Verwaltungsgericht Karlsruhe Entscheidung, 10. März 2016 - A 2 K 441/15

bei uns veröffentlicht am10.03.2016

Tenor

1. Zulässigkeit und Grund der Wiederaufnahme liegen vor.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt eine erneute Sachentscheidung über seinen Asylantrag mit der Begründung, er sei bereits im vorangegangenen Verfahren prozessunfähig gewesen.
Der am ... in Herat/Afghanistan geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 05.03.2010 auf dem Landweg in die Bundesrepublik ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter.
Bei seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am 17.06.2010 trug er im Wesentlichen vor, er sei in Afghanistan bedroht worden, nachdem er dort eine Schrift veröffentlicht habe. Nach Aufenthalten in Pakistan und im Iran habe er sich etwa zehn Monate lang in seinem Elternhaus versteckt, bevor er endgültig ausgereist sei.
Mit Bescheid vom 21.10.2010, ausweislich Postzustellungsurkunde am 25.10.2010 zugestellt, lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigten ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2–7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an. Am 03.11.2010 bevollmächtigte der Kläger einen Rechtsanwalt mit der Prozessführung und erhob durch diesen am 04.11.2010 Klage. Der Bescheid vom 21.10.2010 wurde mit Urteil des VG Karlsruhe vom 11.10.2011 bestätigt (Az.: A 8 K 3071/10), welches aufgrund einer mündlichen Verhandlung vom selben Tag erging. Der VGH Mannheim lehnte mit Beschluss vom 19.03.2012 die Zulassung der Berufung unanfechtbar ab (Az.: A 11 S 554/12).
Mit Schreiben vom 30.10.2013 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag. Mit ihm machte geltend, er sei an paranoider Schizophrenie erkrankt. Ausweislich der Bestellungsurkunde des Betreuungsgerichts Freudenstadt vom 11.08.2014 wurde dem Kläger Herr ... als Betreuer bestellt für die Aufgabenkreise persönliche Angelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, vermögensrechtliche Angelegenheiten, Regelung von Wohnungsangelegenheiten, sowie die Entscheidung über den Fernmeldeverkehr und die Entgegennahme, das Öffnen und Anhalten von Post.
Am 25. und 26.02.2011 befand sich der Kläger erstmals zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus ... in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik mit der Diagnose „schizophrener Schub“. Der Kläger berichtete dort, dass sein Zustand bereits etwa vier Monate andauere. Vom 06.04.2011 bis 05.05.2011 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Krankenhaus ... mit der Diagnose akute schizophrenieforme psychotische Störung, suizidale Krise, Alkoholintoxikation, stottern. Erneut befand er sich vom 28.06.2013 bis 22.07.2013 in stationärer Behandlung wegen paranoider Schizophrenie, stottern. Tagklinisch wurde er vom 23.07.2013 bis 06.08.2013 im Krankenhaus ... behandelt. Ein weiterer stationärer Aufenthalt fand statt vom 07.08.2013 bis 19.08.2013 mit den Diagnosen paranoide Schizophrenie, stottern. Auch vom 16.01.2014 bis 05.02.2014 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Krankenhaus ..., mit den Diagnosen paranoide Schizophrenie F20.0, stottern (stammeln) F98.5, schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome F32.2, sowie Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst) F 41.0. Vom 04.05.2014 bis 20.06.2014 sowie vom 21.06.2014 bis 23.06.2014 befand sich der Kläger erneut in stationärer Behandlung im Krankenhaus ..., mit den Diagnosen paranoide Schizophrenie F 20.0, stottern F98.5, sowie psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide: Schädlicher Gebrauch F 12.1. Ein weiteres Mal befand er sich vom 09.08.2015 bis 17.08.2015 stationärer Behandlung im Krankenhaus ..., mit den Diagnosen paranoide Schizophrenie F20.0, psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide: Schädlicher Gebrauch F12.1, stottern F8 90.5.
Mit Bescheid vom 03.02.2015 lehnte das BAMF den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab. Zugleich stellte es unter Abänderung des Bescheids vom 21.10.2010 fest, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistan besteht. Außerdem wurde die mit Bescheid vom 21.10.2010 erlassene Abschiebungsandrohung aufgehoben.
Am 13.02.2015 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend, er sei im Ausgangsverfahren, in dem sein Asylantrag unanfechtbar abgelehnt wurde, nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen. Er leide unter einer chronischen psychischen Erkrankung, die in Schüben verlaufe. Während der akuten Phase bestünden ausgeprägte Denkstörungen und Ängste; in diesen Phasen könne er nicht vernunftgeleitet handeln. Bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens habe er an einer psychischen Erkrankung gelitten, durch die er prozessunfähig gewesen sei. Es liege daher ein Mangel im Ausgangsverfahren vor, der im Wege der Wiederaufnahme gerügt werden könne. Der Betreuer habe die Prozesshandlungen auch nicht genehmigt, sondern das Wiederaufgreifen des Verfahrens veranlasst.
Der Kläger beantragt zuletzt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11.10.2011, Az.: A 8 K 3071/10, für nichtig zu erklären.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Zur Begründung verweist sie auf die Gründe des angegriffenen Bescheids.
14 
Die Einzelrichterin hat in der mündlichen Verhandlung vom 10.03.2016 die behandelnde Ärztin Frau ... als sachverständige Zeugin zu der Frage vernommen, ob der Kläger bereits vor rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens prozessunfähig erkrankt war. Wegen der Einzelheiten der Aussage wird auf das Protokoll verwiesen.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung 10.03.2016, die beigezogene Akte des Verfahrens A 8 K 3071/10, sowie die Akten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Zulässigkeit und Grund der Nichtigkeitsklage nach § 153 Abs. 1 VwGO, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO liegen vor.
I.
17 
Die Nichtigkeitsklage ist zulässig.
18 
Der Kläger hat einen Wiederaufnahmegrund im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hinreichend schlüssig und substantiiert behauptet. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage ist es ausreichend, dass der Kläger den Wiederaufnahmegrund substantiiert und schlüssig darlegt (Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, Rn. 17 zu § 153). Ob der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund tatsachlich zur Überzeugung des Gerichts vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit der Wiederaufnahmeklage, in deren Prüfung das Gericht erst eintreten darf, wenn die Zulässigkeitsprüfung mit positivem Ergebnis abgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.08.1986 – 5 B 49/84, NVwZ 1987, 218 f.). Hier bestehen aufgrund der vorgelegten Unterlagen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum bereits geschäftsunfähig gemäß § 104 Nr. 2 BGB und damit gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessunfähig war.
19 
Die Geschäftsfähigkeit fehlt bei einem Volljährigen gemäß § 62 Abs. 1 VwGO, § 104 BGB, wenn er sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht dieser Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Der Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erfordert in der Regel, dass der Zustand der Prozessunfähigkeit während des gesamten Rechtsstreits bestanden hat (Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 579 Rn. 8; RG, Urt. v. 13.02.1928 – VI 317/27, RGZ 120, 170, 173), da fehlerhafte, weil während des prozessunfähigen Zustands erfolgte Verfahrenshandlungen, rückwirkend genehmigt werden können (vgl. BVerwG Beschl. v. 17.10.1985 - 2 C 25/82, BVerwGE 72, 168; BGH, Urt. v. 07.12.2006 – IX ZB 257/05, ZIP 2007, 144; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 62 Rn. 17 m.w.N.; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 579 Rn. 8). Eine solche rückwirkende Genehmigung ist konkludent anzunehmen, wenn eine wieder prozessfähig gewordene Partei den Prozess einfach fortführt (BGH, Urt. v. 30.11.1962 – IV ZR 194/62, MDR 1963, 391; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 579 Rn. 8; Braun in Münchener Kommentar, ZPO, 4. Aufl. 2012, § 579 Rn. 13). Darüber hinaus ist eine während des Verfahrens eintretende Geschäftsunfähigkeit dann unbeachtlich, wenn der Prozess durch einen Prozessbevollmächtigten geführt wird, den der Kläger noch wirksam bevollmächtigt hatte, da die Prozessbevollmächtigung weiter wirkt (BGH, Urt. v. 29.05.1963 - IV ZR 73/62, MDR 1964, 126).
20 
Der Kläger hat mehrere ausführliche Entlassungsbriefe des Krankenhauses ..., Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik über seine stationären Klinikaufenthalte in den vergangenen Jahren wegen seiner Erkrankung an Schizophrenie vorgelegt, sowie die Bestellung eines Betreuers vom 11.08.2014 nachgewiesen. Aus dem Entlassungsbrief des Krankenhauses ..., Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik vom 05.02.2014 ergibt sich zudem, dass der Kläger bereits vom 06.04.2011 bis 05.05.2011 stationär psychiatrisch behandelt wurde, u.a. wegen akuter schizophrenieformer psychotischer Störung und suizidaler Krise. Damit liegen hinreichende Anhaltspunkte vor, dass der Kläger bereits bei der Bevollmächtigung seines Rechtsanwalts im Ausgangsverfahren am 03.11.2010 prozessunfähig gewesen war.
21 
Die Nichtigkeitsklage ist nicht verfristet nach § 153 Abs. 1 VwGO, § 586 Abs. 3 ZPO. Nach diesen Vorschriften läuft die einmonatige Klagefrist des § 586 Abs. 1 ZPO von dem Tag an, an dem bei mangelnder Prozessfähigkeit der Partei ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt wird. Der Kläger war im vorangegangenen Verfahren prozessunfähig und hatte auch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten nicht wirksam bevollmächtigt (siehe unten II.), so dass das seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 15.02.2012 zugestellte Urteil vom 11.10.2011 nicht wirksam zugestellt wurde. Die Frist des § 153 Abs. 1 VwGO, § 586 Abs. 3 ZPO hat daher noch nicht zu laufen begonnen. Eine absolute Frist, nach deren Ablauf die Klage unabhängig von den sonstigen Umständen unstatthaft oder verwirkt wäre, gibt es bei der Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Prozessfähigkeit nicht (BGH, Urt. v. 07.12.2006 – IX ZB 257/05, ZIP 2007, 144; BGH, Urt. v. 30.11.1962 – IV ZR 194/62, FamRZ 63, 131, 133; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 588 Rn. 20, 24).
II.
22 
Ein Wiederaufnahmegrund liegt vor, so dass gemäß § 153 Abs. 1 VwGO, § 590 Abs. 1 ZPO die Hauptsache von neuem verhandelt wird. Der Kläger war als Prozessunfähiger im Ausgangsverfahren nicht ordnungsgemäß vertreten, so dass der Nichtigkeitsgrund des § 153 Abs. 1 VwGO, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vorliegt.
23 
1. Aufgrund der Aussage der sachverständigen Zeugin, der behandelnden Ärztin Frau ..., sowie den vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass der Kläger bereits bei der Bevollmächtigung seines Rechtsanwalts für das Ausgangsverfahren am 03.11.2010 geschäftsunfähig und damit prozessunfähig war und er seine Geschäftsfähigkeit auch nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens wieder erlangte. Die Angaben der sachverständigen Zeugin zum Gesundheitszustand des Klägers sind glaubhaft, nachvollziehbar und überzeugend. Die sachverständige Zeugin schilderte plastisch und detailreich ihre eigenen Eindrücke. Tendenzen zur Bevorteilung oder Benachteiligung des Klägers waren nicht erkennbar. Hinsichtlich der ärztlichen Bewertung waren die Einschätzungen nachvollziehbar, widerspruchsfrei und überzeugend. Der Kläger war danach bereits erstmals am 25.02.2011 ambulant in psychiatrischer Behandlung und bereits seit vier Monaten psychisch erkrankt, also seit dem 26.10.2010. Seine psychische Erkrankung äußerte sich dabei derart, dass er zu großen Teilen nicht mehr rational denken und handeln konnte, keine Zukunftspläne mehr fassen konnte und unter psychotischen Wahrnehmungen litt, mithin sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit i.S.v. § 104 Nr. 2 BGB befand. Es ist nach der Beweisaufnahme auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger während des Prozesses Momente geistiger Klarheit hatte, in denen er geschäftsfähig war und die bisherigen Prozesshandlungen konkludent genehmigte. Dem steht erkennbar auch nicht das Auftreten des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Ausgangsverfahrens entgegen. Im daraufhin ergangen Urteil heißt es, der Vortrag des Klägers sei wirr gewesen und er habe auf die einfachsten Fragen mühsam nach einer Antwort suchen müssen.
24 
2. Es ist auch keine Heilung des Mangels der Prozessfähigkeit erfolgt. Der Mangel der Prozessfähigkeit kann dadurch geheilt werden, dass der gesetzliche Vertreter die von oder gegenüber dem Prozessunfähigen vorgenommenen Handlungen genehmigt, was möglicherweise auch noch nach Rechtskraft des Urteils möglich ist (str., BVerwG, Beschl. v. 17.10.1985 – 2 C 25/82, BVerwGE 72, 168; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 62 Rn. 17 m.w.N.). Der Betreuer des Klägers hat weder ausdrücklich noch konkludent die vorangegangen Handlungen genehmigt, sondern, im Gegenteil, bei der Behörde gerade unter Hinweis auf den Verfahrensfehler eine erneute Sachentscheidung verlangt.

