Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 16. März 2016 - 23 L 2963/15
Gericht
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. |
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2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 21.740,84 Euro festgesetzt. |
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Gründe
2Der Antrag der Antragstellerin,
3dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die im Justizministerialblatt NRW vom 01.08.2015 ausgeschriebene Stelle einer Vizepräsidentin/eines Vizepräsidenten des Finanzgerichts bei dem Finanzgericht L1. mit dem Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über ihre Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist,
4hat keinen Erfolg.
5Eine einstweilige Anordnung kann gemäߠ§ 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO ergehen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch), dieser Anspruch gefährdet ist und durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss (Anordnungsgrund).
6Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt; die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. In beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten der vorliegenden Art ist ein Anordnungsanspruch nur glaubhaft gemacht, wenn eine Verletzung des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitenden Bewerbungsverfahrensanspruchs des jeweiligen Antragstellers glaubhaft gemacht ist und darüber hinaus seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d.h. wenn seine Auswahl möglich erscheint.
7Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2016 – 1 B 1216/15 – unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 – 2 BvR 857/02 –, juris Rz. 13.
8Gemessen hieran hat das Begehren der Antragstellerin keinen Erfolg. Es fehlt bereits an der Glaubhaftmachung der Verletzung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs.
9GemäߠArt. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Bestenauslesegrundsatzes zu besetzen. Die Geltung dieses Grundsatzes wird nach Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet,
10vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2015 – 2 BvR 161/15 –, juris, Rz. 28,
11und durch § 2 Abs. 2 LRiStaG NRW i.V.m. §§ 20 Abs. 6 Satz 1 LBG, § 9 BeamtStG einfachgesetzlich konkretisiert. Danach ist der Dienstvorgesetzte gehalten, ein Beförderungsamt demjenigen von mehreren Bewerbern zu übertragen, der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung für die Wahrnehmung der betreffenden Dienstaufgaben gemäß den vom Dienstherrn aufgestellten Anforderungen am besten qualifiziert erscheint.
12Vgl. VG L1. , Beschluss vom 7. März 2012 – 19 L 1731/11 –, juris, Rz. 6.
13Zur Ermittlung des am besten qualifizierten Bewerbers ist ein Qualifikationsvergleich anhand aktueller, inhaltlich aussagekräftiger und auf das Statusamt zu beziehender dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen. Diese bilden eine wesentliche und grundsätzlich unverzichtbare Grundlage für ein rechtmäßiges Auswahlverfahren. Maßgebend ist dabei in erster Linie das abschließende Gesamturteil.
14Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Februar 2016 – 1 B 1216/15 –, juris, Rz. 7, und vom 11. Februar 2016 – 1 B 1206/15 –, juris, Rz. 10; BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 – 2 C 16/02 –, juris, Rz. 13.
15Diesen Vorgaben hat der Antragsgegner entsprochen, indem er sowohl im Hinblick auf die Einschätzung der Qualifikationen der Antragstellerin als auch derjenigen des Beigeladenen auf jeweils aktuell erstellte Anlassbeurteilungen zurückgegriffen, beide miteinander verglichen und diesen Vergleich seiner Auswahlentscheidung zugrundegelegt hat. Dabei ist er zutreffend davon ausgegangen, dass beide Bewerber bezüglich der Leistungsbewertung mit der jeweiligen Spitzennote „hervorragend“ eine gleiche Notenstufe erhalten haben, die Beurteilungsergebnisse in dem auf das angestrebte Beförderungsamt bezogenen Eignungsurteil jedoch einen deutlichen Qualifikationsvorsprung zugunsten des Beigeladenen ausweisen. Letzterer erhielt auch insoweit das Spitzenprädikat "hervorragend". Der Antragstellerin wurde demgegenüber (nur) der nächstniedrigere Eignungsgrad "besonders gut geeignet (oberer Bereich)" zuerkannt.
