn fremden Land befindet und weil er in dieser Lage leicht in existenzielle Nöte geraten kann, die mit der Menschenwürde unvereinbar sind, wenn er allein auf sich gestellt weder Ernährung, Unterkunft und Hygiene von offizieller Seite erhält, sondern stattdessen behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht. Daher drängt es sich geradezu auf, bei Asylbewerbern einerseits und bei anerkannt Schutzberechtigten andererseits im Rahmen des Art. 3 EMRK prinzipiell unterschiedliche Maßstäbe bezogen auf die Intensität, Qualität und Dauer notwendiger Unterstützungsleistungen anzulegen und innerhalb dieser beiden Gruppen wiederum nach der individuellen Situation und Bedürftigkeit der Ausländer zu differenzieren (ebenso differenzierend: OVG Saarlouis, Urteil vom 25.10.2016 – 2 A 96/16 -, juris).
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Die Auskünfte, die die Lage von Asylbewerbern in anderen EU-Mitgliedstaaten betreffen, können mithin nicht ohne weiteres für die Beurteilung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK herangezogen werden, wobei die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung aus letzter Zeit ganz überwiegend systemische Mängel im Asylsystem Bulgariens – also bezogen auf Asylantragsteller – nicht mehr annimmt (OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.03.2016 - 3 L 47/16 -; VGH Mannheim, Urteile vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - und vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -; VGH München, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -; VG München, Beschlüsse vom 18. Juli 2016 - M 12 S 16.50475 -, juris, Rn. 30, vom 13. Juli 2016 - M 1 S 16.50366 -, juris, Rn. 15, sowie Urteile vom 25. August 2016 - M 12 K 16.50117 -, juris, und vom 10. Mai 2016 - M 12 K 16.50110 -, juris, Rn. 34ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.06.2016 - 22 L 1913/16.A – und Urteil vom 23.09.2016 – 12 K 7819/16.A -; VG Köln, Beschluss vom 29.04.2016 - 2 L 917/16.A -; VG Regensburg, Beschluss vom 23.02.2016 - RN 1 S 16.50036 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19.02.2016 - 2a K 3697/15.A -; a.A.: VG Köln, Beschluss vom 22.08.2016 – 18 L 1868/16.A -; VG Freiburg, Urteil vom 04.02.2016 – A 6 K 1356/14 -; jeweils juris; VG Minden, Beschluss vom 21.09.2016 – 3 K 234/15.A; n.V.)
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(4) Den vorliegenden Erkenntnissen zu den Lebensbedingungen anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien lassen sich unter Zugrundelegung der maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und der Obergerichte im Einzelnen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK entnehmen.
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(a) Dies gilt zunächst für den Umstand einer mangelnden Umsetzung der EU-Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/05/EU), die teilweise zur Begründung einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch den bulgarischen Staat angeführt wird (vgl. z.B., VGH Kassel, Urteil vom 04.11.2016 – 3 A 1292/16.A -: VG Göttingen, Beschluss vom 03.11.2016 – 2 B 361/16 -, jeweils juris). Hieraus folgt für sich genommen noch keine Verletzung des Art. 3 EMRK. Nicht jeder Verstoß gegen Rechtsvorschriften stellt eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar (OVG Münster, Beschluss vom 29.05.2015 – 14 A 134/15.A -; VG Düsseldorf, Urteil vom 14.11.2016 - 12 K 5984/16.A -, jeweils juris). Auch der Umstand, dass in Bulgarien im Juni 2015 lediglich eine Integrationsstrategie erlassen, aber noch kein konkreter nationaler Integrationsplan für anerkannte Schutzberechtigte aufgestellt worden ist, weil es vor allem an einem ausreichenden Budget für eine effektive Integrationspolitik fehlt (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 04.11.2016 - 3 A 1292/16.A -, juris), lässt sich kein Verstoß gegen Art. 3 EMRK herleiten. Vielmehr kommt es auf die reale Situation an, da eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne dieser Vorschrift ein Mindestmaß an Schwere voraussetzt. Defizite bei staatlichen Angeboten zum Sprachunterricht, bei der staatlichen Bereitstellung von Kindergartenplätzen oder bei der staatlichen Hilfe zur Arbeitsmarktintegration, genügen daher ebenfalls nicht, um eine gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Situation für Flüchtlinge in Bulgarien anzunehmen (OVG Magdeburg, Beschluss vom 31.08.2016 – 3 L 94/16 -; OVG Münster, Beschluss vom 29.01.2015 - 14 A 134/15.A -; a.A. VGH Kassel, Urteil vom 04.11.2016 - 3 A 1292/16.A -, jeweils juris). Es handelt sich dabei zwar um Leistungen, die für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte relevante Elemente für eine förderliche Integrationspolitik darstellen. Fehlt es an diesen Leistungen, so führt dies allerdings keineswegs zu einer Behandlung dieser Bevölkerungsgruppe durch den bulgarischen Staat und seine Behörden und Einrichtungen, die das erforderliche Mindestmaß an Schwere im Hinblick auf physische und psychische Beeinträchtigungen im Sinne einer Misshandlung aufweist. Derartige Mängel in der Flüchtlingsversorgung als Verstöße gegen Art. 3 EMRK einzustufen zeugt vielmehr von einer inflationären Anwendung dieser Vorschrift, die sich außerhalb des von der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Anwendungsrahmens bewegt. Sie ist auch deshalb fragwürdig, weil eine solche flüchtlingspolitisch motivierte extensive Anwendung von Art. 3 EMRK bei den betroffenen EU-Mitgliedstaaten, denen nur geringere finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, eher Abwehrreflexe gegen derartige Einmischungen provozieren und stigmatisierend wirken.
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Außerdem ist im Hinblick auf die fragliche Umsetzung der EU-Qualifikationsrichtlinie in Bulgarien zu berücksichtigen, dass das Unionsrecht den Betroffenen lediglich Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26, 27, 28 Abs. 1, 29, 30 RL 2011/95/EU) oder Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. etwa Art 32 und 33 RL 2011/95/EU) gewährt, sie also nur an den wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen des Mitgliedstaates teilhaben lässt, wobei in Bulgarien fast 50% der Bevölkerung von Armut und Ausgrenzung betroffen bzw. bedroht sind (vgl. im Einzelnen: VGH Mannheim, Urteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, zuletzt: Urteil vom 01.04.2015 - A 11 S 106/15 -, jeweils juris). Für die Beurteilung der Lebensbedingungen anerkannt Schutzberechtigter darf nicht aus den Augen verloren werden, dass die typischerweise für die Mehrheit der Bevölkerung geltenden Standards in Bulgarien deutlich niedriger sind als in Deutschland, so dass die schlechteren Versorgungsbedingungen für anerkannt Schutzberechtigte in Bulgarien als in wohlhabenderen EU-Mitgliedstaaten nicht zugleich als Ausdruck behördlicher Gleichgültigkeit, behördlichen Versagens oder gar mutwilliger Verweigerung von Unterstützungsleistungen aufgefasst werden können. Der Umstand, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse bei einer Überstellung von Deutschland nach Bulgarien aufgrund des unterschiedlichen Niveaus staatlicher Sozial- und Integrationsleistungen bedeutend geschmälert würden, reicht nicht aus, um einen Verstoß gegen diese Vorschriften zu begründen (EGMR, Beschluss vom 02.04.2014 – 27725.10, ZAR 2013, S. 336, 337; Urteil vom 21.01.2011 – 3069.09 -, ZAR 2011, S. 395, 397). Ist für den betroffenen Schutzberechtigten die eigene wirtschaftliche Situation schlechter als in dem ihn rückführenden Vertragsstaat, so reicht dies nicht aus, um die Schwelle einer unmenschlichen Behandlung, wie sie nach Art. 3 EMRK verboten ist, zu überschreiten (vgl. EGMR, Beschluss vom 02.04.2013 – 27725/10 – juris). Artikel 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Personen auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst (OVG Münster, Beschluss vom 29.01.2016 – 14 A 124/15.A -; VG München, Beschluss vom 02.11.2016 – M 7 S 16.50777 -, jeweils juris). Anerkannt Schutzberechtigte müssen sich deshalb auf den dort für alle bulgarischen Staatsangehörigen vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen.
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Dass Art. 3 EMRK bezogen auf das Niveau sozialer Leistungen des Zielstaates einer vorgesehenen Abschiebung einen nur äußerst beschränkten Anwendungsbereich hat, wird deutlich, wenn man sich die Rechtsprechung des EGMR zur Definition der Begriffe der „unmenschlichen“ und „erniedrigenden“ Behandlung vor Augen führt: Als unmenschlich wird eine Behandlung eingestuft, die sich weniger intensiv auswirkt wie Folter, aber absichtlich ausgeübt und für mehrere Stunden dauerhaft angewendet wird und dabei entweder eine Körperverletzung oder zumindest intensives psychisches oder physisches Leid verursacht. Die Behandlung eines Menschen ist jenseits der unmenschlichen Behandlung als erniedrigend oder demütigend anzusehen, wenn sie erkennen lässt, dass es an der Achtung der Menschenwürde fehlt, diese unmittelbar angreift oder Gefühle von Angst, Schmerz oder Unterlegenheit erweckt, die geeignet sind, den moralischen oder körperlichen Widerstand einer Person zu brechen (Kau in: Pabel/Schmahl; IntKommEMRK, Stand: März 2016, Art. 3 Rn. 22 m.w.N. aus der Rspr. des EMRK). Bezogen auf die Unterbringung von Asylsuchenden hat der EGMR nur auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse für ein menschenwürdiges Dasein abgestellt, die infolge einer Überbelegung mit extrem schmutzigen und überfüllten Unterbringungseinrichtungen eingetreten waren, nämlich starke Einschränkung der Bewegungs- oder Kommunikationsmöglichkeiten über längere Zeit, äußerst schlechte hygienische bzw. sanitäre Verhältnisse, keinerlei separate Erholungs- oder Verpflegungsbereiche sowie Mangel an Licht und Belüftung (Kau in: Pabel/Schmahl; IntKommEMRK, Stand: März 2016, Art. 3 Rn. 89; Sinner in: Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 3 Rn. 28; jeweils m.w.N. aus der Rspr. des EGMR).
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Im Fall der Kläger als anerkannt Schutzberechtigte ist bei der Eingrenzung des Anwendungsbereichs von Art. 3 EMRK zu berücksichtigen, dass es hier nicht um deren Behandlung von staatlicherseits Untergebrachten durch den bulgarischen Staat geht. Daher stehen hier nicht staatliche Unterlassungspflichten aus Art. 3 EMRK in Rede, sondern ob sich die Lebensverhältnisse dieser Bevölkerungsgruppe anerkannt Schutzberechtigter in Bulgarien allgemein als unmenschlich und erniedrigend darstellen, also darum, ob der Staat – hier Bulgarien – gewisse Schutzpflichten verletzt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 13.05.2015 – 14 B 525/15.A -; OVG Magdeburg, Beschluss vom 31. August 2016 – 3 L 94/16 -, jeweils juris).Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die sich insoweit aus Art. 3 EMRK ergebenden staatlichen Gewährleistungspflichten im Einzelnen konkretisiert. Hiernach verpflichtet diese Vorschrift die Mitgliedstaaten nicht, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereiches mit einem Obdach zu versorgen oder sie finanziell zu unterstützen, um einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09 -; Beschluss vom 02.04.2013 - 27725/10 -; Urteil vom 30.06.2015 - 39350/13 -, jeweils juris). Im Bereich von medizinischer und sozialer Fürsorge kann es unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das Verbot, jemanden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu unterwerfen, von vorneherein nur um die Gewährleistung einer unabdingbaren Grundversorgung gehen. Dagegen würde etwa verstoßen, wenn Schutzstatusinhaber monatelang obdachlos und ohne Zugang zu jeder Versorgung wären. Durch Missstände im sozialen Bereich wird die Eingriffsschwelle von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 Grundrechtecharta mithin nur unter strengen Voraussetzungen überschritten.
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(b) Ausgehend von diesen Grundsätzen und Maßstäben ist das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass die Kläger aufgrund der allgemeinen Lebensbedingungen für anerkannt Schutzberechtigte in Bulgarien der konkreten Gefahr ausgesetzt würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Bulgarien eine menschenunwürdige Behandlung erfahren zu müssen.
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Die Wohnsituation für international Schutzberechtigte ist in Bulgarien inzwischen nicht mehr bedenklich. Auch nach Abschluss des Asylverfahrens besteht für sie vorübergehend die Möglichkeit, für einen Zeitraum von maximal sechs Monaten noch in den für die Aufnahme von Asylsuchenden gedachten Zentren zu verbleiben (UNHCR, Aktualisierte Antworten, Juni 2016; ProAsyl, Auskunft vom 17.06.2015 an das VG Köln). So wird toleriert, dass Personen, die einen Schutzstatus erhalten haben, noch in den Unterbringungseinrichtungen für Asylbewerber wohnen können (im Jahr 2015 befanden sich ca. 700 bzw. 850 Personen dieser Gruppe in den Unterkünften: UNHCR, Aktualisierte Antworten, Juni 2016; Council of Europe, Commissioner of Human Rights, Report 8.-11.02.2015, S. 28 f.; ProAsyl, Auskunft vom 17.06.2015 an das VG Köln). Zudem partizipieren Schutzberechtigte seit Mitte August 2015 für bis zu drei Monate an einer Kurzzeitunterbringung der lokalen Flüchtlingsbehörde, die durch europäische Mittel finanziert wird (vgl. Aida Country Report Bulgaria, Stand: Oktober 2015, S. 13).
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Die Kapazitäten in diesen Einrichtungen reichen auch aus, um nicht nur den im Anerkennungsverfahren befindlichen Ausländern eine Bleibe zu bieten, sondern vorübergehend denjenigen, denen ein Schutzstatus zugesprochen worden ist. Die ohnehin schon seit längerem verbesserte Lage durch einen starken Rückgang der Zahl von Asylsuchenden in Bulgarien hat sich in letzter Zeit noch weiter entspannt. Die Zahl von in Bulgarien neu angekommenen Antragstellern ist nach Absicherung der Grenze zur Türkei und das Abkommen mit der Türkei zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge weiter stark rückläufig (ProAsyl, Tätigkeitsbericht 2015/2016, S. 18 f.), sodass diese Unterkünfte gegenwärtig bei weitem unterbelegt sind und teils leer stehen. Bei einer nunmehrigen Kapazität von 5.130 Plätzen haben sich im Dezember 2015 nur noch 612 Personen in den sechs Zentren aufgehalten. So lag 2014 die Belegungsquote noch bei 80 % (vgl. UNHCR, Bericht vom April 2014) und im Dezember 2015 schon unter 15 % (vgl. Auskunft Auswärtiges Amt vom 27.01.2016 an das VG Aachen; OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.03.2016 – 3 L 47/16 -, juris). Mitte 2016 befanden sich in Bulgariens größtem Flüchtlingscamp „Harmanli“ ca. 120 Ausländer, um die sich rund 100 Sozialarbeiter kümmerten (Deutschlandradio, Flüchtlinge – Keine Zukunft in Bulgarien, 01.06.2016).
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Die Kapazitäten in diesen Unterkünften werden auch durch Rückführungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten nicht sonderlich beansprucht. Insgesamt wurden im Jahr 2014 aus allen europäischen Ländern zusammen 174 Ausländer zurückgeschoben, in den ersten acht Monaten des Jahres 2015 waren es 212 (Fiedler, Die Situation für Flüchtende in Bulgarien, Juli 2015, S. 1 m.w.N.). Bei 4.221 von Deutschland an Bulgarien gerichteten Übernahmeersuchen in der Zeit von Januar bis September 2016 erfolgten nur 74 Überstellungen zurück in dieses Land (DIE WELT Kompakt, 21.10.2016, S. 4), im Jahr zuvor wurden nach 2.910 Übernahmeersuchen von Deutschland insgesamt nur 21 Ausländer nach Bulgarien zurückgeführt (BT-Drucksache 18/5758, S. 24 f.). Vor diesem Hintergrund fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass den Klägern im Falle ihrer Rückführung nach Bulgarien die zeitweise Aufnahme in einer dieser Unterkünfte tatsächlich verwehrt sein könnte und sie infolgedessen bei einer Rückkehr nach Bulgarien unmittelbar von existenzbedrohlicher Obdachlosigkeit betroffen sein könnten, die die bulgarischen Behörden gleichgültig sehenden Auges in Kauf nehmen, obwohl ihnen viele freie Plätze in diesen Einrichtungen zur Verfügung stehen.
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Die Beschaffenheit und Betreuung der Aufnahmezentren hat sich immer weiter verbessert und ist aktuell als akzeptabel zu bewerten (Auskunft Auswärtiges Amt vom 27.01.2016 an das VG Aachen; VG Düsseldorf, Urteil vom 23.09.2016 – 12 K 7819/16.A -, juris). Die Europäische Union hat beträchtliche zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, um umfassende Renovierungsarbeiten in allen Flüchtlingszentren zu Ende zu bringen und die Öffnung weiterer Flüchtlingsaufnahmen ist geplant (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen vom 27.01.2016, S. 3 f.). UNHCR kontrolliert in den Einrichtungen regelmäßig den Schutz vor Ort und das Angebot an sozialen Dienstleistungen (UNHCR, Aktualisierung Juni 2016).
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Für die Beurteilung der Wohnsituation anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien ist von zentraler Bedeutung, dass dieses Land von schutzsuchenden Ausländern verbreitet nur als „Transitland“ genutzt wird, um in wohlhabendere und aufnahmewillige EU-Mitgliedsländer weiter zu wandern (ProAsyl, Tätigkeitsbericht 2015/2016, S. 18 f.). So hatten Mitte 2015 nur ca. 700 anerkannte Schutzberechtigte ernstzunehmende Pläne, dauerhaft in Bulgarien zu verbleiben. Die Übergangzeit in den Unterbringungseinrichtungen müssen die Betroffenen dafür nutzen, sich auf dem freien Wohnungsmarkt eine Bleibe zu suchen. Auch wenn die Kläger vorbringen in Bulgarien bereits eine Wohnung zur Verfügung gehabt zu haben, erscheint es nach der Auskunftslage generell schwierig, als Flüchtling in Bulgarien eine Wohnung zu finden, selbst wenn ein Schutzstatus gewährt worden ist. Unterstützung bei der Wohnraumsuche erhält nur ein geringer Teil von ihnen, was aber – wie ausgeführt – kein Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellt (OVG Magdeburg, Beschluss vom 31.08.2016 – 3 L 94/16 -, juris). Konkrete Informationen darüber, dass Personen mit der Zuerkennung des Schutzstatus in Bulgarien obdachlos geworden sind und ohne Bleibe gleichsam „auf der Straße landen“, liegen nicht vor. Statistische Angaben sind nicht vorhanden und auch in den Medien wird nicht von einer in Bulgarien herrschenden Obdachlosigkeit berichtet, die vornehmlich Flüchtlinge betrifft. Nachrichten darüber, dass sie von Obdachlosigkeit im Anschluss an ihre vorübergehende weitere Unterbringung in den Einrichtungen für Asylsuchende betroffen wären, liegen ebenfalls nicht vor. In den ausgewerteten Erkenntnisquellen finden sich lediglich abstrakte Ausführungen darüber, dass Schutzberechtigte auf dem Wohnungsmarkt aufgrund der Voreingenommenheit der Bevölkerung nur geringe Chancen hätten bzw. dass ihre Situation durch das Verlangen horrender Mieten ausgenutzt werde. Dass solche Erschwernisse bei der Wohnungssuche dazu führen, dass Schutzstatusinhaber zwangsläufig in eine ausweglose Lage geraten, ist nicht ersichtlich. Dies verdeutlicht schon die tatsächlich stattgefundene Anmietung einer Wohnung in Bulgarien durch die Kläger vor ihrer Weiterwanderung nach Deutschland. Der Wohnungsmarkt in Bulgarien wird durch die relativ geringe Zahl der in Bulgarien tatsächlich verbleibenden Schutzberechtigten nicht überfordert und führt keineswegs zu einer relevanten Verknappung geeigneten und finanzierbaren Wohnraums in Bulgarien. Kann der Wohnungsmarkt diese Bevölkerungsgruppe ohne weiteres absorbieren, kann nicht angenommen werden, dass es den Klägern unmöglich ist, bei ihrer Rückkehr nach Bulgarien wieder eine Unterkunft – zumindest im Sinne eines Obdaches mit Schlafgelegenheit - zu finden.
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Nach der Auskunftslage sprechen auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass es den Klägern nach ihrer Rückkehr nach Bulgarien an einer existenziell notwendigen Versorgung mangeln wird. Zwar ist zu berücksichtigen, dass anerkannt Schutzberechtigten der Zugang zum Arbeitsmarkt in Bulgarien erschwert ist, weil ihnen aufgrund der Sprachbarrieren und der Anerkennungshindernisse ausländischer Abschlüsse lediglich unter dem bulgarischen Lohnniveau liegende Beschäftigungen angeboten werden und sie hierbei zudem in Konkurrenz zu der Gruppe der Roma stehen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.07.2015 an das VG Stuttgart; ProAsyl, Stellungnahme vom 17.06.2015 an das VG Köln). Dies rechtfertigt aber nicht den Schluss, sie seien einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt (VG Düsseldorf, Urteile vom 06.04.2016 – 13 K 4468/15.A – und vom 14.11.2016 – 12 K 5984/16.A; vgl. OVG Münster, Urteil vom 19.05.2016 – 13 A 1490/13.A -, jeweils juris), zumal auch darüber berichtet wird, dass es für anerkannt Schutzberechtigte, vor allem mit einer guten Ausbildung, in Bulgarien leichter einen Arbeitsplatz finden und sich eine Existenz aufbauen können, als in Deutschland (zdf - heute in Europa vom 14.09.2016, Umzug von Deutschland nach Bulgarien, www.zdf.de/nachrichten/heute-in-europa/heute-in-europa-vom- 14-09-2016-104.html). Die erwachsenen Kläger zu 1. und 2. werden aufgrund ihres Leistungsvermögens und ihrer Flexibilität, die sie bei ihrer Reise und ihrem bisherigen Aufenthalt im Ausland gezeigt haben, auch angesichts der beschriebenen Widrigkeiten in der Lage sein, durch Aufnahme von (Gelegenheits-)Arbeiten in einem das Existenzminimum sichernden Maße (jedenfalls geringfügige) Einkünfte erzielen können, wenn sie ihre Arbeitskraft - was von ihnen zu erwarten ist – auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen. Den Klägerin ist zuzumuten, sich diesem sicher nicht leichten Integrationsprozess in Bulgarien zu stellen (OVG Magdeburg, Beschluss vom 31.08.2016 – 3 L 94/16 -, juris).
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Bei der Einschätzung, ob Ausländer nach ihrer Ankerkennung als international Schutzberechtigte ein existenzsicherndes Arbeitseinkommen erlangen können, ist zu berücksichtigen, dass nach nahezu allen Berichten und auch nach der Erfahrung des Gerichts die in Bulgarien Schutzberechtigten kaum jemals versucht haben, sich unter den dortigen bescheidenen Möglichkeiten eine Existenz aufzubauen. Soweit in den Berichten – wie ausgeführt - von erheblichen Hürden für schutzberechtigte Ausländer beim Zugang zum Arbeitsmarkt die Rede ist, sind diese Angaben eher theoretischer Art, ohne dass sie in relevanter Zahl auf gescheiterte Versuche von Ausländern zurückgehen, die mit gehörigem Einsatz in Bulgarien hatten Fuß fassen wollen. Es ist auch keine offizielle Statistik bzw. kein offizielles Wissen zum Anteil oder zur Anzahl von Flüchtlingen, die in Bulgarien unter dem Existenzminimum leben, verfügbar (Dr. Ilareva, Auskunft vom 27.08.2015 an den VGH Baden-Württemberg).
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Eine Sicherung des Existenzminimums durch Erwerbstätigkeit dürften allerdings nur Personen erreichen können, die die Fähigkeiten und die Konstitution für ein „Sich-Durchschlagen-Können“ mitbringen. Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland verfügt Bulgarien nämlich über kein ausdifferenziertes Sozialsystem, sondern ist durch eigenverantwortliches Verhalten geprägt. Dementsprechend muss der jeweilige Schutzberechtigte grundsätzlich in der Lage sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen, was bei den Klägern allerdings keineswegs in Frage steht. Bei alleinstehenden Flüchtlingen, die dies - wegen ihres hohen oder geringen Alters, gravierender körperlicher oder geistiger Defizite oder anderer schwerwiegender individueller Einschränkungen - nicht zu leisten vermögen und denen die Verhältnisse in Bulgarien noch weitgehend fremd sind, besteht durchaus die Möglichkeit, dass sie bei einer Rückführung in existenzielle Nöte geraten, wenn sie keine anderweitige Unterstützung - etwa durch Verwandte oder Freunde im In- oder Ausland oder durch in Bulgarien ansässige Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz – erfahren.
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Insoweit verspricht das Unionsrecht den betroffenen Schutzstatusinhabern lediglich eine Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26. 27, 28 Abs. 1, 29, 30 RL 2011/95/EU - QRL) oder eine Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. etwa Art 32 und 33 QRL), sodass sie nur an den schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen weiter Teile der bulgarischen Bevölkerung teilhaben. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass nach den allgemein zugänglichen Daten des Statistischen Bundesamts das Bruttoprokopfeinkommen Bulgariens im Jahre 2013 7030 USD betrug, damit noch erheblich unter dem von Rumänien (9060 USD) lag und etwa dem Niveau Südafrikas (7190 USD) entsprach. Nach den verwerteten Angaben von Eurostat (vgl. Pressemitteilung Nr. 184/2013 vom 05.12.2003) belief sich im Jahre 2012 der Anteil der Bevölkerung Bulgariens, der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen bzw. bedroht ist, auf 49 % (Rumänien 42 %; Niederlande und Tschechische Republik 15 %). Die rechtliche Gleichbehandlung ist aber weitgehend hergestellt. So erhalten Flüchtlinge ebenso wie bedürftige bulgarische Staatsangehörige gleichermaßen Leistungen in Höhe von 33 € monatlich (Dr. Ilareva, Bericht vom 27.08.2015 an den VGH Baden-Württemberg; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23.07.2015 an das VG Stuttgart; VGH Mannheim, Urteil vom 18.03.2015 – A 11 S 2042/14 - juris). Zudem ist der tatsächliche Zugang zu Sozialhilfeleistungen nach der Auskunftslage häufig problematisch. Zu den administrativen Hürden treten regelmäßig eine nicht durch Dolmetscher kompensierte Sprachbarriere und wohl auch eine oftmals auftretende ablehnende Haltung gegenüber Flüchtlingen hinzu. Erschwernisse bei der Verwirklichung der - nach der nationalen Gesetzeslage bestehenden - Ansprüche auf staatliche Unterstützungsleistungen, die international Schutzberechtigte oft gegenüberstehen, erscheinen allerdings zumeist überwindbar. So kann der erforderliche Nachweis für eine Unterkunft – falls diese nicht vorhanden ist – etwa durch eine „gekaufte“ Adresse erreicht werden (Ilareva, Bericht vom August 2015 an den VGH Baden-Württemberg). Zudem können Schwierigkeiten auch durch Hilfe aus der Zivilgesellschaft, Unterstützung durch andere Flüchtlinge oder mithilfe von Sozialarbeitern und Mitarbeitern von Flüchtlingsorganisationen bzw. caritativen Einrichtungen bewältigt werden. So gibt es in Bulgarien – wenn auch nur wenige und nicht dauernd gewährleistete - kostenlose Angebote zur unabhängigen Beratung und Unterstützung von Flüchtlingen u.a. auch in juristischen Fragen (Fiedler, Die Situation für Flüchtende in Bulgarien, Juli 2016, S. 15).
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Dem Gericht stellt sich nach Auswertung der Erkenntnisquellen die Lebenssituation für anerkannt Schutzberechtigte in Bulgarien im Ergebnis zwar allgemein als deutlich schlechter und belastender als in Deutschland dar. Dies rechtfertigt aber nicht die generelle Annahme, Bulgarien verstoße trotz inzwischen jahrelanger Mitgliedschaft in der Europäischen Union, Einbindung in deren Institutionen und finanzieller Unterstützung gerade auch in diesem Bereich gegen Art. 3 EMRK. Dafür spricht aktuell, dass Bulgarien nicht mehr von der Massenfluchtbewegung wie noch im Jahr 2013 betroffen ist, die den UNHCR im Januar 2014 wegen einer Überforderung Bulgariens mit der Bewältigung diese Zustroms Asylsuchender veranlasst hatte, andere EU-Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, einstweilen von Überstellungen von weitergereisten Ausländern zurück nach Bulgarien abzusehen (UNHCR, Bulgaria as a Country of Asylum, 2. Januar 2014; vgl. auch amnesty international, Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien sind weiter Auszusetzen, März 2014).
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(c) Das bulgarische Recht sieht zudem Rechtsschutzmöglichkeiten vor (vgl. Auskunft von Dr. Valeria Ilareva vom 27.08.2015 an den VGH Mannheim), deren Nutzung den Betroffenen zur Abwehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Versorgungssituation auch zumutbar ist. Sie sind darauf zu verweisen, ihre Rechte gegebenenfalls mithilfe eines bulgarischen Rechtsbeistandes oder der Unterstützung der in Bulgarien tätigen Flüchtlingsorganisationen durchzusetzen – auch vor Gerichten (VG Düsseldorf, Urteil vom 14.11.2016 – 12 K 5984716.A -, juris). Wenngleich dies für die betreffenden Ausländer in Deutschland einfacher und bequemer als in Bulgarien sein dürfte, obliegt es ihnen, bei den zuständigen bulgarischen Behörden ihre Rechte geltend zu machen und nötigenfalls – mit Hilfe von Beratungsstellen für Flüchtlinge – auf dem Rechtsweg durchzusetzen, bevor sie unverrichtet in einen anderen EU-Mitgliedstaat weiterreisen, um dort die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen aus Art. 3 EMRK einzufordern (Bundesverwaltungsgericht Schweiz, Urteil vom 04.02.2016 – Abteilung IV D 422/2016 -; www.bvger.ch).
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bb) Gründe für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind nicht dargetan und auch nicht ersichtlich. Es bestehen keine Anzeichen dafür, dass für einen der Kläger bei seiner Abschiebung nach Bulgarien dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben bestehen würde. Insbesondere liegt keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung vor, die sich durch die Abschiebung verschlechtern würde.
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b) Die vom Gesetzgeber nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG n.F. geforderte Feststellung eines Ausspruchs zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegt hier aufgrund des Erlasses des Bescheides vor der ergangenen Gesetzesänderung explizit nicht vor. Von dieser Feststellung konnte auch nicht nach § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG n.F. abgesehen werden, denn die Kläger wurden von der Beklagten weder als Asylberechtigte noch als international Schutzberechtigte anerkannt.
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Die im zu überprüfenden Bescheid fehlende Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG schadet hier aber nicht und führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung (VG Schwerin, Urteil vom 02.06.2016 - 16 A 1757/15 AS SN -; a.A.: OVG Saarlouis, Urteil vom 25.10.2016 - 2 A 96/16 -, jeweils juris). Denn die Verwaltungsgerichte sind gehalten, die für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen Voraussetzungen in eigener Verantwortung festzustellen, die Streitsache vollen Umfangs spruchreif zu machen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.02.1998 – 9 C 28/97 – und Beschluss vom 08.12.2000 - 9 B 426/00 -, jeweils juris). Auch beim Fehlen der Feststellung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG n.F. ist daher die Abschiebungsandrohung nicht aufzuheben. Dies wäre nur dann geboten, wenn es auf die Sachkunde der Beklagten ankommen würde, weil diese zum Beispiel mit der Sache noch nicht befasst gewesen war und somit entsprechend Gelegenheit haben muss, eine nach Aufklärung des Sachverhaltes abschließende und der gerichtlichen Kontrolle unterliegende Sachentscheidung zu treffen. Die Beklagte war indes mit der Frage des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bereits befasst. Schon vor Einführung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG in der neuen Fassung bestand die Verpflichtung der Beklagten, im Hinblick auf den Wortlaut des § 34a AsylG a.F., nach dem das Bundesamt die Abschiebung anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann, zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote und zusätzlich auch Duldungsgründe inzident zu prüfen (Pietzsch in: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 2016, § 34a AsylG Rn. 14 ff.), selbst wenn hierzu im Tenor noch keine gesonderten Feststellungen zu treffen waren. Der Erlass der Abschiebungsanordnung durch die Beklagte und der späteren Ersetzung durch eine Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG, bei deren Erlass ebenfalls gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 1. Alt. AsylG zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG auszuschließen waren, ist somit als Ergebnis der Befassung der Beklagten mit dem (Nicht-) Vorliegen dieser Abschiebungsverbote zu betrachten. Für eine (nochmalige) Prüfung der Abschiebungsverbote durch sie im Rahmen einer Zurückweisung besteht demnach kein Anlass und wäre bloße Förmelei.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 83b AsylG sowie aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 159 S. 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben von Libyen aus nach Italien ein und gelangte von dort kommend mit dem Zug über Frankreich nach Deutschland. Am 11. Juni 2014 beantragte er in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Nach der Auskunft aus der Eurodac-Datenbank vom 22. Juli 2014 hatte der Kläger am 03. Mai 2014 bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Das Bundesamt richtete daraufhin am 11. August 2014 ein Wiederaufnahmegesuch an die italienischen Behörden. Eine Antwort hierauf erfolgte nicht.
