Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 17. Nov. 2016 - 6 K 2330/14

bei uns veröffentlicht am17.11.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohngebäudes.

2

Die Kläger sind Eigentümer des 948 m² großen Grundstücks K- Weg 170 (Flurstück ..., Gemarkung K...). Im vorderen, straßenseitigen Teil ist das Grundstück mit einem Wohnhaus (nachfolgend: Bestandsgebäude) bebaut. Im Bestandsgebäude befindet sich rückwärtig nach Westen hin eine Garage, die nach Angaben der Kläger über eine Tür mit dem Wohnraum verbunden ist. Ebenfalls an der westlichen Seite des Bestandsgebäudes ist in der Verlängerung der Garage nach Norden ein als Pumpenraum genehmigter Gebäudeteil vorhanden.

3

Das Grundstück der Kläger ist im Baustufenplan Bergedorf III vom 10. März 1953, erneut festgestellt am 14. Januar 1955, als „Grünfläche (Außengebiet)“ ausgewiesen. Der Flächennutzungsplan der Freien und Hansestadt Hamburg stellt für das Grundstück „Bauflächen mit Dorf- oder Wohngebietscharakter“ dar.

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Die Umgebung des klägerischen Grundstücks an der westlichen Straßenseite des K- Wegs, südlich der Kreuzung K- Weg/S- Weg ist durchgehend bebaut.

5

Im Norden grenzt das Grundstück der Kläger an das Grundstück K- Weg 168a (Flurstück ...) an. Der vordere, straßenseitige Teil dieses Grundstücks ist ein schmaler, circa 3 m breiter Zufahrtsweg (Pfeifenstiel), der zu einem rückwärtig auf dem Grundstück gelegenen Gebäude führt. Das Bestandsgebäude auf dem Grundstück der Kläger grenzt in nur geringfügigem Abstand (< 2,50 m) an diesen Zufahrtsweg auf dem Grundstück K- Weg 168a an.

6

Südlich des Grundstücks K- Weg 170 ist das Grundstück K- Weg 172 (Flurstück ...) belegen. Auf diesem Grundstück steht straßenseitig ein Wohngebäude, an das sich rückwärtig unmittelbar ein langgezogener Anbau anschließt. Eine ähnliche bauliche Situation findet sich auf dem Grundstück K- Weg 178 (Flurstück ...), das circa 75 m südlich des Grundstücks der Kläger liegt. Auch dort schließt sich rückwärtig eines Wohngebäudes ein langgezogener Anbau an.

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Die weiteren Grundstücke in der Umgebung des Grundstücks der Kläger auf der westlich gelegenen Seite des K- Wegs sind mit einer ersten Reihe von Wohnhäusern entlang der Straße bebaut. Darüber hinaus gibt es weitere Wohnhäuser im Hinterland.

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Mit Schreiben vom 17. Oktober 2013 reichten die Kläger einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung im Verfahren nach § 61 HBauO für die Errichtung eines weiteren Wohngebäudes auf ihrem Grundstück ein. Das Wohngebäude soll zwei Geschosse aufweisen und mit Satteldach errichtet werden. Es ist vorgesehen dieses Gebäude unmittelbar an die westliche Seite des Bestandsgebäudes anzubauen. Ein Durchbruch zwischen den Gebäuden ist nicht geplant. Zu der nördlichen, südlichen und westlichen Grundstücksgrenze soll das Wohnhaus jeweils mindestens 2,50 m Abstand einhalten.

9

Mit Schreiben vom 8. November 2013 bestätigte die Beklagte den Eingang des Antrags und forderte verschiedene Unterlagen nach. Dabei teilte sie mit, dass die Abstandsflächen zwischen den beiden Wohngebäuden komplett fehlten und die übrige Berechnung der eingezeichneten Abstandsflächen nicht nachvollziehbar sei. Die Dachüberstände seien ab einer Größe von 50 cm bei der Berechnung zu berücksichtigen.

10

Am 15. November 2013 reichten die Kläger die nachgeforderten Unterlagen bei der Beklagten ein, wobei die Dachüberstände abgeändert wurden; Abstandsflächen zwischen den beiden Wohngebäuden sahen auch die nachgereichten Unterlagen nicht vor.

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Mit Schreiben vom 30. Dezember 2013 wurden die Kläger zu der geplanten Ablehnung ihres Antrags angehört.

12

Mit Bescheid vom 16. Januar 2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung ab. Zur Begründung führte sie aus: Das Vorhaben liege in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Der Ortsteil sei geprägt durch eine erste Reihe Wohnhäuser entlang der Straße und eine zweite Reihe im Hinterland. Zwei historisch gewachsene Gewerbebetriebe (K- Weg 172 und 178) mit langen Anbauten, in denen sich Hauptnutzungen befänden, fielen hinsichtlich des Maßes der Bebauung deutlich aus dem Rahmen. Das Vorhaben überschreite zwar diesen sehr großen Rahmen nicht, es sei aber unzulässig, da es bodenrechtliche Spannungen durch seine negative Vorbildwirkung auslöse. Durch seinen Standort werde es zum Vorbild für die Schaffung einer dritten Gebäudereihe. Eine solche Entwicklung überschreite das für die Vier- und Marschlande verträgliche Maß der Verdichtung.

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Darüber hinaus könne das Vorhaben auch aus bauordnungsrechtlichen Gründen nicht genehmigt werden, da die Abstandsflächen nicht nachgewiesen seien. Die Garage könne, da sie Bestandteil des Hauptgebäudes sei, nicht zu den privilegierten Nebenanlagen zählen. Es fehle daher an Abstandsflächen zwischen den beiden Gebäuden. Soweit eine innere Verbindung zwischen dem Bestandsgebäude und dem Neubau geplant sei, werde das Bestandsgebäude dadurch wesentlich geändert und verliere daher seinen Bestandsschutz. Für diesen Fall seien auch für den bereits vorhandenen Gebäudeteil Abstandsflächen einzuhalten.

14

Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 1. Februar 2014 Widerspruch. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus:

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Das Vorhaben füge sich im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Der zur Genehmigung gestellte Anbau entspreche dem von der maßgeblichen Umgebungsbebauung vorgegebenen Rahmen. Die Umgebungsbebauung sei inhomogen. Eine einheitliche Struktur des Baugebiets, mit einer ersten Reihe von Wohnhäusern entlang der Straße, einem dahinter liegenden freien Streifen und einer zweiten (rückwärtigen) Baureihe, gebe es nicht. Denn diese werde durch die Gebäude K- Weg 172 und 178 durchbrochen. Die Gebäude K- Weg 172 und 178 seien keine Fremdkörper, sondern hätten prägende Wirkung. Außerdem stehe das Gebäude K- Weg 182 inmitten des mittleren, von Bebauung freien Streifens. Mit Blick auf das Maß der baulichen Nutzung sei das Vorhaben ebenso zulässig. Dies belegten die tatsächlich dichter bebauten Grundstücke K- Weg 172 und 178 sowie K- Weg 166 und 168 mit den sich weiter anschließenden Gebäuden S- Weg 37 und 39. Für ein ausnahmsweises Nicht-Einfügen wegen Verletzung des Rücksichtnahmegebots sei nichts ersichtlich. Das Vorhaben erzeuge im Verhältnis zu seiner Umgebung keine bewältigungsbedürftigen Spannungen und rufe kein Planungsbedürfnis hervor.

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Bauordnungsrechtlich begegne das Vorhaben ebenfalls keinen Bedenken. Soweit die Beklagte meine, die Genehmigungsfrage für das Bestandsgebäude werde neu aufgeworfen, übersehe sie, dass der Bauherr der „Herr“ des Vorhabenbegriffs sei. Er könne prinzipiell frei bestimmen, was Gegenstand seines Bauantrags sei. Danach gehe es allein um den zur Genehmigung gestellten Anbau als solchen, bei welchem es sich um ein selbstständiges, vom Bestandsgebäude unabhängiges Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 HBauO handele. Mit dem Anbau werde in den baulichen Bestand und dessen Nutzung nicht eingegriffen. Der rückwärtige Anbau sei in der Sache nichts anderes als der unmittelbare seitliche Anbau eines neuen Gebäudes an ein Bestandsgebäude in der geschlossenen Bauweise. Es entstehe kein Gesamtgebäude oder sonst eine Vergrößerung der Nutzungsflächen mit baurechtlicher Relevanz. Für den verfahrensgegenständlichen rückwärtigen Anbau seien die Abstandsflächen nachgewiesen.

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Selbst wenn man mit dem zur Genehmigung gestellten Anbau zugleich die Genehmigungsfrage für das Bestandsgebäude als neu aufgeworfen betrachten wolle, stelle sich für das Letztere die Abstandsflächenfrage nicht neu. Das gelte jedenfalls dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Nutzung im Bestandsgebäude keine wesentliche Verschlechterung für das Nachbargrundstück mit sich bringe oder unverändert bleibe. Dass sich die Garage im vorhandenen Hauptgebäude befinde und damit Bestandteil desselben sei, habe mit dem zulässigen unmittelbaren Anbau an das Vordergebäude nichts zu tun.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Sie wiederholte und vertiefte ihre Argumente aus dem Ablehnungsbescheid: Dem Bauvorhaben stehe jedenfalls § 6 HBauO entgegen. Die einzuhaltenden Abstandsflächen seien nicht nachgewiesen. Dabei käme es nicht darauf an, ob das Bauvorhaben als eigenständiges Gebäude oder als Anbau und damit als Einheit mit dem Bestandsgebäude einzustufen sei. Soweit es sich um ein eigenständiges Gebäude handeln würde, müssten vor den Außenwänden des Bauvorhabens Flächen von oberirdischen Gebäuden freigehalten werden. Das sei bei dem geplanten Vorhaben nicht der Fall, da es unmittelbar an das bestehende Gebäude angrenzen werde. Eine Privilegierung der Garage gemäß § 6 Abs. 7 Nr. 1 HBauO in den Abstandsflächen komme nicht in Betracht, denn es handele sich nicht um eine eigenständige Garage. Beurteile man das Bauvorhaben hingegen als Anbau an ein vorhandenes Gebäude, stelle sich die Abstandsflächenfrage für das Gesamtgebäude, d.h. das Bauvorhaben einschließlich des Bestandsgebäudes. Das Bestandsgebäude halte die notwendige Abstandsfläche zum nördlich gelegenen Nachbargrundstück nicht ein. Zwar sei dies nach der Rechtsprechung dann unschädlich, wenn die Änderung des Bestandsgebäudes die durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange im Vergleich zum bisherigen Zustand nicht negativ beeinflusse. Eine Gesamtbetrachtung des Bestandsgebäudes und des Anbaus ergebe vorliegend jedoch, dass eine Verschlechterung der abstandsflächenrechtlichen Belange gegeben sei.

19

Die Kläger haben am 2. Mai 2014 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholen sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend und vertiefend führen sie aus: § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO dürfe nicht dahin missverstanden werden, dass schon allein aus dem Vorliegen eines (selbstständigen) „Gebäudes“ im Sinne des § 2 Abs. 2 HBauO zwingend und in jeder Fallkonstellation folge, dass Flächen von anderen oberirdischen Gebäuden freizuhalten seien. Dies sei beim unmittelbaren Anbau des Gebäudes nicht erforderlich. Beispiele seien insofern auch das Reihenhaus und das Doppelhaus im echten und unechten Sinne. Auch kämen die Schutzzwecke des Abstandsflächenrechts beim unmittelbaren Anbau nicht zum Tragen. Indem § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO auf die „Außenwand“ abstelle, erfasse die Vorschrift nur die Gebäude mit allen ihren Abschlusswänden, die freistehende Gebäude seien. Nicht „Außenwände“, weil nicht (mehr) „von außen sichtbar“ seien demgegenüber die zwei unmittelbar aneinandergebauten Außenwände des unechten Doppelhauses. Dessen Hälften müssten folglich zueinander keine Abstandsflächen einhalten. Es komme dabei nicht darauf an, ob die Doppelhaushälften zeitgleich oder nacheinander errichtet würden. Eine Abstandsflächenfrage sei auch nicht dadurch aufgeworfen, dass das mit einer besonderen Brandwand an das Bestandsgebäude anschließende Vorhaben höher sei als der rückwärtige Teil des Bestandsgebäudes.

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Die Kläger beantragen,

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die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 16. Januar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2014 zu verpflichten, die von den Klägern beantragte Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohngebäudes auf dem Grundstück K- Weg 170 zu erteilen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Die Beklagte verweist auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheids.

25

Die Sachakten der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt und auf den Inhalt der Gerichtsakte wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

26

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die Ablehnung der von den Klägern begehrten Baugenehmigung ist nicht i.S.d. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO rechtswidrig und verletzt die Kläger daher auch nicht in ihren Rechten. Denn die Kläger verfügen über keinen Anspruch auf Erteilung derselben.

27

Nach § 72 Abs. 1 HBauO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn dem Bauvorhaben der Kläger steht § 6 HBauO, der in dem von ihnen beantragten vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 61 Abs. 2 Nr. 2 HBauO zu prüfen ist, entgegen. Aufgrund der schon hierdurch begründeten Unzulässigkeit des Bauvorhabens bedarf es keiner Entscheidung, ob auch aus anderen - insbesondere bauplanungsrechtlichen -Gründen ein Anspruch der Kläger nach § 72 Abs. 1 Satz 1 HBauO ausscheidet.

28

Das Bauvorhaben der Kläger muss gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO auch zu dem Bestandsgebäude auf dem Vorhabengrundstück Abstandsflächen einhalten (hierzu 1.). Abstandsflächenrechtliche Ausnahmeregelungen greifen nicht ein (hierzu 2.). Die Abstandsflächen zu dem Bestandsgebäude werden nicht eingehalten (hierzu 3.).

29

1. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Flächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten (Abstandsflächen). Das streitgegenständliche Bauvorhaben ist ein Gebäude (hierzu a.), das auch zu dem Bestandsgebäude hin eine Außenwand aufweist (hierzu b.).

30

a. Der Begriff des Gebäudes ist in § 2 Abs. 2 HBauO definiert. Gebäude sind hiernach selbstständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Eine selbstständige Benutzbarkeit liegt vor, wenn das Gebäude eine funktional abgeschlossene Einheit darstellt, es also unabhängig von sonstigen baulichen Anlagen genutzt werden kann (Niere, in: Alexejew, § 2 HBauO, Stand: Januar 2016, § 2 Rn. 51 m.w.N.). Das Bauvorhaben der Kläger ist ein Gebäude in diesem Sinne. Das Bauvorhaben weist für sich betrachtet alle Merkmale des Gebäudebegriffs auf, insbesondere ist es selbstständig benutzbar. Nach den Bauvorlagen hat das Bauvorhaben einen eigenen Eingang und ist funktional nicht mit dem Bestandsgebäude verbunden. Ein Fall eines (unselbstständigen) Anbaus, der möglicherweise die Abstandsflächenfrage für das Bestandsgebäude aufwerfen könnte, liegt damit nicht vor.

31

b. Das Gebäude weist auch zum Bestandsgebäude hin eine Außenwand im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO auf.

32

aa. Der Begriff der Außenwände eines Gebäudes im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO wird von der Hamburgischen Bauordnung nicht ausdrücklich definiert. Gleichwohl liegt der Hamburgischen Bauordnung ein bestimmtes Begriffsverständnis der abstandsflächenrelevanten Außenwände zugrunde. Bezugspunkt des Begriffs der Außenwände im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO ist der Gebäudebegriff, der - wie oben bereits erwähnt - in § 2 Abs. 2 HBauO definiert ist. Die Definition des Gebäudes stellt auf die Merkmale der selbstständigen Benutzbarkeit und der überdeckten, von Menschen betretbaren sowie Schutz gewährenden baulichen Anlage ab und impliziert damit, dass jedes (bauordnungsrechtliche) Gebäude einen „Innenraum“ in diesem Sinne aufweist. Dies zugrunde gelegt, sind die „Außen“wände eines Gebäudes die Wände, die den gesamten Innenraum eines Gebäudes im Sinne des § 2 Abs. 2 HBauO umschließen. Unerheblich ist dabei, ob diese Umschließung nach „außen“ erfolgt, da die Verwendung dieses Kriteriums zirkulär wäre.

33

Nach diesem Begriffsverständnis weist das Bauvorhaben der Kläger auch an dessen östlicher Seite eine abstandsflächenrelevante Außenwand auf. Denn bei diesem Bauteil handelt es sich nicht nur i.S.d. § 6 Abs. 4 Satz 2 HBauO um eine Wand, sondern auch um eine den Innenraum des klägerischen Gebäudes umschließende Wand.

34

bb. Der Einwand der Kläger, die östliche Wand sei keine Abstandsflächen auslösende Außenwand, da sie unmittelbar an das Bestandsgebäude angebaut werde und daher nicht von außen „sichtbar“ sei, überzeugt aus mehreren Gründen nicht.

35

(1) Wäre diese Auffassung zutreffend, liefe die abstandsflächenrechtliche Grundregel des § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO im Wesentlichen leer: Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 HBauO könnten dann stets und unabhängig von ihrer Anzahl aneinandergebaut werden, obwohl Satz 1 gerade davon ausgeht, dass Abstandsflächen vor „Gebäuden“ i.S.d. § 2 Abs. 2 HBauO zu anderen „oberirdischen Gebäuden“ einzuhalten sind. Eine Begrenzung wäre allein durch die Grundstücksgrenzen gegeben, die durch Vereinigungen von Grundstücken in der Regel ohne weiteres aufgehoben werden können.

36

(2) Auch die Systematik des § 6 HBauO wäre in Frage gestellt. Denn eines Rückgriffs auf die in § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO formulierte Ausnahmeregelung bedürfte es in vielen Fällen nicht mehr. Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen oder bauordnungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Würde nun - wie dies von den Klägern vertreten wird - in den Fällen des Aneinanderbauens zweier Gebäude (auf unterschiedlichen Grundstücken) die Anwendbarkeit des Abstandsflächenrechts bereits aufgrund der fehlenden „Sichtbarkeit“ der aneinandergebauten Außenwände entfallen, käme es für diese Fälle auf das Vorliegen einer planungsrechtlichen oder bauordnungsrechtlichen Vorschrift im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO nicht mehr an. Dies widerspricht auch der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts. So prüft das Hamburgische Oberverwaltungsgericht beispielsweise die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit eines (echten) Doppelhauses anhand der Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO und geht gerade nicht darauf ein, ob die Doppelhaushälften zueinander Außenwände im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 HBauO aufweisen; es setzt sie vielmehr voraus (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 27. Juli 1015, 2 Bs 127/15, juris Rn. 14).

37

(3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf die von den Klägern für ihre Sichtweise angeführten Nachweise aus Rechtsprechung und Literatur. Insbesondere aus dem von ihnen angeführten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 17. November 2009 (7 B 1350/09, juris), nach dem Außenwände „von außen sichtbar“ sein müssen, können die Kläger nichts für sie Günstiges herleiten. Das Oberverwaltungsgericht Münster setzt sich in dem Beschluss schon nicht mit der Rechtslage nach der Hamburgischen Bauordnung auseinander. Darüber hinaus behandelt der Beschluss aber auch keinen mit dem vorliegenden Fall des Aneinanderbauens zweier selbstständiger Gebäude vergleichbaren Fall, sondern beschäftigt sich allein mit der Frage, wie sich eine an einer Außenwand eines Dachgeschosses angebrachte Pergolakonstruktion abstandsflächenrechtlich auswirkt. Im Übrigen versteht das Oberverwaltungsgericht Münster das Merkmal der „Sichtbarkeit“ - anders als die Kläger - auch gerade nicht im Sinne einer „optischen Wahrnehmbarkeit“, sondern stellt ausdrücklich auf eine „objektive Erkennbarkeit des Gebäudeabschlusses“ ab (a.a.O., juris Rn. 12 ff.).

38

Soweit sich die Kläger für ihre Sichtweise auf die Kommentierung von Niere (in: Alexejew, HBauO, Stand: Januar 2016, § 6 Rn. 18) stützen, kann dem nicht gefolgt werden. Die von den Klägern zitierte Kommentarstelle bezieht sich auf Fallgestaltungen, in denen Bestandsgebäude verändert werden. Zum einen spricht Niere in seiner Kommentierung ausdrücklich vom Anbau an vorhandene Gebäude, d.h. von dem Fall, dass Anbau und vorhandenes Gebäude zu einem Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 HBauO werden und insoweit die alte Außenwand ihre Qualifikation als solche verliert (Rn. 18 a.E.). Zum anderen verweist Niere seinerseits auf eine Kommentarstelle aus dem Kommentar zur Bayerischen Bauordnung von Simon/Busse, in der es um die Einhaltung von Abstandsflächen bei der Änderung von Gebäuden geht (Dhom, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 6 Rn. 15). Aus der Kommentarstelle von Niere kann daher für den vorliegenden Fall, in dem es gerade nicht um die Veränderung eines Bestandsgebäudes geht, nichts hergeleitet werden.

39

(4) Unabhängig der vorgenannten Erwägungen überzeugt die Argumentation der Kläger schließlich auch im Tatsächlichen nicht. Denn die östliche Wand des Bauvorhabens wird nach den Bauvorlagen auch nach der Errichtung des Bauvorhabens zum Teil „sichtbar“ sein. Die östliche Wand des Bauvorhabens und die Wand des Bestandsgebäudes, an die angebaut werden soll, decken sich nicht vollständig. Die östliche Wand des streitgegenständlichen Vorhabens ragt nach den Bauvorlagen vielmehr in der Höhe (und nur darauf kommt es wegen § 6 Abs. 3 Nr. 1 HBauO an) über die westliche Wand des Bestandsgebäudes hinaus (vgl. Bauvorlage 7/9). Aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen dies für die Beurteilung der „Sichtbarkeit“ der Außenwand unbeachtlich sein soll, ist nicht ersichtlich.

40

2. Das Bauvorhaben ist nicht aufgrund einer abstandsflächenrechtlichen Ausnahmeregelung zulässig. Weder ist § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO einschlägig (hierzu a.), noch lässt sich für den vorliegenden Fall eine sonstige Ausnahme erkennen (hierzu b. und c.).

41

a. Die Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO greift für das streitgegenständliche Bauvorhaben bereits im Ansatz nicht ein. Denn die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO gilt nur für die Abstandsflächen vor Außenwänden, die „an Grundstücksgrenzen“ errichtet werden. Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO sind z.B. die Vorschriften über die Bauweise (§ 22 BauNVO), insbesondere auch die Regelung über Doppelhäuser (§ 22 Abs. 2 BauNVO, vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 27.7.2015, 2 Bs 127/15, juris Rn. 14 (noch zur offenen Bauweise nach der BPVO)). Auch wenn eine Baugrenze nach § 23 Abs. 3 BauNVO unmittelbar an der Grundstücksgrenze festgesetzt wird, darf nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden und ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO eine Abstandsfläche vor Außenwänden nicht erforderlich (OVG Hamburg, Beschl. v. 12.2.2010, 2 Es 2/09, juris Rn. 29). Das streitgegenständliche Vorhaben weist indes Abstandsflächen zu den Grundstücksgrenzen auf, nicht jedoch zu dem bereits vorhandenen Bestandsgebäude. Eine Regelung zu Abstandsflächen vor Außenwänden von Gebäuden auf einem ungeteilten Grundstück enthält § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO gerade nicht.

42

b. Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, dass ihr Bauvorhaben keine Abstandsflächen zu dem Bestandsgebäude einzuhalten habe, weil das Abstandsflächenrecht nach Sinn und Zweck insoweit nicht einschlägig sei. Die Abstandsflächenregelungen der Hamburgischen Bauordnung tragen dem Gedanken Rechnung, dass Abstände vor Außenwänden von Gebäuden Belichtung, Belüftung und Besonnung des betreffenden Gebäudes ermöglichen und gleichzeitig Freiräume zugunsten der Bewohner und Benutzer der Gebäude im Interesse gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse schaffen. Sie sollen außerdem dem Brandschutz dienen. Darüber hinaus zielen sie darauf ab, den nachbarlichen Wohnfrieden und eine gestalterisch aufgelockerte und durchgrünte Bebauung sicherzustellen (OVG Hamburg, Urt. v. 31.3.1994, Bf II 1/91, juris Rn. 37; Bü-Drs. 18/2549, S. 42: „Zugang von Licht, Luft und Sonne; Brandschutz; 'Sozialabstand'“; Niere, in: Alexejew, HBauO, Stand: Januar 2016, § 6 Rn. 2). Diese Schutzzwecke entfalten auch für die östliche Außenwand des Bauvorhabens der Kläger und die westliche Wand des Bestandsgebäudes Relevanz. Dies gilt insbesondere für die Schutzzwecke des Brandschutzes und der Herstellung einer gestalterisch aufgelockerten und durchgrünten Bebauung. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass diesen Schutzzwecken bei ohne Abstand errichteten Gebäuden in gleicher Weise Rechnung getragen wäre, wie bei einer Einhaltung der Abstandsflächen.

43

c. Die Kläger können schließlich auch nichts für sie Günstiges aus einem Vergleich zu sog. Doppelhäusern herleiten.

44

Soweit sich die Kläger insoweit auf die abstandsflächenrechtliche Privilegierung echter Doppelhäuser nach § 6 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 22 Abs. 2 BauNVO stützen wollen, trägt dies bereits im Ansatz nicht. Zwar dürfte für das Vorhabengrundstück nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BauGB eine offene Bauweise im Sinne des § 22 Abs. 2 BauNVO vorliegen. Unabhängig davon greift die abstandsflächenrechtliche Privilegierung von echten Doppelhäusern nach § 6 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 22 Abs. 2 BauNVO jedoch nur für Abstandsflächen an Grundstücksgrenzen (siehe auch bereits unter a.). Das Bauvorhaben der Kläger soll indes nicht an einer Grundstücksgrenze, sondern unmittelbar rückwärtig eines Bestandsgebäudes errichtet werden.

45

Auf eine abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit sog. „unechter“ Doppelhäuser, d.h. solcher Doppelhäuser, die auf einem (ungeteilten) Grundstück errichtet werden, können sich die Kläger ebenfalls nicht berufen. Zwar mag es zutreffen, dass auch die Doppelhaushälften solcher „unechten“ Doppelhäuser in entsprechender Anwendung des § 22 Abs. 2 BauNVO in der offenen Bauweise ohne die Einhaltung von Abstandsflächen zueinander errichtet werden können (vgl. Niere, in: Alexejew, HBauO, Stand: Januar 2016, § 6 Rn. 35). Das Bauvorhaben bildet gemeinsam mit dem Bestandsgebäude jedoch gerade kein „unechtes“ Doppelhaus. Denn anders als bei einem „unechten“ Doppelhaus liegt das Bauvorhaben der Kläger nicht straßenseitig betrachtet seitlich neben dem Bestandsgebäude, sondern rückwärtig hinter diesem. Es ist daher in doppelter Hinsicht als „unecht“ zu bezeichnen. Für ein solches „doppelt unechtes“ Doppelhaus kann aus der Regelung zur Bauweise des § 22 BauNVO jedoch nichts hergeleitet werden, da diese Regelung sich allein mit den seitlichen Grundstücksgrenzen befasst.

46

Im Übrigen beruht die abstandsflächenrechtliche Privilegierung von Doppelhäusern im Sinne des § 22 Abs. 2 BauNVO auf einer wechselseitigen Ausgleichskonzeption der Doppelhaushälften, die für das Bauvorhaben der Kläger und das Bestandsgebäude gerade nicht erkennbar ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen die Doppelhaushälften eines Doppelhauses eine (bauplanungsrechtliche) bauliche Einheit bilden. Das Erfordernis der (bauplanungsrechtlichen) baulichen Einheit ist dabei nur erfüllt, wenn die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (BVerwG, Urt.v. 24.2.2000, 4 C 12/98, juris Ls. 2; ausführlich zum Begriff des Doppelhauses auch OVG Hamburg, Beschl. v. 27.7.2015, 2 Bs 127/15, juris Rn. 18). Ob eine bauliche Einheit gegeben ist, beurteilt sich nach quantitativen und qualitativen Merkmalen. In welchem Umfang die beiden Haushälften zusammengebaut sein müssen, lässt sich dabei weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen; verlangt ist vielmehr eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urt.v. 24.2.2000, 4 C 12/98, juris Rn. 20 und 22; Urt. v. 19.3.2015, 4 C 12/14, juris Rn. 15 ff.). Quantitative Kriterien sind z.B. die Bautiefe, die Geschossigkeit, die Gebäudehöhe und das oberirdische Brutto-Raumvolumen (BVerwG, Urt. v. 19.3.2015, 4 C 12/14, juris Rn. 16 f.; vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 28.1.2016, 8 B 11203/15). In qualitativer Hinsicht müssen die beiden Haushälften zwar nicht deckungsgleich oder spiegelbildlich sein, jedoch ein Mindestmaß an Übereinstimmung aufweisen, so dass das Doppelhaus als ein (bauplanungsrechtliches) Gebäude erscheint (vgl. BVerwG, Urt.v. 24.2.2000, 4 C 12/98, juris Rn. 18, Urt. v. 19.3.2015, 4 C 12/14, juris Rn. 18 f.).

47

Gemessen an diesen Maßstäben ist das Bauvorhaben der Kläger gemeinsam mit dem Bestandsgebäude nicht mit einem Doppelhaus vergleichbar. Es fehlt an der baulichen Einheit im genannten Sinne, die eine abstandsflächenrechtliche Privilegierung rechtfertigen könnte. Denn bei einer Gesamtbetrachtung weisen das streitgegenständliche Bauvorhaben und das Bestandsgebäude kein Mindestmaß an Übereinstimmung auf. Die Gebäude ähneln sich insbesondere hinsichtlich der Kriterien der Bautiefe und der Gebäudehöhe in keiner Weise. Darüber hinaus gibt es auch keine verbindenden gestalterischen Elemente, die den Eindruck der baulichen Einheit vermitteln.

48

3. Das Vorhaben hält die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4, 5 HBauO erforderlichen Abstandsflächen an der östlichen Außenwand nicht ein, da es unmittelbar an das Bestandsgebäude angebaut werden soll. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bestandsgebäude im rückwärtigen Bereich eine Garage und einen als Pumpenraum genehmigten Gebäudeteil aufweist. Nach § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 HBauO sind eingeschossige Garagen und eingeschossige Gebäude in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig. Abstandsflächenrechtlich wären eine Garage und ein eingeschossiges Gebäude im Sinne des § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 HBauO zwischen Bestandsgebäude und dem geplanten Vorhaben daher nicht zu berücksichtigen. Jedenfalls die Garage im rückwärtigen Bereich des Bestandsgebäudes fällt indes nicht unter die Privilegierung des § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 HBauO. Denn Garagen im Sinne dieser Vorschrift sind nur solche Garagen, die funktional und konstruktiv vom Hauptgebäude getrennt sind (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.11.2011, 8 A 10443/11, juris Rn. 101; Niere, in: Alexejew, HBauO, Stand: Januar 2016, § 6 Rn. 109). So liegt es hier nicht, da die Garage vom Wohngebäude aus betreten werden kann und daher mit diesem verbunden ist.

49

Aber selbst dann, wenn eine Privilegierung im Sinne des § 6 Abs. 7 Nr. 1 HBauO in Betracht käme, wären die Abstandsflächen zwischen dem Bestandsgebäude und dem geplanten Vorhaben nicht gewahrt. Aus den Antrags- und Planunterlagen ergibt sich, dass die Garage und der als Pumpenraum genehmigte Gebäudeteil lediglich 4,50 m breit sind. Die Summe der Abstandsflächen vor der östlichen Wand des Bauvorhabens und vor der westlichen Wand des Bestandsgebäudes (ohne Garage und Pumpenraum), liegt jedoch über 4,50 m. Die Abstandsfläche vor der östlichen Wand des Bauvorhabens beträgt mindestens 2,50 m. Hinzu kommt eine Abstandsfläche von mindestens 2,50 m vor der westlichen Wand des Bestandsgebäudes, so dass in der Summe ein Abstand von mindestens 5,00 m zwischen den Gebäuden liegen müsste.

II.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 17. Nov. 2016 - 6 K 2330/14 zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 23 Überbaubare Grundstücksfläche


(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. (2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut wer

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 22 Bauweise


(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden. (2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der i

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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 17. Nov. 2016 - 6 K 2330/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 17. Nov. 2016 - 6 K 2330/14 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 28. Jan. 2016 - 8 B 11203/15

bei uns veröffentlicht am 28.01.2016

Diese Entscheidung zitiert Tenor Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Trier vom 9. Dezember 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18. März 2015 in Gestalt d

Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 27. Juli 2015 - 2 Bs 127/15

bei uns veröffentlicht am 27.07.2015

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 18. Mai 2015 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Koste

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 19. März 2015 - 4 C 12/14

bei uns veröffentlicht am 19.03.2015

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung ihres grenzständig errichteten Wohnhauses.