16Diese Anlassbeurteilungen durfte der Antragsgegner seiner Auswahlentscheidung zugrundelegen; Gründe dafür, dass sie beurteilungsfehlerhaft erstellt sein könnten, sind nicht ersichtlich. Das gilt im Besonderen mit Blick auf das von der Antragstellerin angegriffene Eignungsurteil ihrer Person für das von ihr angestrebte Amt einer Vizepräsidentin. Die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers für das von ihm angestrebte öffentliche Amt durch den Dienstherrn hat sich auf die künftige Amtstätigkeit des Betroffenen zu beziehen und zugleich eine Prognose zu enthalten, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers umfasst.
17Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2015 – 2 BvR 161/15 –, juris, Rz. 29.
18In Abschnitt V Nummer 3 Satz 2 der Richtlinien für die dienstlichen Beurteilungen der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (AV des JM vom 2. Mai 2005 [2000 – Z. 155]) wird diese Vorgabe konkretisiert: Danach ist Maßstab der Eignungsprognose das Anforderungsprofil für das angestrebte Amt.
19Bei dem prognostischen Urteil steht dem Dienstherrn ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich im Wesentlichen darauf, ob der Dienstherr von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den beamten- und verfassungsrechtlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.
20Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2015 – 2 BvR 161/15 –, juris, Rz. 29.
21Derartige Fehler sind nicht ersichtlich.
22Beide Anlassbeurteilungen beruhen auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Nach eigener Aussage des Beurteilers hat er drei verschiedene Erkenntnisquellen zur Beurteilungsgrundlage gemacht: Den ständigen dienstlichen Kontakt mit der Antragstellerin und dem Beigeladenen seit Dienstantritt des Beurteilers am 6. Dezember 2012, die Auswertung von der Antragstellerin und dem Beigeladenen bearbeiteten Verfahrensakten und schließlich die Auswertung der die Antragstellerin und den Beigeladenen betreffenden Berichterstatter- und Senatsstatistiken. Diese drei Erkenntnisquellen erlauben in ihrer Gesamtheit ohne weiteres die Erstellung eines angemessenen Qualifikationsbildes.
23Vgl. näher zur Geeignetheit der Hinzuziehung von Verfahrensakten OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2012 – 1 B 368/12 –, juris, Rz. 17 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 2. April 1981 – 2 C 34.79 –, juris, Rz. 19, und zur Geeignetheit der Hinzuziehung von Statistiken über Erledigungszahlen eines Richters oder Spruchkörpers OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2012 – 1 B 368/12 –, juris, Rz. 19.
24Die vergebenen Noten sind allesamt plausibel. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist auch das ihr zuerkannte Prädikat, das unterhalb der Spitzennote liegt, plausibel. Der Antragsgegner hat schlüssig aufgezeigt, dass und warum die Erfahrungen, die der Beigeladene im Verwaltungsbereich gesammelt hat, einen Eignungsvorsprung im Hinblick auf das Amt des Vizepräsidenten begründen.
25Soweit die Antragstellerin meint, der Beurteiler habe in der Eignungsbeurteilung von ihr erworbene Zusatzqualifikationen und andere eignungsrelevante Gesichtspunkte vernachlässigt und so den beurteilungsrelevanten Sachverhalt nicht vollständig herangezogen, greift dieser Einwand nicht durch. In der Eignungsprognose der Anlassbeurteilung sind alle wesentlichen eignungsrelevanten Aspekte berücksichtigt. Im Rahmen der Darstellung der langjährigen Tätigkeit der Antragstellerin als Senatsvorsitzende stellt der Beurteiler heraus, dass sie sich insbesondere beim Abbau von Altverfahren hervorgetan habe. Gleichfalls würdigt er ihre Verdienste im Hinblick auf die Betreuung von Referendarinnen und Referendaren, die Anleitung neu eingestellter Richterkolleginnen und -kollegen sowie die konstruktive Unterstützung und Motivation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Außerdem betont er ihre Rolle als Ansprechpartnerin für Kolleginnen und Kollegen aus dem