Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Mai 2016 - M 8 S 16.897

bei uns veröffentlicht am17.05.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen

Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Mieterin von Hallenflächen sowie des Lager- und Freiflächenbereichs auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung ..., ...str. 12. Das Grundstück wurde ihr von der Beigeladenen als Werkstatt-, Ausstellungs- und Lagerfläche vermietet. Sie hat diese Flächen an eine Vielzahl von Untermietern untervermietet.

In der Hauptsache wendet sich die Antragstellerin gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. Mai 2015 sowie einen Ergänzungsbescheid vom 28. Oktober 2015. Die Anfechtungsklagen sind unter den Az. M 8 K 14.5609 und M 8 K 15.5314 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Mit dem Ausgangsbescheid vom 21. Mai 2015, mit Postzustellungsurkunde am 26. Mai 2015 zugestellt, wurde der Antragstellerin unter Ziff. 1a die Nutzung und/oder Zulassung der Nutzung durch Dritte des Grundstücks ...straße, Fl.Nr. ... der Gemarkung ..., als Abstellfläche für Lastkraftwagen, Kraftfahrzeuge und Baumaschinen und Baumaterialien über das genehmigte Maß und die Art der privilegierten Nutzung „Errichtung eines Baumschulbetriebes mit Betriebsgebäude, Neubau einer landwirtschaftlichen Lager- und Maschinenhalle“ hinaus nach Unanfechtbarkeit dieser Verfügung untersagt. Ebenso wurde in diesem Bescheid unter Ziff. 1b die Nutzung/oder Zulassung der Nutzung durch Dritte des südlichen Hallenbereichs auf dem Grundstück Fl.Nr. ... als Autowerkstätte untersagt. Für den Fall der nichtfristgerechten Erfüllung der in Ziff. 1a genannten Verpflichtung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- EUR, für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der in Ziff. 1b genannten Verpflichtung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,-- EUR angedroht.

Im Ergänzungsbescheid vom 28. Oktober 2015, mit Postzustellungsurkunde am 2. November 2015 zugestellt, wurde im Nachgang zur Verfügung vom 21. Mai 2015 die Frist zur Nutzungsaufgabe oder Zulassung der Nutzung durch Dritte in den Ziff. 1a und 1b auf den 29. Februar 2016 festgelegt und gleichzeitig zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet.

Zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wurde ausgeführt, sie sei gerechtfertigt, weil das öffentliche Interesse an einer wieder geordneten und öffentlich-rechtlich genehmigten Nutzung ein sofortiges Einschreiten gegen die widerrechtliche Nutzungsweiterführung und vor allem gegen die widerrechtliche Nutzungsintensivierung erfordere. Insbesondere sei sie angemessen und gerechtfertigt, um die nachträglich eingetretenen Verdachtsmomente auszuräumen und eine ordnungsgemäße Beweisführung zu ermöglichen. Das allgemeine öffentliche Interesse an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände sei durch die rechtlich festgelegte und moralisch verpflichtende Vorgehensweise bei dem Verdacht von Kriegsgräbern im Zusammenhang mit den Kriegsgräberabkommen diverser Staaten zu einem besonderen öffentlichen Interesse geworden. Die Verhandlungen mit der Antragstellerin in der Vergangenheit hätten gezeigt, dass trotz ihrer Forderung nach Belassung der illegalen Nutzung diese noch intensiviert und durch die Errichtung zusätzlicher Gebäude verfestigt worden sei. Die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 21. Mai 2015 durch eine höhere Instanz überprüfen zu lassen, sei genutzt worden, um die wirtschaftlichen Interessen der Adressatin voll auszuschöpfen und den Gewinn zu maximieren.

Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2016, am selben Tag beim Verwaltungsgericht München eingegangen, haben die Bevollmächtigten der Antragstellerin beantragt:

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 25. November 2015 (M 8 K 15.5314) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2015 wird angeordnet.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das Grundstück werde wohl bereits seit Ende des 2. Weltkrieges als Abstellfläche für Container bzw. als Lagerfläche genutzt. Bis zur Verfügung vom 21. Mai 2015 bzw. dem Ergänzungsbescheid vom 28. Oktober 2015 sei die Lagernutzung auf dem Grundstück seitens der Antragsgegnerin jahrzehntelang geduldet worden, wobei ihr diese Nutzung auch immer bekannt gewesen sei. Entgegen den Ausführungen im Bescheid vom 28. Oktober 2015 sei es nicht zu einer Intensivierung bzw. Erweiterung der Nutzung im nördlichen Grundstücksbereich gekommen, vielmehr habe zumindest im Hinblick auf die dort abgestellten Güter im Vergleich zum Zeitpunkt der Nutzungsuntersagung keinerlei Veränderung stattgefunden. Eine Ansiedlung neuer, zusätzlicher Unterpächter bzw. Mieter habe seit der Klageeinreichung nicht stattgefunden. Ebenfalls finde entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin über die Wohnnutzung des in der Mitte des Geländes befindlichen einstöckigen Gebäudes hinaus auf dem Grundstück keine Wohnnutzung statt. Die diversen Container dienten den dort Beschäftigten allenfalls als Außen- und Umkleideräume bzw. zur Abwicklung von Büroarbeiten.

Weiter seien die seitens der Antragsgegnerin angeführten Sondierungen bzw. Grabungen auf Verdachtsflächen des KZ-Außenlagers ... bereits durchgeführt worden, wofür bereits Freiräumungen der Grundstücksteile seitens der Untermieter erfolgt seien.

Zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin seien bereits Gespräche zur Verlängerung der Räumungsfrist geführt worden. Von der Antragstellerin sei bereits mehrfach mitgeteilt und unter Angabe entsprechender Ausweichgrundstücke deutlich gemacht worden, dass ihrerseits eine schnellstmögliche Räumung des Grundstücks beabsichtigt sei, hierfür aber die mit Bescheid vom 28. Oktober 2015 verfügte Frist nicht ausreiche. Ausdrücklich sei gegenüber der Antragsgegnerin angeboten worden, einen großen Teil des Grundstücks frei zu räumen, was unmittelbar bevorstehe. Der Untermieter der im vorgelegten Lageplan rot schraffierten Fläche werde diese im Laufe des Monats März räumen. Eine Einigung zur Fristverlängerung sei im Ergebnis nicht zustande gekommen.

Das Interesse der Antragstellerin an der beantragten Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage überwiege des Interesse der Antragsgegnerin, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids nicht hinreichend begründet worden sei, sie ermessensfehlerhaft sei und die Erfolgsaussichten der eingelegten Klage zumindest als offen anzusehen seien. Im Übrigen könnten allein fehlende Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache das erforderliche besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung weder begründen noch ersetzen.

Vorliegend würden die Interessen der Antragstellerin an einer zeitlich auskömmlichen Räumungsdauer die Interessen der Antragsgegnerin an einer sofortigen Vollziehbarkeit der Nutzungsaufgabe überwiegen. Insbesondere könnten die von der Antragsgegnerin angeführten Verdachtsmomente für etwaige Vorkommen von sterblichen Überresten aus dem KZ-Außenlager ... eine sofortige Vollziehbarkeit nicht mehr rechtfertigen. Es seien auf bereits frei geräumten Flächen umfangreiche Sondierungen und Schürfungen zur etwaigen Verifizierung des Verdachts von Grabstätten durchgeführt worden. Grabstätten bzw. sterbliche Überreste hätten hierbei nicht aufgefunden werden können. Eine vollständige Räumung des Grundstücks sei entgegen der Ausführungen der Antragsgegnerin hierfür nicht nötig. Im Übrigen habe die Antragstellerin schon im Vorfeld angeboten, entsprechende Flächen zur Untersuchung des Untergrunds frei zu räumen.

Gerade im Hinblick auf die jahrelang seitens der Antragsgegnerin geduldete Nutzung der inmitten stehenden Fläche als Lagerplatz und der, trotz der Nutzung durch die Antragstellerin bzw. ihre Untermieter/Pächter ermöglichten Sondierungen hinsichtlich des Verdachts auf Kriegsgräber, überwiege des öffentliche Interesse an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände innerhalb des mit Bescheid vom 28. Oktober 2015 festgelegten Zeitrahmens nicht das Interesse der Antragstellerin an einem in zeitlicher Hinsicht realistischen Umzug der Untermieter/Unterpächter. Die seitens der Antragsgegnerin ausgeführte Eilbedürftigkeit zur Räumung des Grundstücks zum Zwecke der Grabungen bzw. Sondierungen bestehe nachweislich nicht mehr, da die Grabungen bereits stattgefunden hätten. Darüber hinaus seien die Ausführungen der Antragsgegnerin zur Nutzungsintensivierung nicht korrekt.

Gegen die Errichtung von zusätzlichen Gebäuden sei seitens der Antragstellerin bereits gegen den betreffenden Untermieter vorgegangen worden, welcher diese Gebäudlichkeiten auch zu einem großen Teil bereits abgebaut habe.

Die Festlegung der Frist zum Nutzungsaufgabe bis zum 29. Februar 2016 sei vor dem Hintergrund der erklärten Ermöglichung der grabungstechnischen Sondierungen sowie die jahrelange Duldung der Nutzung des Grundstücks als Lagerfläche ermessensfehlerhaft, da die angegriffene Verfügung und insbesondere die hiermit festgesetzte Frist erkennbar außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehe. Der vor der Antragsgegnerin angestrebte Erfolg könne, wie sich zwischenzeitlich erwiesen habe, auch im Rahmen einer längeren Frist erreicht werden.

Mit Beschluss vom 14. April 2016 wurde die Vermieterin und ehemalige Eigentümerin des Grundstücks auf deren Antrag im Hinblick auf den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 11. März 2016 im Kündigungsverfahren 14 HKO 17404/15 zwischen der Beigeladenen und der Antragstellerin zum Verfahren beigeladen.

Mit Schreiben vom 2. Mai 2016, beim Verwaltungsgericht am 9. Mai 2016 eingegangen, hat die Antragsgegnerin die mit Schreiben des Verwaltungsgerichts München vom 25. Februar 2016 angeforderten Akten vorgelegt und beantragt:

Der Antrag wird abgelehnt.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen der Anordnung des Sofortvollzugs lägen vor und die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage werde erfolglos bleiben, da die Nutzungsuntersagung formell und materiell rechtmäßig sei.

Das streitgegenständliche Grundstück liege außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils jenseits des Ortsrandes von ... Der Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin stelle für die streitgegenständliche Fläche eine landwirtschaftliche Nutzung (LW) dar. Das Grundstück sei bereits seit mehreren Jahren Gegenstand bauaufsichtlicher Bemühungen der Antragsgegnerin. Bereits im Jahre 1999 sei es aufgrund einer ungenehmigten Nutzung als Lagerplatz für LKW und andere Fahrzeuge bauaufsichtlich aufgegriffen und mit Datum vom 9. Dezember 1999 die illegale Nutzung gegenüber dem seinerzeitigen Eigentümer untersagt worden. Mit Bescheid vom 31. August 2000 sei dem damaligen Eigentümer eine Baugenehmigung für eine Nutzung als Baumschule mit Fertigrasenproduktion als im Außenbereich privilegiertes Vorhaben erteilt worden. Ob von der Genehmigung tatsächlich Gebrauch gemacht worden sei, sei aus Sicht der Antragsgegnerin unklar; es existierten jedoch erhebliche Indizien, die dagegen sprächen. Nachweislich wurden durch den damaligen Eigentümer auf dem Grundstück verschiedene Steine und Erden gelagert sowie für den Baumschulbetrieb genehmigte baulichen Anlagen, Baufahrzeuge und Baumaschinen aus einem anderen Betrieb des Eigentümers (Abbrucharbeiten und Baumaschinenverleih) abgestellt. Mit Bescheid vom 16. Januar 2007 sei für den genehmigten Baumschulbetrieb der Neubau einer landwirtschaftlichen Lager- und Maschinenhalle genehmigt worden, die in der Folge auch errichtet worden sei.

Im Januar 2015 habe die Antragsgegnerin entsprechende Hinweise vom zuständigen Bezirksausschuss sowie von Anwohnern der westlich angrenzenden Siedlung erhalten, dass offenbar der Nutzer des Geländes gewechselt und sich dort ein Fahrzeug- bzw. Schrotthandel etabliere. Bei einer durchgeführten Ortskontrolle am 21. Januar 2015 seien auf der Fläche abgestellte PKW, LKW und Container festgestellt worden. Bei einer durchgeführten Eigentümerermittlung habe sich gezeigt, dass die Beigeladene Eigentümerin des Grundstücks gewesen sei.

Mit Schreiben vom 24. Februar 2015 sei zunächst die Beigeladene als Grundstückseigentümerin zum vorgenannten Sachverhalt angehört und nach entsprechender Rückäußerung sodann auch die Antragstellerin als Pächterin des Grundstücks mit Schreiben vom 10. März 2015 angehört worden.

Die Beigeladene habe mit Schreiben vom 25. März 2015 signalisiert, dass sie jedenfalls nicht bereit sei, die Nutzung durch ihre Pächterin und damit die Antragstellerin hinzunehmen und diese daher zivilrechtlich abgemahnt worden sei. Die Antragstellerin habe sich mit E-Mail vom 10. April 2015 geäußert und auf die bisherige Nutzung durch den Alteigentümer verwiesen und zugleich ein Lösungskonzept angekündigt. Nachdem die Antragsgegnerin zwischenzeitlich von einer weiteren Nutzungsintensivierung und insbesondere der Benutzung eines östlich der Fläche gelegenen Landwirtschafts- und Forstweges als Zufahrtsweg sowie als Abstellfläche für Fahrzeuge erfahren habe, seien die Antragstellerin und die Beigeladene am 21. April 2015 erneut angehört worden. Mit Schreiben vom 27. April 2015 habe die Beigeladene daraufhin Abhilfe angekündigt. Für die Antragstellerin sei mit Rechtsanwaltsschreiben vom 8. Mai 2015 mitgeteilt worden, dass es sich bei der Fläche um eine Gewerbegebiet handele und der Landwirtschafts- und Forstweg nur marginal genutzt werde.

Mit Datum vom 21. Mai 2015 habe die Antragsgegnerin die erste, in der Hauptsache streitgegenständliche Nutzungsuntersagungsverfügung gegen die Antragstellerin als Handlungsstörerin erlassen.

