Verwaltungsgericht Minden Urteil, 10. Sept. 2015 - 4 K 2457/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der geborene Kläger wurde am 1. September 1993 in den Polizeivollzugsdienst des Landes I. eingestellt und steht seit dem 1. Juli 2001 im Dienst des beklagten Landes, seit April 2002 im Rang eines Kommissars (A 9).
3Nachdem es bereits im Jahr 2002 Hinweise auf einen psycho-physischen Erschöpfungszustand gegeben und der Kläger im Jahr 2005 über aus seiner Sicht stressbedingte Krankheitssymptome (Magenschleimhaut- und Gallenblasenentzündung) geklagt hatte, wandte sich der Kläger mit Mail vom 19. Mai 2011 an den Polizeiarzt Dr. L. und bat um einen Untersuchungstermin und, gegebenenfalls, die Befürwortung eines Kuraufenthaltes. Er leide nach der Diagnose seines Hausarztes an einem akuten psycho-somatischen Erschöpfungssyndrom, das mit Antriebslosigkeit, Weinkrämpfen, Schlaflosigkeit, Nervositätsschüben, Ängsten, Magenschleimhautbeschwerden und Kopfschmerzen einhergehe. Er selbst mache Probleme im familiären Bereich für seine Beschwerden verantwortlich. Die von ihm so genannten "Nackenschläge" hätten ihn aktuell zu einem absoluten mentalen Tiefpunkt gebracht, in dem ihm jegliche Motivation, Lebensfreude und Kraft fehle, um seine alltäglichen Aufgaben zu meistern.
4Dr L. verwies in seiner Antwort vom selben Tag auf die Notwendigkeit einer akuten ambulanten fachärztlichen Hilfe. Er werde dem Kläger einen entsprechende Überweisung zukommen lassen. Erst nach einem Scheitern der ambulanten fachärztlichen Bemühungen komme eine Reha-Maßnahme in Betracht.
5Am 26. Oktober 2011 meldete sich der Kläger krank. Am nächsten Tag wurde er von dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T. in Q. , an den ihn der Polizeiarzt überwiesen hatte, untersucht. Dieser stellte unter dem 10. November 2011 die Diagnose "Reaktive Depression". Aus seiner Sicht sei primär eine Gesprächstherapie zur Klärung der Lebenssituation und Krankheitsbewältigung indiziert, er habe diesbezüglich delegiert. Ein Antidepressivum werde vom Kläger nicht gewünscht. Ein Beratungsgespräch zur aktuellen Konfliktlösung habe stattgefunden. Die Krankschreibung dauerte an bis zum 5. Januar 2012.
6Die von Dr. T. vorgeschlagene ambulante Psychotherapie konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger - nach seinen Angaben - vor Ort nicht zeitnah einen Therapeuten fand. Auf Anraten des Polizeiarztes Dr. L. begab sich der Kläger deshalb vom 24. April bis zum 19. Juni 2012 in stationäre psychosomatische Behandlung in einer Klinik in C. Q1. . Von dort wurde er als dienstfähig entlassen.
7Ab dem 12. März 2013 war der Kläger wieder krankgeschrieben, bis zum 12. April 2013. Mit Schreiben vom 15. Mai 2013 machte man ihm ein Gesprächsangebot im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM), das er nicht annahm.
8Unmittelbar nach Rückkehr aus einem Erholungsurlaub meldete sich der Kläger am 26. August 2013 erneut krank. Unter dem 28. August 2013 bat er schriftlich, ihn von seiner Tätigkeit in der Direktion Kriminalität in X. zu entbinden und ihn zur Direktion Gefahrenabwehr der Polizeihauptwache I1. umzusetzen. Aufgrund gesundheitlicher Probleme und seiner persönlichen Lebensumstände fühle er sich nicht mehr in der "mentalen Lage, die gestellten Aufgaben motiviert und anspruchsvoll zu bewältigen". Die beantragte Umsetzung solle "dazu führen, in einem neuen dienstlichen bzw. sozialen Umfeld zu alter mentaler Stärke zurückzufinden".
9Auf Aufforderung des Landrates vom 2. September 2013 stellte sich der Kläger am 9. September 2013 zur Untersuchung bei dem Polizeiarzt Dr. L1. in E. vor, der den Kläger bis zum 6. Oktober 2013, später bis zum 5. Januar 2014, weiter krankschrieb. Es bestehe ein längerfristiges Krankheitsbild. Von einer Wiederherstellung der bisherigen Einsatz- und Verwendungsfähigkeit innerhalb der nächsten zwei Jahre sei aber auszugehen. Therapiemaßnahmen seien eingeleitet worden. Vermutlich könne innerhalb der nächsten sechs Monate eine Wiedereingliederung beginnen. Noch am gleichen Tag zog der Kläger seinen Antrag auf Umsetzung zurück.
10Der Hausarzt des Klägers verlängerte die Krankschreibung in der Folgezeit zumindest bis zum 4. Juni 2014.
11In einer Stellungnahme vom 2. Oktober 2013 äußerte sich der Leiter des Kriminalkommissariats 3 in X. , EKHK Q2. , zu Auffälligkeiten im Verhalten des Klägers. Wegen der Einzelheiten des Inhalts wird auf Blatt 27 ff. der Beiakte I verwiesen.