richterlichen wie nichtrichterlichen Bereich. Er erwähnt nicht nur, dass die Antragstellerin eine Zusatzausbildung zur Mediatorin (Master of Mediation) erworben habe, vielmehr hebt er hervor, dass die Antragstellerin die mit der Zusatzausbildung zur Mediatorin erworbenen Kenntnisse erfolgreich in der beruflichen Praxis anwende und seit einiger Zeit zudem als Dozentin und Tagungsleiterin in der Ausbildung von Güterichtern eingesetzt werde. Auch der Besuch von Personalführungslehrgängen und insbesondere die erlangte Zusatzqualifikation durch den Studiengang „MEGA“ (Master of European Governance and Administration) würdigt der Beurteiler im Hinblick auf die darüber erlangten verwaltungswissenschaftlichen, aber auch praktischen Kenntnisse ausführlich, nämlich über nahezu zwei DIN-A4-Seiten. Von einer von der Antragstellerin behaupteten fragmentarischen Darstellung kann insofern schon keine Rede sein. Aber auch ihr weiterer Einwand, die Darstellung des Studiengangs sei in der Beurteilung unzutreffend erfolgt, vermag nicht durchzugreifen. Die Antragstellerin bleibt eine Erläuterung schuldig, aus welchen Gründen die Darstellung unzutreffend sein könnte. Ein Widerspruch zwischen der Darstellung der Studieninhalte durch den Beurteiler und der Darstellung in der von der Antragstellerin im Rahmen ihrer Gegenäußerung beigebrachten „Stellungnahme zum Gegenstand des Masterstudiums MEGA“ vom 23. September 2015 ist jedenfalls nicht erkennbar. Lediglich in der Einschätzung der Aussagekraft des Studiums im Rahmen der Eignungsprognose weichen Beurteilung und Stellungnahme voneinander ab. Hier bewegt sich der Beurteiler allerdings genau im Rahmen derjenigen Bewertung, die dem Beurteilungsspielraum unterliegt und nur in beschränktem Maße gerichtlich überprüfbar ist. Zur Kenntnis genommen hatte der Beurteiler die Stellungnahme, ebenso wie der Antragsgegner. Das ergibt sich jedenfalls aus dem Telefonvermerk im Besetzungsvotum vom 16. Oktober 2015; ausweislich dieses Vermerks hatte sich der Antragsgegner noch einmal bestätigen lassen, dass die Gegenäußerung (einschließlich der Stellungnahme zu den Studieninhalten) aus Sicht des Beurteilers keine Änderung der Anlassbeurteilung nach sich ziehe.
26Daneben ist die von der Antragstellerin gerügte fehlende Erwähnung ihrer Bestellung als Güterichterin unschädlich. Die Antragstellerin hat nicht aufgezeigt, warum ihrer Bestellung zur Güterichterin ein besonderes Gewicht zukommen sollte. Ein solches besonderes Gewicht hält die Kammer sogar für fernliegend. Denn die Bestellung an sich vermag keine Aussage über eine Qualität der Funktionsausübung zu treffen. Erst nach Abschluss erster Güterichterverfahren – bislang hat die Antragstellerin kein solches Verfahren durchgeführt – wird eine solche Aussage möglich sein. Offensichtlich sah ursprünglich auch die Antragstellerin selbst in der bloßen Übernahme der Funktion einer Güterichterin keinen Wert für ihre Beurteilung. Dies ergibt sich daraus, dass sie die Problematik in ihrer Gegenäußerung zur Beurteilung mit keinem Wort erwähnte. Ähnlich verhält es sich mit den von der Antragstellerin erneut erst im gerichtlichen Verfahren ins Licht geführten Sprachkenntnissen, die ihrer Ansicht nach zu Unrecht keinen Eingang in ihre Beurteilung gefunden hätten; auch deren Bedeutung ließ sie in ihrer Gegenäußerung unerwähnt. Dass die Antragstellerin in der gerichtlichen Praxis jemals ihre Fremdsprachenkenntnisse eingesetzt hat, lässt sich dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Antragstellerin nicht entnehmen.
27Vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2016 - 1 B 1216/15 -, juris, Rz. 20.
28Ob Fremdsprachenkenntnisse der Repräsentationsfähigkeit des Finanzgerichts über das Amt der Vizepräsidentin dienlich sind oder nicht, liegt zudem innerhalb des oben aufgezeigten Beurteilungsspielraums. Es liegt jedenfalls nicht fern, solche Zusatzqualifikationen, die im Gerichtsalltag keine merkliche Bedeutung entfalten, bei einer Beurteilung gänzlich außen vor zu lassen.