Aufgrund weiterer Beschwerden habe die Antragsgegnerin am 9. Juli 2015 das Gelände erneut in Augenschein genommen und festgestellt, dass im Vergleich zum Ortstermin vom Januar 2015 eine erhebliche Intensivierung der illegalen Nutzung stattgefunden habe und neben Fahrzeugen und Baucontainern auch Wohncontainer auf dem Grundstück vorhanden seien. Zudem sei auch in der „Bürobarracke“ gewohnt worden. Weiterhin sei ein im Bau befindliches Gebäude (Fundament gelegt) identifiziert worden. Dieser Sachverhalt sei sowohl der Antragstellerin als auch der Beigeladenen jeweils mit Schreiben vom 9. Juli 2015 zur Kenntnis gegeben und Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden.

Anfang Juli 2015 habe die Antragsgegnerin zudem von nicht unerheblichen Verdachtsmomenten erfahren, dass sich auf dem Grundstück Gräber aus der Zeit des Dritten Reiches befänden, zu der das Grundstück als Außenlager des Konzentrationlagers ... gedient habe. Zwar seien nach der Befreiung des Lagers Überreste von Verstorbenen in ganz erheblichem Umfang umgebettet worden; von fachkundiger Seite existierten jedoch Hinweise, dass nicht alle Gräber geöffnet und die Verstorbenen umgebettet worden seien. In einem Gespräch mit der Antragstellerin und deren Rechtsanwälten am 22. Juli 2015 sei sowohl die planungsrechtliche Situation als auch der historische Kontext umfangreich erörtert worden.

Kurz nach diesem Gespräch habe die Antragsgegnerin von der Beigeladenen die Mitteilung erhalten, dass das Pachtverhältnis mit der Antragstellerin zwischenzeitlich fristlos gekündigt worden sei. Auch im Nachgang zu dem Gespräch habe die Antragsgegnerin keinen wesentlichen Rückgang der Intensität der Grundstücksnutzung verzeichnen können.

Am 14. September 2015 habe das Referat für Gesundheit um Umwelt der Antragsgegnerin eine Ortsbesichtigung wegen der Besorgnis von Grundwasserverunreinigungen vorgenommen und festgestellt, dass die Zustände vor Ort aus wasserrechtlicher Sicht nicht hinnehmbar seien und insbesondere auch ein Abwarten auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens betreffend die Nutzungsuntersagung nicht hinnehmbar sei. Grund hierfür sei, dass auf dem Gelände eigenmächtig Grundwasserentnahmestellen geschaffen worden seien, ohne dass eine geregelte Abwasserentsorgung vorhanden sei, weshalb das Abwasser in das Grundwasser versickere.

Anfang Oktober 2015 habe die Antragsgegnerin eine weitere Anzeige erhalten, wonach auf dem Grundstück nunmehr weitere bauliche Anlagen geschaffen würden, die zudem in notwendigen Rettungswegen errichtet würden.

Insgesamt habe die Antragsgegnerin im Vorfeld ihres Ergänzungsbescheides vom 29. Oktober 2015 feststellen müssen, dass trotz der bereits erlassenen Nutzungsuntersagung und der umfangreichen Korrespondenz eine weitere unkontrollierte Intensivierung der Nutzung des Geländes sowie der Bautätigkeit stattgefunden habe und zudem grundwassergefährdende Handlungen vorgenommen worden seien. Daher sei es aus Sicht der Antragsgegnerin nicht mehr zumutbar gewesen, die endgültige Vollstreckbarkeit der Verfügung vom 21. Mai 2015 abzuwarten. Hiergegen habe vor allem gesprochen, dass sich aufgrund der erhobenen Klage das Verfahren gegebenenfalls über mehrere Instanzen und Jahre hinziehen könnte und daher erhebliche Unsicherheiten bestünden, bis wann die Nutzungsuntersagung vollziehbar werde. Ein weiteres Zuwarten sei nicht hinnehmbar, da nach der bisherigen Entwicklung auch zu befürchten stehe, dass sich der Zustand vor Ort kontinuierlich verfestige und mithin verschlechtere. Im Hinblick auf die Unterverpachtung der Parzellen auf dem Grundstück sei von der Antragsgegnerin eine Frist zur Nutzungsaufgabe von 4 Monaten für angemessen erachtet worden, da in dieser Zeit wahlweise die Unterpachtverträge hätten beendet werden können oder aber die Unterpächter auf Ausweichmöglichkeiten verwiesen hätten werden können. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ziff. 1 der Verfügung vom 29. Oktober 2015 im Hinblick auf das Ablaufdatum 29. Februar 2016 sei schon deswegen erforderlich, da das Ziel der Antragsgegnerin, eine zeitnahe Beendigung der illegalen Nutzung, nur über eine sofortige Vollziehbarkeit erreicht werden könne.

Zwar erkenne die Antragsgegnerin an, dass die Antragstellerin bemüht sei, der Verfügung Folge zu leisten und Ausweichflächen für die Nutzung aufzufinden. Hierbei sei aber auch zu berücksichtigen, dass die Auffassung der Antragsgegnerin zur Unzulässigkeit der Nutzung der Antragstellerin nunmehr seit über einem Jahr bekannt sei und diese offenbar trotzdem nicht in der Lage sei, das Nutzungsverhalten auf dem Grundstück einzudämmen bzw. in geregelte Bahnen zu lenken. Das Angebot der Antragstellerin, Flächen für die erforderlichen Grabungen nach NS-Opfern freizuräumen, gehe zudem am Kern des bauaufsichtlichen Problems vorbei, das in der baurechtswidrigen Nutzung des Grundstücks liege und nicht in dem historischen Kontext. Dass das Grundstück nach dem Vollzug der Nutzungsuntersagung für Grabungen zur Verfügung stehe, sei vielmehr ein Nebeneffekt der bauaufsichtlichen Bemühungen, nicht jedoch deren Motiv.

Mit Schriftsatz vom 12. Mai 2016, bei Gericht am 13. Mai 2016 eingegangen, haben die Bevollmächtigten der Antragstellerin ausgeführt, diese sei nach wie vor bemüht, Ausweichgrundstücke für die jeweiligen Untermieter zu finden. Von einer Nutzungsintensivierung hinsichtlich der Tätigkeiten auf dem Grundstück könne keine Rede sein. Vielmehr sei ein Teil des Grundstücks zwischenzeitlich nahezu vollständig geräumt, für die übrigen Flächen bemühe sich die Antragstellerin um eine schnellstmögliche Räumung. Da die Räumung schnellstmöglich und mit sichtbaren Ergebnissen betrieben werde, bestehe die von der Antragsgegnerin angeführte Eilbedürftigkeit aufgrund der Nutzungsintensivierung nicht mehr.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, auch in den Verfahren M 8 K 14.5609 und M 8 K 15.5314, sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Ziffern 1a und 1b im Bescheid vom21. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 28. Oktober 2015 sowie gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 21a Satz 2 VwZVG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Ziffern 2a und 2b im Bescheid vom 21. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 28. Oktober 2015 ist zulässig, aber unbegründet.

Entgegen der insoweit missverständlichen Formulierung der Ziffer 2 des Ergänzungsbescheids vom 28. Oktober 2015 sollte erkennbar nicht nur die nachträgliche Fristsetzung zum 29. Februar 2016 für die Nutzungsuntersagungen in Ziffern 1a und 1b des Bescheids vom 21. Mai 2015 für sofort vollziehbar erklärt werden, sondern die Nutzungsuntersagungen insgesamt. Hierfür spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, dass auch die Antragstellerin selbst die Vollziehbarkeitsanordnung so verstanden hat. Daher ist auch mit dem erfolglosen Ablauf des 29. Februars keine Erledigung eingetreten, vielmehr besteht wegen der sofortigen Vollziehbarkeit der Ziffern 1a und 1b nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.

Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO hat eine Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt nur in den in § 80 Abs. 2 VwGO genannten Fällen, u. a. wenn dies Bundes- oder Landesrecht vorschreibt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO), was in Bezug auf Vollstreckungsmaßnahmen durch Art. 21 a Satz 1 VwZVG erfolgt ist, oder wenn eine Behörde die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Bei einer solchen Anordnung des Sofortvollzugs ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen.

Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. Art. 21 a Satz 1 VwZVG nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 21 a Satz 2 VwZVG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO ganz oder teilweise anordnen sowie im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nach § 80 Abs. 5 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Hinsichtlich der Anordnung des Sofortvollzugs prüft das Gericht zunächst, ob diese formell rechtmäßig war. Im Übrigen trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung: Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Überprüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.

Daran gemessen kommt vorliegend keine Anordnung bzw. Wiedererstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklagen vom 25. Juni 2015 und vom 25. November 2015 in Betracht: Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 2. des Bescheids vom 28. Oktober 2015 ist formell rechtmäßig (1.). Die Interessenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus, weil ihre Anfechtungsklagen gegen den Bescheid vom 25. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 28. Oktober 2015 bei summarischer Prüfung erfolglos bleiben werden (2.).

1. Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 2. des Ergänzungsbescheids vom 28. Oktober 2015 bezüglich der Nutzungsuntersagungen in Ziffern 1a und 1b des Bescheids vom 25. Mai 2015 erfolgte formell rechtmäßig. Die Antragsgegnerin war als die den Verwaltungsakt erlassende Behörde für die Anordnung des Sofortvollzugs zuständig und hat dabei gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich begründet. Diese Begründung genügt auch den hieran zu stellenden Anforderungen:

Um der Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu genügen, bedarf es einer schlüssigen konkreten Auseinandersetzung im Einzelfall unter substantiierter Darlegung der wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen, wieso gerade im konkreten Fall ein Aufschub der Anordnung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht hingenommen werden kann (BayVGH, B.v. 6.10.2000 - 2 CS 98.2373 - juris Rn. 16 zu einer Beseitigungsanordnung). Es sind somit die Gründe, die zur Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung und damit zum Gebrauch der Anordnungsmöglichkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO geführt haben, darzulegen (Decker, in: Simon/Busse, BayBO, 122. EL Januar 2016, Art. 76 Rn. 329 m. w. N.). Formelhafte, allgemein gehaltene Wendungen genügen daher nicht dem Begründungserfordernis, da hiermit nicht hinreichend dargelegt wird, warum nach den Umständen des konkreten Einzelfalles eine Vollstreckung im öffentlichen Interesse dringlich ist und hiermit nicht bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens gewartet werden kann (BayVGH, B.v. 6.10.2000 - 2 CS 98.2373 - juris Rn. 17).

Im Falle einer Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO ist diese darauf gerichtet, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern bzw. die weitere Verfestigung bereits unter Verstoß gegen formelles Baurecht geschaffener Tatsachen zu unterbinden. Liegen die Voraussetzungen einer Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO aller Voraussicht nach vor, ist auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gerechtfertigt, da ein öffentliches Interesse daran besteht, dass die Genehmigungspflicht beachtet wird. Dieses öffentliche Interesse überwiegt im allgemeinen das private Interesse, die rechtswidrige Nutzung vorläufig fortsetzen zu dürfen (BayVGH, B.v. 7.7.2005 - 25 CS 05.1192 - juris Rn. 4). In diesen Fällen stellt die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit daher den Regelfall dar (vgl. Jäde, Bauaufsichtliche Maßnahmen, 4. Aufl. 2012, Rn. 286 m. w. N.).

Für das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO folgt daraus im Falle von Nutzungsuntersagungen, dass anders als bei sonstigen Verwaltungsakten, kein besonderes, über die den zu vollziehenden Grundverwaltungsakt tragenden Gründe hinausgehendes besonderes Vollzugsinteresse erforderlich ist, sondern zur Begründung auch auf die die Nutzungsuntersagung als solche tragenden Gründe abgestellt werden kann.

In den Ausführungen zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wird insoweit für die formelle Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO noch ausreichend auf das öffentliche Interesse an einer wieder geordneten und öffentlich-rechtlich genehmigten Nutzung abgestellt, das ein sofortiges Einschreiten gegen die widerrechtliche Nutzungsweiterführung und gegen die widerrechtliche Nutzungsintensivierung erfordere. Damit ist zwar knapp, aber noch hinreichend angegeben, welche Gründe die Antragsgegnerin bezogen auf den konkreten Einzelfall bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen.

2. Die vom Gericht im Rahmen seiner eigenen Ermessenentscheidung anzustellende Interessabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus. Nach der im Rahmen dieses vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist zu erwarten, dass die Anfechtungsklagen der Antragstellerin gegen die Verfügung vom 21. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 28. Oktober 2015 erfolglos bleiben werden, weil diese Bescheide rechtmäßig sind und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde für den Fall, dass Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, diese Nutzung untersagen. Für die Rechtmäßigkeit einer Nutzungsuntersagung genügt dabei das Vorliegen einer formell illegalen Nutzung, wenn die illegal aufgenommene Nutzung nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.5.2015 - 9 ZB 14.2580 - juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 20.1.2016 - 9 CS 15.1973 - juris Rn. 12; vgl. auch Jäde, Bauaufsichtliche Maßnahmen, 4. Aufl. 2012, Rn. 262 ff. m. w. N.).

Vorliegend bestehen für die von den Mietern der Antragstellerin seit Anfang 2015 vorgenommenen Nutzungen auf dem Grundstück keine Baugenehmigungen. Auch sind diese Nutzungen offensichtlich nicht von der dem Voreigentümer mit Bescheid vom 31. August 2000 erteilten Baugenehmigung für eine Nutzung als Baumschule mit Fertigrasenproduktion gedeckt.

Daher hätte die Aufnahme der Nutzungen einer Baugenehmigung nach Art. 55 Abs. 1 BayBO bedurft. Die Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 4 BayBO für die Änderung der Nutzung von Anlagen greift nicht ein, da für die seit Anfang 2015 neu ausgeübten Nutzungen andere öffentlich-rechtliche Anforderungen in Betracht kommen als für die bisherige Nutzung als Baumschule (Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO), insbesondere, da es sich in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nicht um privilegierte Außenbereichsvorhaben handelt. Auch entfallen aufgrund der Außenbereichslage des Grundstücks möglicherweise in Betracht kommende Verfahrensfreiheitstatbestände nach Art. 57 Abs. 1 und 2 BayBO (vgl. etwa Art. 57 Abs. 4 Nr. 2 BayBO).