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Nov. 2011 - 8 A 10443/11

bei uns veröffentlicht am 22.11.2011

Tenor Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13. Januar 2011 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 29. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. August 2010 hi

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 18. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit drei Wohneinheiten und Tiefgarage.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks A.-Straße 15a, das mit einem dreigeschossigen Wohnhaus bebaut ist. Die fenster- und schmucklos gestaltete südöstliche Giebelwand des Gebäudes steht unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen; im Übrigen ist es freistehend errichtet. Das Gebäude verfügt über ein Satteldach, dessen Firsthöhe nach den - insoweit nicht stimmigen - Bauvorlagen der Beigeladenen 59,40 m oder 59,90 m üNN beträgt, und ist außerdem mit einen Quergiebel ausgestattet. Auf dem Grundstück der Beigeladenen befindet sich gegenwärtig etwa 3,00 m bis 3,50 m von der gemeinsamen Grenze entfernt ein zweigeschossiges Wohngebäude, das ebenfalls auf der Grenze zu seinem südöstlichen Nachbarn steht. Der Baustufenplan Blankenese, erneut festgestellt am 14. Januar 1955 (Amtl. Anz. S. 61), der beide Gebäude als Bestand darstellt, weist die Grundstücke und ihre Umgebung als zweigeschossiges Wohngebiet mit offener Bauweise aus.

3

Die umstrittene Baugenehmigung sieht nunmehr einen Neubau vor, der auf der gesamten Länge seiner nordwestlichen Außenwand - deckungsgleich - an die südöstliche Außenwand des Gebäudes der Antragstellerin angebaut werden soll. Er soll über zwei Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss, ein Satteldach mit einer Firsthöhe von 59,90 m üNN sowie ebenfalls einen Quergiebel verfügen. Das über die Geländeoberfläche hinausragende, aber weder als Vollgeschoss noch als oberirdisches Geschoss geltende Tiefgaragengeschoss springt an der Rückseite des Vorhabens knapp 4,00 m und an seiner südöstlichen Seite 3,00 m gegenüber dem Erdgeschoss hervor und soll die Terrasse der dortigen Wohnung aufnehmen. Dieser Teil des Gebäudes ist 4,00 m von der gemeinsamen Grenze mit dem Grundstück der Antragstellerin zurückgesetzt und reicht bis auf 0,70 m an die südöstliche Nachbargrenze heran. Die Baugenehmigung enthält planungsrechtliche Befreiungen für die Überschreitung der zulässigen Grundflächenzahl um 1,2/10 auf 4,2/10 und die Überschreitung der vorderen Baulinie durch einen Balkon sowie - mit Zustimmung des Eigentümers des südöstlich angrenzenden Grundstücks - bauordnungsrechtliche Abweichungen für die Unterschreitung der erforderlichen Tiefe der Abstandsflächen an der Südostseite des Vorhabens.

4

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit der Begründung abgelehnt, dass die streitige Baugenehmigung sie aller Voraussicht nach nicht in ihren subjektiven Rechten verletze. Eine Abstandsfläche sei nach bauordnungsrechtlichen Vorschriften, nämlich nach § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO, entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht erforderlich. Die Anwendung der Vorschrift, welche die Bauaufsichtsbehörde ermächtige, einen Grenzanbau zuzulassen oder zu verlangen, wenn zwar nach planungsrechtlichen Vorschriften nicht an die Nachbargrenze gebaut werden dürfe, aber auf dem Nachbargrundstück ein Gebäude an der Grenze vorhanden sei, setze nicht als zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass eine planungsrechtliche Rechtfertigung für den Grenzanbau bestehe. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht in einem umgekehrten Fall, in dem das Planungsrecht eine geschlossene Bauweise vorgesehen habe, verlangt, dass die auf eine landesrechtliche Vorschrift gestützte Entscheidung, die Grenzbebauung zu versagen, eine planungsrechtliche Rechtfertigung besitzen müsse. Die planungsrechtliche Rechtfertigung sei aber keine bauordnungsrechtliche Frage, sondern eine Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Planungsrecht. Nur auf diese Weise bleibe die systematische Trennung von Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht erhalten. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass verschiedene Vorschriften in unterschiedlichem Maße Drittschutz vermittelten und daher in unterschiedlichem Maße von betroffenen Dritten zur Überprüfung gestellt werden könnten, erscheine eine Vermischung der unterschiedlichen Materien nicht geboten. Ob ein Verstoß gegen das Bauplanungsrecht vorliege, weil die Antragsgegnerin einen Grenzanbau genehmigt habe, obwohl der Baustufenplan die offene Bauweise vorschreibe, könne indes offen bleiben. Denn die Antragstellerin könne sich nicht auf die etwaige Verletzung dieser Vorschrift berufen, weil Festsetzungen über die Bauweise regelmäßig - und so auch hier - keine nachbarschützende Wirkung hätten. Aus demselben Grunde könne dahinstehen, ob die Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung der offenen Bauweise erforderlich gewesen wäre. Auch sonst sei eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht ersichtlich.

5

Mit ihrer hiergegen erhobenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Sie rügt u.a. eine fehlerhafte Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO und macht weiter geltend, dass der durch den Grenzanbau entstehende Gesamtbaukörper planungsrechtlich auch nicht als Doppelhaus zu qualifizieren sei.

II.

6

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg.

7

1. Allerdings wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerdebegründung zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen gegen die entscheidungstragende Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO eine planungsrechtliche Rechtfertigung des Grenzanbaus nicht voraussetze. Das Verwaltungsgericht hat insoweit den Vorrang des Bundesrechts (Art. 31 GG) verkannt.

8

a) § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO ermächtigt die Bauaufsichtsbehörde für den Fall, dass nach planungsrechtlichen Vorschriften nicht an die Nachbargrenze gebaut werden darf, auf dem Nachbargrundstück aber ein Gebäude an der Grenze vorhanden ist, zuzulassen oder zu verlangen, dass angebaut wird. Der Tatbestand geht damit von zwingendem Planungsrecht aus, wie es auch hier aufgrund der im Baustufenplan festgesetzten offenen Bauweise in Rede steht. Denn nach Satz 1 der Bemerkungen zu Spalte 4 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO, der mit seinem planungsrechtlichen Inhalt gemäß § 173 Abs. 3 BBauG in das geltende Planungsrecht übergeleitet worden ist, müssen Gebäude in Gebieten der offenen Bauweise an der Straße von den seitlichen Nachbargrenzen Abstand halten. Dieses Gebot kann kraft Bundesrechts nur durch die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB überwunden werden, die voraussetzt, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, dass Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde, und dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Da das Bauplanungsrecht somit selbst Voraussetzungen regelt, unter denen von der offenen Bauweise abgewichen werden kann, kann es in diesem Umfang nicht durch die Anwendung landesrechtlicher Vorschriften „ausgehebelt“ werden, die eben dieser Abweichung Rechnung tragen.

9

§ 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO, der insofern weniger streng als die Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB ist, als er über einen tatsächlich vorhandenen Grenzanbau auf dem Nachbargrundstück hinaus keine qualifizierten Voraussetzungen für die Abweichung von der planungsrechtlich an sich gebotenen offenen Bauweise normiert, ist daher insoweit bedenklich, als durch seine uneingeschränkte Anwendung die planungsrechtlichen Vorgaben des Bundesrechts „unterlaufen“ werden könnten. Damit die Vorschrift mit dem Bundesrecht vereinbar ist, bedarf sie deshalb einer einschränkenden Auslegung dahin gehend, dass als zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandmerkmal für die Zulassung eines Grenzanbaus oder das Verlangen nach einem solchen eine städtebauliche Rechtfertigung erforderlich ist. Insofern liegt es hier nicht anders als im umgekehrten Fall der planungsrechtlich vorgeschriebenen geschlossenen Bauweise, in dem das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 12.1.1995, BauR 1995, 365; vgl. ferner Beschl. v. 11.3.1994, BauR 1994, 494) für die auf das Landesrecht gestützte Entscheidung, gleichwohl einen Grenzabstand zu verlangen oder zuzulassen, eine ebensolche Rechtfertigung gefordert hat. Soweit das Verwaltungsgericht demgegenüber die Frage der städtebaulichen Rechtfertigung unter Hinweis auf die systematische Trennung von Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht ausschließlich dem letzteren zugewiesen hat, übersieht es, dass es vorliegend gerade um die Auflösung des Konkurrenzverhältnisses zwischen bauordnungsrechtlichen und bauplanungsrechtlichen Anforderungen und die Herstellung der Vereinbarkeit des Landesrechts mit dem weitergehenden (strengeren) Bundesrecht geht. Ebenso wenig geben die an Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO orientierten Erwägungen der Beigeladenen zu einer anderen Beurteilung Anlass.

10

b) Im Übrigen ist zu bezweifeln, dass der vom Verwaltungsgericht eingeschlagene Weg überhaupt zu anderen Ergebnissen führen kann. Der Tatbestand des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO setzt - wie erwähnt - voraus, dass nach planungsrechtlichen Vorschriften nicht an die Nachbargrenze gebaut werden darf. Dies erfordert eine allein am objektiven Recht orientierte Beurteilung; auf den nachbarschützenden Gehalt der betreffenden planungsrechtlichen Vorschrift kommt es nicht an. Wollte man die städtebauliche Rechtfertigung für eine gleichwohl zulässige Grenzbebauung als eine originäre Frage des Bauplanungsrechts begreifen, so müsste sich das Ergebnis der entsprechenden Prüfung im Tatbestand des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO niederschlagen. Würde die Antragsgegnerin nach § 31 Abs. 2 BauGB - wie es zunächst planungsrechtlich erforderlich ist - eine Befreiung von der offenen Bauweise erteilen (vgl. dazu Niere in: Alexejew, Hamburgisches Bauordnungsrecht, Stand: Januar 2012, § 6 Rn. 17,17a), so dürfte nach planungsrechtlichen Vorschriften an der Nachbargrenze gebaut werden und liefe der Tatbestand des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO leer. Würde sie dagegen eine Befreiung versagen, so käme es - bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln - auf die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht mehr an. Dies hat offenbar auch den bayerischen Gesetzgeber dazu veranlasst, die früher in Art. 6 Abs. 1 Satz 3 und 4 BayBO 1998 enthaltenen, dem § 7 Abs. 2 HBauO vergleichbaren Regelungen nicht mehr in die BayBO 2008 aufzunehmen (vgl. Niere, a.a.O.; Dhom in: Simon/Busse, Kommentar zur Bayerischen Bauordnung 2008, Stand: Februar 2015, Art. 6 Rn. 61).

11

c) Soweit das Verwaltungsgericht ferner auf Ausführungen des Beschwerdegerichts hingewiesen hat, denen zufolge es einer planungsrechtlichen Rechtfertigung nur bedarf, wenn ein Gebäude nach planungsrechtlichen Vorschriften zwingend an der Grundstücksgrenze errichtet werden muss (OVG Hamburg, Beschl. v. 3.7.2014, 2 Bs 144/14 unter Hinweis auf Beschl. v. 4.3.2014, 2 Bs 14/14), kann dahinstehen, ob die von der Antragstellerin hiergegen angeführten Argumente zielführend sind. Denn jedenfalls handelt es sich bei den verwaltungsgerichtlichen Erwägungen nach der Diktion des angefochtenen Beschlusses lediglich um ein obiter dictum, das nicht entscheidungstragend ist. Allerdings mögen die betreffenden Äußerungen des Beschwerdegerichts Anlass zu Missverständnissen gegeben haben, was die Frage ihres abschließenden Charakters anbelangt. Klarstellend ist deshalb zusammenzufassen, dass die Anwendung des § 7 Abs. 2 HBauO immer dann eine planungsrechtliche Rechtfertigung voraussetzt, wenn von zwingenden Vorgaben des Planungsrechts abgewichen werden soll. Das gilt - wie zuvor dargelegt - sowohl im Falle des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO als auch in der zweiten Alternative („muss“) des § 7 Abs. 2 Satz 2 HBauO.

12

2. Erweisen sich danach die entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts im Lichte der Beschwerdebegründung (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) als fehlerhaft, so kann das Beschwerdegericht gleichwohl den erstinstanzlichen Beschluss nicht allein schon deshalb ändern, sondern ist vielmehr zur Prüfung berufen, ob die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen richtig ist (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, NordÖR 2009, 308; Beschl. v. 28.11.2012, NVwZ-RR 2013, 352, 353). Das ist hier der Fall.

13

Die nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, die Schaffung vollendeter Tatsachen durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zu verhindern, und dem Interesse der Beigeladenen, ihr genehmigtes Vorhaben ungeachtet des Rechtsbehelfs der Antragstellerin gemäß § 212a Abs. 1 BauGB unverzüglich in die Tat umsetzen zu können, fällt im Ergebnis (weiterhin) zu Lasten der Antragstellerin aus. Die umstrittene Baugenehmigung verletzt die Antragstellerin aller Voraussicht nach nicht in ihren subjektiven Rechten, so dass dem Vollzugsinteresse der Beigeladenen der Vorrang einzuräumen ist.

14

a) Die Antragstellerin kann sich gegenüber dem Grenzanbau nicht auf eine Verletzung der nachbarschützenden Vorschrift des § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO berufen, wonach Abweichungen von den Anforderungen an Abstandsflächen, und zwar des § 6 Abs. 5 HBauO, soweit die Mindesttiefe von 2,50 m unterschritten werden soll, der Zustimmung des Eigentümers des angrenzenden Grundstücks bedarf. Denn eine Abstandsfläche ist vorliegend - ohne dass es auf die vorstehend thematisierte Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO ankäme - schon nach § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO nicht erforderlich, weil nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden darf. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass das Vorhaben der Beigeladenen zusammen mit dem ebenfalls grenzständig errichteten Gebäude der Antragstellerin ein Doppelhaus entstehen lässt und Doppelhäuser nach Satz 2 i.V.m. Satz 1 der Bemerkungen zu Spalte 4 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO in Gebieten der offenen Bauweise ohne weiteres zulässig sind.

15

aa) Zur näheren Bestimmung des Doppelhausbegriffes ist auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.a. Urt. v. 24.2.2000, BVerwGE 110, 355; Urt. v. 5.12.2013, BVerwGE 148, 290; Urt. v. 19.3.2015, 4 C 12/14, juris) zu § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO zurückzugreifen. Das Beschwerdegericht sieht keine Veranlassung, den in den gemäß § 173 Abs. 3 BBauG übergeleiteten Regelungen der BPVO verwendeten Begriff anders zu interpretieren als es dem heutigen Planungsrecht entspricht. Der Antragstellerin ist zwar einzuräumen, dass der Wortlaut der Sätze 1 und 2 der Bemerkungen zu Spalte 4 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO mit dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 Bau- NVO nicht identisch ist. An dem gleichwohl erkennbar übereinstimmenden Regelungsgehalt der Vorschriften ändert dies jedoch nichts. Beide Vorschriften kennzeichnen die offene Bauweise als Errichtung der Gebäude mit einem seitlichen Grenzabstand und erklären in dieser Bauweise sowohl Einzelhäuser als auch Doppelhäuser für zulässig.

16

Soweit die Antragstellerin meint, dass unter der Geltung der BauNVO hier zur Vermeidung eines „Etikettenschwindels“ nur eine Einzelhausfestsetzung (§ 22 Abs. 2 Satz 3 BauNVO) zulässig gewesen wäre, weil es in dem in Rede stehenden Gebiet bei Feststellung des Baustufenplans kein einziges Doppelhaus gegeben habe, trägt dieser Einwand weder zur abstrakten Bestimmung des Begriffes des Doppelhauses bei noch erweist er sich in der Sache als richtig. Denn einem Plangeber ist es nicht verwehrt, ein Gebiet in eine Richtung zu entwickeln, die im vorgefundenen Baubestand noch keinen Niederschlag gefunden hat. Ebenso wenig können die Regelungen der Sätze 1 und 2 der Bemerkungen zu Spalte 4 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO durch eine ergänzende Heranziehung des in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Einfügungsgebots gleichsam aufgeladen werden. Die Antragstellerin verkennt, dass ein einfacher Bebauungsplan nur insoweit durch § 34 BauGB ergänzt wird, als er selbst keine Festsetzungen trifft (§ 30 Abs. 3 BauGB). Die mit den Baustufenplänen in das geltende Planungsrecht übergeleiteten Vorschriften der BPVO über die offene Bauweise und die in dieser Bauweise zulässigen Hausformen sind daher abschließend.

17

Die Anforderungen, die danach unter Zugrundelegung der zuvor genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch an das Vorliegen eines Doppelhauses im Geltungsbereich eines Baustufenplans zu stellen sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

18

Ein Doppelhaus ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden, im Übrigen jedoch freistehen. Nicht erforderlich ist, dass die Doppelhaushälften gleichzeitig oder deckungsgleich (spiegelbildlich) errichtet werden. Ebenso wenig schließt das Erfordernis einer baulichen Einheit aus, die ein Doppelhaus bildenden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zueinander versetzt oder gestaffelt zusammenzuführen. In welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen, lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen, sondern beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Kein Doppelhaus entsteht, wenn sich zwei Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zwar noch berühren, aber ein Gebäude gegen das andere so stark versetzt wird, dass es den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöst. Darüber hinaus verlangt die bauplanungsrechtliche Einordnung als Doppelhaus, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis der baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Element. Letzteres darf allerdings nicht mit bauordnungsrechtlichen Merkmalen der Baugestaltungspflege überladen werden. Das Vorliegen eines Doppelhauses ist (lediglich) mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes zu prüfen, weshalb auch keine einheitliche Gestaltung, sondern nur ein Mindestmaß an Übereinstimmung gefordert werden kann. Es geht um eine spezifische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes, die darin liegt, dass das Doppelhaus den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude erscheint. Schließlich dürfen quantitative und qualitative Kriterien nicht nur isoliert betrachtet werden. Denn es ist ebenso denkbar, dass größere quantitative Abweichungen bei deutlich einheitlicher Gestaltung hingenommen werden können, wie es andererseits möglich ist, dass eine deutlich abweichende Gestaltung in ihrer Wirkung gemildert wird, weil die Gebäudeteile in quantitativer Hinsicht stark übereinstimmen. Ob zwei grenzständig errichtete Baukörper ein Doppelhaus bilden, ist deshalb stets aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls unter Betrachtung beider Gesichtspunkte zu entscheiden.

19

bb) Gemessen hieran spricht alles dafür, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen zusammen mit dem vorhandenen Wohngebäude der Antragstellerin als Doppelhaus zu qualifizieren ist.

20

(1) Wesentlich hierfür ist zunächst, dass der genehmigte Baukörper mit seiner rund 10,50 m langen nordwestlichen Außenwand deckungsgleich an die ebenso lange südöstliche Außenwand des Gebäudes der Antragstellerin angebaut werden soll. Soweit die grenzständige Außenwand an der Rückseite des Baukörpers oberhalb des Obergeschosses knapp 0,5 m hinter der grenzständigen Außenwand des Gebäudes der Antragstellerin zurückbleiben wird, fällt dies nicht ins Gewicht. Dasselbe gilt, soweit das Tiefgaragengeschoss auf der Rückseite des Vorhabens in einem Abstand von 4,00 m zur gemeinsamen Grenze höchstens knapp 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragen (vgl. die Bauvorlage Nr. 5/13 - Ansicht Nord-Ost), rund 4,00 m gegenüber dem Erdgeschoss vorspringen und die Terrasse der dort gelegenen Wohnung aufnehmen wird. Eine Abriegelung der rückwärtigen Freiflächen auf dem Grundstück der Antragstellerin, die bodenrechtliche Konflikte auslösen könnte, ist mit diesem Versatz nicht verbunden. Darüber hinaus nimmt die Kubatur des Vorhabens wesentliche Elemente des Wohngebäudes der Antragstellerin auf. Das gilt zum einen im Hinblick auf die Firsthöhe des Vorhabens, die mit derjenigen des Hauses der Antragstellerin übereinstimmt oder dieser jedenfalls weitgehend angeglichen ist. Nach den aus den genehmigten Bauvorlagen Nr. 5/12 und 5/13 (Ansichten Süd-West und Nord-Ost) ersichtlichen Maßen und der zeichnerischen Darstellung beträgt die Firsthöhe beider Gebäude übereinstimmend 59,90 m üNN. Abweichend hiervon weisen die ebenfalls zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachten Bauvorlagen Nr. 5/36 und 5/46 (Lageplan Abstandsflächen und Lageplan) zwar die Firsthöhe des Gebäudes der Antragstellerin mit 59,40 m üNN aus. Selbst eine Differenz von 0,5 m stünde aber der wechselseitigen Verträglichkeit und einem abgestimmten Erscheinungsbild der beiden Haushälften in Anbetracht ihrer absoluten Höhe um die 13,50 m nicht entgegen, zumal die beiderseitige Ausgestaltung mit gleich ausgerichteten Satteldächern und Quergiebeln einheitsstiftend wirkt und einen etwaigen vertikalen Versprung des Dachfirstes überspielt. Des Weiteren finden die in einem Abstand von 4,00 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze sowohl auf der Vorder- als auch der Rückseite jeweils um 1,50 m vorspringenden Gebäudeteile des Vorhabens in den ebenfalls auf beiden Seiten in etwa derselben Entfernung zur Grenze - wenn auch nicht ganz so ausgeprägt - hervortretenden Wänden des Quergiebels des Gebäudes der Antragstellerin eine annähernd spiegelbildliche Entsprechung. Den Eindruck der Antragstellerin, dass die Vorbauten völlig überdimensioniert seien, kann das Beschwerdegericht nicht teilen. Von daher lässt sich auch nicht feststellen, dass die Vorbauten die Proportionen der beiden Haushälften verzerren.

21

Beide Gebäude weisen zudem drei oberirdische Geschosse auf und unterscheiden sich insoweit nur dadurch, dass das dritte Geschoss des Vorhabens der Beigeladenen in seinem nicht grenzständigen Teil als Staffelgeschoss ausgebildet ist. Dass die Geschosshöhen verspringen, wirkt sich nicht als wesentliche Belastung aus, da das jeweils stehende Format der nahezu gleich hohen Fenster als verbindendes Element dominiert. Ferner übernimmt das Vorhaben der Beigeladenen die Traufhöhe des Gebäudes der Antragstellerin, wie sich aus den genehmigten Bauvorlagen Nr. 5/12 und 5/13 (Ansichten Süd-West und Nord-Ost), der dort ausgewiesenen Traufhöhe des Gebäudes der Antragstellerin (OK Rinne 56,58 üNN) und dem für das Vorhaben gleichlautend angegebenen Maß in den gleichfalls genehmigten Bauvorlagen Nr. 5/9 und 5/10 (Schnitt AA und BB) ergibt. Soweit die weiter zum Bestandteil der Baugenehmigung gemachten Bauvorlagen Nr. 5/36 und 5/46 (Lageplan Abstandsflächen und Lageplan) die Eintragung „OK Traufe 57,04“ enthalten, liegt offensichtlich eine missverständliche Bezeichnung vor, da sich dieses Maß nach der zur Bauvorlage Nr. 5/36 gehörenden Berechnung der Abstandsflächen und der Bauvorlage Nr. 5/9 (Schnitt AA) erkennbar auf den Schnittpunkt der Wandaußenseite mit der Dachhaut bezieht. Dass die Traufe auf der Rückseite der beiden Haushälften aufgrund des oberhalb des Obergeschosses ansetzenden 0,50 m tiefen Rücksprungs der Außenwand des Vorhabens der Beigeladenen nicht durchläuft und zudem der Dachfirst in der Horizontalen um etwa 0,80 m verspringt, erscheint nicht als bedeutsamer Bruch.

22

Insgesamt betrachtet ergibt sich danach das Bild eines deckungsgleich angebauten Vorhabens, das nach seinem oberirdischen Bauvolumen und seinen Proportionen dem Gebäude der Antragstellerin weitgehend angenähert ist, auch unter qualitativen Gesichtspunkten das bauplanungsrechtlich erforderliche Mindestmaß an Übereinstimmung aufweist und deshalb zusammen mit diesem als bauliche Einheit wirkt. Auch die Antragstellerin räumt ein, dass das Vorhaben unter quantitativen Gesichtspunkten wie Bautiefe, Gebäudehöhe, Raumvolumen und Geschossigkeit „problemlos“ erscheint. Soweit sie auf Unterschiede hinsichtlich weiterer gestalterischer Merkmale, wie z.B. die am Gebäude der Beigeladenen vorgesehenen Terrassen und Balkone und das Rundfenster im Giebel, hinweist, überspannt sie die Anforderungen, die an das nur erforderliche Mindestmaß an Übereinstimmung zu stellen sind.

23

Ebenso wenig überzeugt es, wenn die Antragstellerin unter Berufung auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 19. März 2015 (a.a.O., Rn. 19) geltend macht, dass hier schon das bloße Volumen des entstehenden Gesamtbaukörpers in der näheren Umgebung kein Vorbild finde, weshalb er den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung störe und das Stadtbild erheblich beeinträchtige. Es spricht bereits einiges dafür, dass der Gedankengang der Antragstellerin auf einem Fehlverständnis der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts beruht. Richtig ist zwar, dass es in dem von ihr angeführten Abschnitt des Urteils heißt, dass es „um eine spezifische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes (geht), die darin liegt, dass das Doppelhaus den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude erscheint“. Damit dürfte aber allein die wechselseitige Verträglichkeit der beiden Gebäude und nicht die Frage nach den weiteren, den Dimensionen des Gesamtbaukörpers geschuldeten Auswirkungen auf seine Umgebung angesprochen sein. Dementsprechend hat es das Bundesverwaltungsgericht in seinen folgenden Ausführungen gerade beanstandet, dass die Vorinstanz nicht das Gebäude des vom Grenzanbau betroffenen Klägers in den Blick genommen, sondern jedenfalls auch für maßgeblich gehalten hat, ob der Anbau optisch in die übrige Bebauung integriert werde. Dies mag aber auf sich beruhen. Denn jedenfalls vertritt die Antragstellerin mit ihrer Sichtweise einen Ansatz, der dem Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 BauGB entlehnt ist und den das Beschwerdegericht bereits oben als unzutreffend erachtet hat. Das Anwachsen des Bauvolumens ist die zwangsläufige Folge der Zusammenfügung zweier Gebäude an der Grenze zu einer Einheit und somit dem Doppelhaus immanent. Der Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung wird im beplanten Innenbereich deshalb nicht allein schon dadurch gestört, dass ein Bauherr erstmals die durch eine entsprechende Festsetzung eröffnete Möglichkeit ausschöpft, ein Doppelhaus zu errichten und dieses das Bauvolumen der bislang nur vorhandenen Einzelhäuser um einiges übersteigt. Im Übrigen weisen der bei den Sachakten befindliche Auszug aus dem Liegenschaftskataster und das von der Antragstellerin eingereichte Luftbild darauf hin, dass hier zum einen zumindest auf den Grundstücken A.-Straße 12/12a bereits ein größeres (historisches) Doppelhaus vorhandenen ist und sich zum anderen in der Umgebung Einzelhäuser finden, deren Bauvolumen kaum hinter demjenigen des künftigen Doppelhauses zurückbleibt, wenn nicht dieses sogar übersteigt.

24

(2) Der Einordnung als Doppelhaus steht schließlich nicht entgegen, dass das Vorhaben mit seinem über die Geländeoberfläche hinausragenden Teil der Tiefgarage und der darauf gelegenen Terrasse bis auf 0,70 m an die gegenüberliegende, südöstliche Nachbargrenze heranreichen soll. Die Errichtung eines im Übrigen freistehenden und damit der offenen Bauweise entsprechenden Gebäudes wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Soweit die Antragstellerin davon ausgeht, dass auch dieser Gebäudeteil unmittelbar grenzständig errichtet werden soll, trifft dies nach den genehmigten Bauvorlagen Nr. 5/3, 5/36 und 5/46 (Grundriss Erdgeschoss, Lageplan Abstandsflächen, Lageplan) nicht zu. Zwar kann auch bei einem geringfügigen Grenzabstand noch eine geschlossene Bauweise vorliegen, wie es insbesondere bei Traufgassen oder schmalen Durchgängen bei historisch gewachsener Bebauung der Fall sein mag (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Rn. 9; Blechschmidt in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2015, § 22 BauNVO Rn. 38, jew. m.w.N.). So oder ähnlich liegt es hier jedoch nicht. Der Abstand von 0,70 m erscheint ausreichend, um das städtebauliche Erscheinungsbild der offenen Bauweise zu wahren, zumal der betreffende Teil der Tiefgarage an dieser Seite nur rund 1,60 m über die Geländeoberfläche hinausragt und der Hauptbaukörper zur südöstlichen Grundstücksgrenze einen Abstand von rund 3,85 m einhält. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anordnung der Bebauung zur seitlichen Grundstücksgrenze die Voraussetzungen für die Entwicklung einer straßenseitig geschlossenen Baureihe schafft, wie sie für die geschlossene Bauweise kennzeichnend ist.

25

b) Auch sonst ist eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht ersichtlich.

26

aa) Das gilt zunächst, soweit die Antragstellerin aufgrund der an der gemeinsamen Grundstücksgrenze vorgesehenen Pfahlgründung des Vorhabens eine Gefährdung der Standsicherheit ihres Wohnhauses befürchtet. Zwar hat das Beschwerdegericht der insoweit einschlägigen Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 3 HBauO, wonach die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke nicht gefährdet werden dürfen, nachbarschützende Wirkung zuerkannt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2012, BRS 79 Nr. 186, m.w.N.). Zutreffend hat jedoch schon das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Frage der Standsicherheit nicht Gegenstand der angegriffenen Baugenehmigung ist. Vielmehr bedarf es insoweit nach § 68 Abs. 2 Satz 1 HBauO i.V.m. § 14 BauVorlVO noch eines Ergänzungsbescheids und steht der Baubeginn nach Ziffer 3 der Baugenehmigung ausdrücklich unter einem entsprechenden Vorbehalt.

27

bb) Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung des in entsprechender Anwendung aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO folgenden Anspruchs auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets berufen.

28

Die Vorschrift erklärt die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall für unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Die Eigenart des Baugebiets ergibt sich aus seiner allgemeinen Zweckbestimmung, den sonstigen Festsetzungen des Bebauungsplans und dem Planungswillen (soweit dieser in den Festsetzungen des Bebauungsplans unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist) sowie der örtlichen Situation, in die ein Gebiet "hineingeplant" worden ist. Auf die tatsächlich vorhandene Bebauung kommt es dagegen grundsätzlich nicht an. Ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets liegt vor, wenn die Unangemessenheit des Vorhabens gegenüber dem von dem Plangeber gezogenen Rahmen bei objektiver Betrachtungsweise augenscheinlich ist. Eine gewisse Beeinträchtigung der typischen Gebietsprägung oder das Fehlen einer Entsprechung in jederlei Hinsicht sind unschädlich. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dient lediglich der Korrektur atypischer Einzelfälle; sie ist kein Instrument zur Ergänzung der städtebaulichen Ordnungsvorstellungen des Plangebers. (vgl. zu Allem bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, NordÖR 2009, 308, 309 f.; Beschl. v. 5.6.2009, NordÖR 2009, 310, 312; Beschl. v. 8.10.2009, 2 Bs 177/09, juris, Rn. 7).

29

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass diese engen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gegeben sind. Die Festsetzung eines Wohngebiets mit zweigeschossiger offener Bauweise und die hiermit nach Spalte 8 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO zwangsläufig verbundene bebaubare Fläche von 3/10 geben für einen - wie die Antragstellerin geltend macht - spezifischen Willen des Plangebers, den Charakter einer freistehenden Villenbebauung zu erhalten, nichts her. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dient der Bewahrung der Art der baulichen Nutzung und ist kein Instrument, um Milieuschutz zu betreiben (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 2.9.2011, 2 Bs 136/11, juris, Rn. 5 m.w.N.; Beschl. v. 8.10.2009, a.a.O., Rn. 9). Soweit die Antragstellerin auf die konkrete örtliche Situation abstellt, wie sie der Plangeber bei der Überplanung in den 1950er Jahren angetroffen hat und geltend macht, dass seinerzeit keine Doppelhäuser vorhanden gewesen seien, übersieht sie, dass die örtliche Situation nur insoweit gebietsprägend sein kann, wie sie auch Eingang in den Planungswillen und ihren Ausdruck in den getroffenen Festsetzungen gefunden hat. Beides ist in Bezug auf das historische Erscheinungsbild des Villengebiets nicht erkennbar. Hinsichtlich des von der Antragstellerin beanstandeten Volumens des Gesamtbaukörpers gilt im Übrigen, dass ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets in Bezug auf das Merkmal des Umfangs nur dann gegeben ist, wenn Quantität in Qualität umschlägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.3.1995, NVwZ 1995, 899, 900; OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, a.a.O., 310; Beschl. v. 8.10.2009, a.a.O., Rn. 10). Auch dafür ist nichts ersichtlich.

30

cc) Ebenso wenig lässt das genehmigte Vorhaben einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot erkennen.