3Mit Bescheid vom 28. November 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziff. 1) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Ziff. 2). Der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG (nunmehr AsylG) unzulässig, da Italien auf Grund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b) Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei.
4Am 5. Januar 2015 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben. Den zeitgleich gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 18. März 2015 abgelehnt (8 L 11/15.A).
5Zur Klagebegründung hat der Kläger ausgeführt: Die Beklagte sei zur Prüfung des Asylbegehrens zuständig. In Italien lägen systemische Mängel des Asylsystems und des Aufnahmeverfahrens vor. Ferner sei die Frist von 6 Monaten gemäß Art. 29 Dublin III-VO abgelaufen.
6Der Kläger hat beantragt,
7den Bescheid des Bundesamts vom 28. November 2014 aufzuheben,
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung hat sie auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes verwiesen.
11Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 25. Juni 2015 den Bescheid des Bundesamtes aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. AsylVfG - jetzt AsylG - ) wegen des Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-Verordnung rechtswidrig. Das (erfolglose) gerichtliche Eilverfahren habe nicht zu einer Unterbrechung der Frist geführt. Ob eine Hemmung während der Anhängigkeit des Eilverfahrens anzunehmen sei, könne dahinstehen, da selbst in diesem Falle die Frist zwischenzeitlich verstrichen sei. Unerheblich sei ferner, ob dem Kläger ein Berufen auf einen Ablauf der Überstellungsfrist möglich sei, denn er könne jedenfalls geltend machen, dass nicht im Sinne des § 34 a AsylVfG (jetzt AsylG) feststehe, dass eine Abschiebung durchgeführt werden könne. Dies gelte auch dann, wenn der Abschiebung entgegenstehe, dass die Wiederaufnahmebereitschaft des Zielstaates nicht feststehe.
12Mit Beschluss vom 8. September 2015 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Beklagten zugelassen.
13Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, bei den Regelungen der Dublin-III-VO handele es sich um objektive Zuständigkeitsvorschriften. Sie würden keine subjektiven Rechte für die Asylbewerber begründen. Damit könnten sich Asylbewerber nicht mit Erfolg auf einen Zuständigkeitsübergang infolge Fristablaufs berufen.
14Die Beklagte beantragt,
15das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. Juni 2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.
16Der Kläger beantragt sinngemäß,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Zur Begründung trägt der Kläger vor, die sechsmonatige Überstellungsfrist sei abgelaufen. Sie habe bereits mit Ablauf der Fiktionsfrist des Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO zu laufen begonnen. Er könne sich auf den Fristablauf berufen, da die Regelungen der Dublin-Verordnungen den Asylbewerbern auch subjektive Rechte verliehen. Ferner stehe nicht im Sinne des § 34 a Abs. 2 AsylG fest, dass eine Abschiebung durchgeführt werden könne. Der Kläger habe daher aus materiellem Recht einen Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens.
19Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin erklärt.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des Eilverfahrens (8 L 11/15.A) sowie des Verwaltungsvorgangs des Bundesamts Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Über die Berufung entscheidet im Einverständnis der Beteiligten die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 87a Abs. 2 und Abs. 3, 101 Abs. 2 VwGO).
23Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Bundesamtes zu Recht aufgehoben. Die Klage ist zulässig und begründet.
24A. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig und zwar nicht nur hinsichtlich der Abschiebungsanordnung sondern auch hinsichtlich der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit. Die Erhebung einer auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO wäre unzulässig, weil die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (im Folgenden Dublin III-VO) ebenso wie schon die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (im Folgenden Dublin II-VO) ein von der materiellen Prüfung eines Asylantrags gesondertes behördliches Verfahren für die Bestimmung des hierfür zuständigen Staats vorsieht (Art. 2 lit. d) Dublin III-VO). Diese Trennung der Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung und zur materiellen Prüfung darf nicht dadurch umgangen werden, dass das VG im Falle der Aufhebung der Zuständigkeitsentscheidung gleich über die Begründetheit des Asylantrags entscheidet. Insbesondere muss die zuständige Behörde bei einer vom Gericht für fehlerhaft erachteten Verpflichtung die Möglichkeit erhalten, einen anderen Mitglied- oder Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist, um die Aufnahme oder Wiederaufnahme des Asylantragstellers zu ersuchen.
25Vgl. zur Dublin-II-VO bereits eingehend: BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 -, juris, Rn. 13 ff., sowie Beschluss vom 12. Januar 2016 - 1 B 64.15 -, juris, Rn. 2; OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 - 13 A 2159/14.A -, juris, Rn. 18 ff. und - 13 A 800/14.A ‑, juris, Rn. 22 ff., jeweils m. w. N.
26B. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 28. November 2014 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
27I. Ziffer 1 des Bescheids ist rechtswidrig, weil der Asylantrag im Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblich ist, nicht gemäß § 27a AsylG unzulässig ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Hier ist aber entgegen der Auffassung des Bundesamts nach der Dublin III-VO nicht Italien, sondern Deutschland für die sachliche Prüfung und Entscheidung des Asylantrags zuständig (1.). Darauf kann sich der Kläger auch berufen (2.).
281. Die Zuständigkeit Deutschlands ergibt sich aus der Dublin III-VO. Diese ist anwendbar, weil der Kläger seinen Asylantrag nach dem 1. Januar 2014 gestellt hat, vgl. Art. 49 Dublin III-VO.
29Die zunächst bestehende Zuständigkeit Italiens (a.) ist wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf Deutschland übergegangen (b.).
30a. Der zuständige Mitgliedstaat bestimmt sich auf der Grundlage der in der Dublin III-VO festgelegten Kriterien, zunächst nach dem Kapitel III. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO war ursprünglich Italien zuständig. Danach gilt: Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Hier erfolgte der erstmalige illegale Grenzübertritt zu einem EU-Mitgliedstaat unstreitig in Italien. Dort hat der Kläger auch innerhalb der Frist des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Aufgrund der Erkenntnisse aus der Eurodac-Datenbank hat der Kläger am 3. Mai 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Italien gestellt.
31b. Die Zuständigkeit ist aber gemäß Art. 29 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO auf die Beklagte übergegangen. Danach geht - bis auf hier ersichtlich nicht vorliegende Ausnahmefälle - die Zuständigkeit über, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Fristbeginn ist die Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder die endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat.
32Die Annahme des Wiederaufnahmegesuchs erfolgte vorliegend - da Italien darauf nicht reagierte und der Antrag sich auf Angaben aus dem Eurodac-System stützte - mit dem Ablauf der Fiktionsfrist von zwei Wochen nach Zugang des Wiederaufnahmegesuchs (11. August 2014), vgl. Art. 25 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Dublin III-VO, so dass Fristbeginn der 26. August 2014 ist. Die sechsmonatige Überstellungsfrist endete damit grundsätzlich am 25. Februar 2015. Hier hat der Kläger aber neben dem Klageverfahren ein (erfolgloses) Eilverfahren betrieben. Welche Auswirkung das erfolglose Eilverfahren mit Blick auf die Regelung Art. 27 Abs. 3 lit. c) Satz 2 Dublin III-VO, wonach die Überstellung während des Aussetzungsverfahrens nicht zulässig ist, auf die Überstellungsfrist hat, kann hier jedoch dahinstehen. Die Überstellungsfrist wäre nämlich sowohl bei der Annahme, dass der Zeitraum des erfolglosen Eilverfahrens im Sinne einer Hemmung in die Überstellungsfrist nicht eingerechnet wird -
33vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. November 2015 ‑ 13 A1692/15.A -, juris, Rn. 3 und vom 3. November 2015 – 13 A 2255/15.A –, juris, Rn. 21; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29. April 2015 – A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 28, und vom 27. August 2014 – A 11 S 1285/14 -, juris, Rn. 36 ff.; Funke–Kaiser, in GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27 a Rn. 228.2 -
34als auch bei der darüber hinausgehenden Auffassung, die Frist beginne mit der Zustellung des (ablehnenden) Beschlusses – nach § 80 Abs. 5 VwGO erneut zu laufen,
35vgl. Sächs.OVG, Beschluss vom 5. Oktober 2015 – 5 B 259/15.A –, juris, Rn. 10,
36bereits verstrichen. Der ablehnende Beschluss datiert vom 18. März 2015. Ein Zustellnachweis befindet sich zwar nicht in den Akten. Es ist aber davon auszugehen, dass der Beschluss den Beteiligten zeitnah zugegangen ist, so dass selbst bei der Annahme einer Fristunterbrechung ein Fristablauf spätestens Ende September 2015 eingetreten ist.
372. Der Kläger kann sich auf die Zuständigkeit der Beklagten auch berufen.
38Die Fristregelungen der Dublin III-VO begründen zwar ebenso wie diejenigen der Dublin II-VO für sich genommen keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers (a.). Der Kläger hat aber aus dem materiellen Asylrecht einen Anspruch darauf, dass die nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO zuständige Bundesrepublik Deutschland das Asylverfahren durchführt (b.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn feststeht, dass der andere Mitgliedstaat den Asylbewerber aufnehmen und das Asylverfahren durchführen wird; das ist hier aber nicht der Fall (c.). Die Berufung auf die Zuständigkeit Deutschlands ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer freiwilligen Ausreisemöglichkeit ausgeschlossen (d.).
39a. Wie bereits bei den entsprechenden Regelungen der Dublin II-VO, begründen die Vorschriften über die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO, und die an ihren Ablauf geknüpfte Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs, Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO, ebenso wie Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO, Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO und die sonstigen Fristregelungen keine einklagbaren subjektiven Rechte der Antragsteller/Asylbewerber.
40Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 60 (für Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO); BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 32.14 -, juris, Rn. 17 ff.; Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14 u. a. -, juris, Rn. 4 (für Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO); vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, juris, Rn. 6, vom 21. Mai 2014 - 10 B 31.14 -, juris, Rn. 4 (für Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO), vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 12 (für Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO), und vom 19. März 2014 ‑ 10 B 6.14 -, juris, Rn. 7; OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 – 13 A 800/15.A -, juris, Rn. 79, - 13 A 2159/14.A ‑, juris, Rn. 68; Beschluss vom 2. Juni 2015 ‑ 14 A 1140/14.A -, juris, Rn. 5 ff. (für Art. 16 Abs. 3 Dublin II-VO); Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 37; Hess. VGH, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -, InfAuslR 2014, 457 -, juris, Rn. 15; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris, Rn. 33; Bergmann, ZAR 2015, 81 (84); Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 196.1 (für die Aufnahmeersuchensfrist) und Rn. 234 (für die Überstellungsfrist); Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 65 (allg. für Fristen); a. A. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 46 f. (für Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO); OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015, – 13 A 2159/14.A -, juris, Rn. 68 und - 13 A 800/14.A -, juris, Rn. 79 ; VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris, Rn. 47 ff.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12. August 2015 ‑ 18a L 1441/15.A -, juris, Rn. 19 ff. (für Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO).
41Der Antragsteller mit dem auf Zuerkennung internationalen Schutzes gerichteten Antrag hat kein umfassendes subjektiv-öffentliches Recht auf eine Überprüfung, ob der zur Aufnahme bereite Mitgliedstaat tatsächlich nach objektivem Recht der nach dem Zuständigkeitsregime der Dublin III-VO auch zuständige Mitgliedstaat ist oder ob nicht zwischenzeitlich ein anderer Mitgliedstaat zuständig geworden ist.
42Vgl. zur Dublin II-VO: Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3; Nds.OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 37.
43Die Normen der Dublin III-VO gelten zwar ebenso wie die der Dublin II-VO zwar allgemein (vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV). Die unmittelbare Wirkung des Rechtsakts bedeutet aber nicht automatisch, dass den Asylbewerbern ein subjektives Recht auf Einhaltung und Beachtung der zuständigkeitsbegründenden Vorschriften eingeräumt wäre. Aus der gewählten Handlungsform folgt allein die Möglichkeit einer Individualberechtigung.
44Vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 40; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 91.
45Die Dublin III-VO regelt nach ihrem Inhalt und Zweck die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und ordnet damit ihr Zusammenwirken bei der Gewährung von Asyl in der Europäischen Union. Das Dublin-System soll die Behandlung von Asylanträgen bzw. Anträgen auf internationalen Schutz rationalisieren, das „forum shopping“ verhindern und eine Lastenverteilung unter den Mitgliedstaaten bewirken. Wie aus den Erwägungsgründen 4 und 5 der Dublin III-VO hervorgeht, soll - ebenso wie bei der Dublin II-VO (hier Erwägungsgründe 3 und 4) - eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung des Antrag auf internationalen Schutz/ Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden.
46Vgl. zur Dublin II-VO EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 59, vom 6. November 2012 - Rs. C-245/11 -, juris, Rn. 49, und vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 u. a. (N.S.) -, juris, Rn. 79, 84; EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 34 ff.; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 = juris, Rn. 5.
47Der Beschleunigungszweck liegt zwar nicht nur im Interesse der teilnehmenden Staaten, sondern auch im Interesse der Antragsteller/Asylbewerber.
48Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 53, und vom 21. Dezem-ber 2011 - Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn.79.
49Sie haben aber grundsätzlich keinen Anspruch auf Prüfung ihres Antrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat. Das unionsrechtlich geregelte System der Zuständigkeitsverteilung für die Entscheidung über Anträge auf internationalen Schutz/über Asylanträge beruht auf der Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen. Ist ein anderer Mitgliedstaat aufnahmebereit, kann der Antragsteller/Asylbewerber seiner Überstellung nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Verfahrens auf Zuerkennung internationalen Schutzes bzw. des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Antragsteller/Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden.
50Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 60 und 62; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 7, vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 ‑, juris, Rn. 6, und vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14 u.a. -, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2015 - 14 A 1140/14.A -, juris, Rn. 6 ff.
51Die zwischenstaatliche Konzeption des Zuständigkeitssystems schließt es zwar nicht aus, dass einzelne Vorschriften der Verordnung subjektive Rechte beinhalten.
52Vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 40 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 63 ff.
53Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen gilt dies aber nicht für Art. 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO. Ebenso wie bei den entsprechenden Vorschriften der Dublin II-VO rechtfertigt allein der Beschleunigungszweck– auch unter Berücksichtigung des Rechts auf eine gute Verwaltung aus Art. 41 GR-Charta - nicht die Annahme, diese Vorschriften seien derart grundrechtlich aufgeladen, dass sie im objektiv-rechtlichen Dublin-System dazu bestimmt sind, die Rechte Einzelner zu schützen.
54Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. September 2015 - 13 A 800/15.A -, juris, Rn. 81 (Dublin II-VO).
55b. Der Kläger hat aber aus den materiell-rechtlichen Asylbestimmungen einen Anspruch darauf, dass die unionsrechtlich zuständige Beklagte seinen Antrag auf Zuerkennung internationalen Schutzes/seinen Asylantrag prüft.
56aa. Der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ergibt sich aus dem materiellen Recht, das Ausländern einen Anspruch auf Asyl (Art. 16a Abs. 1 GG), Flüchtlingsschutz (§ 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 Abs. 1 AsylG), subsidiären Schutz (§ 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 AsylG) sowie nationalen Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) gewährt. Der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens ist notwendiger Bestandteil des materiellen Asylanspruchs. Wird die Beklagte wegen Ablaufs der Überstellungsfrist zuständig zur Prüfung des Antrags, muss sie das Asylverfahren aufnehmen.
57Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 ‑ 13 A 800/15.A -, juris, Rn. 83; - 13 A 2159/14.A -, juris, Rn. 83.
58Der sachliche Prüfungsanspruch folgt zunächst unmittelbar aus dem Grundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG. Die - möglicherweise bestehende - Asylberechtigung löst eine Pflicht der zuständigen deutschen Behörden aus, den Antrag zu überprüfen.
59Vgl. Becker, in: Mangold/Klein/Starck, GG, 6. Auflage 2010, Art. 16a, Rn. 27.
60Um die Inanspruchnahme des Grundrechts zu ermöglichen, muss sich der Asylbewerber auf dieses Recht berufen, also eine Prüfung in der Sache verlangen können. Dem steht auch Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nicht entgegen. Danach kann sich auf Absatz 1 nicht berufen, wer - wie der Kläger - aus einem EU-Mitgliedstaat oder einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Der Kläger ist hier von Italien kommend nach Deutschland eingereist. Die Vorwirkungen des Art. 16a Abs. 1 GG sind aber nicht davon abhängig, dass ein Asylanspruch besteht. Das Recht, dass der Asylantrag geprüft wird, besteht unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der Schutzgewährung. Im Übrigen gilt: Ist Deutschland unionsrechtlich zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens, darf dies nicht durch einen grundgesetzlich angeordneten Ausschlussgrund im Sinne einer abdrängenden, negativen Zuständigkeitsbestimmung ausgehöhlt werden. Dementsprechend bestimmt § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG, dass der Schutzbereichsausschluss nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG dann nicht gilt, wenn die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der EU für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Ob - und inwieweit - Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG deshalb oder wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts oder nach Art. 16a Abs. 5 GG unanwendbar ist, kann hier offen bleiben.
61Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 – 13 A 800/15.A -, juris, Rn. 87; - 13 A 2159/14.A, juris, Rn. 87 sowie zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 27. April 2015 - 9 A 1380/12.A -, juris; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 226 ff. m. w. N.; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 8 f.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, BVerwGE 140, 114, Rn. 33.
62Darüber hinaus gilt: Verleiht das einfache materielle Recht in Deutschland - hier: das Aufenthalts- und das Asylverfahrensgesetz - eine subjektiv-öffentliche Anspruchsberechtigung, so besteht für jeden potentiell Berechtigten zugleich ein Anspruch auf das Handeln der zuständigen Behörde. Die Zuständigkeit ist eine zwingende Voraussetzung der Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit des Handelns einer Behörde und Anspruchsvoraussetzung für antragsgemäßes Verwaltungshandeln.
63Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 – 13 A 800/15.A, 13 A13 A 2159/14.A ‑, juris, Rn. 89 unter Bezugnahme auf OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 - 14 A 1943/11. A -, juris, Rn. 24.
64Ist der Antrag zulässig und die Behörde zuständig, muss diese über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts sachlich entscheiden (s. auch § 75 VwGO).
65Dieser Prüfungsanspruch gilt auch für den Asylantrag, der nach § 13 AsylG nicht nur die Anerkennung als Asylberechtigter, sondern auch die Zuerkennung internationalen Schutzes beinhaltet. Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Prüfung des Schutzgesuchs durch die Beklagte liegt nicht nur den Regelungen zum Asylantrag in §§ 13, 14 AsylG zugrunde, sondern auch § 24 AsylG, der im Einzelnen die Pflichten des Bundesamts im Asylverfahren bestimmt, und § 31 AsylG, der die Entscheidung des Bundesamts über Asylanträge regelt. Die Prüfung der Schutzgesuche darf nach §§ 27a, 34a AsylG nur abgelehnt werden, wenn ein anderer Staat nach Unions- oder Völkerrecht zuständig ist.
66Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 – 13 A 800/15.A -, 13 A13 A 2159/14.A, juris, Rn. 92; VG Düsseldorf, Urteile vom 23. März 2015 ‑ 22 K 4141/14.A -, InfAuslR 2015, 154 = juris, Rn. 35, und vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris, Rn. 27, 43.
67Diese Vorschriften setzen damit einen Anspruch auf Entscheidung durch das Bundesamt im Falle seiner Zuständigkeit voraus. Ergeht eine Entscheidung über den Asylantrag nicht innerhalb von sechs Monaten, hat das Bundesamt dem Ausländer gem. § 34 Abs. 4 AsylG auf Antrag mitzuteilen, bis wann voraussichtlich über seinen Asylantrag entschieden wird. § 31 Abs. 6 AsylG verpflichtet das Bundesamt im Falle einer Ablehnung des Asylantrags nach § 27a AsylG, den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu benennen.
68bb. Die Annahme eines Prüfungsanspruchs und damit des Rechts, sich auf die nach der Dublin III-VO bestehende Zuständigkeit Deutschlands berufen zu können, entspricht den unionsrechtlichen Vorgaben.
69Auch nach Unionsrecht müssen Asylbewerber Zugang zu wirksamen Asylverfahren haben. Die effektive Ausübung des Rechts auf Asyl muss gewährleistet sein.
70Vgl. Grundrechte-Agentur der EU, EGMR, Europarat (Hrsg.): Handbuch zu den europarechtlichen Grundlagen im Bereich Asyl, Grenzen und Migration (abgerufen von http://fra.europa.eu/sites/default/files/handbook-law-asylum-migration-borders-2nded_de.pdf, 16.9.2015), S. 107; EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi), juris, Rn. 38 ff.
71Nach Art. 18 GR-Charta wird das Recht auf Asyl nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Verträge über die Europäische Union und über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleistet. Art. 19 Abs. 2 GR-Charta gewährt Abschiebungsschutz bei ernsthaften Risiken der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung. Auch wenn Uneinigkeit darüber besteht, ob Art. 18 GR-Charta ein subjektives, einklagbares Recht vermittelt oder eine bloße objektiv-rechtliche Garantie formuliert,
72vgl. dazu, Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Auflage 2013, Art. 18 Rn. 2, 15, m. w. N.; Bernsdorff, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Auflage 2014, Art. 18, Rn. 7, 11, m. w. N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 12; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 153 f.
73begründet die Vorschrift jedenfalls ein Recht des Drittstaatsangehörigen auf ein ausreichendes Verfahren zur Feststellung des Status.
74Vgl. Jarass, a. a. O., Art. 18 Rn. 13.
75Nach Art. 78 Abs. 1 AEUV entwickelt die Union eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährleistet werden soll (Satz 1). Die Politik muss mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie den anderen einschlägigen Verträgen im Einklang stehen (Satz 2).
76Auf der Grundlage dieser Vorschrift konkretisiert die Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) in materiell-rechtlicher Hinsicht die Schutzrechte, werden in der Verfahrensrichtlinie (2013/32/EU) Verfahrensrechte der Asylbewerber bei der Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz festgelegt und treffen die Dublin-Verordnungen Zuständigkeitsregelungen. Die Dublin III-VO legt ebenso wie zuvor die Dublin II-VO - als ein Schritt auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen internationaler Schutz gewährt wird - Kriterien für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates fest (vgl. Erwägungsgründe 5 und 6 der Dublin III-VO). Sie begründet zwar grundsätzlich keine subjektiven Rechte der Asylbewerber, setzt aber solche voraus und dient der effektiven Ausübung des Asylrechts. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird ferner insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Mitgliedstaat für die Prüfung des Schutzbegehrens gewährleistet sein muss. Das ergibt sich auch aus Folgendem: Der 39. Erwägungsgrund der Dublin III-VO bestimmt ausdrücklich, sie ziele u.a. darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Artikel 18 GR-Charta verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.
77Vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u. a. (N.S.) -, juris, Rn. 15 und 76.
78Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt (Satz 1). Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird (Satz 2). Nach dem 5. Erwägungsgrund der Dublin III-VO dient sie auch dazu, den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten. Dem Zuständigkeitssystem der Dublin III-VO liegt damit - ebenso wie bei dem der Dublin II-VO - die Annahme zugrunde, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglieds- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Lediglich die Prüfung durch einen bestimmten Staat können sie nicht verlangen.
79Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 32 (Dublin II-VO).
80Könnte der Asylbewerber/Schutzsuchende sich nicht auf die Zuständigkeit Deutschlands berufen und wäre nicht gesichert, dass ein anderer Mitgliedstaat das Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes durchführt (vgl. dazu sogleich), würde er zum sogenannten „refugee in orbit“, dessen Schutzgesuch in keinem Mitgliedstaat geprüft würde.
81Vgl. Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2010, Art. 78 AEUV Rn. 21; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 67, 69.
82Dies widerspräche aber dem Grundanliegen des europäischen Asylsystems. Dieses darf nicht so ausgelegt und angewendet werden, dass der Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung seines Schutzgesuchs erhalten könnte und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bliebe.
83Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 32.
84c. Ein Asylbewerber kann, das folgt schon aus den vorstehenden Ausführungen, nur dann nicht die Durchführung des Asylverfahrens in Deutschlands verlangen, wenn die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats feststeht. Das ist hier nicht der Fall.
85aa. Dass einem Asylbewerber die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats entgegengehalten werden kann, folgt aus dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO geregelten Zuständigkeitsübergang, setzt aber auch ein Vorgehen nach dieser Vorschrift voraus. Danach kann jeder Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Satz 1). Dadurch wird der andere Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat (Satz 2).
86Erklärt der andere Mitgliedstaat, den Schutzsuchenden aufzunehmen und das Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes durchzuführen, obwohl er nach den in der Dublin III-VO festgelegten Kriterien nicht (mehr) zuständig ist, übt er damit das Selbsteintrittsrecht nach der sogenannten Souveränitätsklausel aus.
87Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO räumt den Mitgliedstaaten ein Ermessen ein, das integraler Bestandteil des vom EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsge-setzgeber ausgearbeiteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist. Die Ausübung der Befugnis ist an keine Bedingungen geknüpft; ein Anspruch des Asylbewerbers auf Zuständigkeitsübernahme besteht grundsätzlich nicht.
88Vgl.zur entsprechenden Vorschrift in der Dublin II-VO (Art. 2 Abs. 2 Dublin II-VO) EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 65 ff., und vom 30. Mai 2013 - Rs. C-528/11 (Halaf) -, juris, Rn. 36 ff.; EuGH, Urteil vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 28 ff.; OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 - 14 A 1943/11.A -, juris, Rn. 34.
89Hiervon ausgehend geht die Zuständigkeit über, wenn ein anderer Mitgliedstaat im Einzelfall seine Bereitschaft erklärt, den Asylbewerber aufzunehmen. Der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland steht damit unter dem unionsrechtlichen Vorbehalt des Fortbestehens der Zuständigkeit.
90Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 52.
91Die Entscheidung zur Prüfung des Antrags hat der nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO durch die Ausübung des Selbsteintrittsrechts zuständig gewordene Mitgliedstaat unverzüglich über Eurodac mitzuteilen, vgl. Art. 17 Abs. 1 Unterabsatz 3 Dublin III-VO.
92Eine – wie hier vorliegende - fehlende Reaktion auf das Aufnahmeersuchen innerhalb der gesetzlichen Frist und die damit verbundene Zustimmungsfiktion (Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO) löst jedenfalls einen Zuständigkeitsübergang im Wege des Selbsteintritts nicht aus. Die Fiktion erfasst nur die Zustimmung zu einer Überstellung innerhalb der Frist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO.
93bb. Auch wenn Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO nicht einschlägig wäre, kann dem Asylbewerber nur dann die Berufung auf die Zuständigkeit Deutschlands verwehrt werden, wenn positiv feststeht, dass ein anderer Mitgliedstaat aufnahmebereit ist. Dies setzt voraus, dass eine Prüfung des Asylgesuchs durch den anderen Mitgliedstaat gewährleistet ist, hierfür also hinreichende Erkenntnisse vorliegen.
94Die höchstrichterliche Rechtsprechung - auch die von der Beklagten im vorliegen-den Verfahren angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts -, wonach Verstöße gegen die Bestimmungen der Dublin II-VO für sich genommen keine subjektiven Rechte der Asylbewerber verletzen und der Asylbewerber der Überstellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann, betrifft sämtlich Fälle, in denen die (ausdrücklich geäußerte) Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats bestand.
95Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 60; BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 32.14 -, juris, Rn. 4; Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14 u.a. -, juris, Rn. 4, vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 6, vom 21. Mai 2014 - 10 B 31.14 -, juris, Rn. 4, vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 12, und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 7.
96Da die Dublin III-VO ebenso wie zuvor die Dublin II-VO gerade dem Zweck dient, den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (vgl. Art. 1, Art. 3 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund 5 der Dublin III-VO), reicht es nicht aus, dass der andere, nicht mehr zuständige Mitgliedstaat der Überstellung nach Fristablauf nicht widersprochen hat bzw. diese nicht endgültig abgelehnt hat und deshalb nicht feststeht, dass die Überstellung nicht durchgeführt werden kann.
97So aber Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 37.
98Ebensowenig genügt es, dass die Überstellung an den bisher zuständigen Mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist.
99Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris, Rn. 59, und vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 28 (allerdings mit dem Zusatz „weil Polen den Fristablauf nicht einwendet“).
100Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass nach erfolgter Zuständigkeitsbestimmung nur der nach der Dublin-Verordnung zuständige Mitgliedstaat bereit ist, das Asylverfahren durchzuführen.
101Eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige Fakten untermauert wird, kann auch deshalb nicht genügen, weil andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot verletzt würde.
102So auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 32.
103Hier fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass Italien den Fristablauf und die daraus folgende Zuständigkeit der Beklagten ‑ generell oder im Einzelfall ‑ nicht einwendet. Entscheidend ist, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, § 77 Abs. 1 AsylG, und damit auch nach zwischenzeitlichem Ablauf der Überstellungsfrist und dem Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte, die Übernahmebereitschaft besteht. Dafür ist, ausgehend von den obigen Maßstäben, nichts ersichtlich.
104d. Eine andere Betrachtung lässt sich nicht mit der Begründung rechtfertigen, der Asylbewerber könne freiwillig ausreisen und dadurch das Verfahren selbst beschleunigen.
105Zwar geht das Unionsrecht von der Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise aus (vgl. Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1560/2003; Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO). Es ist aber schon fraglich, ob dies eine bindende Vorgabe ist, ob das nationale Recht eine Ausreise auf eigene Initiative ausdrücklich vorsehen muss oder ob die Mitgliedstaaten im Einzelfall eine Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen haben, in welcher Weise die Aufenthaltsbeendigung erfolgen soll.
106Vgl. dazu ausführlich VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris, Rn. 24 ff.
107Auf diese Fragen kommt es aber ebenso wenig an wie darauf, ob der Kläger auch noch gegenwärtig, d. h. nach dem Zuständigkeitsübergang, nach Italien ausreisen könnte. Es ist jedenfalls keine rechtliche Grundlage dafür ersichtlich, dass er im nicht mehr zuständigen Staat Italien eine Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz verlangen kann. Fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Übernahmebereitschaft des anderen Staates auch nach dem Zuständigkeitsübergang auf Deutschland, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Mitgliedstaat im Falle einer freiwilligen Ausreise ein Asylverfahren durchführen wird.
108OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015, ‑ 13 A 2159/14.A -, juris Rn. 136 und - 13 A 800/14.A -, juris, Rn. 136.
109§ 242 BGB schließt eine Berufung auf den Zuständigkeitsübergang nicht aus, wenn der Asylbewerber vor Ablauf der Überstellungsfrist freiwillig hätte ausreisen können. Dass der Kläger von dem Recht auf freiwillige Ausreise, das im Übrigen im deutschen Recht nicht ausdrücklich geregelt ist, keinen Gebrauch gemacht hat, lässt es nicht als treuwidrig erscheinen, von der nach Unionsrecht zuständigen Behörde die Prüfung des Schutzgesuchs zu verlangen.
110OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015, ‑ 13 A 2159/14.A -, juris, Rn. 137 und - 13 A 800/14.A -, juris, Rn. 137, VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 ‑ 22 K 2262/14.A ‑, juris, Rn. 82 ff.
111Andernfalls wäre nämlich die materielle Prüfung des Schutzgesuchs nicht gewährleistet und träte damit letztlich ein Rechtsverlust ein. Die Dublin III-VO begründet auch keine Verpflichtung des Antragstellers, sich in den nach der Dublin III-VO (ursprünglich) zuständigen Staat zu begeben. Dass gemäß § 50 AufenthG nach allgemeinem nationalem Aufenthaltsrecht eine Ausreisepflicht besteht, ist insoweit unerheblich. Der Zuständigkeitsübergang beruht allein auf dem Ablauf der 6-monatigen Überstellungsfrist, nicht hingegen auf einem Verhalten des Klägers (Nichtausreise), mit dem er sich durch die Berufung auf die Zuständigkeit in Widerspruch setzen könnte.
112OVG NRW, Urteil vom 16. September 2015, – 13 A 2159/14.A -, juris Rn. 139 (zur Dublin II-VO).
113Er ist weder untergetaucht noch hat er anderweitig Überstellungsmaßnahmen verhindert.
114II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (nunmehr AsylG) gestützte Abschie-bungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Italien ist nach den obigen Ausführungen für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig. Im Übrigen stünde auch nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden könnte, weil die Aufnahmebereitschaft Italiens nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht – wie hiernach erforderlich – positiv feststeht.
115C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
116Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
117Die Revision ist zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.
118Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der 1993 geborene Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste am 29. September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 15. Oktober 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt (persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens) am gleichen Tage gab er an, er habe sein Herkunftsland Somalia am 30. Dezember 2012 verlassen und sei über Äthiopien, Sudan und Libyen zunächst nach Italien gereist. Dort seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Asyl habe er nicht beantragt. Er sei schließlich mit dem Zug auf unbekannter Route nach Deutschland gelangt. Das Bundesamt führte eine Anfrage bei der Eurodac-Datenbank durch, die ergab, dass der Kläger am 25. Juni 2013 in Italien einen Asylantrag gestellt hatte (Eurodac-Treffer der Kategorie 1). Daraufhin richtete das Bundesamt am 27. Oktober 2014 ein Übernahmeersuchen an die italienischen Behörden. Mit Schreiben vom 10. November 2014 lehnte das italienische Innenministerium das Übernahmeersuchen mit der Begründung ab, dem Kläger sei in Italien bereits internationaler Schutz in Form subsidiären Schutzes gewährt worden. Er verfüge über eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis. Das Asylverfahren sei damit in Italien abgeschlossen. Die Übernahme sei allerdings im Rahmen der polizeilichen Vereinbarung möglich.
3Mit Bescheid vom 12. November 2014 stellte das Bundesamt fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe (Ziffer 1), und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2).
4Am 1. Dezember 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Den zeitgleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (13 L 2923/14.A) hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 23. Januar 2015 abgelehnt.
5Zur Klagebegründung hat der Kläger vorgetragen: Der angefochtene Bescheid genüge nicht den in der Entscheidung Tarakhel ./. Schweiz erfolgten Vorgaben des EGMR. Der Kläger sei in Italien der Obdachlosigkeit ausgesetzt gewesen. Er habe in Rom auf der Straße gelebt und betteln müssen. Eine Versorgung habe nicht stattgefunden, insbesondere keine Gesundheitsversorgung. Letztere benötige der Kläger, es sei eine Nierenoperation geplant. Der Kläger leide unter einer Stauungsniere bei Verdacht eines Nierensteins.
6Der Kläger hat beantragt,
7den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 aufzuheben.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Mit Urteil vom 9. September 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Bescheid sei rechtmäßig. Die Dublin III-VO gehe nicht der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG vor. Der dem Kläger in Italien gewährte subsidiäre Schutz sei als internationaler Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zu qualifizieren, bei dessen Vorliegen die Dublin III-VO keine Anwendung mehr finde. Die Voraussetzungen des § 26a AsylG lägen vor; Italien sei ein sicherer Drittstaat. Der Kläger könne sich auch nicht auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse berufen. Ihm werde in Italien hinreichender Schutz gewährt. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen habe er nicht vorlegen können. Aus den übersandten älteren Bescheinigungen lasse sich kein Rückschluss auf seinen derzeitigen Gesundheitszustand ziehen. Zu einer aktuellen ärztlichen Behandlung habe er nichts Konkretes sagen können.
11Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt: Italien sei kein sicherer Drittstaat, da das Versorgungssystem systemische Schwachstellen aufweise, welche die Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung i.S. d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen könne. Der Kläger sei in Italien von Obdachlosigkeit und Mangelversorgung bedroht. Er bedürfe zudem medizinischer Fachversorgung.
12Der Kläger beantragt,
13das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 (13 K 8025/14.A) abzuändern und den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 aufzuheben.
14Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
15Die Ausländerbehörde hatte den Kläger, nach Vorliegen der Rücknahmebereit-schaft der italienischen Behörden (Schreiben vom 29. Januar 2016) wegen des dort gewährten subsidiären Schutz und der erteilten Aufenthaltserlaubnis (gültig bis zum 10. Juni 2019), am 22. April 2016 nach Italien überstellt. Der Kläger war sodann am 3. Mai 2016 wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er macht geltend, der Bescheid sei durch die erfolgte Überstellung gegenstandslos geworden und aufzuheben. Am 16. Juni 2016 hat die Ausländerbehörde den Kläger erneut nach Italien überstellt. Hierzu trägt der Prozessbevollmächtigte vor, er habe am 31. August 2016 mit dem Kläger telefoniert. Dieser verfüge derzeit in Italien nicht über einen festen Wohnsitz. Eine Wohnsitznahme über das Sozial-amt sei bisher nicht möglich gewesen. Er lebe vom Betteln.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des Eilverfahrens (13 L 2923/14.A) sowie die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts und der Ausländerbehörde Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG das Asylgesetz in der Fassung der Bekannt-machung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939), sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 5 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).
20A. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, insbesondere statthaft.
21"Drittstaatenbescheide" nach §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG a.F. können ebenso wie Entscheidungen über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin-Verordnungen („Dublin-Bescheide“) mit der isolierten Anfechtungsklage angefochten werden.
22Vgl. OVG NRW, Urteile vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 22 ff. und vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, Rn. 18 f. m. w. N. zu den „Dublin-Bescheiden“, OVG Saarland, Beschluss vom 23. März 2016 ‑ 2 A 38/16 ‑, juris, Rn. 15 ff.; jeweils zu der Rechtslage vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes; a. A. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2015, § 31 Rn. 62.
23Der Kläger hat auch - trotz seiner zwischenzeitlichen Überstellung nach Italien - ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage. Entgegen teilweise vertretener Auffassung -
24so u.a. VG München, Urteile vom 9. März 2016 ‑ M 12 K 15.30071 -, juris, Rn. 27, und vom 2. Juli 2012 - M 15 K 12.30110, juris, Rn. 15; VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 28. November 2012 ‑ 3 K 525/11.A -, juris, Rn. 21 ff.; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 9 -
25hat sich der Bescheid dadurch weder insgesamt noch hinsichtlich der Abschiebungsanordnung erledigt.
26Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 35 ff.; Funke-Kaiser in: GK AsylVfG, Stand Mai 2015, § 34a Rn. 70, so im Ergebnis auch BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 ‑, juris.
27Erledigung im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG tritt dann ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist.
28Das ist hier nicht der Fall. Für die Abschiebungsanordnung folgt das bereits daraus, dass diese gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG unbeschränkt für alle Zukunft Grundlage künftiger Aufenthaltsbeendigungen im Falle eines Folgeantrags sein soll.
29Vgl. dazu auch Funke-Kaiser, a. a. O. § 34a Rn. 70.
30Außerdem bildet die Abschiebungsanordnung weiterhin die Rechtsgrundlage für die vollzogene Abschiebung. Die Aufhebung der Abschiebungsanordnung ist auch nicht sinnlos, denn im Falle einer rechtswidrigen Abschiebung kann diese einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch auslösen.
31Vgl. Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 59 Rn. 219, 221.
32Hierfür spricht schließlich auch die in Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO enthaltene Regelung, wonach der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnehmen muss, wenn sie irrtümlich überstellt wurde oder einem Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird.
33Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 44.
34Das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers in Italien nach der (nicht freiwillig erfolgten) Überstellung, lässt ebenfalls nicht auf ein nicht mehr bestehendes Interesse am Fortgang des Verfahrens schließen. Mit Blick darauf, dass der Kläger noch kurz vor seiner zweiten Überstellung nach Italien geäußert hat, er wolle keinesfalls nach Italien und werde im Falle einer Überstellung immer wieder nach Deutschland zurückkehren, ist vielmehr davon auszugehen, dass er weiterhin in Deutschland ein Asyl(folge)verfahren mit dem Ziel der Flüchtlingsanerkennung betreiben will.
35B. Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36I. Das Bundesamt hat zu Recht in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids mit der Feststellung, dass dem Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, eine inhaltliche Prüfung nicht vorgenommen und eine sachliche Entscheidung über den Asylantrag nicht getroffen.
371. Als Rechtsgrundlage dieser Entscheidung kommen nur §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a), 31 Abs. 1 Satz 5, Abs. 6 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung in Betracht. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
38a. Der Bescheid ist auf §§ 26a Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 4 AsylG a. F. gestützt. Danach war festzustellen, dass dem Ausländer auf Grund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Nach den im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden und nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG hier maßgeblichen §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG ist die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig möglich, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Diese Rechtsgrundlage ist hier nicht anwendbar. Dabei kann offen bleiben, ob dies aus Unionsrecht folgt. Art. 25 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2005/85/EG (VRL-2005), deren Anwendbarkeit bei einer - hier vorliegenden - Antragstellung vor dem 20. Juli 2015, aus der Stichtagsregelung in Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU gefolgert wird,
39vgl. dazu BVerwG Beschluss vom 23. Oktober 2015 - 1 B 41.15 -, juris, Rn. 11,
40bestimmt: Die Mitgliedstaaten können einen Antrag als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Daraus könnte folgen, dass im Falle „nur“ subsidiärer Schutzgewährung durch den Drittstaat ein Vorgehen nach § 26a AsylG unionsrechtswidrig wäre.
41Vgl. zum Vorgehen nach § 26a AsylG bei anderweitiger Flüchtlingsanerkennung OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris.
42Jedenfalls scheiden §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG als Rechtsgrundlage deshalb aus, weil hier ein Dublin-Verfahren vorliegt, bei dem die speziellere Norm des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG vorrangig anwendbar ist.
43b. Dass das Bundesamt den angefochtenen Bescheid nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG, sondern auf § 26a, § 31 Abs. 4 AsylVfG (entspricht §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG in der bis zum 5. August 2016 geltenden Fassung) gestützt hat, ist unerheblich. Jedenfalls kann der Bescheid im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit a) AsylG aufrecht erhalten werden. Im Rahmen der Überprüfung eines Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt es nicht (allein) auf das von der Verwaltung herangezogene Recht an; vielmehr ist die Kontrolle im Sinne schlichter Rechtsanwendung auf das Recht zu erstrecken, das geeignet ist, an Stelle des von der Verwaltung herangezogenen, sich etwa als nicht tragfähig erweisenden Rechts den Spruch des Bescheids zu rechtfertigen, vorausgesetzt, dass dabei am Spruch des Bescheids nichts Wesentliches geändert wird.
44Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 -, BVerwGE 80, 96 (98) = juris, Rn. 12 f., vom 12. April 1991 - 8 C 92.89 -, juris, Rn. 9, und vom 31. März 2010 - 8 C 12.09 -, juris, Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 24. August 2016 - 13 A 63/16.A -, juris; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 26.
45Das Bundesamt hat in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids festgestellt, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht. Im Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG wird zwar keine derartige Feststellung getroffen, sondern der Asylantrag als unzulässig abgelehnt. Das führt aber nicht zu einer Wesensänderung des Bescheids. Es handelt sich nicht um einen anderen Streitgegenstand mit für den Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen. Bei der Ablehnung des Asylantrags des Klägers auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG besteht ebenso wie bei der Entscheidung nach § 26a AsylG i. V. m. § 31 Abs. 4 AsylG a. F. kein Ermessensspielraum. Beide Normen erfassen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sehen auf der Tatbestandsseite einen konkreten Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezug nicht inhaltlich geprüft werden soll. Dies setzt europarechtlich in beiden Fällen voraus, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat keine sog. systemischen Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen gegeben sind, aufgrund derer der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU (im Folgenden: GR-Charta) bzw. dem gleichlautenden Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) ausgesetzt zu werden. Auch die weiteren Rechtsfolgen sind in beiden Fällen identisch. Sie ergeben sich jeweils aus § 34 a AsylG.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 62 ff., OVG Rh.-Pf., Urteil vom 18. Februar 2016 - 1 A 11081/14 -, juris, Rn. 23.
472. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Kläger vor der Entscheidung des Bundesamtes ordnungsgemäß angehört worden.
483. Die inhaltliche Regelung in Ziffer 1 ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG (s.o.) liegen vor. Im Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG entscheidungserheblich ist, ist nach der Dublin III-VO ein anderer Mitgliedstaat und zwar Italien für die sachliche Prüfung des Asyl(folge)antrags des Klägers zuständig, der - weil er seinen Antrag nicht beschränkt hat - auch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
49a. Die Dublin III-VO ist im vorliegenden Fall anwendbar.
50aa. Das gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht. Nach Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO ist die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten (ab dem 1. Januar 2014) gestellt werden (Satz 1). Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Dublin II-VO (Satz 2). Maßgeblich ist danach hier der in Deutschland - am 15. Oktober 2014 - gestellte Antrag, nicht etwa der 2013 in Italien bestandkräftig beschiedene (erste) Antrag des Klägers in einem Mitgliedstaat.
51Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, und vom 7. Juli 2016 - 13 A 2302/15.A, juris; a.A. Filzwieser/Sprung, Dublin III-VO, Stand 1. Februar 2014, Art. 49 K 3, VG München, Urteil vom 17. März 2016 - M 22 K 15.30257 -, juris; VG Würzburg, Urteil vom 12. Mai 2016 - W 2 K 15.30105 -, juris, Rn. 27.
52Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO, in dem im Gegensatz zu anderen Vorschriften der Dublin III-VO (z.B. Art. 7 Abs. 2) auch nicht vom ersten Antrag die Rede ist. Die Zuständigkeitsfrage stellt sich ferner nur in Bezug auf einen aktuell zu bescheidenden Antrag. Ist über diesen ‑ wie hier in Italien ‑ bereits bestandskräftig entschieden, bedarf es insoweit keiner Zuständigkeitsbestimmung nach den Dublinregeln mehr.
53bb. Die Dublin III-VO ist auch in sachlicher Hinsicht anwendbar. Das Dublin-Verfahren ist nicht schon mit der - hier vorliegenden - Gewährung subsidiären Schutzes beendet worden.
54So aber u.a. VG Aachen, Urteil vom 28. Oktober 2015 - 8 K 299/15.A -, juris, Rn. 51ff ; Schweizer Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. Februar 2015 - Abteilung IV D-534/2015/plo -, offenlassend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 57/15 -, juris, Rn. 37.
55Zwar bestimmt die Dublin III-VO den zuständigen Mitgliedstaat für den Antrag auf internationalen Schutz, der nach Art. 2 lit. b Dublin III-VO i. V. m. Art. 2 lit. h der Richtlinie 2011/95/EU sowohl die Flüchtlingsanerkennung als auch die Gewährung subsidiären Schutzes umfasst. Daraus folgt aber nicht, dass nach der Gewährung subsidiären Schutzes für auf Flüchtlingsanerkennung gerichtete Asyl-(folge)anträge nicht mehr die Dublin III-VO anwendbar wäre. Sinn und Zweck der Dublin III-VO ist es, einen Mitgliedstaat zu bestimmen, der (umfassend) für die auf internationalen Schutz gerichteten Anträge zuständig ist, um ein Asylshop-ping, d. h. die Bevorzugung von Ländern mit besonders günstigen Verhältnissen sowie die Stellung von Mehrfachanträgen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu verhindern. Das ergibt sich u.a. aus den Bestimmungen zum Gegenstand der Verordnung (Art. 1), den Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und deren Rangfolge (Kapitel III), den Pflichten des zuständigen Mitgliedstaates, diejenigen Personen zurückzunehmen, über deren (Erst)anträge noch nicht abschließend entschieden wurde oder deren Anträge abgelehnt wurden (Art. 18), sowie aus den als Ausnahme geregelten Voraussetzungen eines Zuständigkeitsübergangs (z.B. bei Fristversäumnis nach Art. 23 Abs. 3, Art. 29 Abs. 2 oder im Falle des Selbsteintritts nach Art. 17). Dem widerspricht es aber, wenn im Falle der sogenannten „Aufstocker“, also derjenigen Personen, die bereits subsidiären Schutz erhalten haben, aber nunmehr auch die Flüchtlingsanerkennung begehren, die Dublin III-VO nicht mehr anwendbar wäre. Der Antrag auf internationalen Schutz umfasst nämlich nicht nur den subsidiären Schutz, sondern darüber hinaus die Flüchtlingsanerkennung. Letztere ist dem subsidiären Schutz auch nicht etwa gleichwertig, sondern für die Betroffenen ggfs. mit weiteren Rechten verbunden, wie beispielsweise der Möglichkeit des Familiennachzugs. Die Verpflichtung, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO) erfasst diese Personengruppe schließlich auch, denn mit der Zuerkennung (nur) des subsidiären Schutzes ist gleichzeitig eine Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung verbunden.
56So im Ergebnis auch Funke-Kaiser, Personen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land - Rechtliche Probleme, Asylmagazin 2015, 148, 150 f.; Bergmann, Das Dublin-Asylsystem, ZAR 2015, 81, 83.
57cc. Auch die Ablehnung der italienischen Behörden, den Kläger nach den Dublin-Regelungen zu übernehmen, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Dublin-Verordnung ist geltendes europäisches Recht und steht nicht zur Disposition der daran gebundenen Mitgliedstaaten. Im Übrigen hat Italien nicht generell die Übernahme des Klägers abgelehnt, sondern zu erkennen gegeben, dass es den Kläger nach dem Rücknahmeabkommen übernehmen wird und ihn schlussendlich auch (zweimal) übernommen. Jedenfalls in dieser Fallgestaltung, in der der Übernahme zugestimmt wird, kann nicht entscheidend sein, auf welcher Rechtsgrundlage der aufnehmende Mitgliedstaat meint, verpflichtet zu sein.
58b. Aus den Vorschriften der Dublin III-VO ergibt sich die Zuständigkeit Italiens für den Antrag des Klägers auf Flüchtlingsanerkennung.
59aa. Nach Art 13 Abs. 1 Dublin III-VO war zunächst Italien als Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig geworden, da der Kläger die italienische Grenze aus einem Drittstaat (Libyen) kommend im Jahr 2013 illegal überschritten hat. Die so begründete Zuständigkeit endete zwar gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO 12 Monate nach dem Tag des illegalen Grenz-übertritts. Da Italien dem Kläger aber subsidiären Schutz gewährt und einen (bis zum 10. Juni 2019) gültigen Aufenthaltstitel ausgestellt hat, wurde eine weitere Zuständigkeit Italiens gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO begründet.
60bb. Ein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland liegt nicht vor.
61(1) Ein solcher ergibt sich weder aus Art. 19 Dublin III-VO, noch ist ein Zuständigkeitswechsel wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO erfolgt. Wegen der Ablehnung Italiens, den Kläger nach der Dublin III-VO zurückzunehmen, hat der Fristlauf schon nicht begonnen.
62(2) Auch ist die Bundesrepublik Deutschland nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO zuständig geworden. Danach wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat, wenn keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat vorgenommen werden kann. Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt, insbesondere ist kein Fall des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gegeben. Nach dieser Vorschrift setzt der prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehen Kriterien fort, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
63(a) Diese Regelung geht zurück auf die Rechtsprechung des EuGH und des EGMR zu systemischen Mängeln des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen bei Verfahren nach der Dublin II-VO. Danach kann die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens beruhende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der EMRK steht, widerlegt werden. Eine Widerlegung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die asylrechtlichen Richtlinien der EU – Richtlinie 2003/9/EG bzw. 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie), Richtlinie 2004/83/EG bzw. 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), Richtlinie 2005/85/EG bzw. 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) – genügen. Vielmehr müssen die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta – der Art. 3 EMRK entspricht – ausgesetzt zu werden.
64Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C- 411/10 und C-493/10 (N.S.) -, NVwZ 2012, 417 = juris, Rn. 78 ff., vom 14. November 2013 - C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 30 ff., und vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi ) -, NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 52; EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, ZAR 2011, 395, Rn. 216 ff., und vom 4. November 2014 ‑ 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 93 und102 ff.; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 = juris, Rn. 5 ff., vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5, und vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 3 ff.; vgl. zum Ganzen ausführlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 65 ff.
65Wegen des in Deutschland geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss sich der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Systemische Mängel liegen danach vor, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 9.
67Zwar setzt dies nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel so gravierend sein, dass sie in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Das kann darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern (objektiv) vorhersehbar von ihnen betroffen sind. Ein systemischer Mangel kann daneben aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - faktisch in weiten Teilen funktionslos wird.
68Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 89 ff.
69Hingegen kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Derartige individuelle Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung (hier: der Entscheidung) systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen, wobei zu beachten ist, dass persönliche Erlebnisse Betroffener durch neuere Entwicklungen in dem betreffenden Staat überholt sein können.
70Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, juris, Rn. 6; s. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 30.
71Diese zur Dublin II-VO entwickelten Grundsätze gelten auch für Verfahren nach der Dublin III-VO. Der in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO geregelte Maßstab, dass es „wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen“ ist eine Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechung.
72Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5; Bay. VGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -, AuAS 2015, 104 = juris, Rn. 28; Sächs. OVG, Beschluss vom 5. Oktober 2015 - 5 B 259/15.A -, juris, Rn. 27.
73Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Asylbewerbern ist maßgeblich auf Ausländer in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage wie der des Klägers abzustellen, d. h. eines allein stehenden jungen Mannes, der in Italien vor seiner Weiterreise nach Deutschland ein Asylverfahren durchgeführt hat, das mit der Gewährung subsidiären Schutzes und einer italienischen Aufenthaltser-laubnis endete, und der nunmehr noch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
74(b) Hiervon ausgehend steht nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegenden Erkenntnismaterial zur Überzeugung des Senats fest, dass es keine wesentlichen Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahrens und/ oder die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Italien systemische Schwach-stellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
75Vgl. ebenso für Italien – in unterschiedlichen Fallkonstellationen – EGMR, Urteil vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 36, vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 35, und vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, juris, Rn. 114 f.; OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 35 ff., und vom 19. Mai 2016 - 13 A 516/14.A -, juris, vom 10. Juli 2015 ‑ 15 A 1048/14.A -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 47 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 43 ff.; Bay. VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628 = juris; Hess. VGH, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 10 A 681/13.Z.A ‑, juris; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 14. November 2013 - 4 L 44/13 -, juris.
76(aa) Bei der Würdigung der Erkenntnisse ist zunächst davon auszugehen, dass Italien - sowohl im Hinblick auf das dortige Rechtssystem als auch die Verwaltungspraxis - über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes Asylverfahren verfügt.
77Vgl. zum Asylverfahren im Einzelnen Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 2. und 3.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 16 ff.; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 4; s. auch EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 37.
78Ob Art. 4 GR-Charta die vollständige Umsetzung der diesbezüglichen Richtlinien erfordert, kann offen bleiben. Das Asylverfahren in Italien ist inzwischen richtlinienkonform. Mit Wirkung vom 30. September 2015 wurden die Neufassungen der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU und der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU in das italienische Recht übernommen (Gesetzesdekret 142/2015: decreto legislative 18 agosto 2015, n 143 „Attuazione della direttiva 2013/33/UE recante norme relative all’accoglienza die richiedenti protezione internazionale, noché della direttiva 2013/32/UE, recante procedure comuni ai fini del riconoscimento e della revoca dello status die protezione internazionale“).
79Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 9 und 12.
80Der Senat ist auch davon überzeugt, dass das Asylsystem trotz ggf. einzelner Unzulänglichkeiten prinzipiell funktionsfähig ist. Es ist weder in Bezug auf die tatsächliche Dauer noch auf die Qualität menschenrechtswidrig. In etwa der Hälfte der Fälle ist in den letzten Jahren ein Schutzstatus gewährt worden (2013: 61 %, 2014: 59 %, 2015: 42 %).
81Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 44 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 133 ff.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 7; zur Schutzquote vgl. Eurostat, recognition rates, 2013, 2014, 2015, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
82Bisher ist regelmäßig vor allem gerügt worden, dass für die formelle Registrierung als Asylbewerber (verbalizzazione) eine Wohnsitzbestätigung erforderlich sei und in der mitunter langen Zeit bis zur verbalizzazione eine Unterbringung nicht gewährleistet sei. Es kann offen bleiben, ob insoweit systemische Schwach-stellen anzunehmen wären. Nach der aktuellen Rechtslage (Gesetzesdekret 142/2015) wird ein Wohnsitz nicht verlangt und beträgt die Frist zwischen Asyl-gesuch und formeller Registrierung drei, maximal zehn Tage. Selbst wenn das Verfahren in der Praxis länger dauert, ist die Unterbringung in der Regel gewährleistet.
83Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.
84Gesetzesdekret 142/2015 stellt klar, dass die Adresse der Unterbringungseinrichtung in der der Antragsteller wohnt, als Wohnsitz zu betrachten ist.
85Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 21.
86Da das Asyl(erst)verfahren des Klägers in Italien bereits abgeschlossen ist, kommt es auf diese Fragen schon nicht an, weil er bei den zuständigen Behörden erfasst ist.
87Italien ermöglicht – wie in Art. 40 Richtlinie 2013/32/EU vorgesehen – ein Folgeverfahren, wenn neue Umstände vorgebracht werden können.
88Vgl. SFH, Auskünfte an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 3, und vom 18. Mai 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 17, 47 f.
89Ein Folgeantrag (subsequent application) muss bei der Questura gestellt werden, die ihn an die zuständige Territorialkommission (Commissioni Territoriali per il Riconoscimento della Protezione Internazionale, CTRPI) zur Prüfung weiterleitet. Im Übrigen gelten für das Folgeverfahren im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
90Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48.
91(bb) Dublin-Rückkehrer müssen nach der aktuellen Erkenntnislage auch während der Durchführung ihres Asylfolgeverfahrens in Italien nicht beachtlich wahrscheinlich damit rechnen, dass sie wegen der Aufnahmebedingungen in ihrem Grundrecht aus Art. 4 GR-Charta verletzt werden. Dabei ist auch bei Folgeantragstellern grundsätzlich auf die für Asylbewerber geltenden Umstände abzustellen.
92Vgl. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 ‑ 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 31 f.
93Verfolgt der Kläger das in Deutschland angebrachte Asylbegehren, d. h. seinen auch auf Flüchtlingsanerkennung gerichteten Antrag, in Italien weiter oder stellt er dort alternativ einen erneuten Antrag auf Flüchtlingsanerkennung, handelt es sich um einen (ersten) Folgeantrag, der zur Anwendbarkeit der Aufnahmerichtlinie führt. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) – die nach den obigen Ausführungen in Italien auch umgesetzt worden ist – gilt diese für alle Personen, die internationalen Schutz beantragen, solange sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bleiben dürfen. Der 8. Erwägungs-grund stellt klar, dass die Aufnahmerichtlinie in allen Phasen und auf alle Arten von Verfahren, die Anträge auf internationalen Schutz betreffen, Anwendung findet. Ausnahmen vom Recht auf Verbleib nach Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU liegen hier nicht vor.
94Für das Asyl-Folgeverfahren gelten jedenfalls beim ersten Folgeantrag im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
95Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
96Dabei wird ohne weitere Differenzierung davon ausgegangen, dass nach der Stellung des Folgeantrags (CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48), d. h. während der „Abklärung“ (SFH, 18. Mai 2016, S. 2), die auch die Klärung der Zulässigkeit umfasst, eine Gleichbehandlung mit den Erstantragstellern erfolgt.
97Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ist für Asylbewerber in Italien nicht gegeben. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Kläger während der Dauer des Asylfolgeverfahrens die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Grundversorgung) nicht in einer noch zumutbarer Weise wird befriedigen können. Die zweifellos bestehenden Mängel der Aufnahmebedingungen sind nicht derart gravierend, dass bei jedem Rückkehrer die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 4 GR-Charta zu bejahen wäre.
98Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen, die als Konkretisierung des für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltenden Maßstabs im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta angesehen werden,
99vgl. EGMR, Urteile vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 28 f., vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 96 f., und vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 250 f. und 263; zurückhaltender EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, Rn. 84 (nicht jeder geringste Verstoß genügt); OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 120 ff.; kritisch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406 (407), sowie Hailbronner, AuslR, Stand März 2015, § 27a Rn. 22,
100hat Italien, wie bereits ausgeführt, in innerstaatliches Recht übernommen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtlichen Vorgaben in der Praxis im erheblichen Ausmaß nicht beachtet werden.
101Das in Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 g) Aufnahmerichtlinie verankerte Recht auf Unterkunft bleibt auch nicht systematisch unbeachtet, so dass etwa mit monatelanger Obdachlosigkeit zu rechnen wäre.
102Vgl. für Griechenland EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, EuGRZ 2011, 243 = juris, Rn. 253, 263.
103Eine solchermaßen dramatische Lage lässt sich aktuell für Italien aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen.
104Wer noch keinen Asylantrag gestellt hat, kann bei der Questura desjenigen Flughafens, an den er rücküberstellt wird, einen Asylantrag stellen (Verbalizzazione) und erhält etwa bei der Nichtregierungsorganisation (non-governmental organization, NGO) am Flughafen in Rom einen Unterbringungsplatz in einem CAS (Centro die accoglienza straordinaria)-Zentrum in der Umgebung von Rom. Wer vor der Weiterreise bereits ein Asylgesuch in Italien gestellt hatte, muss zur zuständigen Questura reisen, um das Asylverfahren weiterzuführen. Dazu erhält er an der Grenze, etwa auch bei seiner Ankunft am Flughafen in Rom, von NGOs ein Bahnticket zur Verfügung gestellt. Bei der zuständigen Präfektur wird die Unterkunft beantragt. Wer das Unterbringungszentrum ohne Meldung verlassen hat, verliert zwar grundsätzlich seinen Unterkunftsanspruch, kann aber einen neuen Platz beantragen.
105Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 4 ff.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.2 und 2.1., und vom 11. September 2013; zu letztgenanntem Gesichtspunkt s. auch CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 75.
106Für Folgeantragsteller gilt nichts anderes, insbesondere können sie ebenfalls in den Unterkunftszentren unterkommen.
107Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
108Ende 2015 verfügte Italien nach einer massiven Aufstockung über rund 104.000 Unterbringungsplätze in CAS-, CPSA (Centro di primo soccorso e accoglienza)-, CDA (centro di accoglienza)-, CARA (Centro di accoglienza per richiedenti asilo; jetzt: „centri governativi di accoglienza“)- und SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugiati“)-Einrichtungen, wovon der größte Anteil auf die temporären Aufnahmeeinrichtungen des CAS-Systems entfällt (76.683 Plätze).
109Dem standen 2015 rund 84.000 neue Asylanträge gegenüber, ca. 20.000 mehr als im Vorjahr.
110Vgl. die Eurostat-Statistik „Asylum and new asylum applicants – annual aggregated data –“, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
111Hinzu kommen noch die Personen, die sich bereits zuvor im Asylverfahren befanden, und die Dublin-Rückkehrer.
112Am 29. Februar 2016 waren insgesamt 107.387 Personen in diversen national unterhaltenen Unterkunftszentren untergebracht.
113Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation, Italien, Wien, 22. März 2016.
114Unterstützt von EASO (European Asylum Support Office der EU) hat Italien die Unterkunftskapazitäten erheblich erhöht.
115Vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 1.
116Das SPRAR-System, ein kommunales Unterbringungssystem, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wird und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsieht, wird ständig ausgebaut und soll von 20.000 auf mindestens 35.000 Plätze aufgestockt werden.
117Vgl. AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4.
118Die Unterbringung in den staatlichen Einrichtungen wird grundsätzlich für die Zeit des Asylverfahrens und eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens gewährleistet.
119Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
120Eine zuvor angenommene maximale Aufenthaltsdauer von 20 bzw. 35 Tagen in CARA-/CDA-Zentren oder sechs Monaten in SPRAR-Einrichtungen, die im Übrigen oft wesentlich überschritten wurde,
121vgl. ASGI (Associazione Studi Giuridici sull’Immi-grazione), The Dublin System and Italy: A Wavering Balance, März 2015, S. 13 f., 23 f.; aida (Asylum Information Database): Country Report Italy, Januar 2015, S. 53; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 11. September 2013; UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, Juli 2012, S. 12; borderline-europe e.V., Auskunft an VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 34 f. und 51,
122gibt es für Asylantragsteller nicht (mehr). Eine Obergrenze für die Dauer des Aufenthaltes ist im Gesetzesdekret 142/2015, das die entsprechenden Vorgaben der Aufnahmerichtlinie umsetzt, nicht vorgesehen.
123Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
124Ergänzend zu den staatlichen Unterbringungseinrichtungen stellen verschiedene kirchliche oder kommunale Einrichtungen sowie lokale Hilfsorganisationen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Unterkünfte zur Verfügung.
125Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4, und an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 4.4; borderline-europe e.V., Auskunft an das VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 21.
126Insgesamt kann angesichts dieser Zahlen nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterbringung, auch wenn sie von unterschiedlicher Qualität ist und nicht in jedem Fall den Mindeststandards entspricht,
127vgl. zu den Bedingungen in den Einrichtungen CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 70 ff.; SFH, Auskunft an das VG Schwerin vom 23. April 2015, S. 4,
128im Sinne systemischer Schwachstellen defizitär ist.
129Selbst wenn man aber unterstellt, die in Italien aktuell vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern reichten derzeit oder in naher Zukunft nicht aus, ergäbe sich daraus nach Auffassung des Senats noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 4 GR-Charta überschreitendes Versagen des Staates. Die Menschenrechte verpflichten die Staaten weder, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer „Spitzenbelastung“ vorzuhalten.
130Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 158.
131Nach den vorliegenden Erkenntnissen reagiert Italien jedenfalls inzwischen flexibel auf den Zustrom. Das System ist durch die kurze Auftragsdauer für die temporären CAS-Zentren (Ausschreibung alle sechs Monate) sehr flexibel in Bezug auf Schwankungen. Ferner waren jüngst unter dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU (AMIF) verschiedene Projekte ausgeschrieben, die auch die Unterbringung von Asylbewerbern umfassten.
132Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.