12Nach Beteiligung des Personalrates forderte der Beklagte den Kläger unter dem 30. Oktober 2013 auf, sich zwecks gutachterlicher Stellungnahme zu seiner Polizeidienst- und Dienstfähigkeit sowie seiner konkreten Verwendungsbreite beim Polizeigutachter des Landesamts für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW - LAFP - vorzustellen. Dort erteilte der zuständige Dr. Q3. nach einer Untersuchung des Klägers am 18. November 2013 einen Auftrag für ein psychiatrisches Zusatzgutachten, das der beauftragte Dr. N. -L2. von der LWL-Klinik Marsberg nach drei Untersuchungsterminen (am 3., 8. und 15. Januar 2014) unter dem 27. Januar 2014 erstellte. Nach der Diagnose gemäß ICD 10 liege beim Kläger eine "leichte bis mittelgradige depressive Episode bei kombinierter Persönlichkeitsakzentuierung mit dependenten, zwanghaften und narzisstischen Zügen F32.1" vor. Es bestehe aber keine Persönlichkeitsänderung von einem so hohen Ausmaß, dass von einer Persönlichkeitsstörung gesprochen werden könne. Um der sich abzeichnenden Chronifizierung entgegen zu wirken, müsse psychotherapeutisch neben den weiterhin sinnvollen verhaltenstherapeutischen Ansätzen die Psychogenese unter tiefenpsychologischen Gesichtspunkten aufgegriffen und bearbeitet werden. Eine Psychopharmakotherapie in Form einer suffizienten antidepressiven Medikation erfolge erst seit kurzem und habe daher noch keine nachhaltigen Effekte bewirkt. Die Symptomatik des Klägers unterscheide sich von klassischen endogenen, phasisch verlaufenden Episoden, die in erster Linie pharmakologisch behandelt würden. Bei ihm seien klinische Aspekte einer sog. atypischen Depression mit Gewichtszunahme und Hypersomnie verwirklicht. Die antidepressive Medikation stelle deshalb nur eine flankierend unterstützende Ergänzung der Behandlung dar. Als hauptsächliche oder alleinige Maßnahme wäre sie nicht adäquat, da die psychodynamisch begründeten Konflikte auf dem Boden der kombinierten Persönlichkeitsakzentuierung als tragende Problematik in erster Linie eine psychotherapeutische Herangehensweise erforderten.
13Abschließend führt der Gutachter aus (Gutachten ab S. 29):
14"Zusammenfassend handelt es sich bei Herrn X1. um einen bisher psychisch nicht wesentlich auffälligen Mann mittleren Lebensalters, der durch ein ungünstiges Zusammenwirken externer und innerer psychosozialer Konfliktfelder in einen narzisstischen Versagenszustand geraten ist. Dabei ist zu betonen, dass es sich bei Herrn . nicht um einen primär in seiner Struktur überwiegend narzisstisch geprägten Menschen handelt. Allerdings besteht der innere Konflikt in einer narzisstischen Selbstwertproblematik, die in der Lebensgeschichte des Probanden ihre Verankerung und Entsprechung findet. Modulierend spielt eine gewisse Empfindlichkeit und sensitive Reaktionsbereitschaft eines anankastischen, das heißt im Sinne dieser Charakterstruktur zwanghaften, also pflichtbewussten und mit einem hohen Anspruchsniveau an seine Person ausgestatteten Menschen eine Rolle. Diese Konstellation ist persönlichkeitsimmanent strukturell vorgegeben und somit nicht kurzfristig auflösbar. …
15Es bedarf deshalb einer weiteren intensiven Psychotherapie, die neben verhaltenstherapeutischen auch die biografisch verankerten tiefenpsychologische[n] Aspekte aufgreift. Diese sollte von einer angemessen dosierten und gut verträglichen antidepressiven Psychopharmakotherapie flankiert werden. Zwar stellen die rigiden, in der Persönlichkeit verankerten starren Reaktionsstereotypien des Probanden eine therapeutische Schwierigkeit dar. Andererseits orientiert sich die Prognose im Falle des Probanden … auch bis zu einem gewissen Maße an willentlichen, nicht primär krankheitswertigen Verhaltens- und Bedingungseinflüssen. Unter diesen Voraussetzungen ist grundsätzlich von einer günstigen Prognose auszugehen.
16Die Psychotherapie sollte vorzugsweise auf ambulantem Wege erfolgen, um einer Chronifizierung der Symptomatik bzw. gar einer möglichen Hospitalisierung vorzubeugen. Sie sollte den Wiedereingliederungsprozess des Probanden in den beruflichen Wiedereinstieg nicht aufhalten bzw. weiter verzögern, sondern sich mit der Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit überlappen bzw. diese begleiten. Von einer weiteren Aussetzung aus dem Arbeitsprozess ist kein klinischer Fortschritt zu erwarten, eher eine weitere Verfestigung der Problematik mit einer Zunahme negativ geprägter Erwartungsängste und des Vermeidungsverhaltens.
17Somit ist Herr X1. aus meiner Einschätzung grundsätzlich dienstfähig. …"
18Unter ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Zusatzgutachten kam der zuständige Polizeiarzt, LRMD Dr. Q3. , in seinem polizeiärztlichen Gutachten vom 14. Februar 2014 zu dem Ergebnis, dass der Kläger im Zeitpunkt der Gutachtener-stellung nicht polizeidienstfähig war und auch nicht zu erwarten sei, dass er die volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wieder erlangen werde. Es bestehe auch keine allgemeine Dienstfähigkeit.