Die ausgeübten Nutzungen sind auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Nach den in der Bauakte enthaltenen Luftbildern und Lageplänen ist die bauplanungsrechtliche Einstufung des Grundstücks als Außenbereich durchaus nachvollziehbar. Dass die Nutzungen als nicht privilegierte sonstige Außenbereichsvorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig sind, erscheint ausgeschlossen, da dem die Darstellung im Flächennutzungsplan als „Fläche für die Landwirtschaft“ entgegensteht und damit eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB vorliegt.

Die Antragsgegnerin hat auch das ihr zustehende Ermessen korrekt ausgeübt, wobei hieran keine besonderen Anforderungen zu stellen sind, da es sich bei der Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO um ein gesetzlich intendiertes Ermessen handelt, d. h. bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen stellt der Erlass der Nutzungsuntersagung die Regel dar (vgl. Jäde, Bauaufsichtliche Maßnahmen, 4. Aufl. 2012, Rn. 269). Im Rahmen der Ermessenserwägung hat die Antragsgegnerin auch den Einwand berücksichtigt bzw. widerlegt, sie habe jahrelang die rechtswidrige Nutzung durch den Voreigentümer geduldet. Zwar kann eine jahrelange Duldung einer Nutzung dazu führen, dass eine Nutzungsuntersagung allein aufgrund der formellen Illegalität der Nutzung ermessensfehlerhaft ist (vgl. Jäde, Bauaufsichtliche Maßnahmen, 4. Aufl. 2012, Rn. 270). Allerdings handelt es sich vorliegend schon nicht um die unveränderte Fortführung der angeblich jahrelang geduldeten Nutzung, sondern um neue Nutzungen seit Anfang 2015, die von der Antragsgegnerin aufgrund von Nachbarbeschwerden aufgegriffen wurden und denen sie mit der Nutzungsuntersagung vom 21. Mai 2015 entgegengetreten ist.

Die Auswahl der Antragstellerin als Adressatin der Nutzungsuntersagung aufgrund ihrer Verhaltensstörereigenschaft begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Unter dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr ist es nachvollziehbar, dass die Antragsgegnerin weder die ihr derzeit weitestgehend unbekannten Untermieter der Teilflächen noch die Grundstückseigentümerin herangezogen hat.

Die zunächst im Bescheid vom 21. Mai 2015 erfolgte Fristsetzung „nach Unanfechtbarkeit dieser Verfügung“ erfolgte nicht zuletzt auch im Interesse der Antragstellerin, um im Hinblick auf eine voraussichtliche gerichtliche Überprüfung der Nutzungsuntersagung zunächst die Nutzung fortsetzen und für ihre Mieter Ausweichgrundstücke suchen zu können. Die im Ergänzungsbescheid vom 28. Oktober 2015 gesetzte Frist von vier Monaten bis zum 29. Februar 2016 begegnet im Hinblick auf die Möglichkeit der Antragstellerin, die Mietverträge mit den Untermietern über Nichtwohnräume und Grundstücke ordentlich nach §§ 578, 580a BGB und aus wichtigem Grund auch außerordentlich nach § 543 BGB zu kündigen, keinen Bedenken. Die viermonatige Frist erscheint hierfür ausreichend und damit angemessen, zumal der Antragstellerin spätestens aufgrund der Verfügung vom 21. Mai 2015 die Rechtswidrigkeit der Grundstücksnutzung bewusst sein musste und sie an sich bereits ab diesem Zeitpunkt gehalten gewesen wäre, die notwendigen Vorbereitungen zu deren Beendigung zu treffen.

Der Umstand, dass die Fristsetzung und die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit erst nachträglich erfolgten und im ursprünglichen Bescheid die Nutzungsuntersagung erst mit dessen Unanfechtbarkeit wirksam werden sollte, begründet keine Rechtswidrigkeit des Ergänzungsbescheids (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.1988 - 2 CS 88.00208, BayVBl. 1988, 436 f.; vgl. auch Jäde, Bauaufsichtliche Maßnahmen, 4. Aufl. 2012, Rn. 287). Hierfür spricht schon, dass die Antragsgegnerin berechtigt gewesen wäre, die Nutzungsuntersagung von Anfang an mit einer bestimmten Frist sowie einer Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zu erlassen. Vor allem ist mit der Verfügung vom 21. Mai 2015 kein Vertrauensschutz zugunsten der Antragstellerin begründet worden, da diese unabhängig vom Erlass und dem Wirksamwerden der Nutzungsuntersagung die geänderte Nutzung ohne die hierfür erforderliche Baugenehmigung nicht hätte aufnehmen und fortsetzen dürfen (BayVGH, B.v. 10.2.1988 - 2 CS 88.00208, BayVBl. 1988, 436, 437). Die Nutzung war von Anfang an formell und wohl auch materiell rechtswidrig, was der Antragstellerin spätestens aufgrund der Verfügung vom 21. Mai 2015 vor Augen geführt wurde.

b) Auch die Androhung der Zwangsgelder in Höhe von 5.000,-- EUR für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der in Ziff. 1a genannten Verpflichtung und in Höhe von 2.500,-- EUR für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der in Ziff. 1b genannten Verpflichtung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die allgemeinen (Art. 18 ff. VwZVG) und besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere sind die Ziffern 1a und 1b des Bescheids vom 21. Mai 2015 aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Ergänzungsbescheid vom 28. Oktober 2015 vollstreckbar (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG). Vor der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit war die Vollstreckbarkeit durch die Formulierung „nach Unanfechtbarkeit dieser Verfügung“ sichergestellt. Die gesetzte Frist von vier Monaten ist auch mit Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG vereinbar. Auch der Höhe nach sind die angedrohten Zwangsgelder angemessen, insbesondere liegen sie innerhalb des Rahmens des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG von mindestens fünfzehn und höchstens fünfzigtausend Euro, wobei gem. Art. 31 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwZVG das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen soll, wobei das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist.

Schließlich ist auch weder vorgetragen noch sonst erkennbar geworden, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die Untervermietungen rechtlich oder tatsächlich nicht in der Lage wäre, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Vielmehr zeigt der Umstand, dass die Antragstellerin die im mit Schriftsatz vom 12. Mai 2016 übermittelten Lageplan blau markierte Fläche räumen konnte, dass die Untermietverhältnisse die Antragstellerin nicht daran hindern, die ihr auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen. Im Übrigen würde das Fehlen möglicherweise noch erforderlicher Duldungsanordnungen gegenüber den Untermietern lediglich ein Vollstreckungshindernis darstellen, nicht aber die Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Grundverfügung samt Zwangsgeldandrohung betreffen (vgl. Jäde, Bauaufsichtliche Maßnahmen, 4. Aufl. 2012, Rn. 229 ff.). Ihr Fehlen würde daher einem Fälligwerden der Zwangsgelder entgegenstehen. Im Übrigen könnte die Antragsgegnerin gestützt auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO von der Antragstellerin die Mitteilung der Untermieter verlangen, um mit Erlass der Duldungsanordnungen die erforderlichen Voraussetzungen für weitere Vollstreckungsmaßnahmen zu schaffen.

Daher war der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 21a Satz 2 VwZVG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nrn. 1.5 und 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Mai 2016 - M 8 S 16.897

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

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(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es1.einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Bet

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 580a Kündigungsfristen


(1) Bei einem Mietverhältnis über Grundstücke, über Räume, die keine Geschäftsräume sind, ist die ordentliche Kündigung zulässig,1.wenn die Miete nach Tagen bemessen ist, an jedem Tag zum Ablauf des folgenden Tages;2.wenn die Miete nach Wochen bemess

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Mai 2016 - M 8 S 16.897 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 € festgesetzt.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2016 - 9 CS 15.1973

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Tenor I. Nrn. I und II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. August 2015 werden aufgehoben. II. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids des Landratsamts Aschaffenburg vom 1. April 2015

Verwaltungsgericht München Urteil, 29. Feb. 2016 - M 8 K 14.5609

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistun
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Mai 2016 - M 8 S 16.897.

Verwaltungsgericht München Urteil, 21. Feb. 2018 - M 29 K 16.4017

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Tatbestand Die Klägerin wendet sich gegen eine Nutzungsuntersagungsverfügung der Beklagten und damit verbundene

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 11. Aug. 2016 - 2 B 46/16

bei uns veröffentlicht am 11.08.2016

Gründe I. 1 Die Antragsteller begehren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches vom 16.02.2016 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 09.02.2016. 2 Sie sind Eigentümer eines Grundstücks in der A-Straße

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Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens ...-str. 43/45/47 auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung ... Sie wendet sich mit ihrer am 17. Dezember 2014 bei Gericht eingegangenen Anfechtungsklage gegen die von der Beklagten der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 26. November 2014 für das westlich angrenzende Grundstück FlNr. ... in der ...-str. 128 a für den Neubau eines fünfgeschossigen Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage.

Auf dem klägerischen Grundstück befindet sich ein fünfgeschossiges Mehrfamilienhaus, das in westöstlicher Richtung ausgerichtet ist und von der ...-straße erschlossen wird. Für dieses Gebäude war zuletzt für dessen Modernisierung mit Aufbringung eines Tonnendachs am 17. Juni 2004 eine Baugenehmigung erteilt worden, in der u. a. eine Abweichung von den einzuhaltenden Abstandsflächen in Richtung des streitgegenständlichen Grundstücks erteilt wurde.

Lageplan, 1:1000

Bild

In der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 26. November 2014 wurden neben einer Abweichung von den Abstandsflächen zum nordöstlich gelegenen Grundstück FlNr. ... auch eine Abweichung wegen der Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsflächen zu klägerischen Grundstück FlNr. ... erteilt. In der Begründung hierzu wurde ausgeführt, die Nachbarn FlNr. ... hielten auch die Abstandsflächen zum Baugrundstück nicht ein, diese reichten bis in die vorgesehene Bebauung, die ihre Abstandsflächen nur bis zum Fuß des Nachbarn habe. Damit sei eine unangemessene zusätzliche Beeinträchtigung der Besonnung und Belüftung nicht zu befürchten.

Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2014, bei Gericht eingegangen am 17. Dezember 2014, haben die Bevollmächtigten der Klägerin Klage erhoben und beantragt:

Der Baugenehmigungsbescheid vom 26. November 2014 wird aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 20. Januar 2015 haben die Bevollmächtigten der Beigeladenen beantragt,

die Klage kostenpflichtig zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 18. August 2015 haben die Bevollmächtigten der Klägerin zur Klagebegründung vorgetragen, mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 26. November 2014 sei ein Baukörper mit einer Baukörperlänge von 37,18 m und einer Baukörpertiefe von 12,05 m genehmigt worden. Im Vergleich zum Vorbescheid vom 13. Februar 2013 sei mit der Genehmigungsplanung die Gebäudetiefe daher um 1,15 m erhöht worden. Hierdurch rücke das genehmigte Gebäude in seiner gesamten Längsausdehnung näher an die gemeinsame Grundstücksgrenze heran und verringere sich der Abstand zum klägerischen Wohngebäude. Andererseits erhöhe sich zum südlichen Nachbargebäude ...-str. 128, zu dem als Kommunbebauung angeschlossen werden solle, der Gebäudevorsprung zugunsten des streitgegenständlichen Vorhabens auf insgesamt ca. 2,50 m. Mit der erteilten Baugenehmigung gehe auch im Vergleich zur Vorbescheidsplanung eine Erhöhung der absoluten Höhe (Firsthöhe) einher, der um 0,20 m (von 18,31 m auf 18,51 m) erhöht worden sei. Die Vorbescheidsplanung habe noch eine höhengleiche Verlängerung des südlichen Nachbargebäudes mit einer Firsthöhe von 18,31 m vorgesehen. Schließlich erfolge eine Erhöhung der Wandhöhe, die Vorbescheidsplanung habe eine straßenseitige Wandhöhe von 14,70 m und 13,70 m an der Ostfassade zum klägerischen Anwesen hin vorgesehen. Die in der Genehmigungsplanung dargestellte Wandhöhe betrage straßenseitig wie auch ostseitig im Bereich des zurückversetzten vierten Obergeschosses mit darüberliegendem, ausgebauten Dachgeschoss gemäß der Schnittzeichnung 14,90 m.

Zwar sehe die Genehmigungsplanung nunmehr nach Osten eine sogenannte Abtreppung bzw. einen Rücksprung vor. Ob dieser auf der östlichen, hofseitigen Gebäudefront mit der durch den Vorbescheid zugelassenen Planung in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht zum Anwesen der Klägerin identisch oder zumindest vergleichbar sei, erscheine jedoch fraglich.

Bei genauerer Betrachtung des dem Abweichungsantrag beigefügten Planes mit Darstellung der Abstandsflächen sei fraglich, ob die Wandhöhe und mithin die Abstandsflächen zutreffend ermittelt worden seien. So setze die Darstellung H 1 auf der hofseitigen Gebäudeseite an der Traufe an. Maßgeblich für die Bestimmung der Wandhöhe sei jedoch der Schnittpunkt der Wand mit der äußeren Dachhaut. Da nicht der obere Abschluss der Wand für die Abstandsflächendarstellung gewählt worden sei, könne klägerseits nicht ausgeschlossen werden, dass mit der erteilten Baugenehmigung gegenüber der Vorbescheidsplanung noch eine weitere Verschlechterung der Abstandsflächensituation einhergehe.

Die Klägerin halte auch in Bezug auf die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 26. November 2014 an ihrer Rechtsauffassung fest, dass sie durch die Zulassung des Vorhabens unter Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften in ihren nachbarschützenden Rechten verletzt werde. Entgegen der von der erkennenden Kammer im abgeschlossenen Klageverfahren M 8 K 13.1102 vertretenen Rechtsauffassung, könne sich die Klägerin auf einen Abstandsflächenverstoß berufen. Die Klägerin sei von einer Abstandsflächenrüge insbesondere deshalb nicht ausgeschlossen, weil sie mit ihrer Bebauung auf dem Grundstück FlNr. ... die heute geltenden Abstandsflächenvorschriften bzw. den nach heutiger Rechtslage erforderlichen Grenzabstand mit ihrem Gebäude nicht einhalte. Insoweit wird auf das Berufungszulassungsvorbringen im beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren 2 ZB 14.2605 verwiesen.