133Hiervon ausgehend ist die Erwartung, dass künftig wieder mehr Flüchtlinge den Weg über das Mittelmeer suchen und in Italien die Grenze zur EU überschreiten werden, nicht ausreichend, um derzeit systemische Schwachstellen anzunehmen. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn – was hier nicht der Fall ist – absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden.
134Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 41.
135Die aktuelle Presseberichterstattung veranlasst nicht zu einer anderen Bewertung. Hier wird zwar von Kapazitätsengpässen insbesondere wegen des jahreszeitbedingten starken Zustroms von Flüchtlingen über das Mittelmeer berichtet, aber auch von den Bemühungen Italiens, kurzfristige Lösungen zu finden sowie vom Erfolg derartiger Bemühungen.
136Vgl. u.a. Maxwill, Flüchtlingschaos in Sizilien, Der Spiegel, online-Ausgaben vom 20., 21., 23. und 24.Juni 2016, Starker Flüchtlingsandrang in Italien, Frankfurter Rundschau, online-Ausgabe vom 30. Mai 2016.
137Auch die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln und der Zugang zu einer medizinischen Mindestversorgung (vgl. Art. 19 Richtlinie 2013/33/EU) ist während des Asyl(folge)verfahrens grundsätzlich in menschenrechtskonformer Weise gewährleistet. Asylbewerber haben Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Die übrige Versorgung erfolgt über die Unterbringungseinrichtungen, teilweise auch über karitative Organisationen.
138Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 8 f.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 3.1, an das VG Schwerin vom 25. März 2015, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 5. und 6.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 64, 82; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 5.
139Zudem ist es Asylbewerbern nach Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets 142/2015 bereits 60 Tage nach Stellung des Asylgesuchs erlaubt zu arbeiten.
140Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 81.
141Auch der EGMR hat für den Fall eines alleinstehenden (jungen) Mannes (Urteile vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) - und vom 30. Juni 2015 – 39350/13 (A.S. ./.Schweiz) -) keine Grundlage für die Annahme gesehen, ihm drohe im Fall der Rückführung nach Italien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Die Tarakhel-Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014 - 29217/12 (T. ./. Schweiz) -, mit der die Rückführung nach Italien von Garantien italienischer Behörden abhängig gemacht worden ist, beruhte auf der besonderen - hier nicht vorliegenden - Situation einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, der spezifischen Schutzbedürftigkeit von Kindern und dem Gebot der Wahrung der Familieneinheit.
142(cc) Wenn der Kläger in Italien nicht als Dublin-Rückkehrer behandelt werden sollte, sondern, weil er dort bereits subsidiären Schutz und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hat, wie alle international Schutzberechtigten, läge eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GR-Charta ebenfalls nicht vor.
143Denn auch die Lebensverhältnisse international Schutzberechtigter in Italien in vergleichbarer Lage stellen sich nicht als unmenschlich oder erniedrigend dar.
144Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind in Italien Ausländer, die dort als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt worden sind, italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt, d. h., es wird grundsätzlich von ihnen erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen.
145Vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH), Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.4.1; SFH an OVG NRW, 7. April 2016, S. 4 ff.
146Dies ist nicht menschenrechtswidrig. Art. 4 GR-Charta verpflichtet - ebenso wie der gleichlautende Art. 3 EMRK - nicht, jedermann im Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch wird damit keine allgemeine Verpflichtung begründet, Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen.
147Vgl. zu Art. 3 EMRK: EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 ‑ 30696/09 (M.S.S.) -, EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m. w. N., und Beschluss vom 2. April 2013 ‑ 27725/10 (Mohammed Hussein) -, ZAR 2013, 336 f., Rn. 70; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, juris, Rn. 119.
148Die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, reicht ebenfalls nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK bzw. von Art. 4 GR-Charta verboten wird, zu überschreiten.
149Vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 2. September 2015 ‑ 9 A 399/14 ‑, juris Rn. 46 m. w. N.
150Dies entspricht im Übrigen auch den Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass international Schutzberechtigte im Hinblick auf den Zugang zu Sozialhilfeleistungen (Art. 29), medizinischer Versorgung (Art. 30) und Wohnung (Art. 32) nicht anders als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt werden. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte – anders als die Staatsangehörigen des Mitgliedstaats – regelmäßig weder über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen noch auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen können.
151Italien hat inzwischen die Richtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umgesetzt.
152Vgl. Consiglio Italiano per i Rifugiati (CIR), Asylum Information Database (AIDA), Dezember 2015, S. 9.
153Es ist deshalb davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge sowie subsidiär Schutzberechtigte in Italien in den Genuss der in den Art. 20 bis Art. 35 dieser Qualifikationsrichtlinie genannten Rechte kommen.
154Die zurückkehrenden Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten sind zudem nicht gänzlich sich selbst überlassen.
155Kehren sie aus dem Ausland zurück, können sie sich etwa am Flughafen in Rom von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) beraten lassen.
156Vgl. Auswärtiges Amt (AA) an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5; SFH, April 2016, S. 5; zurückhaltender noch SFH, Oktober 2013, 5.1.
157Dort erfahren sie auch, welche Questura für sie zuständig ist. Diese wird informiert und der Flüchtling bzw. Schutzberechtigte erhält ein Bahnticket, um dorthin zu gelangen.
158Vgl. SFH, April 2016, S. 5; AA, Februar 2016, S. 5.
159Für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte ist die Behörde der Gemeinde zuständig, in der sie ihren Asylantrag gestellt haben.
160Vgl. SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 32, 35; SFH, Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus, 4. August 2014, S. 3.
161Der Kläger verfügt über eine Aufenthaltsbewilligung aufgrund der Gewährung subsidiären Schutzes, die bis zum 10. Juni 2019 gültig ist.
162Die Versorgung von Flüchtlingen mit Wohnraum war und ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Ein Teil kann auch nach der Anerkennung als Flüchtling in einer Einrichtung der SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugati) für begrenzte Zeit Aufnahme finden. Auch caritative Einrichtungen stellen Unterkünfte zur Verfügung.
163Vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt, 21. August 2013, S. 3.
164In großen Städten konnten Flüchtlinge zwar vor Jahren teilweise nur in besetzten Häusern, mit zum Teil hunderten von Bewohnern, ohne ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und Elektrizität unterkommen.
165Vgl. SFH/Juss-Buss, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 33, 34 f.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.2.
166Inzwischen hat sich die Situation aber verbessert. Das Auswärtige Amt hat schon im August 2013 und gegenüber dem erkennenden Gericht unter dem 23. Februar 2016 mitgeteilt, im Ergebnis könne davon ausgegangen werden, dass für die anerkannten Asylsuchenden und Flüchtlinge (und damit auch für die subsidiär Schutzberechtigten) in Italien landesweit ausreichend staatliche bzw. öffentliche oder caritative Unterkunftsmöglichkeiten (bei teilweiser lokaler Überbelegung) zur Verfügung stehen.
167Vgl. AA, August 2013, S. 3; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5.
168In Italien gibt es kein allgemeines System der Sozialhilfe. Etwaige gemeindliche Unterstützungsleistungen sind an den offiziellen Wohnsitz in der Gemeinde geknüpft.
169Vgl. SFH, Mai 2011, S. 35.
170Es gibt aber öffentliche Fürsorgeleistungen für gemeldete Ausländer und Flüchtlinge, wenn sie bereit sind, an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, z. B. speziellen beruflichen Lehrgängen, teilzunehmen.
171Vgl. Deutsche Botschaft Rom, Sozialpolitische Informationen Italien, Januar 2012, 4.6.
172Lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder NGOs unterhalten Integrationsprogramme und arbeiten dabei teilweise zusammen.
173Vgl. AA an OVG Sachsen-Anhalt, 21. Januar 2013, 7.3.
174Soweit solche Leistungen nicht greifen oder ausreichen, können Schutzberechtigte, wenn sie ‑ wie viele Italiener auch ‑ arbeitslos sind, auf Spenden caritativer Organisationen zurückgreifen.
175Vgl. borderline europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28. September 2012, Dezember 2012, 9.2, 10.4.; AA, 23. Februar 2016 an OVG NRW, S. 5, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam.
176Für eine legale, sozialversicherungspflichtige Arbeit ist ein fester Wohnsitz Voraussetzung.
177Vgl. borderline europe e. V., a. a. O.; SFH, August 2014, S. 5.
178Jedenfalls in Rom können Flüchtlinge ihren Wohnsitz im Centro Astelli/Jesuitenflüchtlingsdienst und einigen anderen Einrichtungen anmelden.
179Vgl. SFH, August 2014, S. 5.
180Der Arbeitsmarkt ist zwar schwierig. Viele Flüchtlinge, insbesondere junge Männer, die mit gleichaltrigen italienischen Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren, kommen häufig nur als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft unter.
181Vgl. SFH, Mai 2011, S. 33; SFH, Oktober 2013, 5.3.
182Daraus kann allerdings nicht auf eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta geschlossen werden.
183Bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung,
184vgl. SFH, 18. Mai 2016 an OVG NRW, S. 4; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 6, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam; vgl. Deutsche Botschaft Rom, Januar 2012, S. 25 ff.; AA an VG Freiburg, 11. Juli 2012, S. 2; AA an VG Gießen, 15. November 2012, S. 2; borderline, a. a. O., 9.2, 10.4.
185Zusammenfassend ist danach davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Italien staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, können sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten.
186(dd) Individuelle, in der Person des Klägers liegende besondere Gründe, die auf eine Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta schließen lassen, sind nicht ersichtlich. Zwar hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren eine Nierenerkrankung geltend gemacht. Dafür hat er zwei Bescheinigungen vorgelegt, zum einen für eine am 29. November 2014 durchgeführte Akutbehandlung wegen einer Nierenkolik, zum anderen eine Bescheinigung des weiterbehandelnden Arztes vom 4. Dezember 2014 mit der Diagnose linksseitige Stauungsniere bei Verdacht auf Ureterstein. In der mündlichen Verhandlung am 9. September 2015 gab er aber an, die Nierenmedikamente nicht mehr zu nehmen und lediglich ab und zu unter Schmerzen bzw. unter Erbrechen sowie unter Hämorrhoiden zu leiden. In der Folgezeit gibt es keine konkreten Angaben zu gesundheitlichen Problemen, weder den Ausführungen im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren noch dem von der zuständigen Ausländerbehörde vorgelegten Verwaltungsvorgang lässt sich derartiges entnehmen. Hier wurde - ohne konkrete Angaben - lediglich ausgeführt, der Kläger bedürfe fachärztliche Betreuung. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen, aus denen sich ein gegenwärtig bestehender Behandlungsbedarf ergibt, wurden nicht vorgelegt. Mit Blick darauf hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt, dass und wegen welcher Beschwerden er weiterhin auf ärztliche Behandlung angewiesen ist. Soweit der Kläger ferner geltend macht, er sei obdachlos und lebe vom Betteln, hat er nicht ausreichend dargelegt, dass und in welcher Art und Weise er sich überhaupt ernsthaft um eine Unterkunft und um sonstige Versorgung bemüht hat.
187II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass die Rücknahmebereitschaft im positiven Sinne geklärt sein muss. Dem Bundesamt obliegt die Prüfung, dass weder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen noch inlandsbezogene Vollzugshindernisse der Abschiebung entgegenstehen. Dies gilt auch für nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretende Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe.
188Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, juris, Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, und vom 3. März 2015 - 14 B 102/15.A -, juris.
189Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich. Das Bestehen von gegenwärtig noch behandlungsbedürftigen Erkrankungen hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt. Die Voraussetzungen für ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Die Rückführung ist tatsächlich möglich. Zwar hat Italien die Überstellung nach der Dublin-VO abgelehnt, weil die dortigen Behörden der Auffassung waren, die Dublin-Verordnungen finde im vorliegenden Fall keine Anwendung (mehr). Italien hat aber seine Bereitschaft zur Übernahme nach dem Übernahmeabkommen erklärt und den Kläger auch (schon das zweite Mal) tatsächlich übernommen.
190C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
191Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
192Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt, um nach Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichthofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen einzuholen:
1. Ist ein Asylbewerber nur dann flüchtig im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) 604/2013, wenn er sich gezielt und bewusst dem Zugriff der für die Durchführung der Überstellung zuständigen nationalen Behörden entzieht, um die Überstellung zu vereiteln bzw. zu erschweren, oder genügt es, wenn er sich über einen längeren Zeitraum nicht mehr in der ihm zugewiesenen Wohnung aufhält und die Behörde nicht über seinen Verbleib informiert ist und deshalb eine geplante Überstellung nicht durchgeführt werden kann?
Kann sich der Betroffene auf die richtige Anwendung der Vorschrift berufen und in einem Verfahren gegen die Überstellungsentscheidung einwenden, die Überstellungsfrist von sechs Monaten sei abgelaufen, weil er nicht flüchtig gewesen sei?
2. Kommt eine Verlängerung der Frist nach Art. 29 Abs. 1 UA 1 VO (EU) 604/2013 allein dadurch zustande, dass der überstellende Mitgliedstaat noch vor Ablauf der Frist den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass der Betreffende flüchtig ist, und zugleich eine konkrete Frist benennt, die 18 Monate nicht übersteigen darf, bis zu der die Überstellung durchgeführt werden wird, oder ist eine Verlängerung nur in der Weise möglich, dass die beteiligten Mitgliedstaaten einvernehmlich eine verlängerte Frist festlegen?
3. Ist eine Überstellung des Asylbewerbers in den zuständigen Mitgliedstaat unzulässig, wenn er für den Fall einer Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus dort im Hinblick auf die dann zu erwartenden Lebensumstände einem ernsthaften Risikos ausgesetzt wäre, eine Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren?
Fällt diese Fragestellung noch in den Anwendungsbereich des Unionsrechts?
Nach welchen unionsrechtlichen Maßstäben sind die Lebensverhältnisse des anerkannten international Schutzberechtigten zu beurteilen?
Der Senat beantragt die Anordnung eines Eilvorabentscheidungsverfahrens.
Gründe
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Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
II.
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Eilantrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung nicht die gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Zur Begründung wird insoweit auf die nachstehenden Ausführungen Bezug genommen.
3Die am 13. Dezember 2018 sinngemäß gestellten Anträge,
4die aufschiebende Wirkung der Klage 29 K 10105/18.A gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. Dezember 2018 anzuordnen,
5hilfsweise, die Antragsgegnerin unter entsprechender Abänderung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. Dezember 2018 zu verpflichten, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf einen Monat zu befristen,
6haben keinen Erfolg.
7I.
8Der Hautpantrag ist zulässig, aber unbegründet.
9Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) statthaft. Ferner ist die dort bestimmte Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheides (hier: 13. Dezember 2018) gewahrt.
10Es handelt sich entgegen der Auffassung der Antragsteller bei dem vorliegenden Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch um einen den Vorgaben des Europäischen Unionsrechts genügenden wirksamen Rechtsbehelf.
11Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 19. Juni 2018 (C-181/19) entschieden, dass bei einer Rückkehrentscheidung und einer etwaigen Abschiebungsentscheidung das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf dadurch zu gewährleisten sei, dass der Person, die internationalen Schutz beantragt habe, das Recht zuzuerkennen sei, vor mindestens einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, der kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung habe.
12EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 -, juris, Rdn. 58.
13Um den in Kapitel III der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) genannten Verfahrensgarantien und den sonstigen einschlägigen Bestimmungen des Unions- und des nationalen Rechts gerecht zu werden, hätten die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz seine volle Wirksamkeit entfalte, wobei der Grundsatz der Waffengleichheit zu wahren sei, so dass während der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs und, falls er eingelegt werde, bis zur Entscheidung über ihn u.a. alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung auszusetzen seien.
14EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 -, juris, Rdn. 61; EuGH, Beschluss vom 5. Juli 2018 - C‑269/18 -, juris, Rdn. 50 f.
15Im Übrigen müsse der Betroffene bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die erstinstanzliche Ablehnung seines Antrags auf internationalen Schutz durch die zuständige Behörde grundsätzlich in den Genuss der Rechte aus der Richtlinie 2003/9/EG (Aufnahmerichtlinie) kommen können.
16EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 -, juris, Rdn. 63.
17Überdies müssten die Mitgliedstaaten, da eine Person, die internationalen Schutz beantragt habe, ein Bleiberecht bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung haben müsse, es den Betroffenen ermöglichen, sich auf jede nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetretenen Änderung der Umstände zu berufen, die in Anbetracht der Richtlinie 2008/115/EG und insbesondere ihres Art. 5 erheblichen Einfluss auf die Beurteilung ihrer Situation haben könne.
18EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 -, juris, Rdn. 64.
19Der EuGH hat diese Grundsätze in einer nachfolgenden Entscheidung auch auf Fälle ausgeweitet, in denen der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Nach Art. 46 Abs. 5 und 6 der Richtlinie 2013/32/EG (Asylverfahrensrichtlinie) habe der Betroffene dann bis zur Entscheidung über seinen Rechtsbehelf kein volles Bleiberecht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats. Im Einklang mit den Anforderungen von Art. 46 Abs. 6 letzter Unterabsatz der Richtlinie müsse er jedoch ein Gericht anrufen können, das darüber zu entscheiden habe, ob er in diesem Hoheitsgebiet verbleiben könne, bis in der Sache über seinen Rechtsbehelf entschieden werde. Art. 46 Abs. 8 der Richtlinie sehe vor, dass der betreffende Mitgliedstaat dem Betroffenen bis zur Entscheidung über sein Bleiberecht in diesem Verfahren gestatten müsse, in seinem Hoheitsgebiet zu verbleiben
20EuGH, Beschluss vom 5. Juli 2018 - C-269/18 -, juris, Rdn. 53.
21Es ist schon zu bezweifeln, ob diese vom EuGH entwickelten Grundsätze auch auf Fälle anwendbar sind, in denen der Asylantrag nicht in der Sache geprüft, sondern – wie hier – wegen der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als unzulässig abgelehnt worden ist. Die Beantwortung dieser Frage kann jedoch offen bleiben, da den Betroffenen im Rahmen des Dublin-Verfahrens jedenfalls ein wirksamer Rechtsbehelf im oben genannten Sinne zur Verfügung steht.
22Im Anwendungsbereich der Dublin III-VO werden die Anforderungen, die nach Art. 47 EU-GR-Charta und der Rechtsprechung des EuGH an einen wirksamen Rechtsbehelf gestellt werden, von Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufgegriffen und konkretisiert. Danach sehen die Mitgliedstaaten zum Zwecke eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellungsentscheidung oder einer Überprüfung einer Überstellungsentscheidung in ihrem innerstaatlichen Recht vor, dass die betroffene Person aufgrund des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung berechtigt ist, bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu bleiben (Buchst. a); oder dass die Überstellung automatisch ausgesetzt wird und diese Aussetzung innerhalb einer angemessenen Frist endet, innerhalb der ein Gericht, nach eingehender und gründlicher Prüfung, darüber entschieden hat, ob eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung gewährt wird (Buchst. b); oder die betreffende Person die Möglichkeit hat, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen. Dabei sorgen die Mitgliedstaaten für einen wirksamen Rechtsbehelf in der Form, dass die Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist. Die Entscheidung, ob die Durchführung der Überstellungsentscheidung ausgesetzt wird, wird innerhalb einer angemessenen Frist getroffen, welche gleichwohl eine eingehende und gründliche Prüfung des Antrags auf Aussetzung ermöglicht. Die Entscheidung, die Durchführung der Überstellungsentscheidung nicht auszusetzen, ist zu begründen (Buchst. c).
23Diesen Vorgaben wird die nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 AsylG mit Wirkung zum 6. September 2013 eingeführte,
24Gesetz vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474 (Nr. 54), abrufbar unter: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl113s3474.pdf%27%5D__1547803538580,
25Möglichkeit der Überprüfung einer Überstellungsentscheidung gerecht. Die Antragsteller können – und haben im vorliegenden Fall – beim beschließenden Gericht fristwahrend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsanordnung beantragt. In diesem Verfahren haben sie Gelegenheit, ihre Einwände gegen die behördliche Entscheidung in vollem Umfang geltend zu machen. Auch steht es ihnen zu, ihre Beurteilung bezogen auf Abschiebungsverbote darzutun. Dieser fristgerecht gestellte Antrag hat entsprechend der europarechtlichen Vorgaben gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG kraft Gesetzes zur Folge, dass die Abschiebung vor der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag nicht zulässig ist und die Antragsteller bis zur Entscheidung im Eilverfahren im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen. Diese normative Schutzanordnung, die über ein bloßes Absehen von der Abschiebung durch den Mitgliedstaat hinausgeht, bewirkt – wie vom EuGH in der von den Antragstellern zitierten Entscheidung gefordert – kraft Gesetzes eine vorübergehende aufschiebende Wirkung dieses Rechtsbehelfs gegenüber der Abschiebungsanordnung.
26Vgl. entsprechend für § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG im Falle einer Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet: VG Münster, Beschluss vom 8. Oktober 2018 - 9 L 976/18 -, juris, Rdn. 11; VG Frankfurt, Beschluss vom 26. November 2018 - 5 L 4508/18.F.A -, juris, Rdn. 19; VG Berlin, Beschluss vom 30. November 2018 - 31 L 682.18 A -, juris, Rdn. 22 ff.; VG Ansbach, Beschluss vom 7. Dezember 2018 - AN 4 S 18.31385 -, juris, Rdn. 14 ff.; VG Stuttgart, Beschluss vom 11. Dezember 2018 - A 2 K 10728/18 -, juris, Rdn. 5; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Dezember 2018 - 11 L 3248/18.A -, juris, Rdn. 22; a.A.: VG Arnsberg, Beschluss vom 17. Dezember 2018 - 3 L 1935/18.A -, juris, Rdn. 10 ff.; offen gelassen: VG Würzburg, Beschluss vom 24. September 2018 - W 2 S 18.31990 -, juris, Rdn. 14.
27Der Antrag ist aber unbegründet.
28Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse der Antragsteller an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das bezüglich der Abschiebungsanordnung durch § 75 AsylG gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragsteller aus. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides begegnet bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Greifbare Anhaltspunkte, aufgrund derer das Suspensivinteresse der Antragsteller das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen könnte, sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.
29Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AsylG. Danach ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
30Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
31Vorliegend ist Belgien für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragsteller zuständig. Zwar war in dem nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (am 17. Juli 2015) die Zuständigkeit Österreichs nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO gegeben. Die Zuständigkeit ist jedoch zwischenzeitlich auf Belgien übergegangen, da der von den Antragstellern am 21. August 2015 dort gestellte Asylantrag von den belgischen Behörden materiell geprüft worden ist, ohne dass ein Dublin-Verfahren nach Österreich eingeleitet worden wäre (siehe Schreiben der österreichischen Behörden vom 10. Oktober 2017). Damit haben die belgischen Behörden von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch gemacht.
32Dass die Antragsteller nach Ablehnung ihres Asylantrags in Belgien am 10. August 2017 in das Bundesgebiet einreisten, am 7. Mai 2018 nach Belgien überstellt wurden und, nachdem sie am 12. Juni 2018 zum zweiten Mal erfolglos in Belgien um Asyl nachgesucht hatten, am 22. November 2018 erneut in das Bundesgebiet einreisten, um hier einen Asylantrag zu stellen, vermag an der einmal begründeten Zuständigkeit Belgiens nichts zu ändern. Denn nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO wird der Asylantrag nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Vorschriften der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt worden ist. Dies folgt auch aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO, wonach der zuständige Mitgliedstaat (hier: Belgien) nach erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens verpflichtet ist und bleibt, den Asylantragsteller wieder aufzunehmen.
33Die für Belgien anzunehmende Zuständigkeit ist auch nicht nachträglich entfallen. Insbesondere hat das Bundesamt innerhalb der in Art. 23 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin III-VO genannten Frist am 29. November 2018 ein Wiederaufnahmegesuch an Belgien gerichtet. Belgien hat dem Wiederaufnahmegesuch mit Schreiben vom 5. Dezember 2018 auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO stattgegeben.
34Ferner ist die Zuständigkeit nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III‑VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Antragsgegnerin übergegangen. Die Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Belgien liegt weniger als sechs Monate zurück und die Überstellungsfrist wurde durch die Stellung des vorliegenden fristgerecht gestellten Eilantrages unterbrochen.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 ‑ 1 C 15/15 ‑, juris, Rdn. 11.
36Darüber hinaus können sich die Antragsteller auch nicht erfolgreich darauf berufen, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO Gebrauch zu machen, weil ihrer Überstellung nach Belgien rechtliche Hindernisse entgegenstünden. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert nur die Überstellung dorthin, begründet aber kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
37vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C 394/12 -, juris, Rdn. 60, 62 und Urteil vom 14. November 2013 - C 4/11 -, juris, Rdn. 37; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -, juris, Rdn. 7.
38Davon abgesehen ist die Antragsgegnerin aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO – nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO gehindert, die Antragsteller nach Belgien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die für die Antragsteller eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH),
39EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413,
40der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
41Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 94.
42Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta implizieren,
43EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 86.
44Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rdn. 6 ff. m.w.N.
46Nach diesen Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Belgien mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr einer den Antragstellern drohenden unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta, Art. 3 EMRK im Falle ihrer Überstellung nach Belgien nach sich ziehen könnten. Dem erkennenden Gericht liegen keine Erkenntnisse vor, die den Schluss rechtfertigen würden, Belgien halte die in der EU-GR-Charta, der EU, der EMRK oder der GFK verbrieften Rechte von Asylbewerbern nicht ein.
47Vgl. ebenso: VG Cottbus, Beschluss vom 19. September 2017 - 5 L 208/17.A -, juris, Rdn. 20 ff.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 18. September 2017 - 12 K 4286/17.A -, juris, Rdn. 40; VG Köln, Beschluss vom 11. September 2017 - 14 L 3469/17.A -, juris, Rdn. 8 ff.; VG München, Beschluss vom 27. Juli 2017 - M 9 S 16.51044 -, juris, Rdn. 14; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28. September 2016 - 13 L 1014/16.A -, juris, Rdn. 81 ff., jeweils m.w.N.
48Insbesondere haben Dublin-Rückkehrer in Belgien vollen Zugang zum Asylsystem und das Recht auf Versorgung wie normale Asylbewerber. Die Versorgung beinhaltet unter anderem Unterkunft, Nahrung, Kleidung, medizinische, soziale und psychologische Hilfe. Das Recht auf medizinische Versorgung umfasst im Wesentlichen alle Leistungen, die die belgische Krankenkasse übernimmt. Es gibt eigene Stellen, die sich um die psychologische Betreuung von Asylbewerbern kümmern. Außerdem existiert in Wallonien eine auf traumatisierte Asylbewerber spezialisierte Unterbringungseinrichtung des Roten Kreuzes. Wenn die Versorgung als Sanktionsmaßnahme reduziert oder ganz beendet wird, ist das Recht auf medizinische Versorgung davon ausgenommen. Nach negativ abgeschlossenem Asylverfahren und Auslaufen des Rechts auf Versorgung wird jedenfalls medizinische Nothilfe weiterhin gewährt.
49Vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Belgien, Gesamtaktualisierung am 20.9.2016, S. 6, 8, 9. f.; Asylum Information Database (aida), Country Report: Belgium, 2017 Update, S. 76 ff.
50Es existieren gesetzliche Mechanismen, nach denen die persönliche Situation von Asylbewerbern binnen 30 Tagen nach deren Zuweisung zu einer Unterbringungseinrichtung zu untersuchen ist, um vulnerable Personen – z.B. alleinstehende Elternteile mit Kindern – identifizieren und entsprechend ihrer besonderen Bedürfnisse behandeln zu können.
51Vgl. Asylum Information Database (aida), Country Report: Belgium, 2017 Update, S. 78 ff.; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Belgien, Gesamtaktualisierung am 20.9.2016, S. 6.
52Dass die Asylanträge der Antragsteller in Belgien abgelehnt worden sind mit der Folge, dass ihnen gegebenenfalls eine Abschiebung in den Irak droht, führt ebenfalls nicht zu der Annahme, dass das belgische Asylsystem mit systemischen Mängeln behaftet wäre. Es kann schon nicht abschließend beurteilt werden, aus welchen Gründen die Asylanträge der Antragsteller konkret abgelehnt worden sind. Es bestehen jedoch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass ihr Asylbegehren von den belgischen Behörden in einem rechtsstaatlichen Verfahren, das den Mindestanforderungen des Europäischen Rechts genügt, geprüft worden ist.
53Sollten die Antragsteller Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der belgischen Behörden haben, sind sie darauf zu verweisen, in Belgien Rechtsschutz zu suchen. Denn die Frage, ob die Ablehnung der Asylanträge durch die belgischen Behörden rechtsfehlerhaft gewesen ist, unterliegt ausschließlich der Jurisdiktion der zuständigen Gerichte in Belgien.
54Vgl. dazu: EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/15 -, juris, Rdn. 62; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2014 - 13 L 171/14.A -, juris, Rdn. 45.
55Auch dem Vorbringen der Antragsteller sind keine Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems oder der Aufnahmebedingungen in Belgien zu entnehmen. Soweit sie vorgetragen haben, sei hätten während ihres Aufenthaltes in Belgien keine medizinische Versorgung erhalten, decken sie sich nicht mit dem vorliegenden Erkenntnismaterial und sind überdies in sich widersprüchlich. So hat die Antragstellerin zu 1. im Rahmen der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 28. November 2018 gegenüber dem Bundesamt zunächst angegeben, dass weder sie selbst noch der Antragsteller zu 2. während ihres (letzten) sechsmonatigen Aufenthalts in Belgien medizinisch behandelt worden sei (Bl. 31 f. der Bundesamtsakte). Anschließend hat sie jedoch erklärt, sie habe die ärztlichen Unterlagen aus Deutschland einem Arzt in Belgien gegeben und daraufhin Medikamente verschrieben bekommen. Darüber hinaus sei auch der Antragsteller zu 2. während des (letzten) Aufenthaltes in Belgien beim Arzt gewesen. Er habe für Dezember einen Termin bekommen, nachdem der Arzt im Camp Autismus bei ihm diagnostiziert habe (Bl. 33 der Bundesamtsakte). Auch hat die Antragstellerin zu 1. schon während ihres ersten in Deutschland durchgeführten Asylverfahrens gegenüber dem Bundesamt erklärt, vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet in Belgien in ärztlicher Behandlung gewesen zu sein (Bl. 101 der Bundesamtsakte zum Az. 7189949).
56Dass die Antragsteller im Falle ihrer Überstellung nach Belgien obdachlos werden könnten, ist ebenfalls nicht zu befürchten. Die Antragstellerin zu 1. hat während der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 28. November 2018 gegenüber dem Bundesamt selbst angegeben, der Antragsteller zu 2. sei während des (letzten) sechsmonatigen Aufenthalts in Belgien nicht aus dem Zimmer herausgekommen und von einem Arzt im Camp untersucht worden (Bl. 32 und 33 der Bundesamtsakte). Es spricht insofern Alles dafür, dass die Antragsteller in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht waren. Dass dies bei einer erneuten Überstellung nicht der Fall sein könnte, ist nicht dargetan und geht auch aus dem vorliegenden Erkenntnismaterial nicht hervor.
57Soweit die Antragsteller im Rahmen des vorliegenden Verfahrens erklärt haben, sie hätten nach ihrer Rückkehr nach Belgien ein paar Tage im Bahnhof geschlafen und Angst gehabt, die Behörden in Belgien würden sie in den Irak abschieben, geht daraus nicht hervor, ob sich die Antragsteller nach ihrer Überstellung überhaupt zum Zwecke der Unterbringung an die belgischen Behörden gewandt haben.
58Darüber hinaus berufen sich die Antragsteller (sinngemäß) ohne Erfolg auf die an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2017 (1 C 26.16) sowie des Verwaltungsgerichts Baden-Württemberg vom 15. März 2017 (A 11 S 2151/16). Die Antragsteller haben schon nicht hinreichend dargelegt, dass eine der darin aufgeworfenen Fragen für ihr Verfahren entscheidungserheblich ist und deshalb – ggf. im Rahmen einer offenen Abwägungsentscheidung – wegen des Vorliegens einer unionsrechtlich ungeklärten Rechtsfrage zu berücksichtigen wäre.
59Die Fragen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 27. Juni 2017 dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt hat, betreffen die Antragsteller bereits deshalb nicht, weil diese ausschließlich die Situation der in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt Schutzberechtigten beziehungsweise Verfahrensfragen bei einer unterbliebenen Anhörung zum Gegenstand haben. Die Antragsteller haben in Belgien keinen Schutzstatus erhalten und machen – soweit ersichtlich – keine Anhörungsmängel geltend.
60Die Antragsteller berufen sich auch ohne Erfolg auf die dem EuGH vorgelegte Frage, ob ein Asylantrag auch dann als unzulässig abgelehnt werden kann, wenn ein Asylantragsteller im Falle einer Zuerkennung des internationalen Schutzes im zuständigen Mitgliedstaat im Hinblick auf die dann zu erwartenden Lebensumstände einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GR-Charta zu erfahren,
61VGH Baden-Württemberg, Vorlagebeschluss vom 15. März 2017 - A 11 S 2151/16 -, juris.