Gründe

 
16 
Zulässigkeit und Grund der Nichtigkeitsklage nach § 153 Abs. 1 VwGO, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO liegen vor.
I.
17 
Die Nichtigkeitsklage ist zulässig.
18 
Der Kläger hat einen Wiederaufnahmegrund im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hinreichend schlüssig und substantiiert behauptet. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage ist es ausreichend, dass der Kläger den Wiederaufnahmegrund substantiiert und schlüssig darlegt (Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, Rn. 17 zu § 153). Ob der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund tatsachlich zur Überzeugung des Gerichts vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit der Wiederaufnahmeklage, in deren Prüfung das Gericht erst eintreten darf, wenn die Zulässigkeitsprüfung mit positivem Ergebnis abgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.08.1986 – 5 B 49/84, NVwZ 1987, 218 f.). Hier bestehen aufgrund der vorgelegten Unterlagen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum bereits geschäftsunfähig gemäß § 104 Nr. 2 BGB und damit gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessunfähig war.
19 
Die Geschäftsfähigkeit fehlt bei einem Volljährigen gemäß § 62 Abs. 1 VwGO, § 104 BGB, wenn er sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht dieser Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Der Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erfordert in der Regel, dass der Zustand der Prozessunfähigkeit während des gesamten Rechtsstreits bestanden hat (Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 579 Rn. 8; RG, Urt. v. 13.02.1928 – VI 317/27, RGZ 120, 170, 173), da fehlerhafte, weil während des prozessunfähigen Zustands erfolgte Verfahrenshandlungen, rückwirkend genehmigt werden können (vgl. BVerwG Beschl. v. 17.10.1985 - 2 C 25/82, BVerwGE 72, 168; BGH, Urt. v. 07.12.2006 – IX ZB 257/05, ZIP 2007, 144; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 62 Rn. 17 m.w.N.; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 579 Rn. 8). Eine solche rückwirkende Genehmigung ist konkludent anzunehmen, wenn eine wieder prozessfähig gewordene Partei den Prozess einfach fortführt (BGH, Urt. v. 30.11.1962 – IV ZR 194/62, MDR 1963, 391; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 579 Rn. 8; Braun in Münchener Kommentar, ZPO, 4. Aufl. 2012, § 579 Rn. 13). Darüber hinaus ist eine während des Verfahrens eintretende Geschäftsunfähigkeit dann unbeachtlich, wenn der Prozess durch einen Prozessbevollmächtigten geführt wird, den der Kläger noch wirksam bevollmächtigt hatte, da die Prozessbevollmächtigung weiter wirkt (BGH, Urt. v. 29.05.1963 - IV ZR 73/62, MDR 1964, 126).
20 
Der Kläger hat mehrere ausführliche Entlassungsbriefe des Krankenhauses ..., Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik über seine stationären Klinikaufenthalte in den vergangenen Jahren wegen seiner Erkrankung an Schizophrenie vorgelegt, sowie die Bestellung eines Betreuers vom 11.08.2014 nachgewiesen. Aus dem Entlassungsbrief des Krankenhauses ..., Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik vom 05.02.2014 ergibt sich zudem, dass der Kläger bereits vom 06.04.2011 bis 05.05.2011 stationär psychiatrisch behandelt wurde, u.a. wegen akuter schizophrenieformer psychotischer Störung und suizidaler Krise. Damit liegen hinreichende Anhaltspunkte vor, dass der Kläger bereits bei der Bevollmächtigung seines Rechtsanwalts im Ausgangsverfahren am 03.11.2010 prozessunfähig gewesen war.
21 
Die Nichtigkeitsklage ist nicht verfristet nach § 153 Abs. 1 VwGO, § 586 Abs. 3 ZPO. Nach diesen Vorschriften läuft die einmonatige Klagefrist des § 586 Abs. 1 ZPO von dem Tag an, an dem bei mangelnder Prozessfähigkeit der Partei ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt wird. Der Kläger war im vorangegangenen Verfahren prozessunfähig und hatte auch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten nicht wirksam bevollmächtigt (siehe unten II.), so dass das seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 15.02.2012 zugestellte Urteil vom 11.10.2011 nicht wirksam zugestellt wurde. Die Frist des § 153 Abs. 1 VwGO, § 586 Abs. 3 ZPO hat daher noch nicht zu laufen begonnen. Eine absolute Frist, nach deren Ablauf die Klage unabhängig von den sonstigen Umständen unstatthaft oder verwirkt wäre, gibt es bei der Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Prozessfähigkeit nicht (BGH, Urt. v. 07.12.2006 – IX ZB 257/05, ZIP 2007, 144; BGH, Urt. v. 30.11.1962 – IV ZR 194/62, FamRZ 63, 131, 133; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 588 Rn. 20, 24).
II.
22 
Ein Wiederaufnahmegrund liegt vor, so dass gemäß § 153 Abs. 1 VwGO, § 590 Abs. 1 ZPO die Hauptsache von neuem verhandelt wird. Der Kläger war als Prozessunfähiger im Ausgangsverfahren nicht ordnungsgemäß vertreten, so dass der Nichtigkeitsgrund des § 153 Abs. 1 VwGO, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vorliegt.
23 
1. Aufgrund der Aussage der sachverständigen Zeugin, der behandelnden Ärztin Frau ..., sowie den vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass der Kläger bereits bei der Bevollmächtigung seines Rechtsanwalts für das Ausgangsverfahren am 03.11.2010 geschäftsunfähig und damit prozessunfähig war und er seine Geschäftsfähigkeit auch nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens wieder erlangte. Die Angaben der sachverständigen Zeugin zum Gesundheitszustand des Klägers sind glaubhaft, nachvollziehbar und überzeugend. Die sachverständige Zeugin schilderte plastisch und detailreich ihre eigenen Eindrücke. Tendenzen zur Bevorteilung oder Benachteiligung des Klägers waren nicht erkennbar. Hinsichtlich der ärztlichen Bewertung waren die Einschätzungen nachvollziehbar, widerspruchsfrei und überzeugend. Der Kläger war danach bereits erstmals am 25.02.2011 ambulant in psychiatrischer Behandlung und bereits seit vier Monaten psychisch erkrankt, also seit dem 26.10.2010. Seine psychische Erkrankung äußerte sich dabei derart, dass er zu großen Teilen nicht mehr rational denken und handeln konnte, keine Zukunftspläne mehr fassen konnte und unter psychotischen Wahrnehmungen litt, mithin sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit i.S.v. § 104 Nr. 2 BGB befand. Es ist nach der Beweisaufnahme auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger während des Prozesses Momente geistiger Klarheit hatte, in denen er geschäftsfähig war und die bisherigen Prozesshandlungen konkludent genehmigte. Dem steht erkennbar auch nicht das Auftreten des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Ausgangsverfahrens entgegen. Im daraufhin ergangen Urteil heißt es, der Vortrag des Klägers sei wirr gewesen und er habe auf die einfachsten Fragen mühsam nach einer Antwort suchen müssen.
24 
2. Es ist auch keine Heilung des Mangels der Prozessfähigkeit erfolgt. Der Mangel der Prozessfähigkeit kann dadurch geheilt werden, dass der gesetzliche Vertreter die von oder gegenüber dem Prozessunfähigen vorgenommenen Handlungen genehmigt, was möglicherweise auch noch nach Rechtskraft des Urteils möglich ist (str., BVerwG, Beschl. v. 17.10.1985 – 2 C 25/82, BVerwGE 72, 168; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 62 Rn. 17 m.w.N.). Der Betreuer des Klägers hat weder ausdrücklich noch konkludent die vorangegangen Handlungen genehmigt, sondern, im Gegenteil, bei der Behörde gerade unter Hinweis auf den Verfahrensfehler eine erneute Sachentscheidung verlangt.