Mit der für das streitgegenständliche Vorhaben erteilten Baugenehmigung erfolge eine über die Vorbescheidsplanung hinausgehende bauliche Ausnutzung bzw. Optimierung, die eine zusätzliche Beeinträchtigung der Klägerin in ihren durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belangen beinhalte. Die in der streitgegenständlichen Baugenehmigung enthaltene Abweichungsentscheidung sei nicht geeignet, die erteilte Abweichung zulasten der Klägerin zu tragen, da die Begründung bereits nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abweichungsentscheidung genüge. Zur Begründung werde von der Beklagten lediglich ausgeführt, dass die Nachbarn auch die Abstandsflächen zum Baugrundstück nicht einhielten. Eine konkrete und verständliche Auseinandersetzung mit den von der Abweichung betroffenen Nachbarinteressen auf der Grundlage der genehmigten Planunterlagen sei im Ansatz nicht erkennbar. Die Feststellung der Beklagten, dass die Abweichungen in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen erteilt worden seien, stelle sich als eine lediglich floskelhafte, allgemein gehaltene, jedoch nicht auf das vorliegende Bauvorhaben bezogene Abweichungsbegründung dar, die einen konkreten Bezug zum Genehmigungsinhalt bzw. das genehmigte Vorhaben vermissen lasse.

Mit Schriftsatz vom 16. November 2015 haben die Bevollmächtigten der Beigeladenen ausgeführt, die Höhe der genehmigten Außenwand (14,90 m) falle im Vergleich zum Vorbescheid um brutto 20 cm höher aus (Vorbescheid 14,70 m), da die Geländehöhe im Vorbescheid auf 0,00 m und nach der Eingabeplanung auf 0,15 m festgelegt worden sei. Daraus ergebe sich für die hofseitige Außenwand ein Nettomaß von 14,75 m. Das Nettomaß für die Firsthöhe liege bei 18,51 m und erhöhe sich wegen der festgelegten Geländehöhe auf eine absolute Höhe von brutto 18,66 m.

Für die Berechnung der Abstandsflächen sei ordnungsgemäß der Schnittpunkt zwischen Außenwand und Dachhaut als Ansatzpunkt genommen worden. Die Klägerin nehme den Attikagiebel als Dachhaut an und komme so zu der unzutreffenden Annahme, dass die Wandhöhe größer sein müsse. Im Vergleich zur Vorbescheidsplanung reduziere sich die Abstandsflächenüberschreitung gegenüber dem klägerischen Anwesen von 128 m² auf 124,65 m². Im Gegensatz dazu hätten sich die Abstandsflächen, die das klägerische Gebäude auf das Grundstück der Beigeladenen werfe, von 129 m² auf 145,59 m² erhöht, da seit der Erteilung des Vorbescheids zwischenzeitlich am klägerischen Gebäude eine Aufzugs- und Balkonanlage angebracht worden sei. Durch die streitgegenständliche Abweichung komme es zu einer Reduzierung der Abstandsflächenüberschreitung zulasten des klägerischen Anwesens im Vergleich zu der mit dem Vorbescheid in Aussicht gestellten Planung.

Die Klägerin werde auch durch die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht in Nachbarrechten verletzt. Die wechselseitige Abstandsflächenüberschreitung zwischen dem klägerischen Anwesen FlNr. ... und dem Anwesen der Beigeladenen FlNr. ... vergleichbar und schließe insoweit analog § 242 BGB die Geltendmachung einer Rechtsverletzung durch die Klägerin aus. Durch die Veränderung der absoluten Höhe (Firsthöhe) und der Gebäudetiefe werde auch das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber der Klägerin nicht verletzt.

Aus dem nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebot folge, dass derjenige, der selbst mit seinem Gebäude die erforderlichen Abstandsflächen nicht einhalte, billigerweise nicht verlangen könne, dass der Nachbar die Abstandsflächen einhalte. Aus diesem Grund könne sich ein Nachbar nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gegenüber einer Baugenehmigung nicht mit Erfolg auf die Einhaltung der nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück dieser Vorschrift nicht entspreche und wenn die beiderseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig seien (BayVGH, U. v. 4.2.2011 - BV 08.131). Der Abstandsflächenüberschreitung durch das klägerische Gebäude zulasten des Grundstücks der Beigeladenen in Höhe von 145,59 m² habe im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung eine Abstandsflächenüberschreitung durch das geplante Vorhaben von 124,65 m² gegenüber gestanden. Die Überschreitung durch das klägerische Gebäude liege damit deutlich über der des geplanten Vorhabens, so dass es der Klägerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf eine Verletzung in eigenen Rechten zu berufen.

Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit der wechselseitigen Abstandsflächenüberschreitungen sei es entgegen der Ansicht der Klägerin ohne Bedeutung, ob das Gebäude des klagenden Nachbarn seinerseits in Übereinstimmung mit den geltenden Bauvorschriften errichtet worden sei oder Bestandsschutz genieße. Maßgeblich sei allein, dass der klagende Nachbar den jetzt erforderlichen Grenzabstand nicht einhalte, denn die Versagung des Abwehranspruchs beruhe darauf, dass es unbillig wäre, einem Nachbarn den durch die grenznahe bauliche Anlage ausgehenden Nachteilen auszusetzen, ihm selbst aber eine Ausnutzung seines Grundstücks im Grenzbereich zu verwehren (VG München, B. v. 11.6.2015 - M 8 SN 15.1421).

In der Rechtsprechung zum Rücksichtnahmegebot sei anerkannt, dass eine erdrückende Wirkung vor allem bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht komme (BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78). Hauptkriterium bei der Beurteilung einer abriegelnden oder erdrückenden Wirkung seien u. a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme einer abriegelnden bzw. erdrückenden Wirkung sei grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher sei als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gelte, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich lägen (BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454; B. v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290). Das geplante Gebäude besitze in Höhe oder Volumen kein Übermaß gegenüber der Bebauung auf dem Grundstück der Klägerin. Trotz der erhöhten Gebäudetiefe betrage der Abstand zwischen dem geplanten Vorhaben bis zu einer Wandhöhe von ca. 11 m und der Grenze zum klägerischen Grundstück weiterhin 9 m. Ab dem vierten Stock rücke das Gebäude um weitere 2,46 m von der Grundstücksgrenze ab, so dass das genehmigte Vorhaben mit einer absoluten Höhe von 18,66 m in Relation zu dem Anwesen der Klägerin mit einer absoluten Höhe von 18,73 m nicht als übergroß anzusehen sei.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2016 hat die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin wende sich als Nachbarin gegen die erteilte Baugenehmigung vom 26. November 2014, drittschützende Normen der Klägerin würden durch diese jedoch nicht verletzt.

Die in der Baugenehmigung erteilte Abweichung von den Abstandsflächen zum östlich gelegenen Grundstück der Klägerin sei rechtmäßig und könne sich überdies die Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch nicht auf einen Abstandsflächenverstoß berufen. Vorliegend sei der Abstandsflächenverstoß der Klägerin mit 145,59 m² größer als derjenige der Beigeladenen mit 124,65 m². Auch werde vorliegend nicht das Gebot der Rücksichtnahme verletzt.

Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2016 haben die Bevollmächtigten der Klägerin ihren Vortrag zur Verletzung des Rücksichtnahmegebots sowie der Verletzung der Abstandsflächenvorschriften zulasten der Klägerin vertieft. Insbesondere wurde geltend gemacht, bei der Gegenüberstellung der wechselseitigen Abstandsflächenverstöße seien Bauteile am klägerischen Gebäude ohne abstandsflächenrechtliche Relevanz (etwa untergeordnete Balkone, Gesims) in die Berechnung einbezogen worden. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2016 wurde ausgeführt, die erteilte Abweichung zulasten des Grundstücks FlNr. ... sei schon deshalb rechtswidrig, da es an den Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung fehle. Diese erforderten Gründe, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheide und die damit bewirkte Einbuße an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen ließen (BayVGH, B. v. 13.3.2002 - 2 CS 01.1506 - juris). Die zu fordernde atypische Situation liege für das Baugrundstück FlNr. ... nicht vor. Allein die Lage des Baugrundstücks und das für die Neubebauung zu beachtende übergeleitete Bauliniengefüge stelle keine atypische Grundstückssituation dar. Insbesondere unter Berücksichtigung der geringeren Grundstückstiefe des Baugrundstücks im Vergleich zu den nördlich und südlich angrenzenden Nachbargrundstücken stelle auch eine geringere, abstandsflächenkonforme Bebauung eine wirtschaftlich vertretbare Ausnutzung dar. Das übergeleitete Bauliniengefüge gebe zwar eine straßenbegleitende Bebauung, nicht jedoch deren Höhenentwicklung vor. Gerade aufgrund der geringeren Grundstückstiefe sei es nicht gerechtfertigt, eine abstandsflächenwidrige, mit Belichtungseinbußen verbundene Bebauungstiefe und -höhe in dem hier gewährten Umfang zuzulassen.

Die Klägerin könne sich vorliegend auch auf den Abstandsflächenverstoß berufen. Zwar werde in der Rechtsprechung gestützt auf die Rechtsfigur des sog. wechselseitigen Abstandsflächenverstoßes die Auffassung vertreten, dass sich ein Nachbar nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht auf einen Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften berufen könne, wenn bzw. soweit er diese Vorschriften selbst nicht einhalte. Der vorliegende Fall sei jedoch dadurch geprägt, dass das Bestandsgebäude der Klägerin, welches die nach heute geltendem Abstandsflächenrecht zu fordernden Abstandsflächen nicht einhalte, noch vor in Kraft treten der Bayerischen Bauordnung nach dem damals geltenden Recht genehmigt worden sei. Das vorliegende Nachbarschaftsverhältnis werde daher einerseits durch den legalen Baubestand der Klägerin und andererseits durch die heutigen, für das streitgegenständliche Neubauvorhaben der Beigeladenen geltenden Abstandsflächenvorschriften geprägt, die Inhalt und Schranken des Eigentums der Beigeladenen als Bauherrin und der Klägerin als Nachbarin regelten. Die Auffassung der Beklagten, die Klägerin könne sich nicht auf einen Abstandsflächenverstoß berufen, weil sie ihrerseits die heute geltenden Abstandsflächenvorschriften nicht einhalte, verkenne, dass sich die Frage, ob der Klägerin Abwehrrechte zustünden, zunächst nach den heute geltenden Vorschriften beantworte. Die Geltendmachung eines Abstandsflächenverstoßes sei vom Gesetzgeber unter keinen Vorbehalt gestellt worden. Werden die Abstandsflächenvorschriften nicht eingehalten, bedürfe es zur Ausräumung dieses Verstoßes einer Abweichungsentscheidung, die den für die Abweichungserteilung zu stellenden Anforderungen genügen müsse.

Ungeachtet der nach Auffassung der Klägerin schon fehlenden Atypik sei vorliegend für die Beurteilung der Frage, ob die Nichteinhaltung der Abstandsflächenvorschriften auch unter Berücksichtigung der Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheine, zu berücksichtigen, dass das Gebäude der Klägerin zwar die heute geltenden Abstandsflächenvorschriften nicht einhalte, zum Zeitpunkt seiner Errichtung jedoch mit dem damals geltenden Abstandsflächenrecht vereinbar gewesen bzw. genehmigt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die derzeitige bauliche Ausnutzung des klägerischen Anwesens mit den vorhandenen Grenzabständen nur so lange privilegiert, wie der Bautenbestand nicht beseitigt bzw. nicht in abstandsflächenrelevanter Weise geändert werde. Würde das Grundstück der Klägerin neu bebaut, so hätte sich eine Neubebauung an den heute geltenden Abstandsvorschriften messen zu lassen. Da sich die Klägerin auf eine bestandskräftige Baugenehmigung stützen könne, die eine geschützte Eigentumsposition darstelle, sei sie nicht von der Geltendmachung eines Abstandsflächenverstoßes ausgeschlossen. Insbesondere stehe der Grundsatz von Treu und Glauben einer Geltendmachung nicht entgegen. Denn dieser Grundsatz, der nur in Ausnahmefällen zur Anwendung komme und den besonderen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls Rechnung tragen solle, erfordere, dass ein untragbares, mit Recht und Gerechtigkeit unvereinbares Ergebnis entstehen würde. Da sich die Klägerin auf eine bestandskräftige Baugenehmigung für ihren Bautenbestand und damit auf eine ihr zustehende geschützte Eigentumsposition berufen könne, sei ein solches untragbares Ergebnis nicht zu erkennen.

Die von der Klägerin gegen den Vorbescheid vom 13. Februar 2013 erhobene Anfechtungsklage hat die Kammer mit Urteil vom 30. Juni 2014 abgewiesen (M 8 K 13.1102 - juris). Die von der Klägerin beantragte Zulassung der Berufung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof unter dem Aktenzeichen 2 ZB 14.2605 anhängig.

Über die baulichen Verhältnisse auf dem streitgegenständlichen Grundstück sowie in dessen Umgebung hat das Gericht am 29. Februar 2016 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben und am selben Tag die Hauptsache mündlich verhandelt. Hinsichtlich der Feststellungen dieses Augenscheins sowie der anschließenden mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten die schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll vom 29. Februar 2016 verwiesen. Sowohl der Augenschein als auch die mündliche Verhandlung wurden gemeinsam mit dem Verfahren M 8 K 14.5728, einer Nachbarklage des Eigentümers des Grundstücks FlNr. 705/3 durchgeführt.

Der Eilantrag der Klägerin vom 27. Januar 2016 wurde mit Beschluss vom 13. Mai 2016 abgelehnt (M 8 SN 16.358).

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, auch im Verfahren M 8 K 14.5609, sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg, da die angefochtene Baugenehmigung vom 26. November 2014 bei summarischer Prüfung zwar nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts verletzt, die Klägerin sich aber hierauf nicht berufen kann und damit nicht in ihren Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung dieses Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B. v. 16.1.1997 - 4 B 244/96, NVwZ 1998, 58 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 14.10.2008 - 2 CS 08.2132 - juris Rn. 3).