19Im Einzelnen führt der Polizeiarzt in seinem Gutachten (ab Seite 10) aus:
20"Wesentliche Elemente der psychosozialen Konfliktsituation des Beamten, die zu der Erkrankung mindestens beigetragen haben, liegen im privaten Umfeld des Betroffenen. Auch eine im Sinne des Beamten optimale Arbeitsumgebung wird nicht dazu führen, dass sich die Konflikte im privaten Umfeld dadurch lösen ließen. Schlüssel für eine denkbare Genesung … ist eine umfangreiche und damit auch langfristige psychotherapeutische Behandlung mit tiefenpsychologischem Schwerpunkt begleitet von einer effizienten Pharmakotherapie. Solange eine solche Behandlung nicht abgeschlossen ist, ist nicht davon auszugehen, dass die Dienstfähigkeit des Beamten wiederhergestellt ist. Nach dem mittlerweise jahrelangen Krankheitsprozess … ist nunmehr allenfalls eine Pharmakotherapie begonnen worden, deren Ende derzeit nicht absehbar ist.
21Nach dem psychiatrischen Gutachten von Herrn Dr. N. -L2. … (wird ausgeführt). Diese Konstellation ist persönlichkeitsimmanent strukturell vorgegeben und somit nicht kurzfristig auflösbar. Es bedarf daher einer weiteren intensiven Psychotherapie, die neben verhaltenstherapeutischen … auch die biographisch verankerten tiefenpsychologischen Aspekte aufgreift. …
22Eine solche Befundkonstellation führt zu einer fehlenden gesundheitlichen Eignung für die komplexen Tätigkeiten des Polizeivollzugsdienstes. … Es ist aus Sicht des Unterzeichners nicht davon auszugehen, dass der Beamte infolge seiner besonderen psychischen Veranlagung oder Verfassung … innerhalb der nächsten zwei Jahre geeignet sein wird, die besonderen gesundheitlichen Erfordernisse des Polizeivollzugsdienstes zu erfüllen. Daher besteht bei dem Beamten Polizeidienstunfähigkeit.
23Hinsichtlich der allgemeinen Dienstfähigkeit besteht angesichts der noch anstehenden umfangreichen psychotherapeutischen Behandlung in Verbindung mit einer Psychopharmakotherapie auch keine allgemeine Dienstfähigkeit. …"
24Der Polizeiarzt stellte weiter fest, dass der Kläger eingeschränkt sei bei Tätigkeiten mit besonderen psychischen Belastungen (z.B. Todesermittlungen, Sexualdelikte, Zeitdruck, Vorgangsdruck) sowie beim Schießen und bei Eingriffstechniken. Ferner sei er zeitlich nicht uneingeschränkt verwendbar, denn er sei weder im (Wechsel-) Schichtdienst oder Bereitschaftsdienst noch im Wochenend- oder Nachtdienst verwendbar. Auch bei der polizeilichen Aufgabenverrichtung gebe es Einschränkungen, etwa bei der Ausübung des Außendienstes, bei einem körperlichen Einsatz gegen Rechtsbrecher, beim Führen von und dem Zugriff auf Schusswaffen. Insgesamt ergebe sich damit eine Polizeidienstunfähigkeit. Mit der Wiederherstellung der gesundheitlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst innerhalb der nächsten zwei Jahre sei nicht zu rechnen.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Blatt 46 ff. der Beiakte I verwiesen. Das Gutachten wurde gegengezeichnet durch den LRMD Dr. I2. .
26In einer ergänzenden Stellungnahme zur Möglichkeit eines Laufbahnwechsels vom 6. Mai 2014 führte der Polizeiarzt aus:
27"… Zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung besteht bei dem Beamten allgemeine Dienstunfähigkeit. Das Restleistungsvermögen zum Zeitpunkt der Begutachtung schließt einen Laufbahnwechsel aus. Die Ausübung einer verwaltungsdienstlich geprägten Innendienstfunktion war dem Beamten bereits vor Gutachtenerstellung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Er wurde ja schon zum damaligen Zeitpunkt in einer geschützten Innendienstfunktion mit reduzierter Vorgangsbelastung eingesetzt und gleichwohl kam es zu erheblichen Ausfallzeiten. Daher ist auch diese Option zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgversprechend."
28Mit Schreiben vom 28. Februar 2014 waren der Personalrat und die Gleichstellungsbeauftragte beteiligt worden. Der Personalrat stimmte der Zurruhesetzung in seiner Sitzung am 2. April 2014 zu.
29Mit Attest vom 15. Mai 2014 erklärte der Hausarzt, Dr. G. , der physische und psychische Zustand des Klägers habe sich stabilisiert. Er könne ab dem 5. Juni 2014 wieder ins Berufsleben eintreten.
30Der Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 3. Juni 2014 zu der beabsichtigten Zurruhesetzung an. Unter anderem wurde darauf hingewiesen, dass es nicht möglich sei, den Kläger bei der Kreispolizeibehörde I1. einzusetzen. Eine Verwendung in anderen Behörden oder anderen Aufgabenbereichen sowie ein Laufbahnwechsel kämen im Hinblick auf die laut polizeiärztlichem Gutachten zunächst durchzuführende umfangreiche psychotherapeutische Behandlung und Psychopharmaka-Therapie ebenfalls nicht in Betracht. Nach dem Gutachten sei auch ein optimiertes Arbeitsumfeld nicht geeignet, die gesundheitlichen Konflikte aufzulösen. Aufgrund des Krankheitsbildes bestehe keine Möglichkeit einer anderen Verwendung.