31

Das Gebäude der Antragstellerin ist aufgrund seiner grenzständigen, fenster- und schmucklos gestalteten südöstlichen Giebelwand seit jeher in tatsächlicher Hinsicht zum Anbau geeignet. Darüber hinaus ist es jedenfalls seit Inkrafttreten des Baustufenplans Blankenese vor 60 Jahren aus Rechtsgründen mit der Möglichkeit belastet, sich durch einen mit ihm verträglichen und auf es abgestimmten Anbau zum Teil eines Doppelhauses zu entwickeln. Die Doppelhausfestsetzung bindet die benachbarten Grundstückseigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein: Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der (häufig schmalen) Grundstücke erhöht. Dies wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, „erkauft“. Diese enge Wechselbeziehung, die jeden Grundstückseigentümer zugleich begünstigt und belastet, begründet ein nachbarliches Austauschverhältnis, das nicht einseitig aufgehoben werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.2.2000, a.a.O., 359). Von daher erweist sich ein zur Entstehung eines Doppelhauses führender Grenzanbau auch dann nicht als rücksichtslos, wenn - wie hier - im Zeitpunkt der Überplanung nur eines von zwei benachbarten Grundstücken an der Grenze bebaut war und sich der Nachbar erst Jahrzehnte später entschließt, sein in offener Bauweise errichtetes Gebäude durch einen grenzständigen Neubau zu ersetzen.

32

Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich das Vorhaben gegenüber der Antragstellerin als rücksichtslos erweisen könnte. Das Rücksichtnahmegebot beinhaltet nicht, jede Beeinträchtigung eines Nachbarn zu vermeiden. Von rücksichtslosen Störungen kann erst dann die Rede sein, wenn die mit dem genehmigten Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen bei der Nutzung des eigenen Grundstückes bei einer Abwägung, in der die Schutzwürdigkeit der Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung und die Interessen des Bauherrn zu berücksichtigen sind, für den Nachbarn billigerweise unzumutbar erscheinen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 5.8.1983, BVerwGE 67, 334; OVG Hamburg, Beschl. v. 13.7.2012, 2 Bs 142/12, juris, Rn. 33; Beschl. v. 26.9.2007, NordÖR 2008, 73 f., m.w.N.). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Soweit die Antragstellerin künftig Lärmbeeinträchtigungen befürchtet, spricht nichts dafür, dass diese das Maß der im Rahmen einer Doppelhausbebauung üblicherweise auftretenden und hinzunehmenden Geräusche überschreiten werden.

III.

33

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO und §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 18. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit drei Wohneinheiten und Tiefgarage.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks A.-Straße 15a, das mit einem dreigeschossigen Wohnhaus bebaut ist. Die fenster- und schmucklos gestaltete südöstliche Giebelwand des Gebäudes steht unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen; im Übrigen ist es freistehend errichtet. Das Gebäude verfügt über ein Satteldach, dessen Firsthöhe nach den - insoweit nicht stimmigen - Bauvorlagen der Beigeladenen 59,40 m oder 59,90 m üNN beträgt, und ist außerdem mit einen Quergiebel ausgestattet. Auf dem Grundstück der Beigeladenen befindet sich gegenwärtig etwa 3,00 m bis 3,50 m von der gemeinsamen Grenze entfernt ein zweigeschossiges Wohngebäude, das ebenfalls auf der Grenze zu seinem südöstlichen Nachbarn steht. Der Baustufenplan Blankenese, erneut festgestellt am 14. Januar 1955 (Amtl. Anz. S. 61), der beide Gebäude als Bestand darstellt, weist die Grundstücke und ihre Umgebung als zweigeschossiges Wohngebiet mit offener Bauweise aus.

3

Die umstrittene Baugenehmigung sieht nunmehr einen Neubau vor, der auf der gesamten Länge seiner nordwestlichen Außenwand - deckungsgleich - an die südöstliche Außenwand des Gebäudes der Antragstellerin angebaut werden soll. Er soll über zwei Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss, ein Satteldach mit einer Firsthöhe von 59,90 m üNN sowie ebenfalls einen Quergiebel verfügen. Das über die Geländeoberfläche hinausragende, aber weder als Vollgeschoss noch als oberirdisches Geschoss geltende Tiefgaragengeschoss springt an der Rückseite des Vorhabens knapp 4,00 m und an seiner südöstlichen Seite 3,00 m gegenüber dem Erdgeschoss hervor und soll die Terrasse der dortigen Wohnung aufnehmen. Dieser Teil des Gebäudes ist 4,00 m von der gemeinsamen Grenze mit dem Grundstück der Antragstellerin zurückgesetzt und reicht bis auf 0,70 m an die südöstliche Nachbargrenze heran. Die Baugenehmigung enthält planungsrechtliche Befreiungen für die Überschreitung der zulässigen Grundflächenzahl um 1,2/10 auf 4,2/10 und die Überschreitung der vorderen Baulinie durch einen Balkon sowie - mit Zustimmung des Eigentümers des südöstlich angrenzenden Grundstücks - bauordnungsrechtliche Abweichungen für die Unterschreitung der erforderlichen Tiefe der Abstandsflächen an der Südostseite des Vorhabens.

4

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit der Begründung abgelehnt, dass die streitige Baugenehmigung sie aller Voraussicht nach nicht in ihren subjektiven Rechten verletze. Eine Abstandsfläche sei nach bauordnungsrechtlichen Vorschriften, nämlich nach § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO, entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht erforderlich. Die Anwendung der Vorschrift, welche die Bauaufsichtsbehörde ermächtige, einen Grenzanbau zuzulassen oder zu verlangen, wenn zwar nach planungsrechtlichen Vorschriften nicht an die Nachbargrenze gebaut werden dürfe, aber auf dem Nachbargrundstück ein Gebäude an der Grenze vorhanden sei, setze nicht als zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass eine planungsrechtliche Rechtfertigung für den Grenzanbau bestehe. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht in einem umgekehrten Fall, in dem das Planungsrecht eine geschlossene Bauweise vorgesehen habe, verlangt, dass die auf eine landesrechtliche Vorschrift gestützte Entscheidung, die Grenzbebauung zu versagen, eine planungsrechtliche Rechtfertigung besitzen müsse. Die planungsrechtliche Rechtfertigung sei aber keine bauordnungsrechtliche Frage, sondern eine Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Planungsrecht. Nur auf diese Weise bleibe die systematische Trennung von Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht erhalten. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass verschiedene Vorschriften in unterschiedlichem Maße Drittschutz vermittelten und daher in unterschiedlichem Maße von betroffenen Dritten zur Überprüfung gestellt werden könnten, erscheine eine Vermischung der unterschiedlichen Materien nicht geboten. Ob ein Verstoß gegen das Bauplanungsrecht vorliege, weil die Antragsgegnerin einen Grenzanbau genehmigt habe, obwohl der Baustufenplan die offene Bauweise vorschreibe, könne indes offen bleiben. Denn die Antragstellerin könne sich nicht auf die etwaige Verletzung dieser Vorschrift berufen, weil Festsetzungen über die Bauweise regelmäßig - und so auch hier - keine nachbarschützende Wirkung hätten. Aus demselben Grunde könne dahinstehen, ob die Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung der offenen Bauweise erforderlich gewesen wäre. Auch sonst sei eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht ersichtlich.

5

Mit ihrer hiergegen erhobenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Sie rügt u.a. eine fehlerhafte Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO und macht weiter geltend, dass der durch den Grenzanbau entstehende Gesamtbaukörper planungsrechtlich auch nicht als Doppelhaus zu qualifizieren sei.

II.

6

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg.

7

1. Allerdings wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerdebegründung zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen gegen die entscheidungstragende Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO eine planungsrechtliche Rechtfertigung des Grenzanbaus nicht voraussetze. Das Verwaltungsgericht hat insoweit den Vorrang des Bundesrechts (Art. 31 GG) verkannt.

8

a) § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO ermächtigt die Bauaufsichtsbehörde für den Fall, dass nach planungsrechtlichen Vorschriften nicht an die Nachbargrenze gebaut werden darf, auf dem Nachbargrundstück aber ein Gebäude an der Grenze vorhanden ist, zuzulassen oder zu verlangen, dass angebaut wird. Der Tatbestand geht damit von zwingendem Planungsrecht aus, wie es auch hier aufgrund der im Baustufenplan festgesetzten offenen Bauweise in Rede steht. Denn nach Satz 1 der Bemerkungen zu Spalte 4 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO, der mit seinem planungsrechtlichen Inhalt gemäß § 173 Abs. 3 BBauG in das geltende Planungsrecht übergeleitet worden ist, müssen Gebäude in Gebieten der offenen Bauweise an der Straße von den seitlichen Nachbargrenzen Abstand halten. Dieses Gebot kann kraft Bundesrechts nur durch die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB überwunden werden, die voraussetzt, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, dass Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde, und dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Da das Bauplanungsrecht somit selbst Voraussetzungen regelt, unter denen von der offenen Bauweise abgewichen werden kann, kann es in diesem Umfang nicht durch die Anwendung landesrechtlicher Vorschriften „ausgehebelt“ werden, die eben dieser Abweichung Rechnung tragen.

9

§ 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO, der insofern weniger streng als die Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB ist, als er über einen tatsächlich vorhandenen Grenzanbau auf dem Nachbargrundstück hinaus keine qualifizierten Voraussetzungen für die Abweichung von der planungsrechtlich an sich gebotenen offenen Bauweise normiert, ist daher insoweit bedenklich, als durch seine uneingeschränkte Anwendung die planungsrechtlichen Vorgaben des Bundesrechts „unterlaufen“ werden könnten. Damit die Vorschrift mit dem Bundesrecht vereinbar ist, bedarf sie deshalb einer einschränkenden Auslegung dahin gehend, dass als zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandmerkmal für die Zulassung eines Grenzanbaus oder das Verlangen nach einem solchen eine städtebauliche Rechtfertigung erforderlich ist. Insofern liegt es hier nicht anders als im umgekehrten Fall der planungsrechtlich vorgeschriebenen geschlossenen Bauweise, in dem das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 12.1.1995, BauR 1995, 365; vgl. ferner Beschl. v. 11.3.1994, BauR 1994, 494) für die auf das Landesrecht gestützte Entscheidung, gleichwohl einen Grenzabstand zu verlangen oder zuzulassen, eine ebensolche Rechtfertigung gefordert hat. Soweit das Verwaltungsgericht demgegenüber die Frage der städtebaulichen Rechtfertigung unter Hinweis auf die systematische Trennung von Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht ausschließlich dem letzteren zugewiesen hat, übersieht es, dass es vorliegend gerade um die Auflösung des Konkurrenzverhältnisses zwischen bauordnungsrechtlichen und bauplanungsrechtlichen Anforderungen und die Herstellung der Vereinbarkeit des Landesrechts mit dem weitergehenden (strengeren) Bundesrecht geht. Ebenso wenig geben die an Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO orientierten Erwägungen der Beigeladenen zu einer anderen Beurteilung Anlass.

10

b) Im Übrigen ist zu bezweifeln, dass der vom Verwaltungsgericht eingeschlagene Weg überhaupt zu anderen Ergebnissen führen kann. Der Tatbestand des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO setzt - wie erwähnt - voraus, dass nach planungsrechtlichen Vorschriften nicht an die Nachbargrenze gebaut werden darf. Dies erfordert eine allein am objektiven Recht orientierte Beurteilung; auf den nachbarschützenden Gehalt der betreffenden planungsrechtlichen Vorschrift kommt es nicht an. Wollte man die städtebauliche Rechtfertigung für eine gleichwohl zulässige Grenzbebauung als eine originäre Frage des Bauplanungsrechts begreifen, so müsste sich das Ergebnis der entsprechenden Prüfung im Tatbestand des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO niederschlagen. Würde die Antragsgegnerin nach § 31 Abs. 2 BauGB - wie es zunächst planungsrechtlich erforderlich ist - eine Befreiung von der offenen Bauweise erteilen (vgl. dazu Niere in: Alexejew, Hamburgisches Bauordnungsrecht, Stand: Januar 2012, § 6 Rn. 17,17a), so dürfte nach planungsrechtlichen Vorschriften an der Nachbargrenze gebaut werden und liefe der Tatbestand des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO leer. Würde sie dagegen eine Befreiung versagen, so käme es - bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln - auf die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht mehr an. Dies hat offenbar auch den bayerischen Gesetzgeber dazu veranlasst, die früher in Art. 6 Abs. 1 Satz 3 und 4 BayBO 1998 enthaltenen, dem § 7 Abs. 2 HBauO vergleichbaren Regelungen nicht mehr in die BayBO 2008 aufzunehmen (vgl. Niere, a.a.O.; Dhom in: Simon/Busse, Kommentar zur Bayerischen Bauordnung 2008, Stand: Februar 2015, Art. 6 Rn. 61).

11

c) Soweit das Verwaltungsgericht ferner auf Ausführungen des Beschwerdegerichts hingewiesen hat, denen zufolge es einer planungsrechtlichen Rechtfertigung nur bedarf, wenn ein Gebäude nach planungsrechtlichen Vorschriften zwingend an der Grundstücksgrenze errichtet werden muss (OVG Hamburg, Beschl. v. 3.7.2014, 2 Bs 144/14 unter Hinweis auf Beschl. v. 4.3.2014, 2 Bs 14/14), kann dahinstehen, ob die von der Antragstellerin hiergegen angeführten Argumente zielführend sind. Denn jedenfalls handelt es sich bei den verwaltungsgerichtlichen Erwägungen nach der Diktion des angefochtenen Beschlusses lediglich um ein obiter dictum, das nicht entscheidungstragend ist. Allerdings mögen die betreffenden Äußerungen des Beschwerdegerichts Anlass zu Missverständnissen gegeben haben, was die Frage ihres abschließenden Charakters anbelangt. Klarstellend ist deshalb zusammenzufassen, dass die Anwendung des § 7 Abs. 2 HBauO immer dann eine planungsrechtliche Rechtfertigung voraussetzt, wenn von zwingenden Vorgaben des Planungsrechts abgewichen werden soll. Das gilt - wie zuvor dargelegt - sowohl im Falle des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO als auch in der zweiten Alternative („muss“) des § 7 Abs. 2 Satz 2 HBauO.

12

2. Erweisen sich danach die entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts im Lichte der Beschwerdebegründung (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) als fehlerhaft, so kann das Beschwerdegericht gleichwohl den erstinstanzlichen Beschluss nicht allein schon deshalb ändern, sondern ist vielmehr zur Prüfung berufen, ob die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen richtig ist (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, NordÖR 2009, 308; Beschl. v. 28.11.2012, NVwZ-RR 2013, 352, 353). Das ist hier der Fall.

13

Die nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, die Schaffung vollendeter Tatsachen durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zu verhindern, und dem Interesse der Beigeladenen, ihr genehmigtes Vorhaben ungeachtet des Rechtsbehelfs der Antragstellerin gemäß § 212a Abs. 1 BauGB unverzüglich in die Tat umsetzen zu können, fällt im Ergebnis (weiterhin) zu Lasten der Antragstellerin aus. Die umstrittene Baugenehmigung verletzt die Antragstellerin aller Voraussicht nach nicht in ihren subjektiven Rechten, so dass dem Vollzugsinteresse der Beigeladenen der Vorrang einzuräumen ist.

14

a) Die Antragstellerin kann sich gegenüber dem Grenzanbau nicht auf eine Verletzung der nachbarschützenden Vorschrift des § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO berufen, wonach Abweichungen von den Anforderungen an Abstandsflächen, und zwar des § 6 Abs. 5 HBauO, soweit die Mindesttiefe von 2,50 m unterschritten werden soll, der Zustimmung des Eigentümers des angrenzenden Grundstücks bedarf. Denn eine Abstandsfläche ist vorliegend - ohne dass es auf die vorstehend thematisierte Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO ankäme - schon nach § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO nicht erforderlich, weil nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden darf. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass das Vorhaben der Beigeladenen zusammen mit dem ebenfalls grenzständig errichteten Gebäude der Antragstellerin ein Doppelhaus entstehen lässt und Doppelhäuser nach Satz 2 i.V.m. Satz 1 der Bemerkungen zu Spalte 4 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO in Gebieten der offenen Bauweise ohne weiteres zulässig sind.

15

aa) Zur näheren Bestimmung des Doppelhausbegriffes ist auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.a. Urt. v. 24.2.2000, BVerwGE 110, 355; Urt. v. 5.12.2013, BVerwGE 148, 290; Urt. v. 19.3.2015, 4 C 12/14, juris) zu § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO zurückzugreifen. Das Beschwerdegericht sieht keine Veranlassung, den in den gemäß § 173 Abs. 3 BBauG übergeleiteten Regelungen der BPVO verwendeten Begriff anders zu interpretieren als es dem heutigen Planungsrecht entspricht. Der Antragstellerin ist zwar einzuräumen, dass der Wortlaut der Sätze 1 und 2 der Bemerkungen zu Spalte 4 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO mit dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 Bau- NVO nicht identisch ist. An dem gleichwohl erkennbar übereinstimmenden Regelungsgehalt der Vorschriften ändert dies jedoch nichts. Beide Vorschriften kennzeichnen die offene Bauweise als Errichtung der Gebäude mit einem seitlichen Grenzabstand und erklären in dieser Bauweise sowohl Einzelhäuser als auch Doppelhäuser für zulässig.

16

Soweit die Antragstellerin meint, dass unter der Geltung der BauNVO hier zur Vermeidung eines „Etikettenschwindels“ nur eine Einzelhausfestsetzung (§ 22 Abs. 2 Satz 3 BauNVO) zulässig gewesen wäre, weil es in dem in Rede stehenden Gebiet bei Feststellung des Baustufenplans kein einziges Doppelhaus gegeben habe, trägt dieser Einwand weder zur abstrakten Bestimmung des Begriffes des Doppelhauses bei noch erweist er sich in der Sache als richtig. Denn einem Plangeber ist es nicht verwehrt, ein Gebiet in eine Richtung zu entwickeln, die im vorgefundenen Baubestand noch keinen Niederschlag gefunden hat. Ebenso wenig können die Regelungen der Sätze 1 und 2 der Bemerkungen zu Spalte 4 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO durch eine ergänzende Heranziehung des in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Einfügungsgebots gleichsam aufgeladen werden. Die Antragstellerin verkennt, dass ein einfacher Bebauungsplan nur insoweit durch § 34 BauGB ergänzt wird, als er selbst keine Festsetzungen trifft (§ 30 Abs. 3 BauGB). Die mit den Baustufenplänen in das geltende Planungsrecht übergeleiteten Vorschriften der BPVO über die offene Bauweise und die in dieser Bauweise zulässigen Hausformen sind daher abschließend.

17

Die Anforderungen, die danach unter Zugrundelegung der zuvor genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch an das Vorliegen eines Doppelhauses im Geltungsbereich eines Baustufenplans zu stellen sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

18

Ein Doppelhaus ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden, im Übrigen jedoch freistehen. Nicht erforderlich ist, dass die Doppelhaushälften gleichzeitig oder deckungsgleich (spiegelbildlich) errichtet werden. Ebenso wenig schließt das Erfordernis einer baulichen Einheit aus, die ein Doppelhaus bildenden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zueinander versetzt oder gestaffelt zusammenzuführen. In welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen, lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen, sondern beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Kein Doppelhaus entsteht, wenn sich zwei Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zwar noch berühren, aber ein Gebäude gegen das andere so stark versetzt wird, dass es den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöst. Darüber hinaus verlangt die bauplanungsrechtliche Einordnung als Doppelhaus, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis der baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Element. Letzteres darf allerdings nicht mit bauordnungsrechtlichen Merkmalen der Baugestaltungspflege überladen werden. Das Vorliegen eines Doppelhauses ist (lediglich) mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes zu prüfen, weshalb auch keine einheitliche Gestaltung, sondern nur ein Mindestmaß an Übereinstimmung gefordert werden kann. Es geht um eine spezifische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes, die darin liegt, dass das Doppelhaus den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude erscheint. Schließlich dürfen quantitative und qualitative Kriterien nicht nur isoliert betrachtet werden. Denn es ist ebenso denkbar, dass größere quantitative Abweichungen bei deutlich einheitlicher Gestaltung hingenommen werden können, wie es andererseits möglich ist, dass eine deutlich abweichende Gestaltung in ihrer Wirkung gemildert wird, weil die Gebäudeteile in quantitativer Hinsicht stark übereinstimmen. Ob zwei grenzständig errichtete Baukörper ein Doppelhaus bilden, ist deshalb stets aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls unter Betrachtung beider Gesichtspunkte zu entscheiden.

19

bb) Gemessen hieran spricht alles dafür, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen zusammen mit dem vorhandenen Wohngebäude der Antragstellerin als Doppelhaus zu qualifizieren ist.

20

(1) Wesentlich hierfür ist zunächst, dass der genehmigte Baukörper mit seiner rund 10,50 m langen nordwestlichen Außenwand deckungsgleich an die ebenso lange südöstliche Außenwand des Gebäudes der Antragstellerin angebaut werden soll. Soweit die grenzständige Außenwand an der Rückseite des Baukörpers oberhalb des Obergeschosses knapp 0,5 m hinter der grenzständigen Außenwand des Gebäudes der Antragstellerin zurückbleiben wird, fällt dies nicht ins Gewicht. Dasselbe gilt, soweit das Tiefgaragengeschoss auf der Rückseite des Vorhabens in einem Abstand von 4,00 m zur gemeinsamen Grenze höchstens knapp 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragen (vgl. die Bauvorlage Nr. 5/13 - Ansicht Nord-Ost), rund 4,00 m gegenüber dem Erdgeschoss vorspringen und die Terrasse der dort gelegenen Wohnung aufnehmen wird. Eine Abriegelung der rückwärtigen Freiflächen auf dem Grundstück der Antragstellerin, die bodenrechtliche Konflikte auslösen könnte, ist mit diesem Versatz nicht verbunden. Darüber hinaus nimmt die Kubatur des Vorhabens wesentliche Elemente des Wohngebäudes der Antragstellerin auf. Das gilt zum einen im Hinblick auf die Firsthöhe des Vorhabens, die mit derjenigen des Hauses der Antragstellerin übereinstimmt oder dieser jedenfalls weitgehend angeglichen ist. Nach den aus den genehmigten Bauvorlagen Nr. 5/12 und 5/13 (Ansichten Süd-West und Nord-Ost) ersichtlichen Maßen und der zeichnerischen Darstellung beträgt die Firsthöhe beider Gebäude übereinstimmend 59,90 m üNN. Abweichend hiervon weisen die ebenfalls zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachten Bauvorlagen Nr. 5/36 und 5/46 (Lageplan Abstandsflächen und Lageplan) zwar die Firsthöhe des Gebäudes der Antragstellerin mit 59,40 m üNN aus. Selbst eine Differenz von 0,5 m stünde aber der wechselseitigen Verträglichkeit und einem abgestimmten Erscheinungsbild der beiden Haushälften in Anbetracht ihrer absoluten Höhe um die 13,50 m nicht entgegen, zumal die beiderseitige Ausgestaltung mit gleich ausgerichteten Satteldächern und Quergiebeln einheitsstiftend wirkt und einen etwaigen vertikalen Versprung des Dachfirstes überspielt. Des Weiteren finden die in einem Abstand von 4,00 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze sowohl auf der Vorder- als auch der Rückseite jeweils um 1,50 m vorspringenden Gebäudeteile des Vorhabens in den ebenfalls auf beiden Seiten in etwa derselben Entfernung zur Grenze - wenn auch nicht ganz so ausgeprägt - hervortretenden Wänden des Quergiebels des Gebäudes der Antragstellerin eine annähernd spiegelbildliche Entsprechung. Den Eindruck der Antragstellerin, dass die Vorbauten völlig überdimensioniert seien, kann das Beschwerdegericht nicht teilen. Von daher lässt sich auch nicht feststellen, dass die Vorbauten die Proportionen der beiden Haushälften verzerren.

21

Beide Gebäude weisen zudem drei oberirdische Geschosse auf und unterscheiden sich insoweit nur dadurch, dass das dritte Geschoss des Vorhabens der Beigeladenen in seinem nicht grenzständigen Teil als Staffelgeschoss ausgebildet ist. Dass die Geschosshöhen verspringen, wirkt sich nicht als wesentliche Belastung aus, da das jeweils stehende Format der nahezu gleich hohen Fenster als verbindendes Element dominiert. Ferner übernimmt das Vorhaben der Beigeladenen die Traufhöhe des Gebäudes der Antragstellerin, wie sich aus den genehmigten Bauvorlagen Nr. 5/12 und 5/13 (Ansichten Süd-West und Nord-Ost), der dort ausgewiesenen Traufhöhe des Gebäudes der Antragstellerin (OK Rinne 56,58 üNN) und dem für das Vorhaben gleichlautend angegebenen Maß in den gleichfalls genehmigten Bauvorlagen Nr. 5/9 und 5/10 (Schnitt AA und BB) ergibt. Soweit die weiter zum Bestandteil der Baugenehmigung gemachten Bauvorlagen Nr. 5/36 und 5/46 (Lageplan Abstandsflächen und Lageplan) die Eintragung „OK Traufe 57,04“ enthalten, liegt offensichtlich eine missverständliche Bezeichnung vor, da sich dieses Maß nach der zur Bauvorlage Nr. 5/36 gehörenden Berechnung der Abstandsflächen und der Bauvorlage Nr. 5/9 (Schnitt AA) erkennbar auf den Schnittpunkt der Wandaußenseite mit der Dachhaut bezieht. Dass die Traufe auf der Rückseite der beiden Haushälften aufgrund des oberhalb des Obergeschosses ansetzenden 0,50 m tiefen Rücksprungs der Außenwand des Vorhabens der Beigeladenen nicht durchläuft und zudem der Dachfirst in der Horizontalen um etwa 0,80 m verspringt, erscheint nicht als bedeutsamer Bruch.

22

Insgesamt betrachtet ergibt sich danach das Bild eines deckungsgleich angebauten Vorhabens, das nach seinem oberirdischen Bauvolumen und seinen Proportionen dem Gebäude der Antragstellerin weitgehend angenähert ist, auch unter qualitativen Gesichtspunkten das bauplanungsrechtlich erforderliche Mindestmaß an Übereinstimmung aufweist und deshalb zusammen mit diesem als bauliche Einheit wirkt. Auch die Antragstellerin räumt ein, dass das Vorhaben unter quantitativen Gesichtspunkten wie Bautiefe, Gebäudehöhe, Raumvolumen und Geschossigkeit „problemlos“ erscheint. Soweit sie auf Unterschiede hinsichtlich weiterer gestalterischer Merkmale, wie z.B. die am Gebäude der Beigeladenen vorgesehenen Terrassen und Balkone und das Rundfenster im Giebel, hinweist, überspannt sie die Anforderungen, die an das nur erforderliche Mindestmaß an Übereinstimmung zu stellen sind.

23

Ebenso wenig überzeugt es, wenn die Antragstellerin unter Berufung auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 19. März 2015 (a.a.O., Rn. 19) geltend macht, dass hier schon das bloße Volumen des entstehenden Gesamtbaukörpers in der näheren Umgebung kein Vorbild finde, weshalb er den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung störe und das Stadtbild erheblich beeinträchtige. Es spricht bereits einiges dafür, dass der Gedankengang der Antragstellerin auf einem Fehlverständnis der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts beruht. Richtig ist zwar, dass es in dem von ihr angeführten Abschnitt des Urteils heißt, dass es „um eine spezifische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes (geht), die darin liegt, dass das Doppelhaus den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude erscheint“. Damit dürfte aber allein die wechselseitige Verträglichkeit der beiden Gebäude und nicht die Frage nach den weiteren, den Dimensionen des Gesamtbaukörpers geschuldeten Auswirkungen auf seine Umgebung angesprochen sein. Dementsprechend hat es das Bundesverwaltungsgericht in seinen folgenden Ausführungen gerade beanstandet, dass die Vorinstanz nicht das Gebäude des vom Grenzanbau betroffenen Klägers in den Blick genommen, sondern jedenfalls auch für maßgeblich gehalten hat, ob der Anbau optisch in die übrige Bebauung integriert werde. Dies mag aber auf sich beruhen. Denn jedenfalls vertritt die Antragstellerin mit ihrer Sichtweise einen Ansatz, der dem Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 BauGB entlehnt ist und den das Beschwerdegericht bereits oben als unzutreffend erachtet hat. Das Anwachsen des Bauvolumens ist die zwangsläufige Folge der Zusammenfügung zweier Gebäude an der Grenze zu einer Einheit und somit dem Doppelhaus immanent. Der Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung wird im beplanten Innenbereich deshalb nicht allein schon dadurch gestört, dass ein Bauherr erstmals die durch eine entsprechende Festsetzung eröffnete Möglichkeit ausschöpft, ein Doppelhaus zu errichten und dieses das Bauvolumen der bislang nur vorhandenen Einzelhäuser um einiges übersteigt. Im Übrigen weisen der bei den Sachakten befindliche Auszug aus dem Liegenschaftskataster und das von der Antragstellerin eingereichte Luftbild darauf hin, dass hier zum einen zumindest auf den Grundstücken A.-Straße 12/12a bereits ein größeres (historisches) Doppelhaus vorhandenen ist und sich zum anderen in der Umgebung Einzelhäuser finden, deren Bauvolumen kaum hinter demjenigen des künftigen Doppelhauses zurückbleibt, wenn nicht dieses sogar übersteigt.

24

(2) Der Einordnung als Doppelhaus steht schließlich nicht entgegen, dass das Vorhaben mit seinem über die Geländeoberfläche hinausragenden Teil der Tiefgarage und der darauf gelegenen Terrasse bis auf 0,70 m an die gegenüberliegende, südöstliche Nachbargrenze heranreichen soll. Die Errichtung eines im Übrigen freistehenden und damit der offenen Bauweise entsprechenden Gebäudes wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Soweit die Antragstellerin davon ausgeht, dass auch dieser Gebäudeteil unmittelbar grenzständig errichtet werden soll, trifft dies nach den genehmigten Bauvorlagen Nr. 5/3, 5/36 und 5/46 (Grundriss Erdgeschoss, Lageplan Abstandsflächen, Lageplan) nicht zu. Zwar kann auch bei einem geringfügigen Grenzabstand noch eine geschlossene Bauweise vorliegen, wie es insbesondere bei Traufgassen oder schmalen Durchgängen bei historisch gewachsener Bebauung der Fall sein mag (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Rn. 9; Blechschmidt in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2015, § 22 BauNVO Rn. 38, jew. m.w.N.). So oder ähnlich liegt es hier jedoch nicht. Der Abstand von 0,70 m erscheint ausreichend, um das städtebauliche Erscheinungsbild der offenen Bauweise zu wahren, zumal der betreffende Teil der Tiefgarage an dieser Seite nur rund 1,60 m über die Geländeoberfläche hinausragt und der Hauptbaukörper zur südöstlichen Grundstücksgrenze einen Abstand von rund 3,85 m einhält. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anordnung der Bebauung zur seitlichen Grundstücksgrenze die Voraussetzungen für die Entwicklung einer straßenseitig geschlossenen Baureihe schafft, wie sie für die geschlossene Bauweise kennzeichnend ist.

25

b) Auch sonst ist eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht ersichtlich.

26

aa) Das gilt zunächst, soweit die Antragstellerin aufgrund der an der gemeinsamen Grundstücksgrenze vorgesehenen Pfahlgründung des Vorhabens eine Gefährdung der Standsicherheit ihres Wohnhauses befürchtet. Zwar hat das Beschwerdegericht der insoweit einschlägigen Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 3 HBauO, wonach die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke nicht gefährdet werden dürfen, nachbarschützende Wirkung zuerkannt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2012, BRS 79 Nr. 186, m.w.N.). Zutreffend hat jedoch schon das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Frage der Standsicherheit nicht Gegenstand der angegriffenen Baugenehmigung ist. Vielmehr bedarf es insoweit nach § 68 Abs. 2 Satz 1 HBauO i.V.m. § 14 BauVorlVO noch eines Ergänzungsbescheids und steht der Baubeginn nach Ziffer 3 der Baugenehmigung ausdrücklich unter einem entsprechenden Vorbehalt.

27

bb) Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung des in entsprechender Anwendung aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO folgenden Anspruchs auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets berufen.

28

Die Vorschrift erklärt die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall für unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Die Eigenart des Baugebiets ergibt sich aus seiner allgemeinen Zweckbestimmung, den sonstigen Festsetzungen des Bebauungsplans und dem Planungswillen (soweit dieser in den Festsetzungen des Bebauungsplans unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist) sowie der örtlichen Situation, in die ein Gebiet "hineingeplant" worden ist. Auf die tatsächlich vorhandene Bebauung kommt es dagegen grundsätzlich nicht an. Ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets liegt vor, wenn die Unangemessenheit des Vorhabens gegenüber dem von dem Plangeber gezogenen Rahmen bei objektiver Betrachtungsweise augenscheinlich ist. Eine gewisse Beeinträchtigung der typischen Gebietsprägung oder das Fehlen einer Entsprechung in jederlei Hinsicht sind unschädlich. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dient lediglich der Korrektur atypischer Einzelfälle; sie ist kein Instrument zur Ergänzung der städtebaulichen Ordnungsvorstellungen des Plangebers. (vgl. zu Allem bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, NordÖR 2009, 308, 309 f.; Beschl. v. 5.6.2009, NordÖR 2009, 310, 312; Beschl. v. 8.10.2009, 2 Bs 177/09, juris, Rn. 7).