2. Zwar verstößt das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte der Klägerin, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, Art. 59 Satz 1 BayBO (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), jedoch kann die Klägerin sich hierauf aufgrund der auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsätze von Treu und Glauben nicht berufen.

Das beantragte Bauvorhaben, das keinen Sonderbau i. S. des Art. 2 Abs. 4 BayBO darstellt, wurde im vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO genehmigt. Da die Beigeladene zum Grundstück der Klägerin eine Abweichung von den Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach Art. 6 BayBO beantragt und die Beklagte diese gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO erteilt hat, gehören die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO auch zum Prüfumfang der streitgegenständlichen Baugenehmigung, so dass sie im Rahmen des Nachbarrechtsbehelfes zu prüfen sind (vgl. BayVGH, B. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris Rn. 36; BayVGH, B. v. 5.11.2015 - 15 B 15.1371 - juris Rn. 15).

Zwar war in dem Bauantrag kein expliziter schriftlicher Antrag im Sinne von Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO für die Erteilung einer Abweichung in Richtung des Grundstücks der Klägerin enthalten. Jedoch war eine vergleichbare Abweichung - wenn auch für ein anders gestaltetes Vorhaben - Gegenstand des Vorbescheids vom 13. Februar 2013. Vor allem sind sowohl die vom Vorhaben ohne Abweichung auf das Grundstück der Klägerin fallende Abstandsfläche als auch die vom Gebäude der Klägerin auf das Vorhabengrundstück fallende Abstandsfläche eingehend in den eingereichten Planunterlagen dargestellt, so dass die hierfür erforderliche Abweichung entgegen der Ansicht der Klägerseite durchaus als beantragt anzusehen ist. Aufgrund der ausdrücklich erteilten Abweichung durch die Beklagte in der streitgegenständlichen Baugenehmigung nimmt diese am Feststellungsumfang der Baugenehmigung teil und gehört damit das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht zum relevanten Prüfungsmaßstab.

3. In bauordnungsrechtlicher Hinsicht stellt sich die in der verfahrensgegenständlichen Baugenehmigung vom 26. November 2014 erteilte Abweichung als rechtswidrig dar. Dies führt gleichwohl nicht zum Erfolg der Anfechtungsklage, da sich die Klägerin aufgrund des wechselseitigen Abstandsflächenverstoßes nach den Grundsätzen von Treu und Glauben hierauf nicht berufen kann.

3.1 Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Die Zulassung einer Abweichung setzt Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Belüftung im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (vgl. BayVGH, B. v. 13.2.2002 - 2 CS 01.1506 - juris Rn. 16; B. v. 23.5.2005 - 25 ZB 03.881 - juris Rn. 8; B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris Rn. 2; B. v. 29.11.2006 - 1 CS 06.2717 - juris Rn. 24; B. v. 11.1.2007 - 14 B 03.572 - juris Rn. 22; B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B. v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3; U. v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231, BayVBl. 2012, 535 - juris Rn. 16; B. v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris Rn. 3; B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). Es müssen rechtlich erhebliche Unterschiede vorliegen, die das Vorhaben als einen sich von der Regel unterscheidenden atypischen Fall erscheinen lassen und dadurch eine Abweichung rechtfertigen können (vgl. BayVGH, B. v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 15; B. v. 11.12.2014 - 15 CS 14.1710 - juris Rn. 19). Diese können sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben (vgl. BayVGH, B. v. 22.9.2006 - 25 ZB 01.1004 - juris Rn. 4; B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B. v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B. v. 2.12.2014 - 2 ZB 14.2077 - juris Rn. 4; B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen. Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik, da Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung dienen sollen, auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert sind (vgl. BayVGH, B. v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B. v. 2.12.2014 - 2 ZB 14.2077 - juris Rn. 3).

Liegt die erforderliche Atypik nicht vor, erweist sich eine trotzdem erteilte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlich vorgeschrieben Abstandsflächen von vornherein als rechtswidrig und ist auf eine Nachbarklage hin die Baugenehmigung grundsätzlich aufzuheben (vgl. BayVGH, B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16).

Liegt die erforderliche Atypik vor, ist weitere Voraussetzung für die Erteilung einer Abweichung die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Interessen. Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz - wie bei dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme - eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 17). Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20).

3.2 Eine derartige Sondersituation (Atypik) ist im vorliegenden Fall hinsichtlich der streitgegenständlichen Abweichung nicht in vollem Umfang gegeben.

Zwar liegt an der nordöstlichen Grundstücksecke des Vorhabengrundstücks eine schräg verlaufende Grundstücksgrenze zum Grundstück FlNr. ... und damit grundsätzlich eine grundstücksbezogene Besonderheit vor. Allerdings betrifft dies ausschließlich das Verhältnis zum Grundstück FlNr. ... und nicht zum Grundstück der Klägerin FlNr. ... Zudem vermag der schräge Grenzverlauf eine Atypik nur insoweit zu begründen, als bei einem ideal geschnittenen Grundstück mit geradem Grenzverlauf die Abstandsflächen entsprechend Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO auf dem Vorhabengrundstück selbst liegen würden. Die erteilte Abweichung erfasst aber nicht nur diesen Bereich, vielmehr geht die Abstandsflächentiefe ca. weitere 4,10 m über diesen Bereich hinaus. Diese weitergehende Abweichung lässt sich aber nicht mit einer Atypik aufgrund des schrägen Grenzverlaufs rechtfertigen.

Eine Atypik kann sich insoweit aus der besonderen städtebaulichen Situation sowie der vorhandenen Umgebungsbebauung ergeben. Zum einen gibt die Baulinie entlang der ...-straße vor, dass bei einer Bebauung des Vorhabengrundstücks ein Gebäude an dieser Baulinie zu situieren ist. Zum anderen ist die vorhandene Bebauung südlich und nördlich des Vorhabens eine typische straßenbegleitende fünfgeschossige Blockrandbebauung, an der sich eine Baulückenschließung auf dem Vorhabengrundstück orientieren kann.

Die städtebauliche Situation vermag eine Baulückenschließung und die hierfür erforderliche Abweichung von den Abstandsflächen aber als Atypik nur insoweit zu rechtfertigen, als es sich um eine Baulückenschließung im Sinne einer Aufnahme der Höhenentwicklung und der Bebauungstiefe der vorhandenen Blockrandbebauung nördlich und südlich des Vorhabengrundstücks handelt. Da es sich beim Vorhabengrundstück im näheren Umgriff um das Grundstück mit der kleinsten Ausdehnung von West nach Ost handelt, vermag die Baulückenschließung nicht jedwede Abstandsflächenüberschreitung bzw. Abstandsflächenverkürzung für eine sich nach § 34 Abs. 1 BauGB einfügende, gegebenenfalls den Umgebungsrahmen zulässigerweise überschreitende Bebauung zu legitimieren. Eine Abstandsflächenverkürzung kommt daher nur für eine Baulückenschließung im engeren Sinne in Betracht, die das streitgegenständliche Vorhaben aber weder nach seiner Höhenentwicklung noch nach der vorgesehenen Bebauungstiefe darstellt.

Das Vorhaben hat eine Wandhöhe von 14,90 m sowie eine Firsthöhe von 18,51 m. Die Bebauungstiefe beträgt vom Erdgeschoss bis einschließlich des dritten Obergeschosses 12,05 m und ab dem vierten Obergeschoss 9,583 m. Demgegenüber weist das südlich gelegene Nachbargebäude auf dem Grundstück FlNr. ... (...-str. 128) eine Wandhöhe von 14,70 m und eine Firsthöhe von 18,31 m sowie eine Baukörpertiefe von 9,58 m auf. Das nördlich gelegene Nachbargebäude auf dem Grundstück FlNr. ... (...-str. 132) hat eine Wandhöhe von 12,62 m, eine Firsthöhe von 17,11 m und eine Baukörpertiefe von ca. 10,90 m.

Damit überschreitet das Vorhaben sowohl nach seiner Höhe als auch nach der Baukörpertiefe die unmittelbar südlich und nördlich angrenzende Blockrandbebauung und stellt damit keine bloße Baulückenschließung dar. Das Vorhaben soll auf dem schmalsten Baugrundstück an der ...-straße errichtet werden und beschränkt sich aber nicht auf die Maße der Umgebungsbebauung, um die damit einhergehende Abstandsflächenüberschreitung auf das der besonderen städtebaulichen Situation geschuldete unabdingbare Maß zu reduzieren, sondern geht sogar über die Maße der Umgebungsbebauung hinaus, was aber von der Atypik nicht mehr legitimiert wird.

4. Da aber das Gebäude der Klägerin zum Vorhabengrundstück selbst die erforderlichen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO nicht einhält, ist die Klägerin insoweit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, sich uneingeschränkt auf die drittschützenden Vorgaben des Art. 6 BayBO zu berufen.

4.1 Aus dem System nachbarlicher Ausgleichs- und Rücksichtnahmepflichten folgt, dass derjenige, der selbst mit seinem Gebäude die erforderlichen Abstandsflächen nicht einhält, billigerweise nicht verlangen kann, dass der Nachbar die Abstandsflächen freihält. Dies führt dazu, dass nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Nachbar sich gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Einhaltung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen kann, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück nicht dieser Vorschrift entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu - gemessen am Schutzzweck der Vorschrift - schlechthin untragbaren, als Missstand (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zu qualifizierenden Verhältnissen führen (BayVGH, U. v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 37; VGH BW, B. v. 29.9.2010 - 3 S 1752/10, BauR 2011, 148 - juris Rn. 5; VGH BW, B. v. 4.1.2007 - 8 S 1802/06 - juris Rn. 4). Derjenige, der mit seinem Gebäude selbst nicht den erforderlichen Grenzabstand einhält, kann billigerweise nicht verlangen, dass der Nachbar die Abstandsfläche, die er selbst auf dem eigenen Grundstück nicht zur Verfügung hat, auf dem fremden Grundstück frei hält (BayVGH, U. v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 37).

4.2 Dabei ist es unerheblich, ob das Gebäude des klagenden Nachbarn seinerzeit in Übereinstimmung mit den geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist oder Bestandsschutz genießt (vgl. OVG Berlin, U. v. 11.2.2003 - 2 B 16.99 - juris Rn. 29; VGH SH, U. v. 15.12.1992 - 1 L 118/91 - juris; OVG Lüneburg, B. v. 30.3.1999 - 1 M 897/99 - juris Rn. 43; VG München, U. v. 30.6.2014 - M 8 K 13.1102 - juris Rn. 54; VG München U. v. 7.10.2013 - M 8 K 12.6342 - juris Rn. 26; VG München, B. v. 2.1.2014 - M 8 SN 13.5141 - juris Rn. 43; VG München, B. v. 20.6.2013 - M 8 SN 13.1890 - juris Rn.37; VG München, U. v. 11.3.2013 - M 8 K 12.3508 - juris Rn. 40; VG München, U. v. 21.1.2013 - M 9 E1 12.6080 - juris Rn. 36 m. w. N.; a.A. OVG Münster, U. v. 24.4.2001 - 10 A 1402/98 - juris Rn. 11; ablehnend Kuchler, jurisPR-UmwR 6/2014 - Anm. 1; ders., BauR 2015, 1580, 1592). Maßgeblich ist allein, dass der klagende Nachbar den jetzt erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, denn die Versagung des Abwehranspruchs beruht darauf, dass es unbillig wäre, einem Nachbarn den durch die grenznahe bauliche Anlage des anderen Nachbarn ausgehenden Nachteilen auszusetzen, ihm selbst aber eine Ausnutzung seines Grundstücks im Grenzbereich zu verwehren.

Selbst wenn man sich der Ansicht anschließen wollte, dass gegenüber einer baulichen Anlage, die 1957 in Übereinstimmung mit dem damaligen Recht genehmigt worden ist, aber die heute geltenden Abstandsflächen nicht einhält, aufgrund von Bestandsschutzerwägungen der wechselseitige Abstandsflächenverstoß nicht angeführt werden kann, würde dies im vorliegenden Fall gleichwohl nicht dazu führen, dass gegenüber der Klägerin der Einwand des wechselseitigen Abstandsflächenverstoßes ausgeschlossen wäre. Das Gebäude der Klägerin erhielt aufgrund einer Baugenehmigung vom 17. Juni 2006 ein Tonnendach und wurde damit in abstandsflächenrelevanter Weise umgebaut. Im Rahmen dieser Baugenehmigung wurden aufgrund der erforderlichen abstandsflächenrechtlichen Neubetrachtung auch Abweichungen von den Abstandsflächen erteilt, so dass aufgrund dieses Umbaus das Gebäude dem Abstandsflächenregime der Bayerischen Bauordnung unterliegt. Der möglicherweise ursprünglich vorhandene Bestandsschutz in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht ist jedenfalls mit diesem Umbau entfallen (vgl. OVG Münster, U. v. 24.4.2001 - 10 A 1402/98 - juris Rn. 12 f.).

4.3 Bei der Frage, ob wechselseitige Verletzungen der Abstandsflächenvorschriften annähernd vergleichbar sind, ist keine zentimetergenaue quantitative Entsprechung gefordert, sondern es ist eine wertende Betrachtung in Bezug auf die Qualität der mit der Verletzung der Abstandsflächenvorschriften einhergehenden Beeinträchtigungen anzustellen (OVG Berlin, U. v. 11.2.2003 - 2 B 16.99 - juris Rn. 30; OVG Lüneburg, U. v. 30.3.1999 - 1 M 897/99 - juris Rn. 43).

Nach der Darstellung der jeweiligen Abstandsflächen in den eingereichten Bauvorlagen wirft das streitgegenständliche Vorhaben bei einer Wandhöhe von 14,90 m auf das Grundstück der Klägerin eine Abstandsfläche von 124,65 m².