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 579 Nichtigkeitsklage


(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht diese

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Geschäftsunfähig ist:1.wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,2.wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorüberge

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(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden. (2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öff

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(1) Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben. (2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf

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(1) Die Hauptsache wird, insoweit sie von dem Anfechtungsgrunde betroffen ist, von neuem verhandelt. (2) Das Gericht kann anordnen, dass die Verhandlung und Entscheidung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Verhan

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2006 - IX ZB 257/05

bei uns veröffentlicht am 07.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 257/05 vom 7. Dezember 2006 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 578, 579 Nr. 4 ZPO; InsO § 4 Zum Antrag auf Wiederaufnahme eines Insolvenzeröffnungsverfahrens üb

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

Geschäftsunfähig ist:

1.
wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
2.
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

Geschäftsunfähig ist:

1.
wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
2.
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 257/05
vom
7. Dezember 2006
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Antrag auf Wiederaufnahme eines Insolvenzeröffnungsverfahrens über das
Vermögen einer GmbH wegen Fehlens eines gesetzlichen Vertreters.
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZB 257/05 - LG München I
AG München
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 7. Dezember 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin werden unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 2. September 2005, der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 21. Mai 2005 und der Beschluss des Amtsgerichts München vom 28. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und über die Kosten aller Rechtsmittel an das Amtsgericht München - Insolvenzgericht - zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Der weitere Beteiligte beantragte am 29. Oktober 2001 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Als Geschäftsführerin der Schuldnerin war zu diesem Zeitpunkt W. im Handelsregister eingetragen. Der weitere Beteiligte war (und ist) zugleich Gesellschafter der Schuld- nerin und mit den übrigen Gesellschaftern zerstritten. Er hatte Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen den Gesellschafterbeschluss über die Bestellung der W. erhoben. Die Klage hatte Erfolg. Mit Urteil vom 24. Juli 2002 stellte das Landgericht München I die Nichtigkeit des Beschlusses fest. Eine Nichtigkeitsklage gegen einen weiteren Gesellschafterbeschluss vom 13. November 2002 über die erneute Bestellung der W. hatte ebenfalls Erfolg (Urteil des LG München I vom 19. Februar 2003).
2
Am 28. Juli 2003 wies das Insolvenzgericht den Antrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ab. Rechtsanwalt Wa. , ein weiterer Gesellschafter der Schuldnerin, legte eine von W. unterzeichnete Verfahrensvollmacht vor und erhob sofortige Beschwerde. Am 23. Dezember 2003 bestellten die Gesellschafter der Schuldnerin W. und B. zu Geschäftsführerinnen. Mit Urteil des Landgerichts München I vom 27. April 2004 wurde die Nichtigkeit auch dieses Beschlusses festgestellt. Am 21. Mai 2004 wurde die sofortige Beschwerde der Schuldnerin als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschluss wurde Rechtsanwalt Wa. zugestellt.
3
Bereits vor der Entscheidung über die sofortige Beschwerde, am 7. Mai 2004, war ein Notgeschäftsführer bestellt worden. Dieser zeigte dem Insolvenzgericht am 15. Oktober 2004 an, dass er am 30. September 2004 Kenntnis von dem Abweisungsbeschluss erhalten und mittlerweile Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht München eingelegt habe. Die Rechtsbeschwerde wurde an den Bundesgerichtshof weitergeleitet; nach Belehrung über Form und Frist für die Einlegung einer Rechtsbeschwerde fand ein Rechtsbeschwerdeverfahren jedoch nicht statt.
4
2. November Am 2004 hat die durch den Notgeschäftsführer, einen Rechtsanwalt, vertretene Schuldnerin beim Beschwerdegericht "Nichtigkeitsklage" gegen sämtliche im Insolvenzverfahren ergangenen Beschlüsse eingereicht. Das Beschwerdegericht hat die Klage als Antrag auf Wiederaufnahme des Insolvenzverfahrens ausgelegt und diesen durch Beschluss zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihre Anträge auf Aufhebung sämtlicher Beschlüsse weiter.

II.