31Der Kläger äußerte sich in einem Schreiben vom 12. Juni 2014 ausführlich zu der geplanten Zurruhesetzung. Insbesondere monierte er, dass der Polizeiarzt bei Zugrundelegung des fachärztlichen Gutachtens zu völlig anderen Ergebnissen komme als der Facharzt. Insoweit liege ein Bruch in der Argumentation vor. Im Übrigen habe sich die private Lebensumfeld-Situation durch den Auszug der älteren Adoptivtochter inzwischen wesentlich entspannt. Mit Schreiben vom 10. September 2014 ergänzte er, dass er bei dem Diplom-Psychologen Reinhold in Q4. eine tiefenpsychologische Behandlung aufgenommen habe. Er sei voll dienstfähig und auch voll polizeidienstfähig. Einem Gutachten des Therapeuten S. vom 12. Juni 2015 ist zu entnehmen, dass die Behandlung am 4. September 2014 begonnen und bis zum 10. November 2014 acht Termine stattgefunden hatten.
32Mit Verfügung vom 18. September 2014 versetzte der Beklagte den Kläger wegen Polizeidienstunfähigkeit und allgemeiner Dienstunfähigkeit mit Ablauf des Monats in den Ruhestand. Wegen der Einzelheiten des Bescheides wird auf Blatt 15 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
33Am 16. Oktober 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine bereits im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente.
34Der Kläger beantragt,
35den Bescheid des Beklagten vom 18. September 2014 aufzuheben.
36Der Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der beim Kläger gegebenen Diagnose dieser bei günstigem Verlauf einer umfangreichen psychotherapeutischen Behandlung in Verbindung mit einer entsprechenden Medikamentierung seine Dienstfähigkeit wohl wieder erlangen könne, dass aber bis zum Abschluss dieser Behandlung von einer allgemeinen und einer Polizeidienstunfähigkeit auszugehen sei. Der Polizeiarzt habe eine erneute Begutachtung nach Ablauf von zwei Jahren empfohlen.
39Mit Schriftsatz vom 18. März 2015 hat der Kläger zwei ärztliche Stellungnahmen vorgelegt. Der Therapeut S. aus Q4. bescheinigt darin unter dem 18. Oktober 2014, dass er eine chronisch verlaufende oder rezidivierende Depression ausschließe. Er halte den Kläger nach aktuellem Eindruck für uneingeschränkt arbeitsfähig. Ein Dr. med. S1. T1. von der "Neuropsychiatrischen Gutachten-praxis" in B. hatte unter dem 6. August 2014 zum polizeiärztlichen Gutachten vom 14. Februar 2014 Stellung genommen.
40Mit weiterem Schriftsatz vom 3. Juli 2015 hat der Kläger ein "Tiefenpsychologisches Gutachten" seines Therapeuten S. überreicht, in dem dieser unter dem 12. Juni 2015 nach acht Therapiestunden zwischen September und November 2014 erklärt, die depressive Dekompensation des Klägers sei, wie von ihm, dem Therapeuten, von Anfang vermutet, "nur eine längere Reaktion auf eine besondere soziale Konfliktsituation" gewesen. Er halte den Kläger deshalb - auch bezüglich aller polizeirechtlichen Sonderrechte - für uneingeschränkt dienstfähig.
41Der Polizeiarzt Dr. Q3. , ist in der mündlichen Verhandlung am 10. September 2015 ergänzend zu seinem Gutachten vom 14. Februar 2014 gehört worden. Wegen des Inhaltes seiner Erläuterungen wird auf die Niederschrift der Verhandlung verwiesen.
42Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der dazu vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
43Entscheidungsgründe:
44Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Zurruhesetzungsbescheid vom 18. September 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Die Verfügung ist materiell- (dazu I.) und formellrechtlich (dazu II.) nicht zu beanstanden.
45I. Die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit ohne seinen Antrag beurteilt sich danach, ob die zuständige Behörde im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen annehmen durfte, dass der Betroffene dauernd dienstunfähig ist. Danach eingetretene wesentliche Veränderungen sind nicht zu berücksichtigen.
46Ständige Rechtsprechung, vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1997 - 2 C 7.97 -, juris, Rdn. 16; siehe auch SächsOVG, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 2 A 756/11 -, juris, Rdn. 10.
47Materiellrechtlich richtet sich die Zurruhesetzung nach § 26 Abs. 1 und 2 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG - i.V.m. § 116 Abs. 1 und 3 Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen - LBG -. Danach sind Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind und eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist.
48Für den Polizeivollzugsdienst hat das beklagte Land aufgrund der Ermächtigung des § 26 Abs. 1 Satz 4 BeamtStG Sonderregelungen für die Dienstunfähigkeit getroffen. Nach § 116 Abs. 1 LBG ist ein Polizeivollzugsbeamter dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 BeamtStG, wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt (Polizeidienstunfähigkeit), es sei denn, die ausgeübte oder konkret auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt.