Die vom Gebäude der Klägerin auf das Vorhabengrundstück fallende Abstandsfläche soll demgegenüber 145,59 m² betragen. Die Klägerseite bemängelt insoweit, dass hierbei fehlerhaft abstandsrechtlich nicht relevante untergeordnete Bauteile (Balkone, Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO; Gesims, Art. 6 Abs. 8 Nr. 1 BayBO; Brüstung im Bereich des eingeschnittenen Tonnendachs) berücksichtigt worden seien. Ob diese Kritik zutrifft kann im Ergebnis dahinstehen, da sich auf Grundlage der Planvorlage des Grundrisses des Erdgeschosses zur Baugenehmigung für das Gebäude der Klägerin vom 17. Juni 2004 bei einem Abstand des Gebäudes von 4,875 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze eine Abstandsflächenüberschreitung auf dem Vorhabengrundstück von insgesamt 140,06 m² ergibt. Die Abstandsfläche des Außenaufzugs an der Nordseite mit einer Tiefe von 1,66 m und einer Höhe von 17,58 m fällt in einer Tiefe von 3,50 m, und damit mit 5,81 m² auf das Grundstück FlNr. ... Die dem Vorhabengrundstück zugewandte westliche Giebelseite mit dem Tonnendach wirft bei einer Höhe von 16,11 m und einer Breite von 11,95 m in einer Tiefe von 11,235 m, und damit 134,258 m² Abstandsflächen auf das Vorhabengrundstück. Insoweit ist anzumerken, dass entgegen der Darstellung im Erdgeschossplan eine Inanspruchnahme des 16 m-Privilegs aus Art. 6 Abs. 6 BayBO nicht in Betracht kommt, da das Gebäude der Klägerin an drei Seiten nicht die erforderlichen Abstandsflächen einhält (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 6 Rn. 88). Zudem erfolgte die Berechnung der Wandhöhe der Giebelwand noch nach der Regelung des Art. 6 Abs. 3 Satz 5 BayBO 1998, wonach die Höhe von Giebelflächen im Bereich des Daches bei einer Dachneigung von mehr als 75 Grad voll und im Übrigen zu einem Drittel anzurechnen war. In der aktuellen Fassung des Art. 6 Abs. 4 Satz 4 BayBO ist die Höhe von Giebelflächen im Bereich des Daches bei einer Dachneigung von mehr als 70 Grad voll und im Übrigen zu einem Drittel anzurechnen, so dass nach den aktuellen Anforderungen die Abstandflächenüberschreitung sogar etwas höher als 140,06 m² liegt.

Damit übertrifft die Abstandsfläche des Gebäudes der Klägerin in quantitativer Hinsicht deutlich die Abstandsfläche des Vorhabens. Auch die Tatsache, dass der Abstandsflächenverstoß des streitgegenständlichen Gebäudes sich über die gesamte Grundstücksgrenze erstreckt, wogegen der klägerische Abstandsflächenverstoß lediglich einen etwa 11,95 m breiten Wandteil betrifft, ist vorliegend nicht geeignet, die Gleichwertigkeit des gegenseitigen Abstandsflächenverstoßes zu entkräften. Es ist bereits äußerst fraglich, ob die Breite des Abstandsflächenverstoßes überhaupt ein geeignetes Kriterium im Rahmen der qualitativ und quantitativ wertenden Betrachtung bei der Frage der Gleichwertigkeit des gegenseitigen Abstandsflächenverstoßes darstellt. Selbst wenn man diesen Umstand zugunsten der Klägerin berücksichtigen wollte, so müsste sie sich entgegenhalten lassen, dass ihr Gebäude aufgrund des äußerst geringen Abstands zu gemeinsamen Grundstücksgrenze von 4,875 m bei einer Wandhöhe von 16,11 m Abstandsflächen nicht nur auf das Grundstück der Beigeladenen, sondern auch in das geplante Vorhabengebäude wirft. Insoweit ist der Abstandsflächenverstoß qualitativ intensiver.

Da somit der Abstandflächenverstoß auf Seiten der Klägerin wesentlich größer ist und auch in qualitativer Hinsicht keine Umstände vorliegen, die den geringeren Abstandsflächenverstoß auf Seiten der Beigeladenen qualitativ schwerwiegender erscheinen lassen, ist die Klägerin vorliegend nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert, sich auf die Verletzung des Art. 6 BayBO zu berufen.

5. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen i. S. v. § 162 Abs. 3 VwGO, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Sachantrag gestellt und sich damit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Untersagung ihres Betriebes eines Nagelstudios und den Verkauf von Kosmetikartikeln sowie die Verpflichtung, die hierfür erforderlichen Gegenstände und Geräte zu entfernen.

Im Februar 2013 wurde dem Landratsamt aufgrund einer Nachbarbeschwerde angezeigt, dass die Klägerin in ihrem Wohnhaus auf dem Grundstück Fl.Nr. 941/193 Gemarkung B. ein Nagelstudio sowie den Verkauf von Kosmetikartikeln betreibt. Das Grundstück liegt innerhalb des Bebauungsplans „G.“, der hier ein reines Wohngebiet festsetzt. Bei dem Wohngebäude handelt es sich um ein Reiheneckhaus am südlichen Rand des Bebauungsplangebiets.

Mit Bescheid vom 19. März 2014 verfügte das Landratsamt, dass die Klägerin den Betrieb eines Nagelstudios und den Verkauf von Kosmetikartikeln einzustellen sowie die für den Betrieb des Nagelstudios und den Verkauf von Kosmetikartikeln erforderlichen Gegenstände und Geräte zu entfernen habe. Hierfür wurde jeweils eine Frist von sieben Monaten ab Bestandskraft des Bescheids gesetzt sowie ein Zwangsgeld in Höhe von 500 € angedroht.

Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Mit Änderungsbescheid vom 30. Mai 2014 setzte das Landratsamt die Frist aus dem Bescheid vom 19. März 2014 jeweils bis spätestens zum 31. Dezember 2014 fest und ordnete die sofortige Vollziehung an. Das Verwaltungsgericht wies die (erweiterte) Klage gegen den Ausgangsbescheid vom 19. März 2014 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 30. Mai 2014 mit Urteil vom 16. Oktober 2014 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die gegenüber der Klägerin erlassene Nutzungsuntersagung rechtmäßig sei. Die Klägerin habe für den streitgegenständlichen Betrieb keine Baugenehmigung und die untersagte Nutzung sei auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Der Betrieb sei im reinen Wohngebiet weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig und auch nicht als freier Beruf oder vergleichbare gewerbliche Tätigkeit einzustufen. Die Erteilung einer Befreiung komme nicht in Betracht, da die Grundzüge der Planung berührt seien.

Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beruft sich auf Vertrauensschutz, da sie den nicht störenden Betrieb, der bei der Stadt B. angemeldet sei, seit 2007 ausübe. Das Modellieren von Nägeln sei kein typischer Gewerbebetrieb. Vielmehr sei ihre Tätigkeit als freiberufliche Tätigkeit oder gewerbliche Tätigkeit in ähnlicher Art wie ein Freiberufler einzustufen. Den Verkauf von Kosmetikartikeln habe sie aufgegeben; im Übrigen habe sie keine Einkünfte aus dem Verkauf an Endverbraucher erzielt und keine Gewinnerzielungsabsicht gehabt. Sie besitze kein Ladenlokal mit Öffnungszeiten, arbeite nur nach Terminvereinbarung mit maximal ein bis zwei Kunden täglich bzw. zehn Kunden wöchentlich. Ein Geschäftsbetrieb finde nicht statt. Die modellierende Tätigkeit erfolge aufgrund individueller Fertigkeiten; sie arbeite ohne Schablonen ausschließlich mit Eigenkreationen, wobei ihre persönlichen Fähigkeiten, die ins Künstlerische gingen, überwiegen würden. Der Bebauungsplan „G.“ sei funktionslos, da ihr Grundstück genau an der Grenze des Plangebiets zu einer stark befahrenen Straße hin liege und nach Auskunft der Stadt B. etwa 30 bis 50 Gewerbebetriebe im reinen Wohngebiet vorhanden seien. Es habe deshalb eine konträre Entwicklung zwischen der Planwirklichkeit und den dem Plan zugrunde liegenden Verhältnissen stattgefunden. Jedenfalls habe sie einen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung vom Bebauungsplan, da die zulässige Ausübung eines freien Berufs unter Umständen zu mehr Belästigungen oder Störungen führe als ihr Nagelstudio. Grundzüge der Planung seien nicht berührt, da Gründe für eine Differenzierung der allgemeinen und reinen Wohngebiete im Bebauungsplangebiet nicht erkennbar seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanziellen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), da ihre Tätigkeit vom Verwaltungsgericht nicht als freiberuflich oder gleichgestellte gewerbliche Tätigkeit eingestuft wurde. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder wegen eines Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.

Für die Rechtmäßigkeit einer Nutzungsuntersagung genügt regelmäßig, dass die zwar genehmigungspflichtige aber ohne baurechtliche Genehmigung betriebene Tätigkeit formell illegal ist, wenn die illegal aufgenommene Nutzung nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.5.2014 - 9 CS 14.451 - juris Rn. 12). Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen dieser Prüfung auch die materielle Legalität verneint, so dass sich im Hinblick auf die weitere Anordnung zur Entfernung von Gegenständen keine darüber hinausgehenden Anforderungen ergeben (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 76 Rn. 28, 32).

a) Der Betrieb der Klägerin ist nach dem Bebauungsplan „G*“, der für das Gebiet, in dem das Betriebsgrundstück der Klägerin liegt, ein reines Wohngebiet festsetzt, dort nach § 3 i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BauNVO 1977 weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig. Die ausnahmsweise zulässigen Nutzungen nach § 3 Abs. 3 BauNVO 1977 wurden über § 1 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 Nr. 1 BauNVO 1977 i. V. m. Nr. III 1.1 a) der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ausgeschlossen. Es kann deshalb offen bleiben, ob das Nagelstudio gegebenenfalls als nicht störender Handwerksbetrieb nach § 3 Abs. 3 BauNVO 1977 ausnahmsweise genehmigungsfähig wäre oder insoweit daran scheitern würde, dass es nicht der Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dient.

b) Entgegen dem Vortrag der Klägerin ergibt sich eine Zulässigkeit ihres Betriebs auch nicht aus § 13 BauNVO 1977, wonach für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben, auch im reinen Wohngebiet Räume zulässig sind. Hier ist nur noch auf den Betrieb des Nagelstudios abzustellen, da der Verkauf von Kosmetikartikeln gemäß der Gewerbeabmeldung vom 27. November 2014 rückwirkend zum 1. Januar 2014 aufgegeben wurde.

Kennzeichnend für die als Ausübung freier Berufe i. S. d. § 13 BauNVO anzusehende Tätigkeit ist, dass die betreffende Person persönliche Dienstleistungen erbringt, die vorwiegend auf individuellen geistigen Leistungen oder sonstigen persönlichen Fähigkeiten beruhen und in der Regel in unabhängiger Stellung einem unbegrenzten Personenkreis angeboten werden, wobei zur Orientierung auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 1 Abs. 2 Satz 1 PartGG zurückgegriffen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 20.1.1984 - 4 C 56/80 - BVerwGE 68, 324 = juris Rn. 10). Es handelt sich dabei regelmäßig auch um Dienstleistungen höherer Art (BVerfG, E. v. 25.2.1960 - 1 BvR 239/52 - BVerfGE 10, 354 = juris Rn. 45; BVerwG, U. v. 26.1.1993 - 1 C 25/91 - juris Rn. 17). Nach diesen Grundsätzen lässt sich dem Zulassungsvorbringen der Klägerin nicht entnehmen, dass es sich bei dem von ihr betriebenen Nagelstudio entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts um einen freien Beruf oder eine gewerbliche Tätigkeit, die in ähnlicher Art ausgeübt wird, handelt.

Bereits aus dem von der Klägerin vorgelegten Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2012 (Bl. 45 der Akte des Verwaltungsgerichts) ergibt sich, dass die Einkünfte der Klägerin aus ihrem Betrieb steuerrechtlich nicht einer selbstständigen Tätigkeit, sondern Einkünften aus einem Gewerbebetrieb zugerechnet werden. Ihre Tätigkeit ist auch zweifelsfrei nicht einer der vier freiberuflichen Kategorien - heilkundliche Berufe, Kulturberufe, rechts-, wirtschafts- oder steuerberatende Berufe oder freiberuflich ausgeübte technische oder naturwissenschaftliche Berufe - zuzuordnen (vgl. Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 13 Rn. 10). Eine mögliche baurechtlich andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, sie arbeite ohne Schablonen und zeige persönliche Fertigkeiten, die ins künstlerische gingen. Zwar mögen bestimmte Designer-Berufe, wie z. B. ein Industrie-Designer oder ein Werbedesigner (vgl. BFH, U. v. 23.8.1990 - IV R 61/89 - BFHE 162, 68 = juris Rn. 12, 17 und BayVGH, U. v. 2.1.2008 - 1 BV 04.2737 - juris Rn. 27) als freiberuflich oder freiberufsähnlich angesehen werden können. Die Klägerin hat jedoch - abgesehen von ihrer modellierenden und verzierenden Tätigkeit an Fingernägeln - nichts vorgetragen, was eine vergleichsweise Einordnung rechtfertigen könnte. Bei einem Nagelstudio steht vielmehr die Abgeltung handwerklicher Tätigkeit im Vordergrund (FG Düsseldorf, U. v. 18.3.1999 - 10 K 3845/96 E - juris Rn. 19). Entsprechend der vom Beklagten vorgelegten Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit (vgl. http://berufenet.arbeitsagentur.de) ist die Arbeit nicht ausschließlich auf die Hervorbringung einer ästhetischen Wirkung gerichtet, sondern umfasst wesentlich auch die kosmetische Modifikation und Behandlung der menschlichen Nägel (vgl. auch Wacker in Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 18 Rn. 66). Dem Zulassungsvorbringen der Klägerin lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Sie hat weder eine Betriebsbeschreibung vorgelegt, aus der sich ergibt, dass sie ausschließlich künstlerisch tätig ist, noch ist ihr Vortrag geeignet, eine solche ausschließliche künstlerische Tätigkeit ohne kosmetische oder sonstige Behandlungen anzunehmen. Dementsprechend ist die Tätigkeit der Klägerin nicht als Ausübung eines freien Berufs einzustufen.

