Verwaltungsgericht Halle Urteil, 11. Aug. 2017 - 1 A 346/16 HAL
Tenor
Insoweit, als die Kläger die Klage zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18. April 2016 verpflichtet,
der Klägerin zu 1) die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, dem Kläger zu 2) den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und hinsichtlich der Klägerinnen zu 3) und 4) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger und die Beklagte je zur Hälfte; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Kläger stammen nach eigenen Angaben aus Afghanistan und begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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Die am 1. Januar 1980 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter der Kläger zu 2) – 4). Hierbei handelt es sich um ihren am 1. Januar 1999 geborenen Sohn sowie zwei Töchter im Alter von 15 und 12 Jahren. Die Familie stellte nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik am 17. März 2016 einen Asylantrag.
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Zu ihrem Asylbegehren gab die Klägerin zu 1) im behördlichen Verfahren im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 1. April 2016 an: Die Taliban hätten ihren Ehemann bedrängt, sich ihnen anzuschließen. Im Gegensatz zu vielen seiner Bekannten und Verwandten habe er sich aber geweigert, für sie zu arbeiten. Etwa drei Jahre vor ihrer Flucht seien nachts Leute gekommen und hätten ihn mitgenommen. Seither habe sie ihn nicht mehr gesehen. Sie habe sich an die Behörden gewandt und Hilfe verlangt. Die Behörden hätten ihr aber nicht geholfen und später gesagt, ihr Mann sei tot und sie soll ihn nicht mehr suchen.
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Später habe man ihre ältere Tochter, die Klägerin zu 3. entführt. Die Männer seien maskiert gewesen, so dass sie sie nicht habe erkennen können. Die Polizei habe ihre Tochter schnell gefunden. Bei der Tat habe diese einen Finger verloren, den man ihr in der Autotür eingeklemmt hatte. Vor zwei Jahren seien dann Männer zu ihr gekommen und hätten verlangt, dass sie ihre Tochter verheirate. Auch diese Leute seien maskiert gewesen. Sie habe aber an den Augen erkannt, dass es dieselben Personen gewesen seien, die auch ihren Mann entführt hätten.
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Sie habe sich darauf bei ihren Nachbarn Hilfe geholt. Diese hätten ihr geraten, auszureisen.
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Mit Bescheid vom 29. April 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als auch auf Asylanerkennung als unbegründet ab, erkannte den Klägern den subsidiären Schutzstatus nicht zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Weiter forderte die Beklagte die Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Antragstellerin habe ihre Furcht vor Verfolgung und ihre persönliche Gefährdungslage nicht überzeugend geschildert.
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Am 29. April 2016 haben die Kläger beim erkennenden Gericht Klage erhoben.
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Sie sind der Ansicht, die Beklagte habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass es sich bei den Klägern um eine Familie handele, bei der die Klägerin zu 1) als alleinerziehende Mutter der Familie vorstehe. Nach dem Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshof vom 21. November 2014 (Az.: 13 a B 14.30248 -, Juris) bestehe bei Familien mit minderjährigen Kindern angesichts der schlechten humanitären Bedingungen in Afghanistan regelmäßig die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK, so dass deswegen subsidiärer Schutz zuzuerkennen, zumindest aber ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen sein dürfte.
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Nachdem die Kläger zunächst beantragt haben,
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ihnen die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
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haben sie in der mündlichen Verhandlung beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, wiederum hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen, und den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2016 insoweit aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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Sie tritt der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Bescheides des Bundesamtes entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die Kammer kann durch die Einzelrichterin entscheiden, weil der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylG mit Beschluss vom 29. März 2016 auf die bestellte Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen wurde.
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Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden, weil in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit ausdrücklich hingewiesen worden ist.
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Die zulässige Klage hat überwiegend Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 18. April 2016 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Klägerin zu 1) steht im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 1 AsylG zu. Der Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes und zugunsten der Klägerinnen zu 3) und 4) sind Abschiebungsverbote festzustellen.
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Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet. Einem Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, der nicht den Regelungen des § 3 Abs. 2 bzw. § 3 Abs. 4 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 8 AufenthG unterfällt oder der den in § 3 Abs. 3 AsylG bezeichneten anderweitigen Schutzumfang genießt, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylG). Als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zwischen den Verfolgungsgründen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i. V. m. § 3 b AsylG) und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Verknüpfung bestehen (§ 3 a Abs. 3 AsylG).
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Unter dem Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Asylantragsteller in einer Angelegenheit, die die in § 3 c AsylG (vgl. Art. 6 QRL) genannten potentiellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob der Antragsteller aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist (§ 3 b Abs. 1 Nr. 5 AsylG; Art. 10 Abs. 1 Buchst. e QRL). Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe reicht es aus, wenn diese Merkmale dem Asylantragsteller von seinem Verfolger lediglich zugeschrieben werden (§ 3 b Abs. 2 AsylG; Art. 10 Abs. 2 QRL). Die Qualifikationsrichtlinie hat sich insofern an dem aus dem angloamerikanischen Rechtsraum bekannten Auslegungsprinzip der 'imputed political opinion' orientiert, wonach es ausreicht dass ein Verfolger seine Maßnahmen deshalb gegen den Antragsteller richtet, weil er davon ausgeht, dass dieser eine abweichende politische Überzeugung vertritt (VG München, Urteil vom 2. Dezember 2014 – M 24 K 14.30759 - , Juris). Als politisch ist eine Überzeugung im Gegensatz zu einer rein privaten dann zu qualifizieren, wenn sie sich im weitesten Sinne auf die Auseinandersetzung um die Gestaltung des Zusammenlebens von Menschen und Menschengruppen im gesellschaftlichen und staatlichen Raum bezieht und damit einen öffentlichen Bezug hat. Der verfolgende Akteur greift auf Leib, Leben oder persönliche Freiheit des Schutzsuchenden zu, um dessen oppositionelle Einstellung zu bekämpfen.
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Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der voraussetzt, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen - es kommt darauf an, ob in Anbetracht aller Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (Nds. OVG, Urteil vom 19. September 2016 - 9 LB 100/15 -, Juris S. 7 f. m.w.N.). Dabei obliegt es dem Antragsteller, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen, indem er seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorträgt. Dazu bedarf es – unter Angabe der Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhaltes. Er muss er die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse lückenlos schildern. Das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals erlangen. Dabei greift zugunsten eines Betroffenen die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (Nds. OVG, Urteil vom 23. November 2015 - 9 LB 106/15 -, Juris S. 8 m.w.N.), ohne dass hierdurch jedoch der Wahrscheinlichkeitsmaßstab geändert würde (BVerwG, Urteil vom 07. September 2010 - 10 C 11/09 -, Juris Rn. 14 f.). Diese Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt, beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen, zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal einer ernsthaften Schädigung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. April 2010 - 10 C 5/09 -, Juris Rn. 21). Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit des Eintritts eines solchen Schadens entkräften).
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In Anwendung dieser Grundsätze droht der Klägerin zu 1) nach Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine geschlechtsspezifische Verfolgung i.S. des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 4 AsylG. Als ledige (verwitwete) Frau ohne den Rückhalt des Familienverbandes ist das Führen eines menschenwürdigen Lebens für sie nicht realistisch (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 16). Dies hat die Klägerin auch durch ihre eigenen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung überzeugend untermauert. Sie hat glaubhaft gemacht, dass aufgrund dieser Verfolgung, die von den Taliban ausgeht, in Afghanistan zumindest ihre körperliche Unversehrtheit und Freiheit bedroht wären. Das Gericht hält die nunmehr in der mündlichen Verhandlung detaillierten und widerspruchsfreien Angaben der Klägerin für glaubhaft. Sie hat in der mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Auch aus der emotionalen Bewegtheit, mit der die Klägerin die einzelnen Umstände in der mündlichen Verhandlung darlegte, schließt das Gericht, dass es sich bei den Schilderungen um wahre Begebenheiten handeln muss. Bereits nach der Darstellung ihres Schicksals nach dem Verschwinden ihres Ehemannes durch die Klägerin zu 1) in ihrer Anhörung bei der Beklagten am 1. April 2016, dass diese auch nicht angezweifelt hat, und der ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ist die Richterin davon überzeugt, dass die Klägerin zu 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung als Frau und Witwe ihr Heimatland verlassen hat. Ausweislich ihrer Schilderung war sie in ihrer Heimat allein auf sich gestellt, ohne den Schutz und Rückhalt eines Familienverbandes in Anspruch nehmen zu können. Ihre eigene Familie hat Afghanistan verlassen und die Familie ihres Ehemannes hat sie abgelehnt und weder sie noch ihre Kinder unterstützt. Überzeugend hat sie dargelegt, dass sie als Frau ihr Haus nicht habe verlassen können und dadurch auch keine Möglichkeit gehabt habe, den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie zu verdienen und dadurch ausschließlich auf ihre beiden minderjährigen Söhne angewiesen und von diesen abhängig. Sie war aber auch nicht in der Lage, sich selbst oder den Kindern - insbesondere ihren beiden Töchtern – ausreichenden Schutz zu gewähren, was sich darin zeigt, dass auf sie Druck ausgeübt worden ist um sie zu zwingen, ihre Tochter mit einem ihr völlig fremden Mann zu verheiraten und zudem bereits wiederholt der Versuch eines Zugriffs durch Angehörige der Taliban auf ihre auch heute erst 15jährige Tochter erfolgt ist.
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Als Witwe gehört sie einer bestimmten sozialen Gruppe i. s. des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 4 AsylG an, die wegen ihrer deutlich abgegrenzten Identität von der afghanischen Gesellschaft ausgegrenzt wird. In der Islamischen Republik Afghanistan sind Witwen je nach den Umständen des Einzelfalls auch ohne eine Vorverfolgung oder Vorschädigung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen durch nichtstaatliche Akteure zumindest in der Form von Menschenrechtsverletzungen oder Diskriminierungen, die in ihrer Kumulierung einer schwerwiegenden Verletzung der grundlegenden Menschenrechte gleichkommen (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG), ausgesetzt. Insbesondere können ihnen die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG) und sonstige Handlungen, die an ihre Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen (§ 3a Abs. 2 Nr. 6), drohen. Zwar hat sich die Situation afghanischer Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft verbessert (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.3.2015, S. 14). Die Islamische Republik Afghanistan hat sich in ihrer Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze formal dazu verpflichtet, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.3.2015, S. 14). Auch wurde durch das im Wege eines Präsidialdekrets im Jahr 2009 erlassene Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen - dessen Verabschiedung durch beide Parlamentskammern allerdings weiterhin aussteht (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.3.2015, S. 15; Amnesty International, Their lives on the line: women human rights defenders under attack in Afghanistan, Apr. 2015, S. 56 ff; USDOS, Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan vom 25.6.2015) - eine wichtige Grundlage geschaffen, Gewalt gegen Frauen - erstmals überhaupt - unter Strafe zu stellen. Gleichwohl gibt es in der Islamischen Republik Afghanistan nach wie vor gravierende Rechtsverletzungen zulasten von Frauen (Fortschrittsbericht der Bundesregierung von Nov. 2014, S. 15 f.). Es mangelt vielfach an der praktischen Umsetzung der genannten Rechte (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.3.2015, S. 14; Amnesty International, Their lives on the line: women human rights defenders under attack in Afghanistan, Apr. 2015, S. 56). Auch weiterhin ist in der afghanischen Gesellschaft in allen Lebensbereichen Gewalt gegenüber Frauen tief verwurzelt (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 55; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 13). Die Afghanistan Independent Human Rights Commission bezeichnet dies als eines der gravierendsten Menschenrechtsprobleme in Afghanistan (AIHRC, Summary of the Findings Report on Violence against Women vom 8.3.2015). Es wird geschätzt, dass mehr als 87 % aller afghanischen Frauen bereits körperliche, sexuelle, psychologische Gewalt oder eine Zwangsheirat erfahren mussten. Mehr als 60 % der afghanischen Frauen sind mehreren Formen der Gewalt ausgesetzt (UN General Assembly, Report of the Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences, Mission to Afghanistan, 12.5.2015, S. 5 ). Die gegenüber Frauen verübte Gewalt ist zum Teil äußerst brutal. Sie umfasst beispielsweise Tötungen in Form von Verbrennungen sowie das Abschneiden von Körperteilen (AIHRC, Summary of the Findings Report on Violence against Women vom 8.3.2015). Als weiteres Hauptproblem bezeichnet die Afghanistan Independent Human Rights Commission den Umstand, dass Frauen in der Islamischen Republik Afghanistan in besonderem Maße Belästigungen auf der Straße ausgesetzt sind (AIHRC, Summary of the Findings Report on Violence against Women vom 8.3.2015). Auch ist es für viele afghanische Frauen immer noch sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben. Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und der eingeschränkte Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.3.2015, S. 14). Gewaltakte, Belästigungen und sonstigen Diskriminierungen können in der Islamischen Republik Afghanistan insbesondere solche Frauen ausgesetzt sein, die in der Wahrnehmung anderer gesellschaftliche Normen verletzen. Denn im gesellschaftlichen Bereich bestimmen nach wie vor eine orthodoxe Auslegung der Scharia und archaisch-patriarchalische Ehrenkodizes die Situation von Frauen. Der Verhaltenskodex der afghanischen Gesellschaft verlangt von ihnen grundsätzlich den Verzicht auf Eigenständigkeit. Falls sie sich den gesellschaftlichen Normen verweigern, besteht die Gefahr der sozialen Ächtung (vgl. BAMF, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, Apr. 2010, S. 27). Afghanische Frauen, die in der Wahrnehmung anderer gesellschaftliche Normen verletzen, werden gesellschaftlich stigmatisiert, allgemein diskriminiert und ihre Sicherheit ist gefährdet (UNHCR-Richtlinien vom 6.8.2013, S. 62).
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Dementsprechend geht der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), der eine besonders sorgfältige Prüfung der Asylanträge der Risikogruppe "Frauen" empfiehlt (vgl. UNHCR, "Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan – Erkenntnisse u.a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013" von Aug. 2014, S. 3), davon aus, dass je nach den individuellen Umständen des Einzelfalls nicht nur bei afghanischen Frauen, die bereits Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt oder schädlicher traditioneller Bräuche geworden sind oder entsprechend gefährdet sind, sondern auch bei afghanischen Frauen, die nach der öffentlichen Wahrnehmung gegen die sozialen Sitten verstoßen, wahrscheinlich ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz besteht (UNHCR-Richtlinien vom 6.8.2013, S. 64).
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Unter Frauen, die nach der öffentlichen Wahrnehmung gegen die sozialen Sitten verstoßen und damit einer geschlechtsspezifischen, von den individuellen Umständen abhängigen Verfolgung unterliegen können, sind solche Frauen zu verstehen, deren und nicht nur vorübergehenden Verhalten als nicht mit den von der Gesellschaft, der Tradition und dem Gesetz auferlegten Geschlechterrollen vereinbar angesehen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 21.1.2014 - 9 LA 60/13 - juris Rn. 6).
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Bei der Klägerin zu 1) ist bei einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls auch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG auszugehen. Ihre individuelle Situation ist unter Beachtung ihres regionalen, sozialen, insbesondere aber auch ihres familiären Hintergrundes zu beurteilen. Danach ist ihre konkrete Situation ausgesprochen gefährlich. Ihre Heimat wird von den Taliban beherrscht, deren Frauenbild ein eigenständiges, selbst bestimmtes Leben nicht zulässt, so dass sie in ihrer Heimatregion einer besonderen Gefährdung ausgesetzt ist. Dies wird verstärkt durch ihre soziale Situation, durch die sie am Rand der Gesellschaft leben müsste. Sie hat zudem nicht den Rückhalt eines Familienverbandes mit erwachsenen männlichen Mitgliedern, die ihr in der Gesellschaft Schutz gewähren würden.
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Die Klägerin zu 1) vermag weder Schutz durch den Staat oder Dritte zu erlangen, noch stünde ihr eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung.
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Der afghanische Staat vermag der Klägerin im Fall der Rückkehr keinen Schutz gegen die ihr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung zu bieten. Nach § 3 c Nr. 3 in Verbindung mit § 3 d Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG kann Schutz vor Verfolgung vom Staat nur geboten werden, sofern dieser willens und in der Lage ist, einen wirksamen Schutz im Sinne des § 3 d Abs. 2 AsylVfG zu bieten. Die afghanischen staatlichen Akteure aller drei Gewalten sind jedoch entweder nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.3.2015, S. 14; Amnesty International, Their lives on the line: women human rights defenders under attack in Afghanistan, Apr. 2015, S. 59; UN General Assembly, Report of the Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences, Mission to Afghanistan, 12.5.2015, S. 17) (OVG Lüneburg, Urteil vom 21. September 2015 – 9 LB 20/14 –, Rn. 48, Juris). Staatlicher Schutz ist für Frauen nicht zu erlangen (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 69; BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 28). Das Justizsystem funktioniert in Afghanistan nur sehr eingeschränkt (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 5). Es herrscht ein Klima der Straflosigkeit (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfsafghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 28; SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15). Der Islamvorbehalt in der Verfassung, tradierte Moralvorstellungen, Einflussnahmemöglichkeiten durch Verfahrensbeteiligte und Unbeteiligte sowie Zahlungen von Bestechungsgeldern verhindern Entscheidungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen des Justizsystems (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 12; vgl. auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 6 f.). Auch innerhalb der Polizei ist Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfsafghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 29, vgl. auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 6; www.deutschlandfunk.de, Hauptursache der schlechten Sicherheitslage, v. 14.06.2017). Korruption ist im gesamten Justizwesen weit verbreitet, insbesondere im Zusammenhang mit strafrechtlicher Verfolgung und Freilassungen aus dem Gefängnis (Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Zielen Rachehandlungen wegen vorehelichem Geschlechtsverkehr nur auf den "Täter" ab oder können auch andere Mitglieder seiner Familie zum Ziel werden?; 2) Möglichkeit, bei staatlichen Stellen um Schutz vor Rachehandlungen anzusuchen, v. 23.02.2017, S. 7; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 6). Auch Angst vor Strafaktionen von religiösen Extremisten führt zu polizeilicher Zurückhaltung (ACCORD, Dokumentation des Expertengespräches mit T. R. und M. D., v. 06.2016, S. 13 f.). Zudem ist das Justizwesen unterfinanziert und personell unterbesetzt (SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15). So findet etwa auch eine polizeiliche Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch an Jugendlichen und Kindern nicht statt (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 13) und auch die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen und Mädchen bleibt üblicherweise straflos (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 66). Dies gelte auch für internen Schutz (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 28). Auch auf lokale Machthaber ohne staatliche Befugnisse hat die Zentralregierung kaum Einfluss und kann sie nur begrenzt kontrollieren bzw. ihre Taten untersuchen und verurteilen, so dass Sanktionen häufig ausbleiben (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 17; vgl. auch SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15). Eine parallele Rechtsprechung einschließlich der damit verbundenen Strafsanktionen bis hin zu Exekutionen wird kaum bis gar nicht verfolgt (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 21; vgl. auch SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15 f.; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfsafghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 29). Täter von Menschenrechtsverletzungen werden selten zur Rechenschaft gezogen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 29). In ländlichen Gebieten zeigen sich dabei deutlich mehr Schwächen als in städtischen (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfsafghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 28; SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15; ACCORD, Dokumentation des Expertengespräches mit T. R. und M. D., v. 06.2016, S. 17). Schutz können Frauen in größeren Städten theoretisch zwar in Frauenhäusern finden, diese verfügen jedoch nicht über ausreichend Plätze (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, v. 30.09.2016, S. 18); auch ist ein Leben außerhalb im Anschluss regelmäßig nicht mehr möglich (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 15).
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Die Klägerin kann sich auch nicht in einem anderen Landesteil niederlassen und dort Schutz vor dem drohenden Schaden finden. Selbst in städtischen Gebieten sind alleinstehende Frauen regelmäßig nicht in der Lage, ein Leben ohne unangemessene Härte zu führen (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 98; vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 01.12.2016 - Au 5 K 16.31914 -, juris Rn. 24), zumal die Klägerin Analphabetin ist und allein für die Versorgung ihrer Kinder verantwortlich ist (VG Lüneburg, Urteil vom 10. Juli 2017 – 3 A 205/16 –, Juris). Das Gericht hält es daher für ausgeschlossen, dass die Klägerin als alleinstehende Frau im Falle ihrer Rückkehr zusammen mit ihren Kindern ein menschenwürdiges Leben führen könnte. In allen Landesteilen ist ihre Furcht vor Verfolgung begründet und hätte sie keinen Schutz vor Verfolgung.
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Der Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, weil er stichhaltige Gründe (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, n.v.; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.) für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 AsylG durch einen in § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 c AsylG genannten Akteur droht. Prognosemaßstab für den Schaden ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 26; OVG NRW, Urt. v. 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 34).