5
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 4 InsO, 591 ZPO, 6, 7, 34 Abs. 1 InsO statthaft. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wiederaufnahme (§§ 578 ff ZPO) finden im Insolvenzverfahren nach Eintritt der Rechtskraft eines streitentscheidenden Beschlusses entsprechende Anwendung (vgl. BGH, Beschl. v. 2. Februar 2006 - IX ZB 279/04, ZVI 2006, 117, 118). Für den Antrag auf Wiederaufnahme gelten gemäß § 4 InsO, § 585 ZPO die allgemeinen Vorschriften über das Insolvenzverfahren. Rechtsmittel sind insoweit zulässig , als sie gegen die Ausgangsentscheidung zulässig gewesen wären. Das ist hier die Entscheidung des Landgerichts über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss über die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind erfüllt.
6
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts über den Wiederaufnahmeantrag sowie der Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts über die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse.
7
1. Das Beschwerdegericht hat den Wiederaufnahmeantrag für zulässig gehalten. Die Voraussetzungen des Nichtigkeitsgrundes des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO seien jedoch nicht erfüllt, weil die Schuldnerin im Insolvenzverfahren durch die im Handelsregister eingetragene "faktische" Geschäftsführerin W. vertreten gewesen sei und durch diese rechtliches Gehör erhalten habe. Die erst später festgestellte Nichtigkeit der Bestellung könne wegen des Amtscharakters und der Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens nicht zu einer die Sachentscheidung des Insolvenzgerichts über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hindernden Prozessunfähigkeit der Schuldnerin führen.
8
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Antrag der Schuldnerin auf Wiederaufnahme des Insolvenzverfahrens ist zulässig und begründet.
9
a) Der Antrag ist zulässig. In ihrer am 2. November 2004, einem Dienstag , beim Landgericht eingegangenen "Nichtigkeitsklage" hat die Schuldnerin die Beschlüsse, welche angefochten werden sollen, bezeichnet sowie den Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO schlüssig dargelegt (§ 587 ZPO). Die Klagefrist des § 586 ZPO wurde gewahrt. Gemäß § 586 Abs. 1 ZPO (analog) sind Wiederaufnahmeanträge innerhalb einer Notfrist von einem Monat einzureichen. Die Frist ist gemäß § 586 Abs. 3 ZPO vom Zeitpunkt der Zustellung des anzufechtenden Beschlusses an die Schuldnerin zu berechnen. Eine wirksame Zustellung ist - das Vorbringen der Schuldnerin als richtig unterstellt - bisher nicht erfolgt. War die Bestellung der Geschäftsführerin W. unwirksam, konnte diese auch Rechtsanwalt Wa. nicht bevollmächtigen, zu dessen Händen der angefochtene Beschluss am 22. Juni 2004 zugestellt worden war. Die Nichtigkeitsklage ist ohne Rücksicht auf die Länge der seit Erlass des angefochtenen Urteils verstrichenen Zeit zulässig, wenn das Urteil weder der wieder prozessfähig gewordenen Partei noch zur Zeit ihrer Prozessunfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter zugestellt worden ist (BGH, Urt. v. 30. November 1962 - IV ZR 194/62, FamRZ 1963, 131, 132).
10
b) Der Antrag ist auch begründet. Die Schuldnerin war im Insolvenzverfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird gerichtlich und außergerichtlich durch ihre Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Die Schuldnerin hatte jedoch keinen Geschäftsführer. Alle Beschlüsse über die Bestellung der W. (und der weiteren Geschäftsführerin B. ) waren, wie rechtskräftig entschieden ist, unwirksam. Andere Geschäftsführer gab es nicht. Der frühere Geschäftsführer St. hatte sein Amt bereits am 14. September 2000, also vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, niedergelegt.
11
Ohne einen gesetzlichen Vertreter ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht prozessfähig (§§ 4 InsO, 51 Abs. 1 ZPO). Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist neben der Insolvenzfähigkeit des Schuldners (§ 11 Abs. 1 InsO) auch die Prozessfähigkeit als die Fähigkeit, selbst oder durch bestellte Vertreter Prozesshandlungen wirksam vor- und entgegen zu nehmen (OLG Dresden NJW-RR 2000, 579, 580; OLG Köln ZIP 2000, 280, 282 f). Ein Insolvenzantrag gegen einen nicht prozessfähigen Schuldner muss zurückgewiesen werden (MünchKomm-InsO/Ganter, § 4 Rn. 45; Jaeger/Gerhardt, InsO § 4 Rn. 15; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 4 Rn. 4). Ein nur "faktischer" Geschäftsführer ist nicht der gesetzliche Vertreter der GmbH.
12
Der Umstand, dass die Schuldnerin noch vor der Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss nach § 26 InsO durch die Bestel- lung des Notgeschäftsführers prozessfähig geworden ist, ändert im Ergebnis nichts. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO setzt zwar voraus, dass die Partei während des gesamten Verfahrens nicht vertreten war (MünchKomm-ZPO/Braun, 2. Aufl. § 579 Rn. 11). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch erfüllt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Notgeschäftsführer erst am 30. September 2004 Kenntnis von dem Beschluss vom 21. Mai 2004 und von den zuvor im Rahmen des Insolvenzverfahrens ergangenen Beschlüssen und Verfügungen erlangt; er hat die Schuldnerin also zu keiner Zeit im Insolvenzverfahren vertreten.
13
Ob die fehlende Prozessfähigkeit nach dem 30. September 2004 noch im Wege der Rechtsbeschwerde hätte eingewandt werden können, ist für die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag ebenfalls ohne Bedeutung. Nach § 579 Abs. 2 ZPO ist die Nichtigkeitsklage dann ausgeschlossen, wenn die Nichtigkeitsgründe gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ZPO mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnten. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass diese Einschränkung für die übrigen Nichtigkeitsgründe des § 579 Abs. 1 ZPO nicht gilt (Musielak, ZPO 5. Aufl. § 579 Rn. 11). Im hier gegebenen Fall des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hat die betroffene Partei ein Wahlrecht, ob sie ein Rechtsmittel einlegt oder Nichtigkeitsklage erhebt (BGHZ 84, 24, 27; KG NJWRR 1987, 1215, 1216; OLG Oldenburg NJW-RR 1989, 446, 447).

III.


14
1. Der angefochtene Beschluss kann damit keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst eine Sachentscheidung über den Wiederaufnahmeantrag zu treffen. Der Beschluss des Landgerichts vom 21. Mai 2004, mit dem die sofortige Beschwerde gegen die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse zurückgewiesen worden ist, ist aufzuheben. Gleiches gilt für den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 28. Juli 2003.
15
2. Der Antrag auf Aufhebung auch der Beschlüsse vom 28. Juni 2002 über die Einholung eines Gutachtens über das Vorliegen eines Insolvenzgrundes und vom 3. Dezember 2002 über die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung bleibt hingegen ohne Erfolg. Beide Beschlüsse können nicht entsprechend §§ 578 ff ZPO Gegenstand eines Wiederaufnahmeantrags sein, weil es sich nicht um Entscheidungen handelt, welche das Insolvenzverfahren beenden oder auch nur die Rechtsbeziehungen des Schuldners zu den Gläubigern endgültig verbindlich regeln (vgl. BGH, Beschl. v. 2. Februar 2006, aaO); denn Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 21 f InsO können auch noch nach Ablauf der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 21 Abs. 1 Satz 2 InsO) jederzeit von Amts wegen aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung entfallen sind (HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 21 Rn. 54). Es handelt sich auch nicht um Vorentscheidungen, die entsprechend § 583 ZPO aufgehoben werden könnten. Grundlage der Entscheidungen über die Ablehnung des Insolvenzantrags mangels Masse waren nicht die Beschlüsse über die Einholung des Gutachtens und die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, sondern allenfalls das Gutachten sowie die Stellungnahmen des vorläufigen Verwalters selbst.
16
3. Das Insolvenzgericht wird damit neu über den Antrag des weiteren Beteiligten auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zu befinden haben. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der materiellen Eröffnungsvoraussetzungen ist derjenige der erneuten Entscheidung , weil das Rechtsmittel sich gegen die Abweisung eines Eröffnungsantrags richtet (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04, WM 2006, 2086, 2087).
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 21.05.2004 - 232 C 35061/04 -
LG München I, Entscheidung vom 02.09.2005 - 14 T 21189/04 -

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft.

(3) Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes sind auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung nicht anzuwenden; die Frist für die Erhebung der Klage läuft von dem Tag, an dem der Partei und bei mangelnder Prozessfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt ist.

(4) Die Vorschrift des Absatzes 2 Satz 2 ist auf die Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 nicht anzuwenden.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft.

(3) Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes sind auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung nicht anzuwenden; die Frist für die Erhebung der Klage läuft von dem Tag, an dem der Partei und bei mangelnder Prozessfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt ist.