29

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass diese engen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gegeben sind. Die Festsetzung eines Wohngebiets mit zweigeschossiger offener Bauweise und die hiermit nach Spalte 8 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO zwangsläufig verbundene bebaubare Fläche von 3/10 geben für einen - wie die Antragstellerin geltend macht - spezifischen Willen des Plangebers, den Charakter einer freistehenden Villenbebauung zu erhalten, nichts her. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dient der Bewahrung der Art der baulichen Nutzung und ist kein Instrument, um Milieuschutz zu betreiben (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 2.9.2011, 2 Bs 136/11, juris, Rn. 5 m.w.N.; Beschl. v. 8.10.2009, a.a.O., Rn. 9). Soweit die Antragstellerin auf die konkrete örtliche Situation abstellt, wie sie der Plangeber bei der Überplanung in den 1950er Jahren angetroffen hat und geltend macht, dass seinerzeit keine Doppelhäuser vorhanden gewesen seien, übersieht sie, dass die örtliche Situation nur insoweit gebietsprägend sein kann, wie sie auch Eingang in den Planungswillen und ihren Ausdruck in den getroffenen Festsetzungen gefunden hat. Beides ist in Bezug auf das historische Erscheinungsbild des Villengebiets nicht erkennbar. Hinsichtlich des von der Antragstellerin beanstandeten Volumens des Gesamtbaukörpers gilt im Übrigen, dass ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets in Bezug auf das Merkmal des Umfangs nur dann gegeben ist, wenn Quantität in Qualität umschlägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.3.1995, NVwZ 1995, 899, 900; OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, a.a.O., 310; Beschl. v. 8.10.2009, a.a.O., Rn. 10). Auch dafür ist nichts ersichtlich.

30

cc) Ebenso wenig lässt das genehmigte Vorhaben einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot erkennen.

31

Das Gebäude der Antragstellerin ist aufgrund seiner grenzständigen, fenster- und schmucklos gestalteten südöstlichen Giebelwand seit jeher in tatsächlicher Hinsicht zum Anbau geeignet. Darüber hinaus ist es jedenfalls seit Inkrafttreten des Baustufenplans Blankenese vor 60 Jahren aus Rechtsgründen mit der Möglichkeit belastet, sich durch einen mit ihm verträglichen und auf es abgestimmten Anbau zum Teil eines Doppelhauses zu entwickeln. Die Doppelhausfestsetzung bindet die benachbarten Grundstückseigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein: Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der (häufig schmalen) Grundstücke erhöht. Dies wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, „erkauft“. Diese enge Wechselbeziehung, die jeden Grundstückseigentümer zugleich begünstigt und belastet, begründet ein nachbarliches Austauschverhältnis, das nicht einseitig aufgehoben werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.2.2000, a.a.O., 359). Von daher erweist sich ein zur Entstehung eines Doppelhauses führender Grenzanbau auch dann nicht als rücksichtslos, wenn - wie hier - im Zeitpunkt der Überplanung nur eines von zwei benachbarten Grundstücken an der Grenze bebaut war und sich der Nachbar erst Jahrzehnte später entschließt, sein in offener Bauweise errichtetes Gebäude durch einen grenzständigen Neubau zu ersetzen.

32

Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich das Vorhaben gegenüber der Antragstellerin als rücksichtslos erweisen könnte. Das Rücksichtnahmegebot beinhaltet nicht, jede Beeinträchtigung eines Nachbarn zu vermeiden. Von rücksichtslosen Störungen kann erst dann die Rede sein, wenn die mit dem genehmigten Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen bei der Nutzung des eigenen Grundstückes bei einer Abwägung, in der die Schutzwürdigkeit der Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung und die Interessen des Bauherrn zu berücksichtigen sind, für den Nachbarn billigerweise unzumutbar erscheinen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 5.8.1983, BVerwGE 67, 334; OVG Hamburg, Beschl. v. 13.7.2012, 2 Bs 142/12, juris, Rn. 33; Beschl. v. 26.9.2007, NordÖR 2008, 73 f., m.w.N.). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Soweit die Antragstellerin künftig Lärmbeeinträchtigungen befürchtet, spricht nichts dafür, dass diese das Maß der im Rahmen einer Doppelhausbebauung üblicherweise auftretenden und hinzunehmenden Geräusche überschreiten werden.

III.

33

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO und §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 18. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit drei Wohneinheiten und Tiefgarage.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks A.-Straße 15a, das mit einem dreigeschossigen Wohnhaus bebaut ist. Die fenster- und schmucklos gestaltete südöstliche Giebelwand des Gebäudes steht unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen; im Übrigen ist es freistehend errichtet. Das Gebäude verfügt über ein Satteldach, dessen Firsthöhe nach den - insoweit nicht stimmigen - Bauvorlagen der Beigeladenen 59,40 m oder 59,90 m üNN beträgt, und ist außerdem mit einen Quergiebel ausgestattet. Auf dem Grundstück der Beigeladenen befindet sich gegenwärtig etwa 3,00 m bis 3,50 m von der gemeinsamen Grenze entfernt ein zweigeschossiges Wohngebäude, das ebenfalls auf der Grenze zu seinem südöstlichen Nachbarn steht. Der Baustufenplan Blankenese, erneut festgestellt am 14. Januar 1955 (Amtl. Anz. S. 61), der beide Gebäude als Bestand darstellt, weist die Grundstücke und ihre Umgebung als zweigeschossiges Wohngebiet mit offener Bauweise aus.

3

Die umstrittene Baugenehmigung sieht nunmehr einen Neubau vor, der auf der gesamten Länge seiner nordwestlichen Außenwand - deckungsgleich - an die südöstliche Außenwand des Gebäudes der Antragstellerin angebaut werden soll. Er soll über zwei Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss, ein Satteldach mit einer Firsthöhe von 59,90 m üNN sowie ebenfalls einen Quergiebel verfügen. Das über die Geländeoberfläche hinausragende, aber weder als Vollgeschoss noch als oberirdisches Geschoss geltende Tiefgaragengeschoss springt an der Rückseite des Vorhabens knapp 4,00 m und an seiner südöstlichen Seite 3,00 m gegenüber dem Erdgeschoss hervor und soll die Terrasse der dortigen Wohnung aufnehmen. Dieser Teil des Gebäudes ist 4,00 m von der gemeinsamen Grenze mit dem Grundstück der Antragstellerin zurückgesetzt und reicht bis auf 0,70 m an die südöstliche Nachbargrenze heran. Die Baugenehmigung enthält planungsrechtliche Befreiungen für die Überschreitung der zulässigen Grundflächenzahl um 1,2/10 auf 4,2/10 und die Überschreitung der vorderen Baulinie durch einen Balkon sowie - mit Zustimmung des Eigentümers des südöstlich angrenzenden Grundstücks - bauordnungsrechtliche Abweichungen für die Unterschreitung der erforderlichen Tiefe der Abstandsflächen an der Südostseite des Vorhabens.

4

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit der Begründung abgelehnt, dass die streitige Baugenehmigung sie aller Voraussicht nach nicht in ihren subjektiven Rechten verletze. Eine Abstandsfläche sei nach bauordnungsrechtlichen Vorschriften, nämlich nach § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO, entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht erforderlich. Die Anwendung der Vorschrift, welche die Bauaufsichtsbehörde ermächtige, einen Grenzanbau zuzulassen oder zu verlangen, wenn zwar nach planungsrechtlichen Vorschriften nicht an die Nachbargrenze gebaut werden dürfe, aber auf dem Nachbargrundstück ein Gebäude an der Grenze vorhanden sei, setze nicht als zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass eine planungsrechtliche Rechtfertigung für den Grenzanbau bestehe. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht in einem umgekehrten Fall, in dem das Planungsrecht eine geschlossene Bauweise vorgesehen habe, verlangt, dass die auf eine landesrechtliche Vorschrift gestützte Entscheidung, die Grenzbebauung zu versagen, eine planungsrechtliche Rechtfertigung besitzen müsse. Die planungsrechtliche Rechtfertigung sei aber keine bauordnungsrechtliche Frage, sondern eine Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Planungsrecht. Nur auf diese Weise bleibe die systematische Trennung von Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht erhalten. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass verschiedene Vorschriften in unterschiedlichem Maße Drittschutz vermittelten und daher in unterschiedlichem Maße von betroffenen Dritten zur Überprüfung gestellt werden könnten, erscheine eine Vermischung der unterschiedlichen Materien nicht geboten. Ob ein Verstoß gegen das Bauplanungsrecht vorliege, weil die Antragsgegnerin einen Grenzanbau genehmigt habe, obwohl der Baustufenplan die offene Bauweise vorschreibe, könne indes offen bleiben. Denn die Antragstellerin könne sich nicht auf die etwaige Verletzung dieser Vorschrift berufen, weil Festsetzungen über die Bauweise regelmäßig - und so auch hier - keine nachbarschützende Wirkung hätten. Aus demselben Grunde könne dahinstehen, ob die Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung der offenen Bauweise erforderlich gewesen wäre. Auch sonst sei eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht ersichtlich.

5

Mit ihrer hiergegen erhobenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Sie rügt u.a. eine fehlerhafte Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO und macht weiter geltend, dass der durch den Grenzanbau entstehende Gesamtbaukörper planungsrechtlich auch nicht als Doppelhaus zu qualifizieren sei.

II.

6

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg.

7

1. Allerdings wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerdebegründung zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen gegen die entscheidungstragende Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO eine planungsrechtliche Rechtfertigung des Grenzanbaus nicht voraussetze. Das Verwaltungsgericht hat insoweit den Vorrang des Bundesrechts (Art. 31 GG) verkannt.

8

a) § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO ermächtigt die Bauaufsichtsbehörde für den Fall, dass nach planungsrechtlichen Vorschriften nicht an die Nachbargrenze gebaut werden darf, auf dem Nachbargrundstück aber ein Gebäude an der Grenze vorhanden ist, zuzulassen oder zu verlangen, dass angebaut wird. Der Tatbestand geht damit von zwingendem Planungsrecht aus, wie es auch hier aufgrund der im Baustufenplan festgesetzten offenen Bauweise in Rede steht. Denn nach Satz 1 der Bemerkungen zu Spalte 4 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO, der mit seinem planungsrechtlichen Inhalt gemäß § 173 Abs. 3 BBauG in das geltende Planungsrecht übergeleitet worden ist, müssen Gebäude in Gebieten der offenen Bauweise an der Straße von den seitlichen Nachbargrenzen Abstand halten. Dieses Gebot kann kraft Bundesrechts nur durch die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB überwunden werden, die voraussetzt, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, dass Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde, und dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Da das Bauplanungsrecht somit selbst Voraussetzungen regelt, unter denen von der offenen Bauweise abgewichen werden kann, kann es in diesem Umfang nicht durch die Anwendung landesrechtlicher Vorschriften „ausgehebelt“ werden, die eben dieser Abweichung Rechnung tragen.

9

§ 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO, der insofern weniger streng als die Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB ist, als er über einen tatsächlich vorhandenen Grenzanbau auf dem Nachbargrundstück hinaus keine qualifizierten Voraussetzungen für die Abweichung von der planungsrechtlich an sich gebotenen offenen Bauweise normiert, ist daher insoweit bedenklich, als durch seine uneingeschränkte Anwendung die planungsrechtlichen Vorgaben des Bundesrechts „unterlaufen“ werden könnten. Damit die Vorschrift mit dem Bundesrecht vereinbar ist, bedarf sie deshalb einer einschränkenden Auslegung dahin gehend, dass als zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandmerkmal für die Zulassung eines Grenzanbaus oder das Verlangen nach einem solchen eine städtebauliche Rechtfertigung erforderlich ist. Insofern liegt es hier nicht anders als im umgekehrten Fall der planungsrechtlich vorgeschriebenen geschlossenen Bauweise, in dem das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 12.1.1995, BauR 1995, 365; vgl. ferner Beschl. v. 11.3.1994, BauR 1994, 494) für die auf das Landesrecht gestützte Entscheidung, gleichwohl einen Grenzabstand zu verlangen oder zuzulassen, eine ebensolche Rechtfertigung gefordert hat. Soweit das Verwaltungsgericht demgegenüber die Frage der städtebaulichen Rechtfertigung unter Hinweis auf die systematische Trennung von Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht ausschließlich dem letzteren zugewiesen hat, übersieht es, dass es vorliegend gerade um die Auflösung des Konkurrenzverhältnisses zwischen bauordnungsrechtlichen und bauplanungsrechtlichen Anforderungen und die Herstellung der Vereinbarkeit des Landesrechts mit dem weitergehenden (strengeren) Bundesrecht geht. Ebenso wenig geben die an Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO orientierten Erwägungen der Beigeladenen zu einer anderen Beurteilung Anlass.

10

b) Im Übrigen ist zu bezweifeln, dass der vom Verwaltungsgericht eingeschlagene Weg überhaupt zu anderen Ergebnissen führen kann. Der Tatbestand des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO setzt - wie erwähnt - voraus, dass nach planungsrechtlichen Vorschriften nicht an die Nachbargrenze gebaut werden darf. Dies erfordert eine allein am objektiven Recht orientierte Beurteilung; auf den nachbarschützenden Gehalt der betreffenden planungsrechtlichen Vorschrift kommt es nicht an. Wollte man die städtebauliche Rechtfertigung für eine gleichwohl zulässige Grenzbebauung als eine originäre Frage des Bauplanungsrechts begreifen, so müsste sich das Ergebnis der entsprechenden Prüfung im Tatbestand des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO niederschlagen. Würde die Antragsgegnerin nach § 31 Abs. 2 BauGB - wie es zunächst planungsrechtlich erforderlich ist - eine Befreiung von der offenen Bauweise erteilen (vgl. dazu Niere in: Alexejew, Hamburgisches Bauordnungsrecht, Stand: Januar 2012, § 6 Rn. 17,17a), so dürfte nach planungsrechtlichen Vorschriften an der Nachbargrenze gebaut werden und liefe der Tatbestand des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO leer. Würde sie dagegen eine Befreiung versagen, so käme es - bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln - auf die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht mehr an. Dies hat offenbar auch den bayerischen Gesetzgeber dazu veranlasst, die früher in Art. 6 Abs. 1 Satz 3 und 4 BayBO 1998 enthaltenen, dem § 7 Abs. 2 HBauO vergleichbaren Regelungen nicht mehr in die BayBO 2008 aufzunehmen (vgl. Niere, a.a.O.; Dhom in: Simon/Busse, Kommentar zur Bayerischen Bauordnung 2008, Stand: Februar 2015, Art. 6 Rn. 61).

11

c) Soweit das Verwaltungsgericht ferner auf Ausführungen des Beschwerdegerichts hingewiesen hat, denen zufolge es einer planungsrechtlichen Rechtfertigung nur bedarf, wenn ein Gebäude nach planungsrechtlichen Vorschriften zwingend an der Grundstücksgrenze errichtet werden muss (OVG Hamburg, Beschl. v. 3.7.2014, 2 Bs 144/14 unter Hinweis auf Beschl. v. 4.3.2014, 2 Bs 14/14), kann dahinstehen, ob die von der Antragstellerin hiergegen angeführten Argumente zielführend sind. Denn jedenfalls handelt es sich bei den verwaltungsgerichtlichen Erwägungen nach der Diktion des angefochtenen Beschlusses lediglich um ein obiter dictum, das nicht entscheidungstragend ist. Allerdings mögen die betreffenden Äußerungen des Beschwerdegerichts Anlass zu Missverständnissen gegeben haben, was die Frage ihres abschließenden Charakters anbelangt. Klarstellend ist deshalb zusammenzufassen, dass die Anwendung des § 7 Abs. 2 HBauO immer dann eine planungsrechtliche Rechtfertigung voraussetzt, wenn von zwingenden Vorgaben des Planungsrechts abgewichen werden soll. Das gilt - wie zuvor dargelegt - sowohl im Falle des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO als auch in der zweiten Alternative („muss“) des § 7 Abs. 2 Satz 2 HBauO.

12

2. Erweisen sich danach die entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts im Lichte der Beschwerdebegründung (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) als fehlerhaft, so kann das Beschwerdegericht gleichwohl den erstinstanzlichen Beschluss nicht allein schon deshalb ändern, sondern ist vielmehr zur Prüfung berufen, ob die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen richtig ist (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, NordÖR 2009, 308; Beschl. v. 28.11.2012, NVwZ-RR 2013, 352, 353). Das ist hier der Fall.

13

Die nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, die Schaffung vollendeter Tatsachen durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zu verhindern, und dem Interesse der Beigeladenen, ihr genehmigtes Vorhaben ungeachtet des Rechtsbehelfs der Antragstellerin gemäß § 212a Abs. 1 BauGB unverzüglich in die Tat umsetzen zu können, fällt im Ergebnis (weiterhin) zu Lasten der Antragstellerin aus. Die umstrittene Baugenehmigung verletzt die Antragstellerin aller Voraussicht nach nicht in ihren subjektiven Rechten, so dass dem Vollzugsinteresse der Beigeladenen der Vorrang einzuräumen ist.

14

a) Die Antragstellerin kann sich gegenüber dem Grenzanbau nicht auf eine Verletzung der nachbarschützenden Vorschrift des § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO berufen, wonach Abweichungen von den Anforderungen an Abstandsflächen, und zwar des § 6 Abs. 5 HBauO, soweit die Mindesttiefe von 2,50 m unterschritten werden soll, der Zustimmung des Eigentümers des angrenzenden Grundstücks bedarf. Denn eine Abstandsfläche ist vorliegend - ohne dass es auf die vorstehend thematisierte Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 1 HBauO ankäme - schon nach § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO nicht erforderlich, weil nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden darf. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass das Vorhaben der Beigeladenen zusammen mit dem ebenfalls grenzständig errichteten Gebäude der Antragstellerin ein Doppelhaus entstehen lässt und Doppelhäuser nach Satz 2 i.V.m. Satz 1 der Bemerkungen zu Spalte 4 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO in Gebieten der offenen Bauweise ohne weiteres zulässig sind.

15

aa) Zur näheren Bestimmung des Doppelhausbegriffes ist auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.a. Urt. v. 24.2.2000, BVerwGE 110, 355; Urt. v. 5.12.2013, BVerwGE 148, 290; Urt. v. 19.3.2015, 4 C 12/14, juris) zu § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO zurückzugreifen. Das Beschwerdegericht sieht keine Veranlassung, den in den gemäß § 173 Abs. 3 BBauG übergeleiteten Regelungen der BPVO verwendeten Begriff anders zu interpretieren als es dem heutigen Planungsrecht entspricht. Der Antragstellerin ist zwar einzuräumen, dass der Wortlaut der Sätze 1 und 2 der Bemerkungen zu Spalte 4 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO mit dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 Bau- NVO nicht identisch ist. An dem gleichwohl erkennbar übereinstimmenden Regelungsgehalt der Vorschriften ändert dies jedoch nichts. Beide Vorschriften kennzeichnen die offene Bauweise als Errichtung der Gebäude mit einem seitlichen Grenzabstand und erklären in dieser Bauweise sowohl Einzelhäuser als auch Doppelhäuser für zulässig.

16

Soweit die Antragstellerin meint, dass unter der Geltung der BauNVO hier zur Vermeidung eines „Etikettenschwindels“ nur eine Einzelhausfestsetzung (§ 22 Abs. 2 Satz 3 BauNVO) zulässig gewesen wäre, weil es in dem in Rede stehenden Gebiet bei Feststellung des Baustufenplans kein einziges Doppelhaus gegeben habe, trägt dieser Einwand weder zur abstrakten Bestimmung des Begriffes des Doppelhauses bei noch erweist er sich in der Sache als richtig. Denn einem Plangeber ist es nicht verwehrt, ein Gebiet in eine Richtung zu entwickeln, die im vorgefundenen Baubestand noch keinen Niederschlag gefunden hat. Ebenso wenig können die Regelungen der Sätze 1 und 2 der Bemerkungen zu Spalte 4 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO durch eine ergänzende Heranziehung des in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Einfügungsgebots gleichsam aufgeladen werden. Die Antragstellerin verkennt, dass ein einfacher Bebauungsplan nur insoweit durch § 34 BauGB ergänzt wird, als er selbst keine Festsetzungen trifft (§ 30 Abs. 3 BauGB). Die mit den Baustufenplänen in das geltende Planungsrecht übergeleiteten Vorschriften der BPVO über die offene Bauweise und die in dieser Bauweise zulässigen Hausformen sind daher abschließend.

17

Die Anforderungen, die danach unter Zugrundelegung der zuvor genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch an das Vorliegen eines Doppelhauses im Geltungsbereich eines Baustufenplans zu stellen sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

18

Ein Doppelhaus ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden, im Übrigen jedoch freistehen. Nicht erforderlich ist, dass die Doppelhaushälften gleichzeitig oder deckungsgleich (spiegelbildlich) errichtet werden. Ebenso wenig schließt das Erfordernis einer baulichen Einheit aus, die ein Doppelhaus bildenden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zueinander versetzt oder gestaffelt zusammenzuführen. In welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen, lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen, sondern beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Kein Doppelhaus entsteht, wenn sich zwei Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zwar noch berühren, aber ein Gebäude gegen das andere so stark versetzt wird, dass es den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöst. Darüber hinaus verlangt die bauplanungsrechtliche Einordnung als Doppelhaus, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis der baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Element. Letzteres darf allerdings nicht mit bauordnungsrechtlichen Merkmalen der Baugestaltungspflege überladen werden. Das Vorliegen eines Doppelhauses ist (lediglich) mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes zu prüfen, weshalb auch keine einheitliche Gestaltung, sondern nur ein Mindestmaß an Übereinstimmung gefordert werden kann. Es geht um eine spezifische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes, die darin liegt, dass das Doppelhaus den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude erscheint. Schließlich dürfen quantitative und qualitative Kriterien nicht nur isoliert betrachtet werden. Denn es ist ebenso denkbar, dass größere quantitative Abweichungen bei deutlich einheitlicher Gestaltung hingenommen werden können, wie es andererseits möglich ist, dass eine deutlich abweichende Gestaltung in ihrer Wirkung gemildert wird, weil die Gebäudeteile in quantitativer Hinsicht stark übereinstimmen. Ob zwei grenzständig errichtete Baukörper ein Doppelhaus bilden, ist deshalb stets aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls unter Betrachtung beider Gesichtspunkte zu entscheiden.

19

bb) Gemessen hieran spricht alles dafür, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen zusammen mit dem vorhandenen Wohngebäude der Antragstellerin als Doppelhaus zu qualifizieren ist.

20

(1) Wesentlich hierfür ist zunächst, dass der genehmigte Baukörper mit seiner rund 10,50 m langen nordwestlichen Außenwand deckungsgleich an die ebenso lange südöstliche Außenwand des Gebäudes der Antragstellerin angebaut werden soll. Soweit die grenzständige Außenwand an der Rückseite des Baukörpers oberhalb des Obergeschosses knapp 0,5 m hinter der grenzständigen Außenwand des Gebäudes der Antragstellerin zurückbleiben wird, fällt dies nicht ins Gewicht. Dasselbe gilt, soweit das Tiefgaragengeschoss auf der Rückseite des Vorhabens in einem Abstand von 4,00 m zur gemeinsamen Grenze höchstens knapp 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragen (vgl. die Bauvorlage Nr. 5/13 - Ansicht Nord-Ost), rund 4,00 m gegenüber dem Erdgeschoss vorspringen und die Terrasse der dort gelegenen Wohnung aufnehmen wird. Eine Abriegelung der rückwärtigen Freiflächen auf dem Grundstück der Antragstellerin, die bodenrechtliche Konflikte auslösen könnte, ist mit diesem Versatz nicht verbunden. Darüber hinaus nimmt die Kubatur des Vorhabens wesentliche Elemente des Wohngebäudes der Antragstellerin auf. Das gilt zum einen im Hinblick auf die Firsthöhe des Vorhabens, die mit derjenigen des Hauses der Antragstellerin übereinstimmt oder dieser jedenfalls weitgehend angeglichen ist. Nach den aus den genehmigten Bauvorlagen Nr. 5/12 und 5/13 (Ansichten Süd-West und Nord-Ost) ersichtlichen Maßen und der zeichnerischen Darstellung beträgt die Firsthöhe beider Gebäude übereinstimmend 59,90 m üNN. Abweichend hiervon weisen die ebenfalls zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachten Bauvorlagen Nr. 5/36 und 5/46 (Lageplan Abstandsflächen und Lageplan) zwar die Firsthöhe des Gebäudes der Antragstellerin mit 59,40 m üNN aus. Selbst eine Differenz von 0,5 m stünde aber der wechselseitigen Verträglichkeit und einem abgestimmten Erscheinungsbild der beiden Haushälften in Anbetracht ihrer absoluten Höhe um die 13,50 m nicht entgegen, zumal die beiderseitige Ausgestaltung mit gleich ausgerichteten Satteldächern und Quergiebeln einheitsstiftend wirkt und einen etwaigen vertikalen Versprung des Dachfirstes überspielt. Des Weiteren finden die in einem Abstand von 4,00 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze sowohl auf der Vorder- als auch der Rückseite jeweils um 1,50 m vorspringenden Gebäudeteile des Vorhabens in den ebenfalls auf beiden Seiten in etwa derselben Entfernung zur Grenze - wenn auch nicht ganz so ausgeprägt - hervortretenden Wänden des Quergiebels des Gebäudes der Antragstellerin eine annähernd spiegelbildliche Entsprechung. Den Eindruck der Antragstellerin, dass die Vorbauten völlig überdimensioniert seien, kann das Beschwerdegericht nicht teilen. Von daher lässt sich auch nicht feststellen, dass die Vorbauten die Proportionen der beiden Haushälften verzerren.

21

Beide Gebäude weisen zudem drei oberirdische Geschosse auf und unterscheiden sich insoweit nur dadurch, dass das dritte Geschoss des Vorhabens der Beigeladenen in seinem nicht grenzständigen Teil als Staffelgeschoss ausgebildet ist. Dass die Geschosshöhen verspringen, wirkt sich nicht als wesentliche Belastung aus, da das jeweils stehende Format der nahezu gleich hohen Fenster als verbindendes Element dominiert. Ferner übernimmt das Vorhaben der Beigeladenen die Traufhöhe des Gebäudes der Antragstellerin, wie sich aus den genehmigten Bauvorlagen Nr. 5/12 und 5/13 (Ansichten Süd-West und Nord-Ost), der dort ausgewiesenen Traufhöhe des Gebäudes der Antragstellerin (OK Rinne 56,58 üNN) und dem für das Vorhaben gleichlautend angegebenen Maß in den gleichfalls genehmigten Bauvorlagen Nr. 5/9 und 5/10 (Schnitt AA und BB) ergibt. Soweit die weiter zum Bestandteil der Baugenehmigung gemachten Bauvorlagen Nr. 5/36 und 5/46 (Lageplan Abstandsflächen und Lageplan) die Eintragung „OK Traufe 57,04“ enthalten, liegt offensichtlich eine missverständliche Bezeichnung vor, da sich dieses Maß nach der zur Bauvorlage Nr. 5/36 gehörenden Berechnung der Abstandsflächen und der Bauvorlage Nr. 5/9 (Schnitt AA) erkennbar auf den Schnittpunkt der Wandaußenseite mit der Dachhaut bezieht. Dass die Traufe auf der Rückseite der beiden Haushälften aufgrund des oberhalb des Obergeschosses ansetzenden 0,50 m tiefen Rücksprungs der Außenwand des Vorhabens der Beigeladenen nicht durchläuft und zudem der Dachfirst in der Horizontalen um etwa 0,80 m verspringt, erscheint nicht als bedeutsamer Bruch.

22

Insgesamt betrachtet ergibt sich danach das Bild eines deckungsgleich angebauten Vorhabens, das nach seinem oberirdischen Bauvolumen und seinen Proportionen dem Gebäude der Antragstellerin weitgehend angenähert ist, auch unter qualitativen Gesichtspunkten das bauplanungsrechtlich erforderliche Mindestmaß an Übereinstimmung aufweist und deshalb zusammen mit diesem als bauliche Einheit wirkt. Auch die Antragstellerin räumt ein, dass das Vorhaben unter quantitativen Gesichtspunkten wie Bautiefe, Gebäudehöhe, Raumvolumen und Geschossigkeit „problemlos“ erscheint. Soweit sie auf Unterschiede hinsichtlich weiterer gestalterischer Merkmale, wie z.B. die am Gebäude der Beigeladenen vorgesehenen Terrassen und Balkone und das Rundfenster im Giebel, hinweist, überspannt sie die Anforderungen, die an das nur erforderliche Mindestmaß an Übereinstimmung zu stellen sind.

23

Ebenso wenig überzeugt es, wenn die Antragstellerin unter Berufung auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 19. März 2015 (a.a.O., Rn. 19) geltend macht, dass hier schon das bloße Volumen des entstehenden Gesamtbaukörpers in der näheren Umgebung kein Vorbild finde, weshalb er den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung störe und das Stadtbild erheblich beeinträchtige. Es spricht bereits einiges dafür, dass der Gedankengang der Antragstellerin auf einem Fehlverständnis der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts beruht. Richtig ist zwar, dass es in dem von ihr angeführten Abschnitt des Urteils heißt, dass es „um eine spezifische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes (geht), die darin liegt, dass das Doppelhaus den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude erscheint“. Damit dürfte aber allein die wechselseitige Verträglichkeit der beiden Gebäude und nicht die Frage nach den weiteren, den Dimensionen des Gesamtbaukörpers geschuldeten Auswirkungen auf seine Umgebung angesprochen sein. Dementsprechend hat es das Bundesverwaltungsgericht in seinen folgenden Ausführungen gerade beanstandet, dass die Vorinstanz nicht das Gebäude des vom Grenzanbau betroffenen Klägers in den Blick genommen, sondern jedenfalls auch für maßgeblich gehalten hat, ob der Anbau optisch in die übrige Bebauung integriert werde. Dies mag aber auf sich beruhen. Denn jedenfalls vertritt die Antragstellerin mit ihrer Sichtweise einen Ansatz, der dem Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 BauGB entlehnt ist und den das Beschwerdegericht bereits oben als unzutreffend erachtet hat. Das Anwachsen des Bauvolumens ist die zwangsläufige Folge der Zusammenfügung zweier Gebäude an der Grenze zu einer Einheit und somit dem Doppelhaus immanent. Der Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung wird im beplanten Innenbereich deshalb nicht allein schon dadurch gestört, dass ein Bauherr erstmals die durch eine entsprechende Festsetzung eröffnete Möglichkeit ausschöpft, ein Doppelhaus zu errichten und dieses das Bauvolumen der bislang nur vorhandenen Einzelhäuser um einiges übersteigt. Im Übrigen weisen der bei den Sachakten befindliche Auszug aus dem Liegenschaftskataster und das von der Antragstellerin eingereichte Luftbild darauf hin, dass hier zum einen zumindest auf den Grundstücken A.-Straße 12/12a bereits ein größeres (historisches) Doppelhaus vorhandenen ist und sich zum anderen in der Umgebung Einzelhäuser finden, deren Bauvolumen kaum hinter demjenigen des künftigen Doppelhauses zurückbleibt, wenn nicht dieses sogar übersteigt.

24

(2) Der Einordnung als Doppelhaus steht schließlich nicht entgegen, dass das Vorhaben mit seinem über die Geländeoberfläche hinausragenden Teil der Tiefgarage und der darauf gelegenen Terrasse bis auf 0,70 m an die gegenüberliegende, südöstliche Nachbargrenze heranreichen soll. Die Errichtung eines im Übrigen freistehenden und damit der offenen Bauweise entsprechenden Gebäudes wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Soweit die Antragstellerin davon ausgeht, dass auch dieser Gebäudeteil unmittelbar grenzständig errichtet werden soll, trifft dies nach den genehmigten Bauvorlagen Nr. 5/3, 5/36 und 5/46 (Grundriss Erdgeschoss, Lageplan Abstandsflächen, Lageplan) nicht zu. Zwar kann auch bei einem geringfügigen Grenzabstand noch eine geschlossene Bauweise vorliegen, wie es insbesondere bei Traufgassen oder schmalen Durchgängen bei historisch gewachsener Bebauung der Fall sein mag (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Rn. 9; Blechschmidt in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2015, § 22 BauNVO Rn. 38, jew. m.w.N.). So oder ähnlich liegt es hier jedoch nicht. Der Abstand von 0,70 m erscheint ausreichend, um das städtebauliche Erscheinungsbild der offenen Bauweise zu wahren, zumal der betreffende Teil der Tiefgarage an dieser Seite nur rund 1,60 m über die Geländeoberfläche hinausragt und der Hauptbaukörper zur südöstlichen Grundstücksgrenze einen Abstand von rund 3,85 m einhält. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anordnung der Bebauung zur seitlichen Grundstücksgrenze die Voraussetzungen für die Entwicklung einer straßenseitig geschlossenen Baureihe schafft, wie sie für die geschlossene Bauweise kennzeichnend ist.

25

b) Auch sonst ist eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht ersichtlich.

26

aa) Das gilt zunächst, soweit die Antragstellerin aufgrund der an der gemeinsamen Grundstücksgrenze vorgesehenen Pfahlgründung des Vorhabens eine Gefährdung der Standsicherheit ihres Wohnhauses befürchtet. Zwar hat das Beschwerdegericht der insoweit einschlägigen Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 3 HBauO, wonach die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke nicht gefährdet werden dürfen, nachbarschützende Wirkung zuerkannt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2012, BRS 79 Nr. 186, m.w.N.). Zutreffend hat jedoch schon das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Frage der Standsicherheit nicht Gegenstand der angegriffenen Baugenehmigung ist. Vielmehr bedarf es insoweit nach § 68 Abs. 2 Satz 1 HBauO i.V.m. § 14 BauVorlVO noch eines Ergänzungsbescheids und steht der Baubeginn nach Ziffer 3 der Baugenehmigung ausdrücklich unter einem entsprechenden Vorbehalt.