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Die Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und seiner Begriffe orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden EMRK), wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf (Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 24 zu § 4 AsylVfG; BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.). Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs von den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls ab, wie etwa der Art und dem Kontext der Fehlbehandlung, der Dauer, den körperlichen und geistigen Auswirkungen, sowie - in einigen Fällen - vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf EGMR, Urt. v. 04.11.2014, - 29217/12, Tarakhel ./. Switzerland - HUDOC Rn. 94). Eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK hat der EGMR etwa dann angenommen, wenn sie unter anderem geplant war, ohne Unterbrechung über mehrere Stunden erfolgte und körperliche Verletzungen oder ein erhebliches körperliches oder seelisches Leiden bewirkte (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils unter Bezugnahme auf EGMR, Urt. v. 09.07.2015 - 32325/13, Mafalani ./. Croatia - HUDOC Rn. 69 m.w.N.). Von einer erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ist der EGMR ausgegangen, wenn sie bei dem Opfer Gefühle der Angst, seelischer Qualen und der Unterlegenheit hervorruft, wenn sie das Opfer in dessen oder in den Augen anderer entwürdigt und demütigt, und zwar unabhängig davon, ob dies beabsichtigt ist, ferner, wenn die Behandlung den körperlichen oder moralischen Widerstand des Opfers bricht oder dieses dazu veranlasst, gegen seinen Willen oder Gewissen zu handeln sowie dann, wenn die Behandlung einen Mangel an Respekt offenbart oder die menschliche Würde herabmindert (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils unter Bezugnahme auf EMGR, Urt. v. 03.09.2015 - 10161/13, M. und M. ./. Croatia - HUDOC Rn. 132).
- 33
Aufgrund des Vorbringens des Klägers zu 2) in der mündlichen Verhandlung ist das Gericht davon überzeugt, dass diesem bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden in Form einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 AsylG bis hin zu einer Tötung durch die Taliban droht.
- 34
Der Kläger zu 2) hat glaubhaft vorgetragen, dass er sich in begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befindet und dessen Schutz nicht in Anspruch nehmen kann. Nach der Überzeugung des Gerichts hat er noch vor dem Verlassen Afghanistans eine ernsthafte individuelle Bedrohung erlitten. Der Kläger zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass er als ältester Sohn befürchte, bei seiner Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der im Zusammenhang mit seinem Vater erfolgten Vorkommnisse einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt zu sein.
- 35
Dieses Vorbringen des Klägers bezüglich seiner individuellen Bedrohung hat das Gericht als glaubhaft überzeugt. Danach ist das Gericht davon überzeugt, dass für den Kläger eine Bedrohung durch die Taliban besteht. Der Kläger ist durch die nachhaltige Weigerung seines Vaters, als einziger seines Umfeldes nicht für die Taliban arbeiten zu wollen, in das Visier der Taliban geraten. Dass sich der Vater so den Zorn der Taliban zugezogen hat, liegt nach der Überzeugung des Gerichts auf der Hand. Deshalb ist der Vater letztendlich entführt worden. Wegen des in Afghanistan weit verbreiteten und auch von den Taliban praktizierten Prinzips der Sippenhaft sieht es das Gericht als hinreichend wahrscheinlich an, dass der Kläger als ältester Sohn des aufständischen Vaters weitere Verfolgungsmaßnahmen befürchten muss. Hierfür genügt bereits die bloße Familienangehörigkeit, um der Gefahr einer individuellen Verfolgung ausgesetzt zu sein. Bereits dieses besondere Näheverhältnis begründe eine potentielle Gefährdungslage für den Sohn. Daran dürfte auch der Tod des Vaters nichts geändert haben.
- 36
Unabhängig davon dürfte ein weiterer beachtlicher Grundallein im Alter des Klägers zu sehen sein. Die Taliban sind sehr daran interessiert, gerade junge Männer im wehrfähigen Alter zwangsweise zu rekrutieren, wobei der Kläger aufgrund des Schicksals seines Vaters nach der Überzeugung der Einzelrichterin zu Recht davon ausgeht, dass er besonders im Focus der Taliban steht. Bei den Taliban handelt es sich um Akteure, von den die Verfolgung ausgehen kann, weil weder der afghanische Staat, noch sonstige Organisationen willens bzw. in der Lage sind, dem Kläger Schutz vor dem drohenden ernsthaften Schaden zu bieten, § 4 Abs. 3 i.V.m. §§ 3c Nr. 3, 3 d AsylG.
- 37
Dem Kläger steht auch keine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung, um bei seiner Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung durch die Taliban auszuweichen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger anderenorts in Afghanistan vor Nachstellungen etwa durch die Taliban sicher ist. Hier ist vielmehr davon auszugehen, dass diese über ein (Informations-)Netzwerk verfügen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 28. Juli 2014 – 9 LB 2/13 -, Juris m. w. N.).
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Aus den vorliegenden Erkenntnismitteln folgt allerdings nicht, dass auch den weiteren Kindern der Klägerin zu 1), den Klägern zu 3) und 4) ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Sie haben keinen Anspruch auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigte infolge einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG). Für eine solche Annahme müssen stichhaltige Gründe vorliegen (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.). Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist der tatsächliche Zielort des Betroffenen bei einer Rückkehr, damit in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 13, 16; Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn.16). Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben, wie etwa einer berufsbedingten Nähe zu einer Gefahrenquelle oder einer bestimmten religiösen Zugehörigkeit (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 18; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris). Wenn solche individuellen gefahrerhöhenden Umstände fehlen, kann eine entsprechende Individualisierung ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 19 m.w.N.; OVG NRW, Beschl. v. 09.03.2017 - 13 A 2575/16.A -, juris Rn. 13; Nds. OVG Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Dies setzt aber ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt voraus (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 19; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Permanente Gefährdungen der Bevölkerung und schwere Menschenrechtsverletzungen im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts reichen für sich allein nicht aus (BVerwG, Urt. v. 13.02.2014 - 10 C 6/13 -, juris Rn. 24; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Dies gilt auch bei heftigen Auseinandersetzungen zwischen der afghanischen Armee und aufständischen Gruppen, die auch die Zivilbevölkerung durch Massenentführungen, Vertreibungen, Kämpfe in bewohnten Gebieten oder Angriffe auf Dörfer im Mitleidenschaft ziehen (Nds. OVG, Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.). Für die Bestimmung der Gefahrendichte hat eine quantitative Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Gewaltniveau) und daneben auch eine wertende Gesamtbetrachtung jedenfalls auch im Hinblick auf die medizinische Versorgungslage zu erfolgen (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; Nds. OVG, Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Das Risiko einer Zivilperson von 1:800 (bezogen auf ein Jahr) verletzt oder getötet zu werden ist dabei weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines ihr drohenden Schadens entfernt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; vgl. auch Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). In diesem Fall vermag sich auch eine wertende Gesamtbetrachtung regelmäßig im Ergebnis nicht auszuwirken (VG Lüneburg, Urteil vom 10. Juli 2017 – 3 A 205/16 –, Juris).
- 39
Die Beklagte ist daher verpflichtet, den Klägern Schutz entsprechend der Tenorierung dieses Urteils zuzuerkennen. Soweit der streitgegenständliche Bescheid dem entgegensteht, ist er aufzuheben. Gleiches gilt für den Abschiebungsschutz. Über die Hilfsanträge zum Vorliegen von Abschiebungsverboten braucht nicht mehr entschieden zu werden. Mit der Aufhebung der Abschiebungsandrohung entfällt auch die Grundlage für die in Ziffer 6 des angegriffenen Bescheides angeordnete Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes, so dass der Bescheid auch insoweit aufzuheben war.
- 40
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO sowie § 83 b AsylG.
- 41
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.
(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tenor
I.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klagepartei zu 1. und der Klagepartei zu 2. die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klagepartei zu 3. die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, jedoch erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Klagepartei zu 1. oder der Klagepartei zu 2. rechts- oder bestandskräftig geworden ist.
III.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Die Kostenentscheidung ist für die Klagepartei vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klagepartei vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind afghanische Staatsangehörige, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und schiitischen Glaubens. Der Kläger zu 1. (geb. fiktiv
Die Kläger reisten ca. Mitte Mai 2013 aus Afghanistan aus. Nach ihrer Einreise am
Die Kläger legten dem BAMF durch ihre Bevollmächtigte am
Unter Hinweis auf § 75 VwGO erbat die Klägerbevollmächtigte die Fortführung des Verfahrens. Das BAMF verwies darauf, dass aufgrund der derzeitigen Arbeitsbelastung kein konkreter Anhörungstermin genannt werden könne. Das BAMF mache von seinem Recht der Priorisierung hinsichtlich anderer Herkunftsländer wie auch älterer Verfahren bezüglich des Herkunftslandes Afghanistan Gebrauch.
Die Kläger ließen durch ihre Bevollmächtigte mit Eingang am 11. Juni 2014 beim Verwaltungsgericht München Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO erheben mit dem Antrag,
die Beklagte zu verpflichten, die Kläger als Flüchtlinge i. S. der Genfer Flüchtlingskonvention, § 3 AsylVfG anzuerkennen,
hilfsweise den Klägern subsidiären Schutzstatus hinsichtlich Afghanistan zu gewähren,
höchsthilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Die Kläger hätten ein schützenswertes Interesse an einer zügigen Entscheidung über ihre Asylgesuche, da ihre Asylanträge in der Sache berechtigt seine. Die bisherigen Ausführungen hierzu wurden wiederholt. Die Priorisierungsentscheidung des BAMF komme Herkunftsländern wie Serbien mit einer Anerkennungsquote in 2013 von 0,6% zugute und führe gleichzeitig zu einer längeren, grundrechtseinschränkenden Asylverfahrensdauer bei aussichtsreichen Asylverfahren, insbesondere bei Herkunftsländern mit hoher Anerkennungsquote.
Nachdem die Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten mit Beschluss vom 17. Juli 2014
Das BAMF übersandt die Behördenakte und auf gesonderte Anforderung das von den Klägern dem BAMF vorgelegte Konvolut an Unterlagen und Dokumenten.
Das Gericht hat die Kläger zu 1. und zu 2. in der mündlichen Verhandlung vom
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
Gründe
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klagepartei zu 1. und zu 2. haben zu dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 3 AsylVfG (in der ab 1. Dezember 2013 geltenden Fassung nach dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (BGBl I 2013, 3474); § 113 Abs. 5 VwGO).
1. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl 2013, 3474; nach Maßgabe dessen Art. 7 am
In § 3 AsylVfG wird der Flüchtlingsbegriff im Wortlaut der in Art. 1 A GFK und der in der QRL enthaltenen Flüchtlingsdefinition angepasst. Die Untergliederung wurde zur besseren Lesbarkeit des Textes eingefügt. § 3a AsylVfG setzt Art. 9 QRL, § 3b AsylVfG setzt Art. 10 QRL, § 3c AsylVfG setzt Art. 6 QRL, § 3d AsylVfG setzt Art. 7 QRL, § 3e AsylVfG setzt Art. 8 QRL, § 4 AsylVfG setzt Art. 15 und 17 Abs. 2 QRL um. Die Richtlinie 2011/95/EU ist zum Inhalt des zu gewährenden Schutzes ergänzend anzuwenden.
2. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des GFK, wenn er sich
1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet,
2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Einem Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG, der nicht den Aberkennungsausnahmen nach § 3 Abs. 2 AsylVfG oder nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG unterfällt oder der den in § 3 Abs. 3 AsylVfG bezeichneten anderweitigen Schutzumfang genießt, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylVfG).
3. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, des Art. 1 A GFK und der Richtlinie 2011/95/EU gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG; Art. 9 Abs. 1 Buchst. a QRL), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG; Art. 9 Abs. 1 Buchst. b QRL).
4. Zwischen den Verfolgungsgründen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG i. V. m. § 3b AsylVfG) und den Verfolgungshandlungen (den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen, § 3a AsylVfG) muss für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylVfG; Art. 9 Abs. 3 QRL).
Unter dem Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Asylantragsteller (§ 13 AsylVfG) in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylVfG (vgl. Art. 6 QRL) genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob der Asylantragsteller aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG; Art. 10 Abs. 1 Buchst. e QRL). Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe reicht es aus, wenn diese Merkmale dem Asylantragsteller von seinem Verfolger lediglich zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylVfG; Art. 10 Abs. 2 QRL). Die Qualifikationsrichtlinie hat sich insofern an dem aus dem angloamerikanischen Rechtsraum bekannten Auslegungsprinzip der ‚imputed political opinion‘ orientiert, wonach es ausreicht, dass ein Verfolger seine Maßnahmen deshalb gegen den Antragsteller richtet, weil er davon ausgeht, dass dieser eine abweichende politische Überzeugung vertritt (VG Saarland
5. Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG ist, gilt einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr. Dies gilt wegen der Symmetrie der Maßstäbe für Anerkennung und Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gleichermaßen. Dieser Maßstab wird vom BVerwG mit demjenigen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit gleichgesetzt (BVerwG U. v. 1.6.2011 - 10 C 25/10 - juris Rn. 20,23). Die Tatsache, dass ein Asylantragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Asylantragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Asylantragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 QRL; vgl. § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG a. F., der auf die unveränderte Vorgängernorm in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG verweist). Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei, was etwa bei einem Widerruf der zuerkannten Flüchtlingseigenschaft Relevanz hat. Bei der Beurteilung, ob eine Flüchtlingsanerkennung aufgrund anderer Tatbestände (auch Nachfluchttatbestände nach § 28 AsylVfG) als der vom Asylantragsteller vorgetragenen bzw. früher vorliegenden Tatbeständen auszusprechen ist, ist Art. 4 Abs. 4 QRL nicht anzuwenden. Im Stadium der Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling ist das Anforderungsniveau unterschiedslos gleich (EuGH, U. v. 2.3.2010 - Salahadin Abdulla - C-175/08
Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist (§ 28 Abs. 1a AsylVfG). Für subjektive Nachfluchttatbestände, die bereits während eines Erstverfahrens verwirklicht worden sind, greift damit keine Einschränkung. Für die Flüchtlingsanerkennung müssen diese - anders als bei der Asylanerkennung gem. § 28 Abs. 1 AsylVfG - nicht einmal auf einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung beruhen (BVerwG U.v. 18.12.2008 - 10 C 27/07 - juris Rn. 14; OVG SA
Hat keine Vorverfolgung entsprechend Art. 4 Abs. 4 QRL stattgefunden, so kann Schutz nach § 3 AsylVfG weiterhin nur derjenige beanspruchen, der politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat. Dabei gilt unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum inhaltsgleichen bisherigen § 60 Abs. 1 AufenthG a. F., dass eine Verfolgungsgefahr für einen nicht verfolgt Ausgereisten und damit dessen begründete Furcht vor Verfolgung nur dann vorliegt, wenn ihm bei verständiger, nämlich objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falls mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren.
Entscheidend ist, ob bei „qualifizierender“ Betrachtungsweise aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann und deshalb eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Die Betrachtung ist weder auf einen quantitativ zu ermittelnden überwiegenden Wahrscheinlichkeitseintritt reduziert, noch ist der quantitative Aspekt ausgeschlossen. Bei der vorzunehmenden „zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts“ müssen die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeit bildet das vorrangige qualitative Kriterium bei der Beurteilung, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Bei quantitativ nicht überwiegender Wahrscheinlichkeit (mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50%) einer Gefahr kann eine politische Verfolgung gegeben sein, wenngleich die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht ausreicht, da ein vernünftig denkender Mensch sie außer Betracht lässt. Wenn sich aus den Gesamtumständen des Falles die reale Möglichkeit einer Verfolgung ergibt, riskiert kein verständiger Mensch die Rückkehr in das Herkunftsland. Bei der Abwägung aller Umstände bezieht der verständige, besonnen und vernünftig denkende Betrachter neben dem Alter des potentiellen Rückkehrers auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in gewissem Umfang ein. Es besteht ein erheblicher Unterschied, ob die Gefahr z. B. eines Verhörs ohne Folter, einer Inhaftierung über Stunden, Tage, Monate, Jahre, der Folter oder aber des „Verschwindenlassens“ oder der Todesstrafe droht (BVerwG, U. v. 1.6.2011 - 10 C 25/10 - juris;
6. Zur Überzeugung des erkennenden Gerichts ist sowohl die Klagepartei zu 1. als auch die Klagepartei zu 2. aufgrund der aktuellen Situation im Fall einer Rückkehr in ihr Heimatland jeweils aus eigenständigen Gründen der Gefahr einer wie oben dargestellten Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt. Staatlicher Schutz ist nicht erreichbar. Ihre Furcht vor Verfolgung i. S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG ist begründet.
Der Kläger zu 1. ist als sog. Ortskraft für die International Military Forces (IMF), vornehmlich für die US-amerikanischen Truppen und NGOs in Zusammenarbeit mit dem afghanischen Innenministerium, der APPF (Afghan Public Protection Forces) im Sicherheits-, Dolmetscher- und Projekt-Evaluierungsbereich - zuletzt sogar in herausgehobener Position - langjährig tätig gewesen. Wenngleich der Kläger zu 1. vor seiner Ausreise unmittelbar selbst keinen Angriffen oder Übergriffen seitens AGEs (Anti Government Elements) ausgesetzt war, berichtet der Kläger zu 1. glaubhaft, dass die Taliban über den Kläger zu 1. und dessen Familie Bescheid wussten und Informationen über ihn gesammelt hatten.
Die Klägerin zu 2. ist als Juristin und Abgeordnete des ... Regionalparlaments, wie auch während ihrer (abgebrochenen) Wiederkandidatur in der Öffentlichkeit im Öffentlichen Raum wahrnehmbar tätig gewesen. Daneben war sie über ihren Wahlkampf mittels Auftritten, Wahl-Plakatierung mit ihrem Konterfei wie auch über Interviews mit Fotos von ihrer Person, die im Internet Verbreitung fanden, in der breiteren Öffentlichkeit bekannt. Daneben war sie auch bei einem Fernsehsender für eine Produktionsfirma als Synchronsprecherin tätig. Die Klägerin zu 2. berichtet glaubhaft, dass sie bereits Bedrohungen, Anfeindungen und Tätlichkeiten verschiedenster Gruppen und aus verschiedensten Richtungen ausgesetzt war, die auch mit einem Brandanschlag auf die Werkstatt ihres Vaters untermauert worden waren, die sie letztlich aus Sicherheitsgründen für sich und ihre Familie dazu bewogen, ihre Wahlkampfkandidatur und ihr öffentliches Auftreten einzustellen und zu beenden.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist deshalb beim Kläger zu 1. und bei der Klägerin zu 2. zu bejahen. Das erkennende Gericht stützt seine Bewertung auf die nachfolgend dargestellten Erkenntnisse.
Nach der sich aus der Auswertung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel ist davon auszugehen, dass beide Kläger besonders gefährdeten Personengruppen der Zivilgesellschaft Afghanistans angehören, die verstärkt, systematisch und gezielt Opfer von Anschlägen der AGE, vornehmlich der Taliban, wurden. In dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Updaten- Die aktuelle Sicherheitslage- vom 30. September 2013, wird unter 5. Menschenrechtslage: Gefährdungsprofile als besonders gefährdete Zielgruppe regierungsfeindlicher Gruppierungen oder konservativer Kreise u. a. Beschäftigte von nationalen und internationalen Organisationen und solchen der ausländischen Sicherheitskräfte angeführt, auf die Anschläge verübt werden. Vermehrt sind auch deren Familienangehörige Bedrohungen ausgesetzt (S. 17). Die Gewalt gegenüber Frauen ist in Afghanistan 2012 stark angestiegen. Insbesondere Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, wie etwa Parlamentarierinnen, Beamtinnen, Journalistinnen, Anwältinnen, Frauen- und Menschenrechtsaktivistinnen oder Lehrerinnen werden eingeschüchtert und gezielt getötet. Zu den Tätern gehören neben Angehörigen regierungsfeindlicher Gruppierungen mächtige Kommandierende, traditionelle und religiöse Machthaber, Mitglieder krimineller Banden sowie staatliche Instanzen und Autoritäten (S. 15f.) Nichts anderes geht aus dem UNHCR Bericht vom 6. August 2013 „UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan“ hervor, dort A. 1. c), e) und g), S. 31ff. Gerade in 2012 wie auch in 2013 bis zu den jeweiligen Berichtszeitpunkten ist ein sehr starker Anstieg der Anschläge zu verzeichnen, was insbesondere auch auf die am 2. Mai 2012 von den Taliban verkündete „Al-Farooq“ Frühlingsoffensive, die im Frühjahr 2013 wiederholt wurde, zurückzuführen ist, und zum Ziel hat, gerade auch Personen in Tätigkeitsbereichen wie die Kläger zu 1. und zu 2. zu töten, um insgesamt auch andere in diesem Tätigkeitsbereich abzuschrecken und einzuschüchtern und andererseits dadurch den Einfluss und den Kontrollbereich der AGEs wieder zu erhöhen.
Der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stehen auch nicht die Aberkennungsausnahmen nach § 3 Abs. 2 AslyVfG und § 3 Abs. 4 AslyVfG i. V. m. § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG entgegen. Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich und wurden von der Beklagten auch nicht vorgetragen.