Bei dem Betrieb eines Nagelstudios handelt es sich auch nicht um eine gewerbliche Tätigkeit, die in einer der Berufsausübung freiberuflich Tätiger ähnlichen Art ausgeübt wird. Bei den freiberuflich Tätigen gleichgestellten Gewerbebetrieben handelt es sich um gewerblich ausgeübte Berufe, in denen in unabhängiger Stellung individuelle Eigenleistungen für einen unbegrenzten Kreis von Interessenten erbracht werden (vgl. BVerwG, U. v. 20.1.1984 - 4 C 56/80 - BVerwGE 68, 324 - juris Rn. 10; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB /BauNVO, Stand November 2014, § 13 BauNVO Rn. 25). Der Gesetzgeber verstand darunter Handelsvertreter ohne Auslieferungslager, Handelsmakler, Versicherungsvertreter oder Masseure (vgl. BR-Drs. 53/62 Nr. 21 S. 8; Stock in König/Roeser/Stock, a. a. O., § 13 Rn. 18; Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 13 Rn. 4.11). Maßgeblich ist dabei die Ähnlichkeit zu freien Berufen, was - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend abstellt - nicht gegeben ist, wenn die angebotene Dienstleistung nicht vorwiegend auf besonderen individuellen geistigen Leistungen oder schöpferischen Fähigkeiten beruht (vgl. Stock in König/Roeser/Stock, a. a. O., § 13 Rn. 9, 18a). Die Tätigkeit der Klägerin lässt sich danach insgesamt nicht unter § 13 BauNVO fassen. Selbst wenn ein Kosmetikstudio - was hier offen bleiben kann - einem freiberuflich ähnlichen Gewerbe zuzuordnen sein sollte (vgl. OVG RP, U. v. 27.6.2002 - 1 A 11669/99 - juris Rn. 47 - ohne Angabe von Gründen; ablehnend: OVG NW, U. v. 25.8.2011 - 2 A 38/120 - juris Rn. 93; Fickert/Fieseler, a. a. O., § 13 Rn. 4.14), gilt dies nicht in gleicher Weise für ein Nagelstudio (offen gelassen in: BayVGH, B. v. 21.3.2012 - 2 ZB 10.2530 - juris Rn. 11). Denn bei dem Betrieb eines Nagelstudios handelt es sich regelmäßig um eine Tätigkeit vorwiegend im Wellness- und Beauty-Bereich und nur um einen Teilausschnitt aus dem Berufsbild des „Kosmetikers“ (VGH BW, U. v. 29.11.2007 - 6 S 2421/05 - Rn. 23, 24, 29). Darüber hinaus hat die Klägerin kein Mindestmaß an individueller Qualifikation dargelegt, wie sie für freie Berufe typisch ist. Zwar ist eine besonders qualifizierte Ausbildung typische Eigenart freier Berufe, nicht aber notwendiges Begriffsmerkmal (vgl. Stock in König/Roeser/Stock, a. a. O., § 13 Rn. 9). Gleichwohl bedarf es auch vor dem Hintergrund des hergebrachten Verständnisses der wesensprägenden Merkmale freier Berufe eines gewissen, nicht allgemeingültig definierbaren Standards an individueller - namentlich geistiger oder schöpferischer - Qualifikation der Tätigkeit, um den Anwendungsbereich des § 13 BauNVO zu eröffnen, was bei einer Ausbildung mit einer Dauer von nur wenigen Tagen nicht erfüllt ist (OVG NW, U. v. 25.8.2011 - 2 A 38/10 - juris Rn. 75, 85, 92).

So liegt es auch bei der Klägerin. Zwar hat sie Teilnahme-Zertifikate an einem Seminar für Gel-Modellagetechnik zur Qualifizierung als „Nail-Designerin“ (Bl. 85 der Gerichtsakte) und einem Fortbildungs-Seminar „Nail-Art“ (Bl. 86 der Gerichtsakte) vorgelegt. Aus dem Internet-Auftritt des privaten Anbieters (http://...schulungen/), bei dem die Klägerin die Seminare absolviert hat, ergibt sich allerdings, dass die Kursdauer zwischen ein und zwei Tagen beträgt; die vorgelegten Zertifikate datieren sogar vom selben Tag. Eine den freien Berufen vergleichbare Ausbildungsdauer oder ein gleichermaßen festgelegter Ausbildungsstandard oder ein Berufsbild - wie z. B. bei Physiotherapeuten oder Podologen (vgl. OVG NW, U. v. 25.8.2011 - 2 A 38/10 - juris Rn. 83) - lässt sich aus den vorgelegten Unterlagen der durch private Ausbilder angebotenen Kurse im Bereich Nageldesign nicht entnehmen. Aus dem Zulassungsvorbringen der Klägerin deutet nichts darauf hin, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit nicht überwiegend leicht und ohne größeren Zeitaufwand zu erlernen ist, nicht einen verhältnismäßig geringen Ausbildungsbedarf und nicht einen unterdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad hat. Der Betrieb eines Nagelstudios umfasst regelmäßig nur einen eingeschränkten Umfang angebotener Verrichtungen und ist beschränkt auf wenige Verrichtungen aus dem sehr viel umfassenderen Tätigkeitsgebiet eines „Kosmetikers“ (vgl. VGH BW, U. v. 29.11.2007 - 6 S 2421/05 - juris Rn. 29). Dass die Klägerin demgegenüber einen darüber hinausgehenden, umfassenderen Tätigkeitsbereich ausübt, lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen.

c) Der Betrieb der Klägerin ist auch nicht nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wegen Funktionslosigkeit des Bebauungsplans zulässig. Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans ist nur dann anzunehmen, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die er sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der ihre Verwirklichung auf absehbare Zeit ausschließt, und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in die Fortgeltung der Norm gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient (BVerwG, B. v. 22.7.2013 - 7 BN 1/13 - juris Rn. 6). Dabei kann sich die Funktionslosigkeit auch nur auf eine einzelne Festsetzung beziehen; die betreffende Festsetzung muss jedoch ungeeignet sein, zur städtebaulichen Ordnung i. S. d. § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans (noch) einen sinnvollen Beitrag zu leisten (Kalb/Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O., § 10 Rn. 409, 417).

Unter Berücksichtigung der differenzierten Gliederung des Plangebiets in mehrere reine und allgemeine Wohngebiete sowie ein (beschränktes) Gewerbegebiet im nördlichen Bereich, sind die Angaben der Klägerin ungeeignet, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts eine Funktionslosigkeit des Bebauungsplans zu belegen. Zwar führt die Klägerin (nicht abschließend) verschiedene - vom Wohnen - abweichende Nutzungen im gesamten Bebauungsplangebiet an, sie differenziert aber dabei weder nach dem jeweiligen Teilgebiet, in dem sich die betreffende Nutzung befindet, noch nach der Nutzungsart. Dementsprechend befinden sich in der Auflistung zahlreiche Nutzungen (z. B. freie Berufe, gewerbliche oder handwerkliche Tätigkeiten), die bereits nach der Gebietsfestsetzung des Bebauungsplans oder nach § 13 BauNVO im jeweiligen Teilgebiet ohne Weiteres oder - auch unter Berücksichtigung der Festsetzungen nach § 1 Abs. 6 BauNVO - ausnahmsweise zulässig sind. Dazu kommt, dass eine bloße gewisse konträre Entwicklung, d. h. eine ggf. auch längere Zeit erfolgte Abweichung vom Plan und der Eintritt von Verhältnissen, die den Festsetzungen des Bebauungsplans widersprechen, allein nicht ausreicht, dass der Bebauungsplan funktionslos wird (BVerwG, B. v. 3.8.1990 - 7 C 41/89 - BVerwGE 85, 273 = juris Rn. 16; Kalb/Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O., § 10 Rn. 416). Auch eine bloße Änderung der Planungskonzeption der Gemeinde in Teilbereichen des Bebauungsplans genügt nicht (BVerwG, B. v. 7.2.1997 - 4 B 6/97 - juris Rn. 2, 5). Erforderlich ist vielmehr, dass die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan seine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag (Kalb/Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O., § 10 Rn. 417). Hierfür ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen keine Anhaltspunkte.

d) Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen Bestands- oder Vertrauensschutz berufen. Die Gewerbeanmeldung vom 21. Mai 2007 steht einer Baugenehmigung nicht gleich. Denn es handelt sich um Akte, die in den Zuständigkeitsbereich unterschiedlicher Behörden fallen und die Baugenehmigungsbehörde dürfte regelmäßig auch keine Kenntnis von einer Gewerbeanmeldung bei der Gemeinde erlangen. Allein aus der Betriebszeit seit 2007 kann die Klägerin keinen Bestandsschutz herleiten (Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand 11/2014, Art. 76 Rn. 216); die Befugnis aus Art. 76 BayBO unterliegt auch keiner Verwirkung (BayVGH, B. v. 3.4.2014 - 15 ZB 12.2736 - juris Rn. 18). Die bloße Untätigkeit der Bauaufsichtsbehörde ist - unabhängig von einer Kenntnis oder Unkenntnis - nicht geeignet, ein für die Ausübung des Verwaltungsermessens beachtliches Vertrauen darin zu begründen, gegen baurechtswidrige Zustände werde auch künftig nicht eingeschritten (vgl. BayVGH, B. v. 7.4.2015 - 9 CS 15.394 - juris Rn. 14). Ein zur bloßen Untätigkeit der Bauaufsichtsbehörde hinzukommendes besonderes Verhalten, aufgrund dessen die Klägerin annehmen durfte, die Behörde wolle von ihrer Beseitigungsbefugnis keinen Gebrauch mehr machen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

e) Aus dem Zulassungsvorbringen lässt sich auch kein Anspruch der Klägerin auf Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB entnehmen. Der Einwand der Klägerin, ihr Betrieb habe einen geringeren Störgrad als manche Tätigkeiten i. S. d. § 13 BauNVO, genügt hierfür nicht. Denn bei § 13 BauNVO handelt es sich einerseits um eine eigenständige Zulässigkeitsregelung und andererseits gibt eine derartige Bewertung nichts für die vorrangige Tatbestandsvoraussetzung des Berührens der Grundzüge der Planung i. R. d. § 31 Abs. 2 BauGB her.

§ 31 Abs. 2 BauGB setzt zunächst voraus, dass durch die beantragte Befreiung die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Wann eine Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, so dass nicht allein aus einer Änderung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung automatisch auf ein Berühren der Grundzüge der Planung geschlossen werden kann; erforderlich ist vielmehr eine Beurteilung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, nämlich dem im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen (vgl. BVerwG, U. v. 29.1.2009 - 4 C 16/07 - BVerwGE 133, 98 = juris Rn. 23). Zwar liegt das Grundstück, auf dem die Klägerin ihr Nagelstudio betreibt, am Rande des Bebauungsplangebiets, der bloße Hinweis im Zulassungsvorbringen, es sei kein Grundgedanke bezüglich der Differenzierung des Baugebiets zwischen allgemeinen und reinen Wohngebieten erkennbar, ist jedoch nicht geeignet, die Art der baulichen Nutzung hier nicht als Grundzug der Planung anzusehen. Der Plangeber hat vorliegend für die besondere nachbarschaftliche Situation einer Reihenhausbebauung ein reines Wohngebiet festgesetzt. Darüber hinaus wurden im Plangebiet weitere reine Wohngebiete festgesetzt, wobei die ausnahmsweise zulässigen Nutzungen ausgeschlossen wurden. Auch in den allgemeinen Wohngebieten wurde ein Teil der ausnahmsweise zulässigen Nutzungen - namentlich Gartenbaubetriebe, Tankstellen und Ställe (§ 4 Abs. 3 Nr. 4-6 BauNVO 1977) ausgeschlossen (Nr. III 1.1 b der textlichen Festsetzungen). Darüber hinaus befindet sich das Betriebsgrundstück im südlichen Teil des Bebauungsplangebiets. Nördlich - nach der straßenseitig der Klägerin gegenüberliegenden Bebauung - ist eine öffentliche Parkanlage festgesetzt, die sich nordwestlich fortsetzt. Westlich über der Straße anschließend zum Betriebsgrundstück befindet sich ein größeres Verkehrsgrün und südlich des Plangebiets verläuft das Gewässer Aisch. Unabhängig von den Verkehrsverhältnissen berührt daher die Zulassung eines sonstigen, wenngleich nicht störenden Gewerbebetriebs über § 13 BauNVO hinaus und unter Berücksichtigung des Ausschlusses ausnahmsweise zulässiger Nutzungen im vorliegenden Fall die Grundzüge der Planung, die im Bereich des Betriebsgrundstücks unter Berücksichtigung der geschilderten Planungssituation gerade ein reines Wohngebiet vorgesehen haben. Das nächste Gebäude im Bereich eines allgemeinen Wohngebiets ist von dem Betriebsgrundstück der Klägerin ca. 70 m entfernt. Das Hineintragen einer gewerblichen Betriebsamkeit ist dem reinen Wohngebiet aber gerade fremd (vgl. BayVGH, U. v. 10.6.2010 - 15 BV 09.1491 - juris Rn. 20). Dementsprechend kommt es auf die - von der Klägerin maßgeblich angegangenen - weiteren Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB, insbesondere der städtebaulichen Vertretbarkeit, der Wahrung nachbarlicher Interessen und eventueller Ermessenserwägungen nicht mehr an (BayVGH, B. v. 21.4.2015 - 9 ZB 12.1912 - juris Rn. 13; BVerwG, B. v. 1.11.1999 - 4 B 3/99 - juris Rn. 13).

2. Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt nicht in Betracht.

Die im Zulassungsvorbringen aufgeworfenen Abgrenzungsfragen bei der Anwendung des § 13 BauNVO sind bereits höchstrichterlich geklärt (vgl. zuletzt BVerwG, B. v. 28.2.2008 - 4 B 60/07 - juris Rn. 9 m. w. N.; BVerwG, U. v. 20.1.1984 - 4 V 56/80 - BVerwGE 68, 324 = juris Rn. 10 m. w. N.). Zwar liegt bislang keine ausdrückliche höchstrichterliche Entscheidung zur Einordnung eines Nagelstudios vor. Die genannten Entscheidungen geben aber ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung dieser Rechtsfrage (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 38).

3. Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Die Frage des Störpotentials des Betriebs der Klägerin ist, wie sie selbst einräumt, nicht entscheidungserheblich. Dementsprechend kommt insoweit bereits keine Verletzung der Aufklärungspflicht in Betracht, denn es sind nur die Beweise zu erheben, auf die es nach der Rechtsansicht des Gerichts ankommt (BVerwG, B. v. 18.12.2006 - 4 BN 30/06 - juris Rn. 2).