62Nach eigenen Angaben wurden die Asylbegehren der Antragsteller wiederholt abgelehnt, so dass es auf die Frage, wie sich die Lebenssituation von international Schutzberechtigten in Belgien darstellt, vorliegend nicht ankommen dürfte. Sollte den Antragstellern die Möglichkeit offen stehen, einen Asylfolgeantrag zu stellen, würde dies zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung führen. Denn Dauer und Ausgang des Asyl(folge)verfahrens der Antragsteller in Belgien wären völlig offen. Ob es tatsächlich mit der Gewährung eines internationalen Schutzstatus für die Antragsteller seinen Abschluss finden würde, wäre ungewiss, so dass schon zweifelhaft ist, ob diese Frage überhaupt Prüfungsgegenstand im Rahmen eines Verfahrens wie dem vorliegenden sein kann. Eine Prüfung der für den Fall einer Zuerkennung des internationalen Schutzstatus zu erwartenden Lebensumstände sieht das Dublin-Verfahren im Übrigen nicht vor (vgl. Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO). Es würde dem Sinn und Zweck des Dublin-Verfahrens widersprechen, von dem für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens an sich nicht zuständigen Mitgliedstaat eine wenn auch nur summarische Prüfung der Erfolgsaussichten zu verlangen. Eine Prognose der Erfolgsaussichten des in einem anderen Mitgliedstaat durchzuführenden Asylverfahrens wäre mit großen Unsicherheiten belastet und würde einen zusätzlichen Ermittlungsaufwand erfordern, der für die angestrebte beschleunigte Bearbeitung der Asylanträge kontraproduktiv wäre. Darüber hinaus ist nicht absehbar, ob und wie sich die allgemeinen Lebensbedingungen für anerkannte Schutzberechtigte im Lauf des sich unter Umständen länger hinziehenden Asyl(folge)verfahrens der Antragsteller verändern würden. Eine Prognose über die Lebensumstände, die die Antragsteller für den Fall ihrer Zuerkennung internationalen Schutzes in Belgien zu erwarten hätten, wäre insofern weitgehend spekulativ.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2017,11 A 52/17.A, juris, Rdn. 94; VG Augsburg, Beschluss vom 6. Oktober 2017 - Au 3 S 17.50239 -, juris, Rdn. 12.
64Individuelle, in der Person der Antragsteller liegende besondere Gründe, die eine Überstellung als menschenrechtswidrig erscheinen lassen, sind nicht geltend gemacht und auch im Übrigen nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die von ihnen geltend gemachten Erkrankungen (dazu sogleich).
65Unter diesen Umständen steht gegenwärtig auch im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat nach dieser gesetzlichen Maßgabe neben zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen auch zu prüfen, ob der Abschiebung inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegenstehen. Für eine insoweit eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde verbleibt daneben kein Raum,
66vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rdn. 4; OVG Niedersachsen, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, juris, Rdn. 41; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris, Rdn. 4 ff.; VGH Bayern, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rdn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rdn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, juris, Rdn. 4 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris, Rdn. 9 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04 -, juris, Rdn. 9 ff.
67Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen,
68vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris, m.w.N.
69Anhaltspunkte für derartige zielstaats- oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse liegen nicht vor. Insbesondere führen die von den Antragstellern geltend gemachten Erkrankungen nicht zum Vorliegen eines Abschiebungshindernisses.
70Soweit die Antragsteller geltend machen, der Antragsteller zu 2. sei Autist und auch im Übrigen auf Grund der zeitweiligen Obdachlosigkeit und der permanenten Ortswechsel verhaltensauffällig und traumatisiert, fehlt es an diesbezüglichen aussagekräftigen Belegen. Ärztliche/Psychiatrische Atteste oder anderweitige Unterlagen sind bislang von den Antragstellern nicht vorgelegt worden, so dass belastbare Anhaltspunkte für eine – gegebenenfalls zu einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 AufenthG führende – Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 2. nicht vorliegen. Daran vermag auch das Schreiben des Arbeitskreises Asyl N. vom 14. Dezember 2018 nichts zu ändern. Denn es handelt sich dabei schon nicht um eine ärztliche Bescheinigung, die den inhaltlichen Anforderungen des § 60a Abs. 2c) AufenthG gerecht wird. Im Übrigen beruhen die dort gemachten Angaben im Wesentlichen auf Angaben der Antragstellerin zu 1. selbst oder der Beratungsstelle der Caritas in S. .
71Aus den gleichen Gründen kann in Bezug auf den Antragsteller zu 2. auch das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht festgestellt werden. Im Übrigen dürfte der Antragsteller zu 2. eine gegebenenfalls erforderliche medizinische Behandlung auch in Belgien erhalten.
72In Bezug auf die von der Antragstellerin zu 1. selbst geltend gemachten Erkrankungen kann das Vorliegen eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses ebenfalls nicht festgestellt werden. Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis in Form der Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn sich der Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 1. unmittelbar durch die Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich verschlechtern wird. Bei einer – hier vornehmlich in Betracht kommenden – psychischen Erkrankung ist davon im Wesentlichen dann auszugehen, wenn im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung droht, der darüber hinaus auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise, etwa durch vorbeugende Maßnahmen nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) – wie z.B. der vorübergehenden Unterbringung in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung – begegnet werden kann.
73StRspr., vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Februar 2006 - 18 A 916/05 -, juris, Rdn. 16, vom 27. Juli 2006 - 18 B 586/06 -, juris, Rdn. 26, vom 17. Februar 2006 - 18 B 52/06 -, juris, Rdn. 8, vom 29. November 2010 - 18 B 910/10 -, juris, Rdn. 15 und vom 28. Dezember 2010 - 18 B 1599/10 -, juris, Rdn. 16.
74Entsprechende Umstände sind nicht vorgetragen und auch den vorgelegten ärztlichen Unterlagen nicht zu entnehmen.
75Soweit die Antragstellerin zu 1. zum Nachweis ihrer Erkrankungen einen Bericht von Dr. med. N1. K. vom 13. Dezember 2017, einen Bericht des N2. -Hospitals in F. vom 6. Februar 2018 und jeweils ein Nervenärztliches Attest und einen Bericht von X. F1. vom 22. Februar 2018 vorgelegt hat, sind diese Unterlagen schon auf Grund ihres Alters nicht (mehr) geeignet, den Nachweis über eine aktuell bestehende Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1. zu erbringen.
76Aus den oben genannten Gründen gilt dies auch für das Schreiben des Arbeitskreises Asyl N. vom 14. Dezember 2018.
77Ungeachtet dessen geht aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen aber auch nicht hervor, dass der Antragstellerin zu 1. im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung droht.
78Ausweislich des Berichts von Dr. med. N1. K. vom 13. Dezember 2017 seien bei der Antragstellerin zu 1. eine schwere depressive Episode, eine generalisierende Angsterkrankung, eine Anpassungsstörung, eine nichtorganische Insomnie, das Auftreten von Albträumen, eine Neurasthenie und Bronchial-Asthma diagnostiziert worden. Die Medikation bestehe aus Citalopram und Mirtazapin. Eine Rückkehr in den Irak sei eine sichere Verschlimmerung für die Antragstellerin zu 1., da sie dort sozial geächtet und in den Tod getrieben werde. Auch die eigene psychische Verfassung verbiete eine Rückkehr, weil die Angst und der innere Druck sehr stark wirkten und insofern ein Reisehindernis darstellten. Die Antragstellerin zu 1. sei daher krankheitsbedingt nicht reisefähig.
79Aus dem Bericht des N2. -Hospitals vom 6. Februar 2018 geht zudem hervor, dass bei der Antragstellerin zu 1. ein exazerbiertes Asthma bronchiale sowie eine Panikattacke bei den im Arztbericht vom 13. Dezember 2017 bekannten Vorerkrankungen diagnostiziert worden sei. Sie sei vom 4. bis 6. Februar 2018 stationär behandelt und im Verlauf beschwerdeverbessert entlassen worden.
80Dem Nervenärztlichen Attest und dem Arztbrief von X. F1. (jeweils vom 22. Februar 2018) ist zu entnehmen, dass die Antragsteller auf Grund ihrer aktuellen Verfassung nicht in der Lage seien, eine Rückkehr in den Irak durchzustehen. Im Falle einer Abschiebung nach Belgien drohe jedoch genau das. Die Antragstellerin zu 1. leide an einer Posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen. Die Therapie solle aus stützenden Gesprächen bestehen; die Medikation werde fortgesetzt. Bei Bedarf könne die Antragstellerin zu 1. auch Alprazolam nehmen. Eine Rückkehr werde unter den derzeitigen ungeklärten Bedingungen und wegen der Gefährdung im Heimatland sowie angesichts der bestehenden depressiven Erkrankung nicht für zumutbar gehalten.
81Im Schreiben des Arbeitskreises Asyl N. vom 14. Dezember 2018 heißt es schließlich, der Zustand der Antragstellerin zu 1. sei sehr besorgniserregend. Sie habe in Gesprächen mehrfach Suizidabsichten geäußert und nehme starke Medikamente zur Beruhigung. Bei einer Untersuchung sei bei ihr Diabetes diagnostiziert worden, die auf Grund der starken Medikamente derzeit nicht behandelt werden könne. Die Antragstellerin zu 1. berichte von ständig wiederkehrenden Alpträumen und von ihrer Todesangst, in den Irak zurück zu müssen. Bei der Antragstellerin zu 1. bestehe dringender Behandlungsbedarf. Eine erneute Abschiebung nach Belgien, die mit der Panik vor einer Kettenabschiebung in den Irak verbunden sei, werde die Situation weiter verschlimmern.
82Der Einzelrichter hat auf Grundlage dieser Unterlagen nicht die Überzeugungsgewissheit gewonnen, dass die Antragstellerin zu 1. im Falle der Überstellung nach Belgien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine suizidale Krise erleiden wird, die ein inlandsbezogenes Vollzugshindernis darstellt.
83Es liegen keine Anhaltspunkte für eine anhaltende, auch gegenwärtig bestehende akute Suizidalität vor. Soweit es in dem Bericht von Dr. med. N1. K. heißt, die Antragstellerin zu 1. werde im Irak sozial geächtet und in den Tod getrieben, bezieht sich diese Einschätzung zum einen ersichtlich nicht auf die hier in Rede stehende Überstellung nach Belgien. Zum anderen ist nicht erkennbar, auf Grund welcher Erkenntnisse Dr. K. zu dieser Einschätzung gelangt ist.
84Soweit Herr X. F1. in seinen Attesten und Berichten angibt, er halte eine Rückkehr der Antragstellerin zu 1. nach Belgien für unzumutbar, geht daraus nicht hervor, welche gesundheitlichen Folgen eine Überstellung konkret für die Antragstellerin zu 1. haben würde. Jedenfalls lässt sich dem nicht entnehmen, dass die Antragstellerin zu 1. in diesem Fall eine suizidale Krise erleiden würde.
85Sollte die Antragstellerin zu 1. tatsächlich Suizidgedanken geäußert haben, rechtfertigt die zeitlich begrenzte bloße Hinwendung zu Selbsttötungsgedanken ohne das Hinzutreten äußerer damit im Zusammenhang stehender Anzeichen einer Gesundheitsverschlechterung wie Verletzungshandlungen, körperlichem Verfall oder vegetativen Auffälligkeiten die Annahme einer besonders intensiven Gesundheitsverletzung nicht. Charakteristisch für derartige Ankündigungen ist, dass damit die Möglichkeit der Umsetzung einer Selbsttötung erst ins Blickfeld des Adressaten rückt und dies in der Regel auch bewusst veranlasst wird. Mangels zuverlässiger Überprüfbarkeit der dahinterstehenden Motivation und Ernsthaftigkeit muss schon die Äußerung als solche regelmäßig zu der Bewertung führen, dass suizidale Handlungen nicht ausgeschlossen werden können, was gleichbedeutend damit ist, dass die Möglichkeit einer Selbsttötung besteht. In gleichem Maße besteht diese Möglichkeit aber bei demjenigen, der entsprechende Gedanken hat, diese aber nicht äußert. Die Äußerung hat deswegen isoliert betrachtet wenig Aussagekraft. Die daraus allenfalls ableitbare Möglichkeit suizidaler Handlungen kann sich nur bei Hinzutreten weiterer Indizien zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit verdichten.
86Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2015 - 13 A 1201/12.A -, juris Rdn. 44 (für eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG).
87Daran fehlt es hier. Soweit dem Schreiben des Arbeitskreises Asyl N. vom 14. Dezember 2018 und der Medizinischen Dokumentation durch die ZUE L. vom 21. November 2017 (Bl. 75 der Bundesamtsakte zum Az. 7673292) zu entnehmen ist, dass die Antragstellerin zu 1. mehrfach Suizidgedanken geäußert habe, ist dies zum einen nicht substantiiert genug und genügt zum anderen aus den oben genannten Gründen nicht, um daraus auf die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Selbsttötung im Falle einer Überstellung nach Belgien schließen zu können. Anhaltspunkte für eine Abkehr von „bloßen“ Suizidideen hin zur konkreten Ausführung liegen nämlich nicht vor.
88Schließlich ist davon auszugehen, dass einer gegebenenfalls bestehenden Gefahr der Selbsttötung jedenfalls durch ärztliche Hilfen oder durch vorübergehende Unterbringung in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung begegnet werde könnte.
89Ungeachtet der vorstehenden Erwägungen steht es den Antragstellern offen, etwaige gesundheitliche Probleme gegenüber den belgischen Behörden geltend zu machen.
90Sonstige Gründe für ein Überwiegen des Interesses der Antragsteller, von der Vollziehung der Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse sind nicht erkennbar.
91II.
92Der Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
93Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass die Antragsteller die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und ein Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln (Anordnungsanspruch) glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
94Ausgehend davon, dass die Abschiebung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auslöst,
95vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - BVerwG 1 C 26.14 -, juris Rn. 27,
96haben die Antragsteller zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Dass den Antragstellern ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG entgegengehalten werden kann, ist hier ohne Hinzutreten eventueller konkreter Auswirkungen auf ihren Einzelfall als wesentlicher Nachteil im Sinne des § 123 Abs. 3 Satz 2 VwGO anzusehen.
97Die Antragsteller haben jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die streitgegenständliche Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ist nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsteller haben weder einen Anspruch auf eine kürzere Befristung noch ist ihr Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Befristung verletzt.
98Bei der Entscheidung über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG, die von Amts wegen zu erfolgen hat (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Diese ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich nur darauf, ob die Behörde das Ermessen in seiner Reichweite erkannt, ihre Erwägungen am Zweck der Ermessensermächtigung ausgerichtet und die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten hat, § 114 Satz 1 VwGO, § 40 VwVfG.
99Nach diesen Maßstäben begegnet die Befristungsentscheidung des Bundesamtes keinen rechtlichen Bedenken. Mit einer Befristung auf 24 Monate ab dem Tag der Abschiebung hat das Bundesamt die Reichweite seines Ermessens nicht überschritten. Aus der Begründung ist zudem erkennbar, dass es seine Erwägungen am Zweck der Ermessensermächtigung ausgerichtet hat, indem es das öffentliche Interesse an dem Verbot einer kurzfristigen Wiedereinreise der Antragsteller mit deren Interesse an einer erneuten Einreise in das Bundesgebiet abgewogen hat. Schließlich ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das Bundesamt diese Abwägung auf der Grundlage eines falschen Sachverhalts vorgenommen hätte oder sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt nachträglich in einer Weise verändert hätte, die eine Ergänzung der Ermessensausübung erfordern würde.
100Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß §§ 83b, 83c AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
101Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
- 1
Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte unter Androhung der Abschiebung nach Bulgarien festgestellt hat, dass ihnen in Deutschland kein Asylrecht zusteht.
- 2
Die Kläger sind eigenen Angaben zufolge Syrer. Sie tragen vor dass sie Syrien im Oktober 2013 verlassen und über die Türkei zunächst nach Bulgarien gereist seien, wo sie sich nach ihren Angaben acht Monate lang aufhielten. Auf ihren in Bulgarien gestellten Asylantrag wurde ihnen dort am 14. April 2014 der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Etwa zwei Monate später reisten sie mit ihren bulgarischen Reiseausweisen für Flüchtlinge weiter und gelangten am 18. Juni 2014 nach Deutschland, wo sie an der Grenze in einem Kleinbus von der Polizei angehalten wurden. Bei der Vernehmung des Klägers zu 1) durch die Polizei ... gab er zunächst an, mit seiner Familie …, für fünf Tage besuchen zu wollen, räumte dann aber nach weiterer Befragung ein, in Deutschland bleiben zu wollen und dass sie vorhätten, auch in Deutschland einen Asylantrag zu stellen. Auf die Frage, wie sie in Bulgarien lebten, antwortete er, sie hätten eine 3-Zimmer-Wohnung von der Stadt erhalten. Die Wohnung hätten sie seit ca. drei Monaten. Sie hätten in Bulgarien gut gelebt und seien zufrieden gewesen. Es sei aber ein armes Land. Seine Kinder seien alle in die Schule gegangen. Sie seien mit den Ärzten zufrieden gewesen. Auf die weitere Frage, wo sie sich in Bulgarien befunden hätten, erklärte der Kläger zu 1), dass sie sich in einem Dorf in einem Flüchtlingslager „Harmony“ (gemeint ist wohl Harmanli) befunden hätten. Zuerst hätten sie sich in Haft in einer Sammelunterkunft befunden. In „Harmony“ hätten sie ca. einen Monat gelebt. Dann hätten sie eine „Gratis Wohnung“ in Sofia und Reisepässe bekommen. Zur Arbeitssituation in Bulgarien befragt gab er an, dass es genügend Arbeit gebe, er aber nicht gearbeitet habe. Er habe das Camp nicht verlassen dürfen, bis er einen Pass bekommen habe. Ferner berichtete er, dass es in Bulgarien „schon gut“ sei, die Menschen dort seien aber sehr arm. Sie hätten kein Geld bekommen. Er habe ca. 3.000 € Bargeld bei sich. Dieses Geld stamme aus dem Verkauf seiner Schafe, einer Pistole und dem Goldschmuck seiner Frau. in Deutschland habe die Fahrt von Bulgarien nach Deutschland für sie organisiert und bezahlt.
- 3
Am 30. Juni 2014 stellten sie Asylanträge bei der Beklagten. Sie gaben in einem Fragebogen unter anderem an, in keinen anderen Staat überstellt werden zu wollen.
- 4
Eine Prüfung der Beklagten am 1. August 2014 ergab in der Eurodac-Kartei einen Treffer für Bulgarien. Die Beklagte hörte die Kläger am 13. August 2014 zu ihrem Asylantrag an. Sie erklärten unter anderem, wegen des Bürgerkrieges aus Syrien geflohen zu sein und in Bulgarien politisches Asyl erhalten zu haben. Sie seien Yeziden, die von der Al-Nusra Front und der Freien Syrischen Armee verfolgt und getötet worden seien. Später seien die Daash gekommen und hätten alle Yeziden verfolgt. Mit der Assad-Regierung hätten sie keine Probleme gehabt. Bald nach Beginn des Bürgerkrieges habe die Regierung dort wo sie wohnten aber keine Macht mehr gehabt. Sie seien von Bulgarien nach Deutschland gekommen, weil sie hier viele Verwandte hätten.
- 5
Die Beklagte richtete am 12. September 2014 ein Wiederaufnahmegesuch an den bulgarischen Staat und erhielt am 25. September 2014 - sowie ergänzend am 19. Januar 2015 - die Antwort, dass die Kläger in Bulgarien den Status als Flüchtlinge erhalten hätten. Eine Aufnahme der Kläger nach dem Dublin III-Abkommen könne daher nicht Platz greifen. Es könne aber ein Antrag nach dem Rückübernahmeabkommen bei der Grenzpolizei in Sofia gestellt werden.
- 6
Mit Bescheid vom 7. November 2014, der den Klägern eine Woche später, am 14. November 2014, zugestellt wurde, stellte die Beklagte unter Ziffer 1. fest, dass den Klägern in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zustehe und ordnete unter Ziffer 2. zunächst ihre Abschiebung nach Bulgarien an. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kläger aus einem sicheren Drittstaat eingereist seien und sich deshalb nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen könnten. Die Ausnahmen des § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG lägen nicht vor. Über die Voraussetzungen zur Gewährung internationalen Schutzes und das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG sei nach § 31 Abs. 4 AufenthG nicht zu entscheiden. Die Abschiebungsanordnung beruhe auf § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG.
- 7
Hiergegen haben die Kläger am 21. November 2014 Klage zum Az. 16 A 5546/14 erhoben, ohne sie zu begründen.
- 8
Die Kläger beantragen,
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den Bescheid vom 7. November 2014 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren durchzuführen.
- 10
Die Beklagte beantragt,
- 11
die Klage abzuweisen.
- 12
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
- 13
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2015 hat die Beklagte die mit Bescheid vom 7. November 2014 unter Ziffer 2. ausgesprochene Abschiebungsanordnung aufgehoben und den Klägern stattdessen die Abschiebung nach Bulgarien angedroht. Dieser Bescheid wurde den Klägern am 30. November 2015 zugestellt.
- 14
Auch hiergegen haben die Kläger am 14. Dezember 2015 Klage zum Az. 16 A 6716/15 erhoben, ohne die Klage zu begründen.
- 15
Die Kläger beantragen,
- 16
den Bescheid vom 12. Oktober 2015 aufzuheben.
- 17
Die Beklagte beantragt,
- 18
die Klage abzuweisen.
- 19
Auch insoweit bezieht sie sich zur Begründung ihres Antrages auf die angefochtene Entscheidung.
- 20
Die Kammer hat mit Beschlüssen vom 3. November 2016 nach Anhörung der Beteiligten die Rechtsstreite auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
- 21
Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Die Beklagte hat sich im Wege ihrer allgemeinen Prozesserklärungen (Stand: 24. März 2016) für alle erstinstanzlichen Streitsachen nach dem Asylgesetz, für die nicht ausdrücklich in der Schriftstückliste der Verfahrensakte des Bundesamtes vor der Zustellung des Bescheides eine „besondere Prozessbeobachtung“ verfügt wurde - was hier nicht der Fall ist -, mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
- 22
Mit Beschluss vom 12. Dezember 2016 hat das Gericht das Verfahren zum Aktenzeichen 16 A 5546/14 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten eingestellt, als es die Regelung in Ziffer 2. des Bescheides vom 7. November 2014 betroffen hat. Mit weiterem Beschluss vom 13. Dezember 2016 hat das Gericht die Verfahren zu den Aktenzeichen 16 A 5546/14 und 16 A 6716/15 zu gemeinsamer Entscheidung unter dem ersten Aktenzeichen verbunden. Das verbundene Verfahren betrifft somit nur noch die durch Bescheid vom 7. November 2014 getroffene Feststellung, dass den Klägern in Deutschland kein Asylrecht zusteht, sowie die mit Bescheid vom 12. Oktober 2015 ausgesprochene Abschiebungsandrohung.
- 23
Dem Gericht haben die von der Beklagten geführten Sachakten bezüglich der Kläger vorgelegen. Auf dessen Inhalt sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
- 24
Die Entscheidung konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben. Sie konnte gemäß § 76 Abs. 1 AsylG durch den Einzelrichter getroffen werden, da ihm der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer übertragen worden ist.
II.
- 25
Soweit sich die Kläger gegen die in dem Bescheid vom 7. November 2014 getroffene Feststellung wenden, dass ihnen in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zustehe, ist die Klage als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO zulässig (BVerwG, Urteil vom 27.10.2015 – 1 C 32.14), hat aber in der Sache keinen Erfolg (dazu 1.). Ebenso können sie mit ihrem gegen die Abschiebungsandrohung nach Bulgarien gerichteten Klageantrag nicht durchdringen (dazu 2.).
- 26
1. Die Regelung in Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides vom 7. November 2014 ist nicht aufzuheben. Die Feststellung, dass den Klägern kein Asylrecht zusteht, ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
- 27
Die Beklagte hat dem Asylantrag der Kläger zu Recht nicht entsprochen. Die für die Entscheidung des Gerichts maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz gewährt hat. Dies ist bei den Klägern der Fall. Ihnen wurde nämlich in dem EU-Mitgliedstaat Bulgarien der Flüchtlingsstatus gewährt, was eine Form des internationalen Schutzes nach dem Asylgesetz ist (dort Abschnitt 2, Unterabschnitt 2).
- 28
a) Obwohl die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 7. November 2014 auf § 26a AsylG gestützt hat, hat das Gericht seiner Entscheidung die neue Fassung des § 29 Abs. 1 AsylG zugrunde zu legen.
- 29
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798) sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), beide zuletzt geändert durch Art. 5 und 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939), das am 6. August 2016 in Kraft getreten ist. Die Pflicht des Gerichts, das aktuelle Asylrecht anzuwenden, ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wonach die Rechtslage zu Grunde zu legen ist, die zu dem Zeitpunkt besteht, in dem die gerichtliche Entscheidung im schriftlichen Verfahren gefällt wird. Für die in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG geregelte Fallgruppe, dass dem Ausländer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits internationaler Schutz gewährt worden ist, verdrängt diese neue Vorschrift die Regelung in § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylG zu Asylanträgen von Ausländern, die aus sicheren Drittstaaten eingereist sind. Die Anwendung des § 26a AsylG ist nach der Neufassung des § 29 AsylG in den von dieser neuen Vorschrift erfassten Fallgruppen nicht mehr möglich (OVG Münster, Urteile vom 24.08.2016 - 13 A 63/16.A – und vom 22.09.2016 – 13 A 2448/15.A -; OVG Berlin, Urteil vom 22.11.2016 – 3 B 2.16 -; VG Schleswig, Beschluss vom 09.09.2016 – 10 A 336/16 -, jeweils juris; Bethke/Hocks, Asylmagazin 2016, S. 337, 340; andere Ansicht: OVG Saarlouis, Urteil vom 25.10.2016 – 2 A 95/16 -; VGH Kassel, Urteil vom 4. November 2016 - 3 A 1292/16.A -, jeweils juris).
- 30
Mit der Neufassung des § 29 AsylG hat der Gesetzgeber zur besseren Übersichtlichkeit und Vereinfachung der Rechtsanwendung die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8612, S. 51; BVerwG, Urteil vom 09.08.2016 – 1 C 6.16 -, juris). Diesem gesetzgeberischen Ziel ist bei der Auslegung Rechnung zu tragen. Die sinnvolle Vereinfachung und Bündelung kann nur erreicht werden, wenn die Vorschrift in § 29 AsylG als vorrangig betrachtet wird. Ohnehin war die Drittstaatenregelung in § 26a AsylG keine auf die Binnenmigration von Asylsuchenden und von anerkannt Schutzberechtigten in der Europäischen Union zugeschnittene Bestimmung und wies in diesem nunmehr von § 29 Abs. 1 AsylG n.F. erfassten Bereich in mehrfacher Hinsicht Friktionen auf (vgl. Bethke/Hocks, Asylmagazin 2016, S. 337, 339; Funke-Kaiser, Asylmagazin 2015, S. 148, 151), deren Abhilfe die Neuregelung dienen soll. Schließlich verdeutlicht die Bestimmung in § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, wonach ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, dass diese Drittstaatenregelung in dem Anwendungsbereich des § 29 AsylG und nicht gelöst von dieser Regelung zur Anwendung kommen soll.
- 31
Demgegenüber folgt das Gericht nicht dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Urteil vom 25.10.2016 – 2 A 95/16 -, juris), das in der fraglichen Fallkonstellation die Drittstaatenregelung in § 26a AsylG weiterhin anwendet und der Bestimmungen in § 29 AsylG n.F. nur deklaratorische Bedeutung beimisst. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war indes bereits geklärt, dass die Geltendmachung internationalen Schutzes schon nach § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der seit dem 1. Dezember 2013 geltenden Fassung (BGBl. I S. 3474) unzulässig gewesen ist, wenn der Betreffende bereits außerhalb des Bundesgebiets als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt worden ist (Urteil vom 17.06.2014 – 10 C 7/13 -, BVerwGE 150, S. 29 ff., zit. nach juris). Ein Rückgriff auf die Rechtsfolge in § 26a Abs. 1 AsylG ist insofern nicht erforderlich. Eine Begründung, weshalb das Obergericht nicht die aktuell gültige Fassung des Asylgesetzes - also allein § 29 Abs. 1 AsylG - als maßgebliche Rechtsgrundlage herangezogen hat, wie es die Bestimmung in § 77 Abs. 1 AsylG eigentlich vorgibt, ist dem genannten Urteil nicht zu entnehmen.
- 32
Auch dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 4. November 2016 - 3 A 1292/16.A -, juris) vermag das Gericht nicht zu folgen. Einleitend mit den Worten, „zu dem Begehren des Klägers, (…) ein Asylverfahren durchzuführen, hat Folgendes zu gelten:“, zieht dieses Obergericht die Bestimmung in § 60 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AufenthG als maßgebliche Vorschrift heran. Die normative Anknüpfung für die Frage, ob ein Asylantrag als unzulässig zu behandeln ist, wird nach der Einführung der speziellen Vorschrift in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht mehr im Aufenthaltsgesetz gesucht werden können. Der Regelungsgehalt des § 60 Abs. 1 AufenthG beschränkt sich durch die mit Einführung des § 29 AsylG angestrebte „Bündelung“ der betreffenden Regelungsmaterie im Wesentlichen darauf, die Zuständigkeit für den asylrechtlichen Verfolgungsschutz beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, in Abgrenzung zur Zuständigkeit der Ausländerbehörden, zu konzentrieren und dadurch ein Wahlrecht zwischen asyl- oder lediglich ausländerrechtlichem Verfolgungsschutz auszuschließen (vgl. Koch in: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 2016, § 60 AufenthG Rn. 21). Darlegungen zur Rechtsgrundlage des Bescheides nach Änderung des Asylgesetzes durch Art. 5 und 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 weist das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nicht auf. Die Neuregelung, die auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17.06.2014 – 10 C 7/13 -, juris) fußt, wird in den Entscheidungsgründen nur einmal erwähnt, indem es lapidar heißt, „hinsichtlich der Unzulässigkeitsregelungen in § 29 AsylG n.F. kann daher nichts anderes gelten“. Obwohl die neu eingefügte Unzulässigkeitsregelung genau das Gegenteil dessen vorgibt, was der Hessische Verwaltungsgerichtshof letztlich entschieden hat, nämlich die Zulässigkeit des Asylantrages bei Gewährung internationalen Schutzes durch einen anderen EU-Mitgliedstaat, fehlt es an einer Befassung mit dieser konträren normativen Direktive des Gesetzgebers. Soweit diese Rechtsanwendung auf die zur alten Rechtslage ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17.06.2014 – 10 C 7/13 -, juris) zur Unzulässigkeit von Asylanträgen nach Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen EU-Mitgliedstaat zurückgeht, um sodann durch Neuschöpfung einer Ausnahme hiervon abzuweichen, hat der Gesetzgeber dieser Entscheidung des Bundesgerichts eine direkte normative Grundlage in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gegeben.
- 33
b) Der Neuregelung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG steht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dazu, dass vor dem 20. Juli 2015 wiederholt gestellte Asylanträge nicht allein deshalb als unzulässig behandelt werden können, wenn dem Betreffenden in einem anderen EU-Mitgliedstaat nur subsidiärer Schutz gewährt worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2015 – 1 B 41.15-, juris), nicht entgegen. Denn den Klägern wurde in Bulgarien - wie angeführt - nicht nur subsidiärer Schutz, sondern die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
- 34
c) Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kann der Ausspruch in Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides vom 7. November 2014 auf der Rechtsgrundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aufrechterhalten werden. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte zum einen in dem Bescheid als Rechtsgrundlage § 26a, 31 Abs. 4 AsylG a.F. und nicht § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG n.F. angeführt hat (was ihr bei Erlass des Bescheides auch noch gar nicht möglich gewesen wäre) und dass sie zum anderen die Feststellung getroffen hat, dass den Klägern in Deutschland kein Asylrecht zusteht, den Antrag aber nicht ausdrücklich als unzulässig abgelehnt hat, wie es in § 29 AsylG nunmehr vorgesehen ist.
- 35
aa) Im Rahmen der Überprüfung eines Bescheides im Rahmen einer Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt es nicht (allein) auf das von der Verwaltung herangezogene Recht an (ebenso OVG Münster, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16.A -; VGH München, Urteil vom 20.10.2016 – 20 B 14.30320 -, jeweils juris). Vielmehr ist die Kontrolle im Sinne schlichter Rechtsanwendung auf das Recht zu erstrecken, das geeignet ist, an Stelle des von ihr herangezogenen, sich etwa als nicht tragfähig erweisenden Rechts den Ausspruch des Bescheids zu rechtfertigen, vorausgesetzt, dass sich dabei am Ausspruch des Bescheides nichts Wesentliches ändert (BVerwG, Urteile vom 19.08.1988 – 8 C 29.87 -, vom 12.04.1991 – 8 C 92.89 – und vom 31.03.2010 – 8 C 12.09 -, jeweils juris), was hier nicht der Fall ist.