7. Der Klagepartei zu 3. ist als minderjährigem Kind der Klagepartei zu 1. und zu 2. die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 26 Abs. 2 i. V. m. Abs. 5 AsylVfG zu dem Zeitpunkt zuzuerkennen, in dem die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Klagepartei zu 1. oder zu 2. rechts- oder bestandskräftig geworden ist. Damit wird der in § 26 Abs. 2 AsylVfG i. V. m. Abs. 5 genannten Rechtsvoraussetzung, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für einen Elternteil unanfechtbar, d. h. im vorliegenden Fall rechtskräftig geworden sein muss, Rechnung getragen (vgl. VG Freiburg, U.v. 19.4.2006 - A 1 K 11298/05 - juris; VG Karlsruhe, U.v.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tatbestand
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Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, erstrebt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.
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Der 1976 in der Türkei geborene Kläger reiste im Dezember 1990 nach Deutschland ein und beantragte Asyl, weil ihm wegen Unterstützung der PKK in der Türkei politische Verfolgung drohe. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts Köln erkannte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - den Kläger im Juli 1995 als Asylberechtigten an und stellte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 bezüglich der Türkei fest (Flüchtlingsschutz). In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es, der Kläger habe die Türkei wegen drohender politischer Verfolgung verlassen (Vorfluchtgrund). Er habe glaubhaft dargelegt, dass er in den Verdacht geraten sei, Sympathisant der PKK zu sein. Als solchem habe ihm jedenfalls ein polizeiliches Ermittlungsverfahren und asylrechtlich erhebliche Haft und Folter gedroht. In der Türkei werde insbesondere im Polizeigewahrsam systematisch gefoltert.
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Nachdem der Kläger im Dezember 2000 wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und zugleich die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden war, widerrief das Bundesamt mit Bescheid vom 11. Oktober 2005 die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung des Klägers, weil er den Ausschlusstatbestand des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erfüllt habe, und stellte ferner fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen. Eine konkrete Gefahr für den Kläger, bei einer Rückkehr in die Türkei der Folter oder anderen menschenrechtswidrigen Maßnahmen unterzogen zu werden, sei nicht ersichtlich. Gegen die Strafverfolgung in der Türkei bestünden inzwischen - nach der Strafrechtsreform - keine durchgreifenden rechtsstaatlichen Bedenken. Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln seien keine Fälle mehr bekannt geworden, in denen abgelehnte Asylbewerber in Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt worden seien.
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Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen den Widerrufsbescheid stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat dagegen den Widerrufsbescheid als rechtmäßig bestätigt und die Klage insgesamt, also auch hinsichtlich des Hilfsbegehrens auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, abgewiesen. Zur Begründung hat es insoweit ausgeführt, die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG sei zwar - anders als die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - nicht durch den Ausschlussgrund nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG ausgeschlossen. Die Voraussetzungen dieser Abschiebungsverbote lägen aber nicht vor. Insoweit komme es nicht darauf an, ob der Kläger vor seiner Ausreise bereits von Vorverfolgung betroffen gewesen sei, da allein der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit maßgeblich sei. Das Verwaltungsgericht habe seinerzeit bei der Zuerkennung des Asyls und der Flüchtlingsanerkennung angenommen, dem Kläger drohe im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens wegen Unterstützung der PKK asylrechtlich erhebliche Haft und Folter. Hinsichtlich der asylrechtlich erheblichen Haft bestehe jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt keine Gefährdung mehr, die auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG führe. Für die Annahme, dass dem Kläger die Gefahr der Folter auch heute noch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe, bestünden keine Anhaltspunkte. Der Kläger sei bei seiner Ausreise erst 14 Jahre alt gewesen, seine Tätigkeit habe sich damals darauf beschränkt, als Freiheitskämpfer verkleidete türkische Soldaten mit Lebensmitteln zu versorgen in der Annahme, es handele sich tatsächlich um Freiheitskämpfer. Mittlerweile lägen diese Geschehnisse fast 18 Jahre zurück. Zwar würden abgeschobene Personen von der türkischen Grenzpolizei einer Routinekontrolle unterzogen, die eine Abgleichung des Fahndungsregisters nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalte. Nur dann, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergäben, dass der Einreisende als Mitglied oder Unterstützer der PKK bzw. einer Nachfolgeorganisation nahestehe oder schon vor der Ausreise ein Separatismusverdacht gegen ihn bestanden habe, müsse er mit einer intensiveren Befragung durch die Sicherheitsbehörden, unter Umständen auch mit menschenrechtswidriger Behandlung rechnen. Nach Lage der Dinge bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Kläger in der Türkei gefahndet werde. Ebenso wenig sei es beachtlich wahrscheinlich, dass er in der Türkei heute noch wegen Unterstützung der PKK individuell registriert sei, so dass erst recht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für Folter oder eine menschenrechtswidrige Behandlung zu verneinen sei.
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Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Senat die Revision hinsichtlich des Hilfsbegehrens auf Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG, die dem subsidiären Schutz nach der Richtlinie 2004/83/EG zuzuordnen sind, zugelassen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Widerrufs der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung sowie hinsichtlich des Nichtvorliegens von sonstigen nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, hat der Senat die Beschwerde zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt zur Begründung seiner Revision im Wesentlichen vor, das Berufungsgericht habe bei der Prüfung der unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote - hier: des Verbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG wegen konkreter Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung - zu Unrecht den Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit angewandt. Da er vorverfolgt ausgereist sei, komme ihm gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG auch im Rahmen dieser Abschiebungsverbote die Regelung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG - sog. Qualifikationsrichtlinie - zugute. Danach indiziere ein einmal erlittener Eingriff, der die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG erfülle, eine weiterhin bestehende Gefährdung des Betroffenen. Diese Indizwirkung entfalle erst, wenn sich zwischenzeitlich die Bedingungen im Heimatland grundsätzlich geändert hätten. Eine solche Veränderung sei aber nach überwiegender Rechtsprechung in der Türkei bislang nicht erkennbar. In seinem, des Klägers, Fall sei daher ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG festzustellen.
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Die Beklagte ist - ähnlich wie der Kläger - der Auffassung, dass auch bei den unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverboten, von denen hier allein das nach § 60 Abs. 2 AufenthG in Betracht komme, die Wiederholungsvermutung nach Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu gelten habe, wenn der Ausländer vor seiner Ausreise bereits in gleicher Weise verfolgt oder von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht gewesen sei. Gleichwohl könne die Revision keinen Erfolg haben, weil eine Vorverfolgung des Klägers, zumal in Gestalt der Folter, nicht festgestellt worden sei und nach den Ausführungen des Berufungsgerichts auch mehr als fernliege. Abgesehen davon sprächen angesichts der Tatsache, dass seit der allenfalls untergeordneten Unterstützung der PKK durch den damals 14-jährigen Kläger inzwischen 18 Jahre vergangen seien, auch stichhaltige Gründe dagegen, dass er heute noch einer ähnlichen Gefahr wie zur Zeit seiner Ausreise ausgesetzt wäre.
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Der Vertreter des Bundesinteresses meint, das Berufungsgericht habe bei der Gefahrenprognose im Rahmen von § 60 Abs. 2 AufenthG zwar zutreffend den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde gelegt, es habe aber rechtsfehlerhaft die Nachweiserleichterung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie unberücksichtigt gelassen. Seine nur unter dem Blickwinkel der beachtlichen Wahrscheinlichkeit getroffenen Feststellungen reichten nicht aus, um das Eingreifen der Nachweiserleichterung abschließend zu beurteilen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint hat, ohne zu prüfen, ob dem Kläger gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU vom 30. September 2004 Nr. L 304 S. 12, ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) - sog. Qualifikationsrichtlinie - zugutekommt (1.). Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil selbst nicht abschließend entscheiden kann, ob bei dem Kläger ein solches Abschiebungsverbot hinsichtlich der Türkei vorliegt (2.), ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines der unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. a bis c der Richtlinie 2004/83/EG). Hinsichtlich des Widerrufs der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung und hinsichtlich der ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote nach nationalem Recht (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) ist das Berufungsurteil nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig geworden. Von den unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverboten kommt vorliegend nur das Abschiebungsverbot wegen drohender Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung nach § 60 Abs. 2 AufenthG (entsprechend Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG) in Betracht.
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Für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens des Klägers, das auf Feststellung eines solchen Abschiebungsverbots zielt, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz am 29. Juli 2008 abzustellen. Deshalb sind die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) anzuwenden, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten und die Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - berücksichtigen.
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Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden (zur Entstehungsgeschichte und Auslegung dieses durch das Richtlinienumsetzungsgesetz in Umsetzung von Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG neu formulierten Abschiebungsverbots vgl. Urteil des Senats vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, Rn. 15 ff.).
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a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG nicht deshalb ausscheidet, weil der Kläger den Ausschlussgrund des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erfüllt hat. Denn dieser Ausschlussgrund gilt nach dem eindeutigen Wortlaut nur für das flüchtlingsrechtliche Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG, nicht hingegen für die sonstigen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Auch die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/83/EG für den subsidiären Schutz in Art. 17 Abs. 1 Buchst. d einen vergleichbaren Ausschlussgrund vorsieht, führt nicht dazu, dass die den Voraussetzungen des Art. 15 der Richtlinie entsprechenden Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG dem Kläger nicht zuerkannt werden könnten. Denn der deutsche Gesetzgeber hat die unionsrechtlichen Vorschriften zum subsidiären Schutz im Aufenthaltsgesetz insoweit "überschießend" umgesetzt, als er die in Art. 15 der Richtlinie enthaltenen Varianten des ernsthaften Schadens in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und die Ausschlussgründe nach Art. 17 der Richtlinie erst auf nachgelagerter Ebene als Versagungsgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG normiert hat (vgl. das bereits zitierte Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - a.a.O. Rn. 16). Die Verwirklichung von Ausschlussgründen nach Art. 17 der Richtlinie steht deshalb der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG nicht entgegen.
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b) Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG hat das Berufungsgericht bei der Prognose, ob für den Kläger in der Türkei die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, zu Recht den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde gelegt. Der für den Ausländer günstigere sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit, der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht für Fälle der Vorverfolgung entwickelt und auf den Flüchtlingsschutz übertragen worden ist, war und ist im Rahmen des subsidiären Abschiebungsschutzes nicht anzuwenden. Dieser herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab hat auch in die Richtlinie 2004/83/EG keinen Eingang gefunden, sondern ist durch die Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ersetzt worden, die sowohl für den Flüchtlingsschutz als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie gilt. Diese Nachweiserleichterung ist nach der vom deutschen Gesetzgeber getroffenen Regelung in § 60 Abs. 11 AufenthG auch im Rahmen der unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG anzuwenden. Als Prognosemaßstab gilt daher für diese Abschiebungsverbote - ebenso wie für die sonstigen rein nationalen Abschiebungsverbote - allein der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (zum Vorstehenden insgesamt wiederum Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - a.a.O. Rn. 18 bis 23 m.w.N.). Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe im Rahmen von § 60 Abs. 2 AufenthG den falschen Wahrscheinlichkeitsmaßstab angewandt, ist daher unbegründet.
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c) Zu Recht bemängelt die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG die Regelung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG nicht berücksichtigt hat. Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind. Geht es um die Anwendung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie bei der Feststellung eines unionsrechtlich vorgezeichneten subsidiären Abschiebungsverbots, greift die Vermutung nach dieser Vorschrift ein, wenn der Antragsteller vor seiner Ausreise aus dem Heimatland einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie erlitten hat oder unmittelbar von einem solchen Schaden bedroht war (Vorschädigung; vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, Rn. 27). Eine Vorverfolgung im flüchtlingsrechtlichen Sinne reicht für das Eingreifen der Vermutung im Rahmen des subsidiären Schutzes daher nur dann aus, wenn in ihr zugleich ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie liegt, etwa wenn die Verfolgungsmaßnahme in Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht. Außerdem setzt die Vermutung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie, dass der Antragsteller "erneut von einem solchen Schaden bedroht wird", einen inneren Zusammenhang zwischen der Vorschädigung und dem befürchteten künftigen Schaden voraus (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - a.a.O. Rn. 31).
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Ob die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugunsten des Klägers eingreift, hat das Berufungsgericht, das weder diese Vorschrift noch § 60 Abs. 11 AufenthG in den Urteilsgründen erwähnt hat, ersichtlich nicht geprüft. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, da das Berufungsgericht selbst ausführt (UA S. 21), dass das Verwaltungsgericht Köln bei der Zuerkennung von Asyl und Flüchtlingsschutz an den Kläger im Urteil vom 19. März 1995 einen Vorfluchtgrund angenommen habe, weil der Kläger vor seiner Ausreise mit der Einleitung eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens zu rechnen gehabt habe und ihm in diesem Rahmen nicht nur asylerhebliche Haft, sondern auch Folter gedroht habe. Dies wird vom Berufungsgericht bei seinen weiteren Ausführungen, weil aus seiner Sicht rechtlich unerheblich, auch nicht in Frage gestellt. Da in einer drohenden Folter zugleich auch ein ernsthafter Schaden im Sinne von Art. 15 Buchst. b der Richtlinie läge, könnte die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugunsten des Klägers eingreifen, es sei denn, dass stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er erneut von einem solchen Schaden bedroht ist. Dies hat das Berufungsgericht nicht geprüft und festgestellt. Indem es gleichwohl das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint hat, hat es deshalb Bundesrecht verletzt.
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2. Die Berufungsentscheidung erweist sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Den Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht entnommen werden, dass es - ungeachtet der fehlerhaften Rechtsgrundlage - jedenfalls der Sache nach Umstände festgestellt hat, die ein Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugunsten des Klägers ausschließen. Dass es, wie die Beklagte meint, schon an einer Vorverfolgung und damit auch an einer Vorschädigung im Sinne dieser Vorschrift fehlen würde, lasst sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts, das eine dem Kläger im Zeitpunkt der Ausreise drohende Folter zumindest unterstellt, keinesfalls herleiten. Auch für die Annahme, dass stichhaltige Gründe vorliegen, die die Vermutung der Wiederholung des Schadenseintritts widerlegen könnten, fehlt es an ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen. Das Berufungsgericht hat seine gesamten Ausführungen zur Gefahrenprognose hierzu ersichtlich im Rahmen der Prüfung einer auch heute noch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Folter oder menschenrechtswidrigen Behandlung gemacht und diese unter Würdigung der Auskunftslage über die Behandlung abgeschobener türkischer Staatsangehöriger und im Hinblick darauf verneint, dass der Kläger bei der Ausreise erst 14 Jahre alt gewesen sei, mittlerweile 18 Jahre vergangen seien und die Tätigkeit des Klägers sich darauf beschränkt habe, vermeintliche Freiheitskämpfer der PKK - in Wahrheit verkleidete Soldaten - mit Lebensmitteln zu versorgen. Diese allein unter dem Blickwinkel der beachtlichen Wahrscheinlichkeit getroffenen Feststellungen können vom Revisionsgericht nicht als Feststellung stichhaltiger, gegen eine Schadenswiederholung sprechende Gründe unter dem Blickwinkel von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie uminterpretiert werden. Dies käme allenfalls in Betracht, wenn das Berufungsgericht die Gefahrenprognose nach dem herabgestuften Maßstab der hinreichenden Sicherheit vorgenommen und die Gefahr einer Folter oder sonstigen menschenrechtswidrigen Behandlung oder Bestrafung nach diesem Maßstab verneint hätte, wobei allerdings auch dann zu beachten wäre, dass im Einzelfall eine Beurteilung nach dem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu einem anderen Ergebnis führen kann als die Anwendung von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - a.a.O. Rn. 23 und Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 10 B 20.10 - juris Rn. 5).
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Ebenso wenig reichen die bisherigen Feststellungen im Berufungsurteil aus, um das Vorliegen eines Abschiebungsverbots zugunsten des Klägers zu bejahen. Es bedarf deshalb in jedem Fall einer neuen tatrichterlichen Prüfung und Würdigung im Hinblick auf Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie, so dass das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.
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3. Das Oberverwaltungsgericht wird in dem weiteren Berufungsverfahren unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie erneut prüfen müssen, ob für den Kläger die konkrete Gefahr besteht, dass er in der Türkei der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen wird. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Frage, ob der Kläger vor seiner Ausreise im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie unmittelbar von einem ernsthaften Schaden bedroht war - die Alternative eines bereits erlittenen ernsthaften Schadens dürfte nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht in Betracht kommen -, nicht an die Feststellungen des Verwaltungsgerichts, das seinerzeit den Asyl- und Flüchtlingsschutz zugesprochen hat, gebunden ist, sondern es sich auch insoweit eine eigene tatrichterliche Überzeugung gemäß § 108 Abs. 1 VwGO bilden muss. Dies schließt es allerdings nicht aus, dass das Berufungsgericht sich die dortigen Feststellungen nach entsprechender Prüfung zu eigen macht. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände im Rahmen der tatsächlichen Feststellung, ob die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie widerlegt ist, kann das Berufungsgericht im Übrigen auch der Tatsache Bedeutung beimessen, dass die Türkei als Abschiebezielstaat ein Vertragsstaat der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl II 1952 S. 685) - EMRK - ist, der sich verpflichtet hat, die darin garantierten Rechte und Grundsätze zu achten (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - a.a.O. Leitsatz 2 und Rn. 29).
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Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Wegen des Kostenanteils, der auf den bereits abschließend rechtskräftig entschiedenen Teil des Verfahrens entfällt, wird auf die Kostenentscheidung und deren Begründung im Beschluss des Senats über die Nichtzulassungsbeschwerde vom 29. Juni 2009 - BVerwG 10 B 60.08 - verwiesen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. November 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am 5. November 1980 in der afghanischen Provinz Logar geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, tadschikischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Bis zu seiner - eigenen Angabe zufolge - im Mai 2010 erfolgten Ausreise aus Afghanistan lebte der Kläger ledig in dem Dorf Shah Mazar nahe der Stadt Baraki Rajan im Bezirk Baraki Barak in der Provinz Logar. Dort bewirtschaftete er nach Abschluss seiner Schullaufbahn nach der zehnten Klasse der Mittelschule ein eigenes Landstück, auf dem er Getreide und Gemüse anbaute. Diese Erzeugnisse verkaufte er in einem eigenen Geschäft und bestritt von dem Erlös seinen Lebensunterhalt.
3Der Kläger ist am 8. August 2010 nach dreimonatiger Reise auf dem Landweg nach Deutschland eingereist. Hier beantragte er noch am 8. August 2010 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
4Am 13. August 2010 und am 23. August 2010 wurde der Kläger vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angehört, wo er u.a. folgende Angaben machte: Nach dem Tod seiner Eltern habe er gemeinsam mit seinem Bruder bei einer Schwester seines Vaters gelebt. Vor eineinhalb Jahren seien die Taliban in sein Dorf gekommen. Darunter sei auch sein Onkel gewesen, der eine Art Gruppenführer bei den Taliban sei. Sie hätten ihn und seinen Bruder aufgefordert, sich ihnen anzuschließen und in den Jihad zu ziehen. Dem sei seine Tante erfolgreich entgegengetreten. Nach deren Tod vor ungefähr sechs Monaten habe sein Onkel ihn und seinen Bruder gewaltsam mitgenommen. Beide hätten zwei Monate bei den Taliban verbracht. Von dort aus hätten sowohl er als auch sein Bruder die Polizei verständigt, die ihnen ihre Hilfe versagt hätte. Gleichwohl habe der Anruf seines Bruders dazu geführt, dass eine Gruppe Taliban festgenommen worden sei. In der Folgezeit hätten die Taliban ihn und seinen Bruder als Reaktion auf den mutmaßlichen Verrat geschlagen und in unterschiedliche Räume eingesperrt. Sein Bruder sei hingerichtet worden. Er selber sei - nach drei Tagen im Gefängnis - freigekommen, als es ihm gelungen sei, einen befreundeten Wärter zu bestechen.
5Mit Bescheid vom 24. August 2010 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, weil dieser auf dem Landweg und damit zwangsläufig über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist sei. Gleichzeitig stellte es unter Hinweis auf die fehlende Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen. Ferner enthält der Bescheid die Feststellung, dass Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht gegeben sind (Ziffer 3). Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, die Todesstrafe oder eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines bestehenden internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohe. Ebenso wenig sei erkennbar, dass der Kläger in Afghanistan einer erheblichen individuellen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt sei. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls er nach Afghanistan oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben werde.
6Der Kläger hat am 9. September 2010 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen vor dem Bundesamt wiederholt und vertieft und ergänzend u.a. Folgendes vorgetragen hat: In seiner Heimatprovinz Logar finde ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zwischen der afghanischen Regierung/ISAF/NATO einerseits und den Taliban und anderen aufständischen Kräften andererseits statt. Die hiervon gegen die Zivilbevölkerung ausgehenden Akte willkürlicher Gewalt erreichten ein so hohes Niveau, dass alle Zivilpersonen, die sich in der Provinz aufhielten, ernsthaft und konkret an Leib und Leben bedroht seien. Die Taliban führten in Logar einen Partisanenkrieg. Er befürchte, von ihnen zwangsrekrutiert zu werden. Effektiver Schutz gegen die Taliban sei in Afghanistan landesweit nicht gewährleistet. Da er die Taliban verraten habe, müsse er damit rechnen, an jedem Ort Afghanistans von ihnen ausfindig gemacht zu werden. Zudem habe er dort keine Verwandten und könne deswegen nicht auf die Unterstützung eines funktionsfähigen Familienverbandes zählen. Er verfüge auch über keinerlei Geldmittel, Besitz oder Eigentum, mit deren Hilfe er sich unterhalten könnte. Für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige, die unfreiwillig aus Deutschland nach Afghanistan zurückkehrten, seien - auch in Kabul - kaum legale Erwerbsmöglichkeiten gegeben. Deswegen komme weder Kabul noch ein anderer Ort in Afghanistan für ihn als interne Schutzalternative in Betracht.