(4) Die Vorschrift des Absatzes 2 Satz 2 ist auf die Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 nicht anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 257/05
vom
7. Dezember 2006
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Antrag auf Wiederaufnahme eines Insolvenzeröffnungsverfahrens über das
Vermögen einer GmbH wegen Fehlens eines gesetzlichen Vertreters.
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZB 257/05 - LG München I
AG München
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 7. Dezember 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin werden unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 2. September 2005, der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 21. Mai 2005 und der Beschluss des Amtsgerichts München vom 28. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und über die Kosten aller Rechtsmittel an das Amtsgericht München - Insolvenzgericht - zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Der weitere Beteiligte beantragte am 29. Oktober 2001 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Als Geschäftsführerin der Schuldnerin war zu diesem Zeitpunkt W. im Handelsregister eingetragen. Der weitere Beteiligte war (und ist) zugleich Gesellschafter der Schuld- nerin und mit den übrigen Gesellschaftern zerstritten. Er hatte Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen den Gesellschafterbeschluss über die Bestellung der W. erhoben. Die Klage hatte Erfolg. Mit Urteil vom 24. Juli 2002 stellte das Landgericht München I die Nichtigkeit des Beschlusses fest. Eine Nichtigkeitsklage gegen einen weiteren Gesellschafterbeschluss vom 13. November 2002 über die erneute Bestellung der W. hatte ebenfalls Erfolg (Urteil des LG München I vom 19. Februar 2003).
2
Am 28. Juli 2003 wies das Insolvenzgericht den Antrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ab. Rechtsanwalt Wa. , ein weiterer Gesellschafter der Schuldnerin, legte eine von W. unterzeichnete Verfahrensvollmacht vor und erhob sofortige Beschwerde. Am 23. Dezember 2003 bestellten die Gesellschafter der Schuldnerin W. und B. zu Geschäftsführerinnen. Mit Urteil des Landgerichts München I vom 27. April 2004 wurde die Nichtigkeit auch dieses Beschlusses festgestellt. Am 21. Mai 2004 wurde die sofortige Beschwerde der Schuldnerin als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschluss wurde Rechtsanwalt Wa. zugestellt.
3
Bereits vor der Entscheidung über die sofortige Beschwerde, am 7. Mai 2004, war ein Notgeschäftsführer bestellt worden. Dieser zeigte dem Insolvenzgericht am 15. Oktober 2004 an, dass er am 30. September 2004 Kenntnis von dem Abweisungsbeschluss erhalten und mittlerweile Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht München eingelegt habe. Die Rechtsbeschwerde wurde an den Bundesgerichtshof weitergeleitet; nach Belehrung über Form und Frist für die Einlegung einer Rechtsbeschwerde fand ein Rechtsbeschwerdeverfahren jedoch nicht statt.
4
2. November Am 2004 hat die durch den Notgeschäftsführer, einen Rechtsanwalt, vertretene Schuldnerin beim Beschwerdegericht "Nichtigkeitsklage" gegen sämtliche im Insolvenzverfahren ergangenen Beschlüsse eingereicht. Das Beschwerdegericht hat die Klage als Antrag auf Wiederaufnahme des Insolvenzverfahrens ausgelegt und diesen durch Beschluss zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihre Anträge auf Aufhebung sämtlicher Beschlüsse weiter.

II.


5
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 4 InsO, 591 ZPO, 6, 7, 34 Abs. 1 InsO statthaft. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wiederaufnahme (§§ 578 ff ZPO) finden im Insolvenzverfahren nach Eintritt der Rechtskraft eines streitentscheidenden Beschlusses entsprechende Anwendung (vgl. BGH, Beschl. v. 2. Februar 2006 - IX ZB 279/04, ZVI 2006, 117, 118). Für den Antrag auf Wiederaufnahme gelten gemäß § 4 InsO, § 585 ZPO die allgemeinen Vorschriften über das Insolvenzverfahren. Rechtsmittel sind insoweit zulässig , als sie gegen die Ausgangsentscheidung zulässig gewesen wären. Das ist hier die Entscheidung des Landgerichts über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss über die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind erfüllt.
6
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts über den Wiederaufnahmeantrag sowie der Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts über die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse.
7
1. Das Beschwerdegericht hat den Wiederaufnahmeantrag für zulässig gehalten. Die Voraussetzungen des Nichtigkeitsgrundes des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO seien jedoch nicht erfüllt, weil die Schuldnerin im Insolvenzverfahren durch die im Handelsregister eingetragene "faktische" Geschäftsführerin W. vertreten gewesen sei und durch diese rechtliches Gehör erhalten habe. Die erst später festgestellte Nichtigkeit der Bestellung könne wegen des Amtscharakters und der Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens nicht zu einer die Sachentscheidung des Insolvenzgerichts über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hindernden Prozessunfähigkeit der Schuldnerin führen.
8
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Antrag der Schuldnerin auf Wiederaufnahme des Insolvenzverfahrens ist zulässig und begründet.
9
a) Der Antrag ist zulässig. In ihrer am 2. November 2004, einem Dienstag , beim Landgericht eingegangenen "Nichtigkeitsklage" hat die Schuldnerin die Beschlüsse, welche angefochten werden sollen, bezeichnet sowie den Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO schlüssig dargelegt (§ 587 ZPO). Die Klagefrist des § 586 ZPO wurde gewahrt. Gemäß § 586 Abs. 1 ZPO (analog) sind Wiederaufnahmeanträge innerhalb einer Notfrist von einem Monat einzureichen. Die Frist ist gemäß § 586 Abs. 3 ZPO vom Zeitpunkt der Zustellung des anzufechtenden Beschlusses an die Schuldnerin zu berechnen. Eine wirksame Zustellung ist - das Vorbringen der Schuldnerin als richtig unterstellt - bisher nicht erfolgt. War die Bestellung der Geschäftsführerin W. unwirksam, konnte diese auch Rechtsanwalt Wa. nicht bevollmächtigen, zu dessen Händen der angefochtene Beschluss am 22. Juni 2004 zugestellt worden war. Die Nichtigkeitsklage ist ohne Rücksicht auf die Länge der seit Erlass des angefochtenen Urteils verstrichenen Zeit zulässig, wenn das Urteil weder der wieder prozessfähig gewordenen Partei noch zur Zeit ihrer Prozessunfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter zugestellt worden ist (BGH, Urt. v. 30. November 1962 - IV ZR 194/62, FamRZ 1963, 131, 132).
10
b) Der Antrag ist auch begründet. Die Schuldnerin war im Insolvenzverfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird gerichtlich und außergerichtlich durch ihre Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Die Schuldnerin hatte jedoch keinen Geschäftsführer. Alle Beschlüsse über die Bestellung der W. (und der weiteren Geschäftsführerin B. ) waren, wie rechtskräftig entschieden ist, unwirksam. Andere Geschäftsführer gab es nicht. Der frühere Geschäftsführer St. hatte sein Amt bereits am 14. September 2000, also vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, niedergelegt.
11
Ohne einen gesetzlichen Vertreter ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht prozessfähig (§§ 4 InsO, 51 Abs. 1 ZPO). Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist neben der Insolvenzfähigkeit des Schuldners (§ 11 Abs. 1 InsO) auch die Prozessfähigkeit als die Fähigkeit, selbst oder durch bestellte Vertreter Prozesshandlungen wirksam vor- und entgegen zu nehmen (OLG Dresden NJW-RR 2000, 579, 580; OLG Köln ZIP 2000, 280, 282 f). Ein Insolvenzantrag gegen einen nicht prozessfähigen Schuldner muss zurückgewiesen werden (MünchKomm-InsO/Ganter, § 4 Rn. 45; Jaeger/Gerhardt, InsO § 4 Rn. 15; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 4 Rn. 4). Ein nur "faktischer" Geschäftsführer ist nicht der gesetzliche Vertreter der GmbH.
12
Der Umstand, dass die Schuldnerin noch vor der Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss nach § 26 InsO durch die Bestel- lung des Notgeschäftsführers prozessfähig geworden ist, ändert im Ergebnis nichts. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO setzt zwar voraus, dass die Partei während des gesamten Verfahrens nicht vertreten war (MünchKomm-ZPO/Braun, 2. Aufl. § 579 Rn. 11). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch erfüllt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Notgeschäftsführer erst am 30. September 2004 Kenntnis von dem Beschluss vom 21. Mai 2004 und von den zuvor im Rahmen des Insolvenzverfahrens ergangenen Beschlüssen und Verfügungen erlangt; er hat die Schuldnerin also zu keiner Zeit im Insolvenzverfahren vertreten.
13
Ob die fehlende Prozessfähigkeit nach dem 30. September 2004 noch im Wege der Rechtsbeschwerde hätte eingewandt werden können, ist für die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag ebenfalls ohne Bedeutung. Nach § 579 Abs. 2 ZPO ist die Nichtigkeitsklage dann ausgeschlossen, wenn die Nichtigkeitsgründe gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ZPO mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnten. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass diese Einschränkung für die übrigen Nichtigkeitsgründe des § 579 Abs. 1 ZPO nicht gilt (Musielak, ZPO 5. Aufl. § 579 Rn. 11). Im hier gegebenen Fall des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hat die betroffene Partei ein Wahlrecht, ob sie ein Rechtsmittel einlegt oder Nichtigkeitsklage erhebt (BGHZ 84, 24, 27; KG NJWRR 1987, 1215, 1216; OLG Oldenburg NJW-RR 1989, 446, 447).

III.