29Neben den in erster Linie der spruchrichterlichen Tätigkeit zuzuordnenden Qualifikationen listet der Beurteiler sämtliche praktischen Verwaltungstätigkeiten der Antragstellerin auf, zu denen verschiedene Projektgruppenleitungen, eine Organisationsuntersuchung und die Tätigkeit als Datenschutzbeauftragte zählen. Des Weiteren finden die wissenschaftlichen Tätigkeiten der Antragstellerin (Mitautorin eines Großkommentars zum Umsatzsteuerrecht, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Umsatzsteuerforums e.V.) sowie ihr gesellschaftspolitisches Engagement (Mitglied des Rates der Stadt Hürth) Berücksichtigung in der Beurteilung.
30Der Einwand der Antragstellerin, der Beurteiler habe die von ihm aufgezählten und gewürdigten Gesichtspunkte im Ergebnis nicht hinreichend zu ihren Gunsten gewichtet, vor allen Dingen nicht im Verhältnis zur Gewichtung der Dezernententätigkeit des Beigeladenen, bietet keinen Anhalt, an der Rechtmäßigkeit der Eignungsprognose zu zweifeln. Denn auch hier bewegt sich der Beurteiler im Rahmen des Beurteilungsspielraums. Die Kammer hält es jedenfalls nicht für unvertretbar, die Verwaltungserfahrung als unmittelbares Eignungskriterium für das hier in Rede stehende Amt anzusehen und insoweit der Dezernententätigkeit im Finanzgericht, insbesondere im Bereich von Personalangelegenheiten, ein besonderes Gewicht beizumessen. Dies höher zu werten als die von der Antragstellerin aufgeführten Tätigkeiten, die hinsichtlich der praktischen Verwaltungstätigkeit überwiegend weit zurückliegen und lediglich eine zeitlich stark beschränkte Befassung mit Verwaltungsaufgaben ermöglicht haben, erscheint hinreichend plausibel.
31Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2012 – 1 B 368/12 –, juris, Rz. 34.
32Die Kammer hält die Gewichtung insbesondere vor dem Hintergrund des Aufgabenprofils der Vizepräsidentin/des Vizepräsidenten eines Finanzgerichts für nachvollziehbar. Die Bearbeitung von Verwaltungsangelegenheiten gehört zu den zentralen Aufgaben der Vizepräsidentin/des Vizepräsidenten eines Finanzgerichts. Dies ergibt sich zum einen bereits aus dem Gesetz: Gemäß § 31 FGO übt der Präsident des Gerichts die Dienstaufsicht über die Gerichtsangehörigen aus; gemäß § 21 h GVG wird er dabei in erster Linie vom Vizepräsidenten vertreten. Zum anderen konkretisiert der Geschäftsverteilungsplan, an dessen Wirksamkeit keine Zweifel bestehen, die Vertretungsaufgaben im Einzelnen: So ist die Vizepräsidentin/der Vizepräsident beispielsweise Vertreterin/Vertreter des Präsidenten im Dezernat 1 mit dem Zuständigkeitsbereich „Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, besonderer Wichtigkeit oder großer finanzieller Tragweite“ sowie „Dienstverhältnisse und Personalangelegenheiten der Berufsrichter und der Beamten des höheren Dienstes“.
33Vor diesem Hintergrund durfte der Beurteiler davon ausgehen, dass Bewerber um das Amt der Vizepräsidentin/des Vizepräsidenten, die bereits über einschlägige Vorerfahrungen in amtsspezifischen Verwaltungsaufgaben – insbesondere in Personalangelegenheiten – verfügen, die Aufgaben einer Vizepräsidentin/eines Vizepräsidenten ohne oder nach einer nur unwesentlichen Einarbeitungszeit wahrnehmen können und dass Bewerber, die – wie die Antragstellerin – Erfahrungen in der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben nur in zeitlich und sachlich beschränktem Umfang besitzen, das Amt einer Vizepräsidentin/eines Vizepräsidenten erst nach einer längeren, wenn auch überschaubaren Einarbeitungszeit ausfüllen können.