7Der Kläger hat - sinngemäß - beantragt,
8den Bescheid des Bundesamts vom 24. August 2010 aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG (a.F.) i.V.m. Art. 13 RL 2004/83/EG zuzuerkennen,
9hilfsweise
10die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 24. August 2010 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 S. 2 AufenthG (a.F.) i.V.m. den Voraussetzungen von Art. 15 lit. a), b) und c) RL 2004/83/EG hinsichtlich Afghanistan vorliegen,
11äußerst hilfsweise
12die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 24. August 2010 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (a.F.) hinsichtlich Afghanistan vorliegen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. November 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter scheide aus, weil dieser über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil er keine Verfolgung in Anknüpfung an ein flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal befürchten müsse. Abschiebungsverbote seien ebenfalls nicht gegeben. Dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2, Abs. 2, 3 und 5 AufenthG nicht erfüllt seien, liege auf der Hand. Eben so wenig liege ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor, denn die Schilderungen des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal seien unglaubhaft.
16Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat mit Beschluss vom 25. März 2013 zugelassenen Berufung, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend weist er darauf hin, dass in seiner Heimatprovinz Logar, die für die Taliban das Einfallstor in die Hauptstadt Kabul sei, weiterhin ein innerstaatlicher Konflikt herrsche, der durch intensivierte Aktivitäten gegen Aufständische, einschließlich Bombenangriffe durch ISAF/NATO aus der Luft, wahllose Anschläge regierungsfeindlicher Elemente und regionaler Kriegsherren sowie illegale Landbesetzungen, Enteignungen, religiöse Konflikte, Konflikte über die Benutzung von Weideland zwischen bewaffneten afghanischen Gruppierungen sowie unzureichende Reaktionen der Zentralregierung gekennzeichnet sei. In den südlichen und östlichen Provinzen gebe es mittlerweise offenen Krieg zwischen ISAF/NATO und den Taliban. Dabei werde die große Zahl ziviler Kollateralschäden billigend in Kauf genommen. Die Gefahrenlage betreffe praktisch die gesamte Bevölkerung von Logar. Die Provinz sei schon seit Jahren in den Händen der Taliban und der Hezb-e-Islami, die in weiten Teilen faktisch die Macht ausübten. Auch das Haqqani-Netzwerk habe großen Einfluss. Dementsprechend handele es sich um eine religiös sehr konservative, von Paschtunen dominierte Provinz. Verstöße gegen die von den Taliban definierten „islamischen Sitten“ würden nach Maßgabe der Scharia hart bestraft. Junge Männer müssten damit rechnen, zwangsrekrutiert zu werden. Jeder, der in Verdacht gerate, mit den staatlichen afghanischen Stellen, den NATO-Truppen oder der CIA zusammenzuarbeiten, werde liquidiert. Die Taliban und die Gruppe Hezb-e-Islami hätten illegale Checkpoints an den Straßen eingerichtet. Dort komme es immer wieder zu Übergriffen wie Sprengstoffanschlägen und Entführungen.
17Die Lebensverhältnisse in Afghanistan seien inzwischen so verheerend, dass ein alleinstehender Rückkehrer, der nicht mit der Aufnahme in eine funktionierende Familien- oder Stammesstruktur rechnen könne, keinerlei Aussicht hätte, sich aus eigener Kraft eine Existenz zu schaffen. Amnesty International habe in einem Gutachten vom 20. Dezember 2010 festgestellt, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan erneut dramatisch verschlechtert habe.
18Zudem lägen in seiner Person gefahrerhöhende Umstände vor, die sich aus seiner tadschikischen Volkszugehörigkeit, der stattgefundenen Verfolgung durch seinen Onkel und der Hinrichtung seines Bruders ergäben.
19Der Kläger beantragt, die Frage, ob die Definition des Grades willkürlicher Gewalt bzw. der notwendigen Gefährdungsdichte seitens des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - mit Art. 15 lit. c) RL 2004/83/EG bzw. Art. 15 lit. c) RL 2011/95/EU vereinbar ist, dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) zur Entscheidung vorzulegen. Weiterhin beantragt er, den Rechtsstreit dem EuGH zur Klärung der Rechtsfrage vorzulegen, ob bei der Feststellung des Niveaus der willkürlichen Gewalt ohne gefahrerhöhende persönliche Umstände nur die Zahl der Todesfälle und Verletzungen bei der Zivilbevölkerung zugrunde gelegt werden dürfe bzw. müsse oder darüber hinaus auch die Zahl seelisch verletzter Personen mit ernsthaften seelischen Traumata, die Zahl der Vergewaltigungen oder sexuellen Gewaltakte gegen Frauen und Männer bzw. Kinder, die Zahl willkürlicher Festnahmen und Inhaftierungen, die Zahl der (auch drohenden) Zwangsrekrutierungen, die Anzahl der Binnenvertriebenen im Land, die erhebliche Dunkelziffer betreffend alle Zahlen und die humanitäre Situation zu berücksichtigen seien. Der Maßstab, den das Bundesverwaltungsgericht für die Gefährdungsdichte anlege, sei zu eng und nicht mit dem großzügigeren Maßstab, den der EuGH für die Annahme einer individuellen Bedrohung zugrunde lege, zu vereinbaren. Das gelte auch deswegen, weil durch dieses Erfordernis keine zusätzliche Hürde errichtet und keine Verschärfung der Beweislast habe eingeführt werden sollen. Es sei umstritten, ob die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte statistische Ermittlung eines Gefährdungsquotienten mit der Qualifikationsrichtlinie vereinbar sei. Ungeachtet dessen, dass die verfügbaren Statistiken nicht aussagekräftig seien, müssten bei der Feststellung des Grades willkürlicher Gewalt neben der Zahl der Getöteten und Verletzten weitere Zahlen in den Blick genommen werden. Ferner beantragt er, den Rechtsstreit dem EuGH zur Klärung der Frage vorzulegen, ob die inländische Schutzalternative des Art. 8 RL 2004/83/EG bzw. nach Art. 8 RL 2011/95/EU voraussetzt, dass am Ort der inländischen Schutzalternative ein normales Leben mit Zugang zu Nahrung, Wasser, Unterkunft und medizinischer Versorgung unter Beachtung der individuellen Bedürfnisse und ein normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum ohne ein Leben in Not und mit Entbehrungen auf Dauer gewährleistet, also sichergestellt ist, und die Garantie der Achtung der grundlegenden Menschenrechte des Betroffenen ein ausreichendes Maß an Stabilität und effektiven staatlichen und zivilen Schutzstrukturen, die auf Dauer effektiven Schutz vermitteln, gewährleistet.
20Die Kläger beantragt,
21das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. November 2011 teilweise zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts vom 24. August 2010 zu verpflichten, ihn gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG als subsidiär Schutzberechtigten anzuerkennen,
22hilfsweise,
23festzustellen, dass hinsichtlich seiner Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Die Beteiligten sind mit der Ladung auf die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel hingewiesen worden. Der Senat hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung zu den Gründen seiner Ausreise angehört und den Beteiligten eine aktualisierte Erkenntnismittelliste ausgehändigt.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamts Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die nur hinsichtlich der Anerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 AsylVfG) und der Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses gemäß
30§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG eingelegte Berufung hat keinen Erfolg.
31Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der ablehnende Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er hat weder einen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nrn. 1, 2, 3 AsylVfG (1) noch auf die Feststellung eines in seiner Person begründeten nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (2).
32Für die Entscheidung über die Berufung ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage maßgebend. Das ist hier die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9; im Folgenden: QRL II) vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) am 1. Dezember 2013 geltende Fassung des Aufenthalts- und des Asylverfahrensgesetzes. Eine Änderung des Streitgegenstandes ist durch diese Neufassung nicht eingetreten.
33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2014 - 9 A 2561/10.A -, juris, Rn. 26 ff.; Sächsisches OVG, Urteil vom 29. April 2014 A - 4 A 104/14 -, juris, Rn. 16.
34Die erstinstanzlich geltend gemachten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) entsprechen dem nunmehrigen Antrag auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nrn.1, 2, 3 AsylVfG. In § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote, mit denen Art. 15 der Richtline 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304/12; im Folgenden: QRL I) umgesetzt und durch normative Verknüpfung mit § 4 Abs. 1 AsylVfG zusammengefasst worden war (BT-Drucks. 17/13063, S. 25). Die Regelungen sind - von der im Zuge der Neuregelung vorgenommenen terminologischen Umbenennung des Schutzstatus abgesehen - gleichlautend und materiell-rechtlich inhaltsgleich.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2014 - 9 A 2564/10.A -, juris, Rn. 28 ff.
36§ 60 Abs. 7 Satz 1 AsylVfG ist durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 nicht geändert worden (BT-Drucks. 17/13063, S.14).
37(1) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter, weil die Voraussetzungen der §§ 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, 4 Abs. 1 AsylVfG nicht vorliegen. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylVfG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Diese Bestimmung nimmt - wie bisher § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) - die Vorgaben des Art. 15 QRL I bzw. des gleichlautenden Art. 15 QRL II auf. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei nach Satz 2 als solcher gilt 1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder 3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Für die Feststellung der darin enthaltenen Abschiebungsverbote gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG die §§ 3c bis 3e AsylVfG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über Verfolgungs- und Schutzakteure und über internen Schutz auch auf diese Abschiebungsverbote - wie bisher schon - für anwendbar erklärt. Subsidiären Schutz kann nur beanspruchen, wem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG bzw. Art. 15 QRL II droht. Das ergibt sich nun unmittelbar aus dem in Art. 2 lit. f) QRL II - der Definition des Begriffs „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ - enthaltenen Tatbestandsmerkmal „… tatsächlich Gefahr liefe…“. Der darin zum Ausdruck kommende Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) ab.
38Vgl. EGMR (GK), Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06 (Saadi/Italien) -, NVwZ 2008, 1330 (1331), Rn. 125, 128; BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris, Rn. 20.
39(a) Der Kläger begründet sein auf die Gewährung subsidiären Schutzes gerichtetes Begehren - im Ergebnis ohne Erfolg - schwerpunktmäßig damit, dass ihm in Afghanistan ein ernsthafter Schaden in Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohe. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG - auf den dieses Vorbringen abzielt - ist die gleichlautende Umsetzung von Art. 15 lit. c) QRL II.
40(aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Art. 15 lit. c) QRL I, die aufgrund der unveränderten Übernahme der Regelung in Art. 15 lit. c) QRL II übertragbar ist, ist der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ein der Richtlinie eigener, autonomer Begriff, der im humanitären Völkerrecht keine unmittelbare Entsprechung findet. Denn anders als im humanitären Völkerrecht habe der Unionsgesetzgeber den Betroffenen nicht nur bei internationalen bewaffneten Konflikten und bewaffneten Konflikten, die keinen internationalen Charakter aufweisen, subsidiären Schutz gewähren wollen, sondern auch bei innerstaatlichen bewaffneten Konflikten, wenn bei diesen Konflikten willkürliche Gewalt eingesetzt werde. Das humanitäre Völkerrecht und die Regelung des subsidiären Schutzes verfolgten unterschiedliche Ziele und führten klar voneinander getrennte Schutzmechanismen ein. Mangels einer in der Richtlinie enthaltenen Begriffsbestimmung sei der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts entsprechend seinem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen, wobei zu berücksichtigen sei, in welchem Zusammenhang er verwendet werde und welche Ziele mit der Regelung verfolgt würden, zu der er gehöre.
41Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 20 ff. m.w.N.
42Nach diesen Grundsätzen interpretiert der EuGH den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts als eine Situation, in der die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder in der zwei oder mehrere bewaffnete Truppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzung, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist.
43Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 35.
44Abweichend davon legt das Bundesverwaltungsgericht den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im humanitären Völkerrecht aus, die sich insbesondere aus den vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht vom 12. August 1949 (GFK) einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - hier einschlägig: Art. 1 ZP II - zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - ergibt, und zieht ergänzend das Völkerstrafrecht, insbesondere die Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs heran. Jedenfalls dann, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Ziffer 2 ZP II erfüllt seien, also bei inneren Unruhen und Spannungen, zu denen Tumulte, vereinzelt auftretenden Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen zählten, scheide die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c) QRL I aus. Der Konflikt müsse ein bestimmtes Maß an Dauerhaftigkeit und Intensität aufweisen. Damit würde den unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes andererseits hinreichend Rechnung getragen.
45Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, 22 f. und vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, juris, Rn. 22 ff.
46Zur Anwendung dieses Auslegungsmaßstabs hat das Bundesverwaltungsgericht einschränkend angemerkt, dass die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze finde, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht seien, entgegenstehe. Mit Blick auf diesen Zweck setze das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c) der Richtlinie nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssten, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach GFK und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich sei. Vielmehr könne es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage seien, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen werde. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben müsse, was andererseits nicht bedeute, dass das Vorliegen eines dieser Merkmale bei der Gesamtwürdigung nicht als Indiz für die Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts von Bedeutung sein könne. Damit würde den unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes andererseits hinreichend Rechnung getragen.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 23 f.
48Beide Auslegungsmaßstäbe dürften überwiegend zu gleichen Ergebnissen führen. Hier spricht nach der aktuellen Erkenntnislage Vieles dafür, dass in der insoweit maßgebenden Heimatregion des Klägers, der Provinz Logar, nach beiden Interpretationen ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG herrscht.
49Vgl. einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Provinz Logar bejahend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25. August 2011 - 8 A 1657/10.A -, juris, Rn. 70.
50Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben. Sie ist nicht entscheidungserheblich, weil der Kläger im Rahmen dieses Konflikts jedenfalls keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist.
51(bb) Nach der Interpretation des Senats der zu diesem Tatbestandsmerkmal ergangenen Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich die individuelle Bedrohung - ungeachtet des Umstandes, der sie ausgelöst hat - im Ausgangspunkt nach dem in dem betreffenden Gebiet feststellbaren Niveau willkürlicher Gewalt, während die jeweiligen Ursachen der individuellen Bedrohung (nur) im Zusammenhang mit dessen graduellen Abstufungen maßgebend sind.
52Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 33; EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 30 ff.
53Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Im Ausnahmefall kann sie durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat.
54Gefahrerhöhende persönliche Umstände sind solche, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Hierzu zählen auch persönliche Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen und ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
56Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes "allgemein" ausgesetzt ist, stellen demgegenüber normalerweise keine individuelle Bedrohung dar (vgl. insoweit auch Erwägungsgrund 26 QRL I und Erwägungsgrund 35 QRL II). Eine Ausnahme davon gilt nur bei besonderer Verdichtung einer allgemeinen Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.
57Vgl. EuGH, Urteile vom 17. Februar 2009 - Rs. C 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 35 und 39, und vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 30; BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 32 und vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris, Rn. 19.
58Erforderlich ist eine Situation mit Ausnahmecharakter,
59vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C- 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 38; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 32,
60und damit eine individuell besonders exponierte Gefahrenlage.
61Diese unterscheidet sich von einer durch persönliche gefahrerhöhende Umstände begründeten ernsthaften individuellen Bedrohung, die gleichermaßen die Feststellung eines hohen Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung erfordert,
62vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33,
63lediglich in gradueller Hinsicht.
64Dies hat der EuGH dahin präzisiert, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit ein Ausländer Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei.
65Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C- 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 39; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
66Ausgehend hiervon sind, unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, erforderlich.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
68Dabei sind neben völkerrechtswidrigen auch andere nicht zielgerichtete Gewaltakte zu berücksichtigen, weil eine Beschränkung auf gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßende Gewaltakte, zu denen etwa unvorhersehbare Kollateralschäden nicht zählen würden, nicht mit dem Sinn und Zweck des Art. 15 lit. c) der Richtlinie vereinbar wäre.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09 - juris, Rn. 34.
70Neben der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte ist eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Anzahl der Opfer und der Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) vorzunehmen, bei der auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden können.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
72Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann.
73Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 -10 C 13.10 -, juris, Rn. 23.
74Der Senat sieht davon ab, die Fragen,
75ob die Definition des Grades willkürlicher Gewalt bzw. der notwendigen Gefährdungsdichte seitens des BVerwG in seinem Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - mit Art. 15 lit. c) QRL I und QRL II vereinbar ist
76und
77ob bei der Feststellung des Niveaus der willkürlichen Gewalt ohne gefahrerhöhende persönliche Umstände nur die Zahl der Todesfälle und Verletzten bei der Zivilbevölkerung zugrunde gelegt werden darf bzw.muss oder darüber hinaus auch die Zahl seelisch verletzter Personen mit ernsthaften Traumata, die Zahl der Vergewaltigungen oder sexuellen Gewalt gegen Frauen und Männer bzw. Kinder, die Zahl der willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, die Zahl der (auch drohenden) Zwangsrekrutierungen, die Anzahl der Binnenvertriebenen im Land, die erhebliche Dunkelziffer und die humanitäre Situation zu berücksichtigen sind,
78entsprechend der Anregung des Klägers dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV vorzulegen. Eine Verpflichtung zur Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht, weil die Entscheidung mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die Rechtsmittel im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV ist,
79vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11-, juris, Rn. 32 m.w.N.,
80angefochten werden kann. Der Senat sieht auch keinen weiteren Klärungsbedarf, insbesondere keinen Anhalt dafür, dass das für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach der Entscheidung des BVerwG vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - erforderliche Niveau willkürlicher Gewalt nicht mit Art. 15 lit. c) QRL I vereinbar ist, zumal sich das BVerwG auf die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung des EuGH bezieht. Hinsichtlich der weiteren Frage sieht der Senat bereits deswegen keinen Klärungsbedarf, weil auch nach der Rechtsprechung des BVerwG neben der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist,
81vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33, und vom 17. November 2011 -10 C 13.10 -, juris, Rn. 23,
82mit der die Berücksichtigung qualitativer Gesichtspunkte einhergeht.
83Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 -, juris, Rn. 17, unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 (Elgafaji) -.
85Ein Abweichen von der Regel kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylVfG ihm Schutz gewähren soll. Kommt die Herkunftsregion des Ausländers als Zielort einer Rückführung wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 QRL II bzw. § 3e AsylVfG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden.
86Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2012 -10 B 22.12 -, juris, Rn. 7.
87Gemessen daran fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers. Gefahrerhöhende Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der geltend gemachten Möglichkeit einer Zwangsrekrutierung. Ausgehend von den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen zu Zwangsrekrutierungen in Afghanistan,
88vgl. EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 45 f., Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014 vom 31. März 2014, S. 12; UNHCR, UNHCR-Stellungnahme zu Fragen der potentiellen Rückkehrgefährdung von jungen männlichen afghanischen Staatsangehörigen vom 31. August 2013, S. 3; Dr. Mostafa Danesch, Auskunft an den Hess.VGH vom 3. September 2013, S. 3 f., und an das Nds.OVG vom 30. April 2013; ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Zwangsrekrutierung junger Afghanen durch die Taliban,
89besteht im Falle des Klägers keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass er dort ernsthaft befürchten müsste - insbesondere durch die Taliban -, zwangsrekrutiert zu werden. Den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013 lässt sich insoweit entnehmen, dass regierungsfeindliche Kräfte in Gebieten, die ihrer tatsächlichen Kontrolle unterliegen, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern nutzten, einschließlich Rekrutierungsmaßnahmen auf der Grundlage von Zwang. Traditionell habe in Kriegszeiten die Mobilisierung in Form von „lashkar" stattgefunden, ein Brauch, bei dem jeder Haushalt einen Mann im wehrfähigen Alter beisteuerte. Regierungsfeindliche Kräfte wendeten in Gebieten, die sie tatsächlich kontrollierten, sowie in Siedlungen von Binnenvertriebenen Drohungen und Einschüchterung an, um auf diese Weise Kämpfer für
90ihren Aufstand zu rekrutieren. Personen, die sich einer Rekrutierung widersetzten, seien danach gefährdet, der Spionage für die Regierung angeklagt
91und getötet oder bestraft zu werden.
92vgl. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 45 f.
93Der Bericht enthält weder Informationen zur Häufigkeit solcher Zwangsrekrutierungen noch zu deren regionaler Verteilung und zum Profil bevorzugter Rekruten innerhalb der unüberschaubar großen Gruppe wehrfähiger Männer. Auch in den übrigen Auskünften und Berichten wird hierüber keine Aussage getroffen.