14
1. Der angefochtene Beschluss kann damit keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst eine Sachentscheidung über den Wiederaufnahmeantrag zu treffen. Der Beschluss des Landgerichts vom 21. Mai 2004, mit dem die sofortige Beschwerde gegen die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse zurückgewiesen worden ist, ist aufzuheben. Gleiches gilt für den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 28. Juli 2003.
15
2. Der Antrag auf Aufhebung auch der Beschlüsse vom 28. Juni 2002 über die Einholung eines Gutachtens über das Vorliegen eines Insolvenzgrundes und vom 3. Dezember 2002 über die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung bleibt hingegen ohne Erfolg. Beide Beschlüsse können nicht entsprechend §§ 578 ff ZPO Gegenstand eines Wiederaufnahmeantrags sein, weil es sich nicht um Entscheidungen handelt, welche das Insolvenzverfahren beenden oder auch nur die Rechtsbeziehungen des Schuldners zu den Gläubigern endgültig verbindlich regeln (vgl. BGH, Beschl. v. 2. Februar 2006, aaO); denn Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 21 f InsO können auch noch nach Ablauf der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 21 Abs. 1 Satz 2 InsO) jederzeit von Amts wegen aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung entfallen sind (HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 21 Rn. 54). Es handelt sich auch nicht um Vorentscheidungen, die entsprechend § 583 ZPO aufgehoben werden könnten. Grundlage der Entscheidungen über die Ablehnung des Insolvenzantrags mangels Masse waren nicht die Beschlüsse über die Einholung des Gutachtens und die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, sondern allenfalls das Gutachten sowie die Stellungnahmen des vorläufigen Verwalters selbst.
16
3. Das Insolvenzgericht wird damit neu über den Antrag des weiteren Beteiligten auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zu befinden haben. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der materiellen Eröffnungsvoraussetzungen ist derjenige der erneuten Entscheidung , weil das Rechtsmittel sich gegen die Abweisung eines Eröffnungsantrags richtet (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04, WM 2006, 2086, 2087).
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 21.05.2004 - 232 C 35061/04 -
LG München I, Entscheidung vom 02.09.2005 - 14 T 21189/04 -

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Hauptsache wird, insoweit sie von dem Anfechtungsgrunde betroffen ist, von neuem verhandelt.

(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Verhandlung und Entscheidung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Verhandlung über die Hauptsache erfolge. In diesem Fall ist die Verhandlung über die Hauptsache als Fortsetzung der Verhandlung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens anzusehen.

(3) Das für die Klagen zuständige Revisionsgericht hat die Verhandlung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens zu erledigen, auch wenn diese Erledigung von der Feststellung und Würdigung bestrittener Tatsachen abhängig ist.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

Geschäftsunfähig ist:

1.
wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
2.
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

Geschäftsunfähig ist:

1.
wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
2.
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

Geschäftsunfähig ist:

1.
wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
2.
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 257/05
vom
7. Dezember 2006
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Antrag auf Wiederaufnahme eines Insolvenzeröffnungsverfahrens über das
Vermögen einer GmbH wegen Fehlens eines gesetzlichen Vertreters.
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZB 257/05 - LG München I
AG München
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 7. Dezember 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin werden unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 2. September 2005, der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 21. Mai 2005 und der Beschluss des Amtsgerichts München vom 28. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und über die Kosten aller Rechtsmittel an das Amtsgericht München - Insolvenzgericht - zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Der weitere Beteiligte beantragte am 29. Oktober 2001 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Als Geschäftsführerin der Schuldnerin war zu diesem Zeitpunkt W. im Handelsregister eingetragen. Der weitere Beteiligte war (und ist) zugleich Gesellschafter der Schuld- nerin und mit den übrigen Gesellschaftern zerstritten. Er hatte Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen den Gesellschafterbeschluss über die Bestellung der W. erhoben. Die Klage hatte Erfolg. Mit Urteil vom 24. Juli 2002 stellte das Landgericht München I die Nichtigkeit des Beschlusses fest. Eine Nichtigkeitsklage gegen einen weiteren Gesellschafterbeschluss vom 13. November 2002 über die erneute Bestellung der W. hatte ebenfalls Erfolg (Urteil des LG München I vom 19. Februar 2003).
2
Am 28. Juli 2003 wies das Insolvenzgericht den Antrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ab. Rechtsanwalt Wa. , ein weiterer Gesellschafter der Schuldnerin, legte eine von W. unterzeichnete Verfahrensvollmacht vor und erhob sofortige Beschwerde. Am 23. Dezember 2003 bestellten die Gesellschafter der Schuldnerin W. und B. zu Geschäftsführerinnen. Mit Urteil des Landgerichts München I vom 27. April 2004 wurde die Nichtigkeit auch dieses Beschlusses festgestellt. Am 21. Mai 2004 wurde die sofortige Beschwerde der Schuldnerin als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschluss wurde Rechtsanwalt Wa. zugestellt.
3
Bereits vor der Entscheidung über die sofortige Beschwerde, am 7. Mai 2004, war ein Notgeschäftsführer bestellt worden. Dieser zeigte dem Insolvenzgericht am 15. Oktober 2004 an, dass er am 30. September 2004 Kenntnis von dem Abweisungsbeschluss erhalten und mittlerweile Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht München eingelegt habe. Die Rechtsbeschwerde wurde an den Bundesgerichtshof weitergeleitet; nach Belehrung über Form und Frist für die Einlegung einer Rechtsbeschwerde fand ein Rechtsbeschwerdeverfahren jedoch nicht statt.
4
2. November Am 2004 hat die durch den Notgeschäftsführer, einen Rechtsanwalt, vertretene Schuldnerin beim Beschwerdegericht "Nichtigkeitsklage" gegen sämtliche im Insolvenzverfahren ergangenen Beschlüsse eingereicht. Das Beschwerdegericht hat die Klage als Antrag auf Wiederaufnahme des Insolvenzverfahrens ausgelegt und diesen durch Beschluss zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihre Anträge auf Aufhebung sämtlicher Beschlüsse weiter.

II.


5
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 4 InsO, 591 ZPO, 6, 7, 34 Abs. 1 InsO statthaft. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wiederaufnahme (§§ 578 ff ZPO) finden im Insolvenzverfahren nach Eintritt der Rechtskraft eines streitentscheidenden Beschlusses entsprechende Anwendung (vgl. BGH, Beschl. v. 2. Februar 2006 - IX ZB 279/04, ZVI 2006, 117, 118). Für den Antrag auf Wiederaufnahme gelten gemäß § 4 InsO, § 585 ZPO die allgemeinen Vorschriften über das Insolvenzverfahren. Rechtsmittel sind insoweit zulässig , als sie gegen die Ausgangsentscheidung zulässig gewesen wären. Das ist hier die Entscheidung des Landgerichts über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss über die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind erfüllt.
6
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts über den Wiederaufnahmeantrag sowie der Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts über die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse.
7
1. Das Beschwerdegericht hat den Wiederaufnahmeantrag für zulässig gehalten. Die Voraussetzungen des Nichtigkeitsgrundes des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO seien jedoch nicht erfüllt, weil die Schuldnerin im Insolvenzverfahren durch die im Handelsregister eingetragene "faktische" Geschäftsführerin W. vertreten gewesen sei und durch diese rechtliches Gehör erhalten habe. Die erst später festgestellte Nichtigkeit der Bestellung könne wegen des Amtscharakters und der Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens nicht zu einer die Sachentscheidung des Insolvenzgerichts über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hindernden Prozessunfähigkeit der Schuldnerin führen.
8
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Antrag der Schuldnerin auf Wiederaufnahme des Insolvenzverfahrens ist zulässig und begründet.
9
a) Der Antrag ist zulässig. In ihrer am 2. November 2004, einem Dienstag , beim Landgericht eingegangenen "Nichtigkeitsklage" hat die Schuldnerin die Beschlüsse, welche angefochten werden sollen, bezeichnet sowie den Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO schlüssig dargelegt (§ 587 ZPO). Die Klagefrist des § 586 ZPO wurde gewahrt. Gemäß § 586 Abs. 1 ZPO (analog) sind Wiederaufnahmeanträge innerhalb einer Notfrist von einem Monat einzureichen. Die Frist ist gemäß § 586 Abs. 3 ZPO vom Zeitpunkt der Zustellung des anzufechtenden Beschlusses an die Schuldnerin zu berechnen. Eine wirksame Zustellung ist - das Vorbringen der Schuldnerin als richtig unterstellt - bisher nicht erfolgt. War die Bestellung der Geschäftsführerin W. unwirksam, konnte diese auch Rechtsanwalt Wa. nicht bevollmächtigen, zu dessen Händen der angefochtene Beschluss am 22. Juni 2004 zugestellt worden war. Die Nichtigkeitsklage ist ohne Rücksicht auf die Länge der seit Erlass des angefochtenen Urteils verstrichenen Zeit zulässig, wenn das Urteil weder der wieder prozessfähig gewordenen Partei noch zur Zeit ihrer Prozessunfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter zugestellt worden ist (BGH, Urt. v. 30. November 1962 - IV ZR 194/62, FamRZ 1963, 131, 132).
10
b) Der Antrag ist auch begründet. Die Schuldnerin war im Insolvenzverfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird gerichtlich und außergerichtlich durch ihre Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Die Schuldnerin hatte jedoch keinen Geschäftsführer. Alle Beschlüsse über die Bestellung der W. (und der weiteren Geschäftsführerin B. ) waren, wie rechtskräftig entschieden ist, unwirksam. Andere Geschäftsführer gab es nicht. Der frühere Geschäftsführer St. hatte sein Amt bereits am 14. September 2000, also vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, niedergelegt.
11
Ohne einen gesetzlichen Vertreter ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht prozessfähig (§§ 4 InsO, 51 Abs. 1 ZPO). Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist neben der Insolvenzfähigkeit des Schuldners (§ 11 Abs. 1 InsO) auch die Prozessfähigkeit als die Fähigkeit, selbst oder durch bestellte Vertreter Prozesshandlungen wirksam vor- und entgegen zu nehmen (OLG Dresden NJW-RR 2000, 579, 580; OLG Köln ZIP 2000, 280, 282 f). Ein Insolvenzantrag gegen einen nicht prozessfähigen Schuldner muss zurückgewiesen werden (MünchKomm-InsO/Ganter, § 4 Rn. 45; Jaeger/Gerhardt, InsO § 4 Rn. 15; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 4 Rn. 4). Ein nur "faktischer" Geschäftsführer ist nicht der gesetzliche Vertreter der GmbH.
12
Der Umstand, dass die Schuldnerin noch vor der Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss nach § 26 InsO durch die Bestel- lung des Notgeschäftsführers prozessfähig geworden ist, ändert im Ergebnis nichts. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO setzt zwar voraus, dass die Partei während des gesamten Verfahrens nicht vertreten war (MünchKomm-ZPO/Braun, 2. Aufl. § 579 Rn. 11). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch erfüllt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Notgeschäftsführer erst am 30. September 2004 Kenntnis von dem Beschluss vom 21. Mai 2004 und von den zuvor im Rahmen des Insolvenzverfahrens ergangenen Beschlüssen und Verfügungen erlangt; er hat die Schuldnerin also zu keiner Zeit im Insolvenzverfahren vertreten.
13
Ob die fehlende Prozessfähigkeit nach dem 30. September 2004 noch im Wege der Rechtsbeschwerde hätte eingewandt werden können, ist für die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag ebenfalls ohne Bedeutung. Nach § 579 Abs. 2 ZPO ist die Nichtigkeitsklage dann ausgeschlossen, wenn die Nichtigkeitsgründe gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ZPO mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnten. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass diese Einschränkung für die übrigen Nichtigkeitsgründe des § 579 Abs. 1 ZPO nicht gilt (Musielak, ZPO 5. Aufl. § 579 Rn. 11). Im hier gegebenen Fall des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hat die betroffene Partei ein Wahlrecht, ob sie ein Rechtsmittel einlegt oder Nichtigkeitsklage erhebt (BGHZ 84, 24, 27; KG NJWRR 1987, 1215, 1216; OLG Oldenburg NJW-RR 1989, 446, 447).