34Vgl. VG L1. , Beschluss vom 7. März 2012 – 19 L 1731/11 –, juris, Rz. 18.
35Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergibt sich kein Widerspruch daraus, dass der seinerzeitige Beurteiler ihr im Jahr 2010 bescheinigt hatte, die Aufgaben einer Präsidentin des Finanzgerichts „nach kurzer Einarbeitung“ wahrnehmen zu können, nun für das hier in Rede stehende Amt einer Vizepräsidentin jedoch die Erforderlichkeit einer „längeren, wenn auch überschaubaren“ Einarbeitungszeit prognostiziert. Insoweit vermögen zeitliche Gesichtspunkte die unterschiedliche Einschätzung der Einarbeitungsphasen zu erklären. Im Jahr 2010 lagen die praktischen Verwaltungstätigkeiten der Antragstellerin bei weitem nicht so weit zurück wie im Jahr 2015. So hatte die Antragstellerin das Amt der Datenschutzbeauftragten (nur) bis zum Jahr 2007 ausgeübt und in dieser Funktion auch (nur) bis zum Jahr 2007 an den Dezernentenbesprechungen teilgenommen.
36Zu Abweichungen gegenüber früheren Beurteilungen vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2016 – 1 B 1216/15 –, juris, Rz. 21 und 25.
37Die genaue Gewichtung der verschiedenen Verwaltungserfahrungen musste nicht im Anforderungsprofil angelegt sein. Ein solches Profil – hier: „Die Amtsinhaber/innen verfügen über Vorerfahrungen in der Bearbeitung von Verwaltungsangelegenheiten der Justiz...“ (Anlage zur AV des JM vom 2. Mai 2005 [2000 – Z. 155]) – dient regelmäßig nur einer Vorab-Einordnung der Eignung möglicher Bewerber. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat weder der Beurteiler noch der Antragsgegner dieses Profil in unzulässiger Weise eingeengt.
38Vgl. näher zu den Voraussetzungen einer wirksamen Einengung des Kreises der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches Amt BVerfG, Beschluss vom 11. November 1999 – 2 BvR 1992/99 –, juris, Rz. 6.
39Dies gilt trotz der nur auf den ersten Blick missverständlichen Formulierung in der Beurteilung der Antragstellerin, die für das Amt einer Vizepräsidentin des Finanzgerichts erforderlichen amtsspezifischen Kenntnisse habe sie noch nicht sammeln können. Denn tatsächlich wurde unzweifelhaft beiden Bewerberinnen und Bewerbern die grundsätzliche Eignung im Sinne des Anforderungsprofils zugesprochen; beide wurden genau aus diesem Grunde in die Auswahlentscheidung einbezogen. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Besetzungsvotum vom 16. Oktober 2015 (vgl. Bl. 28 des Besetzungsvorgangs). Wegen fehlender amtsspezifischer Erfahrungen wurde die Antragstellerin gerade nicht als ungeeignet im Sinne des Anforderungsprofils angesehen; ihr wurde lediglich die Spitzennote für das Eignungsurteil versagt. Erst im Zuge der genauen Eignungsprognose fand eine Konkretisierung und Auswertung der jeweiligen Vorerfahrung statt.
40Soweit die Antragstellerin vorträgt, die Anforderung zentraler Verwaltungstätigkeit sei ermessenswidrig, weil sie eine Dezernententätigkeit vor dem Hintergrund der konkreten Strukturen des Finanzgerichts L. – genauer: begrenzte Anzahl an Dezernentenstellen, angeblich gezielte, „proaktive“ Vergabe – nie habe ausüben können, führt auch dies nicht zum Erfolg. Sie verkennt, dass es für die im Rahmen des Bewerbungsverfahrens zu treffende Eignungsprognose nicht darauf ankommt, welche Gründe dazu geführt haben, dass der Bewerber einem sachgerechten Anforderungsmerkmal für das angestrebte Amt genügt oder nicht genügt. Im Übrigen ist die Antragstellerin (erneut) darauf zu verweisen, dass sie im tatsächlichen Falle einer willkürlichen Vergabe von Dezernententätigkeiten die Möglichkeit gehabt hätte, Rechtsschutz gegen eine solche Vergabepraxis zu ersuchen.