94Der Sachverständige Dr. Mostafa Danesch hat sich in seinen Stellungnahmen vom 30. April 2013 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht und vom 3. September 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof dahin geäußert, dass die Taliban „nicht selten" junge Männer zwangsrekrutiert hätten. In den drei Fällen, in denen ihm bekannte, nach Kabul abgeschobene oder als sog. Binnenflüchtlinge von Taliban „behelligte" Männer hätten zwangsrekrutiert werden sollen, hätten diese aber jeweils Gelegenheit gehabt, sich den befürchteten Zwangsmaßnahmen zu entziehen. Von der Tötung junger Männer durch Taliban im Zusammenhang mit geplanten Zwangsrekrutierungen in Kabul habe er nur gerüchteweise Kenntnis erlangt. Aus diesen Angaben lässt sich kein tragfähiger Erkenntnisgewinn ziehen. Sie sind vage und beruhen erkennbar nicht auf einer gesicherten Tatsachengrundlage.
95Andererseits ist der Umstand, dass weder der Sachverständige noch der UNHCR über weitergehende spezifische Informationen verfügen, als Hinweis darauf zu werten, dass es sich bei der Zwangsrekrutierung erwachsener Männer nicht um ein hervorstechendes Merkmal des in Afghanistan herrschenden Konflikts, sondern eher um ein Randphänomen handelt. Hierfür spricht auch der im Juli 2012 veröffentlichte Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (European Asylum Support Office - EASO -), in dem die Rekrutierungsstrategien der Taliban unter Auswertung unterschiedlicher UN-, NGO-, Regierungs- und Medienquellen sowie Aussagen der Taliban beleuchtet werden. Aus deren Gesamtschau ergibt sich, dass Zwangsrekrutierungen durch die Taliban - entgegen dem Vorbringen des Klägers - in Afghanistan nicht an der Tagesordnung sind, sondern gegenwärtig allenfalls in Einzelfällen vorkommen. Für die Taliban besteht keine Notwendigkeit, auf diese Praxis zurückzugreifen, weil sie über eine ausreichende Zahl von Freiwilligen verfügen. Ursächlich hierfür sind einerseits die demographische Situation in Afghanistan, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung nicht älter als 19 Jahre ist und andererseits die wirtschaftliche und berufliche Perspektivlosigkeit, der junge Menschen dort ausgesetzt sind. Daneben werden die hohe Akzeptanz und der für die Taliban unverzichtbare Rückhalt in der lokalen Bevölkerung als Ursachen dafür genannt, weshalb es nur selten zu Zwangsrekrutierungen kommt. Soweit nach dem Bericht des EASO verschiedene Quellen von Zwangsrekrutierungen berichten, haben sich diese in Flüchtlingscamps bzw. in Regionen, die sich unter vollständiger Kontrolle der Taliban befunden haben, ereignet. Aus dem Bericht ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es dazu häufig gekommen ist bzw. dass davon eine große Zahl von Personen betroffen war. In der Provinz Logar, in der der Kläger beheimatet ist, sind nach den Recherchen des EASO keine Fälle bekannt geworden, in denen bei der Rekrutierung Zwang oder Gewalt ausgeübt worden sind.
96Vgl. EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012, S. 26 ff., 44.
97Überdies dürften Zwangsrekrutierungen mit Blick auf die vorhersehbar eingeschränkte Motivation und Zuverlässigkeit der Rekruten vielfach wenig zielführend sein. Dafür, dass die fehlende Dokumentation der Häufigkeit von Zwangsrekrutierungen Erwachsener gleichzeitig ein Indiz für die Seltenheit solcher Vorfälle ist, spricht außerdem, dass es entsprechende Erhebungen über die Zahl von Zwangsrekrutierungen bei Kindern gibt.
98Vgl. United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA), Annual Report 2013, Protection of civilians in armed conflict, S. 59; AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014 vom 31. März 2014, S. 12; ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Zwangsrekrutierung junger Afghanen durch die Taliban.
99Das verbleibende Restrisiko, als wehrfähiger Mann zwangsweise von einer Konfliktpartei - hier den Taliban - rekrutiert zu werden, ist insbesondere im Falle des Klägers als gering zu bewerten und begründet deswegen keinen seiner Person innewohnenden gefahrerhöhenden Umstand. Denn der Kläger gilt mit fast 34 Jahren - gemessen an afghanischen Verhältnissen - nicht mehr als junger Mann. Deswegen und aufgrund seiner tadschikischen Volkszugehörigkeit gehört er für die Taliban, die ihre Kämpfer in einer von Paschtunen dominierten Provinz wie Logar bevorzugt aus dem paschtunischen Teil der Bevölkerung rekrutieren dürften,
100vgl. zur Rekrutierung unterschiedlicher Ethnien EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012, S. 37 f,
101für die Nachwuchsgewinnung wenig interessanten Personenkreis.
102Der Senat lehnt die in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträge zu Ziffern 6, 7, 9, 10, 11, 12 aus dem Schriftsatz vom 25. August 2014, die auf eine Beweiserhebung zum Umfang und zur Häufigkeit von Zwangsrekrutierungen in Afghanistan bzw. Logar durch Beiziehung weiterer Berichte und Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch abzielen, ab. Die Bestimmung von Art und Zahl einzuholender Gutachten und Auskünfte steht im Ermessen des Gerichts.
103Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 1999 - 9 B 81.99 -, juris, Rn. 13.
104Die Notwendigkeit der beantragten Beweiserhebung drängt sich nicht auf. Die dem Senat vorliegenden und dem Kläger mit der Ladung bekannt gemachten Erkenntnisse und die weiteren zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisse genügen zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage unter den verfahrensrelevanten Gesichtspunkten, insbesondere zu in Afghanistan stattfindenden Zwangsrekrutierungen. Von der u.a. beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Herrn Dr. Mostafa Danesch verspricht sich der Senat im Übrigen angesichts des Inhalts von dessen Stellungnahmen vom 30. April 2013 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht und vom 3. September 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zu diesem Thema keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn.
105Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang gleichzeitig dessen Vernehmung als sachverständiger Zeuge beantragt hat, braucht der Senat diesem Antrag nicht nachgehen, weil er unsubstantiiert ist.
106Vgl. zur Ablehnung von Beweisanträge wegen fehlender Substantiiertheit Lang, in: Sodann/Ziekow, 4. Auflage, § 98, Rn. 32 m.w.N.
107Die Beweiserhebung durch sachverständigen Zeugen richtet sich nach den Vorschriften über den Zeugenbeweis (§ 98 VwGO i. V. m. § 414 ZPO). Der sachverständige Zeuge ist danach (auch) ein Zeuge, der sein Wissen von bestimmten vergangenen Tatsachen oder Zuständen bekundet, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war und die er nur kraft dieser besonderen Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtensauftrag wahrgenommen hat.
108Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 -, juris, Rn.15.
109Ein zulässiger Antrag auf Vernehmung eines sachverständigen Zeugen setzt einerseits die Darlegung von dessen besonderer Sachkunde sowie derjenigen Tatsachen voraus, die er kraft dieser Sachkunde wahrgenommen haben soll.
110Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2000 - 9 B 519.99 -, juris, Rn. 11,18.
111Daran fehlt es hier. Der Kläger hat weder dargelegt, worin die besondere Sachkunde von Dr. Mostafa Danesch in Bezug auf das Beweisthema konkret besteht, noch, welche eigenen Wahrnehmungen dieser zu Zwangsrekrutierungen in Afghanistan bzw. Logar oder im Hinblick die behauptete Rekrutierungspraxis der Taliban gemacht hat. Aus den dem Senat vorliegenden Gutachten von Dr. Mostafa Danesch geht im Übrigen hervor, dass dieser hierzu jedenfalls nicht in der empirischen Ausdehnung, wie sie durch die Beweisanträge vorgegeben ist, über eigene Wahrnehmungen verfügt.
112Eine von der Einschätzung einer allenfalls geringfügigen Zwangsrekrutierungsgefahr abweichende Risikobewertung für den Kläger ergibt sich auch nicht aus den von ihm geschilderten Vorfluchtereignissen. Das Vorbringen zu seinem Verfolgungsschicksal, das in erster Linie darauf abzielt, zu vermitteln, dass er in besonderer Weise ins Visier in Logar ansässiger Taliban geraten ist, ist unglaubhaft. Die Angaben, die er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt dazu gemacht hat, sind in hohem Maße detailarm und unplausibel und können von daher nicht als erlebnisbasiert bewertet werden. Nichts anderes gilt für die Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. In ihrer Zusammenschau ergeben sämtliche seiner Angaben das Bild eines nur fragmentarischen Berichts, der keinen ausreichenden Bezug zu einem realen Geschehen zulässt. Hinzu kommen zahlreiche Widersprüche, Unstimmigkeiten und Auffälligkeiten im Aussageverhalten des Klägers, die dafür sprechen, dass er sein Verfolgungsschicksal frei erfunden hat.
113Das gilt zunächst mit Bezug auf die Hintergründe und Umstände seiner angeblichen Entführung durch seinen Onkel. Hierzu hat der Kläger beim Bundesamt zunächst angegeben, seine Tante, die ihn großgezogen habe, habe zu Lebzeiten Übergriffe des Onkels, der ihr jüngerer Bruder gewesen sei, verhindern können. In diesem Zusammenhang hat der Kläger sinngemäß beantragt, Beweis über die mitunter starke Position afghanischer Frauen innerhalb der Familie zu erheben. Unvereinbar damit hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, sein Onkel habe ihn und seinen Bruder zunächst nicht mitnehmen können, weil beide der altersbedingt kranken Tante hätten helfen müssen. Dass diese sich dem Bemühen des Onkels, den Kläger und seinen Bruder für die Taliban zu gewinnen, aktiv entgegen gesetzt habe, hat er demgegenüber mit keinem Wort erwähnt.
114Im Zusammenhang mit seiner angeblich anschließenden Entführung ist der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt - obgleich es sich dabei um ein besonders einschneidendes und von daher einprägsames Ereignis gehandelt haben dürfte – auf keinerlei situationstypische Details eingegangen. Seine Schilderungen beschränken sich im Wesentlichen darauf, dass sein Onkel ihn und seinen Bruder nach dem Tod der Tante mit Gewalt mitgenommen habe, sie in den folgenden zwei Monaten bei den Taliban geblieben seien und dort Gewalt geherrscht habe. Dabei bleiben sämtliche die Situation prägenden Begleitumstände offen. So ist beispielsweise unklar geblieben, wie sich die Entführungssituation konkret abgespielt hat. Der Kläger hat auch nicht erwähnt, wohin sein Bruder und er von den Taliban verbracht worden sind, wie sie dort gelebt und mit was sie sich während ihres zweimonatigen Aufenthalts bei den Taliban beschäftigt haben.
115In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger aufgefordert worden, seine Erlebnisse im Zusammenhang mit der vermeintlichen Entführung möglichst detailliert zu schildern. Dabei ist es ihm nicht gelungen, das mit seinen bisherigen Schilderungen nur rudimentär skizzierte Handlungsgerüst anzureichern. Er war nicht nur nicht in der Lage, die Entführungssituation anschaulich im Zusammenhang darzustellen, sondern hat auch auf gezielte Nachfrage zu Einzelaspekten nahezu keine Details preisgegeben. Seine Darstellung dieses Handlungsabschnitts beschränkte sich trotz mehrfacher Nachfrage und ausreichender Gelegenheit zur Stellungnahme darauf, dass sein Onkel eine Woche nach dem Tod seiner Tante bewaffnet und mit einer Gruppe Taliban gekommen sei und ihn und seinen Bruder mitgenommen habe.
116Ebenso einsilbig und detailarm waren die Ausführungen des Klägers zu seinem Aufenthalt bei den Taliban. Erst auf Nachfrage, wie er und sein Bruder die Zeit dort verbracht hätten, hat er - erneut ohne dabei auf irgendwelche Einzelheiten dazu einzugehen - erklärt, sie seien an der Waffe ausgebildet worden. Sein Hinweis darauf, dass an diesem Ort Menschen getötet und Kinder zu Selbstmordattentätern gemacht worden seien, fügte sich demgegenüber nicht nahtlos in den Kontext seiner übrigen Schilderungen ein und war angesichts fehlender Begleitinformationen, insbesondere zum Aufenthaltsort, auch nicht zuzuordnen. Der Senat betrachtet es - auch angesichts der gleichbleibenden Stimmungslage des Klägers - als näherliegend, dass er das Geschilderte nicht erlebt, sondern erfunden hat, um die Situation aus asyltaktischen Gründen besonderes dramatisch erscheinen zu lassen. Ein vergleichbares Aussageverhalten hat der Kläger gezeigt, als er nach Abschluss seiner Befragung - ebenfalls außerhalb des Kontextes und ohne erkennbare Veranlassung - auf Narben in seinem Gesicht und an seinem rechten Bein hingewiesen hat, die von Schlägen mit einem Gewehrkolben bzw. nach kurz darauf korrigierter Darstellung von Bajonettstichen während der Zeit seiner Gefangenschaft herrühren sollen. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen gegenüber seiner Aussage vor dem Bundesamt gesteigert und schon deswegen unglaubhaft ist, zielt es ebenfalls darauf ab, durch Hervorhebung besonderer Brutalität Aufmerksamkeit zu erregen, um so von der Detailarmut und Widersprüchlichkeit des restlichen Vorbringens abzulenken.
117Letztere spiegelt sich auch in der Schilderung des Klägers zu seinem angeblichen Verrat an den Taliban wieder. Während er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt noch erklärt hatte, er selbst habe mit seinem Mobiltelefon die Polizei angerufen, hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, sein Bruder habe in seiner Gegenwart die Polizei verständigt. Sofern er diese Angabe an anderer Stelle erneut modifiziert hat, liegt darin ein weiteres Indiz für ihre fehlende Glaubhaftigkeit. Das gilt auch bezogen auf die Angaben des Klägers zur Hinrichtung seines Bruders. Diese hat er beim Bundesamt und bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eher beiläufig erwähnt, während er die Schilderung jeglicher Details zu den Begleitumständen oder seiner eigenen emotionalen Verfassung unter Hinweis darauf, diese nicht schildern zu können, vermieden hat. Im Kontext seines weiteren Aussageverhaltens wertet der Senat dies - zumal es in seinem Fall für den Befund einer Traumatisierung weder substantiierten Vortrag noch greifbaren Anhalt gibt - als Hinweis darauf, dass die Schilderungen des Klägers, der unverständlicherweise die Erinnerung an das Geburtsdatum seines Bruders verloren hat, auch insoweit nicht der Wahrheit entsprechen. Zwar hat sich der Kläger bei Erwähnung der Hinrichtung seines Bruders für einen kurzen Moment die Augen gerieben. Dies konnte aber angesichts seiner darauf innerhalb kürzester Zeit wieder völlig unverändert und gleichmütig wirkenden Stimmungslage nicht als Geste authentischer Ergriffenheit gewertet werden.
118Dem Kläger ist es zudem nicht gelungen, seine emotionale Verfassung während seiner Zeit bei den Taliban nachvollziehbar darzulegen. Bezeichnenderweise hat er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt auf die Frage, wie sich die Zeit im Gewahrsam für ihn angefühlt habe, kein Gefühl, sondern eine Erwartung benannt. Angesichts der Einprägsamkeit der geschilderten Situation gibt es für einen derartigen emotionalen Gedächnisverlust keine plausible Erklärung. Vielmehr dürfte die Situation plötzlichen Eingesperrtseins heftige Angstgefühle oder Fluchtreflexe auslösen, die auch nach längerer Zeit zumindest kognitiv noch reproduzierbar sind. Deren Ausprägung mag zwar je nach Persönlichkeitsstruktur unterschiedlich sein, ihr Fehlen ist aber angesichts der vom Kläger geschilderten besonderen Bedrohungssituation nicht nachzuempfinden und spricht deshalb dafür, dass seine Schilderungen nicht zutreffen. Ein weiteres Indiz dafür ist seine ebenfalls spärliche Erinnerung an die tatsächlichen Umstände des Gewahrsams. Hierzu hat er lediglich erklärt, er habe Hunger gehabt und sei auch geschlagen worden. Ein derartiges Abflachen des Erinnerungsniveaus ist weder mit dem Bildungsstand des Klägers noch anders als damit zu erklären, dass er auch insoweit gelogen hat. Hierzu passt, dass er in der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht mehr auf diesen Gesichtspunkt eingegangen ist.
119Unabhängig davon ist seine Aussage unter zahlreichen weiteren Aspekten nicht stimmig und lebensfremd. Seine angebliche Flucht aus der Gefangenschaft der Taliban und das Gelingen seiner anschließenden Ausreise aus Afghanistan beruhen auf einer höchst unwahrscheinlichen Häufung und Verkettung von Zufällen, die zudem jeweils genau zum passenden Zeitpunkt eingetreten sind. Diese Aneinanderreihung von Zufällen nimmt ihren Lauf mit der angeblichen Freundschaft zu seinem Wächter. Dass dieser Wächter dem Kläger - ungeachtet der damit für ihn selbst verbundenen Gefahren - zur Flucht verholfen haben soll, ist realitätsfern. Weder die angebliche Freundschaft, zu deren Entstehung und Tiefe die Angaben des Klägers noch nicht einmal Rückschlüsse zulassen, noch die erwähnte Gegenleistung sind ein nachvollziehbares Motiv dafür, dass der Wärter sich den mit der Freilassung des Klägers einhergehenden, im Zweifel für ihn selbst lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt haben soll.
120Dass es dem Kläger unmittelbar im Anschluss an seine Flucht - nach seinen Angaben beim Bundesamt praktisch über Nacht und nach denen in der mündlichen Verhandlung innerhalb von zwei Tagen - gelungen ist, unentdeckt von seinem Onkel, verwandte oder befreundete Käufer zu finden, die ihm für die Übertragung eines Bruchteils seines Landstücks ohne zeitliche Verzögerung passend die für die Ausreise erforderliche Summe von 9.000 Dollar zur Verfügung gestellt haben sollen, überschreitet ebenfalls ein Maß an zufälligen Fügungen, das der Senat noch zu glauben bereit ist.
121Da der Vortrag des Klägers danach in wesentlichen Punkten unzutreffend und in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist, lehnt der Senat seine hilfsweise gestellten Beweisanträge zu Ziffern 1 bis 5 aus dem Schriftsatz vom 25. August 2014 ab.
122Vgl. zur Möglichkeit der Ablehnung von Beweisanträgen aus diesem Grund BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1994 - 2 BvR 1183/92 -, juris, Rn. 18; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 1998 - 9 B 10.98 -, juris, Rn. 6.
123Es besteht auch kein durch die Erkenntnislage begründeter Anhalt oder substantiierter Vortrag dafür, dass sich die tadschikische Volkszugehörigkeit des Klägers gefahrerhöhend auswirkt. In der Provinz Logar leben mehrheitlich Paschtunen (60 %) und Tadschiken sowie eine kleine Minderheit schiitischer Hazara.
124vgl. Dr. Mostafa Danesch, Stellungnahme vom 7. Oktober 2010 an den Hess.VGH zur Situation in der Provinz Logar, S. 4.
125Wenngleich die Paschtunen dieses Gebiet traditionell dominiert haben, ist nichts dafür bekannt, dass Tadschiken dort häufiger als andere Volksgruppen Opfer von sicherheitsrelevanten Vorfällen werden, die in Zusammenhang mit konfliktbedingten Kampfhandlungen oder Attentaten stehen. Hierzu passt, dass es nach dem Sturz der Taliban nur noch sehr wenige Fälle ethnisch motivierter Gewalt gab.
126Vgl. Congressional Research Service, Afghanistan: Politics, Elections and Government Performance, vom 28. Juli 2014, S. 2.
127Der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe - Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage - vom 30. September 2013 enthält eine umfangreiche Auflistung der speziell durch staatliche, nicht staatliche und internationale Akteure gefährdeten Personengruppen (S. 15 ff.). Der Kläger gehört keiner dieser Personengruppen an.
128Ebenso wenig besteht in Logar eine exponierte allgemeine Gefahrenlage, die durch ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bzw. des EuGH gekennzeichnet ist. Dies ergibt sich im Einzelnen aus der Auswertung folgender Erkenntnisse:
129Logar ist eine der 34 Provinzen im östlichen Teil Afghanistans, deren Hauptstadt Pul-i-Alam ist. Logar grenzt südlich an die Provinz Kabul, ist zudem den Provinzen Nangarhar, Paktia, Kabul, Wardak und Ghazni benachbart und verfügt im Osten über eine schmale Grenze zu Pakistan. Die Provinz umfasst ein Gebiet von knapp 4.000 Quadratkilometern. Die Einwohnerzahl liegt aktuellen Schätzungen der Zentralen Organisation für Statistik der Islamischen Republik Afghanistan zufolge bei 379.400.
130Vgl. Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2013/2014, S. 3 und 5 f.,
131abrufbar unter http://cso.gov.af/en.
132Logar ist in sieben Bezirke unterteilt. Der Bezirk Baraki Barak, dem der Kläger entstammt, liegt angrenzend an Wardak im Westen der Provinz. Dort leben variierenden Schätzungen zufolge ungefähr 85.200 Menschen.