27

bb) Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung des in entsprechender Anwendung aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO folgenden Anspruchs auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets berufen.

28

Die Vorschrift erklärt die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall für unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Die Eigenart des Baugebiets ergibt sich aus seiner allgemeinen Zweckbestimmung, den sonstigen Festsetzungen des Bebauungsplans und dem Planungswillen (soweit dieser in den Festsetzungen des Bebauungsplans unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist) sowie der örtlichen Situation, in die ein Gebiet "hineingeplant" worden ist. Auf die tatsächlich vorhandene Bebauung kommt es dagegen grundsätzlich nicht an. Ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets liegt vor, wenn die Unangemessenheit des Vorhabens gegenüber dem von dem Plangeber gezogenen Rahmen bei objektiver Betrachtungsweise augenscheinlich ist. Eine gewisse Beeinträchtigung der typischen Gebietsprägung oder das Fehlen einer Entsprechung in jederlei Hinsicht sind unschädlich. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dient lediglich der Korrektur atypischer Einzelfälle; sie ist kein Instrument zur Ergänzung der städtebaulichen Ordnungsvorstellungen des Plangebers. (vgl. zu Allem bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, NordÖR 2009, 308, 309 f.; Beschl. v. 5.6.2009, NordÖR 2009, 310, 312; Beschl. v. 8.10.2009, 2 Bs 177/09, juris, Rn. 7).

29

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass diese engen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gegeben sind. Die Festsetzung eines Wohngebiets mit zweigeschossiger offener Bauweise und die hiermit nach Spalte 8 der Baustufentafel in § 11 Abs. 1 BPVO zwangsläufig verbundene bebaubare Fläche von 3/10 geben für einen - wie die Antragstellerin geltend macht - spezifischen Willen des Plangebers, den Charakter einer freistehenden Villenbebauung zu erhalten, nichts her. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dient der Bewahrung der Art der baulichen Nutzung und ist kein Instrument, um Milieuschutz zu betreiben (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 2.9.2011, 2 Bs 136/11, juris, Rn. 5 m.w.N.; Beschl. v. 8.10.2009, a.a.O., Rn. 9). Soweit die Antragstellerin auf die konkrete örtliche Situation abstellt, wie sie der Plangeber bei der Überplanung in den 1950er Jahren angetroffen hat und geltend macht, dass seinerzeit keine Doppelhäuser vorhanden gewesen seien, übersieht sie, dass die örtliche Situation nur insoweit gebietsprägend sein kann, wie sie auch Eingang in den Planungswillen und ihren Ausdruck in den getroffenen Festsetzungen gefunden hat. Beides ist in Bezug auf das historische Erscheinungsbild des Villengebiets nicht erkennbar. Hinsichtlich des von der Antragstellerin beanstandeten Volumens des Gesamtbaukörpers gilt im Übrigen, dass ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets in Bezug auf das Merkmal des Umfangs nur dann gegeben ist, wenn Quantität in Qualität umschlägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.3.1995, NVwZ 1995, 899, 900; OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2009, a.a.O., 310; Beschl. v. 8.10.2009, a.a.O., Rn. 10). Auch dafür ist nichts ersichtlich.

30

cc) Ebenso wenig lässt das genehmigte Vorhaben einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot erkennen.

31

Das Gebäude der Antragstellerin ist aufgrund seiner grenzständigen, fenster- und schmucklos gestalteten südöstlichen Giebelwand seit jeher in tatsächlicher Hinsicht zum Anbau geeignet. Darüber hinaus ist es jedenfalls seit Inkrafttreten des Baustufenplans Blankenese vor 60 Jahren aus Rechtsgründen mit der Möglichkeit belastet, sich durch einen mit ihm verträglichen und auf es abgestimmten Anbau zum Teil eines Doppelhauses zu entwickeln. Die Doppelhausfestsetzung bindet die benachbarten Grundstückseigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein: Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der (häufig schmalen) Grundstücke erhöht. Dies wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, „erkauft“. Diese enge Wechselbeziehung, die jeden Grundstückseigentümer zugleich begünstigt und belastet, begründet ein nachbarliches Austauschverhältnis, das nicht einseitig aufgehoben werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.2.2000, a.a.O., 359). Von daher erweist sich ein zur Entstehung eines Doppelhauses führender Grenzanbau auch dann nicht als rücksichtslos, wenn - wie hier - im Zeitpunkt der Überplanung nur eines von zwei benachbarten Grundstücken an der Grenze bebaut war und sich der Nachbar erst Jahrzehnte später entschließt, sein in offener Bauweise errichtetes Gebäude durch einen grenzständigen Neubau zu ersetzen.

32

Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich das Vorhaben gegenüber der Antragstellerin als rücksichtslos erweisen könnte. Das Rücksichtnahmegebot beinhaltet nicht, jede Beeinträchtigung eines Nachbarn zu vermeiden. Von rücksichtslosen Störungen kann erst dann die Rede sein, wenn die mit dem genehmigten Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen bei der Nutzung des eigenen Grundstückes bei einer Abwägung, in der die Schutzwürdigkeit der Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung und die Interessen des Bauherrn zu berücksichtigen sind, für den Nachbarn billigerweise unzumutbar erscheinen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 5.8.1983, BVerwGE 67, 334; OVG Hamburg, Beschl. v. 13.7.2012, 2 Bs 142/12, juris, Rn. 33; Beschl. v. 26.9.2007, NordÖR 2008, 73 f., m.w.N.). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Soweit die Antragstellerin künftig Lärmbeeinträchtigungen befürchtet, spricht nichts dafür, dass diese das Maß der im Rahmen einer Doppelhausbebauung üblicherweise auftretenden und hinzunehmenden Geräusche überschreiten werden.

III.

33

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO und §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung ihres grenzständig errichteten Wohnhauses.

2

Der Kläger und die Beigeladenen sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Abgesehen von einer Baustufenordnung fehlen bauplanerische Festsetzungen. Auf dem Grundstück der Beigeladenen wurde 1967 grenzständig zum Grundstück des Klägers ein zweigeschossiges Wohnhaus mit traufständigem Satteldach (30°) und einer Wohnfläche von 127,93 qm errichtet; das Gebäude ist etwa 9 m tief und 9 m breit. Hinzu treten eine zum nordöstlich liegenden Nachbargrundstück grenzständige Garage sowie ein Wintergarten im hinteren Grundstücksteil. Das Grundstück des Klägers wurde 1983 grenzständig zum vorhandenen Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen mit einem zweigeschossigen Wohngebäude mit traufständigem Satteldach (35°) bebaut. Dieses Gebäude verfügt über eine Wohnfläche von etwa 177 qm und trat sowohl zur Straßen- als auch zur Gartenseite um 1 m gegenüber dem Gebäude der Beigeladenen vor. Seine Firsthöhe liegt etwa 1,50 m höher als bei dem Gebäude der Beigeladenen.

3

Der angegriffene Bescheid der Beklagten genehmigt den Umbau und die Erweiterung des Gebäudes der Beigeladenen durch eine straßenseitige Erweiterung des Bestandsgebäudes mit einem zum Grundstück des Klägers hin grenzständigen, zweigeschossigen und 5 m tiefen Anbau, der gegenüber dem Gebäude des Klägers um 4 m hervortritt, mit einem Satteldach und einer Dachneigung von 30°. Die Giebelseite des Anbaus ist zur Straße ausgerichtet. Am Standort des früheren Wintergartens ist ein an die Garage angebauter Abstellraum mit einem gemeinsamen Satteldach vorgesehen.

4

Die gegen den Bescheid gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verstößt die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, insbesondere nicht gegen die Anforderungen der "Doppelhausrechtsprechung" des Bundesverwaltungsgerichts. Die beiden Gebäude bildeten auch nach dem genehmigten Umbau ein Doppelhaus. Maßgeblich seien sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte. Im Interesse einer möglichst rechtssicheren Handhabung sei ein einheitlicher Baukörper unter den quantitativen Aspekten Geschossigkeit, Bautiefe und Gebäudehöhe der grenzständigen Gebäudeteile sowie des oberirdischen Brutto-Raumvolumens im Regelfall nicht mehr anzunehmen, wenn sich nur eines der genannten Merkmale bei den jeweiligen Gebäuden um mehr als die Hälfte unterscheide. Diesen Rahmen wahre das Bauvorhaben der Beigeladenen. Auch qualitative Gesichtspunkte sprächen nicht gegen ein Doppelhaus. Das Haupthaus der Beigeladenen und das Haus des Klägers wiesen identische Dachformen und Neigungen auf. Die Firste beider Gebäude seien parallel zur Straße ausgerichtet. Auch der Anbau trage ein Satteldach. Dessen abweichende Ausrichtung sei dem Orts- und Stadtbild geschuldet. Durch den Anbau schließe das Haus zur Bauflucht des nordöstlich gelegenen Nachbargebäudes auf. Die Gebäude des Klägers und der Beigeladenen würden so optisch in die übrige Bebauung integriert. Das Gebot der Rücksichtnahme werde ferner weder durch eine Verschattung des klägerischen Wohnzimmers verletzt noch wirke der genehmigte Bau erdrückend. Beeinträchtigungen durch Regenwasser und Schneebretter seien im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht zu prüfen. Abstandflächenrechtliche Vorschriften seien nicht verletzt.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Fortentwicklung der Grundsätze der Rechtsprechung zum planungsrechtlichen Begriff des Doppelhauses zugelassen. Von diesem Rechtsmittel hat der Kläger Gebrauch gemacht. Die Beklagte und die Beigeladenen verteidigen das Urteil.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision führt zur Zurückverweisung an die Vorinstanz (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht ist unter Anlegung bundesrechtswidriger Maßstäbe (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffene Baugenehmigung Rechte des Klägers nicht verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

7

1. Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts zum Außerkrafttreten der Baustufenordnung der Stadt D. und zum Prüfungsumfang eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 68 BauO NW beruhen auf der Auslegung irrevisiblen Landesrechts und unterliegen keiner revisionsgerichtlichen Prüfung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO).

8

2. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, das genehmigte Vorhaben sei weder wegen seines Schattenwurfs noch wegen einer erdrückenden Wirkung dem Kläger gegenüber rücksichtslos.

9

Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Dies ist der Fall, wenn das genehmigte Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in unmittelbarer Nähe vorhandene Bebauung fehlt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.>). Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen geprüft und als Tatgericht verneint. Dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

10

3. Das Berufungsurteil verletzt demgegenüber Bundesrecht, soweit es einen Verstoß gegen das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme "im Hinblick auf die auch im unbeplanten Innenbereich anwendbare Doppelhausrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts" verneint hat.

11

Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme kann vorliegen, wenn sich ein Vorhaben entgegen § 34 Abs. 1 BauGB nach den dort genannten Merkmalen nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Maßgebend für den Verstoß gegen Rechte eines Nachbarn ist insoweit, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Rn. 21 m.w.N.). Der Senat hat diese Aussagen für Doppelhäuser konkretisiert: Ist ein unbeplanter Innenbereich in offener Bauweise bebaut, weil dort nur Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen im Sinne von § 22 Abs. 2 BauNVO den maßgeblichen Rahmen bilden, so fügt sich ein grenzständiges Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich nicht nach der Bauweise ein, das unter Beseitigung eines bestehenden Doppelhauses grenzständig errichtet wird, ohne mit dem verbleibenden Gebäude ein Doppelhaus zu bilden. Ein solches Vorhaben verstößt gegenüber dem Eigentümer der bisher bestehenden Doppelhaushälfte grundsätzlich gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Ls. 1). Diesen Rechtsgrundsatz legt das Oberverwaltungsgericht zugrunde, wenn es - stark verkürzend - auf die "Doppelhausrechtsprechung im unbeplanten Innenbereich" (UA S. 8 f.) verweist.

12

a) Das Oberverwaltungsgericht durfte ohne Verstoß gegen Bundesrecht bei der Auslegung des § 34 Abs. 1 BauGB die Vorschriften der Baunutzungsverordnung als Auslegungshilfe heranziehen. Sie definieren, was die Begriffe der offenen oder geschlossenen Bauweise meinen. Aus diesem Grund kann im unbeplanten Innenbereich auf den Begriff des Doppelhauses der Baunutzungsverordnung zurückgegriffen werden, um Vorhaben zu würdigen (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Rn. 12; Lemmel, in: FS Schlichter, 1995, S. 353 <355 f.>). Hieran hält der Senat fest. Der Revision ist zuzugeben, dass der Gesetzgeber nicht an die Begriffe der Baunutzungsverordnung gebunden ist und § 34 BauGB in seinem Absatz 1 anders als in Absatz 2 auf die Baunutzungsverordnung nicht Bezug nimmt. Angesichts des Wortlauts des § 34 Abs. 1 BauGB liegt jedoch die Annahme fern, der Gesetzgeber habe den dort verwendeten Begriffen eine von den Begriffen der Baunutzungsverordnung abweichende Bedeutung zumessen wollen. Auch die Revision benennt hierfür keinen Anhaltspunkt.

13

b) Das Oberverwaltungsgericht hat offengelassen, ob der nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebliche Rahmen der näheren Umgebung durch Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen i.S.v. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO gebildet wird oder ob eine Gemengelage verschiedener Bauweisen vorliegt. Bundesrechtlich war ihm diese Vorgehensweise nicht versperrt. Ob die nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebende Umgebung einer Bebauung in offener Bauweise im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO entspricht oder mit Blick auf dieses Merkmal eine "Gemengelage" vorliegt, bedarf keiner Entscheidung, wenn das Gesamtgebäude auch nach Ausnutzung der Genehmigung ein Doppelhaus ist. Denn in beiden Fällen wäre der Bauweise nach ein Doppelhaus zulässig. Hiervon geht das Oberverwaltungsgericht zutreffend aus (UA S. 9). Es legt seiner tatrichterlichen Würdigung aber einen bundesrechtswidrigen Begriff des Doppelhauses zugrunde.

14

Das Oberverwaltungsgericht hat für das Vorliegen eines Doppelhauses quantitative und qualitative Aspekte betrachtet. Unter den quantitativen Aspekten der Geschossigkeit, der Bautiefe, der Gebäudehöhe und des oberirdischen Brutto-Raumvolumens könne ein Doppelhaus im Regelfall nicht mehr angenommen werden, wenn sich auch nur eines dieser Merkmale bei den jeweiligen Gebäuden um mehr als die Hälfte unterscheide (UA S. 10). Es müsse auch in qualitativer Hinsicht der Charakter eines Doppelhauses gewahrt bleiben. Diese Anforderungen versteht das Oberverwaltungsgericht nach den weiteren Ausführungen nicht als notwendige, sondern als hinreichende Bedingungen für das Vorliegen eines Doppelhauses, die getrennt voneinander zu prüfen sind. Wann das Fehlen eines Regelfalls zu einem anderen Ergebnis führen kann, bleibt offen. Dieses Begriffsverständnis ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.

15

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen, in welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <360>). Hieran hält der Senat fest. Auch für die weiteren vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen quantitativen Kriterien ist eine mathematisch-prozentuale Festlegung nicht möglich.

16

Der Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO verlangt, dass das Doppelhaus ein Gebäude mit seitlichem Grenzabstand ist. Zwei selbständige Baukörper, die sich an der Grenze berühren, aber praktisch allseitig freistehend sind, bilden kein Doppelhaus (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <358 f.>). Der Begriff des Doppelhauses hat dabei vom Ziel der offenen Bauweise auszugehen. Leitbild ist ein Haus, das nach beiden Seiten mit Grenzabstand errichtet wird und so einen Vorgarten mit einem Hausgarten verbindet (Boeddinghaus, in: Boeddinghaus/Grigoleit, BauNVO, 6. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 17). Die grundsätzlich nach beiden Seiten geforderten Grenzabstände sollen dabei als die Bebauung gliedernde und auflockernde Elemente wahrgenommen werden (König, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 Rn. 17). Ein einseitig grenzständiger Bau fügt sich in dieses System nur ein, wenn das gegenseitige Abstandsgebot an der Grundstücksgrenze auf der Grundlage der Gegenseitigkeit überwunden wird (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <359>).

17

Der vom Oberverwaltungsgericht gewählte mathematisch-prozentuale Ansatz trägt dem nicht Rechnung. Allerdings liegt es nahe, bei der Gebäudehöhe ein Verhältnis als Ausgangspunkt zu wählen, weil dieses nach außen besonders sichtbar wird. Eine gemeinsame Gebäudehöhe ist für das Maß der Übereinstimmung beider Gebäude deshalb von besonderer Bedeutung. Für eine feste oder indizielle Grenze von 50 % fehlt indes jeder Anhalt. Bei der Bautiefe liegt es anders: Ob ein Versprung durch unterschiedliche Bautiefen den Eindruck eines gemeinsamen Baukörpers aufhebt und das Grenzgrundstück abriegelt, hängt nur zum Teil davon ab, auf welcher Länge die Gebäude aneinander gebaut sind, namentlich, wenn die Länge der gemeinsamen Wand nicht sichtbar ist. Es sind regelmäßig weitere Kriterien in Betracht zu ziehen, etwa die Höhe der einseitig grenzständigen Wand sowie die Frage, ob der Versprung in voller Länge auf einer Gebäudeseite auftritt oder in jeweils geringerem Maße Vorder- und Rückseite belastet. Diese Einwände sprechen auch gegen einen mathematisch-prozentualen Maßstab beim oberirdischen Brutto-Raumvolumen, weil dieses durch Gebäudehöhe und Bautiefe maßgeblich mitbestimmt wird. Schließlich macht es für das Maß an hinnehmbarer Abweichung keinen Unterschied, ob die Gebäude ursprünglich übereinstimmend eingeschossig oder übereinstimmend zweigeschossig sind. Insoweit ist die Betrachtung eines Verhältnisses als Ausgangspunkt verfehlt.

18

Trotz des unzutreffenden rechtlichen Ansatzes verstößt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts nicht gegen Bundesrecht, dass die quantitativen Kriterien jeweils für sich den Charakter eines Doppelhauses auch in der Gestalt der angegriffenen Genehmigung nicht aufheben. Dies liegt für die Kriterien der Geschossigkeit, der Gebäudehöhe und des oberirdischen Brutto-Raumvolumens auf der Hand. Hinsichtlich der Bautiefe gestatten die tatrichterlichen Feststellungen zum Schattenwurf und zur verneinten erdrückenden Wirkung den Schluss, dass der Charakter eines Doppelhauses insoweit noch gewahrt ist.

19

bb) Die tatrichterliche Würdigung der qualitativen Kriterien verstößt gegen Bundesrecht. Die Qualifizierung zweier Gebäude als Doppelhaus hängt nicht allein davon ab, in welchem Umfang die beiden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinander gebaut sind. Es kann daher das Vorliegen eines Doppelhauses mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes geprüft und ein Mindestmaß an Übereinstimmung verlangt werden (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Rn. 16). Es geht um eine spezifische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <361>), die darin liegt, dass das Doppelhaus den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude erscheint. Es kommt also für die Frage, ob grenzständige Gebäude ein Doppelhaus bilden, auf die wechselseitige Verträglichkeit dieser Gebäude an (so für eine Hausgruppe auch BVerwG, Beschluss vom 19. März 2015 - 4 B 65.14 - juris Rn. 6). Diesen Blick hat sich das Oberverwaltungsgericht verstellt, als es für die Würdigung der unterschiedlichen Dachausrichtung nicht das Gebäude des Klägers in den Blick genommen, sondern jedenfalls auch für maßgeblich gehalten hat, dass der Anbau zur Bauflucht des Hauses auf dem zur anderen Seite benachbarten Grundstück aufschließe und so optisch in die übrige Bebauung integriert werde.

20

cc) Schließlich verstößt das angegriffene Urteil gegen Bundesrecht, weil es an der gebotenen Gesamtwürdigung des Einzelfalls fehlt.

21

Qualitative und quantitative Kriterien dürfen nicht nur isoliert betrachtet werden: Denn es ist ebenso denkbar, dass größere quantitative Abweichungen bei deutlich einheitlicher Gestaltung hingenommen werden können, wie es vorstellbar ist, dass eine deutlich abweichende Gestaltung in ihrer Wirkung gemildert wird, weil die Gebäudeteile in quantitativer Hinsicht stark übereinstimmen. Eine isolierte Betrachtung vernachlässigt auch, dass Fälle denkbar sind, in denen erst das Zusammenwirken quantitativer und qualitativer Kriterien den Charakter eines Doppelhauses entfallen lässt. Das Oberverwaltungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob insbesondere der Unterschied in der Bautiefe zusammen mit der abweichenden Gestaltung des Anbaus in ihrem Zusammenwirken den Charakter eines Doppelhauses aufheben.

22

4. Die Auslegung der Regelungen zur Abstandfläche in § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 Buchst. b BauO NRW ist revisibel, soweit die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Doppelhausbebauung in Rede steht, weil die landesrechtliche Norm an die bundesrechtliche Regelung lediglich anknüpft (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 4. November 1976 - 5 C 73.74 - BVerwGE 51, 268 <273> und vom 7. Juni 2006 - 4 C 7.05 - BRS 70 Nr. 84 S. 449 f.; zum Begriff des Doppelhauses bei Auslegung des § 6 Abs. 1 BauO NW vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. April 2012 - 4 B 42.11 - BRS 79 Nr. 95 Rn. 8). Auch insoweit liegt ein Verstoß gegen Bundesrecht vor, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt.

23

5. Der Bundesrechtsverstoß zwingt zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO) zur Klärung der Fragen, ob das Gesamtgebäude nach dem Umbau weiterhin ein Doppelhaus bildet und - verneinendenfalls - ob die maßstabsetzende Bebauung nach der Bauweise eine einseitig grenzständige Bebauung nur in Form eines Doppelhauses zulässt.

24

Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht an. Sie könnten, ihre Begründetheit unterstellt, ebenfalls nur zur Zurückverweisung führen. Zur Forderung der Revision, der Senat des Oberverwaltungsgerichts habe den Augenschein in voller Besetzung einholen müssen, weist der Senat aber auf Folgendes hin: Für die Frage, ob ein Gericht nach § 96 Abs. 2 VwGO schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen kann, gelten die Kriterien für die Beweisaufnahme durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter im vorbereitenden Verfahren nach § 87 Abs. 3 Satz 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. April 1994 - 1 B 14.94 - Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 54 S. 2 f.). Es kommt darauf an, dass von vornherein anzunehmen ist, dass das Gericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag. Dies gilt auch für Ortsbesichtigungen (BVerwG, Beschluss vom 15. August 1997 - 4 B 130.97 - Buchholz 310 § 87 VwGO Nr. 9 S. 2). Dass nach diesen Maßstäben eine Ortsbesichtigung durch den Senat des Oberverwaltungsgerichts erforderlich sein könnte, hat die Revision nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 2014 - 7 B 27.14 - NVwZ-RR 2015, 94 Rn. 6).


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Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Trier vom 9. Dezember 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18. März 2015 in Gestalt der Nachtragsgenehmigung vom 23. November 2015 insoweit angeordnet, als diese die Errichtung des Erd-, Ober- und Dachgeschosses von Haus 1 zum Gegenstand hat.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Antragsteller die Hälfte einschließlich der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die Antragsgegnerin ein Viertel mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen und die Beigeladene ebenfalls ein Viertel sowie die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist Eigentümer des Anwesens Z. Straße …, das mit einem zweigeschossigen Wohnhaus mit ausgebautem Dachgeschoss bebaut ist. Es weist entlang der Straße eine Breite von 11 m und eine Tiefe von 10,20 m auf und besteht aus drei Wohnungen. Der Antragsteller wendet sich gegen die der Beigeladenen für das Nachbargrundstück erteilte Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Wohngebäuden mit insgesamt 17 Wohneinheiten sowie einer Tiefgarage. Im Einzelnen handelt es sich um ein an das Haus des Antragstellers angebautes zweigeschossiges Mehrfamilienhaus mit 8 Wohneinheiten („Haus 1“) mit einer Breite von 24,53 m und einer Tiefe von 13,85 m im Bereich des Grenzanbaus, ferner um ein rückwärtiges freistehendes dreigeschossiges Mehrfamilienhaus mit 7 Wohneinheiten sowie einem zweigeschossigen Vorbau mit 2 Wohneinheiten („Haus 2“) und schließlich um ein einheitliches Keller- und Tiefgaragengeschoss unter den beiden Häusern mit einer Breite von 24,53 m und einer Tiefe von maximal 57,30 m. Grundlage für die Baugenehmigung ist der Bebauungsplan „BN 49/1 1. Änderung“ vom 27. Juli 2014. Den hiergegen gerichteten Normenkontrollantrag des Antragstellers hat der Senat durch Urteil vom 6. Mai 2015 – 8 C 10974/14.OVG –, juris, abgelehnt.

2

Nach Ansicht des Antragstellers ist die angegriffene Baugenehmigung deshalb rechtswidrig, weil sie gegen die Festsetzung im Bebauungsplan über die offene Bauweise verstößt. Haus 1 stelle wegen seiner Disproportionalität zu seinem Anwesen weder eine Doppelhaushälfte dar, noch handele es sich mangels selbstständig benutzbarer Einzelhäuser um eine Hausgruppe. Der ursprünglich geltend gemachte Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht durch Haus 2 habe sich inzwischen aufgrund der Nachtragsbaugenehmigung vom 23. November 2015 erledigt.

3

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 mit der Begründung abgewiesen, dass eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften durch die angegriffene Baugenehmigung hinreichend sicher auszuschließen sei. Zwar sei die Festsetzung im Bebauungsplan über die „offene Bauweise“ drittschützend. Auch handele es sich bei Haus 1 wegen des Vorhandenseins von nur einem Eingang und einem Treppenhaus nicht um den Teil einer Hausgruppe. Jedoch könne das Gebäude bei der gebotenen Gesamtwürdigung als Teil eines Doppelhauses angesehen werden. Auf das im rückwärtigen Bereich des Grundstücks genehmigte - derzeit bereits im Bau befindliche - Haus 2 komme es für den vorliegenden Nachbarrechtsstreit nicht an.

II.

4

Die Beschwerde, mit der das Suspensivinteresse auch im Anschluss an die Nachtragsbaugenehmigung für das gesamte Bauvorhaben aufrechterhalten wird, hat in dem tenorierten Umfang - teilweise - Erfolg.

5

Hinsichtlich der genehmigten oberirdischen Teile von Haus 1 überwiegt bei der nach § 80a Abs. 3 und § 80 Abs. 5 VwGO anzustellenden Abwägung das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Denn insofern spricht nach summarischer Prüfung viel für die Rechtswidrigkeit der Genehmigung und die hieraus folgende Rechtsverletzung zu Lasten des Antragstellers. Dies lässt sich hingegen für die unterirdisch errichtete Tiefgarage sowie für das im rückwärtigen Bereich genehmigte freistehende Haus nicht annehmen. Im Rahmen der nach § 80a Abs. 3 und § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Ermessensentscheidung hat es nach Auffassung des Senats daher insofern bei der gesetzlich in § 212a BauGB angeordneten aufschiebenden Wirkung zu bleiben.

6

1. Die genehmigte Errichtung von Haus 1 erweist sich aller Voraussicht nach als objektiv rechtswidrig.

7

Haus 1 dürfte mit der im Bebauungsplan „BN 49/1 1. Änderung“ getroffenen Festsetzung zur „offenen Bauweise“ nicht vereinbar sein. Diese Festsetzung ergibt sich aus den „Zeichnerischen Festsetzungen“ des Änderungsplans unter Ziff. I. Nr. 3 und der Nutzungsschablone unter Nr. 8. Sie ergänzt damit die für das Nachbargrundstück des Antragstellers bereits nach dem Ursprungsbebauungsplan BN 49/1 bestehende Festsetzung der offenen Bauweise.

8

Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO werden die Gebäude in der offenen Bauweise mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Festsetzung der offenen Bauweise betrifft ausschließlich die Stellung der Gebäude in Bezug auf Grundstücksgrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 – 4 C 12.98 –, BVerwGE 110, 355 und juris, Rn. 17; Determann/Stühler, in: Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Nr. 1), hier also die Grenze zwischen den Grundstücken des Antragstellers und der Beigeladenen. Bei der Zulassung von Doppelhäusern und Hausgruppen handelt es sich um eine vom Verordnungsgeber zugelassene Modifikationen der offenen Bauweise. Denn es wird gerade ein Anbau an einer bzw. beiden seitlichen Grundstücksgrenzen ermöglicht, was man deshalb für hinnehmbar hält, weil die Hausform insgesamt wegen ihrer maximalen Länge von 50 m (§ 22 Abs. 2 Satz 2 BauNVO) und den seitlichen Grenzabständen immer noch an der gewollten aufgelockerten Bebauung teilhat (vgl. BVerwG, ebenda; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118. EL 2015, § 22 Rn. 26).

9

a) Bei Haus 1 handelt es sich aller Voraussicht nach nicht um den Teil eines zusammen mit dem Anwesen des Antragstellers gebildeten Doppelhauses.

10

Ein Doppelhaus im Sinne des § 22 Abs. 2 BauNVO ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Das Erfordernis der baulichen Einheit ist nur erfüllt, wenn die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000, a.a.O., Leitsätze 1 und 2). Ob die beiden „Haushälften“ wechselseitig verträglich und abgestimmt aneinandergebaut werden, beurteilt sich nach quantitativen und qualitativen Merkmalen. In welchem Umfang die beiden Haushälften zusammengebaut sein müssen, lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen; verlangt ist vielmehr eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000, a.a.O., juris, Rn. 20 und 22; zuletzt: BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 – 4 C 12.14 –, BauR 2015, 1309 und juris, Rn. 15 ff.). Quantitative Kriterien sind neben der Bautiefe, der Geschossigkeit und der Gebäudehöhe auch das oberirdische Brutto-Raumvolumen. In qualitativer Hinsicht müssen die beiden Haushälften zwar nicht deckungsgleich oder spiegelbildlich sein, jedoch ein Mindestmaß an Übereinstimmung aufweisen, so dass das Doppelhaus als ein Gebäude erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000, a.a.O., juris, Rn. 18, Urteil vom 19. März 2015, a.a.O., Rn. 18 f.).

11

Hinsichtlich der quantitativen Elemente teilt der Senat zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass Haus 1 bezüglich der Bautiefe (aneinandergebauter Teil von 10,20 m bei straßenseitigem Versprung von 3,65 m), der im Wesentlichen gleichen Gebäudehöhe sowie der gleichen Geschosszahl wechselseitig verträglich und abgestimmt ist. Dies kann indes nach Auffassung des Senats nicht mehr angenommen werden hinsichtlich der straßenseitigen Breite, die bei Haus 1 mit 24,50 m mehr als das Doppelte der Breite des Anwesens des Antragstellers (11 m) beträgt. Damit zusammenhängend weist auch das oberirdische Brutto-Raumvolumen von Haus 1 mit 3.217 m³ (vgl. Bl. 31 der Bauakten) mehr als das Vierfache des Raumvolumens des Anwesens des Antragstellers auf (766 m³ nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragstellers). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die von dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen vertretene Grenzziehung einer Abweichung von maximal der Hälfte der jeweiligen quantitativen Einzelmerkmale zugunsten einer Einzelfallabwägung zurückgewiesen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2015, a.a.O., Rn. 15 ff.). Jedoch führt der Umstand einer mehr als doppelt so breiten Straßenfront und eines mehr als viermal so großen oberirdischen Brutto-Raumvolumens zu einer so deutlichen Disproportionalität der beiden Haushälften, dass nach Auffassung des Senats von einer baulichen Einheit nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. zur Disproportionalität bei der Erhöhung des Firstes von 11,60 m auf 15 m: BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5.12 –, BVerwGE 148, 290 und juris, Rn. 16 f.).

12

Auch qualitative Aspekte rechtfertigen es nicht, trotz der deutlichen quantitativen Abweichungen von einer Gebäudeeinheit zu sprechen (vgl. zu dieser Möglichkeit: BVerwG, Urteil vom 19. März 2015, a.a.O., Rn. 21). Vielmehr bestätigen die straßenseitige „Ansicht Nordwest (Z. Straße)“ (Bl. 49 der Behördenakte) sowie die Visualisierung auf Bl. 79 der Bauakte den dominierenden Eindruck des Bauvorhabens der Beigeladenen, was die Annahme eines wechselseitig abgestimmten Doppelhauses verbietet. Im Übrigen haben auch die Beigeladenen im erstinstanzlichen Verfahren eingeräumt, dass es sich bei Haus 1 nicht um eine Doppelhaushälfte, sondern – aufgrund der Fassadengestaltung und -gliederung - vielmehr um zwei Gebäude handelt, die zusammen mit dem Anwesen des Antragstellers eine Hausgruppe bilden (vgl. Schriftsatz vom 27. November 2015, S. 5, Bl. 138 der Gerichtsakte).