Mit ihrer weiteren Argumentation macht die Klägerin sinngemäß geltend, das Verwaltungsgericht habe den in § 86 Abs. 1 VwGO enthaltenen Untersuchungsgrundsatz verletzt, wonach von Amts wegen der Sachverhalt zu ermitteln und die erforderlichen Beweise zu erheben sind. Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht kann aber grundsätzlich dann nicht geltend gemacht werden, wenn ein anwaltlich vertretener Beteiligter - wie hier die Klägerin - es in der mündlichen Verhandlung unterlassen hat, einen Beweisantrag zu stellen (BVerwG, B. v. 20.12.2012 - 4 B 20/12 - juris Rn. 6; BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 9 ZB 11.1744 - juris Rn. 11). Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 16. Oktober 2014 wurde die Sach- und Rechtslage den Beteiligten dargelegt; ein Beweisantrag wurde von der Bevollmächtigten der Klägerin jedoch nicht gestellt. Nur schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen insoweit nicht (BVerwG, B. v. 18.12.2006 - 4 BN 30/06 - juris Rn. 4). Auch besteht keine allgemeine Hinweis- oder Aufklärungspflicht des Gerichts auf die beabsichtigte Beweiswürdigung und rechtliche Entscheidung (BVerwG, B. v. 18.6.2012 - 5 B 5/12 - juris Rn. 12; BVerfG, B. v. 15.5.1984 - 1 BvR 967/83 - BVerfGE 67, 90 = juris Rn. 22). Dem Verwaltungsgericht musste sich, insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen (Steuerbescheid, Gewerbeanmeldung) und Beschreibung ihrer Tätigkeit sowie die Aussage des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung, gleichgelagerte Fälle im Bebauungsplangebiet aufzugreifen, auch keine weitere Sachverhaltsaufklärung aufdrängen (vgl. BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 9 ZB 11.1744 - juris Rn. 12; BayVGH, B. v. 25.3.2014 - 15 ZB 12.2014 - juris Rn. 11). Ein anlassbezogenes und schrittweises Vorgehen ist im Bereich bauaufsichtlichen Einschreitens ebenso zulässig wie ein Abwarten eventueller bauleitplanerischer Änderungen (Decker in Simon/Busse, a. a. O., Art. 76 Rn. 232, 236 m. w. N.), was im Falle der Klägerin aber vom Planungsträger bereits abgelehnt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Nrn. I und II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. August 2015 werden aufgehoben.

II.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids des Landratsamts Aschaffenburg vom 1. April 2015 wird wiederhergestellt.

III.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

IV.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte und zwangsgeldbewehrte Nr. 1 des Bescheids des Landratsamts Aschaffenburg vom 1. April 2015, womit ihr die Nutzung des auf dem Grundstück FlNr. 162/0 Gemarkung Haibach genehmigten Nebengebäudes (Kükenaufzuchtstall und Brutraum, B 27/1956) als Wohnraum und Dachterrasse vorsorglich ab sofort bis zur Klärung der Rechtslage untersagt wurde.

Die Antragstellerin erhob beim Verwaltungsgericht Würzburg unter anderem Klage gegen diese Nr. 1 des Bescheids und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Mit Beschluss vom 7. August 2015 hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag abgelehnt. Die untersagte Nutzung sei formell baurechtswidrig. Nach summarischer Prüfung spreche alles dafür, dass mit der Baugenehmigung vom 12. Januar 1956 (Az. B 27/1956) für das Nebengebäude lediglich ein Brutraum und Kükenaufzuchtstall, aber nicht eine Wohnnutzung genehmigt worden sei. Unerheblich sei der Umstand, dass die Antragstellerin das Anwesen im Wege der Zwangsversteigerung erworben habe und von welcher Nutzung das Verkehrswertgutachten aus dem Zwangsversteigerungsverfahren ausgegangen sei. Die Wohnnutzung sei nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Auf Bestands- oder Vertrauensschutz könne sich die Antragstellerin nicht berufen. Es stehe nicht fest, dass die formell baurechtswidrige Wohnnutzung des Nebengebäudes zu irgendeinem Zeitpunkt materiell baurechtmäßig gewesen sei. Die Untersagung der Wohnnutzung sei auch nicht unverhältnismäßig. Zwar habe das Landratsamt festgestellt, dass seit dem 1. April 2015 zwei Personen für die betroffenen Räume eine Hauptwohnung angemeldet hätten. Nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles seien die Mieter der Wohnung aber auf ein zivilrechtliches Vorgehen gegen die Antragstellerin als Vermieterin zu verweisen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Das Landratsamt habe die Erforderlichkeit des Sofortvollzugs nicht ausreichend begründet. Der Schutz potentieller Käufer könne den angeordneten Sofortvollzug nicht begründen; diese seien bereits durch zivilrechtliche Vorschriften geschützt. Die Wohnnutzung des Objekts sei dem Landratsamt über mehrere Jahre hinweg bekannt gewesen und von diesem auch geduldet worden. Dem im Rahmen der Zwangsversteigerung eingeholten Sachverständigengutachten hätten Planunterlagen mit handschriftlichen Bleistifteintragungen über eine Wohnnutzung zugrunde gelegen. Die Antragstellerin könne sich deswegen auf Bestands- und Vertrauensschutz berufen. Für das Anwesen seien zwei Personen mit Hauptwohnung angemeldet. Die Antragstellerin habe mit diesem am 4. März 2015 einen entsprechenden Mietvertrag abgeschlossen, weil sie darauf angewiesen sei, das Anwesen wirtschaftlich zu nutzen. Hinsichtlich der Notwendigkeit der Stellung eines Bauantrags habe sich das Landratsamt gegenüber der Antragstellerin widersprüchlich verhalten. Von einer fehlenden Erschließung des Grundstücks könne nicht mehr ausgegangen werden. Es verfüge nunmehr über einen öffentlichen Zugang.

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. August 2015 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids vom 1. April 2015 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Landratsamt habe den Sofortvollzug hinreichend begründet. Die untersagte Nutzung sei formell illegal. Die Bleistifteintragungen im Plan aus dem Jahr 1956 seien offensichtlich nachträglich vorgenommen worden und stünden im Widerspruch zum Inhalt des damaligen Genehmigungsverfahrens. Eine bauaufsichtliche Duldung könne aus den Bleistifteintragungen keinesfalls abgeleitet werden. Die Gutachterin im Zwangsversteigerungsverfahren hätte spätestens mit Sichtung der Baugenehmigungspläne B 543/57 erkennen können, dass es sich bei den betroffenen Räumen im Nebengebäude nicht um Wohnräume handeln könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO kann die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse angeordnet werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil der Vollziehung der Nutzungsuntersagung ein rechtliches Hindernis entgegensteht (vgl. BayVGH, B. v. 4.11.1975 - 192 II 75 - BayVBl 1976, 115). Das Landratsamt hat die Nutzungsuntersagung an die Antragstellerin gerichtet. Die Antragstellerin war aber aufgrund des von ihr mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Mietvertrags vom 4. März 2015 als Eigentümerin infolge der privatrechtlichen Bindungen aus diesem Mietvertrag rechtlich nicht in der Lage, die Nutzung des Nebengebäudes - wie von Nr. 1 des Bescheids vom 1. April 2015 gefordert - ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieses Bescheids („ab sofort“) einzustellen. Dieses Vollstreckungshindernis ist nach Lage der Akten nicht durch eine entsprechende öffentlich-rechtliche Anordnung gegenüber den Mietern beseitigt worden. Ob es dabei um eine Duldungsanordnung oder - wofür die besseren Gründe sprechen - um eine weitere Nutzungsuntersagung gegenüber den Mietern geht, kann dahingestellt bleiben (vgl. BayVGH, B. v. 6.12.2011 - 15 CS 11.2402 - juris Rn. 11). Soweit das Landratsamt der Antragstellerin unter Hinweis darauf, dass für das betroffene Gebäude seit 1. April 2015 zwei Personen mit Hauptwohnsitz gemeldet sind, mit Schreiben vom 22. April 2015 eine Frist zur Beendigung der Nutzung bis zum 30. April 2015 eingeräumt hat, ist jedenfalls auch bis zum Ablauf dieser Frist das Vollstreckungshindernis entsprechend den obigen Ausführungen nicht beseitigt worden. Auf die weiteren Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) kommt es demnach nicht mehr an.

Allerdings dürfte das Verwaltungsgericht zu Recht von einer formell illegalen Nutzung des Nebengebäudes ausgegangen sein, die für die Rechtmäßigkeit einer Nutzungsuntersagung genügt, wenn die illegal aufgenommene Nutzung nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 29.5.2015 - 9 ZB 14.2580 - juris Rn. 10). Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass aus den in den Behördenakten enthaltenen Plänen und Unterlagen, insbesondere denen, die dem Bauvorhaben B 27/56 zugrunde liegen, nicht ersichtlich ist, dass in dem Nebengebäude eine Wohnnutzung anstelle eines Brutraums und Kükenaufzuchtstalls genehmigt wurde. Die zu diesem Bauvorhaben in den Plänen enthaltenen Bleistifteintragungen („Bad“ bzw. „Küche“) reichen hierfür nicht aus, zumal in den Plänen des späteren Bauvorhabens B 543/57 für diese Räume allein ein Kükenaufzuchtstall bzw. ein Brutraum als Bestand dargestellt ist. Soweit die Antragstellerin auf ein im Zwangsversteigerungsverfahren eingeholtes Sachverständigengutachten verweist, kann dieses - wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - eine Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung nicht ersetzen.

Demgegenüber finden sich im Bescheid vom 1. April 2015 keine Ausführungen zur Störerauswahl, obwohl für das Gebäude nach den Feststellungen des Landratsamts seit dem 1. April 2015 zwei Personen mit Hauptwohnsitz gemeldet waren und damit mit der Nutzungsuntersagung nicht nur (präventiv) die künftige Nutzung untersagt, sondern auch eine bereits ausgeübte Nutzung unterbunden wurde (vgl. BayVGH, U. v. 16.2.2015 - 1 B 13.688 - juris Rn. 35 f.; B. v. 28.7.2014 - 2 CS 14.1326 - juris Rn. 4). Auch der Bescheid vom 28. Mai 2015, mit dem klargestellt wurde, dass sich der Bescheid vom 1. April 2015 nicht nur auf das Grundstück FlNr. 162/0 Gemarkung Haibach, sondern auch auf die Grundstücke FlNrn. 160 und 160/2 dieser Gemarkung bezieht, enthält keinerlei derartige Ermessenserwägungen. Das Landratsamt hat die Vermietung (auch des Nebengebäudes) lediglich zum Anlass genommen, der Antragstellerin mit Schreiben vom 22. April 2015 eine Frist zur Beendigung der Nutzung bis spätestens 30. April 2015 einzuräumen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Auf Mietverhältnisse über Grundstücke sind die Vorschriften der §§ 550, 554, 562 bis 562d, 566 bis 567b sowie 570 entsprechend anzuwenden.

(2) Auf Mietverhältnisse über Räume, die keine Wohnräume sind, sind die in Absatz 1 genannten Vorschriften sowie § 552 Abs. 1, § 555a Absatz 1 bis 3, §§ 555b, 555c Absatz 1 bis 4, § 555d Absatz 1 bis 6, § 555e Absatz 1 und 2, § 555f und § 569 Abs. 2 entsprechend anzuwenden. § 556c Absatz 1 und 2 sowie die auf Grund des § 556c Absatz 3 erlassene Rechtsverordnung sind entsprechend anzuwenden, abweichende Vereinbarungen sind zulässig. Sind die Räume zum Aufenthalt von Menschen bestimmt, so gilt außerdem § 569 Abs. 1 entsprechend.

(3) Auf Verträge über die Anmietung von Räumen durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder einen anerkannten privaten Träger der Wohlfahrtspflege, die geschlossen werden, um die Räume Personen mit dringendem Wohnungsbedarf zum Wohnen zu überlassen, sind die in den Absätzen 1 und 2 genannten Vorschriften sowie die §§ 557, 557a Absatz 1 bis 3 und 5, § 557b Absatz 1 bis 3 und 5, die §§ 558 bis 559d, 561, 568 Absatz 1, § 569 Absatz 3 bis 5, die §§ 573 bis 573d, 575, 575a Absatz 1, 3 und 4, die §§ 577 und 577a entsprechend anzuwenden. Solche Verträge können zusätzlich zu den in § 575 Absatz 1 Satz 1 genannten Gründen auch dann auf bestimmte Zeit geschlossen werden, wenn der Vermieter die Räume nach Ablauf der Mietzeit für ihm obliegende oder ihm übertragene öffentliche Aufgaben nutzen will.

(1) Bei einem Mietverhältnis über Grundstücke, über Räume, die keine Geschäftsräume sind, ist die ordentliche Kündigung zulässig,

1.
wenn die Miete nach Tagen bemessen ist, an jedem Tag zum Ablauf des folgenden Tages;
2.
wenn die Miete nach Wochen bemessen ist, spätestens am ersten Werktag einer Woche zum Ablauf des folgenden Sonnabends;
3.
wenn die Miete nach Monaten oder längeren Zeitabschnitten bemessen ist, spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats, bei einem Mietverhältnis über gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke jedoch nur zum Ablauf eines Kalendervierteljahrs.

(2) Bei einem Mietverhältnis über Geschäftsräume ist die ordentliche Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahrs zulässig.

(3) Bei einem Mietverhältnis über bewegliche Sachen oder digitale Produkte ist die ordentliche Kündigung zulässig,

1.
wenn die Miete nach Tagen bemessen ist, an jedem Tag zum Ablauf des folgenden Tages;
2.
wenn die Miete nach längeren Zeitabschnitten bemessen ist, spätestens am dritten Tag vor dem Tag, mit dessen Ablauf das Mietverhältnis enden soll.
Die Vorschriften über die Beendigung von Verbraucherverträgen über digitale Produkte bleiben unberührt.

(4) Absatz 1 Nr. 3, Absatz 2 und 3 Nr. 2 sind auch anzuwenden, wenn ein Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden kann.

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
3.
der Mieter
a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,
2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder
3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.

(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.