133Vgl. Ministry of Rural Rehabilitation and Development (MRRD), National Area Based Development, Logar Provincial Profile, abrufbar unter: "Logar Provincial Profile". MRRD. 2013-07-27. Retrieved 2013-08-17.
134Logar gilt als Einfallstor aufständischer Oppositioneller in die Hauptstadt Kabul.
135Vgl. FAZ vom 15. Oktober 2013 „Gouverneur von Logar getötet“; Dr. Mostafa Danesch, Stellungnahme vom 7. Oktober 2010 an den Hess.VGH zur Situation in der Provinz Logar, S. 4.
136Seit etwa 2008 liegt die Provinz im Wesentlichen in den Händen der Taliban und der Hezb-e-Islami, deren Anführer Gulbuddin Hekmatyar ist und die ungeachtet gelegentlicher Konfrontationen mit den Taliban ideologisch und politisch verbunden sind. Auch das von Jalaluddin Haqqani gegründete Haqqani-Netzwerk, von dem davon ausgegangen wird, das es al-Quaida näher steht, hat großen Einfluss in der Provinz. Bedingt durch diese Machtverteilung wurden in der Vergangenheit in Logar weniger Anschläge durch oppositionelle Gruppierungen verübt, als in den südlichen und östlichen Grenzprovinzen.
137Vgl. Auskunft von Amnesty International vom 20. Dezember 2010 an den Hess.VGH, S. 2; mit Hintergrundinformationen zu den einzelnen Gruppierungen, ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation:ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 24. Juli 2014
138http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm.
139Den genannten extremistischen regierungsfeindlichen Gruppierungen dient die Provinz als strategisches Aufmarschgebiet, von dem aus sie ihre Anschläge auf bedeutsame Ziele in Kabul vorbereiten und starten. Den Feststellungen des Gutachters Dr. Mostafa Danesch vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zufolge fanden zu dieser Zeit in Logar täglich Partisanenkämpfe der Taliban gegen die afghanische Armee und die NATO-Truppen statt, die umgekehrt massiv die Stellungen der Taliban angriffen (S. 5). Aktuellere Erkenntnisse sprechen nicht dafür, dass sich diese Situation in der Zwischenzeit grundlegend verbessert bzw. beruhigt hat. Nach den Feststellungen der Organisation Afghanistan NGO Safety Office (ANSO) haben sich die südliche, die südöstliche und die östliche Region zunehmend zu einem zusammenhängenden Kampfgebiet entwickelt.
140Vgl. ANSO, Quaterly Data Report, Q. 2 2012, S. 1.
141In den Fortschrittsberichten der Bundesregierung für Afghanistan ist seit Dezember 2011 fortlaufend eine erhebliche Bedrohungslage für Logar ausgewiesen.
142Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages (im Folgenden: Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht), jeweils Stand: Dezember 2011, Juni 2012, November 2012, Januar 2014 (S. 9) und zuletzt Juni 2014 (S. 17).
143Im aktuellsten Bericht wird dies - wie bereits in dem vorangegangenen Bericht -dahingehend ausgeführt, dass in den ländlichen - vorwiegend paschtunisch geprägten - Gebieten im Osten und Süden eine „überwiegend nicht“ oder in einigen wenigen Distrikten sogar eine „nicht kontrollierbare“ Sicherheitslage herrsche (S. 16). An der in dem Bericht ebenfalls enthaltenen graphischen Darstellung anhand einer Karte des Staatsgebiets von Afghanistan (S. 17), auf der die regionale Bedrohungslage nach den jedenfalls nicht grundlegend davon abweichenden Einstufungen der NATO unterschiedlich farblich markiert ist, wird deutlich, dass letzteres nicht die Provinz Logar, sondern die Provinzen Kunar, Khowat sowie Teile der Provinzen Ghazni, Paktika und Paktia betrifft.
144Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang eingewendet hat, die in den Berichten der Bundesregierung ausgewiesenen Zahlen sicherheitsrelevanter Zwischenfälle seien fehlerhaft und nachträglich um 10 % nach oben korrigiert worden, trifft dieser Einwand zu, greift aber nicht durch. Denn die getroffene Bewertung der Sicherheitslage berücksichtigt diesen Aspekt. Die Bundesregierung hat in ihrem Fortschrittsbericht von Juni 2013 auf das Erfordernis nachträglicher Korrekturen der statistisch erfassten sicherheitsrelevanten Zwischenfälle hingewiesen. Da deren Erfassung mittlerweise durch die ANSF erfolge, könne sie nicht auf Verlässlichkeit überprüft werden. Infolgedessen bestehe eine nur eingeschränkte Verifizierbarkeit und Verlässlichkeit, was dazu führe, dass diesem Zahlenwert bei der Bewertung der Sicherheitslage nur geringe Aussagekraft beigemessen werde.
145Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsberichte Juni 2013, S. 7 f.; Januar 2014, S. 9; Juni 2014, S. 16.
146Das kommt auch in der der vorgenommenen Kategorisierung der Sicherheitslage zugrunde liegende Bewertungsmethodik zum Ausdruck. Diese orientiert sich an einer Reihe von quantitativen und qualitativen Indikatoren. Hierzu wurden für eine variable Bewertungsmatrix drei Kategorien (Bedrohung, Schutz und Perzeption der Sicherheitslage) festgelegt und zusätzlich mehrere nachgeordnete Einflüsse definiert (politische Institutionen, Sozioökonomie oder externe Einflüsse), die je nach Verfügbarkeit der Erkenntnisse und Ausprägung der Wirkung auf die Sicherheitslage berücksichtigt worden sind. Als „überwiegend nicht kontrollierbar“ - wie für Logar festgestellt - gilt die Sicherheitslage eines Raumes nach diesen Bewertungsmaßstäben dann, wenn bestehende Bedrohungen eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und der Vertreter der internationalen Gemeinschaft darstellen, kurzfristig keine Verbesserung der Sicherheitslage zu erwarten ist und die Autorität der afghanischen Verwaltungs- und Regierungsstrukturen in Frage steht.
147Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, Anhang, S. 28.
148Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Organisation ANSO die Sicherheitslage in Logar nicht gleichermaßen prekär einzuschätzen scheint. In ihrem Bericht für das erste Quartal 2013 ordnet sie Logar bezogen auf die dortige Sicherheitslage (nur) der mittleren von insgesamt fünf Kategorien zu, deren Bezeichnung „moderately insecure“ lautet.
149Vgl. ANSO, Quaterly Data Report, Q. 1 2013 vom 30. April 2013, S. 11.
150Diese Bewertung steht unter anderem in Verbindung mit der in diesem Bericht für die einzelnen Provinzen Afghanistans für das jeweils erste Quartal der Jahre 2011 bis 2013 aufgeführten Dichte von Vorfällen, an denen bewaffnete oppositionelle Gruppierungen beteiligt waren. Danach haben sich derartige Vorfälle in Logar in diesem Zeitraum um 25 % reduziert. Logar gehörte damit zu den insgesamt acht Provinzen, in denen Vorfälle dieser Art abgenommen haben, während die Vorfallsdichte in sechs weiteren Provinzen weitgehend gleichbleibend war und in den verbleibenden zwanzig Provinzen - zum Teil erheblich - angestiegen ist. Nach einem Bericht des Institute for the Study of War (ISW) gelten innerhalb Logars der Hauptstadtbezirk Pul-i-Alam als der Unruhigste und die Bezirke Kharwar und Muhammad Agha ebenfalls als problematisch. Der Bezirk Baraki Barak, dem der Kläger entstammt, ist dort nicht aufgeführt.
151Vgl. ISW, Regional Command East, Overview, Province Logar, abrufbar unter: https://www.understandingwar.org/region/regional-command-east.
152Das quantitative Kernkriterium für die zu treffende Gefahrenprognose ist die in der maßgebenden Region - hier Logar - zu verzeichnende Zahl ziviler Opfer. Diese dokumentiert die Politische Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan UNAMA (United Nations Assistence Mission in Afghanistan), die hierzu im Auftrag des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in halbjährlichem Turnus aktualisierte Berichte erstellt. Dabei ist die Methodik, der Ermittlung und Auswertung folgen, zu Beginn der jeweiligen Berichte beschrieben. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
153Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict vom 1. Juli 2014, S. 1.
154Aus einer Zusammenschau des Jahresberichts für das Jahr 2013 und des aktuellen Zwischenberichts von Juli 2014 ergibt sich, dass im Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2014 im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan 42.024 Zivilisten konfliktbedingt zu Schaden gekommen sind, von denen 15.628 getötet und 26.396 verletzt worden sind. Davon entfallen 1.564 getötete und 3.289 verletzte zivile Opfer auf den Zeitraum zwischen Januar 2014 und Juni 2014. Weder die Berichte von UNAMA noch die übrigen dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen enthalten eine weitere (vollständige) Aufschlüsselung nach Provinzen. Deren statistische Aussagekraft wäre auch fragwürdig. Denn Vieles spricht dafür, dass die damit einhergehende Maßstabsverkleinerung nicht auf eine Präzisierung, sondern - jedenfalls im Kontext einer längeren zeitlichen Entwicklung betrachtet - auf eine Verzerrung der abgebildeten Realität hinauslaufen würde. Aus diesem Grund bedarf es auch insoweit keiner weiteren Sachverhaltsermittlung.
155Ungeachtet dessen steht das Fehlen einer derartigen Aufschlüsselung der Bewertung, dass der Kläger bei Rückkehr nach Logar als Zivilperson keiner aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt resultierenden besonders exponierten Gefahrensituation ausgesetzt sein würde, nicht entgegen. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel erlauben eine - wenngleich nicht mathematisch genaue - annähernde Zuordnung der von UNAMA ermittelten Opferzahlen für die Provinz Logar, die jedenfalls die Feststellung trägt, dass das dortige Niveau willkürlicher Gewalt für den Kläger keine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG, Art. 15 lit. c QRL II begründet.
156Hierfür sind folgende Überlegungen maßgebend: Dem aktuellsten Fortschrittsbericht der Bundesregierung zufolge, dessen Ergebnis insoweit im Wesentlichen den vorangehenden Berichten entspricht, ist die Sicherheitslage in weiteren 13 der insgesamt 34 afghanischen Provinzen vergleichbar mit der in der Provinz Logar bzw. brisanter als dort. Dies sind die Provinz Farah mit 490.600 Einwohnern, die Provinz Ghazni mit 1.188.600 Einwohnern, die Provinz Helmand mit 894.200 Einwohnern, die Provinz Kandahar mit 1.175.800 Einwohnern, die Provinz Khost mit 556.000 Einwohnern, die Provinz Kunar mit 436.000 Einwohnern, die Provinz Laghman mit 431.200 Einwohnern, die Provinz Nangarhar mit 1.462.600 Einwohnern, die Provinz Nuristan mit 143.200 Einwohnern, die Provinz Paktia mit 534.000 Einwohnern, die Provinz Paktika mit 420.700 Einwohnern, die Provinz Uruzgan mit 374.100 und die Provinz Zabul mit 294.100 Einwohnern. Diese Zahlen sind dem Jahrbuch 2013/2014 der Zentralen Organisation für Statistik der Islamischen Republik Afghanistan entnommen.
157Vgl. Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2013-2014, S. 3 und 5 f.
158abrufbar unter http://cso.gov.af/en.
159Sie beruhen, da die letzte Volkszählung in Afghanistan im Jahr 1979 stattgefunden hat, auf Schätzungen, denen die Annahme eines jährlichen Bevölkerungswachstums von 2,03 % seit 1979 zugrunde liegt.
160Vgl. National Risk and Vulnerability Assessment 2011-2012, Afghanistan Living Conditions Survey, S. 8.
161Insgesamt leben in den aufgeführten dreizehn Provinzen danach rund 8,4 Millionen Menschen. Ausgehend von der entsprechenden Übersicht in dem letzten Bericht von ANSO ist darüber hinaus für die Provinzen Badghis (479.800 Einwohner), Faryab (964.600 Einwohner), Herat (1.816.100 Einwohner), Kunduz (972.200 Einwohner), Nimroz (159.300 Einwohner) und Wardak (577.100 Einwohner) und von einer Sicherheitslage auszugehen, die der in Logar entspricht. Diese Provinzen hinzugerechnet, ergibt sich eine Einwohnerzahl von rund 13,4 Millionen.
162Vgl. ANSO, Quaterly Data Report, Q. 1 2013, S. 11.
163Selbst dann, wenn man die zuletzt genannten Provinzen vollständig außer Betracht lässt und die Einwohnerzahl von Logar (379.400) nur ins Verhältnis zur Gesamteinwohnerzahl der zuerst genannten 13 Provinzen setzt, die sich zuzüglich der Einwohner von Logar auf 8.780.500 beläuft, macht der auf Logar entfallende Anteil ziviler Opfer rund 4,3 % aus. Angesichts der vergleichbaren, zum Teil sogar problematischeren Sicherheitslage in jenen Provinzen bildet dieser Anteil einen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Anzahl der zivilen Opfer in Logar. Hervorzuheben ist, dass dieser Berechnung, deren Ergebnis die tatsächliche Situation nur annähernd im Sinne einer Eingrenzung wiedergibt, die für den Kläger günstigste Betrachtungsweise zugrunde liegt. Denn dabei wird unterstellt, dass sich die Zahl der zivilen Opfer ausschließlich auf 14 Provinzen Afghanistans verteilt, in denen lediglich gut 1/4 der Gesamtbevölkerung beheimatet ist. Dass der Anteil ziviler Opfer für Logar mit 4,3 % tatsächlich zu hoch liegen dürfte, ergibt sich daneben aus der Verteilung der von bewaffneten oppositionellen Gruppierungen verursachten Vorfälle. Diese ist zwar nicht deckungsgleich mit der Verteilung der zivilen Opfer. Wegen der jedenfalls in Teilbereichen bestehenden Korrelation lässt sie aber zumindest gewisse Rückschlüsse darauf zu. Den Ermittlungen von ANSO zufolge haben sich im jeweils ersten Quartal der Jahre 2011, 2012 und 2013 in ganz Afghanistan 6.886 Vorfälle dieser Art ereignet. Davon entfallen nur 58 Vorfälle und damit ein die angenommene Opferquote von 4,3 % deutlich unterschreitender Bruchteil von 0,84 % auf die Provinz Logar. Andererseits ist dieser Aufstellung zu entnehmen, dass diejenigen Provinzen, die dem aktuellsten Update-Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe für Afghanistan zufolge am meisten umkämpft waren, nämlich Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni durchgehend die höchste Vorfallsdichte aufgewiesen haben.
164Vgl. ANSO, Quaterly Data Report Q. 1 2013, S. 10; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage vom 30. September 2013, S. 10.
165Daran wird deutlich, dass der ermittelte Anteil von 4,3 % den tatsächlichen Gefährdungsquotienten zwar nur annäherungsweise wiederspiegeln mag, jedoch angesichts der zugunsten des Klägers einbezogenen Sicherheitsüberlegungen zumindest nicht darüber hinausgeht.
166Bezogen auf die von UNAMA für den Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2014 ermittelte Gesamtzahl von 42.024 Toten und Verletzten zivilen Opfer ergibt sich für Logar - bei Annahme dieses Anteils - die Zahl von 1.807 getöteten und verwundeten Zivilisten. Selbst wenn man diese Zahl zur angemessenen Berücksichtigung der insoweit hohen Dunkelziffer mit drei multipliziert,
167so Auskunft Dr. Mostafa Danesch an den Hess. VGH vom 3. September 2013, S. 11,
168ergibt sich daraus, in Bezug zur Einwohnerzahl von Logar (379.400) gesetzt, für einen Zeitraum von einem Jahr lediglich eine Opferquote von 0,26 % (1807: 5,5 Jahre x 3 x 100 : 379.400) bzw. von 0,33 % (4853 x 2 = 9706; davon 4,3 % entspricht 417; 417 x 3 x 100 : 379.400), wenn man isoliert die Opferzahlen für Afghanistan aus dem Jahr 2014 hochrechnet.
169Vgl. dazu Hess.VGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - 8 A 119/12.A -, juris, Rn. 40, 43 und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26. Februar 2014 - A 11 S 2519/12 -, juris, wo für die Berechnungen im Ausgangspunkt ebenfalls von einem Jahreszeitraum ausgegangen wird.
170Beides sind bereits für sich genommen zu geringe Werte, um für den Kläger, bei dem keine gefahrerhöhenden persönlichen Merkmale vorliegen, ausnahmsweise die Individualisierung einer allgemeinen konfliktbedingten Gefahr annehmen zu können. Hinzu kommt, dass dieser Prozentsatz - neben den bereits genannten Aspekten - noch aus anderen Gründen nach unten zu korrigieren ist. Die von UNAMA ermittelte Gesamtzahl der zivilen Opfer dürfte zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben. Das liegt für den von UNAMA mit 9 % ermittelten Anteil gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Organisationen nahe. Hinzu kommen dürfte ein nicht näher quantifizierbarer Anteil der durch Selbstmordattentate, komplexe Angriffe und provisorische Sprengsätze hervorgerufenen Opfer, die im Zeitraum von Januar bis Juni 2014 insgesamt einen Anteil von 42 % ausgemacht haben.
171Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict vom 1. Juli 2014, S. 6.
172Dies hängt damit zusammen, dass aller Wahrscheinlichkeit nach - bedingt durch die strategische Auswahl der Anschlagsziele - bestimmte Berufsgruppen, wie z.B. die Mitarbeiter staatlicher Organisationen, in besonderer Weise betroffen waren. Dass die deswegen vorzunehmende Korrektur auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse nicht exakt bezifferbar ist, ist angesichts des Umstandes, dass der ermittelte Gefährdungswert schon als solcher nicht ausreicht, um eine individuelle Bedrohung zu begründen, nicht entscheidend.
173Dieser Bewertung stehen auch nicht bereits gegenwärtig absehbare zukünftige Entwicklungen entgegen. Der Umstand, dass die Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2013 und in der ersten Hälfte des Jahres 2014 im Vergleich zum Jahr 2012 gestiegen ist, ist angesichts der Kürze dieses Zeitraums und vergleichbar hoher Opferzahlen im Jahr 2011 (noch) kein aussagekräftiges Indiz für eine Fortentwicklung des Anstiegs der Opferzahlen. Ebenso wenig kann diese Prognose anhand der diesem Anstieg zugrunde liegenden Ursachen getroffen werden. Diese liegen einerseits in der vermehrten Nutzung provisorischer Brand- und Sprengvorrichtungen (sogenannte IEDs) und ergeben sich andererseits daraus, dass eine größere Zahl von Zivilsten den Folgen von Bodengefechten zum Opfer gefallen ist. Insgesamt sind auf diese beiden Ursachen nach den Feststellungen von UNAMA im Zeitraum von Januar 2014 bis Juni 2014 69 % der zivilen Opfer zurückzuführen.
174Vgl. UNAMA, Afghanistan Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict vom 1. Juli 2014, S. 6.
175In diesem Zusammenhang hat UNAMA darauf hingewiesen, dass der Anstieg
176der zivilen Opfer durch Kreuzfeuer und Bodengefechte einer veränderten Dynamik des Konflikts geschuldet sei, in dem nun Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und den Afghan National Security Forces (ANSF) vermehrt in Wohngebieten stattfänden. Als Ursache hierfür vermutet UNAMA die Schließung von 86 ISAF-Militärstützpunkten in der zweiten Hälfte des Jahres 2013. Für die erste Jahreshälfte 2014 ergebe sich daraus ein direkter Zusammenhang zum Anstieg der zivilen Opfer, insbesondere zu solchen, die bei Bodengefechten zu Schaden gekommen seien. In der Vergangenheit hätte die Präsenz der ISAF-Truppen regierungsfeindliche Gruppierungen häufig davon abgehalten, in dichter besiedelte Gebiete vorzudringen. Dieser Zusammenhang ist zwar plausibel, er erlaubt aber keine auch nur annähernd zuverlässige Prognose dahin, wie sich die Zahl der zivilen Opfer zukünftig nach Beendigung des ISAF-Einsatzes Ende des Jahres 2014 entwickeln wird. Insbesondere besteht gegenwärtig keine tragfähige Tatsachengrundlage für die Prognose, dass die Anzahl der zivilen Opfer in der hier maßgebenden Region in einem Umfang ansteigen könnte, der - unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen - für jede Zivilperson zu einer Individualisierung der allgemeinen konfliktbedingten Gefahrenlage führen würde. Zwar ist mit dem Ende des ISAF-Einsatzes die Gefahr des Erstarkens regierungsfeindlicher extremistischer Gruppierungen und einer damit einhergehenden Ausweitung der Kampfhandlungen verbunden. Es ist aber weder sicher noch überwiegend wahrscheinlich, sondern offen, ob und vor allem in welcher Form und in welchem Umfang sich diese Gefahr realisieren wird. Das gilt insbesondere angesichts der zugesagten Finanzierungshilfen zur Unterstützung der Funktionsfähigkeit der ANSF und der ins Auge gefassten ISAF-Folgemission „Resolute Support Mission“ mit einem personellen Gesamtumfang von 8.000 bis 12.000 Soldaten, deren Aufgabe schwerpunktmäßig in der Ausbildung, Beratung und Unterstützung der ANSF liegen soll.