- 36
bb) In den Fällen des § 29 Abs. 1 AsylG ist zwar nicht die im Bescheid ausgesprochene Feststellung zu treffen, dass dem Antragsteller kein Asylrecht in Deutschland zustehe (vgl. § 31 Abs. 4 AsylG a.F.), sondern der Asylantrag ist als unzulässig abzulehnen. Das führt aber nicht zu einer Wesensänderung des angefochtenen Bescheides (ebenso OVG Münster, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16.A -; juris). Es handelt sich nicht um einen anderen Streitgegenstand mit für die Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen. Bei der Ablehnung des Asylantrags auf Grundlage des § 29 AsylG besteht ebenso wie bei der Entscheidung nach § 26a i.V.m. § 31 Abs. 4 AsylG a.F. kein Ermessensspielraum. Beide Normen erfassen die EU-Mitgliedstaaten, sehen auf der Tatbestandsseite einen konkreten Bezug zu einem anderen EU-Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezugs nicht inhaltlich geprüft werden soll.
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e) Eine weitergehende Prüfung, insbesondere der Frage, ob die Kläger im Fall einer Überstellung nach Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden, sehen weder das nationale Recht noch das Unionsrecht als Voraussetzung für die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig vor (OVG Münster, Urteil vom 24.08.2016 - 13 A 63/16.A -, juris). Ungeachtet dessen, wie die tatsächlichen Verhältnisse für international Schutzberechtigte in Bulgarien sind, haben die Kläger als anerkannte Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Zuerkennung des internationalen Schutzes durch die Beklagte. Vielmehr sind diese Gesichtspunkte allein im Rahmen des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu berücksichtigen. Die Vorgabe des Gesetzgebers, dass in anderen Staaten der Europäischen Union international Schutzberechtigte in Deutschland diesen Status nicht noch einmal zugesprochen bekommen können, ist auch von der Rechtsprechung zu respektieren oder zumindest zu akzeptieren, selbst wenn diese Ausländer in anderen EU-Mitgliedstaaten nicht in den Genuss der nach der Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) für sie vorgesehenen Leistungen und Gewährleistungen kommen sollten. Der gegenläufigen Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 04.11.2016 – 3 A 1292/16.A -, juris) vermag das Gericht demgegenüber nicht zu folgen.
- 38
aa) Bereits die vom Hessischen Verwaltungsgerichthof angeführte Rechtsgrundlage für die Beurteilung, ob der Asylantrag als unzulässig zu behandeln ist, erscheint – wie ausgeführt – nicht überzeugend, sodass es für die angestellten weitergehenden Überlegungen zu einer Ausnahme der Unzulässigkeit des in Deutschland gestellten Asylantrages nach erfolgter Anerkennung in Bulgarien an einer geeigneten normativen Anknüpfung fehlt. Es überzeugt auch nicht, das Ergebnis einer Zulässigkeit des Asylantrages aus einer europarechtskonformen Auslegung von § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG herzuleiten. Angesichts des eindeutigen Wortlautes dieser Regelung erscheint schon zweifelhaft, ob sie überhaupt einer konträren Auslegung zugänglich ist.
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bb) Davon abgesehen besteht aber auch kein Erfordernis für eine derartige vom Wortlaut des Gesetzes abweichende Auslegung. In der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs heißt es dazu: „Der von dem Gesetzgeber zulässigerweise vorgesehene Ausschluss der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat greift allerdings dann nicht, wenn aufgrund systemischer Mängel im Asylsystem davon auszugehen ist, dass elementare Rechte des Schutzberechtigten bzw. anerkannten Flüchtlings nicht gewährleistet werden, die sich insbesondere aus Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) ergeben (…)“. Systemische Mängel im Asylsystem betreffen allerdings nur das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen von Asylbewerbern, nicht aber die Lebensverhältnisse anerkannter Flüchtlinge - wie den Klägern - in dem ihnen schutzgewährenden EU-Mitgliedstaat. Systemische Mängel sind daher nur für die Bestimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen EU-Mitgliedstaates gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO von Bedeutung, nicht aber für die Phase nach Abschluss des Asylverfahrens. Erwägungen zu systemischen Mängeln sind folglich nur bei der Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG geboten, nicht aber bei der Anwendung des hier einschlägigen § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG.
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Dies führt nicht etwa zu einer Missachtung höherrangiger europarechtlicher Vorschriften. Denn die Lebensbedingungen anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien sind im Rahmen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zu berücksichtigen. Dies ist in der ab dem 6. August 2016 geltenden Fassung speziell für die Fälle von Entscheidungen über unzulässig Asylanträge – wie hier nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG n.F. - in § 31 Abs. 3 Satz 1 n.F. AsylG vorgegeben. Eines Rückgriffs auf die Rechtsfigur der systemischen Mängel im Asylsystem bedarf es insofern nicht, weil diese Rechtsfigur auf eine auf Art. 3 EMRK fußende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs zurückgeht und Art 3 EMRK – wie ausgeführt - in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG n.F. nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG n.F. im Rahmen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu prüfen ist. Zwar hat die Feststellung von Abschiebungsverboten nach dem Asylgesetz nicht zur Folge, dass ein Asylantrag zulässig wird und ein Asylverfahren durchzuführen ist, sondern führt nur zur Duldung des Ausländers. Denn nach ständiger Rechtsprechung des EGMR (Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 -, NVwZ 2012, S. 691 ff.) führt ein etwaiger Verstoß gegen Art. 3 EMRK im Zielstaat der Abschiebung nicht dazu, dass der Staat des tatsächlichen Aufenthaltes des Ausländers ein Asylverfahren für einen in dem Zielstaat bereits anerkannt Schutzberechtigten durchzuführen hätte. Die Konventionsstaaten haben nämlich nach dem Völkerrecht - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich nach der Konvention - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Ausländern eigenständig zu regeln. Die Konvention garantiert nach dieser Rechtsprechung des EGMR folglich kein Asylrecht, sondern aus der Konvention kann sich nur die Verpflichtung des Konventionsstaates ergeben, den Betroffenen nicht in ein Land abzuschieben, in dem eine Verletzung des Art. 3 EMRK droht.
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cc) Auch sonst besteht kein Erfordernis für eine vom Wortlaut des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abweichende Auslegung bzw. der Schöpfung einer im Gesetz nicht vorgesehenen Ausnahme aufgrund vorgreiflichen Europarechts. Soweit in Bulgarien die betreffenden Vorgaben der Asyl-Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) unzureichend umgesetzt worden sind, gibt dies keinen Anlass für eine den EU-Binnenmigranten begünstigende Auslegung des deutschen Asylrechts. Denn einerseits ist es unmöglich, durch die Ausgestaltung der Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland die Umsetzung und Einhaltung der Qualifikationsrichtlinie im Herrschaftsbereich anderer EU-Mitgliedstaaten – hier Bulgarien - zu realisieren. Und andererseits lässt sich eine Pflicht, in dem Fall einer unzureichenden Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie in einem anderen EU-Mitgliedstaat den dort anerkannten Flüchtling im Bundesgebiet aufzunehmen und dazu nochmals ein Asylerfahren durchzuführen, um ihn an den in Deutschland gebotenen „weitgehenden Aufenthalts- und Teilhaberechten“ im Sinne eines „effektiven Flüchtlingsschutzes“ partizipieren zu lassen, dem geltenden Recht nicht entnehmen, sondern ein solcher Ansatz - wie er vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof verfolgt wird - entspringt flüchtlingspolitischen Vorstellungen, deren Verwirklichung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG nicht in die Kompetenz der Judikative fällt.
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2. Die Abschiebungsandrohung nach Bulgarien, wie sie unter Ziffer 2. des Bescheides vom 12. Oktober 2015 ausgesprochen worden ist, findet seine Rechtsgrundlage nunmehr in § 35 AsylG n.F. Die dort bestimmten Voraussetzungen, unter denen eine Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt zu ergehen hat, liegen vor. Es liegt ein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor, sodass den Klägern die Abschiebung in den Staat anzudrohen ist, in dem sie vor Verfolgung sicher waren, hier Bulgarien.
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a) Ein Abschiebungsverbot der Kläger nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG bezogen auf den Zielstaat Bulgarien, deren Vorliegen hier – wie ausgeführt – nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG vom Bundesamt zu prüfen und ggf. festzustellen ist, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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aa) Der Abschiebung steht nicht das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen. Die Kläger werden in Bulgarien keiner Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen. Insbesondere führen die Bedingungen, unter denen in Bulgarien als international schutzberechtigt anerkannte Ausländer leben, nicht zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung.
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(1) Die Kläger haben entsprechendes nicht vorgebracht, sondern haben im Gegenteil berichtet, dass sie in Bulgarien während ihres achtmonatigen Aufenthaltes gut und zufrieden gelebt hätten, allerdings sei Bulgarien ein armes Land und die Menschen dort seien sehr arm. Sie seien zunächst in einer Sammelunterkunft in Haft gewesen, hätten danach in einer Flüchtlingsunterkunft und während der letzten drei Monate ihres Aufenthaltes in Bulgarien kostenfrei in einer 3-Zimmer-Wohung der Stadt Sofia gewohnt. Arbeit würde es in Bulgarien genügend geben, um die sich der Kläger zu 1) im Fall seiner Rückkehr dorthin auch bemühen wolle. Die Kinder, also die Kläger zu 3) bis 6), seien alle in die Schule gegangen. Auch mit den Ärzten dort seien sie zufrieden gewesen. Rückblickend haben die Kläger Art. 3 EMRK widersprechende Lebensbedingungen in Bulgarien mithin nicht erleiden müssen.
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(2) Dies steht auch nicht zu erwarten. Nach der aktuellen Auskunftslage über die Lebensbedingungen von Ausländern in Bulgarien, die dort als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt worden sind, bestehen keine ernsthaften Gründe für die Annahme, dass die Kläger in diesem Land eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung unterworfen werden, wenn sie dorthin zurückkehren. Diese Beurteilung entspricht der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 31.08.2016 – 3 L 94/16 – juris) und des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (Urteil vom 25.10.2016 – 2 A 96/16 -, juris) sowie mehrerer Verwaltungsgerichte (z.B. VG Schleswig, Beschluss vom 09.09.2016 – 10 A 336/16 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 14.11.2016 – 12 K 5984/16.A -; VG Potsdam, Urteil vom 29.04.2016 – 12 K 393/15.A; VG Berlin, Urteil vom 10.03.2016 – 23 K 10.16 A-, jeweils juris), der sich das Gericht anschließt und auf deren Entscheidungen es zur Begründung Bezug nimmt. Hinzu kommt, dass auch Berufungszulassungen von Klägern zu dieser Frage ohne Erfolg geblieben sind (VGH München, Beschluss vom 15.11.2016 – 3a ZB 16.5004 –; OVG Münster, Beschlüsse vom 31.10.2016 – 11 A 1096/16.A – und vom 29.01.2016 – 14 A 134/15.A -, jeweils juris).
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(3) Die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 04.11.2016 – 3 A 1292/16.A; im Ergebnis ebenso: VG Göttingen, Beschluss vom 03.11.2016 – 2 b 361/16 -; VG Aachen, Urteil vom 28.10.2015 – 8 K 299/15.A -; jeweils juris) vertretene gegenteilige Ansicht, dass „das Asylsystem in Bulgarien insbesondere hinsichtlich dort bereits anerkannter Flüchtlinge an systemischen Mängeln“ leide, kann demgegenüber schon im Ausgangspunkt nicht überzeugen. Denn der Rückgriff auf die Rechtsfigur der systemischen Mängel, die auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK zurückgeht, führt im vorliegenden Zusammenhang auf Abwege. Die Frage, ob das Asylsystem in einem anderen EU-Mitgliedstaat systemische Mängel bzw. Schwachstellen aufweist, stellt sich im Gefüge des aktuellen Asylrechts nämlich nur dann, wenn das Asylverfahren noch nicht durchgeführt worden ist und ein anderer EU-Mitgliedstaat für dessen Durchführung eigentlich grundsätzlich zuständig wäre. Nur dann würde die Dublin III-VO mit der Ausnahmeregelung in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 zu systemischen Schwachstellen noch Anwendung finden. Das Europäische Asylsystem im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH betrifft nämlich nur das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, nicht aber die Lebenssituation anerkannter Flüchtlinge und anerkannter subsidiär Schutzberechtigter in einem anderen EU-Mitgliedstaat. So ist - auch die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof angeführte - Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aufgrund systemischer Mängel im Asylsystem (Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09 -, NVwZ 2011, S. 423 ff.) nur bezogen auf Asylbewerber ergangen und nicht bezogen auf bereits anerkannte Flüchtlinge - wie die Kläger. Soweit der Verwaltungsgerichtshof meint, die von dem EuGH entwickelten Maßstäbe für systemische Mängel im Asylsystem müssten „erst Recht“ Geltung für die Lebensverhältnisse anerkannter Flüchtlinge beanspruchen, kann diesem Evidenz-Schluss nicht ohne Weiteres gefolgt werden. Die humanitären Verhältnisse von Asylbewerbern bzw. die ihnen gebotenen Lebensbedingungen werden wegen der besonderen Verletzlichkeit bzw. Verwundbarkeit und der Abhängigkeit dieser Personengruppe von staatlicher Unterstützung in den Schutzbereich von Art. 3 EMRK einbezogen, obwohl die Konvention hauptsächlich darauf abzielt, bürgerliche und politische Rechte vor Eingriffen zu schützen. Wesentliche Kriterien für die Einbeziehung humanitärer Verhältnisse in den Schutzbereich dieser Norm sind die mangelnde Fähigkeit des Betroffenen, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, zu denen Nahrung, Unterkunft und Hygiene gehören, sowie seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit (EuGH, Urteil vom 28.0.2011 - 8319/07 -). Orientiert an diesen Merkmalen bestehen relevante Unterschiede zwischen Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen, die dem angeführten Erst-Recht-Schluss entgegenstehen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass auch anerkannt schutzberechtigte Ausländer zu einer besonders benachteiligten und verwundbaren Bevölkerungsgruppe zu zählen sind. Sie beherrschen anfangs die Landessprache nicht und haben daher häufig Verständigungsprobleme. Zudem sind ihre sozialen Kontakte zunächst noch sehr beschränkt und sie können in der Regel nicht auf wirksame familiäre oder nachbarschaftliche Hilfe zurückgreifen. Anerkannte Flüchtlinge halten sich aber in der Regel schon länger in dem Zufluchtsland auf als Asylbewerber, die das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen haben. Sie kennen sich deshalb in dem Land schon besser aus, weil sie schon über längere Zeit Erfahrungen sammeln und sich Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen konnten. Zumeist eröffnen sich auch erst nach erfolgreichem Abschluss des Asylverfahrens durch ein gesichertes Aufenthaltsrecht und eine Arbeitserlaubnis Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme und zur Anmietung einer Wohnung. So haben bereits anerkannte Flüchtlinge aufgrund der schon über eine längere Zeit gewonnenen Einblicke, durch gesammeltes Wissen und durch geknüpfte Kontakte eine bessere Ausgangslage, sich durch eigene Anstrengungen auch unter widrigen Bedingungen und ohne wesentliche staatliche Unterstützung ihr Existenzminimum zu sichern, als sich noch im Asylverfahren befindliche Ausländer. Hinzu kommt der Umstand, dass sich Anstrengungen zur Integration häufig erst dann lohnen, wenn auch eine längerfristige Aufenthaltsperspektive besteht, was erheblich für den Antrieb der Betroffenen ist, in dem fremden Land auch ohne staatliche Hilfe Fuß zu fassen. Diese Gesichtspunkte verdeutlichen, dass die Ausgangspositionen für Asylbewerber, sich unter widrigen Umständen in dem Zufluchtsland durchzuschlagen, deutlich schlechter sind als für anerkannte Flüchtlinge, weil sich der Asylbewerber noch in der Anfangsphase seines noch ungesicherten Aufenthalts in einem für ihn fremden Land befindet und weil er in dieser Lage leicht in existenzielle Nöte geraten kann, die mit der Menschenwürde unvereinbar sind, wenn er allein auf sich gestellt weder Ernährung, Unterkunft und Hygiene von offizieller Seite erhält, sondern stattdessen behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht. Daher drängt es sich geradezu auf, bei Asylbewerbern einerseits und bei anerkannt Schutzberechtigten andererseits im Rahmen des Art. 3 EMRK prinzipiell unterschiedliche Maßstäbe bezogen auf die Intensität, Qualität und Dauer notwendiger Unterstützungsleistungen anzulegen und innerhalb dieser beiden Gruppen wiederum nach der individuellen Situation und Bedürftigkeit der Ausländer zu differenzieren (ebenso differenzierend: OVG Saarlouis, Urteil vom 25.10.2016 – 2 A 96/16 -, juris).
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Die Auskünfte, die die Lage von Asylbewerbern in anderen EU-Mitgliedstaaten betreffen, können mithin nicht ohne weiteres für die Beurteilung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK herangezogen werden, wobei die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung aus letzter Zeit ganz überwiegend systemische Mängel im Asylsystem Bulgariens – also bezogen auf Asylantragsteller – nicht mehr annimmt (OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.03.2016 - 3 L 47/16 -; VGH Mannheim, Urteile vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - und vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -; VGH München, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -; VG München, Beschlüsse vom 18. Juli 2016 - M 12 S 16.50475 -, juris, Rn. 30, vom 13. Juli 2016 - M 1 S 16.50366 -, juris, Rn. 15, sowie Urteile vom 25. August 2016 - M 12 K 16.50117 -, juris, und vom 10. Mai 2016 - M 12 K 16.50110 -, juris, Rn. 34ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.06.2016 - 22 L 1913/16.A – und Urteil vom 23.09.2016 – 12 K 7819/16.A -; VG Köln, Beschluss vom 29.04.2016 - 2 L 917/16.A -; VG Regensburg, Beschluss vom 23.02.2016 - RN 1 S 16.50036 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19.02.2016 - 2a K 3697/15.A -; a.A.: VG Köln, Beschluss vom 22.08.2016 – 18 L 1868/16.A -; VG Freiburg, Urteil vom 04.02.2016 – A 6 K 1356/14 -; jeweils juris; VG Minden, Beschluss vom 21.09.2016 – 3 K 234/15.A; n.V.)
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(4) Den vorliegenden Erkenntnissen zu den Lebensbedingungen anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien lassen sich unter Zugrundelegung der maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und der Obergerichte im Einzelnen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK entnehmen.
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(a) Dies gilt zunächst für den Umstand einer mangelnden Umsetzung der EU-Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/05/EU), die teilweise zur Begründung einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch den bulgarischen Staat angeführt wird (vgl. z.B., VGH Kassel, Urteil vom 04.11.2016 – 3 A 1292/16.A -: VG Göttingen, Beschluss vom 03.11.2016 – 2 B 361/16 -, jeweils juris). Hieraus folgt für sich genommen noch keine Verletzung des Art. 3 EMRK. Nicht jeder Verstoß gegen Rechtsvorschriften stellt eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar (OVG Münster, Beschluss vom 29.05.2015 – 14 A 134/15.A -; VG Düsseldorf, Urteil vom 14.11.2016 - 12 K 5984/16.A -, jeweils juris). Auch der Umstand, dass in Bulgarien im Juni 2015 lediglich eine Integrationsstrategie erlassen, aber noch kein konkreter nationaler Integrationsplan für anerkannte Schutzberechtigte aufgestellt worden ist, weil es vor allem an einem ausreichenden Budget für eine effektive Integrationspolitik fehlt (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 04.11.2016 - 3 A 1292/16.A -, juris), lässt sich kein Verstoß gegen Art. 3 EMRK herleiten. Vielmehr kommt es auf die reale Situation an, da eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne dieser Vorschrift ein Mindestmaß an Schwere voraussetzt. Defizite bei staatlichen Angeboten zum Sprachunterricht, bei der staatlichen Bereitstellung von Kindergartenplätzen oder bei der staatlichen Hilfe zur Arbeitsmarktintegration, genügen daher ebenfalls nicht, um eine gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Situation für Flüchtlinge in Bulgarien anzunehmen (OVG Magdeburg, Beschluss vom 31.08.2016 – 3 L 94/16 -; OVG Münster, Beschluss vom 29.01.2015 - 14 A 134/15.A -; a.A. VGH Kassel, Urteil vom 04.11.2016 - 3 A 1292/16.A -, jeweils juris). Es handelt sich dabei zwar um Leistungen, die für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte relevante Elemente für eine förderliche Integrationspolitik darstellen. Fehlt es an diesen Leistungen, so führt dies allerdings keineswegs zu einer Behandlung dieser Bevölkerungsgruppe durch den bulgarischen Staat und seine Behörden und Einrichtungen, die das erforderliche Mindestmaß an Schwere im Hinblick auf physische und psychische Beeinträchtigungen im Sinne einer Misshandlung aufweist. Derartige Mängel in der Flüchtlingsversorgung als Verstöße gegen Art. 3 EMRK einzustufen zeugt vielmehr von einer inflationären Anwendung dieser Vorschrift, die sich außerhalb des von der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Anwendungsrahmens bewegt. Sie ist auch deshalb fragwürdig, weil eine solche flüchtlingspolitisch motivierte extensive Anwendung von Art. 3 EMRK bei den betroffenen EU-Mitgliedstaaten, denen nur geringere finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, eher Abwehrreflexe gegen derartige Einmischungen provozieren und stigmatisierend wirken.
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Außerdem ist im Hinblick auf die fragliche Umsetzung der EU-Qualifikationsrichtlinie in Bulgarien zu berücksichtigen, dass das Unionsrecht den Betroffenen lediglich Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26, 27, 28 Abs. 1, 29, 30 RL 2011/95/EU) oder Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. etwa Art 32 und 33 RL 2011/95/EU) gewährt, sie also nur an den wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen des Mitgliedstaates teilhaben lässt, wobei in Bulgarien fast 50% der Bevölkerung von Armut und Ausgrenzung betroffen bzw. bedroht sind (vgl. im Einzelnen: VGH Mannheim, Urteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, zuletzt: Urteil vom 01.04.2015 - A 11 S 106/15 -, jeweils juris). Für die Beurteilung der Lebensbedingungen anerkannt Schutzberechtigter darf nicht aus den Augen verloren werden, dass die typischerweise für die Mehrheit der Bevölkerung geltenden Standards in Bulgarien deutlich niedriger sind als in Deutschland, so dass die schlechteren Versorgungsbedingungen für anerkannt Schutzberechtigte in Bulgarien als in wohlhabenderen EU-Mitgliedstaaten nicht zugleich als Ausdruck behördlicher Gleichgültigkeit, behördlichen Versagens oder gar mutwilliger Verweigerung von Unterstützungsleistungen aufgefasst werden können. Der Umstand, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse bei einer Überstellung von Deutschland nach Bulgarien aufgrund des unterschiedlichen Niveaus staatlicher Sozial- und Integrationsleistungen bedeutend geschmälert würden, reicht nicht aus, um einen Verstoß gegen diese Vorschriften zu begründen (EGMR, Beschluss vom 02.04.2014 – 27725.10, ZAR 2013, S. 336, 337; Urteil vom 21.01.2011 – 3069.09 -, ZAR 2011, S. 395, 397). Ist für den betroffenen Schutzberechtigten die eigene wirtschaftliche Situation schlechter als in dem ihn rückführenden Vertragsstaat, so reicht dies nicht aus, um die Schwelle einer unmenschlichen Behandlung, wie sie nach Art. 3 EMRK verboten ist, zu überschreiten (vgl. EGMR, Beschluss vom 02.04.2013 – 27725/10 – juris). Artikel 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Personen auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst (OVG Münster, Beschluss vom 29.01.2016 – 14 A 124/15.A -; VG München, Beschluss vom 02.11.2016 – M 7 S 16.50777 -, jeweils juris). Anerkannt Schutzberechtigte müssen sich deshalb auf den dort für alle bulgarischen Staatsangehörigen vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen.
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Dass Art. 3 EMRK bezogen auf das Niveau sozialer Leistungen des Zielstaates einer vorgesehenen Abschiebung einen nur äußerst beschränkten Anwendungsbereich hat, wird deutlich, wenn man sich die Rechtsprechung des EGMR zur Definition der Begriffe der „unmenschlichen“ und „erniedrigenden“ Behandlung vor Augen führt: Als unmenschlich wird eine Behandlung eingestuft, die sich weniger intensiv auswirkt wie Folter, aber absichtlich ausgeübt und für mehrere Stunden dauerhaft angewendet wird und dabei entweder eine Körperverletzung oder zumindest intensives psychisches oder physisches Leid verursacht. Die Behandlung eines Menschen ist jenseits der unmenschlichen Behandlung als erniedrigend oder demütigend anzusehen, wenn sie erkennen lässt, dass es an der Achtung der Menschenwürde fehlt, diese unmittelbar angreift oder Gefühle von Angst, Schmerz oder Unterlegenheit erweckt, die geeignet sind, den moralischen oder körperlichen Widerstand einer Person zu brechen (Kau in: Pabel/Schmahl; IntKommEMRK, Stand: März 2016, Art. 3 Rn. 22 m.w.N. aus der Rspr. des EMRK). Bezogen auf die Unterbringung von Asylsuchenden hat der EGMR nur auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse für ein menschenwürdiges Dasein abgestellt, die infolge einer Überbelegung mit extrem schmutzigen und überfüllten Unterbringungseinrichtungen eingetreten waren, nämlich starke Einschränkung der Bewegungs- oder Kommunikationsmöglichkeiten über längere Zeit, äußerst schlechte hygienische bzw. sanitäre Verhältnisse, keinerlei separate Erholungs- oder Verpflegungsbereiche sowie Mangel an Licht und Belüftung (Kau in: Pabel/Schmahl; IntKommEMRK, Stand: März 2016, Art. 3 Rn. 89; Sinner in: Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 3 Rn. 28; jeweils m.w.N. aus der Rspr. des EGMR).
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Im Fall der Kläger als anerkannt Schutzberechtigte ist bei der Eingrenzung des Anwendungsbereichs von Art. 3 EMRK zu berücksichtigen, dass es hier nicht um deren Behandlung von staatlicherseits Untergebrachten durch den bulgarischen Staat geht. Daher stehen hier nicht staatliche Unterlassungspflichten aus Art. 3 EMRK in Rede, sondern ob sich die Lebensverhältnisse dieser Bevölkerungsgruppe anerkannt Schutzberechtigter in Bulgarien allgemein als unmenschlich und erniedrigend darstellen, also darum, ob der Staat – hier Bulgarien – gewisse Schutzpflichten verletzt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 13.05.2015 – 14 B 525/15.A -; OVG Magdeburg, Beschluss vom 31. August 2016 – 3 L 94/16 -, jeweils juris).Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die sich insoweit aus Art. 3 EMRK ergebenden staatlichen Gewährleistungspflichten im Einzelnen konkretisiert. Hiernach verpflichtet diese Vorschrift die Mitgliedstaaten nicht, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereiches mit einem Obdach zu versorgen oder sie finanziell zu unterstützen, um einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09 -; Beschluss vom 02.04.2013 - 27725/10 -; Urteil vom 30.06.2015 - 39350/13 -, jeweils juris). Im Bereich von medizinischer und sozialer Fürsorge kann es unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das Verbot, jemanden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu unterwerfen, von vorneherein nur um die Gewährleistung einer unabdingbaren Grundversorgung gehen. Dagegen würde etwa verstoßen, wenn Schutzstatusinhaber monatelang obdachlos und ohne Zugang zu jeder Versorgung wären. Durch Missstände im sozialen Bereich wird die Eingriffsschwelle von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 Grundrechtecharta mithin nur unter strengen Voraussetzungen überschritten.
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(b) Ausgehend von diesen Grundsätzen und Maßstäben ist das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass die Kläger aufgrund der allgemeinen Lebensbedingungen für anerkannt Schutzberechtigte in Bulgarien der konkreten Gefahr ausgesetzt würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Bulgarien eine menschenunwürdige Behandlung erfahren zu müssen.
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Die Wohnsituation für international Schutzberechtigte ist in Bulgarien inzwischen nicht mehr bedenklich. Auch nach Abschluss des Asylverfahrens besteht für sie vorübergehend die Möglichkeit, für einen Zeitraum von maximal sechs Monaten noch in den für die Aufnahme von Asylsuchenden gedachten Zentren zu verbleiben (UNHCR, Aktualisierte Antworten, Juni 2016; ProAsyl, Auskunft vom 17.06.2015 an das VG Köln). So wird toleriert, dass Personen, die einen Schutzstatus erhalten haben, noch in den Unterbringungseinrichtungen für Asylbewerber wohnen können (im Jahr 2015 befanden sich ca. 700 bzw. 850 Personen dieser Gruppe in den Unterkünften: UNHCR, Aktualisierte Antworten, Juni 2016; Council of Europe, Commissioner of Human Rights, Report 8.-11.02.2015, S. 28 f.; ProAsyl, Auskunft vom 17.06.2015 an das VG Köln). Zudem partizipieren Schutzberechtigte seit Mitte August 2015 für bis zu drei Monate an einer Kurzzeitunterbringung der lokalen Flüchtlingsbehörde, die durch europäische Mittel finanziert wird (vgl. Aida Country Report Bulgaria, Stand: Oktober 2015, S. 13).
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Die Kapazitäten in diesen Einrichtungen reichen auch aus, um nicht nur den im Anerkennungsverfahren befindlichen Ausländern eine Bleibe zu bieten, sondern vorübergehend denjenigen, denen ein Schutzstatus zugesprochen worden ist. Die ohnehin schon seit längerem verbesserte Lage durch einen starken Rückgang der Zahl von Asylsuchenden in Bulgarien hat sich in letzter Zeit noch weiter entspannt. Die Zahl von in Bulgarien neu angekommenen Antragstellern ist nach Absicherung der Grenze zur Türkei und das Abkommen mit der Türkei zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge weiter stark rückläufig (ProAsyl, Tätigkeitsbericht 2015/2016, S. 18 f.), sodass diese Unterkünfte gegenwärtig bei weitem unterbelegt sind und teils leer stehen. Bei einer nunmehrigen Kapazität von 5.130 Plätzen haben sich im Dezember 2015 nur noch 612 Personen in den sechs Zentren aufgehalten. So lag 2014 die Belegungsquote noch bei 80 % (vgl. UNHCR, Bericht vom April 2014) und im Dezember 2015 schon unter 15 % (vgl. Auskunft Auswärtiges Amt vom 27.01.2016 an das VG Aachen; OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.03.2016 – 3 L 47/16 -, juris). Mitte 2016 befanden sich in Bulgariens größtem Flüchtlingscamp „Harmanli“ ca. 120 Ausländer, um die sich rund 100 Sozialarbeiter kümmerten (Deutschlandradio, Flüchtlinge – Keine Zukunft in Bulgarien, 01.06.2016).
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Die Kapazitäten in diesen Unterkünften werden auch durch Rückführungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten nicht sonderlich beansprucht. Insgesamt wurden im Jahr 2014 aus allen europäischen Ländern zusammen 174 Ausländer zurückgeschoben, in den ersten acht Monaten des Jahres 2015 waren es 212 (Fiedler, Die Situation für Flüchtende in Bulgarien, Juli 2015, S. 1 m.w.N.). Bei 4.221 von Deutschland an Bulgarien gerichteten Übernahmeersuchen in der Zeit von Januar bis September 2016 erfolgten nur 74 Überstellungen zurück in dieses Land (DIE WELT Kompakt, 21.10.2016, S. 4), im Jahr zuvor wurden nach 2.910 Übernahmeersuchen von Deutschland insgesamt nur 21 Ausländer nach Bulgarien zurückgeführt (BT-Drucksache 18/5758, S. 24 f.). Vor diesem Hintergrund fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass den Klägern im Falle ihrer Rückführung nach Bulgarien die zeitweise Aufnahme in einer dieser Unterkünfte tatsächlich verwehrt sein könnte und sie infolgedessen bei einer Rückkehr nach Bulgarien unmittelbar von existenzbedrohlicher Obdachlosigkeit betroffen sein könnten, die die bulgarischen Behörden gleichgültig sehenden Auges in Kauf nehmen, obwohl ihnen viele freie Plätze in diesen Einrichtungen zur Verfügung stehen.
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Die Beschaffenheit und Betreuung der Aufnahmezentren hat sich immer weiter verbessert und ist aktuell als akzeptabel zu bewerten (Auskunft Auswärtiges Amt vom 27.01.2016 an das VG Aachen; VG Düsseldorf, Urteil vom 23.09.2016 – 12 K 7819/16.A -, juris). Die Europäische Union hat beträchtliche zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, um umfassende Renovierungsarbeiten in allen Flüchtlingszentren zu Ende zu bringen und die Öffnung weiterer Flüchtlingsaufnahmen ist geplant (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen vom 27.01.2016, S. 3 f.). UNHCR kontrolliert in den Einrichtungen regelmäßig den Schutz vor Ort und das Angebot an sozialen Dienstleistungen (UNHCR, Aktualisierung Juni 2016).