13

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen hat der Senat die Abgewogenheit des Neubauvorhabens mit dem vorhandenen Bestand auf dem Grundstück des Antragstellers in dem Normenkontrollurteil vom 6. Mai 2015 – 8 C 10974/14.OVG –, juris, auch nicht bestätigt. Zur Überprüfung stand nicht die auf das Vorhaben der Beigeladenen zugeschnittene Festsetzung einer abweichenden Bauweise nach § 22 Abs. 4 BauNVO. Vielmehr war im Änderungsplan die bereits im Ursprungsplan BN 49/1 festgesetzte offene Bauweise übernommen worden. Im Rahmen der Abwägungskontrolle hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Festsetzung der offenen Bauweise nicht in einem unüberbrückbaren Widerspruch zur Festsetzung eines größeren Baufensters im straßenseitigen Bereich des Änderungsbebauungsplans stehe. Selbst bei vollständiger Ausschöpfung des Baufensters ergäbe sich kein unüberbrückbarer Widerspruch zur Festsetzung der offenen Bauweise. Die im Bereich der gemeinsamen Grundstücksgrenze zugelassene Bautiefe erlaube durchaus einen mit dem Anwesen des Antragstellers wechselseitig verträglichen Anbau. Sollte sich der Anbau wegen seines im Vergleich zum Gebäude des Antragstellers deutlich größeren Raumvolumens nicht mehr als Doppelhaushälfte darstellen, würde dies keinen unlösbaren Konflikt zur Festsetzung der offenen Bauweise begründen. Denn in diesem Fall könnte die vollständige Ausschöpfung des Baufensters durch Errichtung einer Hausgruppe geschehen, und zwar bestehend aus dem Anwesen des Antragstellers und etwa zwei – jeweils auf eigenen Flurstücken errichteten – Häusern im Änderungsplangebiet (vgl. das Urteil des Senats vom 6. Mai 2015, S. 11 f.).

14

b) Haus 1 stellt sich aller Voraussicht nach auch nicht als Teil einer in der offenen Bauweise ebenfalls zulässigen Hausgruppe dar.

15

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht eine Hausgruppe aus mindestens drei auf (ebenso vielen) benachbarten Grundstücken stehenden Gebäuden, die durch Aneinanderbauen an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen zu einer Einheit zusammengefügt werden und deren Kopfhäuser einen seitlichen Grenzabstand einhalten (vgl. Blechschmidt, a.a.O., § 22 Rn. 29; Urteil des Senats vom 6. Mai 2014 – 8 C 10974/14.OVG –, S. 11 d.U.). Hinsichtlich der Anforderungen an die Einheitlichkeit dieser Hausform, das heißt an das Zusammenfügen der Einzelhäuser in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise, gelten dieselben Maßstäbe wie in der „Doppelhaus-Rechtsprechung“ des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2015 – 4 B 65.14 –, ZfBR 2015, 702 und juris, Rn. 6; Urteil vom 19. März 2015 – 4 C 12.14 –, BauR 2015, 1309 und juris, Rn. 19).

16

Im vorliegenden Fall hat die Beigeladene zwar durch die Gliederung des Baukörpers von Haus 1 versucht, den Eindruck eigenständiger Gebäude zu erwecken. Indes fehlt es an den für die Annahme von Einzelhäusern notwendigen eigenen Eingängen und Treppenhäusern (vgl. Determann/Stühler, in: Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Rn. 6.1). Nach der bisherigen Planung verfügt Haus 1 hingegen nur über einen Eingang und ein einheitliches Treppenhaus, von dem im Erd- und Obergeschoss jeweils drei Wohnungen erschlossen werden.

17

Ob der Zugang baulich-konstruktiv derart verändert werden kann, dass selbständige Häuser entstehen, die den Anforderungen an wechselseitig verträgliche und abgestimmte Einzelhäuser genügen, wie die Beigeladene vorträgt, kann dahingestellt bleiben. Denn Gegenstand der hier vorzunehmenden Beurteilung ist allein das genehmigte Vorhaben. Ebenso kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Festsetzung der offenen Bauweise vorliegen, wie die Antragsgegnerin angedeutet hat. Denn für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage kommt es allein auf die Genehmigungslage an. Eine eventuell bestehende Befreiungslage ist deshalb in diesem Zusammenhang unerheblich (vgl. OVG Rh-Pf, Beschluss vom 5. Februar 2010 – 1 B 11356/09 -, S. 4 d.U.).

18

2. Der vorstehend festgestellte Verstoß der Baugenehmigung gegen die Festsetzung über die „offene Bauweise“ verletzt den Antragsteller auch in seinen Rechten.

19

a) Denn die Festsetzung ist nachbarschützend, was sich aus dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses ergibt: Weil und soweit der einzelne Eigentümer gemeinsam mit anderen – benachbarten – Eigentümern in der Ausnutzung seines Grundstücks öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er grundsätzlich deren Beachtung auch im Verhältnis zu den anderen Eigentümern verlangen; dies gilt unabhängig davon, ob der Plangeber einen Willen zur drittschützenden Wirkung dieser Festsetzung ausdrücklich zu erkennen gegeben hat. Die nachbarschützende Wirkung dieser Festsetzung zur Bauweise ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Doppelhaus-Festsetzung anerkannt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000, a.a.O., juris, Rn. 27; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5.12 –, a.a.O., juris, Rn. 19 f, auch zum Nachbarrechtsschutz im unbeplanten Innenbereich auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebots). Da die Grundsätze der Doppelhaus-Rechtsprechung auch auf die Zulässigkeit von Hausgruppen entsprechend anzuwenden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2015 – 4 B 75.14 –, ZfBR 2015, 702 und juris, Rn. 6), finden die zu Doppelhaus-Festsetzungen entwickelten Grundsätze zum Drittschutz auch insofern entsprechende Anwendung (vgl. Blechschmidt, a.a.O., § 22 Rn. 50).

20

Der Grundstücksnachbar kann demnach verlangen, dass ein Anbau an die gemeinsame Grundstücksgrenze unter Beachtung der hierfür geltenden bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen erfolgt. Er kann also insbesondere verlangen, dass die angebaute Doppelhaushälfte bzw. das angebaute Gebäude der Hausgruppe nicht nur hinsichtlich der unmittelbar grenzständigen Gebäudeteile verträglich ist, sondern auch im Übrigen den Anforderungen an die notwendige Einheit der Hausform genügt. So hat denn auch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 19. März 2015 – 4 C 12.14 – (BauR 2015, 1309) trotz Verträglichkeit des Grenzanbaus in quantitativer Hinsicht das Verfahren an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen, um zu klären, ob die unterschiedliche Dachausrichtung des Anbaus den Anforderungen an eine Doppelhausbebauung genügt. Diese Zurückverweisung war nur deshalb geboten, weil für den Erfolg der zugrundeliegenden Nachbarklage auch die Einheitlichkeit in qualitativer Hinsicht erheblich war (vgl. zur erneuten Beurteilung: OVG NRW, Urteil vom 3. September 2015 – 7 A 1276/13 –, juris, Rn. 42 f.).

21

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist die subjektive Rechtsmacht des Antragstellers im vorliegenden Fall also nicht bloß auf die Beachtung des Rücksichtnahmegebots beschränkt. Vielmehr kann der Antragsteller sich darauf berufen, dass das genehmigte Haus 1 wegen seiner Disproportionalität zum Anwesen des Antragstellers keine Doppelhaushälfte darstellt und es sich bei dem angebauten Gebäudeteil mangels selbstständigem Eingang und Treppenhaus auch nicht um ein Element einer – im Bebauungsplan ebenfalls zugelassenen – Hausgruppe handelt.

22

b) Hinsichtlich der im Übrigen genehmigten Gebäudeteile ist hingegen eine Rechtsverletzung des Antragstellers im Rahmen der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht ersichtlich, so dass der Umfang des gewährten Eilrechtsschutzes entsprechend einzuschränken war.

23

Das Fehlen einer Rechtsverletzung betrifft zunächst einmal die unterirdisch verwirklichte Tiefgarage, die abstandsflächenrechtlich unerheblich ist (vgl. OVG RP, Beschluss vom 27. April 2006 – 8 A 10233/06.OVG –), weshalb es insofern auf eine - durch die festgesetzte offene Bauweise - bauplanungsrechtlich zugelassene Grenzbebauung nicht ankommt. Sie betrifft aber auch das genehmigte Haus 2, für das in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 23. November 2015 eine Verletzung des Abstandsflächenrechts weder geltend gemacht wird noch ersichtlich ist.

24

Ob und in welchem Umfang die Beigeladene von dem vollziehbaren Teil der Baugenehmigung Gebrauch macht, obliegt ihrer Verantwortung. Dies gilt insbesondere für die Errichtung der Tiefgarage im straßenseitigen Bereich und deren Vereinbarkeit mit eventuell notwendigen Änderungen der Genehmigung von Haus 1.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3 und 162 Abs. 3 VwGO.

26

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 52 GKG.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung ihres grenzständig errichteten Wohnhauses.

2

Der Kläger und die Beigeladenen sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Abgesehen von einer Baustufenordnung fehlen bauplanerische Festsetzungen. Auf dem Grundstück der Beigeladenen wurde 1967 grenzständig zum Grundstück des Klägers ein zweigeschossiges Wohnhaus mit traufständigem Satteldach (30°) und einer Wohnfläche von 127,93 qm errichtet; das Gebäude ist etwa 9 m tief und 9 m breit. Hinzu treten eine zum nordöstlich liegenden Nachbargrundstück grenzständige Garage sowie ein Wintergarten im hinteren Grundstücksteil. Das Grundstück des Klägers wurde 1983 grenzständig zum vorhandenen Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen mit einem zweigeschossigen Wohngebäude mit traufständigem Satteldach (35°) bebaut. Dieses Gebäude verfügt über eine Wohnfläche von etwa 177 qm und trat sowohl zur Straßen- als auch zur Gartenseite um 1 m gegenüber dem Gebäude der Beigeladenen vor. Seine Firsthöhe liegt etwa 1,50 m höher als bei dem Gebäude der Beigeladenen.

3

Der angegriffene Bescheid der Beklagten genehmigt den Umbau und die Erweiterung des Gebäudes der Beigeladenen durch eine straßenseitige Erweiterung des Bestandsgebäudes mit einem zum Grundstück des Klägers hin grenzständigen, zweigeschossigen und 5 m tiefen Anbau, der gegenüber dem Gebäude des Klägers um 4 m hervortritt, mit einem Satteldach und einer Dachneigung von 30°. Die Giebelseite des Anbaus ist zur Straße ausgerichtet. Am Standort des früheren Wintergartens ist ein an die Garage angebauter Abstellraum mit einem gemeinsamen Satteldach vorgesehen.

4

Die gegen den Bescheid gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verstößt die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, insbesondere nicht gegen die Anforderungen der "Doppelhausrechtsprechung" des Bundesverwaltungsgerichts. Die beiden Gebäude bildeten auch nach dem genehmigten Umbau ein Doppelhaus. Maßgeblich seien sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte. Im Interesse einer möglichst rechtssicheren Handhabung sei ein einheitlicher Baukörper unter den quantitativen Aspekten Geschossigkeit, Bautiefe und Gebäudehöhe der grenzständigen Gebäudeteile sowie des oberirdischen Brutto-Raumvolumens im Regelfall nicht mehr anzunehmen, wenn sich nur eines der genannten Merkmale bei den jeweiligen Gebäuden um mehr als die Hälfte unterscheide. Diesen Rahmen wahre das Bauvorhaben der Beigeladenen. Auch qualitative Gesichtspunkte sprächen nicht gegen ein Doppelhaus. Das Haupthaus der Beigeladenen und das Haus des Klägers wiesen identische Dachformen und Neigungen auf. Die Firste beider Gebäude seien parallel zur Straße ausgerichtet. Auch der Anbau trage ein Satteldach. Dessen abweichende Ausrichtung sei dem Orts- und Stadtbild geschuldet. Durch den Anbau schließe das Haus zur Bauflucht des nordöstlich gelegenen Nachbargebäudes auf. Die Gebäude des Klägers und der Beigeladenen würden so optisch in die übrige Bebauung integriert. Das Gebot der Rücksichtnahme werde ferner weder durch eine Verschattung des klägerischen Wohnzimmers verletzt noch wirke der genehmigte Bau erdrückend. Beeinträchtigungen durch Regenwasser und Schneebretter seien im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht zu prüfen. Abstandflächenrechtliche Vorschriften seien nicht verletzt.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Fortentwicklung der Grundsätze der Rechtsprechung zum planungsrechtlichen Begriff des Doppelhauses zugelassen. Von diesem Rechtsmittel hat der Kläger Gebrauch gemacht. Die Beklagte und die Beigeladenen verteidigen das Urteil.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision führt zur Zurückverweisung an die Vorinstanz (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht ist unter Anlegung bundesrechtswidriger Maßstäbe (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffene Baugenehmigung Rechte des Klägers nicht verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

7

1. Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts zum Außerkrafttreten der Baustufenordnung der Stadt D. und zum Prüfungsumfang eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 68 BauO NW beruhen auf der Auslegung irrevisiblen Landesrechts und unterliegen keiner revisionsgerichtlichen Prüfung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO).

8

2. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, das genehmigte Vorhaben sei weder wegen seines Schattenwurfs noch wegen einer erdrückenden Wirkung dem Kläger gegenüber rücksichtslos.

9

Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Dies ist der Fall, wenn das genehmigte Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in unmittelbarer Nähe vorhandene Bebauung fehlt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.>). Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen geprüft und als Tatgericht verneint. Dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

10

3. Das Berufungsurteil verletzt demgegenüber Bundesrecht, soweit es einen Verstoß gegen das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme "im Hinblick auf die auch im unbeplanten Innenbereich anwendbare Doppelhausrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts" verneint hat.

11

Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme kann vorliegen, wenn sich ein Vorhaben entgegen § 34 Abs. 1 BauGB nach den dort genannten Merkmalen nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Maßgebend für den Verstoß gegen Rechte eines Nachbarn ist insoweit, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Rn. 21 m.w.N.). Der Senat hat diese Aussagen für Doppelhäuser konkretisiert: Ist ein unbeplanter Innenbereich in offener Bauweise bebaut, weil dort nur Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen im Sinne von § 22 Abs. 2 BauNVO den maßgeblichen Rahmen bilden, so fügt sich ein grenzständiges Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich nicht nach der Bauweise ein, das unter Beseitigung eines bestehenden Doppelhauses grenzständig errichtet wird, ohne mit dem verbleibenden Gebäude ein Doppelhaus zu bilden. Ein solches Vorhaben verstößt gegenüber dem Eigentümer der bisher bestehenden Doppelhaushälfte grundsätzlich gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Ls. 1). Diesen Rechtsgrundsatz legt das Oberverwaltungsgericht zugrunde, wenn es - stark verkürzend - auf die "Doppelhausrechtsprechung im unbeplanten Innenbereich" (UA S. 8 f.) verweist.

12

a) Das Oberverwaltungsgericht durfte ohne Verstoß gegen Bundesrecht bei der Auslegung des § 34 Abs. 1 BauGB die Vorschriften der Baunutzungsverordnung als Auslegungshilfe heranziehen. Sie definieren, was die Begriffe der offenen oder geschlossenen Bauweise meinen. Aus diesem Grund kann im unbeplanten Innenbereich auf den Begriff des Doppelhauses der Baunutzungsverordnung zurückgegriffen werden, um Vorhaben zu würdigen (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Rn. 12; Lemmel, in: FS Schlichter, 1995, S. 353 <355 f.>). Hieran hält der Senat fest. Der Revision ist zuzugeben, dass der Gesetzgeber nicht an die Begriffe der Baunutzungsverordnung gebunden ist und § 34 BauGB in seinem Absatz 1 anders als in Absatz 2 auf die Baunutzungsverordnung nicht Bezug nimmt. Angesichts des Wortlauts des § 34 Abs. 1 BauGB liegt jedoch die Annahme fern, der Gesetzgeber habe den dort verwendeten Begriffen eine von den Begriffen der Baunutzungsverordnung abweichende Bedeutung zumessen wollen. Auch die Revision benennt hierfür keinen Anhaltspunkt.

13

b) Das Oberverwaltungsgericht hat offengelassen, ob der nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebliche Rahmen der näheren Umgebung durch Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen i.S.v. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO gebildet wird oder ob eine Gemengelage verschiedener Bauweisen vorliegt. Bundesrechtlich war ihm diese Vorgehensweise nicht versperrt. Ob die nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebende Umgebung einer Bebauung in offener Bauweise im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO entspricht oder mit Blick auf dieses Merkmal eine "Gemengelage" vorliegt, bedarf keiner Entscheidung, wenn das Gesamtgebäude auch nach Ausnutzung der Genehmigung ein Doppelhaus ist. Denn in beiden Fällen wäre der Bauweise nach ein Doppelhaus zulässig. Hiervon geht das Oberverwaltungsgericht zutreffend aus (UA S. 9). Es legt seiner tatrichterlichen Würdigung aber einen bundesrechtswidrigen Begriff des Doppelhauses zugrunde.

14

Das Oberverwaltungsgericht hat für das Vorliegen eines Doppelhauses quantitative und qualitative Aspekte betrachtet. Unter den quantitativen Aspekten der Geschossigkeit, der Bautiefe, der Gebäudehöhe und des oberirdischen Brutto-Raumvolumens könne ein Doppelhaus im Regelfall nicht mehr angenommen werden, wenn sich auch nur eines dieser Merkmale bei den jeweiligen Gebäuden um mehr als die Hälfte unterscheide (UA S. 10). Es müsse auch in qualitativer Hinsicht der Charakter eines Doppelhauses gewahrt bleiben. Diese Anforderungen versteht das Oberverwaltungsgericht nach den weiteren Ausführungen nicht als notwendige, sondern als hinreichende Bedingungen für das Vorliegen eines Doppelhauses, die getrennt voneinander zu prüfen sind. Wann das Fehlen eines Regelfalls zu einem anderen Ergebnis führen kann, bleibt offen. Dieses Begriffsverständnis ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.

15

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen, in welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <360>). Hieran hält der Senat fest. Auch für die weiteren vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen quantitativen Kriterien ist eine mathematisch-prozentuale Festlegung nicht möglich.

16

Der Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO verlangt, dass das Doppelhaus ein Gebäude mit seitlichem Grenzabstand ist. Zwei selbständige Baukörper, die sich an der Grenze berühren, aber praktisch allseitig freistehend sind, bilden kein Doppelhaus (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <358 f.>). Der Begriff des Doppelhauses hat dabei vom Ziel der offenen Bauweise auszugehen. Leitbild ist ein Haus, das nach beiden Seiten mit Grenzabstand errichtet wird und so einen Vorgarten mit einem Hausgarten verbindet (Boeddinghaus, in: Boeddinghaus/Grigoleit, BauNVO, 6. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 17). Die grundsätzlich nach beiden Seiten geforderten Grenzabstände sollen dabei als die Bebauung gliedernde und auflockernde Elemente wahrgenommen werden (König, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 Rn. 17). Ein einseitig grenzständiger Bau fügt sich in dieses System nur ein, wenn das gegenseitige Abstandsgebot an der Grundstücksgrenze auf der Grundlage der Gegenseitigkeit überwunden wird (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <359>).

17

Der vom Oberverwaltungsgericht gewählte mathematisch-prozentuale Ansatz trägt dem nicht Rechnung. Allerdings liegt es nahe, bei der Gebäudehöhe ein Verhältnis als Ausgangspunkt zu wählen, weil dieses nach außen besonders sichtbar wird. Eine gemeinsame Gebäudehöhe ist für das Maß der Übereinstimmung beider Gebäude deshalb von besonderer Bedeutung. Für eine feste oder indizielle Grenze von 50 % fehlt indes jeder Anhalt. Bei der Bautiefe liegt es anders: Ob ein Versprung durch unterschiedliche Bautiefen den Eindruck eines gemeinsamen Baukörpers aufhebt und das Grenzgrundstück abriegelt, hängt nur zum Teil davon ab, auf welcher Länge die Gebäude aneinander gebaut sind, namentlich, wenn die Länge der gemeinsamen Wand nicht sichtbar ist. Es sind regelmäßig weitere Kriterien in Betracht zu ziehen, etwa die Höhe der einseitig grenzständigen Wand sowie die Frage, ob der Versprung in voller Länge auf einer Gebäudeseite auftritt oder in jeweils geringerem Maße Vorder- und Rückseite belastet. Diese Einwände sprechen auch gegen einen mathematisch-prozentualen Maßstab beim oberirdischen Brutto-Raumvolumen, weil dieses durch Gebäudehöhe und Bautiefe maßgeblich mitbestimmt wird. Schließlich macht es für das Maß an hinnehmbarer Abweichung keinen Unterschied, ob die Gebäude ursprünglich übereinstimmend eingeschossig oder übereinstimmend zweigeschossig sind. Insoweit ist die Betrachtung eines Verhältnisses als Ausgangspunkt verfehlt.

18

Trotz des unzutreffenden rechtlichen Ansatzes verstößt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts nicht gegen Bundesrecht, dass die quantitativen Kriterien jeweils für sich den Charakter eines Doppelhauses auch in der Gestalt der angegriffenen Genehmigung nicht aufheben. Dies liegt für die Kriterien der Geschossigkeit, der Gebäudehöhe und des oberirdischen Brutto-Raumvolumens auf der Hand. Hinsichtlich der Bautiefe gestatten die tatrichterlichen Feststellungen zum Schattenwurf und zur verneinten erdrückenden Wirkung den Schluss, dass der Charakter eines Doppelhauses insoweit noch gewahrt ist.

19

bb) Die tatrichterliche Würdigung der qualitativen Kriterien verstößt gegen Bundesrecht. Die Qualifizierung zweier Gebäude als Doppelhaus hängt nicht allein davon ab, in welchem Umfang die beiden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinander gebaut sind. Es kann daher das Vorliegen eines Doppelhauses mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes geprüft und ein Mindestmaß an Übereinstimmung verlangt werden (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Rn. 16). Es geht um eine spezifische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <361>), die darin liegt, dass das Doppelhaus den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude erscheint. Es kommt also für die Frage, ob grenzständige Gebäude ein Doppelhaus bilden, auf die wechselseitige Verträglichkeit dieser Gebäude an (so für eine Hausgruppe auch BVerwG, Beschluss vom 19. März 2015 - 4 B 65.14 - juris Rn. 6). Diesen Blick hat sich das Oberverwaltungsgericht verstellt, als es für die Würdigung der unterschiedlichen Dachausrichtung nicht das Gebäude des Klägers in den Blick genommen, sondern jedenfalls auch für maßgeblich gehalten hat, dass der Anbau zur Bauflucht des Hauses auf dem zur anderen Seite benachbarten Grundstück aufschließe und so optisch in die übrige Bebauung integriert werde.

20

cc) Schließlich verstößt das angegriffene Urteil gegen Bundesrecht, weil es an der gebotenen Gesamtwürdigung des Einzelfalls fehlt.

21

Qualitative und quantitative Kriterien dürfen nicht nur isoliert betrachtet werden: Denn es ist ebenso denkbar, dass größere quantitative Abweichungen bei deutlich einheitlicher Gestaltung hingenommen werden können, wie es vorstellbar ist, dass eine deutlich abweichende Gestaltung in ihrer Wirkung gemildert wird, weil die Gebäudeteile in quantitativer Hinsicht stark übereinstimmen. Eine isolierte Betrachtung vernachlässigt auch, dass Fälle denkbar sind, in denen erst das Zusammenwirken quantitativer und qualitativer Kriterien den Charakter eines Doppelhauses entfallen lässt. Das Oberverwaltungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob insbesondere der Unterschied in der Bautiefe zusammen mit der abweichenden Gestaltung des Anbaus in ihrem Zusammenwirken den Charakter eines Doppelhauses aufheben.

22

4. Die Auslegung der Regelungen zur Abstandfläche in § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 Buchst. b BauO NRW ist revisibel, soweit die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Doppelhausbebauung in Rede steht, weil die landesrechtliche Norm an die bundesrechtliche Regelung lediglich anknüpft (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 4. November 1976 - 5 C 73.74 - BVerwGE 51, 268 <273> und vom 7. Juni 2006 - 4 C 7.05 - BRS 70 Nr. 84 S. 449 f.; zum Begriff des Doppelhauses bei Auslegung des § 6 Abs. 1 BauO NW vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. April 2012 - 4 B 42.11 - BRS 79 Nr. 95 Rn. 8). Auch insoweit liegt ein Verstoß gegen Bundesrecht vor, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt.

23

5. Der Bundesrechtsverstoß zwingt zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO) zur Klärung der Fragen, ob das Gesamtgebäude nach dem Umbau weiterhin ein Doppelhaus bildet und - verneinendenfalls - ob die maßstabsetzende Bebauung nach der Bauweise eine einseitig grenzständige Bebauung nur in Form eines Doppelhauses zulässt.

24

Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht an. Sie könnten, ihre Begründetheit unterstellt, ebenfalls nur zur Zurückverweisung führen. Zur Forderung der Revision, der Senat des Oberverwaltungsgerichts habe den Augenschein in voller Besetzung einholen müssen, weist der Senat aber auf Folgendes hin: Für die Frage, ob ein Gericht nach § 96 Abs. 2 VwGO schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen kann, gelten die Kriterien für die Beweisaufnahme durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter im vorbereitenden Verfahren nach § 87 Abs. 3 Satz 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. April 1994 - 1 B 14.94 - Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 54 S. 2 f.). Es kommt darauf an, dass von vornherein anzunehmen ist, dass das Gericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag. Dies gilt auch für Ortsbesichtigungen (BVerwG, Beschluss vom 15. August 1997 - 4 B 130.97 - Buchholz 310 § 87 VwGO Nr. 9 S. 2). Dass nach diesen Maßstäben eine Ortsbesichtigung durch den Senat des Oberverwaltungsgerichts erforderlich sein könnte, hat die Revision nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 2014 - 7 B 27.14 - NVwZ-RR 2015, 94 Rn. 6).

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13. Januar 2011 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 29. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. August 2010 hinsichtlich der Verfügungen Nr. 1 Buchstaben a) und b), hinsichtlich der in Nr. 2 zu Nr. 1 Buchstaben a) und b) ergangenen Zwangsgeldandrohungen und hinsichtlich der Kostenfestsetzung aufgehoben sowie hinsichtlich der Verfügungen Nr. 1 Buchstabe d) und Nr. 2 insoweit aufgehoben, als die Beseitigung des Gartenhauses aufgegeben und bei Nichtbeachtung ein Zwangsgeld angedroht wurde.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben die Kläger 5/8 und die Beklagte 3/8 zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Beteiligten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweils andere Beteiligte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen eine Rückbauverfügung der Beklagten und begehren die Baugenehmigung für eine geänderte Nutzung ihres Anwesens.

2

Die Klägerin zu 2) ist Erbbauberechtigte an dem Grundstück Flurstück-Nr. … in Speyer (Binsfeld 13). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 002 "Im Binsfeld III (Wochenendhausgebiet)", der ein Wochenendhausgebiet festsetzt und in Nr. 3 der textlichen Festsetzungen bestimmt, dass die Grundfläche der Wochenendhäuser 60 m² nicht überschreiten darf. In Nr. 4 der textlichen Festsetzungen wird die zulässige Geschossfläche ebenfalls auf 60 m² beschränkt. Nach Nr. 10 Satz 2 der textlichen Festsetzungen sind Nebenanlagen aller Art unzulässig. Der am 19. Juli 1977 als Satzung beschlossene Bebauungsplan wurde am 13. Juni 1984 erneut bekannt gemacht. Überdies wird das Gebiet von der Satzung über die äußere Gestaltung von baulichen Anlagen sowie über Erfordernis und Gestaltung von Einfriedungen für das Wochenendhausgebiet "Im Binsfeld III" vom 7. Dezember 1977 erfasst. Diese Satzung sieht in § 2 Abs. 2 vor, dass die überdachte Fläche von Loggien oder Terrassen 8 m² nicht übersteigen darf.

3

Am 11. Juni 1980/2. Dezember 1982 wurde den Klägern die Genehmigung zur Errichtung eines Wochenendhauses mit Garage für ihr Grundstück erteilt. Die der Genehmigung zugrunde liegenden Bauunterlagen sahen ein unterkellertes eingeschossiges Wochenendhaus mit einer überbauten Fläche von 59,5 m² vor. Die im Westen des Grundstücks hieran angebaute Garage sollte über einen nur über einen Einstieg von außen zugänglichen Keller verfügen und grenzständig errichtet werden. Zugänge zwischen Haus und Garage waren nicht vorgesehen. Bei der Rohbauabnahme am 21. Dezember 1982 wurden eine Trennwand in der Garage sowie die Nutzung von Aufenthaltsräumen im Keller beanstandet. Am 23. August 1988 erfolgte seitens der Beklagten eine Gebrauchsabnahme, bei der keine Beanstandungen festgehalten wurden.

4

Nach einer Ortsbesichtigung am 19. Oktober 2006 listete die Beklagte in einem Schreiben vom 23. November 2006 Abweichungen von der erteilten Baugenehmigung auf. Hiernach würden Keller und Garage als Aufenthaltsräume genutzt. Vom Keller des Wohnhauses bestehe ein Zugang zu den Garagenunterkellerungsräumen. Zudem bestehe eine Verbindung unmittelbar vom Erdgeschoss des Hauptgebäudes zur Garage. Die Terrassenüberdachung weise eine Fläche von 24 m² auf. Weiterhin sei ein Gartenhaus mit einer Grundfläche von 5 m² errichtet worden. Mit Schreiben vom 6. Juni 2008, das mit "Anhörung nach § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)" überschrieben war, informierte die Beklagte die Kläger darüber, welche Maßnahmen nach ihrem Sanierungskonzept zur Beseitigung der festgestellten Mängel erforderlich seien und kündigte für den Fall, dass die Kläger bis zum 31. August 2008 nicht tätig würden, den Erlass einer Ordnungsverfügung an.

5

Mit Bescheid vom 29. September 2008 gab die Beklagte den Klägern auf, die Garage wieder ihrer genehmigten Nutzung zuzuführen. Zudem müsse die Verbindungstür zum Wohnhaus entfernt werden. Die direkte Verbindung zwischen Wochenendhaus und Garagenunterkellerungsraum sei dauerhaft zu verschließen. Die Terrassenüberdachung solle auf das zulässige Maß von 8 m² reduziert werden. Für das Gartenhaus sei ein Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu stellen, anderenfalls sei das Gerätehaus zu beseitigen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte darauf, dass Garagen in den Abstandsflächen anderer Gebäude oder ohne eigene Abstandsflächen nur dann zulässig seien, wenn sie keine Aufenthaltsräume oder Feuerstätten aufwiesen. Zudem müsse es sich um selbstständige Gebäude handeln. Die Terrassenüberdachung gehe über das in der Gestaltungssatzung zulässige Maß hinaus. Zudem seien Nebenanlagen nach den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht zulässig. Am 29. Oktober 2008 erhoben die Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch.

6

Mit am 19. März 2009 bei der Beklagten eingegangenem Antrag begehrten die Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Kellerraums sowie eines Teils der Garage in Aufenthaltsräume ohne bauliche Veränderungen am genehmigten Bestand. Nachdem die Beklagte die Kläger zu einer möglichen Ablehnung ihres Antrags angehört hatte, lehnte sie die Erteilung einer Baugenehmigung mit Bescheid vom 12. Mai 2009 ab. Die beantragte Nutzungsänderung könne nicht erteilt werden, da die nach dem Bebauungsplan höchstzulässige Grund- bzw. Geschossfläche von 60 m² überschritten werde und Aufenthaltsräume in den Grenzabstandsflächen nicht zulässig seien. Hiergegen erhoben die Kläger am 16. Juni 2009 Widerspruch.

7

Die Widersprüche wurden vom Stadtrechtsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Stadtrechtsausschuss an, dass die bauaufsichtliche Verfügung rechtmäßig sei, da die beanstandeten Maßnahmen ohne die erforderliche Genehmigung erfolgt seien und auch nicht genehmigt werden könnten. Durch die Umnutzung der Garage verstoße das Vorhaben gegen die Bestimmungen des Bebauungsplans "Im Binsfeld III", wonach die zulässige Grundfläche auf 60 m² beschränkt sei. Die Grundfläche der Garage könne nur dann von der Berechnung ausgenommen werden, wenn das Gebäude auch tatsächlich als Garage genutzt werde. Der Bebauungsplan erweise sich auch nicht als funktionslos. Die Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans im Gebiet beruhten nicht auf rechtswidrigen Genehmigungen der Beklagten. Zudem hätten Verstöße vielfach erst nach einer Besichtigung der Objekte festgestellt werden können. Überdies liege ein Verstoß gegen abstandsflächenrechtliche Vorschriften vor, da die Garage wegen der Durchgänge zum Haupthaus nicht mehr als selbstständiges Gebäude angesehen werden könne. Für Nebengebäude, die nach dem Bebauungsplan unzulässig seien, sehe das Sanierungskonzept der Beklagten eine Befreiungsmöglichkeit bis zu einer Grundfläche von 6 m² vor. Insoweit habe die Beklagte verlangen können, dass für das Gerätehaus entweder ein Befreiungsantrag zu stellen oder dieses zu beseitigen sei. Da sich die derzeitige Nutzung von Garage und Keller als materiell baurechtswidrig erweise, könne auch die beantragte Baugenehmigung nicht erteilt werden.