177Vgl. dazu im Einzelnen: Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 18 f.
178Ein sprunghafter Anstieg der Opferzahlen aufgrund des gesteigerten Einsatzes von improvisierten Spreng- und Brandvorrichtungen ist derzeit ebenfalls nicht absehbar. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang zudem, dass von Anschlägen dieser Art in besonderem Maße die südlichen und südöstlichen Provinzen Afghanistans betroffen waren und weniger die Region, der der Kläger entstammt.
179Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict, vom 1. Juli 2014, S. 14.
180Hinzu kommt, dass der Anstieg der zivilen Opfer zuletzt auch auf eine vermehrte Betroffenheit von Frauen und Kindern - und damit einer Risikogruppe, der der Kläger nicht angehört - zurückgeht.
181Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict, vom 1. Juli 2014, S. 3; ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 24. Juli 2014 http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm.
182Daneben geben weder die medizinische Versorgungslage in Logar noch Binnenflüchtlingsbewegungen Veranlassung zu einer anderen Bewertung. Die medizinische Versorgung in Afghanistan hat sich in den letzten zehn Jahren, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, erheblich verbessert, fällt jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Im vergangenen Jahrzehnt ist die Lebenserwartung in Afghanistan um 18 Jahre angestiegen. Defizite in der medizinischen Versorgung ergeben sich trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin aus der unzureichenden Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber dem Mangel an Ärzten und gut qualifiziertem Personal (insbesondere Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine Person qualifizierten medizinischen Personals gegenüber. Die regionalen Unterschiede sind auch hier erheblich, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen.
183Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2014, S. 20 f.; umfassend zu den Entwicklungen des Gesundheitssystems: National Risk and Vulnerability Assessment 2011-2012, Afghanistan Living Conditions Survey, S. 83 ff.
184Diese Mängel sind - ohne die sich daraus ergebenden Folgeprobleme bagatellisieren zu wollen - schwerwiegend; sie erreichen aber gerade unter Berücksichtigung der im letzten Jahrzehnt kontinuierlich stattgefundenen Verbesserung der Gesundheitsversorgung nicht den Grad an Brisanz, der erforderlich wäre, um die getroffene Gefährdungsprognose in Frage zu stellen.
185Das gilt auch mit Bezug auf die Situation in der Provinz Logar, in der die gesundheitliche Grundversorgung gewährleistet ist. Im Jahr 2011 gab es dort 43 Gesundheitseinrichtungen, darunter sechs mobile Kliniken, 25 Grundversorgungszentren, zwei Bezirkskrankenhäuser und ein Provinzkrankenhaus mit 150 Betten. Die Gesundheitsversorgung wird durch vom afghanischen Gesundheitsministerium angestellte Ärzte und Krankenschwestern sichergestellt. Deren - jeweils erheblich gestiegene - Zahl lag im Jahr 2011 bei 57 Ärzten und 127 Krankenschwestern. Daneben gibt es in Logar 199 Apotheken.
186Vgl. MRRD, National Area Based Development Program, 1.2 Current state of Development in the Province E. Health; einige der mobile Gesundheitsstationen sind von der Bundesregierung finanziert worden, Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 26.
187Angesichts dessen bestehen keine Anzeichen dafür, dass die medizinische Versorgung in Logar hinter dem landesweiten Durchschnitt zurückbleibt.
188Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse bieten desweiteren keinen Ansatz für eine hervorzuhebende Anzahl von Binnenflüchtlingen aus Logar, die erheblich von den die dortige Sicherheitslage prägenden Faktoren abweicht und deswegen Hinweis auf eine besonders exponierte Gefahrenlage sein könnte. Der landesweite Anstieg der konfliktbedingt Binnenvertriebenen im Zeitraum von Ende 2012 bis Ende Juni 2013 von 486.000 auf 574.327 kann zwar allgemein als Ausdruck einer Verschärfung des Konflikts bezogen auf das gesamte Staatsgebiet Afghanistans angesehen werden.
189Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2013, S. 22; UNHCR, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 30 f.
190Daraus lässt sich aber weder etwas über die regionale Verteilung der Flüchtlingsströme herleiten noch über die fluchtauslösenden Ursachen, die bei Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vielfältiger Natur - etwa religiöser Art sein können und nicht zwingend damit in Zusammenhang stehen müssen. Die Dimension des Anstiegs der landesweit Binnenvertriebenen erreicht auch für sich genommen keinen Grad, der es rechtfertigt, für die Provinz Logar von einer besonders exponierten Gefahrenlage auszugehen. Relativierend ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass das internationale Engagement für Entwicklung und Wiederaufbau fortgesetzt wird und zudem - zeitweise umfangreiche - gegenläufige Migrationsbewegungen stattfinden. Trotz schlechter wirtschaftlicher Perspektiven sind allein im Jahr 2012 98.609 Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt.
191Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2013, S. 21 f.
192Die vorliegenden Erkenntnisse zur Sicherheitslage in Logar sind aktuell. Sie beruhen auf zuverlässigen Quellen und beinhalten hinreichende Informationen zur Beurteilung der verfahrensrelevanten Gesichtspunkte. Der Senat lehnt deswegen die auf Einholung bzw. Beiziehung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch gerichteten Hilfsbeweisanträge des Klägers (Ziffern 7, 8, 13) ab. Sollte der Kläger mit dem Antrag unter Ziffer 8 - was daraus bereits nicht hinreichend deutlich hervorgeht - darüber hinaus unter Beweis gestellt haben wollen, dass die Taliban in der Lage sind, in Kabul Mordaktionen durchzuführen, kann dies als wahr unterstellt werden, so dass auch diesem Antrag nicht nachgegangen werden muss.
193Soweit der Kläger hinsichtlich der Hilfsbeweisanträge zu Ziffern 7, 8 und 13 gleichzeitig die Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. Mostafa Danesch beantragt hat, ist dieser Antrag bereits deswegen abzulehnen , weil er unsubstantiiert ist. Der Kläger hat weder dargelegt, worin die besondere Sachkunde von Dr. Mostafa Danesch in Bezug auf das Beweisthema konkret besteht, noch, welche eigenen Wahrnehmungen dieser zur Binnenflüchtlingssituation in Afghanistan und zur Sicherheitslage in Logar gemacht hat. Dass er als Einzelperson eigene Wahrnehmungen, in dem durch das Beweisthema vorgegebenen Umfang gemacht haben soll, erscheint abgesehen davon auch ausgeschlossen.
194Der Beweisantrag unter Ziffer 14 wird ebenfalls abgelehnt. Die darin unter Beweis gestellte Tatsache kann in dieser Undifferenziertheit als wahr unterstellt werden, ohne dass sich dadurch etwas an der Bewertung ändert, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Logar nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder seiner Unversehrtheit droht. Die Feststellung, dass 40 % der Bevölkerung in Afghanistan aufgrund der bewaffneten Auseinandersetzungen schwer traumatisiert ist, ist für die im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylVfG zu treffende Gefahrenprognose nicht entscheidend. Sie besagt für sich genommen nichts darüber, wie sich die Situation in der insoweit maßgebenden Heimatprovinz des Klägers darstellt. Insbesondere fehlt ihr aber jegliche Aussagekraft dazu, zu welchem Zeitpunkt die jeweiligen Traumata ausgelöst worden sind. Angesichts der bereits jahrzehntelang andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen in Afghanistan lässt die Annahme, dass dadurch 40 % der Bevölkerung traumatisiert worden sind, nicht den Rückschluss zu, dass die aktuelle Gewaltsituation, die für die Gefährdungsprognose vorrangig in den Blick zu nehmen ist, für diese Traumatisierungsquote ursächlich ist. Angesichts dessen hat der Senat auch erhebliche Zweifel, ob die Traumatisierungsdichte in der Bevölkerung hierfür ein eigenständiges und taugliches Kriterium sein kann. Als Ausdruck einer langjährigen Entwicklung mag daraus für Vergangenheit etwas abzuleiten sein. Die gegenwärtige Gefährdungssituation lässt sich anhand dieses Kriteriums indes nicht zuverlässig abbilden. Das gilt auch deswegen, weil der Anteil traumatisierter Menschen - anders als bei den übrigen Bewertungsparametern - keinem ständigen Wechsel unterliegt, anhand dessen sich aktuelle Entwicklungen genau ablesen lassen. Problematisch erscheint außerdem, dass mit der Zugrundelegung bestimmter Traumatisierungsquoten eine Nivellierung unterschiedlicher Risikoprofile einhergeht. So dürfte etwa das Risiko von Frauen, in Zeiten bewaffneter Auseinandersetzungen Opfer sexuell motivierter Gewalt zu werden und infolgedessen ein Trauma zu erleiden, höher sein als das von Männern. Mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit der Einzelne bei Rückkehr in sein Heimatland befürchten muss, künftig seelisch verletzt zu werden, lässt sich deswegen zuverlässiger anhand der übrigen, die objektiven Gefährdungslage bestimmenden Faktoren abschätzen.
195(b) Subsidiären Schutz kann der Kläger auch nicht auf der Grundlage von § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG beanspruchen, der Art. 15 lit. b) QRL II entspricht, und wonach ein ernsthafter Schaden auch dann droht, wenn die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung droht. Der Wortlaut der Vorschrift ist an Art. 3 EMRK angelehnt. Die Rechtsprechung des EGMR zu diesem Konventionsgrundrecht ist daher bei der Auslegung dieser Bestimmung zu berücksichtigen.
196Vgl. noch zu § 60 Abs. 2 AufenthG BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 22.
197Im Fall des Klägers bestehen mit Blick auf die fehlende Glaubhaftigkeit der Schilderungen zu seinem Verfolgungsschicksal keine stichhaltigen Gründe dafür, dass ihm in Afghanistan Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne der Rechtsprechung des EGMR droht.
198Dass der Kläger ungeachtet des von ihm geschilderten Verfolgungsschicksals in Afghanistan in erheblicher Weise Gefahr läuft, zwangsrekrutiert zu werden, ist aus den vorstehenden Gründen, auf die insoweit verwiesen wird, ebenfalls nicht ersichtlich.
199Soweit unzureichende Lebensbedingungen, eine mangelhafte medizinische Versorgung oder eine allgemeine Gewaltsituation wie Bürgerkriegslagen, innere Unruhen und bewaffnete Konflikte im Heimatland des Ausländers einen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG begründen können, gilt dies nur unter exzeptionellen Umständen. Nach der Rechtsprechung des EGMR erstreckt sich der Schutz nach Art. 3 EMRK nicht auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen. Andererseits erfordert die grundlegende Bedeutung dieses Konventionsgrundrechts seiner Auffassung nach eine gewisse Flexibilität. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind.
200Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 25.
201Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts ist dies bezogen auf die allgemeine Lage in Afghanistan nicht der Fall.
202Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 23 ff., EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09 (Husseini) -, juris, Rn. 84.
203Der Senat sieht - auch auf der Grundlage seiner eigenen tatrichterlichen Feststellungen - keine Veranlassung, hiervon abzuweichen.
204(c) Ebenso wenig steht § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG, durch den Art. 15 lit. a) QRL II gleichlautend umgesetzt worden ist, einer Abschiebung des Klägers entgegen. Danach ist einem Ausländer subsidiärer Schutz zu gewähren, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorbringt, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden wegen der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe droht. Hierfür ist nach dem Vorbringen des Klägers nichts ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine solche Gefahr nicht aus möglichen Vergeltungsschlägen der Taliban anlässlich des mutmaßlichen Verrats durch den Kläger. Denn insoweit ist sein Vorbringen, wie oben ausgeführt, bereits unglaubhaft. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG nur die staatliche Todesstrafe erfasst oder darüber hinaus auch die durch nichtstaatliche Gruppierungen verhängte Todesstrafe, kann daher offen bleiben.
205(d) Unabhängig davon, dass bereits die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylVfG nicht erfüllt sind, schließt Kabul als interne Schutzalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylVfG einen Anspruch des Klägers auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter aus. Hierbei handelt es sich um die - früher in § 60 Abs. 11 AufenthG a.F. enthaltene - Umsetzung des Art. 8 QRL I bzw. jetzt Art. 8 QRL II. Nach § 3e Abs. 1 AsylVfG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylVfG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind nach Absatz 2 die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 QRL II zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf der Grundlage genauer und aktueller Informationen aus relevanten Quellen zu berücksichtigen.
206Die Frage, wann von dem Ausländer „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, hat das Bundesverwaltungsgericht dahin präzisiert, dass dieser Zumutbarkeitsmaßstab über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinausgehe.
207Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 -, juris, Rn. 35, und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 20.
208Dem schließt sich der Senat an,
209Vgl. ebenso Hess.VGH, Urteil vom 25. August 2011 - 8 A 1657/10.A -, juris, Rn. 91; VGH Bad.Württ., Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, juris, Rn. 30.
210und sieht angesichts dessen von einer Vorlage an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV hinsichtlich der Frage zu den für eine interne Schutzalternative im Sinne des Art. 8 QRL I bzw. QRL II zugrunde zu legenden Anforderungen ab, zumal keine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht.
211Nach den vorstehend genannten Grundsätzen bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen eine zumutbare Schutzalternative etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Ein verfolgungssicherer Ort, an dem selbst das Existenzminimum nur durch derartiges kriminelles Handeln erlangt werden kann, bietet keinen internen Schutz.
212Vgl. VGH Bad.Württ., Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, juris, Rn. 30.
213Gemessen daran kann der Kläger auf Kabul als interne Schutzalternative verwiesen werden.
214Das gilt mit Blick auf die dortige Sicherheits- und Versorgungslage gleichermaßen. Eine Zusammenschau der dem Senat vorliegenden Erkenntnisse lässt diese Bewertung zu. Das gilt ungeachtet dessen, dass es für Teilaspekte der Tatsachengrundlage, auf der sie basiert, keine statistischen Erhebungen gibt.
215Vgl. zum Fehlen genauer Zahlen für Kabul, Auskunft Dr. Danesch an den Hess.VGH vom 8. Januar 2014; Auskunft des Auswärtigen Amtes an den Hess.VGH vom 2. Juli 2014.
216Die vorliegenden Erkenntnisse stimmen darin überein, dass die Sicherheitslage in Kabul im gesamtafghanischen Vergleich relativ stabil ist. In der Hauptstadt leben Schätzungen der Central Statistics Organization im statistischen Jahrbuch 2013/2014 zufolge 3.435.000 Menschen.
217Vgl. Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2013-2014, S. 3 und 5 f.
218abrufbar unter http://cso.gov.af/en.
219Andere Quellen gehen sogar von 4,5 Millionen Einwohnern aus.
220Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 408.
221In den Fortschrittsberichten der Bundesregierung ist die Bedrohungslage in Kabul seit Juli 2011 unter Zugrundelegung der Kriterien der NATO,
222vgl. zu diesen Kriterien: Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Dezember 2010, S. 12,
223- mit Ausnahme eines vergleichsweise geringen Gebietsanteils in der Westprovinz, in dem sie zeitweise als „erheblich“ eingestuft worden ist - als „mittel“ bewertet.
224Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsberichte Afghanistan Juli 2011, S. 7, Dezember 2011, S.16, Juni 2012, S. 8, November 2012, S. 10, Januar 2014, S. 9 und Juni 2014, S. 17.
225Hiermit korrespondierend wird die Sicherheitslage in Kabul trotz einiger medienwirksamer Anschläge und häufiger Hinweise auf Anschlagsplanungen als „überwiegend kontrollierbar“ eingeschätzt, wobei darunter eine Situation verstanden wird, in der bestehende Bedrohungen eine nur geringe Beeinträchtigung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und der Vertreter der internationalen Gemeinschaft darstellen. Dies kann eine räumlich und zeitlich eng begrenzte Verschlechterung der Sicherheitslage einschließen. Ferner ist diese Situation dadurch gekennzeichnet, dass die Autorität der afghanischen Verwaltungs- und Regierungsstrukturen nicht nachhaltig in Frage steht.
226Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 16, 28.
227Diese Einschätzung der Sicherheitslage steht in Einklang mit der Anzahl der für Kabul dokumentierten Vorfälle, die durch bewaffnete oppositionelle Gruppierungen veranlasst wurden. Nach den Feststellungen von ANSO hat es in den jeweils ersten Quartalen der Jahre 2011, 2012, 2013 in Kabul insgesamt 36 derartige Vorfälle gegeben. Bei 6.886 für diese Zeiträume für das gesamte Staatsgebiet von Afghanistan registrierten Vorfällen entspricht das einem Anteil von 0,52 %. Die Bundesregierung hat unabhängig davon im Jahr 2011 eine entsprechend geringe Quote sicherheitsrelevanter Zwischenfälle von ebenfalls 0,5 % für Kabul festgestellt.
228Vgl. ANSO, Quaterly Data Report Q. 1 2013, S. 10; Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht Juli 2011, S. 6.
229Besonderes Gewicht gewinnt dies in Relation dazu betrachtet, dass in der Hauptstadt Kabul rund 10 % der Gesamtbevölkerung Afghanistans leben. Soweit die dortige Sicherheitslage in dem aktuellsten Bericht von ANSO im Gegensatz zu Vorberichten als „Deteriorating“ eingestuft worden ist, kann dies nicht als Anknüpfungspunkt dafür genommen werden, dass sich die Situation dort allmählich zuspitzen würde. Einerseits handelt es sich dabei um die zweitniedrigste von fünf Gefährdungsstufen, andererseits ist diese Bewertung offenbar dem Umstand geschuldet, dass für das erste Quartal 2012 lediglich zwei Vorfälle dokumentiert sind, für das erste Quartal 2013 hingegen zwölf und hieraus eine 500 %ige Steigerung resultiert, die angesichts der vergleichsweise geringen Ausgangsbasis und vor dem Hintergrund, dass für das vorangegangene, bei dem prozentualen Vergleich nicht betrachtete erste Quartal 2011 22 Vorfälle verzeichnet worden sind, wenig Aussagekraft hat.
230Auch aktuellste Erkenntnisse sprechen nicht für eine grundlegende Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul. Der am 24. Juli 2014 aktualisierte Bericht der Organisation ACCORD,
231vgl. ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 24. Juli 2014 http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm,
232enthält hierzu unter Bezugnahme auf unterschiedliche Quellen folgende Informationen: In Kabul hätten sich eine Reihe von Selbstmordanschlägen ereignet, die das Leben der Bevölkerung beeinträchtigten. Abgesehen von Selbstmordanschlägen und einer steigenden Kriminalitätsrate sei Kabul allerdings sicherer und mehr unter Kontrolle als andere Orte in Afghanistan. Die Taliban-Zellen agierten dort weiterhin, wobei ihre Netzwerke anscheinend immer stärker würden. Abgesehen von sporadischen Raketenangriffen auf die Hauptstadt liege ihr Fokus auf Angriffen, die möglichst nah am Zentrum der Macht verübt werden sollten. Die Taliban bevorzugten daher sporadische, öffentlichkeitswirksame Angriffe, sogenannte „highprofile attacks“, durch die ein Gefühl von Unsicherheit hervorgerufen werden solle.
233In dem aktuellsten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist dies dahin präzisiert, dass sich die Angriffe der Taliban primär gegen Personen mit einem „hohen Profil“ wie Dolmetscher, Auftragnehmer und Lieferanten des Militärs und hochrangige Regierungsbeamte richteten. Bedingt dadurch komme es in Kabul häufiger zu gezielten Tötungen als in vollständig von den Taliban kontrollierten Gebieten. Für bekannte Personen bestehe dort ein größeres Risiko, angegriffen zu werden als in anderen Städten. Ziel der Taliban sei nicht die physische Kontrolle über Kabul; im Fokus stehe vielmehr die Ausübung psychologischen Einflusses.
234Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Sicherheit in Kabul, vom 22. Juli 2014, S. 5 ff.
235Nach den Feststellungen von ACCORD scheint es, als seien die Taliban demgegenüber nicht daran interessiert, relativ machtlose Personen zu verletzen. Ihre Taktik sei vielmehr zu zeigen, dass die Aufständischen überall im Land zuschlagen und selbst den „Stahlring“ der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden könnten. Dies ziele anscheinend darauf ab, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und möglicher „Geldgeber“ zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu verbreiten. Es sei eine Zunahme großer Angriffe in der afghanischen Hauptstadt prognostiziert worden. Gleichwohl seien sich - einem Bericht des norwegischen Herkunftsländerinformationszentrums Landinfo aus Januar 2014 zufolge - verschiedene Quellen bei Gesprächen in Kabul im Oktober 2013 einig gewesen, dass die Regierung, die afghanische Nationalarmee und die afghanische Nationalpolizei die Lage in Kabul relativ gut unter Kontrolle hätten. Entwicklungen, auf Basis derer die Situation in Kabul als instabil bezeichnet werden könnte, seien nicht erkennbar. Sie sei allerdings hinsichtlich des Risikos konfliktbezogener, gewalttätiger Vorfälle durch Unvorhersehbarkeit geprägt.