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Für die Beurteilung der Wohnsituation anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien ist von zentraler Bedeutung, dass dieses Land von schutzsuchenden Ausländern verbreitet nur als „Transitland“ genutzt wird, um in wohlhabendere und aufnahmewillige EU-Mitgliedsländer weiter zu wandern (ProAsyl, Tätigkeitsbericht 2015/2016, S. 18 f.). So hatten Mitte 2015 nur ca. 700 anerkannte Schutzberechtigte ernstzunehmende Pläne, dauerhaft in Bulgarien zu verbleiben. Die Übergangzeit in den Unterbringungseinrichtungen müssen die Betroffenen dafür nutzen, sich auf dem freien Wohnungsmarkt eine Bleibe zu suchen. Auch wenn die Kläger vorbringen in Bulgarien bereits eine Wohnung zur Verfügung gehabt zu haben, erscheint es nach der Auskunftslage generell schwierig, als Flüchtling in Bulgarien eine Wohnung zu finden, selbst wenn ein Schutzstatus gewährt worden ist. Unterstützung bei der Wohnraumsuche erhält nur ein geringer Teil von ihnen, was aber – wie ausgeführt – kein Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellt (OVG Magdeburg, Beschluss vom 31.08.2016 – 3 L 94/16 -, juris). Konkrete Informationen darüber, dass Personen mit der Zuerkennung des Schutzstatus in Bulgarien obdachlos geworden sind und ohne Bleibe gleichsam „auf der Straße landen“, liegen nicht vor. Statistische Angaben sind nicht vorhanden und auch in den Medien wird nicht von einer in Bulgarien herrschenden Obdachlosigkeit berichtet, die vornehmlich Flüchtlinge betrifft. Nachrichten darüber, dass sie von Obdachlosigkeit im Anschluss an ihre vorübergehende weitere Unterbringung in den Einrichtungen für Asylsuchende betroffen wären, liegen ebenfalls nicht vor. In den ausgewerteten Erkenntnisquellen finden sich lediglich abstrakte Ausführungen darüber, dass Schutzberechtigte auf dem Wohnungsmarkt aufgrund der Voreingenommenheit der Bevölkerung nur geringe Chancen hätten bzw. dass ihre Situation durch das Verlangen horrender Mieten ausgenutzt werde. Dass solche Erschwernisse bei der Wohnungssuche dazu führen, dass Schutzstatusinhaber zwangsläufig in eine ausweglose Lage geraten, ist nicht ersichtlich. Dies verdeutlicht schon die tatsächlich stattgefundene Anmietung einer Wohnung in Bulgarien durch die Kläger vor ihrer Weiterwanderung nach Deutschland. Der Wohnungsmarkt in Bulgarien wird durch die relativ geringe Zahl der in Bulgarien tatsächlich verbleibenden Schutzberechtigten nicht überfordert und führt keineswegs zu einer relevanten Verknappung geeigneten und finanzierbaren Wohnraums in Bulgarien. Kann der Wohnungsmarkt diese Bevölkerungsgruppe ohne weiteres absorbieren, kann nicht angenommen werden, dass es den Klägern unmöglich ist, bei ihrer Rückkehr nach Bulgarien wieder eine Unterkunft – zumindest im Sinne eines Obdaches mit Schlafgelegenheit - zu finden.
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Nach der Auskunftslage sprechen auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass es den Klägern nach ihrer Rückkehr nach Bulgarien an einer existenziell notwendigen Versorgung mangeln wird. Zwar ist zu berücksichtigen, dass anerkannt Schutzberechtigten der Zugang zum Arbeitsmarkt in Bulgarien erschwert ist, weil ihnen aufgrund der Sprachbarrieren und der Anerkennungshindernisse ausländischer Abschlüsse lediglich unter dem bulgarischen Lohnniveau liegende Beschäftigungen angeboten werden und sie hierbei zudem in Konkurrenz zu der Gruppe der Roma stehen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.07.2015 an das VG Stuttgart; ProAsyl, Stellungnahme vom 17.06.2015 an das VG Köln). Dies rechtfertigt aber nicht den Schluss, sie seien einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt (VG Düsseldorf, Urteile vom 06.04.2016 – 13 K 4468/15.A – und vom 14.11.2016 – 12 K 5984/16.A; vgl. OVG Münster, Urteil vom 19.05.2016 – 13 A 1490/13.A -, jeweils juris), zumal auch darüber berichtet wird, dass es für anerkannt Schutzberechtigte, vor allem mit einer guten Ausbildung, in Bulgarien leichter einen Arbeitsplatz finden und sich eine Existenz aufbauen können, als in Deutschland (zdf - heute in Europa vom 14.09.2016, Umzug von Deutschland nach Bulgarien, www.zdf.de/nachrichten/heute-in-europa/heute-in-europa-vom- 14-09-2016-104.html). Die erwachsenen Kläger zu 1. und 2. werden aufgrund ihres Leistungsvermögens und ihrer Flexibilität, die sie bei ihrer Reise und ihrem bisherigen Aufenthalt im Ausland gezeigt haben, auch angesichts der beschriebenen Widrigkeiten in der Lage sein, durch Aufnahme von (Gelegenheits-)Arbeiten in einem das Existenzminimum sichernden Maße (jedenfalls geringfügige) Einkünfte erzielen können, wenn sie ihre Arbeitskraft - was von ihnen zu erwarten ist – auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen. Den Klägerin ist zuzumuten, sich diesem sicher nicht leichten Integrationsprozess in Bulgarien zu stellen (OVG Magdeburg, Beschluss vom 31.08.2016 – 3 L 94/16 -, juris).
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Bei der Einschätzung, ob Ausländer nach ihrer Ankerkennung als international Schutzberechtigte ein existenzsicherndes Arbeitseinkommen erlangen können, ist zu berücksichtigen, dass nach nahezu allen Berichten und auch nach der Erfahrung des Gerichts die in Bulgarien Schutzberechtigten kaum jemals versucht haben, sich unter den dortigen bescheidenen Möglichkeiten eine Existenz aufzubauen. Soweit in den Berichten – wie ausgeführt - von erheblichen Hürden für schutzberechtigte Ausländer beim Zugang zum Arbeitsmarkt die Rede ist, sind diese Angaben eher theoretischer Art, ohne dass sie in relevanter Zahl auf gescheiterte Versuche von Ausländern zurückgehen, die mit gehörigem Einsatz in Bulgarien hatten Fuß fassen wollen. Es ist auch keine offizielle Statistik bzw. kein offizielles Wissen zum Anteil oder zur Anzahl von Flüchtlingen, die in Bulgarien unter dem Existenzminimum leben, verfügbar (Dr. Ilareva, Auskunft vom 27.08.2015 an den VGH Baden-Württemberg).
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Eine Sicherung des Existenzminimums durch Erwerbstätigkeit dürften allerdings nur Personen erreichen können, die die Fähigkeiten und die Konstitution für ein „Sich-Durchschlagen-Können“ mitbringen. Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland verfügt Bulgarien nämlich über kein ausdifferenziertes Sozialsystem, sondern ist durch eigenverantwortliches Verhalten geprägt. Dementsprechend muss der jeweilige Schutzberechtigte grundsätzlich in der Lage sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen, was bei den Klägern allerdings keineswegs in Frage steht. Bei alleinstehenden Flüchtlingen, die dies - wegen ihres hohen oder geringen Alters, gravierender körperlicher oder geistiger Defizite oder anderer schwerwiegender individueller Einschränkungen - nicht zu leisten vermögen und denen die Verhältnisse in Bulgarien noch weitgehend fremd sind, besteht durchaus die Möglichkeit, dass sie bei einer Rückführung in existenzielle Nöte geraten, wenn sie keine anderweitige Unterstützung - etwa durch Verwandte oder Freunde im In- oder Ausland oder durch in Bulgarien ansässige Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz – erfahren.
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Insoweit verspricht das Unionsrecht den betroffenen Schutzstatusinhabern lediglich eine Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26. 27, 28 Abs. 1, 29, 30 RL 2011/95/EU - QRL) oder eine Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. etwa Art 32 und 33 QRL), sodass sie nur an den schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen weiter Teile der bulgarischen Bevölkerung teilhaben. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass nach den allgemein zugänglichen Daten des Statistischen Bundesamts das Bruttoprokopfeinkommen Bulgariens im Jahre 2013 7030 USD betrug, damit noch erheblich unter dem von Rumänien (9060 USD) lag und etwa dem Niveau Südafrikas (7190 USD) entsprach. Nach den verwerteten Angaben von Eurostat (vgl. Pressemitteilung Nr. 184/2013 vom 05.12.2003) belief sich im Jahre 2012 der Anteil der Bevölkerung Bulgariens, der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen bzw. bedroht ist, auf 49 % (Rumänien 42 %; Niederlande und Tschechische Republik 15 %). Die rechtliche Gleichbehandlung ist aber weitgehend hergestellt. So erhalten Flüchtlinge ebenso wie bedürftige bulgarische Staatsangehörige gleichermaßen Leistungen in Höhe von 33 € monatlich (Dr. Ilareva, Bericht vom 27.08.2015 an den VGH Baden-Württemberg; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23.07.2015 an das VG Stuttgart; VGH Mannheim, Urteil vom 18.03.2015 – A 11 S 2042/14 - juris). Zudem ist der tatsächliche Zugang zu Sozialhilfeleistungen nach der Auskunftslage häufig problematisch. Zu den administrativen Hürden treten regelmäßig eine nicht durch Dolmetscher kompensierte Sprachbarriere und wohl auch eine oftmals auftretende ablehnende Haltung gegenüber Flüchtlingen hinzu. Erschwernisse bei der Verwirklichung der - nach der nationalen Gesetzeslage bestehenden - Ansprüche auf staatliche Unterstützungsleistungen, die international Schutzberechtigte oft gegenüberstehen, erscheinen allerdings zumeist überwindbar. So kann der erforderliche Nachweis für eine Unterkunft – falls diese nicht vorhanden ist – etwa durch eine „gekaufte“ Adresse erreicht werden (Ilareva, Bericht vom August 2015 an den VGH Baden-Württemberg). Zudem können Schwierigkeiten auch durch Hilfe aus der Zivilgesellschaft, Unterstützung durch andere Flüchtlinge oder mithilfe von Sozialarbeitern und Mitarbeitern von Flüchtlingsorganisationen bzw. caritativen Einrichtungen bewältigt werden. So gibt es in Bulgarien – wenn auch nur wenige und nicht dauernd gewährleistete - kostenlose Angebote zur unabhängigen Beratung und Unterstützung von Flüchtlingen u.a. auch in juristischen Fragen (Fiedler, Die Situation für Flüchtende in Bulgarien, Juli 2016, S. 15).
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Dem Gericht stellt sich nach Auswertung der Erkenntnisquellen die Lebenssituation für anerkannt Schutzberechtigte in Bulgarien im Ergebnis zwar allgemein als deutlich schlechter und belastender als in Deutschland dar. Dies rechtfertigt aber nicht die generelle Annahme, Bulgarien verstoße trotz inzwischen jahrelanger Mitgliedschaft in der Europäischen Union, Einbindung in deren Institutionen und finanzieller Unterstützung gerade auch in diesem Bereich gegen Art. 3 EMRK. Dafür spricht aktuell, dass Bulgarien nicht mehr von der Massenfluchtbewegung wie noch im Jahr 2013 betroffen ist, die den UNHCR im Januar 2014 wegen einer Überforderung Bulgariens mit der Bewältigung diese Zustroms Asylsuchender veranlasst hatte, andere EU-Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, einstweilen von Überstellungen von weitergereisten Ausländern zurück nach Bulgarien abzusehen (UNHCR, Bulgaria as a Country of Asylum, 2. Januar 2014; vgl. auch amnesty international, Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien sind weiter Auszusetzen, März 2014).
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(c) Das bulgarische Recht sieht zudem Rechtsschutzmöglichkeiten vor (vgl. Auskunft von Dr. Valeria Ilareva vom 27.08.2015 an den VGH Mannheim), deren Nutzung den Betroffenen zur Abwehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Versorgungssituation auch zumutbar ist. Sie sind darauf zu verweisen, ihre Rechte gegebenenfalls mithilfe eines bulgarischen Rechtsbeistandes oder der Unterstützung der in Bulgarien tätigen Flüchtlingsorganisationen durchzusetzen – auch vor Gerichten (VG Düsseldorf, Urteil vom 14.11.2016 – 12 K 5984716.A -, juris). Wenngleich dies für die betreffenden Ausländer in Deutschland einfacher und bequemer als in Bulgarien sein dürfte, obliegt es ihnen, bei den zuständigen bulgarischen Behörden ihre Rechte geltend zu machen und nötigenfalls – mit Hilfe von Beratungsstellen für Flüchtlinge – auf dem Rechtsweg durchzusetzen, bevor sie unverrichtet in einen anderen EU-Mitgliedstaat weiterreisen, um dort die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen aus Art. 3 EMRK einzufordern (Bundesverwaltungsgericht Schweiz, Urteil vom 04.02.2016 – Abteilung IV D 422/2016 -; www.bvger.ch).
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bb) Gründe für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind nicht dargetan und auch nicht ersichtlich. Es bestehen keine Anzeichen dafür, dass für einen der Kläger bei seiner Abschiebung nach Bulgarien dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben bestehen würde. Insbesondere liegt keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung vor, die sich durch die Abschiebung verschlechtern würde.
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b) Die vom Gesetzgeber nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG n.F. geforderte Feststellung eines Ausspruchs zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegt hier aufgrund des Erlasses des Bescheides vor der ergangenen Gesetzesänderung explizit nicht vor. Von dieser Feststellung konnte auch nicht nach § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG n.F. abgesehen werden, denn die Kläger wurden von der Beklagten weder als Asylberechtigte noch als international Schutzberechtigte anerkannt.
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Die im zu überprüfenden Bescheid fehlende Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG schadet hier aber nicht und führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung (VG Schwerin, Urteil vom 02.06.2016 - 16 A 1757/15 AS SN -; a.A.: OVG Saarlouis, Urteil vom 25.10.2016 - 2 A 96/16 -, jeweils juris). Denn die Verwaltungsgerichte sind gehalten, die für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen Voraussetzungen in eigener Verantwortung festzustellen, die Streitsache vollen Umfangs spruchreif zu machen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.02.1998 – 9 C 28/97 – und Beschluss vom 08.12.2000 - 9 B 426/00 -, jeweils juris). Auch beim Fehlen der Feststellung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG n.F. ist daher die Abschiebungsandrohung nicht aufzuheben. Dies wäre nur dann geboten, wenn es auf die Sachkunde der Beklagten ankommen würde, weil diese zum Beispiel mit der Sache noch nicht befasst gewesen war und somit entsprechend Gelegenheit haben muss, eine nach Aufklärung des Sachverhaltes abschließende und der gerichtlichen Kontrolle unterliegende Sachentscheidung zu treffen. Die Beklagte war indes mit der Frage des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bereits befasst. Schon vor Einführung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG in der neuen Fassung bestand die Verpflichtung der Beklagten, im Hinblick auf den Wortlaut des § 34a AsylG a.F., nach dem das Bundesamt die Abschiebung anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann, zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote und zusätzlich auch Duldungsgründe inzident zu prüfen (Pietzsch in: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 2016, § 34a AsylG Rn. 14 ff.), selbst wenn hierzu im Tenor noch keine gesonderten Feststellungen zu treffen waren. Der Erlass der Abschiebungsanordnung durch die Beklagte und der späteren Ersetzung durch eine Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG, bei deren Erlass ebenfalls gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 1. Alt. AsylG zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG auszuschließen waren, ist somit als Ergebnis der Befassung der Beklagten mit dem (Nicht-) Vorliegen dieser Abschiebungsverbote zu betrachten. Für eine (nochmalige) Prüfung der Abschiebungsverbote durch sie im Rahmen einer Zurückweisung besteht demnach kein Anlass und wäre bloße Förmelei.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 83b AsylG sowie aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 159 S. 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,-- Euro festgesetzt.
Gründe
die Antragsgegnerin auch passivlegitimiert. Entgegen der vom Verwaltungsgericht im Beschluss vom 10. Februar 2014 (Az. M 12 S7 14.30227) vertretenen Auffassung hat das Bundesamt im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG die (rechtliche und tatsächliche) Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (st. Rspr. des Senats; vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris Rn. 4; B.v. 20.11.2012 - 10 CE 12.2428 - juris Rn. 4; NdsOVG, U.v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - juris Rn. 41; OVG Berlin-Bbg, B.v. 1.2.2012 - 2 S 6/12 - juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris Rn. 4). Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe. Bei nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretenden Abschiebungshindernissen hat das Bundesamt gegebenenfalls die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung der Abschiebungsanordnung abzusehen (OVG NRW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4).
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
II.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tatbestand
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Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.
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Der 1986 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stammt aus der Provinz Helmand (Afghanistan), ist schiitischen Glaubens und gehört dem Volk der Hazara an. Im Februar 2009 reiste er nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 17. März 2010 ab. Zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an.
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Nach Rücknahme der Klage auf Asylanerkennung hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 27. April 2012 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dem Kläger stehe weder unionsrechtlicher noch nationaler Abschiebungsschutz zu. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG sei nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Da in Afghanistan kein landesweiter bewaffneter Konflikt herrsche, komme eine individuelle Bedrohung nur in Betracht, wenn sich der Konflikt auf den tatsächlichen Zielort bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erstrecke. Dies sei die Herkunftsregion des Ausländers, in der er zuletzt gelebt habe bzw. in die er typischerweise zurückkehren könne und voraussichtlich auch werde. Der Kläger habe glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keine aufnahmebereiten Bekannten oder Verwandten und keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor einer dort lebenden Privatperson, außerdem befürchte er Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe in Helmand in besonderem Maße ausgesetzt sei. Wolle bzw. werde der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren, sei auf das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul abzustellen. Dort herrsche kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mehr. Die Sicherheitslage werde in Kabul, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet.
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Dem Kläger stehe hinsichtlich Afghanistans auch nicht der hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der allgemein schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan stehe § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegen. Eine extreme Gefahrenlage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ausnahmsweise nicht greife, liege für Kabul nicht (mehr) vor. Vielmehr sei eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul zu erkennen, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder Anbindung an lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehe. Der Senat sehe keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Falle des Klägers seien auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 60 Abs. 2, 5 sowie 7 Satz 1 und 2 AufenthG. Außerdem macht er Verfahrensfehler geltend und regt zur weiteren Klärung des Gehalts der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 7 Satz 2 AufenthG eine Vorlage an den EuGH an.
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Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
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Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verletzt hinsichtlich des vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgten Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat bei der im Rahmen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gebotenen Prüfung, ob am tatsächlichen Zielort des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein bewaffneter Konflikt besteht, nicht auf die Herkunftsregion des Klägers, sondern auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend über die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem unionsrechtlichen Abschiebungsschutz weiterhin auch der vom Kläger hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Revision allein mit der grundsätzlichen Bedeutung einer auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz zugeschnittenen Frage begründet hat. Die Urteilsformel enthält keine Beschränkung der Zulassung auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Der Umfang der Zulassung ist daher unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit durch Auslegung zu ermitteln. Danach ist hier von einer uneingeschränkten Zulassung auszugehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten (Haupt- und Hilfs-)Anträge betreffen zwar unterschiedliche Streitgegenstände. Diese sind aber eng miteinander verflochten, insbesondere stellt sich die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage des maßgeblichen Anknüpfungsortes nicht nur beim unionsrechtlichen, sondern auch beim nationalen Abschiebungsschutz. Für eine uneingeschränkte Zulassung der Revision spricht im Übrigen auch die dem Berufungsurteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich auf das Rechtsmittel der Revision bezieht.
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2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens auf Gewährung von Abschiebungsschutz ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 10). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Maßgeblich ist daher für das Revisionsverfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Unionsrechtlich finden sowohl die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikations-Richtlinie - vom 29. April 2004 (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) Anwendung als auch die - während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene - Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 337 vom 20. Dezember 2011 S. 9). Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen wurde den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt (Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) und es bleibt bis zum Ablauf dieser Frist bei der Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Art. 41 Abs. 2 i.V.m. Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Hinsichtlich der unverändert übernommenen Bestimmungen gilt die Neufassung hingegen schon jetzt (vgl. Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU).
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3. Das Berufungsurteil verletzt in Bezug auf den vom Kläger primär begehrten unionsrechtlichen Abschiebungsschutz Bundesrecht. Die diesbezüglichen Vorgaben des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG) sind in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG - in überschießender Umsetzung - als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und bilden einen eigenständigen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11 und vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13 und 16).
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3.1 Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung abgelehnt, die revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses - die Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU) umsetzenden - Abschiebungsverbots können auch dann erfüllt sein, wenn sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 25). In diesem Fall ist Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - NVwZ 2009, 705 Rn. 40).
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Das Berufungsgericht hat dies zutreffend zu Grunde gelegt. Es hat aber nicht geprüft, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht, sondern stattdessen auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt, weil der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 14. November 2012 (BVerwG 10 B 22.12 - juris Rn. 7) als geklärt gesehen hat, kommt es für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, aber weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Ein Abweichen von der Regel kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen ihm § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewähren soll. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Zusammenhang der unionsrechtlichen Abschiebungsverbote mit den Bestimmungen über den internen Schutz (Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG; künftig: Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU). Kommt die Herkunftsregion als Zielort wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Der Begriff des "tatsächlichen Zielortes der Rückkehr" ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da es bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG um den Schutz vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat geht, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat, etwa weil Familienangehörige getötet worden sind oder diese Gebiete ebenfalls verlassen haben. Auch soweit die nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände begründet worden ist, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage), und es mangels Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine nachvollziehbare Haltung ist, nicht in die Herkunftsregion zurückkehren zu wollen, behält diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aus.
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Diese Ausdeutung des vom Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - (Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40) verwandten Begriffs des tatsächlichen Zielorts der Rückkehr kann vorgenommen werden, ohne diesem die Rechtssache zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH hat den Begriff in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 zwar nicht abschließend definiert. Die hier entfaltete Auslegung trägt aber dem Zweck der Vorschriften über den internen Schutz Rechnung und folgt damit der Vorgabe des EuGH, die Auslegung nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 Abs. 3 EG (inzwischen: Art. 288 AEUV) nachzukommen (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 42).
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Das Berufungsurteil verstößt nach den vorstehenden Grundsätzen gegen Bundesrecht, weil es für das Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht die Verhältnisse in der Herkunftsregion des Klägers in den Blick genommen, sondern auf die Lage in Kabul als dem voraussichtlichen Zielort einer Abschiebung abgestellt hat. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise dauerhaft in einer anderen Region als Helmand niedergelassen hat. Er ist zwar zunächst mit seiner Lebensgefährtin nach Kabul (und später in den Iran zu seiner Schwester) gegangen. Dies geschah nach seinen Angaben aber allein aus Angst vor dem Vater seiner Lebensgefährtin; zur Dauer und den näheren Umständen des Aufenthalts in Kabul enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Die vom Berufungsgericht angeführten Erwägungen, warum der Kläger nicht nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde, lassen die Relevanz der Heimatregion für die Gefahrenprognose bei einem bewaffneten Konflikt nicht entfallen.
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3.2 Das Berufungsurteil beruht auf diesem Fehler. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zur Lage in der Provinz Helmand getroffen. Ob in dieser Region ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und dem Kläger dort die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG definierte Gefahr droht, kann daher revisionsgerichtlich weder festgestellt noch ausgeschlossen werden.
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3.3 Die Entscheidung erweist sich hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) oder unrichtig, so dass der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden kann.
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a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Kläger - einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner Herkunftsregion unterstellt - in Kabul internen Schutz finden könnte. Dies würde nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzen, dass für den Kläger in Kabul nicht nur keine Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, sondern von ihm auch vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.
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Auch hierzu fehlen hinreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf Kabul zwar festgestellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, weil dort keine extreme Gefahrenlage herrsche und zu erwarten sei, dass Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage aber so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus; weiterhin offenbleiben kann, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35).
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b) Umgekehrt kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsurteil hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus anderen Gründen unrichtig ist. Das Berufungsgericht hat vor allem im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - insbesondere nicht aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan.
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Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem Abschiebungsverbot wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU) umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) - EMRK - orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM <2001> 510 endgültig S. 6, 30). Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83, 389) - GR-Charta - zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn das ernsthafte Risiko der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Dies gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch die Regelung in Art. 19 Abs. 2 GR-Charta die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 15 und 17).
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Entgegen der Auffassung der Revision ist der neueren Rechtsprechung des EGMR nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung" bestimmt. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/06 - NVwZ 2011, 413). Bereits in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (BVerwG 10 B 16.12 - juris Rn. 8 f.) hat der Senat dargelegt, dass der EGMR davon ausgeht, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln (EGMR, Urteile vom 28. Mai 1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u. a./Vereinigtes Königreich - NJW 1986, 3007 Rn. 67; vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 54 und vom 28. Juni 2012 - Nr. 14499/09, A.A. u.a. - Rn. 71). Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (stRspr, EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 Rn. 90 f. und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zugunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadiums an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei (EGMR, Urteil vom 2. Mai 1997 - Nr. 146/1996/767/964, D./Vereinigtes Königreich - NVwZ 1998, 161 Rn. 52 f.). Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung (expulsion) in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 a.a.O. Rn. 44).
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Wie der Senat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (a.a.O. Rn. 9) ausgeführt hat, ist diese gefestigte Rechtsprechung durch das Urteil der Großen Kammer vom 21. Januar 2011 (a.a.O.) im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland nicht grundsätzlich revidiert worden. Dieses Urteil verhält sich - entgegen der Auffassung der Revision - erkennbar nicht zu den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung". Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die - in einem ihnen völlig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259).
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Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich (Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen - wie in Somalia - nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f.).
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Welche Anforderungen sich aus dieser Rechtsprechung des EGMR im Einzelnen für Abschiebungen in den Herkunftsstaat bei schlechten humanitären Bedingungen ergeben, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst der EGMR geht in Bezug auf Afghanistan davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - NJOZ 2012, 952 Rn. 84). Auch auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine allein auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsland gestützte Verletzung des Art. 3 EMRK ersichtlich nicht vor. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des abschiebenden Staates, aus dessen Sicht zu prüfen ist, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 a.a.O. Rn. 265, 301, 309). Das gilt auch bei der Beurteilung von Umständen, die nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen, dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK aber dennoch eine Abschiebung des Ausländers verbieten.
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Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derzeit nur eine Abschiebung nach Kabul möglich ist (UA S. 14). Zugleich hat es sich bezüglich der allgemeinen Lebensbedingungen in Kabul - im Rahmen seiner Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG - in tatsächlicher Hinsicht der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen, dass zu erwarten sei, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten (UA S. 23). Die daran anschließende Bemerkung des Berufungsgerichts, aufgrund der schlechten Gesamtsituation dürfte ohne schützende Familien- und Stammesstrukturen eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten "kaum zumutbar" sein, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Sie umfasst nicht die tatsächliche Feststellung, die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Abschiebezielstaat seien so schlecht, dass nach Art. 3 EMRK von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsse. Mit dieser Formulierung bringt das Berufungsgericht lediglich seine Haltung zum Ausdruck, dass die rechtlichen "Hürden" des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG seiner Auffassung nach zu hoch sind, und lässt in der Sache sein Bedauern erkennen, dass die oberste Landesbehörde für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp aus humanitären Gründen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet hat und das Gericht diese politische Entscheidung - unterhalb der hier nicht erreichten Grenze verfassungsrechtlich gebotenen Abschiebungsschutzes - nicht zu ersetzen vermag (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 5).
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Damit liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG - ungeachtet des Umstandes, dass bei § 60 Abs. 2 AufenthG und bei § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Maßstäbe gelten - ersichtlich nicht vor. Selbst bei Zugrundelegung der - vom EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland für einen gänzlich anderen Anwendungsfall entwickelten und in den Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich auf eine ebenfalls andere Ausgangssituation im Herkunftsstaat übertragenen - abgesenkten und auf die Situation besonderer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit bezogenen Maßstäbe ergäbe sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Verhältnissen in Kabul für den Kläger kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 10).
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Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage an den EuGH. Die Voraussetzungen, unter denen einen abschiebenden Staat aus Art. 3 EMRK ausnahmsweise eine Verantwortung für nicht dem Abschiebezielstaat oder anderen Akteuren zuzurechnende Umstände trifft, ergeben sich aus der Rechtsprechung des EGMR und werfen im vorliegenden Verfahren keine entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen auf. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU zu beachten. Dass die Richtlinie in Bezug auf Art. 3 EMRK bei Umständen, die weder in die Verantwortung des Abschiebezielstaats noch eines sonstigen Akteurs fallen, keinen über die Rechtsprechung des EGMR hinausgehenden Schutz gewährt, ergibt sich schon aus Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 6 der Richtlinie 2004/83/EG). Denn dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass es nach den Vorstellungen des Richtliniengebers auch beim subsidiären Schutz grundsätzlich eines Akteurs bedarf, von dem ein ernsthafter Schaden ausgehen kann.
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4. Kann der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen weder positiv noch negativ abschließend über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden, so ist das Berufungsurteil schon aus diesem Grund aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es auf die von der Revision fristgerecht erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Zur Klarstellung weist der Senat allerdings darauf hin, dass die gerügten Verfahrensfehler nicht vorliegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 16.12 und 10 B 20.12 - zu vergleichbaren Verfahrensrügen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil es den Rechtsstreit nicht dem EuGH vorgelegt hat. Ein solcher Verstoß scheidet schon deswegen aus, weil es nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zwar zur Vorlage berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH aber auch nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt bzw. unterliegen keinen Zweifeln, die eine Vorlage rechtfertigen oder gar gebieten. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
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5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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5.1 Das Berufungsgericht wird hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor allem mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auf aktueller Tatsachengrundlage zu klären haben, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht und ihm dort die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewährt. Ist dies der Fall, hat es weiter zu prüfen, ob der Kläger nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf die Möglichkeit internen Schutzes in einem anderen Landesteil - insbesondere Kabul - verwiesen werden kann.
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5.2 Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes hat, wird es auf aktueller Erkenntnislage auch erneut über den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG zu entscheiden haben.
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a) Dabei kann dahinstehen, wie die Aussage des Berufungsgerichts bei § 60 Abs. 5 AufenthG zu verstehen ist, dass bezüglich Art. 3 EMRK die weitergehende und unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG "vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen" sei. Sollte das Berufungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK durch § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt wird, wäre dies allerdings nicht mit Bundesrecht zu vereinbaren.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse).
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Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft - wie dargelegt - an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG - vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind.
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b) Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat auch dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung).
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Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen kann, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (stRspr, vgl. Urteil vom 8. September 2012 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 - Rn. 22 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.
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Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Maßstäbe ein Abschiebungsverbot verneint, weil in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten sei, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Dabei hat es weder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge der problematischen Versorgungslage, die neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Wohnraum umfasst, zur Beeinträchtigung fundamentaler Schutzgüter kommen werde, überspannt noch hat es seine tatrichterliche Überzeugung auf einer zu schmalen Tatsachenbasis gebildet. Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Beurteilung einer extremen Gefahrenlage die medizinische Versorgungslage nicht hinreichend berücksichtigt, verkennt sie, dass diese nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung ist, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-)Versorgung besteht (s.a. Beschluss vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 20.12 - Rn. 14).
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Soweit das Berufungsgericht im Übrigen der Auffassung ist, das Bundesverwaltungsgericht stelle an das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung überzogene rechtliche Anforderungen, geben die Ausführungen dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Das Berufungsgericht begründet seine Kritik damit, dass die Zumutbarkeit einer Rückkehr unter humanitären Gesichtspunkten, die es aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen selbst für gesunde alleinstehende Männer "kaum" für gegeben hält, nach der Rechtsprechung "kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG" sei. Mit diesen Erwägungen stellt es dem aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit eine eigene - mit außerrechtlichen Erwägungen begründete und enger gefasste - Zumutbarkeit gegenüber und vermischt damit die Grenze zwischen einer dem Betroffenen rechtlich (noch) zumutbaren und einer nicht (mehr) zumutbaren Rückkehr. Dabei vernachlässigt es zudem, dass es bei der verfassungskonformen Auslegung nicht um die Bestimmung eines aus Sicht des jeweiligen Gerichts "sinnvollen" und/oder "menschenrechtsfreundlichen" Abschiebungsschutzregimes geht, sondern um die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen im gewaltenteilenden Rechtsstaat die Rechtsprechung befugt ist, über eine verfassungskonforme Auslegung ausnahmsweise die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, allgemeine Gefahren nur im Rahmen einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, unbeachtet zu lassen. Hierbei macht es in der Sache einen erheblichen Unterschied, ob ein Mensch ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat, oder ob er bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen.
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Die weiteren Zweifel des Berufungsgerichts, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden könne, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen, betreffen nicht den materiell-rechtlichen Maßstab für die Beurteilung einer extremen Gefahrenlage selbst. Die damit ausgedrückte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 22) vernachlässigt, dass diese Auseinandersetzung nicht als Selbstzweck gefordert wird. Sie zielt auf eine Verbesserung der Entscheidungsqualität durch Verbreiterung der erkennbar in die tatrichterliche Bewertung eingestellten Tatsachen- und Argumentationsbasis. Dies gilt namentlich in Fällen, in denen es - wie hier - im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG um eine "Korrektur" des demokratisch legitimierten Gesetzgebers geht, für die im Rahmen der Tatsachen- und Lagebeurteilung eine umfassende Gesamtwürdigung der voraussichtlichen Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat und der damit verbundenen Gefahren erforderlich ist.