III.


14
1. Der angefochtene Beschluss kann damit keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst eine Sachentscheidung über den Wiederaufnahmeantrag zu treffen. Der Beschluss des Landgerichts vom 21. Mai 2004, mit dem die sofortige Beschwerde gegen die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse zurückgewiesen worden ist, ist aufzuheben. Gleiches gilt für den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 28. Juli 2003.
15
2. Der Antrag auf Aufhebung auch der Beschlüsse vom 28. Juni 2002 über die Einholung eines Gutachtens über das Vorliegen eines Insolvenzgrundes und vom 3. Dezember 2002 über die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung bleibt hingegen ohne Erfolg. Beide Beschlüsse können nicht entsprechend §§ 578 ff ZPO Gegenstand eines Wiederaufnahmeantrags sein, weil es sich nicht um Entscheidungen handelt, welche das Insolvenzverfahren beenden oder auch nur die Rechtsbeziehungen des Schuldners zu den Gläubigern endgültig verbindlich regeln (vgl. BGH, Beschl. v. 2. Februar 2006, aaO); denn Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 21 f InsO können auch noch nach Ablauf der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 21 Abs. 1 Satz 2 InsO) jederzeit von Amts wegen aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung entfallen sind (HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 21 Rn. 54). Es handelt sich auch nicht um Vorentscheidungen, die entsprechend § 583 ZPO aufgehoben werden könnten. Grundlage der Entscheidungen über die Ablehnung des Insolvenzantrags mangels Masse waren nicht die Beschlüsse über die Einholung des Gutachtens und die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, sondern allenfalls das Gutachten sowie die Stellungnahmen des vorläufigen Verwalters selbst.
16
3. Das Insolvenzgericht wird damit neu über den Antrag des weiteren Beteiligten auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zu befinden haben. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der materiellen Eröffnungsvoraussetzungen ist derjenige der erneuten Entscheidung , weil das Rechtsmittel sich gegen die Abweisung eines Eröffnungsantrags richtet (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04, WM 2006, 2086, 2087).
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 21.05.2004 - 232 C 35061/04 -
LG München I, Entscheidung vom 02.09.2005 - 14 T 21189/04 -

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft.

(3) Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes sind auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung nicht anzuwenden; die Frist für die Erhebung der Klage läuft von dem Tag, an dem der Partei und bei mangelnder Prozessfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt ist.

(4) Die Vorschrift des Absatzes 2 Satz 2 ist auf die Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 nicht anzuwenden.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft.

(3) Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes sind auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung nicht anzuwenden; die Frist für die Erhebung der Klage läuft von dem Tag, an dem der Partei und bei mangelnder Prozessfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt ist.

(4) Die Vorschrift des Absatzes 2 Satz 2 ist auf die Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 nicht anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 257/05
vom
7. Dezember 2006
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Antrag auf Wiederaufnahme eines Insolvenzeröffnungsverfahrens über das
Vermögen einer GmbH wegen Fehlens eines gesetzlichen Vertreters.
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZB 257/05 - LG München I
AG München
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 7. Dezember 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin werden unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 2. September 2005, der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 21. Mai 2005 und der Beschluss des Amtsgerichts München vom 28. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und über die Kosten aller Rechtsmittel an das Amtsgericht München - Insolvenzgericht - zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Der weitere Beteiligte beantragte am 29. Oktober 2001 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Als Geschäftsführerin der Schuldnerin war zu diesem Zeitpunkt W. im Handelsregister eingetragen. Der weitere Beteiligte war (und ist) zugleich Gesellschafter der Schuld- nerin und mit den übrigen Gesellschaftern zerstritten. Er hatte Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen den Gesellschafterbeschluss über die Bestellung der W. erhoben. Die Klage hatte Erfolg. Mit Urteil vom 24. Juli 2002 stellte das Landgericht München I die Nichtigkeit des Beschlusses fest. Eine Nichtigkeitsklage gegen einen weiteren Gesellschafterbeschluss vom 13. November 2002 über die erneute Bestellung der W. hatte ebenfalls Erfolg (Urteil des LG München I vom 19. Februar 2003).
2
Am 28. Juli 2003 wies das Insolvenzgericht den Antrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ab. Rechtsanwalt Wa. , ein weiterer Gesellschafter der Schuldnerin, legte eine von W. unterzeichnete Verfahrensvollmacht vor und erhob sofortige Beschwerde. Am 23. Dezember 2003 bestellten die Gesellschafter der Schuldnerin W. und B. zu Geschäftsführerinnen. Mit Urteil des Landgerichts München I vom 27. April 2004 wurde die Nichtigkeit auch dieses Beschlusses festgestellt. Am 21. Mai 2004 wurde die sofortige Beschwerde der Schuldnerin als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschluss wurde Rechtsanwalt Wa. zugestellt.
3
Bereits vor der Entscheidung über die sofortige Beschwerde, am 7. Mai 2004, war ein Notgeschäftsführer bestellt worden. Dieser zeigte dem Insolvenzgericht am 15. Oktober 2004 an, dass er am 30. September 2004 Kenntnis von dem Abweisungsbeschluss erhalten und mittlerweile Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht München eingelegt habe. Die Rechtsbeschwerde wurde an den Bundesgerichtshof weitergeleitet; nach Belehrung über Form und Frist für die Einlegung einer Rechtsbeschwerde fand ein Rechtsbeschwerdeverfahren jedoch nicht statt.
4
2. November Am 2004 hat die durch den Notgeschäftsführer, einen Rechtsanwalt, vertretene Schuldnerin beim Beschwerdegericht "Nichtigkeitsklage" gegen sämtliche im Insolvenzverfahren ergangenen Beschlüsse eingereicht. Das Beschwerdegericht hat die Klage als Antrag auf Wiederaufnahme des Insolvenzverfahrens ausgelegt und diesen durch Beschluss zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihre Anträge auf Aufhebung sämtlicher Beschlüsse weiter.

II.