41Vgl. VG L. , Beschluss vom 7. März 2012 – 19 L 1731/11 –, juris, Rz. 18; OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2012 – 1 B 368/12 –, juris, Rz. 36.
42Entgegen der Ansicht der Antragstellerin leidet die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen auch nicht an sonstigen Fehlern. Insbesondere ist unschädlich, dass im Bewerberverzeichnis in der Rubrik "Jahr und Art der abgelegten Prüfungen" auf Seiten der Antragstellerin die Auflistung des abgeschlossenen Masterstudiums „MEGA“ fehlt. Insofern kann nur von einem reinen Schreibfehler ausgegangen werden. Bereits zwei Seiten hinter dem Bewerberverzeichnis ist in den etwas ausführlicher gehaltenen Personalien der Antragstellerin das absolvierte Studium „MEGA“ aufgeführt. Zudem wurde der Studienabschluss bei allen materiellen Entscheidungen berücksichtigt.
43Die Auswahlentscheidung ist hinreichend dokumentiert. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Auswahlerwägungen nur im Besetzungsvotum vom 16. Oktober 2015 enthalten sind, das in seiner Funktion als Vorlage an den Minister und den Staatssekretär zunächst lediglich der Vorbereitung der Auswahlentscheidung diente.
44Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. November 2015 – 2 BvR 1461/15 –, juris, Rz. 17.
45Mit dem Ankreuzen des Kästchens „Einverstanden“ machte sich der Minister allerdings sämtliche Erwägungen im Besetzungsvotum zu Eigen. Dadurch wurde eine weitere Dokumentation, die inhaltsgleich gewesen wäre, entbehrlich.
46Aufgrund der aufgezeigten Plausibilität der unterschiedlichen Gesamturteile in den nicht zu beanstandenden Anlassbeurteilungen stellt sich die Frage einer ordnungsgemäßen Ausschärfung, auch vor dem Hintergrund von Gleichstellungsgesichtspunkten, nicht.
47Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil dieser einen Sachantrag gestellt und sich damit auch selbst dem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
48Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäߠ§§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 GKG nach einem Viertel der fiktiv an die Antragstellerin für die im Streit stehende Beförderungsstelle im Kalenderjahr 2015 zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen und ohne Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsbezügen abhängen.
49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2016 – 1 B 1216/15 –, NRWE, Rn. 32.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
(1) Ist das Eigentum an einem Grundstück Gegenstand der Enteignung, so entscheidet die Enteignungsbehörde darüber, ob an dem Grundstück bestehende dingliche Rechte und Rechte, die zum Besitz oder zur Nutzung des Grundstücks berechtigen oder die Benutzung des Grundstücks beschränken, aufrechterhalten werden. Rechte, die zum Erwerb des Grundstücks berechtigen, werden nicht aufrechterhalten.
(2) Soweit Rechte der in Absatz 1 genannten Art erlöschen, sind gesondert zu entschädigen
- 1.
Altenteilsberechtigte sowie die Inhaber von Dienstbarkeiten, - 2.
Inhaber von persönlichen Rechten, die zum Besitz oder zur Nutzung des Grundstücks berechtigen, wenn der Berechtigte im Besitz des Grundstücks ist.
(3) Bei der Enteignung eines Grundstücks haben Entschädigungsberechtigte, die nicht gesondert entschädigt werden, Anspruch auf Ersatz des Wertes ihres Rechtes aus der Geldentschädigung für das Eigentum an dem Grundstück, soweit sich ihr Recht auf dieses erstreckt. Das gilt entsprechend für die Geldentschädigungen, die für den durch die Enteignung eintretenden Rechtsverlust in anderen Fällen oder für Wertminderungen des Restbesitzes nach § 19 Nr. 2 festgesetzt werden.
Ernennungen sind nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen.
Der Präsident des Gerichts übt die Dienstaufsicht über die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter aus.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.