Gründe
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I
- 1
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Die Kläger zu 1 und 2 und deren minderjähriger Sohn, der Kläger zu 3, sind nach eigenen Angaben syrische Staatsangehörige. Sie reisten nach einem etwa achtmonatigen Aufenthalt in Bulgarien im Mai 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zuvor war ihnen am 21. Februar 2014 in Bulgarien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Im Mai 2014 beantragten sie in Deutschland Asyl. Mit Bescheid vom 3. März 2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) die Anträge als unzulässig ab (Ziffer 1.). Es drohte den Klägern die Abschiebung nach Bulgarien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat an, wenn sie das Bundesgebiet nicht innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens verlassen. Nach Syrien dürften sie nicht abgeschoben werden (Ziffer 2.). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, die Asylanträge seien unzulässig, weil den Klägern bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz zuerkannt worden sei.
- 2
-
Das Verwaltungsgericht hat Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids des Bundesamts aufgehoben und die Klage im Übrigen (Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Bulgarien) abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Bulgarien besteht. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Beschwerde.
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II
- 3
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 4
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1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
- 5
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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 14. Februar 2018 - 1 B 1.18 - juris Rn. 3).
- 6
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a) Die Beschwerde hält zunächst hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK für klärungsbedürftig,
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"welchen Schweregrad eine auf die allgemeinen Verhältnisse zurückzuführende Situation jedenfalls erreichen muss, um der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit Blick auf Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK entgegenzustehen"
-
und
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"ob insoweit eine Eingriffsschwere erforderlich ist, die dem Grad der 'Extremgefahr', wie sie zur Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG erforderlich wäre, gleichkommt?".
- 7
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Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie sind bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.
- 8
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aa) Für die Kriterien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK zurückzugreifen. Dieser fordert in ständiger Rechtsprechung nur für die Tatbestandsalternativen der "Folter" und der "unmenschlichen Behandlung" ein vorsätzliches Handeln, nicht hingegen für die Tatbestandsalternative der "erniedrigenden Behandlung". Hierzu führt er in seinem Urteil vom 21. Januar 2011 (GK) - Nr. 30696/09 - M.S.S./Belgien und Griechenland - (Rn. 220) aus: Es sei zwar zu berücksichtigen, ob es der Zweck der Behandlung gewesen sei, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließe dies die Feststellung einer Verletzung von Art. 3 EMRK nicht zwingend aus ("the absence of any such purpose cannot conclusively rule out a finding of a violation of Article 3"). Der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht sind dieser Rechtsprechung gefolgt. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 [ECLI:EU:C:2011:865], N.S. u.a. - (Rn. 86 bis 94 und 106) entschieden, dass die Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems unter bestimmten Umständen gegen das Verbot einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC/Art. 3 EMRK verstoßen kann, wenn sie an einen Mitgliedstaat überstellt werden, bei dem ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller systemische Mängel aufweisen. Diese Rechtsprechung führt der EuGH in Folgeentscheidungen fort und legt die Merkmale der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Übereinstimmung mit dem EGMR aus (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 PPU [ECLI:EU:C:2017:127], C.K. u.a. - Rn. 67). Entsprechendes gilt für die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 22 ff.).
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In der Rechtsprechung des EGMR ist weiter geklärt, dass die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren ein gewisses "Mindestmaß an Schwere" (minimum level of severity) erreichen müssen, um ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK/Art. 4 GRC zu begründen (vgl. EGMR
, Urteil vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien - Rn. 174; EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 PPU, C.K. u.a. - Rn. 68). Die Bestimmung dieses Mindestmaßes an Schwere ist relativ und hängt von allen Umständen des Falls ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, den daraus erwachsenen körperlichen und mentalen Folgen für den Betroffenen und in bestimmten Fällen auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen (EGMR , Urteile vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 219 und vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien - Rn. 174). Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts beim EuGH Wathelet vom 25. Juli 2018 (C-163/17 - Rn. 143) muss sich der Betroffene in "einer besonders gravierenden Lage" befinden. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK begründen (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 23 und 25).
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Allerdings enthält Art. 3 EMRK weder eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen noch begründet Art. 3 EMRK eine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR
, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 249). Der EGMR hat aber für die als besonders verletzlich gewertete Gruppe der Asylsuchenden eine gesteigerte Verantwortlichkeit der EU-Mitgliedstaaten gesehen, weil sich diese durch die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (ABl. L 31 S. 18) (heute: Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen ) zur Gewährleistung bestimmter Minimalstandards bei der Aufnahme von Asylsuchenden verpflichtet haben. Bei diesem besonders schutzbedürftigen Personenkreis können schlechte Lebensbedingungen im Zielstaat der Abschiebung das für Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere erfüllen, wenn die Betroffenen - in einem ihnen vollständig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und staatlicher Untätigkeit und Indifferenz gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 250 ff.; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 24).
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Die vorstehend wiedergegebene Rechtsprechung von EGMR, EuGH und Bundesverwaltungsgericht ist auf anerkannte Flüchtlinge zu übertragen, die sich darauf berufen, dass die Lebensbedingungen, denen sie im Staat ihrer Flüchtlingsanerkennung ausgesetzt sind, Art. 3 EMRK widersprechen (so schon BVerwG, Beschluss vom 2. August 2017 - 1 C 37.16 - juris Rn. 20). Auch für diesen Personenkreis ergibt sich eine gesteigerte Schutzpflicht der EU-Mitgliedstaaten, der sie sich in Gestalt der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9) unterworfen haben. Auch bei ihnen kann das für Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere im Zielstaat der Abschiebung erreicht sein, wenn sie ihren existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern können, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten. Die Unmöglichkeit der Sicherung des Lebensunterhalts kann auf der Verhinderung eines Zugangs zum Arbeitsmarkt oder auf dem Fehlen staatlicher Unterstützungsleistungen beruhen. Einer weitergehenden abstrakten Konkretisierung ist das Erfordernis, dass ein gewisses "Mindestmaß an Schwere" erreicht sein muss, nicht zugänglich. Vielmehr bedarf es insoweit der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.
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Die Frage, ob die vom Berufungsgericht tatrichterlich festgestellten Aufnahmebedingungen für nach Bulgarien zurückkehrende anerkannte Schutzbedürftige unter Berücksichtigung der aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe gegen Art. 3 EMRK verstoßen, betrifft die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung. Diese Frage wird von den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten der einzelnen Bundesländer unterschiedlich beantwortet (eine vom Berufungsgericht abweichende Einschätzung trifft u.a. das OVG Magdeburg, Beschluss vom 31. August 2016 - 3 L 94/16 - juris; vgl. im Übrigen die Zusammenstellung im angefochtenen Urteil S. 11 f.). Tatsachenfragen - mögen sie auch von grundsätzlicher Bedeutung sein - reichen nach geltender Rechtslage für die Zulassung einer Revision nicht aus (s. nur BVerwG, Beschluss vom 24. April 2017 - 1 B 22.17 - InfAuslR 2017, 307). Eine etwa fehlerhafte Anwendung der rechtlich zu Art. 3 EMRK geklärten Maßstäbe im Einzelfall - mag sie auch die von individuellen Besonderheiten weitgehend unabhängige Beurteilung der Lage in einem bestimmten Abschiebungszielstaat betreffen - rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.
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bb) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Annahme eines Abschiebungsverbots in Bezug auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK eine "Extremgefahr" voraussetzt, lässt sich mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens verneinen. Der Begriff der "Extremgefahr" wird im Zusammenhang mit dem nationalen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG verwendet. Danach kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 38). Dieser strengere Maßstab ist zur Rechtfertigung der Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG geboten, lässt sich jedoch nicht auf die in § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK getroffene Regelung übertragen.
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b) Die Beschwerde sieht weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf, ob
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"in einer solchen Konstellation vom Bundesamt (...) im Sinn einer zielstaatsbezogenen Gefahrenursache das Vorhandensein einer Unterkunftsmöglichkeit in die Prognose für Abschiebungsschutzgründe i.S.d. § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG einzustellen ist"
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und
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"die der Gefahrrealisierung entgegenstehende Einholung einer Zusage über die Sicherstellung einer Unterkunftsmöglichkeit durch die Behörden des Mitgliedstaats (hier: Bulgarien) dem Aufgabenbereich des Bundesamtes oder dem Aufgabenbereich der für die Durchführung der Überstellung zuständigen Ausländerbehörde unterfällt".
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Auch diese aufgeworfenen Rechtsfragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
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aa) Die Frage, ob das Bundesamt das Vorhandensein einer Unterkunftsmöglichkeit in die Prognose für Abschiebungsschutzgründe im Sinne des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG einzustellen hat, lässt sich bereits aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Die Zuständigkeit des Bundesamts für die Feststellung, ob die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen, folgt aus § 24 Abs. 2 und § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 24 Abs. 1 AsylG ergibt sich, dass das Bundesamt den Sachverhalt klärt und die erforderlichen Beweise erhebt. Für das hier relevante Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bedeutet dies, dass alle für die Beurteilung des Vorliegens einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung relevanten Lebensbedingungen im Zielstaat der Abschiebung zu ermitteln und zu würdigen sind. Dafür ist unter anderem auch von Bedeutung, ob der rückkehrende Ausländer eine Unterkunft finden kann.
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bb) Die weiter aufgeworfene Rechtsfrage, ob das Bundesamt oder die Ausländerbehörden für die Einholung einer der Gefahrrealisierung entgegenstehenden Zusage über die Sicherstellung einer Unterkunftsmöglichkeit durch die Behörden des Mitgliedstaats (hier: Bulgarien) zuständig ist, rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist. Denn im vorliegenden Verfahren geht es nicht um die Einholung einer derartigen Zusicherung, sondern allgemein um die Verfügbarkeit einer Unterkunftsmöglichkeit. Hierbei handelt es sich um eine zielstaatsbezogene Tatsache, die das Bundesamt zu klären hat. In diesem Zusammenhang kann es gegebenenfalls auch zu der Feststellung gelangen, dass es zur Beseitigung eines ansonsten bestehenden Abschiebungsverbots einer Zusicherung bedarf. Etwas anderes gilt nur für Umstände, die Gefahren betreffen, die sich im Einzelfall im Zusammenhang mit der Durchführung einer Abschiebung ergeben. Hierzu zählt jedoch die Frage nicht, ob Flüchtlinge in Bulgarien Obdach finden können.
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2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) einer Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) und eines Verstoßes gegen das Gebot rechtsfehlerfreier Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sind nicht dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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a) Die geltend gemachte Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
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Die Rüge einer solchen Verletzung erfordert eine substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen Beweisantrag hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Februar 2013 - 8 B 58.12 - ZOV 2013, 40 und vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 - juris Rn. 23). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde ersichtlich nicht. Sie hat schon die für erforderlich gehaltenen weiteren Aufklärungsmaßnahmen nicht hinreichend konkretisiert und auch nicht vorgetragen, welche tatsächlichen Feststellungen bei deren Vornahme voraussichtlich getroffen worden wären. Zudem ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht, dass die Beklagte durch einen Beweisantrag oder eine hinreichend bestimmte Beweisanregung im Berufungsverfahren auf eine Beweiserhebung hingewirkt hätte oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Berufungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.
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Bei der Frage, ob eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht vorliegt, ist im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass es sich beim beklagten Bundesamt um eine spezialisierte Behörde handelt, zu deren Aufgabe die Ermittlung der allgemeinen Lage in den Herkunftsstaaten der Antragsteller sowie gegebenenfalls in den Staaten gehört, durch die sie gereist sind (Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes
). Die Behörde muss kraft Unionsrechts angemessen ausgestattet sein und über kompetentes Personal in ausreichender Zahl verfügen. Ferner hat die Beklagte die prozessuale Obliegenheit, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, was die gerichtliche Aufklärungspflicht begrenzt. Das Gericht kann daher im Regelfall davon ausgehen, dass das Bundesamt ergänzende Erkenntnisquellen, die ihm vorliegen oder für die Behörde erreichbar sind, auch in das Verfahren einführt, zumal dann, wenn eine bestimmte, erkennbar entscheidungserhebliche Tatsachenfrage - wie hier - gerichtlich umstritten ist, und dass sich weitere, von dem Bundesamt selbst nicht wahrgenommene oder für erforderlich gehaltene Aufklärungsmaßnahmen auch für das Gericht nicht aufdrängen.
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b) Auch die Rüge eines Verstoßes gegen das Gebot rechtsfehlerfreier Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) greift nicht durch.
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Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nicht schon dann infrage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 7. Februar 2017 - 6 B 30.16 - juris Rn. 10 und vom 20. Februar 2018 - 1 B 3.18 - juris Rn. 12). Nach diesen Maßgaben ergeben sich verfahrensrechtliche Mängel der Überzeugungsbildung aus der Beschwerdebegründung nicht.
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Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen die sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Vorgaben darin, dass das Berufungsgericht die staatliche Gleichgültigkeit Bulgariens gegenüber schutzsuchenden Ausländern gerade mit Blick auf die fehlende Akzeptanz der im Juli 2017 in Bulgarien erlassenen Integrationsverordnung hergeleitet habe (faktische Nichtumsetzung), ohne dies tragfähig zu begründen. Aus den in den Urteilsgründen angeführten Erkenntnisquellen ergäben sich keine für den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der Berufungsverhandlung inhaltlich relevanten Aussagen zur Akzeptanz und tatsächlichen Umsetzung dieser neuen Integrationsverordnung. Teilweise stammten die Erkenntnisquellen aus einem Zeitraum vor dem Erlass der Verordnung am 19. Juli 2017, die daneben noch angeführten Mitteilungen aus dem Internet hätten allenfalls Geltung für einen ersten Umsetzungszeitraum bis zum 21. November 2017 und würden keine Informationen darüber enthalten, ob bzw. in welchem Umfang sich seitdem bis zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung mögliche Verbesserungen ergeben hätten. Es sei nicht auszuschließen, dass inzwischen sehr wohl Bemühungen des bulgarischen Staates zur effektiveren Umsetzung der Integrationsverordnung feststellbar sein könnten.
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Der Senat hat im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge nicht über die dem materiellen Recht zuzuordnende Frage zu entscheiden, ob die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage beruht, wofür einiges sprechen könnte (keine genauen Aussagen zum Inhalt der Integrationsverordnung Bulgariens vom Juli 2017, nur zwei mit google translate übersetzte Erkenntnisquellen zu deren Anwendung). Maßgeblich für das Einhalten der verfahrensrechtlichen Grenzen der Überzeugungsbildung ist vielmehr, dass das Gericht auch nach dem Vorbringen der Beschwerde keinen entscheidungserheblichen Akteninhalt unberücksichtigt gelassen oder aktenwidrige Tatsachen zugrunde gelegt hat und die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen auch nicht gegen die Denkgesetze verstoßen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht sich auch auf Erkenntnisquellen stützt, die vor dem Erlass der neuen Integrationsverordnung vom Juli 2017 datieren. Denn es verstößt nicht gegen die Denkgesetze, wenn für die tatrichterliche Schlussfolgerung, die Bemühungen der Republik Bulgarien zur Verbesserung der Unterbringung von anerkannten Schutzberechtigten seien unzureichend, neben den ersten Erfahrungen seit der Umsetzung der neuen Integrationsverordnung auch Erfahrungen im Umgang mit der früheren Integrationsverordnung einbezogen werden. Soweit die Beschwerde einwendet, das Berufungsgericht habe keine Informationen für den Zeitraum vom 21. November 2017 bis zum nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (hier am 31. Januar 2018) einbezogen, genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen. Sie hätte konkret aufzeigen müssen, aufgrund welcher Bemühungen des bulgarischen Staates zur effektiveren Umsetzung der Integrationsverordnung eine Verbesserung festzustellen ist, die für das Ergebnis der tatrichterlichen Würdigung von Bedeutung sein könnte. Die bloße Vermutung, es sei nicht auszuschließen, dass inzwischen Bemühungen des bulgarischen Staates feststellbar sein könnten, genügt dafür nicht.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Tatbestand
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Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.
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Der 1986 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stammt aus der Provinz Helmand (Afghanistan), ist schiitischen Glaubens und gehört dem Volk der Hazara an. Im Februar 2009 reiste er nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 17. März 2010 ab. Zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an.
- 3
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Nach Rücknahme der Klage auf Asylanerkennung hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 27. April 2012 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dem Kläger stehe weder unionsrechtlicher noch nationaler Abschiebungsschutz zu. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG sei nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Da in Afghanistan kein landesweiter bewaffneter Konflikt herrsche, komme eine individuelle Bedrohung nur in Betracht, wenn sich der Konflikt auf den tatsächlichen Zielort bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erstrecke. Dies sei die Herkunftsregion des Ausländers, in der er zuletzt gelebt habe bzw. in die er typischerweise zurückkehren könne und voraussichtlich auch werde. Der Kläger habe glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keine aufnahmebereiten Bekannten oder Verwandten und keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor einer dort lebenden Privatperson, außerdem befürchte er Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe in Helmand in besonderem Maße ausgesetzt sei. Wolle bzw. werde der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren, sei auf das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul abzustellen. Dort herrsche kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mehr. Die Sicherheitslage werde in Kabul, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet.
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Dem Kläger stehe hinsichtlich Afghanistans auch nicht der hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der allgemein schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan stehe § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegen. Eine extreme Gefahrenlage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ausnahmsweise nicht greife, liege für Kabul nicht (mehr) vor. Vielmehr sei eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul zu erkennen, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder Anbindung an lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehe. Der Senat sehe keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Falle des Klägers seien auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 60 Abs. 2, 5 sowie 7 Satz 1 und 2 AufenthG. Außerdem macht er Verfahrensfehler geltend und regt zur weiteren Klärung des Gehalts der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 7 Satz 2 AufenthG eine Vorlage an den EuGH an.
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Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
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Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verletzt hinsichtlich des vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgten Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat bei der im Rahmen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gebotenen Prüfung, ob am tatsächlichen Zielort des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein bewaffneter Konflikt besteht, nicht auf die Herkunftsregion des Klägers, sondern auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend über die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem unionsrechtlichen Abschiebungsschutz weiterhin auch der vom Kläger hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Revision allein mit der grundsätzlichen Bedeutung einer auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz zugeschnittenen Frage begründet hat. Die Urteilsformel enthält keine Beschränkung der Zulassung auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Der Umfang der Zulassung ist daher unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit durch Auslegung zu ermitteln. Danach ist hier von einer uneingeschränkten Zulassung auszugehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten (Haupt- und Hilfs-)Anträge betreffen zwar unterschiedliche Streitgegenstände. Diese sind aber eng miteinander verflochten, insbesondere stellt sich die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage des maßgeblichen Anknüpfungsortes nicht nur beim unionsrechtlichen, sondern auch beim nationalen Abschiebungsschutz. Für eine uneingeschränkte Zulassung der Revision spricht im Übrigen auch die dem Berufungsurteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich auf das Rechtsmittel der Revision bezieht.
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2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens auf Gewährung von Abschiebungsschutz ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 10). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Maßgeblich ist daher für das Revisionsverfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Unionsrechtlich finden sowohl die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikations-Richtlinie - vom 29. April 2004 (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) Anwendung als auch die - während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene - Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 337 vom 20. Dezember 2011 S. 9). Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen wurde den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt (Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) und es bleibt bis zum Ablauf dieser Frist bei der Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Art. 41 Abs. 2 i.V.m. Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Hinsichtlich der unverändert übernommenen Bestimmungen gilt die Neufassung hingegen schon jetzt (vgl. Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU).
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3. Das Berufungsurteil verletzt in Bezug auf den vom Kläger primär begehrten unionsrechtlichen Abschiebungsschutz Bundesrecht. Die diesbezüglichen Vorgaben des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG) sind in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG - in überschießender Umsetzung - als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und bilden einen eigenständigen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11 und vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13 und 16).
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3.1 Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung abgelehnt, die revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses - die Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU) umsetzenden - Abschiebungsverbots können auch dann erfüllt sein, wenn sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 25). In diesem Fall ist Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - NVwZ 2009, 705 Rn. 40).
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Das Berufungsgericht hat dies zutreffend zu Grunde gelegt. Es hat aber nicht geprüft, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht, sondern stattdessen auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt, weil der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 14. November 2012 (BVerwG 10 B 22.12 - juris Rn. 7) als geklärt gesehen hat, kommt es für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, aber weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Ein Abweichen von der Regel kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen ihm § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewähren soll. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Zusammenhang der unionsrechtlichen Abschiebungsverbote mit den Bestimmungen über den internen Schutz (Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG; künftig: Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU). Kommt die Herkunftsregion als Zielort wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Der Begriff des "tatsächlichen Zielortes der Rückkehr" ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da es bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG um den Schutz vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat geht, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat, etwa weil Familienangehörige getötet worden sind oder diese Gebiete ebenfalls verlassen haben. Auch soweit die nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände begründet worden ist, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage), und es mangels Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine nachvollziehbare Haltung ist, nicht in die Herkunftsregion zurückkehren zu wollen, behält diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aus.
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Diese Ausdeutung des vom Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - (Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40) verwandten Begriffs des tatsächlichen Zielorts der Rückkehr kann vorgenommen werden, ohne diesem die Rechtssache zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH hat den Begriff in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 zwar nicht abschließend definiert. Die hier entfaltete Auslegung trägt aber dem Zweck der Vorschriften über den internen Schutz Rechnung und folgt damit der Vorgabe des EuGH, die Auslegung nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 Abs. 3 EG (inzwischen: Art. 288 AEUV) nachzukommen (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 42).
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Das Berufungsurteil verstößt nach den vorstehenden Grundsätzen gegen Bundesrecht, weil es für das Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht die Verhältnisse in der Herkunftsregion des Klägers in den Blick genommen, sondern auf die Lage in Kabul als dem voraussichtlichen Zielort einer Abschiebung abgestellt hat. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise dauerhaft in einer anderen Region als Helmand niedergelassen hat. Er ist zwar zunächst mit seiner Lebensgefährtin nach Kabul (und später in den Iran zu seiner Schwester) gegangen. Dies geschah nach seinen Angaben aber allein aus Angst vor dem Vater seiner Lebensgefährtin; zur Dauer und den näheren Umständen des Aufenthalts in Kabul enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Die vom Berufungsgericht angeführten Erwägungen, warum der Kläger nicht nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde, lassen die Relevanz der Heimatregion für die Gefahrenprognose bei einem bewaffneten Konflikt nicht entfallen.
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3.2 Das Berufungsurteil beruht auf diesem Fehler. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zur Lage in der Provinz Helmand getroffen. Ob in dieser Region ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und dem Kläger dort die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG definierte Gefahr droht, kann daher revisionsgerichtlich weder festgestellt noch ausgeschlossen werden.
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3.3 Die Entscheidung erweist sich hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) oder unrichtig, so dass der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden kann.
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a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Kläger - einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner Herkunftsregion unterstellt - in Kabul internen Schutz finden könnte. Dies würde nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzen, dass für den Kläger in Kabul nicht nur keine Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, sondern von ihm auch vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.
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Auch hierzu fehlen hinreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf Kabul zwar festgestellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, weil dort keine extreme Gefahrenlage herrsche und zu erwarten sei, dass Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage aber so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus; weiterhin offenbleiben kann, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35).
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b) Umgekehrt kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsurteil hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus anderen Gründen unrichtig ist. Das Berufungsgericht hat vor allem im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - insbesondere nicht aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan.
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Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem Abschiebungsverbot wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU) umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) - EMRK - orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM <2001> 510 endgültig S. 6, 30). Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83, 389) - GR-Charta - zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn das ernsthafte Risiko der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Dies gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch die Regelung in Art. 19 Abs. 2 GR-Charta die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 15 und 17).
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Entgegen der Auffassung der Revision ist der neueren Rechtsprechung des EGMR nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung" bestimmt. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/06 - NVwZ 2011, 413). Bereits in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (BVerwG 10 B 16.12 - juris Rn. 8 f.) hat der Senat dargelegt, dass der EGMR davon ausgeht, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln (EGMR, Urteile vom 28. Mai 1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u. a./Vereinigtes Königreich - NJW 1986, 3007 Rn. 67; vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 54 und vom 28. Juni 2012 - Nr. 14499/09, A.A. u.a. - Rn. 71). Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (stRspr, EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 Rn. 90 f. und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zugunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadiums an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei (EGMR, Urteil vom 2. Mai 1997 - Nr. 146/1996/767/964, D./Vereinigtes Königreich - NVwZ 1998, 161 Rn. 52 f.). Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung (expulsion) in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 a.a.O. Rn. 44).
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Wie der Senat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (a.a.O. Rn. 9) ausgeführt hat, ist diese gefestigte Rechtsprechung durch das Urteil der Großen Kammer vom 21. Januar 2011 (a.a.O.) im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland nicht grundsätzlich revidiert worden. Dieses Urteil verhält sich - entgegen der Auffassung der Revision - erkennbar nicht zu den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung". Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die - in einem ihnen völlig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259).
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Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich (Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen - wie in Somalia - nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f.).
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Welche Anforderungen sich aus dieser Rechtsprechung des EGMR im Einzelnen für Abschiebungen in den Herkunftsstaat bei schlechten humanitären Bedingungen ergeben, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst der EGMR geht in Bezug auf Afghanistan davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - NJOZ 2012, 952 Rn. 84). Auch auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine allein auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsland gestützte Verletzung des Art. 3 EMRK ersichtlich nicht vor. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des abschiebenden Staates, aus dessen Sicht zu prüfen ist, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 a.a.O. Rn. 265, 301, 309). Das gilt auch bei der Beurteilung von Umständen, die nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen, dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK aber dennoch eine Abschiebung des Ausländers verbieten.
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Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derzeit nur eine Abschiebung nach Kabul möglich ist (UA S. 14). Zugleich hat es sich bezüglich der allgemeinen Lebensbedingungen in Kabul - im Rahmen seiner Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG - in tatsächlicher Hinsicht der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen, dass zu erwarten sei, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten (UA S. 23). Die daran anschließende Bemerkung des Berufungsgerichts, aufgrund der schlechten Gesamtsituation dürfte ohne schützende Familien- und Stammesstrukturen eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten "kaum zumutbar" sein, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Sie umfasst nicht die tatsächliche Feststellung, die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Abschiebezielstaat seien so schlecht, dass nach Art. 3 EMRK von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsse. Mit dieser Formulierung bringt das Berufungsgericht lediglich seine Haltung zum Ausdruck, dass die rechtlichen "Hürden" des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG seiner Auffassung nach zu hoch sind, und lässt in der Sache sein Bedauern erkennen, dass die oberste Landesbehörde für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp aus humanitären Gründen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet hat und das Gericht diese politische Entscheidung - unterhalb der hier nicht erreichten Grenze verfassungsrechtlich gebotenen Abschiebungsschutzes - nicht zu ersetzen vermag (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 5).
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Damit liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG - ungeachtet des Umstandes, dass bei § 60 Abs. 2 AufenthG und bei § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Maßstäbe gelten - ersichtlich nicht vor. Selbst bei Zugrundelegung der - vom EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland für einen gänzlich anderen Anwendungsfall entwickelten und in den Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich auf eine ebenfalls andere Ausgangssituation im Herkunftsstaat übertragenen - abgesenkten und auf die Situation besonderer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit bezogenen Maßstäbe ergäbe sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Verhältnissen in Kabul für den Kläger kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 10).
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Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage an den EuGH. Die Voraussetzungen, unter denen einen abschiebenden Staat aus Art. 3 EMRK ausnahmsweise eine Verantwortung für nicht dem Abschiebezielstaat oder anderen Akteuren zuzurechnende Umstände trifft, ergeben sich aus der Rechtsprechung des EGMR und werfen im vorliegenden Verfahren keine entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen auf. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU zu beachten. Dass die Richtlinie in Bezug auf Art. 3 EMRK bei Umständen, die weder in die Verantwortung des Abschiebezielstaats noch eines sonstigen Akteurs fallen, keinen über die Rechtsprechung des EGMR hinausgehenden Schutz gewährt, ergibt sich schon aus Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 6 der Richtlinie 2004/83/EG). Denn dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass es nach den Vorstellungen des Richtliniengebers auch beim subsidiären Schutz grundsätzlich eines Akteurs bedarf, von dem ein ernsthafter Schaden ausgehen kann.
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4. Kann der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen weder positiv noch negativ abschließend über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden, so ist das Berufungsurteil schon aus diesem Grund aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es auf die von der Revision fristgerecht erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Zur Klarstellung weist der Senat allerdings darauf hin, dass die gerügten Verfahrensfehler nicht vorliegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 16.12 und 10 B 20.12 - zu vergleichbaren Verfahrensrügen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil es den Rechtsstreit nicht dem EuGH vorgelegt hat. Ein solcher Verstoß scheidet schon deswegen aus, weil es nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zwar zur Vorlage berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH aber auch nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt bzw. unterliegen keinen Zweifeln, die eine Vorlage rechtfertigen oder gar gebieten. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
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5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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5.1 Das Berufungsgericht wird hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor allem mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auf aktueller Tatsachengrundlage zu klären haben, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht und ihm dort die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewährt. Ist dies der Fall, hat es weiter zu prüfen, ob der Kläger nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf die Möglichkeit internen Schutzes in einem anderen Landesteil - insbesondere Kabul - verwiesen werden kann.
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5.2 Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes hat, wird es auf aktueller Erkenntnislage auch erneut über den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG zu entscheiden haben.
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a) Dabei kann dahinstehen, wie die Aussage des Berufungsgerichts bei § 60 Abs. 5 AufenthG zu verstehen ist, dass bezüglich Art. 3 EMRK die weitergehende und unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG "vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen" sei. Sollte das Berufungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK durch § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt wird, wäre dies allerdings nicht mit Bundesrecht zu vereinbaren.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse).
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Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft - wie dargelegt - an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG - vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind.
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b) Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat auch dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung).
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Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen kann, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (stRspr, vgl. Urteil vom 8. September 2012 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 - Rn. 22 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.
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Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Maßstäbe ein Abschiebungsverbot verneint, weil in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten sei, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Dabei hat es weder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge der problematischen Versorgungslage, die neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Wohnraum umfasst, zur Beeinträchtigung fundamentaler Schutzgüter kommen werde, überspannt noch hat es seine tatrichterliche Überzeugung auf einer zu schmalen Tatsachenbasis gebildet. Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Beurteilung einer extremen Gefahrenlage die medizinische Versorgungslage nicht hinreichend berücksichtigt, verkennt sie, dass diese nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung ist, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-)Versorgung besteht (s.a. Beschluss vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 20.12 - Rn. 14).
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Soweit das Berufungsgericht im Übrigen der Auffassung ist, das Bundesverwaltungsgericht stelle an das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung überzogene rechtliche Anforderungen, geben die Ausführungen dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Das Berufungsgericht begründet seine Kritik damit, dass die Zumutbarkeit einer Rückkehr unter humanitären Gesichtspunkten, die es aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen selbst für gesunde alleinstehende Männer "kaum" für gegeben hält, nach der Rechtsprechung "kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG" sei. Mit diesen Erwägungen stellt es dem aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit eine eigene - mit außerrechtlichen Erwägungen begründete und enger gefasste - Zumutbarkeit gegenüber und vermischt damit die Grenze zwischen einer dem Betroffenen rechtlich (noch) zumutbaren und einer nicht (mehr) zumutbaren Rückkehr. Dabei vernachlässigt es zudem, dass es bei der verfassungskonformen Auslegung nicht um die Bestimmung eines aus Sicht des jeweiligen Gerichts "sinnvollen" und/oder "menschenrechtsfreundlichen" Abschiebungsschutzregimes geht, sondern um die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen im gewaltenteilenden Rechtsstaat die Rechtsprechung befugt ist, über eine verfassungskonforme Auslegung ausnahmsweise die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, allgemeine Gefahren nur im Rahmen einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, unbeachtet zu lassen. Hierbei macht es in der Sache einen erheblichen Unterschied, ob ein Mensch ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat, oder ob er bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen.
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Die weiteren Zweifel des Berufungsgerichts, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden könne, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen, betreffen nicht den materiell-rechtlichen Maßstab für die Beurteilung einer extremen Gefahrenlage selbst. Die damit ausgedrückte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 22) vernachlässigt, dass diese Auseinandersetzung nicht als Selbstzweck gefordert wird. Sie zielt auf eine Verbesserung der Entscheidungsqualität durch Verbreiterung der erkennbar in die tatrichterliche Bewertung eingestellten Tatsachen- und Argumentationsbasis. Dies gilt namentlich in Fällen, in denen es - wie hier - im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG um eine "Korrektur" des demokratisch legitimierten Gesetzgebers geht, für die im Rahmen der Tatsachen- und Lagebeurteilung eine umfassende Gesamtwürdigung der voraussichtlichen Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat und der damit verbundenen Gefahren erforderlich ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.