49Durch den zuletzt zitierten Halbsatz werden nicht die Anforderungen an die Polizeidienstfähigkeit eingeschränkt, sondern die Norm ermächtigt den Dienstherrn, den polizeidienstunfähig gewordenen Beamten unter den dort genannten Voraussetzungen weiter im Polizeivollzugsdienst zu verwenden.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2005 - 2 C 4.04 -, juris, zum gleichlautenden § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG NRW a.F.
51Anders als bei der sog. allgemeinen Dienstfähigkeit im Sinne von § 26 BeamtStG ist damit Maßstab für die Beurteilung der Polizeidienstfähigkeit nicht das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinne, also die Gesamtheit der bei seiner Beschäftigungsbehörde eingerichteten Dienstposten, auf denen er amtsangemessen eingesetzt werden kann, sondern für den Maßstab sind sämtliche Ämter der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes in den Blick zu nehmen. Der Polizeivollzugsbeamte muss grundsätzlich zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Stellung einsetzbar sein, die seinem statusrechtlichen Amt entspricht. Die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand scheidet aber trotz Polizeidienstunfähigkeit aus, wenn der Polizeivollzugsbeamte in einer Funktion des Polizeidienstes verwendet werden kann, deren Aufgaben er erfüllen kann, ohne polizeidienstfähig zu sein.
52BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014 - 2 B 97.13 -, juris, Rdn. 10 m.w.N.
53Voraussetzung für die vorzeitige Versetzung eines Polizeibeamten in den Ruhestand ist damit, dass (1.) der Betroffene im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses der Zurruhesetzungsverfügung polizeidienstunfähig im Sinne von § 116 Abs. 1 Halbsatz 1 LBG ist, dass (2.) die Voraussetzungen von § 116 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG für eine Weiterverwendung im Polizeivollzugsdienst trotz Polizeidienstunfähigkeit zu dem Zeitpunkt nicht vorliegen und dass (3.) eine Versetzung in ein Amt einer anderen Laufbahn - etwa in den mittleren allgemeinen Verwaltungsdienst - im Sinne von § 116 Abs. 3 LBG ebenfalls nicht in Betracht kommt. Alle drei Kriterien sind hier gegeben.
541. Das beklagte Land hat zu Recht zugrunde gelegt, dass der Kläger im September 2014 polizeidienstunfähig war. Er genügte zu dem Zeitpunkt nicht mehr den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst (a), und es war nicht zu erwarten, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangen würde (b).
55a) Wie oben bereits ausgeführt, setzt die Polizeidienstfähigkeit voraus, dass der Polizeivollzugsbeamte zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung einsetzbar ist.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2005 - 2 C 4.04 -, juris, Rdn. 9 m.w.N.
57Dabei ist zugrunde zu legen, dass der Polizeivollzugsdienst Tätigkeiten mit sich bringt, die in besonderem Maße körperliche aber auch psychische Leistungsfähigkeit erfordern.
58Vgl. zur physischen Leistungsfähigkeit BVerwG, Beschluss vom 3. Juni 2004 ‑ 2 B 52.03 -, juris, Rdn. 5.
59Bei der (Polizei)Dienstunfähigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwaltungsgerichte unterliegt. Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit eines Beamten kommt dem Dienstherrn kein der Kontrollbefugnis der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum zu.
60Vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 37.13 -, juris, Rdn. 10.
61Die Versetzung eines (Polizei)Beamten in den vorzeitigen Ruhestand wegen Polizeidienstunfähigkeit setzt die Feststellung seiner krankheitsbedingten Leistungseinschränkung in physischer und/oder psychischer Hinsicht voraus. Dieser Beurteilungsvorgang erfordert in aller Regel besondere medizinische Sachkenntnis, über die nur ein Arzt verfügt. Dementsprechend setzt die Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit die Einholung eines amtlichen Gutachtens der unteren Gesundheitsbehörde oder ein Gutachten eines beamteten Polizeiarztes voraus, vgl. § 116 Abs. 2 LBG.
62Dieses Gutachten muss seinerseits gewissen Anforderungen genügen, die sich nach seinem Zweck richten. Auf der Grundlage des Gutachtens trifft die Behörde - und gegebenenfalls später das Gericht - die Schlussfolgerung, ob der Beamte angesichts des festgestellten Gesundheitszustandes weiterhin dienstfähig ist.
63Eine gutachtliche Stellungnahme im Zurruhesetzungsverfahren soll dem Dienstherrn die Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist und ob er im Falle der Dienstunfähigkeit anderweitig verwendet werden kann. Bei der Beurteilung der - hier spezifisch polizeivollzugsdienstrechtlichen - Frage der Dienstfähigkeit des Beamten sind entscheidend die Auswirkungen seines körperlichen Zustandes oder der gesundheitlichen Gegebenheiten auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Es kommt dabei in der Regel darauf an, ob der Beamte auf Grund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten bei der Beschäftigungsbehörde dauernd unfähig ist; in manchen Fällen werden allerdings schon Art und Ausmaß der einzelnen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die objektiven ärztlichen Befunde und deren medizinische Qualifikation als solche auf die Annahme der Dienstunfähigkeit führen können.
64Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. September 2014 - 1 B 807/14 -, juris, Rdn. 24, mit Verweis auf Senatsurteil vom 9. Mai 2011 - 1 A 440/10 -, juris, Rdn. 87.