5
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 4 InsO, 591 ZPO, 6, 7, 34 Abs. 1 InsO statthaft. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wiederaufnahme (§§ 578 ff ZPO) finden im Insolvenzverfahren nach Eintritt der Rechtskraft eines streitentscheidenden Beschlusses entsprechende Anwendung (vgl. BGH, Beschl. v. 2. Februar 2006 - IX ZB 279/04, ZVI 2006, 117, 118). Für den Antrag auf Wiederaufnahme gelten gemäß § 4 InsO, § 585 ZPO die allgemeinen Vorschriften über das Insolvenzverfahren. Rechtsmittel sind insoweit zulässig , als sie gegen die Ausgangsentscheidung zulässig gewesen wären. Das ist hier die Entscheidung des Landgerichts über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss über die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind erfüllt.
6
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts über den Wiederaufnahmeantrag sowie der Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts über die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse.
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1. Das Beschwerdegericht hat den Wiederaufnahmeantrag für zulässig gehalten. Die Voraussetzungen des Nichtigkeitsgrundes des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO seien jedoch nicht erfüllt, weil die Schuldnerin im Insolvenzverfahren durch die im Handelsregister eingetragene "faktische" Geschäftsführerin W. vertreten gewesen sei und durch diese rechtliches Gehör erhalten habe. Die erst später festgestellte Nichtigkeit der Bestellung könne wegen des Amtscharakters und der Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens nicht zu einer die Sachentscheidung des Insolvenzgerichts über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hindernden Prozessunfähigkeit der Schuldnerin führen.
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2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Antrag der Schuldnerin auf Wiederaufnahme des Insolvenzverfahrens ist zulässig und begründet.
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a) Der Antrag ist zulässig. In ihrer am 2. November 2004, einem Dienstag , beim Landgericht eingegangenen "Nichtigkeitsklage" hat die Schuldnerin die Beschlüsse, welche angefochten werden sollen, bezeichnet sowie den Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO schlüssig dargelegt (§ 587 ZPO). Die Klagefrist des § 586 ZPO wurde gewahrt. Gemäß § 586 Abs. 1 ZPO (analog) sind Wiederaufnahmeanträge innerhalb einer Notfrist von einem Monat einzureichen. Die Frist ist gemäß § 586 Abs. 3 ZPO vom Zeitpunkt der Zustellung des anzufechtenden Beschlusses an die Schuldnerin zu berechnen. Eine wirksame Zustellung ist - das Vorbringen der Schuldnerin als richtig unterstellt - bisher nicht erfolgt. War die Bestellung der Geschäftsführerin W. unwirksam, konnte diese auch Rechtsanwalt Wa. nicht bevollmächtigen, zu dessen Händen der angefochtene Beschluss am 22. Juni 2004 zugestellt worden war. Die Nichtigkeitsklage ist ohne Rücksicht auf die Länge der seit Erlass des angefochtenen Urteils verstrichenen Zeit zulässig, wenn das Urteil weder der wieder prozessfähig gewordenen Partei noch zur Zeit ihrer Prozessunfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter zugestellt worden ist (BGH, Urt. v. 30. November 1962 - IV ZR 194/62, FamRZ 1963, 131, 132).
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b) Der Antrag ist auch begründet. Die Schuldnerin war im Insolvenzverfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird gerichtlich und außergerichtlich durch ihre Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Die Schuldnerin hatte jedoch keinen Geschäftsführer. Alle Beschlüsse über die Bestellung der W. (und der weiteren Geschäftsführerin B. ) waren, wie rechtskräftig entschieden ist, unwirksam. Andere Geschäftsführer gab es nicht. Der frühere Geschäftsführer St. hatte sein Amt bereits am 14. September 2000, also vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, niedergelegt.
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Ohne einen gesetzlichen Vertreter ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht prozessfähig (§§ 4 InsO, 51 Abs. 1 ZPO). Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist neben der Insolvenzfähigkeit des Schuldners (§ 11 Abs. 1 InsO) auch die Prozessfähigkeit als die Fähigkeit, selbst oder durch bestellte Vertreter Prozesshandlungen wirksam vor- und entgegen zu nehmen (OLG Dresden NJW-RR 2000, 579, 580; OLG Köln ZIP 2000, 280, 282 f). Ein Insolvenzantrag gegen einen nicht prozessfähigen Schuldner muss zurückgewiesen werden (MünchKomm-InsO/Ganter, § 4 Rn. 45; Jaeger/Gerhardt, InsO § 4 Rn. 15; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 4 Rn. 4). Ein nur "faktischer" Geschäftsführer ist nicht der gesetzliche Vertreter der GmbH.
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Der Umstand, dass die Schuldnerin noch vor der Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss nach § 26 InsO durch die Bestel- lung des Notgeschäftsführers prozessfähig geworden ist, ändert im Ergebnis nichts. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO setzt zwar voraus, dass die Partei während des gesamten Verfahrens nicht vertreten war (MünchKomm-ZPO/Braun, 2. Aufl. § 579 Rn. 11). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch erfüllt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Notgeschäftsführer erst am 30. September 2004 Kenntnis von dem Beschluss vom 21. Mai 2004 und von den zuvor im Rahmen des Insolvenzverfahrens ergangenen Beschlüssen und Verfügungen erlangt; er hat die Schuldnerin also zu keiner Zeit im Insolvenzverfahren vertreten.
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Ob die fehlende Prozessfähigkeit nach dem 30. September 2004 noch im Wege der Rechtsbeschwerde hätte eingewandt werden können, ist für die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag ebenfalls ohne Bedeutung. Nach § 579 Abs. 2 ZPO ist die Nichtigkeitsklage dann ausgeschlossen, wenn die Nichtigkeitsgründe gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ZPO mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnten. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass diese Einschränkung für die übrigen Nichtigkeitsgründe des § 579 Abs. 1 ZPO nicht gilt (Musielak, ZPO 5. Aufl. § 579 Rn. 11). Im hier gegebenen Fall des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hat die betroffene Partei ein Wahlrecht, ob sie ein Rechtsmittel einlegt oder Nichtigkeitsklage erhebt (BGHZ 84, 24, 27; KG NJWRR 1987, 1215, 1216; OLG Oldenburg NJW-RR 1989, 446, 447).

III.


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1. Der angefochtene Beschluss kann damit keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst eine Sachentscheidung über den Wiederaufnahmeantrag zu treffen. Der Beschluss des Landgerichts vom 21. Mai 2004, mit dem die sofortige Beschwerde gegen die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse zurückgewiesen worden ist, ist aufzuheben. Gleiches gilt für den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 28. Juli 2003.
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2. Der Antrag auf Aufhebung auch der Beschlüsse vom 28. Juni 2002 über die Einholung eines Gutachtens über das Vorliegen eines Insolvenzgrundes und vom 3. Dezember 2002 über die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung bleibt hingegen ohne Erfolg. Beide Beschlüsse können nicht entsprechend §§ 578 ff ZPO Gegenstand eines Wiederaufnahmeantrags sein, weil es sich nicht um Entscheidungen handelt, welche das Insolvenzverfahren beenden oder auch nur die Rechtsbeziehungen des Schuldners zu den Gläubigern endgültig verbindlich regeln (vgl. BGH, Beschl. v. 2. Februar 2006, aaO); denn Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 21 f InsO können auch noch nach Ablauf der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 21 Abs. 1 Satz 2 InsO) jederzeit von Amts wegen aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung entfallen sind (HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 21 Rn. 54). Es handelt sich auch nicht um Vorentscheidungen, die entsprechend § 583 ZPO aufgehoben werden könnten. Grundlage der Entscheidungen über die Ablehnung des Insolvenzantrags mangels Masse waren nicht die Beschlüsse über die Einholung des Gutachtens und die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, sondern allenfalls das Gutachten sowie die Stellungnahmen des vorläufigen Verwalters selbst.
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3. Das Insolvenzgericht wird damit neu über den Antrag des weiteren Beteiligten auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zu befinden haben. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der materiellen Eröffnungsvoraussetzungen ist derjenige der erneuten Entscheidung , weil das Rechtsmittel sich gegen die Abweisung eines Eröffnungsantrags richtet (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04, WM 2006, 2086, 2087).
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 21.05.2004 - 232 C 35061/04 -
LG München I, Entscheidung vom 02.09.2005 - 14 T 21189/04 -

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Hauptsache wird, insoweit sie von dem Anfechtungsgrunde betroffen ist, von neuem verhandelt.

(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Verhandlung und Entscheidung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Verhandlung über die Hauptsache erfolge. In diesem Fall ist die Verhandlung über die Hauptsache als Fortsetzung der Verhandlung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens anzusehen.

(3) Das für die Klagen zuständige Revisionsgericht hat die Verhandlung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens zu erledigen, auch wenn diese Erledigung von der Feststellung und Würdigung bestrittener Tatsachen abhängig ist.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozeßordnung wiederaufgenommen werden.

(2) Die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage steht auch dem Vertreter des öffentlichen Interesses, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug auch dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zu.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

Geschäftsunfähig ist:

1.
wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
2.
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.