8

Am 2. September 2010 haben die Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen dargelegt haben, dass die Beklagte sie vor Erlass der bauaufsichtlichen Anordnung nicht ordnungsgemäß angehört habe. Das Gartenhaus sei bereits vor der erneuten Bekanntmachung des Bebauungsplans im Jahre 1982 fertiggestellt gewesen. Ihr Nachbar habe zwischenzeitlich der Eintragung einer Baulast zur Ausweisung der Abstandsflächen für die Garage auf seinem Grundstück zugestimmt. Bereits im Zeitpunkt der erneuten Bekanntgabe des Bebauungsplans habe das Plangebiet überwiegend der Dauerwohnnutzung gedient, so dass bereits damals das Planungsziel eines Wochenendhausgebietes nicht mehr erreichbar gewesen sei. Zudem hätte die Bekanntmachung nicht ohne erneute Abwägung erfolgen dürfen. Die bauaufsichtliche Anordnung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Beklagte zahlreiche Vorhaben im Bereich Binsfeld, die gegen baurechtliche Vorschriften verstoßen hätten, entweder genehmigt oder geduldet habe.

9

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ein Dauerwohnen im Gebiet zu keinem Zeitpunkt legalisiert oder geduldet worden sei. Nur in wenigen Fällen seien vor Inkrafttreten des Bebauungsplans von den Festsetzungen abweichende Vorhaben genehmigt worden. In einem etwa 40 Jahre zurückliegenden Fall sei eine Genehmigung durch das Fehlverhalten eines Dezernenten in Abweichung von den Vorgaben des Bebauungsplans erteilt worden.

10

Mit Urteil vom 13. Januar 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung angeführt, dass die beantragte Baugenehmigung nicht erteilt werden könne, da die Umnutzung von Keller und Garage in einen Wohnraum dem Bebauungsplan widerspreche. Eine Aufenthaltsnutzung des Kellergeschosses führe zu einer Überschreitung der zulässigen Geschossfläche. Entsprechend werde durch die Umnutzung eines Teils der Garage die zulässige Grund- und Geschossfläche ebenfalls nicht eingehalten. Eine erneute Abwägungsentscheidung des Stadtrates vor der Neubekanntmachung des Bebauungsplans sei nicht erforderlich gewesen. Der Bebauungsplan habe zudem zum damaligen Zeitpunkt seine Ordnungsfunktion erfüllen können, da die weit überwiegende Zahl der Bauherren ihre Vorhaben entsprechend den Vorgaben des Bebauungsplans ausgeführt hätten. Der Bebauungsplan sei auch zwischenzeitlich nicht funktionslos geworden, da lediglich 76 von 247 Anwesen dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt würden. Die Aufenthaltsnutzung der Garage verstoße gegen die abstandsflächenrechtlichen Vorschriften, weshalb den Klägern kein Sachbescheidungsinteresse für die Erteilung einer Baugenehmigung zustehe.

11

Auch die Rückbauverfügung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kläger seien ordnungsgemäß angehört worden. Die Rückführung der Garage in ihren genehmigten Zustand sei gerechtfertigt, da es sich wegen der Verbindung zum Wohnhaus um kein selbständiges Nebengebäude mehr handele. Die Terrassenüberdachung gehe über die nach der Gestaltungssatzung zulässige Fläche von 8 m² hinaus und sei hierauf zu reduzieren. Auch ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Veränderungen bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplans vorgenommen worden seien. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor, da nicht erkennbar sei, dass die Beklagte unter Abweichung von ihrem Sanierungskonzept gegen vergleichbare Verstöße nicht vorgehe. Dass den Klägern zunächst aufgegeben worden sei, für das Gartenhaus einen Befreiungsantrag zu stellen, entspreche dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

12

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren weiter und führen ergänzend aus, dass der Bebauungsplan bereits im Zeitpunkt seiner erneuten Bekanntmachung seine Ordnungsaufgabe nicht mehr habe erfüllen können, da nach einer von ihnen durchgeführten Anwohnerbefragung zum damaligen Zeitpunkt bereits 145 von 187 vorhandenen Anwesen dauerhaft bewohnt worden seien. Auch das Verwaltungsgericht spreche in einer Entscheidung aus dem Jahre 2005 davon, dass lediglich 20 v.H. der Gebäude als Wochenendhäuser genutzt würden. Die bauplanungsrechtliche Beurteilung ihres Anwesens richte sich daher nach § 34 BauGB. Zudem habe die Beklagte im Baugenehmigungsverfahren in rechtswidriger Weise die Vollständigkeit ihres Bauantrags nicht schriftlich bestätigt.

13

Die bauaufsichtliche Verfügung sei verfahrensfehlerhaft ergangen, da bei der Anhörung hierzu nicht auf das Recht zur Akteneinsicht hingewiesen worden sei. Die Gestaltungssatzung lasse ihren genauen Anwendungsbereich nicht erkennen. Nicht nachvollziehbar sei, dass nach dem Sanierungskonzept der Beklagten überdachte Terrassen bis zu einer Größe von 10 m² geduldet würden, sie ihre Überdachung allerdings auf eine Fläche von 8 m² zurückbauen müssten. Die Eintragung einer Baulast werde von der Beklagten rechtswidrig verweigert. Die Gartenhütte sei vor Errichtung des Wohnhauses entstanden und daher bestandsgeschützt. Im Hinblick auf die Auflistung der Beklagten zur Erteilung von Genehmigungen im Plangebiet, die über die Festsetzungen des Bebauungsplanes hinausgingen, sowie zu ihrem Vorgehen gegen baurechtliche Verstöße führen die Kläger aus, dass die Darstellung eine Reihe von Abweichungen von den baurechtlichen Vorgaben nicht erfasse. Dies betreffe im Wesentlichen unzulässige Überdachungen, Überschreitungen der zulässigen Wohnfläche, Abweichungen von der Geschosszahl und der Kniestockhöhe.

14

Die Kläger beantragen,

15

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. vom 13. Januar 2011 die Verfügungen vom 29. September 2008 und vom 12. Mai 2009 sowie den Widerspruchsbescheid vom 4. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung für die Umnutzung der Garage und des Kellers ihres Anwesens zu erteilen.

16

Hilfsweise beantragen sie,

17

1. alle vollständigen Original-Verwaltungs(bau)akten für sämtliche Wohngrundstücke folgender Straßenzüge im Binsfeld beizuziehen, und zwar

18

- Binsfeld ungerade Haus-Nummern 3 – 221

19

- Binsfeld gerade Haus-Nummern 2a – 120

20

- Wildentenweg gerade Haus-Nummern 2 – 42

21

- Wildentenweg ungerade Haus-Nummern 3 – 33

22

- Biersiedersee Haus-Nr. 15

23

- Biersiederstück ungerade Haus-Nummern 1 – 15

24

- Biersiederstück gerade Hausnummer 2 – 20

25

- Mondsee Haus-Nummern 2 und 4

26

und nach Beiziehung Einsicht in diese Akten beim Oberverwaltungsgericht zu gewähren,

27

2. zum Beweis der Tatsache, dass auf den Grundstücken der Erschließungsstraßen

28

- Binsfeld

29

- Wildentenweg

30

- Biersiedersee

31

- Biersiedestück

32

- Mondsee

33

über die von der Beklagten und Berufungsbeklagten in der Vorlage 0506/2008 vom 16.04.2008 hinaus festgestellten baurechtlichen Verstöße gegen den Bebauungsplan „Binsfeld III“ in den noch nicht besichtigten Gebäuden weitere massive Baurechtsverstöße gegen den Bebauungsplan „Binsfeld III“ festgestellt werden können, insbesondere hinsichtlich

34

a) Grundfläche (größer als 60 qm)

35

b) GRZ größer 0,2

36

c) GFZ größer 0,2

37

d) Nutzung grenzständiger Garagen zu Wohnzwecken

38

e) Nutzung der Kellerräume zu Wohnzwecken

39

f) Terrassenüberdachungen und Wintergärten

40

die Durchführung richterlichen Augenscheins vor Ort,

41

3. zum Beweis der Tatsache, dass auf den Grundstücken der Erschließungsstraßen

42

- Binsfeld

43

- Wildentenweg

44

- Biersiedersee

45

- Biersiederstück

46

- Mondsee

47

im Zeitraum von 1962 bis heute von Anfang an Meldungen von Bewohnern mit Erstwohnsitz durch die Beklagte entgegengenommen worden sind und in keinem einzigen Fall melderechtliche Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um in Fällen, in denen eine Anmeldung mit Hauptwohnsitz erfolgte, hiergegen einzuschreiten oder diese mit Verweis auf eine angebliche Unzulässigkeit des Dauerwohnens im vorbezeichneten Gebiet abzulehnen,

48

alle Meldeakten aller in den vorbenannten Wohnbauvorhaben (Binsfeld, Wildentenweg, Biersiedersee, Biersiederstück und Mondsee) gemeldeter Bürger beizuziehen, Akteneinsicht in die beigezogenen Akten zu gewähren und diese Akten richterlich in Augenschein zu nehmen,

49

4. zum Beweis der Tatsache, dass es im Plangebiet des verfahrensgegenständlichen B-Plans „Im Binsfeld III“ keine „Hanglagen“ gibt, sondern die Grundstücke, bis auf den unmittelbaren Uferbereich, jeweils in etwa die gleiche, natürliche Geländehöhe über NN aufweisen,

50

1. eine Ortsbesichtigung durchzuführen,

51

2. eine Auskunft durch einen amtlichen Vermesser einzuholen.

52

Die Beklagte beantragt,

53

die Berufung zurückzuweisen.

54

Sie führt hierzu in Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens aus, der Eintragung einer Baulast stehe entgegen, dass hierdurch einem Verstoß gegen bauplanerische Festsetzungen Vorschub geleistet würde. Da bei der Gebrauchsabnahme im Jahre 1988 keine Mängel festgestellt worden seien, sei auch hinsichtlich des Gartenhauses davon auszugehen, dass dieses erst nach diesem Zeitpunkt errichtet worden sei. Das Verwaltungsgericht habe in seinem Urteil aus dem Jahre 2005 keine Feststellungen zum Umfang der Dauerwohnnutzung getroffen. Das Vorhandensein von Erstwohnsitzen könne von ihr nicht kontinuierlich festgestellt werden, da ein Datenabgleich mit den Einwohnermeldedaten nicht möglich sei. Die Angaben der Kläger zu den Nutzungen im Jahre 1984 seien unschlüssig, da einige Anwesen als dauerhaft bewohnt angegeben worden seien, die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht errichtet gewesen seien. Soweit die Kläger bei mehreren Gebäuden eine mehrgeschossige Bebauung beanstandeten, beruhe dieser Eindruck darauf, dass es sich um in Hanglage errichtete Häuser handele. Die Beklagte gehe systematisch gegen baurechtliche Verstöße vor. Sie habe vor Erstellung des Sanierungskonzeptes bei nahezu allen Anwesen im Binsfeld Bauzustandsbesichtigungen vorgenommen und lediglich bei solchen Gebäuden hierauf verzichtet, bei denen von vorneherein keine Anhaltspunkte für baurechtliche Verstöße ersichtlich gewesen seien. In 76 Fällen seien Aufforderungen zur Mängelbeseitigung ergangen. Für 38 Anwesen seien bauaufsichtliche Verfügungen erlassen worden. Auf den Aufklärungsbeschluss des Senats vom 27. Juli 2011 führt die Beklagte ergänzend aus, dass vor der erneuten Bekanntmachung des Bebauungsplanes am 19. Juni 1984 in 44 Fällen Baugenehmigungen erteilt worden seien, die Überschreitungen der Festsetzungen des Bebauungsplanes zugelassen hätten. Nach diesem Zeitpunkt sei dies bei 5 Anwesen der Fall gewesen. Zwischen Juni 1984 und Dezember 2002 sei sie in 33 Fällen gegen Verstöße vorgegangen, die unter anderem die Meldung mit Hauptwohnsitz im Plangebiet betroffen hätten. Den Klägern sei in einigen Fällen zuzugestehen, dass einzelne baurechtliche Verstöße im Plangebiet bislang nicht erfasst seien. Sie nehme die Hinweise zum Anlass, entsprechende Verfahren einzuleiten.

55

Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2011 durch Ortsbesichtigung Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

56

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Behörden- und Widerspruchsakten (4 Hefter) verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

57

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

58

Das Verwaltungsgericht hätte der Anfechtungsklage gegen die bauaufsichtliche Verfügung vom 29. September 2008 überwiegend stattgeben müssen, da sie sich zu einem großen Teil als ermessensfehlerhaft erweist. Im Übrigen, insbesondere hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens, ist die Berufung unbegründet.

59

A. Die Anfechtungsklage gegen die bauaufsichtliche Verfügung ist teilweise begründet.

60

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, soweit den Klägern aufgegeben wurde, die Garage ihrer genehmigten Nutzung zuzuführen, die Verbindungstür zum Wohnhaus zu entfernen, die entsprechenden Öffnungen zuzumauern, Einbauten, die der Garagennutzung widersprechen, zu entfernen, die Verbindung zwischen Wochenendhaus und Garagenunterkellerungsraum dauerhaft zu verschließen, das Gartenhaus zu beseitigen, wenn nicht fristgerecht ein Befreiungsantrag gestellt wird, und soweit die Beklagte ihnen bei Nichtbefolgung dieser Verfügungsteile ein Zwangsgeld angedroht und ihnen gegenüber die Kosten der Amtshandlung festgesetzt hat.

61

I. Die Anordnung der Beklagten verstößt allerdings nicht bereits gegen Form- oder Verfahrensvorschriften.

62

Die Kläger sind vor ihrem Erlass ordnungsgemäß angehört worden. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift. Das Anhörungsrecht soll ihm ermöglichen, zu dem ins Auge gefassten Ergebnis eines Verwaltungsverfahrens Stellung zu nehmen. Hierzu ist erforderlich, dass er Kenntnis von allen der Behörde bekannten, für die Entscheidung erheblichen Tatsachen erlangt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011 § 28 Rn. 12 f.; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 28 Rn. 34). Die Kläger wurden von der Beklagten mit Schreiben vom 6. Juni 2008 über den geplanten Inhalt der gegen sie vorgesehenen Verfügung informiert. Gleichzeitig wurde ihnen Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu zu äußern. Dabei bezog sich die Beklagte auf ein weiteres Schreiben vom 23. November 2006, mit dem den Klägern die bei einer Ortsbesichtigung festgestellten Abweichungen von der Baugenehmigung mitgeteilt wurden. Neben dieser Anhörungsmöglichkeit besteht für die Beteiligten nach § 29 Abs. 1 VwVfG das Recht auf Einsichtnahme in die Behördenakten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Die Behörde ist im Rahmen der Anhörung indessen nicht verpflichtet, auf die Möglichkeit der Akteneinsicht gesondert hinzuweisen. Ein entsprechender Hinweis ist lediglich dann vorzusehen, wenn die Anhörung selbst durch die Möglichkeit der Akteneinsicht erfolgen soll (vgl. Bonk/Kallerhoff, a.a.O., § 28 Rn. 46). Im Übrigen ist ein möglicher Fehler der Anhörung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG durch deren Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt worden.

63

II. Der Bescheid der Beklagten erweist sich aber inhaltlich als teilweise rechtswidrig.

64

1. Soweit die Kläger in Nummer 1 Buchstaben a) und b) des Tenors des Bescheides vom 29. September dazu aufgefordert wurden, die Garage der genehmigten Nutzung zuzuführen und die Zugänge zwischen Wohnhaus und Garagengebäude dauerhaft zu verschließen, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Anordnung nach den §§ 59 Abs. 1 Satz 1 und 81 Satz 1 Landesbauordnung – LBauO − zwar vor, indessen hat die Beklagte das ihr hiernach zustehende Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt.

65

Nach § 81 Satz 1 LBauO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung baulicher Anlagen anordnen oder deren Benutzung untersagen, wenn diese gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, die Änderung, die Instandhaltung oder die Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Nach der Generalklausel des § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO hat die Bauaufsichtsbehörde allgemein nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zur Einhaltung baurechtlicher und sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften bei den genannten Vorgängen zu treffen.

66

Die Nutzung des rückwärtigen Teils der Garage der Kläger zu Aufenthaltszwecken erweist sich als formell und materiell baurechtswidrig.

67

a. Diese Garagennutzung bedarf einer Genehmigung, die den Klägern aber bislang nicht erteilt wurde, so dass die Nutzung auch nicht bestandsgeschützt ist.

68

Die Nutzung eines Teiles der Garage zu Aufenthaltszwecken bedarf gemäß § 61 LBauO einer bauaufsichtlichen Genehmigung. Nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 a LBauO sind Nutzungsänderungen von Gebäuden und Räumen, die nicht im Außenbereich liegen, nur dann genehmigungsfrei, wenn für die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen als für die bisherige Nutzung gelten. Derartige geänderte öffentliche Anforderungen gelten für die neue Nutzung dann, wenn sich aus einer anderen oder derselben Vorschrift andersartige Anforderungen für die bisherige Nutzung zwingend ergeben, wenn also die veränderte Nutzung nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften anders zu beurteilen ist als die bisherige Nutzung (vgl. Jeromin, LBauO RP, 2. Aufl. 2008, § 62 Rn. 108). Geänderte baurechtliche Anforderungen, die eine Genehmigungspflicht begründen, ergeben sich hinsichtlich der Garagennutzung schon insoweit, als hiervon die abstandsflächenrechtliche Betrachtung nach § 8 Abs. 9 LBauO abhängt, wonach ohne Abstandsflächen nur Garagen oder sonstige Gebäude ohne Aufenthaltsräume zulässig sind. Zudem gelten für Garagen unabhängig von der Frage der Einbeziehung in die Grund- oder Geschossflächenberechnung nach den Bestimmungen des für das Gebiet maßgeblichen Bebauungsplans Nr. 002 „Im Binsfeld III (Wochenendhausgebiet)“ auch andere bauplanerische Anforderungen als für Gebäude mit Aufenthaltsräumen (vgl. etwa § 12 BauNVO).

69

Die hiernach erforderliche Nutzungsänderungsgenehmigung ist den Klägern indessen nicht erteilt worden. Insbesondere können sie sich nicht auf die Genehmigungsfiktion des § 66 Abs. 4 Satz 2 und Satz 5 LBauO berufen. Die Fiktion greift nämlich nur dann, wenn die Bauaufsichtsbehörde die Vollständigkeit des Bauantrags unter Angabe des Datums ihrer Feststellung gemäß § 60 Abs. 4 Satz 1 LBauO schriftlich bestätigt hat. Das Gesetz knüpft die Genehmigungsfiktion aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht an den Eingang des vollständigen Bauantrages, sondern erst an die Feststellung der Vollständigkeit. Insoweit lässt sich der Landesbauordnung keine Regelung entnehmen, wonach die Fristen des § 65 Abs. 2 Nr. 1 LBauO und des § 66 Abs. 4 Satz 2 LBauO miteinander zu verbinden sind und die Genehmigungsfiktion einen Monat und 10 Tage nach Abgabe der vollständigen Antragsunterlagen greift (vgl. OVG RP, Urteil vom 20. Februar 2002 – 8 A 11330/01.OVG –, BRS 65 Nr. 171 und juris, Rn. 16; Urteil vom 04. Juli 2007 – 8 A 10160/07.OVG −, BauR 2007, 1718; Beschluss vom 15. Februar 2011 – 8 A 11208/10.OVG −).

70

b. Die Nutzung der Garage zu Aufenthaltszwecken erweist sich auch als materiell baurechtswidrig, da sie einerseits entgegen § 30 Abs. 1 BauGB gegen die Bestimmungen des Bebauungsplanes „Im Binsfeld III“ verstößt und andererseits die Vorgaben der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nach § 8 LBauO nicht einhält.

71

aa. Die Teilnutzung der Garage als Aufenthaltsraum verstößt gegen Nr. 4 Satz 2 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 002 „Im Binsfeld III (Wochenendhausgebiet)“, wonach die Geschossfläche 60 m² nicht überschreiten darf.

72

(1) Maßgeblich für die Bestimmung der bei der Ermittlung der Geschossfläche zu berücksichtigenden Teilflächen ist die Baunutzungsverordnung in der zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bauleitplanes geltenden Fassung (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 97. Ergänzungslieferung 2010, Vorbem. zur BauNVO, Rn. 4). Hiernach ist hinsichtlich des Bebauungsplanes „Im Binsfeld III (Wochenendhausgebiet)“ auf § 20 Abs. 2 der Baunutzungsverordnung in der Neufassung vom 26. November 1968 (BGBl. I S. 1237) – BauNVO (1968) abzustellen. Nach dieser Vorschrift ist die Geschossfläche nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände sind mitzurechnen.

73

Die zu Wohnzwecken genutzte hintere Garagenhälfte ist als Teil des Erdgeschosses des Wochenendhauses, das als Vollgeschoss zu werten ist, in die Geschossflächenberechnung einzubeziehen. Die Kläger profitieren nicht von der Ausnahme in § 20 Abs. 3 BauNVO (1968), wonach bauliche Anlagen und Gebäudeteile im Sinne des § 19 Abs. 4 BauNVO (1968) bei der Ermittlung der Geschossfläche unberücksichtigt bleiben. Nach dieser Vorschrift werden auf die zulässige Grundfläche die Grundflächen von Nebenanlagen im Sinne des § 14 nicht angerechnet. Das gilt gleichermaßen für Balkone, Loggien, Terrassen und für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht im Bauwich oder in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können. Die nach § 8 Abs. 9 Satz 1 LBauO innerhalb der Abstandsflächen zulässigen baulichen Anlagen zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass sie über keine Aufenthaltsräume verfügen. Zudem streitet zugunsten der Kläger auch nicht die Privilegierung des § 21 a Abs. 4 Nr. 2 BauNVO (1968), wonach bei der Ermittlung der Geschossfläche Stellplätze und Garagen nicht zu berücksichtigen sind, soweit sie höchstens 0,1 der Fläche des Grundstücks in Anspruch nehmen. Der Aufenthaltszwecken dienende hintere Teil des Gebäudes hat gerade seine Funktion als Garage verloren, die darin zu sehen ist, dass es sich um einen umschlossenen Raum zum Abstellen von Kraftfahrzeugen handelt (vgl. § 2 Abs. 8 Satz 2 LBauO). Ist hiernach die Fläche des Wohnzwecken dienenden hinteren Teils der Garage in die Geschossflächenberechnung einzubeziehen, so führt dies zu einer Überschreitung der nach dem Bebauungsplan geltenden Obergrenze, die durch den genehmigten Bestand des Wochenendhauses mit 59,5 m² fast vollständig ausgeschöpft wird.

74

(2) Die Nutzung der Garage für Aufenthaltszwecke lässt allerdings nicht gleichzeitig einen Verstoß gegen die in Nr. 3 Satz 2 der textlichen Festsetzungen vorgesehene Begrenzung der Grundfläche der Wochenendhäuser auf 60 m² erkennen.

75

Mit diesem sich aus § 10 Satz 2 BauNVO (1968) ergebenden Maßstab wird eine von der Festsetzung der Grundfläche der baulichen Anlagen in § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BauNVO (1968) abweichende Zielsetzung verfolgt. Während die Grundfläche der Wochenendhäuser allein das Wochenendhaus als solches in Bezug nimmt, erfasst der Begriff der Grundfläche der baulichen Anlagen in § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BauNVO (1968) neben dem Wochenendhaus selbst noch weitere auf dem Grundstück befindliche bauliche Anlagen, wie z.B. Garagen. Die Festsetzungen zur Grundfläche aller baulichen Anlagen geben den Umfang der Bebauung des Grundstücks und damit die Baudichte vor. Die nach § 10 Satz 2 BauNVO (1968) für Wochenendhausgebiete zwingend festzusetzende zulässige Grundfläche allein der Wochenendhäuser soll eine an der besonderen Eigenart des Gebietes orientierte Bestimmung der Grundrissgröße der das Gebiet prägenden baulichen Anlagen, nämlich der Wochenendhäuser ermöglichen (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Auflage 2008, § 10 Rn. 25). Bei der Grundfläche der Wochenendhäuser handelt es sich - im Gegensatz zur Geschossfläche, die auch auf die innere Ausnutzung abstellt, - um ein auf den äußeren Charakter der Gebäude und ihre nach außen erkennbar werdende Flächeninanspruchnahme abstellendes Kriterium. Hiernach werden von der Festsetzung nur solche Gebäudeteile erfasst, die sich nach ihrem äußeren Eindruck als integrierter Bestandteil eines Wochenendhauses darstellen.

76

Dies ist indessen bei der Garage der Kläger nicht der Fall. Sie ist zwar an das Wochenendhaus angebaut, erweckt aber nach außen hin den Eindruck eines selbstständigen Teilgebäudes, das nicht an der Aufenthaltsfunktion des eigentlichen Wochenendhauses teilhat, sondern der Unterbringung von Kraftfahrzeugen dient. Insbesondere ist weiterhin ein Garagentor vorhanden und die nach Südosten ausgerichtete Längswand der Garage wird nicht durch eine Fensteröffnung durchbrochen. Das Garagengebäude war daher nicht in die Berechnung der Grundfläche des Wochenendhauses einzubeziehen. Die nach außen nicht in Erscheinung tretende Erweiterung der Wohnfläche im Gebäudeinneren wird deshalb allein bei dem – auf die Aufenthaltsräume abstellenden – Merkmal der Geschossfläche berücksichtigt.

77

(3) Der Verstoß gegen die im Bebauungsplan festgesetzte zulässige Geschossfläche ist nicht deshalb unbeachtlich, weil der Plan als unwirksam anzusehen wäre.

78

(a) Eine Unwirksamkeit des Bebauungsplanes ergibt sich nicht bereits daraus, dass er nicht den Vorgaben des gemeinsamen Runderlasses Planung und Ausweisung von Wochenendhausgebieten (MinBl. 1977, Spalte 219) entspricht. Der Runderlass enthält keine für die Antragsgegnerin in Ausübung ihrer Planungshoheit bindenden Vorgaben, so dass ein Verstoß gegen diese Regelungen keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans hat.

79

(b) Der Plan ist zudem durch erneute Bekanntmachung am 19. Juni 1984 wirksam in Kraft getreten.

80

Die Heilung eines ursprünglich verfahrensfehlerhaft erlassenen Bebauungsplans in einem ergänzenden Verfahren (§ 155 a Abs. 5 BBauG, vgl. § 214 Abs. 4 BauGB) würde nur dann keinen gültigen Bebauungsplan hervorbringen, wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingungen nach der Beschlussfassung grundlegend verändert haben oder in der Nachbarschaft ein nachhaltiger Wandel der tatsächlichen Gegebenheiten eingetreten ist, so dass die ursprünglichen Planungsgrundlagen nicht mehr tragfähig sind. Für eine Fehlerhaftigkeit des Abwägungsergebnisses lassen sich im Falle des Bebauungsplanes „Im Binsfeld III“ indes keine Anhaltspunkte feststellen.

81

Zudem scheitert ein wirksames Inkraftsetzen eines Bebauungsplans in einem ergänzenden Verfahren dann, wenn zuvor dessen Funktionslosigkeit eingetreten ist. Von einer derartigen Funktionslosigkeit ist auszugehen, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse im Plangebiet so weit verselbstständigt haben, dass von den planerischen Festsetzungen, die Gegenstand der gemeindlichen Beschlussfassung waren, keine steuernde Wirkung mehr ausgehen kann (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1997 – 4 NB 40.96 – in NVwZ 1997, 893 und juris, Rn. 17 f.). Eine derartige Funktionslosigkeit setzt voraus, dass tatsächliche Verhältnisse eingetreten sind, die die auf sie bezogenen Festsetzungen eines Bebauungsplanes ihrer ordnenden Wirkung beraubten, weil deren Verwirklichung in ihrer ganzen Reichweite auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen ist. Die Abweichung zwischen planerischer Festsetzung und tatsächlicher Situation muss zudem derart offensichtlich sein, dass ein dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetztes Vertrauen nicht mehr als schutzwürdig angesehen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1977 – IV C 39.75 −, BVerwGE 54, 5 und juris, Rn. 35; Urteil vom 17. Juni 1993 – 4 C 7/91 −, NVwZ 1994, 281 und juris, Rn. 19; Urteil vom 28. April 2004 – 4 C 10/03 −, NVwZ 2004, 1244 und juris, Rn. 15; OVG RP, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 8 C 10150/10.OVG −, juris, Rn. 151; Kalb/Külpmann, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 100. Ergänzungslieferung 2011, § 10 Rn. 407). Ob die Voraussetzungen für die Funktionslosigkeit bauplanerischer Regelungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 2003 – 4 B 85/03 −, BauR 2004, 1128 und juris Rn. 8).

82

Hiernach kann bei dem Bebauungsplan „Im Binsfeld III“, insbesondere bei den hier entscheidenden Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, keine Funktionslosigkeit zum Zeitpunkt seiner erneuten Bekanntmachung am 13. Juni 1984 angenommen werden.

83

Eine derartige Funktionslosigkeit kann insbesondere nicht auf die von den Klägern durchgeführte Umfrage gestützt werden, nach der von den 187 Bauten, die im Jahr 1984 im Bereich des Wochenendhausgebietes vorhanden gewesen seien, 145 dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt worden seien. Dabei kann außer Betracht bleiben, dass die Angaben der Kläger in einzelnen Fällen nicht nachvollziehbar sind, wenn sie etwa Anwesen als dauerbewohnt bezeichnen, die im Jahre 1984 noch nicht errichtet waren.

84

Eine dem festgesetzten Gebietscharakter entgegenstehende Wohnnutzung kann nämlich im Hinblick auf die Ordnungsfunktion des Bebauungsplanes nur dann Relevanz gewinnen, wenn sie genehmigt oder in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben (vgl. zur Einordnung nach § 34 BauGB: OVG RP, Urteil vom 19. Juli 1984 -12 A 59/82 -). Denn nur unter dieser Voraussetzung kann angenommen werden, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse so verfestigt haben, dass sie dem Geltungsanspruch der Festsetzungen des Bebauungsplanes auf unabsehbare Zeit entgegenstehen. Der Geltungsanspruch einer Norm geht nicht bereits dadurch verloren, dass sich ein großer Teil der Normunterworfenen nicht mehr an die Regelungen hält. Vielmehr muss zusätzlich das Verhalten der für die Überwachung der Vorschrift zuständigen Behörde die Annahme rechtfertigen, dass die tatsächlichen Abweichungen dauerhaft Bestand haben werden und kein schutzwürdiges Vertrauen in die Fortgeltung der Festsetzung mehr rechtfertigen.

85

Zu den von den Klägern aufgelisteten Vorhaben, bei denen im Rahmen ihrer Umfrage eine Dauerwohnnutzung im Jahre 1984 angegeben wurde, kann indessen nicht festgestellt werden, dass diese Nutzung in nennenswertem Umfang von der Beklagten genehmigt oder geduldet worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde lediglich in Einzelfällen eine Dauerwohnnutzung ermöglicht sowie in 25 Fällen eine höhere Grund- oder Geschossfläche als 60 m² zugelassen, wobei bei 20 Anwesen eine Überschreitung von nicht mehr als 5 m² erlaubt wurde. Eine derart geringe Überschreitung erleichtert indessen nicht merkbar die Nutzbarkeit des Anwesens zum dauerhaften Wohnen und damit eine Abkehr von der Wochenendhausnutzung. Bei einer möglichen Gesamtzahl von etwa 240 Häusern, einer überwiegend geringfügigen Abweichung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und einer nicht ins Gewicht fallenden Genehmigung des Dauerwohnens kann hiernach nicht angenommen werden, dass eine Verwirklichung des die Art der Nutzung betreffenden Gebietscharakters im Plangebiet im Juni 1984 nicht mehr möglich gewesen wäre. Dass über die von der Beklagten genannten Fälle hinaus Dauernutzungen - und nicht bloß Wochenendhausnutzungen − genehmigt worden sind, wird auch von den Klägern nicht behauptet. Die Festsetzungen von Kniestock und Dachneigung, von denen ebenfalls Abweichungen zugelassen wurden, sind Teil der Gestaltungssatzung und wirken sich daher auf die Ordnungsfunktion des Bebauungsplanes nicht unmittelbar aus.

86

Im Übrigen haben mögliche Abweichungen von den die Gebietsart charakterisierenden Festsetzungen zum damaligen Zeitpunkt in ihrer Erkennbarkeit keinen solchen Grad erreicht, dass ein in die Fortgeltung der Gebietsfestsetzung gesetztes Vertrauen keinen Schutz mehr verdiente. Dies wird nicht zuletzt daran deutlich, dass das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seiner das Gebiet betreffenden Entscheidung vom 19. Juli 1984 (Az.: 12 A 59/82) bei der Einschätzung nach § 34 BauGB zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das Gebiet sich weiterhin als faktisches Wochenendhausgebiet darstellt.