65Ein im Zurruhesetzungsverfahren verwendetes ärztliches Gutachten muss bestimmten Anforderungen genügen: Es darf sich nicht auf die Mitteilung des Untersuchungsergebnisses beschränken, sondern muss auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe mitteilen, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist. Das Gutachten muss danach sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d. h. die in Bezug auf die Beamtin bzw. auf den Beamten erhobenen Befunde, enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit der Beamtin bzw. des Beamten, ihr bzw. sein abstrakt-funktionelles Amt weiter auszuüben.
66Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 37.13 -, juris, Rdn. 12, m.w.N., und OVG NRW, Beschluss vom 4. September 2014 - 1 B 807/14 -, juris, Rdn. 22.
67Das Gutachten muss es aber auch dem Beamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Arztes und mit der darauf beruhenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen. Deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken, sondern muss die für die Meinungsbildung des Amts- oder Polizeiarztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen. Wie detailliert eine amtsärztliche Stellungnahme danach jeweils sein muss, enthält sich einer verallgemeinerungsfähigen Aussage. Entscheidend kommt es deshalb auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an
68Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. März 2014 - 2 B 49.12 -, juris, Rdn. 9, m.w.N.
69Das hier zugrunde gelegte polizeiärztliche Gutachten vom 14. Februar 2014 genügt ‑ jedenfalls mit den ergänzenden Erläuterungen des Gutachters in der mündlichen Verhandlung - den soeben dargelegten Anforderungen.
70Die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt finden sich insbesondere auf Seite 6 f. Der Gutachter stellt dort, nachdem er zuvor durch Inbezugnahme des behördlichen Anschreibens die weiter zurück liegende Krankengeschichte aufgegriffen hat, dar, dass der Kläger im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung erneut seit ca. sechs Monaten dienstunfähig erkrankt war, und dass es in den Jahren seit 2010 bereits erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten, zwischen 24 und 98 Arbeitstagen, gegeben hatte. Er führt unter anderem auch aus, dass der Kläger subjektiv die Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit davon abhängig macht, dass insbesondere im dienstlichen Bereich Kränkungen von Kollegen ausbleiben. Insoweit besteht aber nach der Einschätzung des Arztes "eine erhebliche Einbuße seiner psychophysischen Belastbarkeit und ein intensives emotionales Stressmoment".
71Medizinisch schlussfolgert der Polizeiarzt, dass bei dem Kläger eine Störung der seelischen Gesundheit vorliege. In seiner Persönlichkeit imponierten dependente, zwanghaft anankastische und narzisstische Wesenszüge, die in ihrem kombinierten Zusammenwirken die Psychogenese der Symptomatik verstehbar machten. Jedoch bestehe keine Persönlichkeitsänderung von einem so hohen Ausmaß, dass von einer Persönlichkeitsstörung ausgegangen werden müsse. Es bestehe eine mittelgradige depressive Symptomatik, die grundsätzlich einer Therapie zugänglich sei. Allerdings liege keine klassische endogene, phasisch verlaufende depressive Episode vor, die in erster Linie pharmakologisch behandelt werden müsse. Vielmehr sei davon auszugehen, dass eine sogenannte atypische Depression gegeben sei. Bei der stehe die antidepressive Medikation nur flankierend als unterstützende Ergänzung der Behandlung zur Verfügung. Erforderlich sei einer weitere intensive Psychotherapie, die neben verhaltenstherapeutischen auch biographisch verankerte tiefenpsychologische Aspekte aufgreife. Da die Konstellation beim Kläger persönlichkeitsimmanent strukturell vorgegeben sei, sei sie nicht kurzfristig auflösbar. Die rigiden, in der Persönlichkeit des Klägers verankerten Reaktionsstereotypien stellten eine therapeutische Schwierigkeit dar. Andererseits orientiere sich die Prognose auch an willentlichen, nicht primär krankheitsbedingten Verhaltens- und Bedingungseinflüssen. Bei entsprechender zumutbarer Willensanstrengung des Klägers sei deshalb grundsätzlich von einer günstigeren Prognose auszugehen.
72Im Anschluss stellt der Polizeiarzt dar, dass eine solche Befundkonstellation zu einer fehlenden gesundheitlichen Eignung für die komplexen Tätigkeiten des Polizeivollzugsdienstes führt. Das ist zum einen unmittelbar nachvollziehbar. Zum anderen hat der Arzt in der mündlichen Verhandlung weiter erläutert, dass die erforderliche Psychotherapie, die von einer Behandlung mit Psychopharmaka begleitet wird, um zum Erfolg führen zu können eines verlässlichen Tag-/Nacht-Rhythmus bedarf und der Patient ausreichend Schlaf bekommen muss. Damit scheiden aus gesundheitlichen Gründen alle Schichtdienste aus, die zentraler Bestandteil des Polizeivollzugsdienstes sind.