87

(c) Eine Funktionslosigkeit der Maßfestsetzungen des Bebauungsplans „Im Binsfeld III“ ist auch in der Folgezeit nach der Neubekanntmachung des Plans nicht eingetreten. Dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Wohngebiet bis Ende 2002 durchgreifend geändert hätten, kann anhand des Vortrags der Beteiligten und nach den Verwaltungsakten nicht festgestellt werden. Überdies ist die Beklagte gegenüber einer Dauerwohnnutzung in diesem Gebiet auch nicht untätig geblieben oder hat diese gar geduldet. Vielmehr hat sie in den Jahren 1984 bis 1995 in mehreren Fällen eine melderechtliche Klarstellung bei mit Hauptwohnsitz im Gebiet gemeldeten Anwohnern veranlasst.

88

(d) Auch nach der Verabschiedung des Sanierungskonzeptes durch den Bau- und Planungsausschuss der Beklagten am 16. April 2008 ist hinsichtlich der Gebietsfestsetzung als Wochenendhausgebiet keine Funktionslosigkeit eingetreten.

89

Die Beklagte sieht nach ihrem Sanierungskonzept zwar von einer förmlichen Duldung des Dauerwohnens ab. Andererseits verzichtet sie aber auf eine Kontrolle dieses Umstandes. Zudem sind im Sanierungskonzept keine Maßnahmen vorgesehen, die den Bewohnern der Anwesen gegenüber ergriffen werden sollen, in denen Hauptwohnsitze gemeldet sind. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Beklagte gegen die Dauerwohnnutzung als solche keine Maßnahmen ergreift.

90

Dabei geht der Senat davon aus, dass die Zahl der dauerhaft zu Wohnzwecken genutzten Anwesen höher ist als die im Sanierungskonzept angeführte Zahl von 76 als mit Hauptwohnsitz gemeldeten Anwesen. Denn es ist damit zu rechnen, dass eine größere Anzahl von Personen, die keinen Dauerwohnsitz gemeldet haben, dauerhaft in dem Gebiet wohnt.

91

Dieser Umstand bedeutet indes noch nicht, dass der Bebauungsplan „Im Binsfeld III“ seine Steuerungsfunktion offenkundig verloren hätte, jedenfalls nicht hinsichtlich der hier allein entscheidenden Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung.

92

Für die Prägung eines Wochenendhausgebietes und somit für seinen Gebietscharakter kommt es nicht allein darauf an, in welchem Umfang tatsächlich eine Freizeit- oder eine dauerhafte Nutzung stattfindet. Es gehört zum Kennzeichen solcher Gebiete, dass die Nutzung der Anwesen einem ständigen Wandel unterliegt. Nicht selten findet ein fließender Übergang einer zunächst auf die Wochenenden und die Ferienzeit beschränkten Nutzung hin zu einem Dauerwohnen statt, ohne dass die Grenze exakt bestimmt werden könnte. Weil diese Entwicklung in aller Regel im Verborgenen stattfindet, haben es die Aufsichtsbehörden naturgemäß schwer, dem zu begegnen (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, a.a.O., § 10 BauNVO, Rn. 18; Fickert/Fieseler BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 10 Rn. 23).

93

Der Charakter eines Wochenendhausgebietes wird über den tatsächlichen Umfang der Wohnnutzung hinaus entscheidend auch von dem äußeren Eindruck der vorhandenen Gebäude bestimmt. Denn es ist kennzeichnendes Merkmal eines Wochenendhausgebietes, eine vorübergehende Nutzung auf begrenztem Raum zu ermöglichen (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. August 1985 -1 A 62/84 -, AS 19, 442 und ESOVGRP). Entscheidende Bedeutung zur Wahrung des Gebietscharakters kommt deshalb auch der Beschränkung der Grundfläche des Wochenendhausgebietes nach § 10 Satz 2 BauNVO (1968) zu, die üblicherweise 30 bis 60 m² beträgt (vgl. Söfker a.a.O., § 10 BauNVO, Rn. 22; Fickert/Fieseler, a.a.O. § 10 Rn. 23.1) und die im Plangebiet auf 60 m² beschränkt ist. Wie oben bereits ausgeführt, trägt ein in seinem äußeren Erscheinungsbild derart begrenztes Wohngebäude maßgeblich zum Charakter des Gebietes als Wochenendhausgebiet bei.

94

Diese Verknüpfung einer bloßen Freizeitnutzung mit nach außen erkennbarer Beschränkung des zur Verfügung stehenden Raumes war auch tragende Erwägung des von den Klägern zitierten Urteils des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. August 1985 (-1 A 62/84 -, a.a.O.). Hierin wurde gerade darauf abgestellt, dass mit Billigung der zuständigen Behörde eine baugebietswidrige Dauernutzung von Wohnhäusern auf einer Fläche von bis zu 236 m² entstanden und auch im Bebauungsplan die zulässige Wohnfläche auf maximal 156 m² festgesetzt worden war. Hiermit sei das kennzeichnende Merkmal eines Wochenendhauses, eine Nutzung für vorübergehende Aufenthalte zu Freizeitzwecken auf begrenztem Raum zu ermöglichen, verfehlt worden. Das Gericht sah einen Verstoß gegen § 10 BauNVO und eine falsche Etikettierung des Plangebietes gegeben. Hiernach litt der dieser Entscheidung zugrundeliegende Bebauungsplan aber gerade daran, dass die in einem Wochenendhausgebiet erforderliche Begrenzung der Grundfläche nicht erfolgte.

95

Allein der Verzicht der Beklagten, eine tatsächlich stattfindende Dauernutzung aufzuklären, lässt deshalb noch nicht den Schluss zu, man habe den Charakter des Gebiets als Wochenendhausgebiet aufgegeben. Dem steht entgegen, dass sie nach ihrem Sanierungskonzept jedenfalls bei Überschreitung der zulässigen Grundfläche der Wochenendhäuser als dem für den Eindruck nach außen maßgeblichen Merkmal auf einer Einhaltung der Vorgaben des Bebauungsplanes beharrt und einen Rückbau der diese Grenzen überschreitenden Flächen anstrebt. Dies gilt etwa für die ungenehmigte Errichtung von Anbauten und Wintergärten. Das Sanierungskonzept stellt hiernach ein taugliches Mittel dar, der Festsetzung des Gebietscharakters im Bebauungsplan weiterhin zur Durchsetzung zu verhelfen und den Geltungsanspruch dieser Norm zu untermauern.

96

Erkennt man in dem Umstand der vorübergehenden Freizeitnutzung auf begrenztem Raum das prägende Merkmal eines Wochenendhausgebietes, so vermag der Senat auch nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung nicht festzustellen, dass die im Plangebiet tatsächlich vorhandene Bebauung insgesamt den Charakter eines solchen Wochenendhausgebietes inzwischen offenkundig verloren hätte.

97

Zwar sind in dem Gebiet auch größere Anwesen vorhanden, die zum Teil allerdings bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplanes „Im Binsfeld III“ im Jahre 1984 genehmigt wurden. Im Übrigen entsteht der Eindruck einer verdichteten Bebauung, die sich westlich der Straße „Binsfeld“ vielfach über zwei Reihen erstreckt. Dabei erscheinen die Gebäude aber nicht überdimensioniert, vielmehr kann nach optischer Einschätzung überwiegend davon ausgegangen werden, dass die Grundfläche der Wochenendhäuser weiterhin den durch den Bebauungsplan vorgegebenen Rahmen einhält. Kennzeichnend für das Gebiet ist die kleinräumige Kubatur überwiegend als Einzelhäuser in Erscheinung tretender Gebäude.

98

Im Wesentlichen bleibt auch der Eindruck der Eingeschossigkeit erhalten. Zum Teil wird insbesondere bei den östlich der Straße „Binsfeld“ gelegenen Anwesen zwar der Anschein erweckt, dass das Kellergeschoss entsprechend der Vorschrift 2 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 der Landesbauordnung vom 27. Februar 1974 (GVBl., S. 55) als weiteres Vollgeschoss anzusehen ist und es im Mittel über 1,20 m über die Geländeoberfläche hinausragt. Dieser erste Eindruck wird jedoch vielfach durch eine bei der Ortsbesichtigung festzustellende topographische Besonderheit entkräftet. Die natürliche Geländeoberfläche gestaltet sich in diesem Bereich nämlich in weiten Teilen so, dass sie dammartig vom See her zunächst ansteigt und zur Straße wieder abfällt. Hiernach ist aber in vielen Fällen erkennbar, dass der Mittelwert eines mehr als 1,20 m über die Geländeoberfläche hinausragenden Kellergeschosses nicht erreicht wird. Insgesamt vermittelt das Plangebiet nicht den Charakter eines klassischen Wohngebietes.

99

Die für die Annahme der Funktionslosigkeit erforderliche Erkennbarkeit einer tatsächlichen Entwicklung in Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes wird auch nicht erreicht, soweit Aufenthaltsräume in Speicher- und Kellerräumen errichtet wurden und hierdurch die im Plangebiet zulässige Geschossfläche überschritten wurde. Auch hierzu hält das Sanierungskonzept der Beklagten fest, dass die entsprechende Nutzung der Räume nicht genehmigt, von Kontrollen aber wegen der fehlenden Effizienz abgesehen werden soll. Ein Einschreiten gegen die festgestellten 127 Umnutzungen von Kellerräumen und 15 Fälle umgenutzter Speicher sieht das Konzept wiederum nicht vor. Indessen handelt es sich hierbei um Abweichungen, die die innere Ausnutzung der vorhandenen Räumlichkeiten betreffen und die sich nicht merklich auf die äußere Gestaltung der Gebäude und die hierdurch bewirkte Prägung auswirken. Vielmehr sind die Anwohner, wie auch die Umnutzung von Garagen zeigt, gerade darum bemüht, die abweichende Nutzung der Räume nicht nach außen in Erscheinung treten zu lassen. Die Verstöße gegen die Vorgaben des Planes sind insoweit nicht offensichtlich.

100

bb. Die durch Zugänge mit dem Haupthaus verbundene, grenzständig errichtete Garage verstößt auch gegen das Abstandsflächengebot des § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO.

101

Die Kläger können sich nicht auf die Privilegierung des § 8 Abs. 9 LBauO berufen, wonach Garagen ohne Abstandsflächen gegenüber Grundstücksgrenzen errichtet werden können. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass es sich bei der innerhalb der Abstandsflächen errichteten Garage um ein selbständiges Gebäude handelt. Entscheidend für die Annahme einer Selbstständigkeit in diesem Sinne ist die funktionale Trennung zwischen Hauptgebäude und Garagenanbau, durch die gewährleistet ist, dass die Grenzbebauung nur entsprechend ihrer Funktion als Garage genutzt wird (vgl. OVG RP, Urteil vom 25.11.2009 – 8 A 10636/09.OVG −, AS 38, 130 und juris, Rn. 35). Mangels Eintragung der entsprechenden Baulast können die Abstandsflächen auch nicht nach § 9 Abs. 1 LBauO auf dem Nachbargrundstück ausgewiesen werden.

102

c. Liegen hiernach die tatbestandlichen Voraussetzungen für die die Garage betreffenden Anordnungen vor, so erweist sich die auf die aufgezeigten Verstöße abstellende Ermessensentscheidung der Beklagten jedoch als fehlerhaft.

103

aa. Soweit die bauaufsichtliche Verfügung auf die Verletzung des Abstandsflächengebotes abstellt, erweist sich die Anordnung als ermessensfehlerhaft, weil den Klägern ein Anspruch auf Eintragung einer Baulast zusteht, mit der der aufgezeigte Abstandsflächenverstoß behoben wird, und die Beklagte diese Eintragung in rechtswidriger Weise verweigert.

104

Die Kläger haben im Februar 2011 unter Vorlage einer entsprechenden Einwilligungserklärung ihres Nachbarn den Antrag auf Eintragung einer Baulast gestellt, wonach die Abstandsflächen für die Garage gemäß § 9 Abs. 1 LBauO auf dem Nachbargrundstück ausgewiesen werden. Nach Eintragung einer entsprechenden Baulast würde die Grenzgarage die abstandsrechtlichen Vorschriften einhalten. Nach übereinstimmender Darstellung der Beteiligten sind sowohl die formalen Voraussetzungen für eine Eintragung als auch die tatbestandlichen materiellen Anforderungen des § 9 Abs. 1 LBauO erfüllt. Ist aber der Besteller verfügungsberechtigt, entspricht die Erklärung den Formvorschriften, hat sie einen bestimmten baulastfähigen Inhalt und besteht ein baurechtlicher Bezug, so hat der Begünstigte einen Eintragungsanspruch, wenn er damit – wie im Falle der Kläger - die Voraussetzungen für ein bestimmtes Vorhaben sichert (Schmidt in: Jeromin, a.a.O., § 86 Rn. 43).

105

Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass hierdurch einer den Vorgaben des Bebauungsplanes widersprechenden Nutzung der Garagenräume Vorschub geleistet würde. Die Abstandsflächenregelungen sollen lediglich Konfliktsituationen lösen, die sich unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten ergeben. Eine Berücksichtigung bauplanerischer Gesichtspunkte bei der Entscheidung über die Eintragung einer Baulast ist von der Regelung des § 9 Abs. 1 LBauO nicht abgedeckt.

106

Des Weiteren ist unerheblich, dass der Eintragungsantrag erst nach der letzten Behördenentscheidung, dem Widerspruchsbescheid vom 04. August 2010, gestellt wurde. Die Kläger hatten nämlich bereits im Widerspruchsverfahren darauf verwiesen, dass der Nachbar mit der Ausweisung der Abstandsfläche auf seinem Grundstück einverstanden sei und die Eintragung einer Baulast angestrebt werde. Auf diesen Gesichtspunkt ist die Beklagte in ihren Entscheidungen indes nicht eingegangen. Zudem greift eine Ausnahme von der Regel, dass es im Rahmen der Anfechtungsklage grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt. Die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind nämlich dann maßgeblich, wenn sich – wie im vorliegenden Fall − bei einem noch nicht vollzogenen Verwaltungsakt die Sach- oder Rechtslage inzwischen zugunsten des Klägers in einer Weise geändert hat, dass eine Durchsetzung der angegriffenen behördlichen Maßnahme nunmehr sinnlos geworden ist oder unangemessen erscheinen müsste (BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1989 – 4 B 132/88 −, juris Rn. 5).

107

bb. Soweit die zu der Garage getroffenen Anordnungen mit einem Verstoß gegen bauplanungsrechtliche Vorgaben begründet werden, verletzt die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

108

Der Gleichheitssatz gebietet es, dass die Behörde bei ihrem Vorgehen gegen baurechtswidrige Zustände das ihr eingeräumte Ermessen gleichmäßig ausübt. Sie darf nicht systemlos oder willkürlich handeln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 1995 – 4 B 55/95 −, BRS 57 Nr. 248 und juris Rn. 5).

109

Maßstab für das Vorgehen der Beklagten gegen baurechtliche Verstöße ist das am 16. April 2008 durch den Bau – und Planungsausschuss der Beklagten beschlossene Sanierungskonzept. Die Beklagte hat damit zur Gewährleistung eines abgestimmten Vorgehens, bei dem wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches abweichend behandelt wird, ein Konzept entwickelt, das Grundlage für ihr bauaufsichtliches Vorgehen sein soll. Mit diesem Sanierungskonzept hat sie ihr Vorgehen gegen baurechtliche Verstöße vorab festgelegt und sich damit im Hinblick auf die Ausübung ihres Ermessens selbst gebunden.

110

Was Garagenumnutzungen und das Vorhandensein von Zugängen zwischen Hauptgebäuden und Garagen angeht, so werden im Sanierungskonzept nur Verstöße gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften problematisiert. Hiernach sieht das Sanierungskonzept ein Einschreiten gegen umgenutzte Garagen von vorneherein nur bei einer Verletzung des Abstandsflächenrechtes vor. Ein Vorgehen aus bauplanungsrechtlichen Gründen, wie es hier erstmals im Widerspruchsbescheid als zusätzliches Argument dargelegt worden ist, weicht daher von dem selbst gesetzten Sanierungskonzept ab.

111

Darüber hinaus erweist sich das auf die Bauplanungswidrigkeit der Garagenumnutzung gestützte Vorgehen noch aus einem weiteren Grund als ermessensfehlerhaft.

112

Wenn im Widerspruchsbescheid die Nutzung der Garage zu Aufenthaltszwecken als Überschreitung der im Bebauungsplan erfolgten Festsetzung zur Grundfläche der Wochenendhäuser gewertet wird, ist nach dem oben Gesagten ein solcher Verstoß bereits objektiv nicht gegeben. Soweit in dieser Begründung zugleich ein Verstoß gegen die Festsetzung der Geschossfläche zum Ausdruck kommt, liegt hierin nach Auffassung des Senats die Ungleichbehandlung zweier Sachverhalte, die sich im Wesentlichen als gleich erweisen.

113

Zur Geschossfläche ist nach dem hier maßgeblichen § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO (1968) nicht nur die Fläche der Vollgeschosse zu rechnen, vielmehr wird auch die Fläche von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen erfasst. Mit der so festgelegten Geschossfläche wird also auf die im Wochenendhaus tatsächlich vorhandene Wohnfläche abgestellt.

114

Was die Ausdehnung der Geschossfläche im Gebäudeinneren anbelangt, die also ohne Erweiterung der Grundfläche und die damit einhergehende Vergrößerung des Gebäudekörpers erfolgt, hat sich die Beklagte in ihrem Sanierungskonzept indes dahin festgelegt, dass sie gegen die Schaffung zusätzlicher Aufenthaltsräume in Keller und Speicher und die dadurch herbeigeführte Ausdehnung der Geschossfläche nicht vorgehen wird. Dabei lässt sich die Beklagte von der Überlegung leiten, dass derartige Verstöße im Innern der betroffenen Gebäude erfolgen und nach außen oft nicht erkennbar werden, was zugleich eine dauerhafte Kontrolle wesentlich erschwert. Gleichzeitig bleiben trotz dieser Einschränkung der Kontrolle das äußere Erscheinungsbild und die Kubatur der Anwesen unberührt, so dass sich hierdurch keine wesentlichen Auswirkungen auf den Charakter des Gebietes insgesamt ergeben.

115

Vergleichbare Erwägungen greifen aber auch bei einer Ausdehnung der Wohnfläche in horizontaler Richtung, wie sie bei einer Umnutzung der Garage zu Wohnzwecken vorliegt, sofern auch dabei das äußere Erscheinungsbild der baulichen Anlagen unberührt bleibt. Ebenso wie bei der Erweiterung der Wohnfläche in die Funktionsräume im Keller und Speicher hinein ist auch eine Inanspruchnahme von Teilen der Garage auf das Gebäudeinnere beschränkt und erfolgte oftmals im Verborgenen. Dann ist aber kein sachlicher Grund dafür erkennbar, die eine – vertikale – Überschreitung der Geschossfläche hinzunehmen und gegen den anderen Verstoß – in der horizontalen Nutzung des Gebäudes – einzuschreiten. Erst wenn die Umnutzung der Garage derart erfolgt, dass dadurch nach außen erkennbar ein vergrößertes Wohngebäude entsteht, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit auch mit der Festsetzung zur Grundfläche des Wochenendhauses, woraus sich ein Differenzierungskriterium ergibt.

116

Soweit die Beklagte darauf abstellt, die im Keller und Speicher geschaffenen Aufenthaltsräume führten aus bauordnungsrechtlichen Gründen nicht zu einer Erhöhung der berücksichtigungsfähigen Geschossfläche, vermag dies die festgestellte Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen. Die Beklagte geht in ihrem Konzept nämlich selbst davon aus, dass auch den Vorschriften des Bauordnungsrechtes entsprechende Aufenthaltsräume in Kellern und auf Speichern eingerichtet sein können, sie aber dennoch unbeanstandet bleiben sollen. Zudem ist der Begriff des Aufenthaltsraumes in Anlehnung an die Begriffsbestimmung der Landesbauordnung dadurch definiert, dass es sich um einen Raum handelt, der zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet ist (vgl. 2 Abs. 5 LBauO). Kriterium für die Bestimmung der Aufenthaltsfunktion ist hiernach neben der objektiven Eignung die subjektive Zweckbestimmung (Jeromin, Landesbauordnung, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 77). Auf die weitergehenden Anforderungen der Landesbauordnung für Aufenthaltsräume kommt es hingegen nicht an (vgl. HessVGH, Beschluss vom 08. Dezember 1989 – 4 TG 2896/89 –, juris Rn. 31: BVerwG, Urteil vom 07. Juni 2006 – 4 C 7/05 – NVwZ 2006, 1065 und juris; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 07. Dezember 1994 - 1 L 144/93 -, juris Rn. 38).

117

2. Der Bescheid der Beklagten vom 29. September 2008 erweist sich hingegen als rechtmäßig, soweit den Klägern in Nr. 1 Buchstabe c) der Rückbau der Terrassenüberdachung aufgegeben wurde. Insoweit liegen die Voraussetzungen des § 81 Satz 1 LBauO vor.

118

a. Die von den Klägern angebrachte Terrassenüberdachung verstößt gegen materielles Baurecht. § 2 Abs. 2 der für das Gebiet maßgeblichen Satzung über die äußere Gestaltung von baulichen Anlagen sowie über Erfordernis und Gestaltung von Einfriedungen für das Wochenendhausgebiet „Binsfeld III“ vom 7. Dezember 1977 – Gestaltungssatzung − sieht vor, dass die überdachte Fläche von Loggien und Terrassen 8 m² nicht überschreiten darf. Die Überdachung im Falle der Kläger weist jedoch eine Fläche von 24 m² auf.

119

Insoweit können sich die Kläger nicht darauf berufen, der Geltungsbereich der Satzung sei unbestimmt. Dieser wird vielmehr unter Bezugnahme auf den für das Gebiet geltenden Bebauungsplan exakt umrissen. § 1 der Satzung sieht als Anwendungsbereich das gesamte Wochenendhausgebiet „Im Binsfeld III“ vor. Wie die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, handelt es sich bei dem in der Vorschrift angesprochenen Lageplan als Anlage zur Satzung um ein Exemplar des Bebauungsplanes, das auch weiterhin existiert, so dass der Geltungsbereich sowohl textlich durch Bezugnahme auf den Bebauungsplan als auch zeichnerisch hinreichend bestimmt ist. Da die Planskizze des Bebauungsplanes selbstständiger Teil der Gestaltungssatzung geworden ist, kommt es auf die Wirksamkeit des Bebauungsplanes nicht an.

120

b. Die auf die Terrassenüberdachung bezogene Rückbauverfügung erweist sich auch nicht im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG als rechtswidrig. Soweit das Sanierungskonzept der Beklagten vorsieht, dass Terrassenüberdachungen bis zu einer Fläche von 10 m² nicht zurückgebaut werden müssen, hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass diese Abweichung von der Satzungsregelung nur auf Fälle eines geringfügigen Überschreitens Anwendung finden soll. Sie trägt damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung. Mit der Regelung soll verhindert werden, dass auch bei geringfügigen Überschreitungen der zulässigen Fläche ein vergleichsweise hoher Aufwand für den Rückbau der Überdachung entsteht. Die abweichende Behandlung rechtswidrig errichteter Terrassenüberdachungen bis zu einer Fläche von 10 m² ist damit sachlich gerechtfertigt.

121

3. Die das Gartenhaus betreffende Verfügung in Nr. 1 Buchstabe d) des Bescheides vom 29. September 2008 erweist sich nur teilweise als rechtmäßig.

122

a. Soweit die Beklagte hierin der Klägerin aufgegeben hat, hinsichtlich der nach dem Bebauungsplan unzulässigen Gartenhütte einen Befreiungsantrag zu stellen, hält sich diese Anordnung im Rahmen der Ermächtigungsnorm des § 81 LBauO. Da die Beklagte in ihrem Sanierungskonzept die Erteilung einer Befreiung für Nebenanlagen bis zu einer Fläche von 6 m² nach den §§ 31 Abs. 2 BauGB und 69 Abs. 2 LBauO in Aussicht gestellt hat, können auf diesem Wege in anderer Weise als durch Erlass einer Beseitigungsverfügung rechtmäßige Zustände hergestellt werden. Der Abweichensantrag nach § 69 Satz 2 LBauO tritt dabei an die Stelle des Bauantrages nach § 81 Satz 2 LBauO. Ein solcher Antrag ist auch keine bloße Förmelei, da nur durch Vorlage entsprechender Unterlagen der Gegenstand der Befreiung etwa hinsichtlich des Standortes der Hütte auf dem Grundstück der Kläger eindeutig bestimmt werden kann. Die Einreichung eines Abweichungsantrags bürdet den Klägern auch keine unzumutbaren Lasten auf.

123

b. Die Kläger können sich hinsichtlich der Gerätehütte auch nicht deshalb auf Bestandsschutz berufen, weil diese zu einem Zeitpunkt errichtet wurde, als der für das Gebiet maßgebliche Bebauungsplan noch nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht war und der Ausschluss von Nebenanlagen nicht galt. Der Errichtungszeitpunkt der Gerätehütte kann nämlich nicht mehr exakt festgestellt werden. Der Darstellung der Kläger hält die Beklagte den Umstand entgegen, dass bei der Gebrauchsabnahme am 23. August 1988 und damit nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes keine Mängel festgehalten wurden. Erweist sich aber als unaufklärbar, wann der von einer Beseitigungsverfügung Betroffene die beanstandete Nutzung aufgenommen hat und ob er dementsprechend aus Gründen der formellen oder materiellen Legalität Bestandsschutz genießt, so geht das zu seinen Lasten. Insoweit macht er im Wege einer Einwendung ein Gegenrecht geltend. Er leitet nämlich aus der Vergangenheit ein Recht ab, das es ihm ermöglicht, sich gegen eine behördliche Anordnung durchzusetzen, obgleich die beanstandete Nutzung (derzeit) materiell rechtswidrig ist und dies an sich für eine derartige Verfügung ausreicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1979 - 4 C 86.76 –, DÖV 1979, 601 und juris, Rn. 14; Beschluss vom 05. August 1991 – 4 B 130/91 und juris Rn. 4).

124

c. Als unverhältnismäßig erweist sich indessen die weitergehende Anordnung der Beklagten, das Gerätehaus zu beseitigen, wenn der Befreiungsantrag nicht fristgerecht binnen 6 Wochen nach Bestandskraft der Verfügung gestellt wird. Da rechtmäßige Zustände durch Erteilung der in Aussicht gestellten Befreiung erreicht werden können, ist die Beseitigung der Gerätehütte hierfür nicht erforderlich. Vielmehr kann die Beklagte die Stellung eines Befreiungsantrages mit Einsatz von Zwangsmitteln herbeiführen. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angedeutete Möglichkeit, auf einen Antrag zu verzichten und die Gerätehütte stattdessen freiwillig zu beseitigen, steht den Klägern auch ohne eine entsprechende Anordnung offen.

125

4. Schließlich ist im Hinblick auf die vom Senat nicht beanstandeten Verfügungen auch nicht erkennbar, dass die Beklagte bei ihrem Vorgehen im Bereich des Bebauungsplangebietes das Gleichbehandlungsgebot verletzte und die in ihrem Sanierungskonzept vorgesehenen Maßnahmen nicht konsequent umsetzte. Dabei können sich die Betroffenen nicht allgemein darauf berufen, die Behörde schreite gegen Baurechtsverstöße in vergleichbaren Fällen nicht ein. Art. 3 Abs. 1 GG räumt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht ein. Vielmehr können sie lediglich verlangen, dass die Behörde ihr Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichartig ausübt. Die Behörde muss dabei nicht gleichzeitig vorgehen, sondern kann bei einer Vielzahl von Verstößen nach und nach einschreiten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 1995, a.a.O., juris Rn. 4f.). Die Kläger können sich hiernach nicht auf jede baurechtliche Abweichung, sondern nur auf solche Verstöße berufen, die den bei ihnen beanstandeten Mängeln vergleichbar sind. Hinsichtlich der Anbringung von Terrassenüberdachungen und der Errichtung von Nebenanlagen ist indessen nicht erkennbar, dass die Beklagte in Abkehr von ihrem Sanierungskonzept willkürlich vorginge und nur einzelne Eigentümer herausgriffe. Soweit entsprechende Verstöße bislang in wenigen Einzelfällen ungeahndet geblieben sind, hat die Beklagte eine nachvollziehbare Begründung angeführt, weshalb sie von einem Einschreiten abgesehen hat.

126

5. Die in Nr. 2 des Bescheides enthaltene Zwangsgeldandrohung war aufzuheben, soweit die entsprechende Grundverfügung nach dem zuvor Gesagten keinen Bestand hat, da es an einem Verwaltungsakt als Grundlage der Vollstreckung fehlt. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Zwangsgeldandrohung nach § 66 LVwVG i.Vm. den §§ 61 Abs. 1, 62 und 64 LVwVG vor.

127

6. Ebenfalls aufzuheben ist die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Kostenentscheidung, da hinsichtlich der aufgehobenen Teile der Grundverfügung die Amtshandlung nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 LGebG durch die Kläger veranlasst ist und es dem Senat nicht möglich ist, den Verwaltungsaufwand für den fortbestehenden Teil der Anordnung zu bestimmen.

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7. Die von den Klägern hilfsweise gestellten Beweisanträge waren abzulehnen.

129

a. Ihr Antrag, für einen großen Teil der Grundstücke die Verwaltungsakten der Beklagten beizuziehen (Nr. 1), bezweckt eine unzulässige „Ausforschung“. Da die Beklagte auf den Beschluss des Senats vom 27. Juli 2011 ausführlich dargelegt hat, welche Verstöße bei den einzelnen Anwesen festgestellt wurden, hätte es zum Beweisantritt einer substantiierten Darlegung der Kläger bedurft, bei welchen konkreten Anwesen die Beklagte fehlerhafte oder unvollständige Angaben gemacht haben soll. Solche Angaben sind nur bezüglich von 14 näher bezeichneten Anwesen erfolgt, bei denen sich Meinungsunterschiede zum Teil aber bereits geklärt haben und die von ihrem zahlenmäßigen Umfang her für die allein maßgebliche Frage der Funktionslosigkeit unerheblich sind.

130

b. Dem Antrag, eine Ortsbesichtigung durchzuführen (Nr. 2), ist das Gericht teilweise nachgekommen. Soweit hiermit die Feststellung weiterer Verstöße gegen baurechtliche Vorschriften erreicht werden soll, erweisen sich die unter Beweis gestellten Tatsachen als unerheblich. Da lediglich 6 Anwesen von der Beklagten nicht besichtigt wurden, ergeben sich wegen der geringen Zahl der betroffenen Gebäude keine Auswirkungen auf die Annahme einer Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes. Auch im Hinblick auf die Ermessensausübung der Beklagten handelt es sich um Einzelfälle, die das Sanierungskonzept und dessen Umsetzung insgesamt nicht in Frage stellen können.

131

c. Auch der Heranziehung sämtlicher Meldeakten innerhalb des Plangebietes seit 1962 (Nr. 3) bedurfte es nicht. Auf die genaue Zahl der mit Hauptwohnsitz Gemeldeten und das melderechtliche Vorgehen der Beklagten hiergegen kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreites nicht an. Für die Beurteilung der Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes ist nicht die melderechtliche Situation entscheidend. Vielmehr ist nach dem zuvor Gesagten maßgeblich, inwieweit eine mögliche dauerhafte Wohnnutzung im Plangebiet nach außen erkennbar und von der Bauaufsichtsbehörde offenkundig hingenommen wird. Hierzu hat der Senat einschlägige Feststellungen getroffen.

132

d. Soweit die Kläger hinsichtlich der Hängigkeit des Geländes im Plangebiet eine weitere Sachaufklärung begehren, erweist sich der Beweisantrag als unerheblich, da die Behörde für ihr Einschreiten nicht an das Vorliegen eines Vollgeschosses anknüpft, vielmehr wegen jeglicher zusätzlicher Aufenthaltsräume – in Vollgeschossen oder sonstigen Geschossen - auf das Geltendmachen von Verstößen gegen die maximale Geschossfläche verzichten will.

133

B. Soweit die Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehren, ihnen die beantragte Nutzungsänderungsgenehmigung zu erteilen, bleibt ihre Klage erfolglos.

134

Den Klägern steht kein Anspruch auf Erlass der Baugenehmigung nach § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO zu. Hiernach ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen.

135

Soweit die Kläger die Genehmigung der Umnutzung eines Teils der Garage zu Aufenthaltszwecken begehren, steht diesem Vorhaben nach dem zuvor Gesagten der Umstand entgegen, dass hiermit gegen die im Bebauungsplan „Im Binsfeld III“ vorgesehene Begrenzung der zulässigen Geschossfläche verstoßen würde.

136

Auch die Umnutzung der Kellerräume ist nicht genehmigungsfähig. Da nach § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO (1968) bei der Geschossflächenberechnung auch die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen als Vollgeschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und Umfassungswände zu berücksichtigen sind, würde die Nutzung eines Kellerraumes als Aufenthaltsraum ebenfalls zu einer Überschreitung der zulässigen Geschossfläche führen. Der genehmigte Bestand schöpft die nach dem Bebauungsplan zulässige Obergrenze von 60 m² mit 59,5 m² indes nahezu vollständig aus.

137

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

138

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus den §§ 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.

139

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO hierfür genannten Gründe vorliegt.

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Beschluss

141

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,-- €

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.