73b) Zu der Frage, ob, wie von § 116 Abs. 1 Halbsatz 1 Teil 2 LBG NRW für das Vorliegen einer Polizeidienstunfähigkeit gefordert, auch "nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt", finden sich bereits im schriftlichen Gutachten einige Anhaltspunkte. Im Ergebnis geht der Polizeiarzt nicht davon aus (S. 11), dass der Kläger "infolge seiner besonderen psychischen Veranlagung oder Verfassung und hier ist ausdrücklich nicht nur ein krankheitswertiger Befund gemeint, innerhalb der nächsten zwei Jahre geeignet sein wird, die besonderen gesundheitlichen Erfordernisse des Polizeivollzugsdienstes zu erfüllen". In Bezug auf die von ihm zuvor für erforderlich und durchaus erfolgversprechend gehaltene weitere intensive Psychotherapie mit verhaltenstherapeutischen insbesondere aber auch mit tiefenpsychologischen Aspekten und begleitender antidepressiver pharmakologischer Behandlung spricht er an verschiedenen Stellen davon, dass diese "langfristig" sein müsse (S. 10), dass die (psychische) Konstellation des Klägers "nicht kurzfristig auflösbar" sei (S. 9) und dass "mittelfristig" eine Änderung der Selbstwahrnehmung und eine positive Beeinflussung auf der Symptomebene möglich sei (S. 8).
74In der mündlichen Verhandlung hat der Polizeiarzt auf Nachfrage des Gerichts dazu ergänzend erläutert, eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, wie sie beim Kläger angezeigt gewesen sei, sei in der Regel auf einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren ausgelegt, manchmal dauere sie auch länger. Mit Blick auf die vom Fachgutachter dargestellte Situation des Klägers und aufgrund der eigenen langjährigen Erfahrung sei er davon ausgegangen, dass eine entsprechende Therapie beim Kläger bis zu einem erfolgreichen Abschluss mindestens zwei Jahre erfolgen müsse. Dagegen spreche auch nicht, dass der Kläger subjektiv der Überzeugung sei, dass er nach acht besonders effektiven Therapiestunden in einem Zeitraum von etwa drei Monaten ab September 2014 seine psychische Gesundheit in vollem Maße wieder erlangt habe. Eine solch schnelle und gegebenenfalls nachhaltige Gesundung halte er nach seiner Erfahrung für ausgeschlossen.
75Beides ist für das Gericht ohne Weiteres nachvollziehbar. Nach den Ausführungen des zugezogenen Fachgutachters ist nicht davon auszugehen, dass es sich beim Kläger um eine relativ einfach und zügig änderbare Persönlichkeitskonstellation handelt, zumal die Problematik im Zeitpunkt der Begutachtung bereits seit mehreren Jahren andauerte und die zugrunde liegenden Belastungen sowohl aus dem familiären als auch aus dem beruflichen Bereich herrühren. Eine stationäre Behandlung im Jahr 2012 war weitgehend ohne Erfolg geblieben. Bereits zur damaligen Therapie heißt es, dass der Kläger sich "nur sehr zäh und mühsam aus der subjektiven Fehlbetrachtung habe lösen können". Er habe sich "in auffallender Weise abhängig von Lob und Anerkennung" gezeigt. Der weitere Verlauf habe nahe gelegt, "dass sich die Symptomatik weiter chronifiziert und sich eine Fehlhaltung zementiert". Der Fachgutachter führt weiter aus, dass die von ihm beschriebene Konstellation "persönlichkeitsimmanent strukturell vorgegeben [sei] und somit nicht kurzfristig auflösbar". Zudem stellten "die rigiden, in der Persönlichkeit verankerten starren Reaktionsstereotypien … eine therapeutische Schwierigkeit dar", die aber unter bestimmten Voraussetzungen einer günstigen Prognose nicht entgegen stünden. Dass der Polizeiarzt vor diesem Hintergrund von der Erforderlichkeit einer langfristigen, mindestens zwei Jahre dauernden Therapie ausging, ist für das Gericht überzeugend. Auch die Zweifel, die er an dem Erfolg und der Nachhaltigkeit der vom Kläger in der Praxis für Psychotherapie des Herrn S2. zwischen September und November 2014 absolvierten Therapie geäußert hat, sind für das Gericht nach dem Eindruck, den es vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, nachvollziehbar.
76Damit ist das beklagte Land im Zeitpunkt des Erlasses der Zurruhesetzungsverfügung auf der Grundlage des polizeiärztlichen Gutachtens aus Februar 2014 zu Recht von einer Polizeidienstunfähigkeit des Klägers im Sinne von § 116 Abs. 1 Halbsatz 1 LBG NRW ausgegangen.
77Das Gericht weist insoweit ergänzend darauf hin, dass das Gutachten nicht deshalb als medizinische Grundlage für die Feststellung der Dienstunfähigkeit ausscheidet, weil die Untersuchungen im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand schon etwa sieben Monate zurücklagen. Grundsätzlich ist die Zurruhesetzung eines Beamten zwar auf eine aktuelle medizinische Tatsachengrundlage zu stellen. Das Ergebnis einer länger zurückliegenden Untersuchung genügt als Grundlage aber dann, wenn ‑ im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Zurruhesetzungsbescheides ‑ eine zwischenzeitliche positive Veränderung des Gesundheitszustands des Beamten nicht zu erwarten war und belastbare Anhaltspunkte für eine solche Veränderung weder von dem Beamten selbst vorgebracht wurden noch sonst ersichtlich sind.
78Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 2015 - 13 K 8291/13 -, juris, Rdn. 37, mit Verweis auf Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 29. November 2007 - 8 K 3505/05 -, juris, Rn. 64.
79Hier hat zwar der Kläger Ende Mai 2014 unter Vorlage eines ärztlichen Attestes des Arztes für Innere Medizin Dr. G. vom 15. Mai 2014 erklärt, er sei bereit und gesundheitlich in der Lage, ab dem 5. Juni 2014 seinen Dienst wieder aufzunehmen. Mitte August 2014 bestätigte seine Ehefrau in einem Schreiben an die Polizeibehörde I1. , dass der Kläger "die ärztlichen Ratschläge zu 100% befolgt und auch die 'mentalen Baustellen' im familiären und dienstlichen Umfeld … in Gänze aufgelöst" habe. Beiden Äußerungen sind aber keine belastbaren Anhaltspunkte für eine zu dem Zeitpunkt schon eingetretene Genesung des Klägers zu entnehmen. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass der Kläger bereits im Mai, zumindest aber im August 2014 die vom Polizeiarzt in Übereinstimmung mit dem Fachgutachter für dringend erforderlich gehaltene längerfristige Psychotherapie mit verhaltenstherapeutischen und tiefenpsychologischen Aspekten sowie die begleitende Pharmakotherapie begonnen und abschlossen hatte. Von daher gaben die beiden Schreiben keinen Anlass, vor Erlass der Zurruhesetzungsverfügung im September 2014 eine erneute polizeiärztliche Untersuchung in Auftrag zu geben.
80Gleiches gilt für die Mitteilung des Klägers vom 10. September 2014, dass er bei dem Diplom-Psychologen S2. in Q4. eine tiefenpsychologische Behandlung aufgenommen und im familiären Umfeld alle Belastungen ausgeräumt habe. Auch insoweit ging der Dienstherr im Zeitpunkt der Zurruhesetzung auf der Grundlage des polizeiärztlichen Gutachtens zu Recht davon aus, dass allein der Beginn einer voraussichtlich längerfristigen Psychotherapie noch keine kurzfristige Genesung versprach. Zudem waren die im Gutachten geschilderten psychischen Probleme des Klägers nicht ausschließlich auf Belastungen im unmittelbaren familiären Umfeld zurückzuführen, sondern auch auf in der Biografie verankerte Probleme und eine besondere Kränkungs-Sensibilität im dienstlichen Bereich.
812. Die Voraussetzungen von § 116 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG NRW für eine Weiterverwendung im Polizeivollzugsdienst trotz Polizeidienstunfähigkeit lagen nicht vor. Das beklagte Land war von der Suche nach einer Funktion für die Weiterwendung im Sinne der genannten Norm entbunden, weil im maßgeblichen Zeitpunkt feststand, dass der Kläger in dem von § 116 LBG NRW vorgegebenen Zeitraum, das heißt in den nächsten zwei Jahren, keinerlei Dienst leisten kann oder erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten zu erwarten sind.
82Vgl. zum gleichlautenden § 110 Nieders. Beamtengesetz BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014 - 2 B 977.13 -, juris, Rdn. 13.
83Aus dem Gutachten des Polizeiarztes mit der Ergänzung vom 6. Mai 2014 ergibt sich insoweit, dass bis zu einem - erfolgreichen - Abschluss der indizierten umfangreichen psychotherapeutischen Behandlung in Verbindung mit einer Psychopharmakotherapie nicht nur keine Polizeidienstfähigkeit sondern auch keine allgemeine Dienstfähigkeit besteht. Vor dem Hintergrund der vorhandenen Störungen und der deshalb erforderlichen Behandlung sieht der Arzt Einschränkungen bei Tätigkeiten mit besonderen psychischen Belastungen, z.B. auch bei Zeit- und Vorgangsdruck. Der Kläger sei bis zu seiner Genesung weder im Wechselschichtdienst noch im Schichtdienst verwendbar und auch nicht im Bereitschafts-, Wochenend- oder Nachtdienst. Damit scheidet eine - vorläufige - Weiterverwendung im Polizeivollzugsdienst aus.
843. Gleichzeitig entfällt damit auch die Möglichkeit der Versetzung in ein Amt einer anderen Laufbahn im Sinne von § 116 Abs. 3 LBG NRW. Der zuständige Polizeiarzt hat in seiner ergänzenden Stellungnahme ausdrücklich festgehalten, dass das Restleistungsvermögen des Klägers im Zeitpunkt der Begutachtung einen Laufbahnwechsel ausschließe.
85II. Auch formellrechtlich ist die Zurruhesetzungsverfügung nicht zu beanstanden. Insbesondere sind der Personalrat und die Gleichstellungsbeauftragte ordnungsgemäß beteiligt worden. Dass sie nach Eingang der ergänzenden Stellungnahme von Dr. Q3. nicht erneut um Zustimmung gebeten bzw. angehört wurden, ist unschädlich. Die Stellungnahme ergänzt und bestätigt ausschließlich Aussagen, die der Polizeiarzt bereits in dem den Gremien vorliegenden Gutachten von Februar 2014 getroffen hat. Neue Aspekte enthält sie nicht. Damit war eine wiederholte Beteiligung von Personalrat und Gleichstellungsbeauftragter nicht erforderlich.
86Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über deren vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
moreResultsText
Annotations
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist. Für Gruppen von Beamtinnen und Beamten können besondere Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit durch Landesrecht geregelt werden.
(2) Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. In den Fällen des Satzes 1 ist die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Beamtinnen und Beamte, die nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzen, haben an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.
(3) Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.