236Soweit sich danach bei einer aktuell als stabil eingeschätzten Sicherheitslage in Kabul die besorgniserregende Entwicklung eines Erstarkens der Taliban abzuzeichnen scheint, ist einerseits zu sehen, dass die Aussagekraft dieser Prognose durch die tatsächliche Entwicklung bestimmt wird, in deren Licht sie zu sehen ist. Andererseits ist von Bedeutung, dass nicht die erhöhte mediale Aufmerksamkeit, die einzelnen Anschlägen zu Teil wird, das ausschlaggebende Kriterium für die Bewertung der Sicherheitslage in Kabul ist. Vielmehr ist dies in erster Linie die Wahrscheinlichkeit, die für eine Zivilpersonen besteht, einem solchen Anschlag zum Opfer zu fallen. Das gilt jedenfalls dann, wenn deren Sicherheit - wie derzeit in Kabul - durch einzelne gezielte Anschläge und nicht durch flächendeckendere und vielgestaltigere Destabilisierungsmaßnahmen gefährdet ist. Diese Wahrscheinlichkeit wird durch die Exponiertheit des Anschlagsziels nur insoweit mitbestimmt, als dort üblicherweise auch Zivilisten anzutreffen sind und richtet sich - den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts zufolge - maßgebend nach dem Verhältnis von Einwohnerzahl und zivilen Opfern.
237Sie ist auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse für Kabul zu geringfügig, um auch jenseits einer Extremgefahr annehmen zu können, dass es dem Kläger nicht zumutbar sei, sich dort niederzulassen. Für den Zeitraum zwischen 2007 und 2013 sind von der NGO iMMAP Sicherheitsvorfälle in der Provinz Kabul dokumentiert, bei denen über 1.200 afghanische Zivilisten getötet oder verletzt wurden.
238Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Sicherheit in Kabul; vom 22. Juli 2014, S. 7 unter Hinweis auf den Bericht von iMMAP vom 16. April 2014.
239Das entspricht bezogen auf einen Jahreszeitraum rund 200 zivilen Opfern provinzweit. Anhand dessen und der Ergebnisse des zitierten Berichts von ACCORD, in dem die sicherheitsrelevanten Ereignisse, die sich zwischen Januar 2013 und Juli 2014 in Kabul ereignet haben, insbesondere auf der Grundlage der Artikel von Radio Free Europe/Radio Liberty, BBC und Agence France Press chronologisch aufgeführt sind, lässt sich der Umfang, in dem die Zivilbevölkerung im Zusammenhang mit Anschlägen in Kabul Schaden genommen hat, jedenfalls für die hier zu treffende Zumutbarkeitsprognose hinreichend genau abschätzen.
240Für das erste Quartal 2013 sind sieben - zum Teil vereitelte - Anschläge dokumentiert, bei denen insgesamt 34 Zivilisten und weitere 38 Personen verletzt und - abgesehen von mehreren getöteten Wachleuten, Polizisten und Soldaten - neun Personen getötet wurden. Angriffsziele waren u.a. das Gebäude des afghanischen Geheimdienstes, die Zentrale der Verkehrspolizei und das afghanische Verteidigungsministerium.
241Für das zweite Quartal sind acht Angriffe, u.a. auf den Kabuler Flughafen und den Obersten Gerichtshof, mit insgesamt rund 46 Todesopfern - darunter drei Sicherheitsleute und zwei US-Soldaten - und 59 Verletzten zuzüglich mehrerer Dutzend Verletzter bei einem am 16. Mai 2013 von der Hezb-e-Islami verübten Anschlag genannt, wobei aus dem Bericht nicht hervorgeht, dass diese Zahlen nur Zivilpersonen einschließen.
242Im dritten Quartal 2013 waren drei - überwiegend durch die Taliban verübte -Anschläge zu verzeichnen. Dabei kamen mindestens sieben Personen zu Tode, weitere drei Zivilisten wurden verletzt.
243Für das vierte Quartal 2013 sind neun Angriffe, darunter ein mittels Raketen bzw. Granaten verübter Anschlag auf die amerikanische Botschaft, aufgeführt, bei denen sieben Zivilisten und 13 weitere Personen - darunter drei Soldaten - getötet und sechs Zivilisten, weitere 23 Personen und mehrere Soldaten und Polizisten verletzt worden sein sollen.
244Für das erste Quartal 2014 sind zwölf Anschläge dokumentiert, die bereits zum Teil in Zusammenhang mit den am 5. April 2014 stattgefundenen Präsidentschaftswahlen gebracht werden können. 46 Personen wurden getötet - wobei unklar ist, in welchem Umfang es sich dabei um Zivilpersonen gehandelt hat. Es wurden 58 Personen, zwei Polizisten und vier Wachmänner verletzt.
245Im zweiten Quartal 2014 - vermutlich im Zusammenhang mit den Stichwahlen am 14. Juni 2014 - kam es vor allem zu gezielten Angriffen, u.a. auf den Präsidentschaftskandidaten Abdullah Abdullah und ein weibliches Parlamentsmitglied. Außerdem ereigneten sich am Morgen der Wahl einige Raketenangriffe, u.a. in der Nähe des Kabuler Flughafens, bei denen niemand zu Schaden gekommen sein soll. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass im zweiten Quartal siebzehn Personen - darunter sechs Polizisten und ein Soldat - getötet und 25 Personen - zuzüglich „mehrerer“ weiterer Personen bei dem Anschlag am 21. Juni 2014 - verletzt worden sind. Im Juli 2014 kam es erneut zu Angriffen auf den Kabuler Flughafen, bei denen jeweils niemand getötet oder verletzt wurde. Insgesamt waren im Juli 2014 vier Tote und mehr als 15 Verletzte zu verzeichnen.
246Aus der Zusammenschau dieser Vorfälle geht zwar hervor, dass die Taliban und vergleichbare extremistische Gruppierungen weiterhin in der Lage sind, in den Hochsicherheitszonen Kabuls komplexe Anschläge durchzuführen,
247vgl. ebenso: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2013, S. 11,
248ihr Erstarken lässt sich indes nicht daran ablesen. Das ergibt sich aus dem Vergleich mit der von ANSO für Kabul registrierten Anschlagsdichte in den jeweils ersten Quartalen der Jahre 2011, 2012 und 2013, die bei durchschnittlich 12 Anschlägen pro Quartal lag. Der Umstand, dass der Sachverständige Dr. Mostafa Danesch in seinem Gutachten an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 3. September 2013 im Wesentlichen die gleichen Vorfälle benennt, spricht dafür, dass die Aufstellung von ACCORD überwiegend vollständig ist. Nach den Ergebnissen dieser Aufstellung sind von den - zumindest - rund 3,4 Millionen Einwohnern Kabuls in den vergangenen anderthalb Jahren ungefähr 400 Zivilpersonen durch Anschläge zu Schaden gekommen. Dabei erscheinen diese Zahlen angesichts der Feststellung von ANSO, dass auf Kabul nur rund 0,5 % der registrierten Anschläge entfallen, bei 42.024 von UNAMA für den gesamten Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2014 dokumentierten zivilen Opfern eher zu hoch.
249Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass sich gerade in Kabul aufgrund der dort vermehrt eingesetzten Taktik von „high profile attacks“ unter den Opfern eine Vielzahl von Personen mit - insbesondere berufsbedingt - gefahrerhöhenden Umständen finden dürfte. Aber selbst dann, wenn man im Ausgangspunkt eine Zahl von rund 267 zivilen Opfern im Jahr (2/3 von 400 in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Juli 2014) zugrundelegt und diese zum Ausgleich statistischer Ungenauigkeiten bzw. Unvollständigkeiten und zur angemessenen Berücksichtigung von Dunkelziffern aus Sicherheitsgründen mit drei multipliziert ergibt sich eine nur 0,023 %ige (267 x 3 x 100 : 3.435.000) und damit im Promillebereich liegende Wahrscheinlichkeit, in Kabul als Zivilperson Opfer eines Anschlages zu werden. Diese ist zu gering, um die Feststellung zu rechtfertigen, dass es dem Kläger nicht zumutbar wäre, sich in Kabul niederzulassen. Dabei ist dem Senat klar, dass dieser Anteil den tatsächlichen Gefährdungsquotienten nicht exakt abbildet. Er ist aber insoweit aussagekräftig, als, soweit der Berechnung fiktionale Faktoren zugrunde liegen, jeweils die für den Kläger günstigste Betrachtungsweise gewählt worden ist.
250Auch mit Blick auf die humanitäre Lage kann der Kläger auf Kabul als interne Schutzalternative verwiesen werden, wenngleich diese in wesentlichen Teilbereichen nach wie vor stark defizitär ist. Die Hauptursachen dafür sind Wohnraumknappheit, eine nur begrenzt funktionsfähige Trinkwasserversorgung, der Anstieg der Lebenshaltungskosten und eine problematische Arbeitsmarktsituation.
251Die Wohnraumsituation ist von steigenden Immobilienpreisen, demographischem Druck und einer allgemeinen „Knappheit an Wohnraum in gutem Zustand“ geprägt. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum hat sich daher in Kabul zu einem der gravierendsten sozialen Probleme entwickelt. Geschätzte 70 % der Bevölkerung leben innerhalb Kabuls bzw. in der Umgebung in sogenannten informellen Siedlungen. Darunter findet sich ein Großteil ehemaliger Kriegsflüchtlinge, die aus Pakistan und dem Iran zurückgekehrt sind, sowie Binnen- und Wirtschaftsflüchtlinge aus anderen Provinzen Afghanistans. Bei diesen Siedlungen handelt es sich um prekäre Unterkünfte wie Lehmhütten, Zelte oder alte beschädigte Gebäude. Das Leben dort ist häufig von schlechten hygienischen Verhältnissen und Trinkwassermangel gekennzeichnet. Die Bewohner dieser Siedlungen erhalten keine staatliche Unterstützung.
252Vgl. Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, 408 ff.
253Nach dem zuletzt zitierten Bericht sind die Lebenshaltungskosten in Kabul in den vergangenen Jahren um 30 % bis 50 % gestiegen. In der gesamten Provinz Kabul leben laut Weltbank und afghanischem Wirtschaftsministerium 23,1 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.
254Vgl. Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, 408 ff.
255Insofern stellt sich die Situation dort verglichen mit dem gesamtafghanischen Durchschnitt (36 %) etwas günstiger dar. Ähnliches gilt für grundlegende Infrastruktureinrichtungen.
256Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2013, S. 19.
257Über die genaue Arbeitslosenquote in Kabul liegen keine Erkenntnisse vor. Aufgrund der strukturellen Prägung des dortigen Arbeitsmarkts dürften hierüber auch keine zuverlässigen Erhebungen zu erreichen sein, weshalb der Senat von weiteren Ermittlungen hierzu absieht. Grundsätzlich ist es so, dass urbane Gebiete wie Kabul im Vergleich zum ländlichen Raum von einer niedrigeren Partizipation am Arbeitsmarkt und höherer Arbeitslosigkeit geprägt sind, da in der Stadt, anders als in der Landwirtschaft, die Teilnahme von Frauen, Jugendlichen und älteren Personen an Erwerbstätigkeiten geringer ausfällt. Mit rund 80 % machen in urbanen Gebieten selbstständige Beschäftigungsformen - wobei hierunter dem Einzelhandel die wichtigste Rolle zufällt - den weitaus größten Teil der Erwerbsaktivitäten aus.
258Vgl. Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, 409 ff.
259Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Situation zwischenzeitlich durchgreifend verändert hat. Insbesondere bei einer dramatischen Verschlechterung der Situation für erhebliche Teile der Bevölkerung wäre davon auszugehen, dass dies durch die hierzu berufenen Stellen dokumentiert wäre. Zwar wird in den aktuellsten Berichten auf Schwierigkeiten hingewiesen, die sich aus der demographischen Entwicklung, dem gegenwärtig zu verzeichnenden Einbruch des Wirtschaftswachstums und infrastrukturellen Defiziten in Teilbereichen ergeben.
260Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2014, S. 19; Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 23 f.
261Andererseits weist die Bundesregierung in ihrem aktuellsten Bericht auf die deutlichen Fortschritte beim Wiederaufbau des Landes, etwa die Verdoppelung des Bruttoinlandsprodukts und allgemeine Verbesserungen der Versorgungslage, der Schaffung einer Infrastruktur und rechtsstaatlicher Strukturen hin, ohne Kabul von dieser Entwicklung auszunehmen. Aus dem Bericht geht im Übrigen hervor, dass das internationale Engagement für Entwicklung und Wiederaufbau fortgesetzt wird. Speziell im Bereich Kabul plant bzw. unterstützt die Bundesregierung Projekte im Zusammenhang mit der Abwasserentsorgung und der Wiederherstellung bzw. des Neubaus des Wasserversorgungssystems.
262Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 26.
263Dass sich die humanitäre Situation in Kabul zuletzt verschlechtert hat, geht auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 3. September 2013 hervor. Dies enthält nur ausschnittsweise Feststellungen zur humanitären Lage in Kabul, nämlich zu den Lebensumständen in den dortigen Flüchtlingslagern, in denen seinen Feststellungen zufolge 35.000 Menschen leben. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die desolaten Verhältnisse, die dort herrschen, repräsentativ für das gesamte Stadtgebiet von Kabul sind.
264Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die humanitäre Lage in Kabul weiterhin äußerst schwierig ist. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen stark voneinander abweicht. Jedenfalls für den Kläger als gesunden, arbeitsfähigen, alleinstehenden Mann besteht es allenfalls in geringfügigem Maße, denn es ist davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt nach einer Wiedereingliederungsphase auch ohne familiären Rückhalt zumindest auf einem - nach westlichen Maßstäben - niedrigen Niveau wird sicherstellen können.
265Der Kläger trägt keine Unterhaltslasten, muss nur für sich selbst sorgen und ist im Ausgangspunkt schon deswegen einem geringeren Armutsrisiko ausgesetzt.
266Die Beziehung zwischen Haushaltsgröße und Armutsrisiko ist für Afghanistan statistisch belegt. Danach steigt das Armutsrisiko ab einer Haushaltsgröße von drei Personen (11 %) bis zu einer Haushaltsgröße von neun Personen (über 40 %) kontinuierlich und liegt bei einer Haushaltsgröße von 15 Personen sogar bei über 45 %. Für eine alleinstehende Person bewegt es sich demgegenüber nur im Bereich zwischen 10 % und 15 %.
267Vgl. Summary of the national risk and vulnerability assessment, 2007/8, A profile of Afghanistan, Main Report, S. 59.
268Hinzu kommt, dass der Kläger über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die in Afghanistan nicht selbstverständlich sind und es ihm dort erleichtern dürften, eine Erwerbsgrundlage zu finden. Er hat eine abgeschlossene Schulausbildung und kann - anders als 70 % aller Afghanen - lesen und schreiben. Der Kläger spricht dari, paschtu, urdu, persisch und etwas deutsch. Dass die in Deutschland gemachten Erfahrungen und erworbenen Sprachkenntnisse seine Erwerbsperspektive in seiner Heimat begünstigen, ist wahrscheinlich. Außerdem ist aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Landwirt davon auszugehen, dass er über Kenntnisse und Fertigkeiten im Zusammenhang mit dem Anbau und der selbstständigen Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte verfügt. Vor dem Hintergrund, dass der selbstständige Einzelhandel als Erwerbssektor in Kabul eine bedeutende Rolle spielt, spricht Vieles dafür, dass der Kläger eine Erwerbstätigkeit in diesem Bereich finden und an seine früheren Erfahrungen anknüpfen können wird.
269Vgl. dazu Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, wonach das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden kann, S. 9.
270(2) Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht dem Kläger nicht zu. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer "konkreten Gefahr" im Sinne dieser Vorschrift genügt nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit wie im Asylrecht der Maßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem ergibt sich aus dem Element der "Konkretheit" der Gefahr für "diesen" Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer auf den Einzelfall bezogenen, individuell bestimmten und erheblichen, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretenden Gefährdungssituation. Schließlich muss es sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann.
271Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 (330), sowie Beschlüsse vom 18. Juli 2001 - 1 B 71.01 -, Buchholz 402. 240 § 53 AuslG Nr. 46, und vom 4. Februar 2004 - 1 B 291.03 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75.
272Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Afghanistan erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
273Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
274Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24/10 -, juris, Rn. 20.
275Ausgehend davon ist nicht feststellbar, dass für den Kläger in Afghanistan bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG besteht.
276Dass ihm individuelle Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - vor allem gezielte Angriffe durch die Taliban - drohen, ist mit Blick auf die fehlende Glaubhaftigkeit des von ihm geschilderten Verfolgungsschicksals nicht feststellbar. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zu § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG Bezug genommen.
277Es besteht auch keine hohe oder auch nur beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in seine Heimatprovinz Logar mit einer extremen Gefahrenlage, die ihrer Dimension nach geeignet wäre, die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AsylVfG zu durchbrechen, konfrontiert wäre.
278Von einer derartigen Gefahr kann zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt eines besonders zugespitzten Sicherheitsrisikos in Logar ausgegangen werden. Dies ergibt sich aus den Ausführungen zu § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG zur konfliktbedingten Gefährdungsprognose für den Kläger, die an dieser Stelle übertragbar sind.
279Dass der Kläger in Logar aus anderen, nicht konfliktbedingten Gründen - etwa wegen einer dort herrschender ausufernder Kriminalität - einem besonderen Sicherheitsrisiko ausgesetzt sein könnte, ist nicht substantiiert vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus den vorliegenden Erkenntnissen.
280Ebenso wenig lässt sich eine Extremgefahr aus der allgemeinen Versorgungslage in Logar herleiten. Davon, dass der Kläger dort alsbald nach Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit insbesondere infolge von Mangelernährung oder Obdachlosigkeit dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde, kann nach aktueller Erkenntnislage nicht ausgegangen werden. Ausgangspunkt dieser Bewertung sind zunächst allgemeine Aspekte der Entwicklung der humanitären Situation in Afghanistan.
281Die Bewertung Afghanistans im Human Development Index (HDI) hat sich aufgrund der erheblichen und anhaltenden Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft kontinuierlich verbessert. Gleichwohl ist Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt und belegt mit 175 von 187 einen sehr niedrigen Rang im Index. Obwohl sich Afghanistan in fast allen Bereichen positiv entwickelt hat, besteht weiterhin beträchtlicher Entwicklungsbedarf. Rund 36 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Im Winter 2012/13 waren über zwei Millionen Menschen durch Unterernährung, Krankheit und Kälte gefährdet. Die Analphabetenrate in Afghanistan liegt bei 70 %. 90 % der Frauen und 70 % der Männer haben keinen Schulabschluss. Während nur 15,7 % der über 15- jährigen Frauen in Afghanistan berufstätig sind, sind es bei den Männern 80,3 %. Die wichtigste Einkommensquelle für die Bevölkerung bleibt die Landwirtschaft. Afghanistan verfügt über eine geringe, aber wachsende Anzahl gut ausgebildeter Arbeitskräfte. Nach aktueller Erkenntnislage leiden 34 % der afghanischen Gesamtbevölkerung unter Lebensmittelknappheit und 43 % haben keinen gesicherten Zugang zu Trinkwasser. Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Angesichts zahlreicher Naturkatastrophen reagiert das World Food Programme das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen und extremen Kälteeinbruch. Außerhalb der Provinzhauptstädte fehlt es vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser. Die Möglichkeiten des afghanischen Staates, die Bedürfnisse seiner Bevölkerung zu erfüllen, geraten zusätzlich durch ein starkes Bevölkerungswachstum unter Druck. Infolge dessen ist absehbar, dass künftig jährlich 400.000 junge Afghanen auf den Arbeitsmarkt strömen. Im Jahr 2013 ist die Wirtschaft - nach einer Dekade starken Wachstums - nur um vergleichsweise schwache 3 % gewachsen. Die zukünftige Entwicklung ist nicht sicher vorhersehbar. Denkbar ist einerseits, dass das - durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähte - Preis- und Lohniveau und eine stärkere Abwertung der afghanischen Währung zu einer gestärkten Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte im Exportgeschäft führen könnten, andererseits besteht die Gefahr, dass sich eine Destabilisierung des Landes und seiner Institutionen volkswirtschaftlich ungünstig auswirkt. Die medizinische Versorgung in Afghanistan hat sich, wie bereits ausgeführt, ungeachtet fortbestehender Defizite insbesondere im Bereich der Grundversorgung in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert.
282Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 31. März 2014, Stand: Februar 2014, S. 19 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, 30. September 2013, S. 20; UNHCR, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, vom 6. August 2013, S. 29 f.
283Daran wird deutlich, dass große Teile der afghanischen Zivilbevölkerung immer noch unter schwierigsten Bedingungen leben und in vielfältiger Weise mit ständigem Mangel konfrontiert sind. Trotz der fortbestehenden schwerwiegenden Defizite der humanitären Situation, deren Leidtragende in erster Linie Kinder und erst an letzter Stelle gesunde arbeitsfähige Männer sein dürften, fallen bei der zu treffenden Bewertung auch die zwischenzeitlich insoweit erzielten Fortschritte ins Gewicht.
284Vgl. dazu Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 23 f.
285Aussagekräftig ist dabei vor allem der Umstand, dass die Lebenserwartung im letzten Jahrzehnt um 18 Jahre gestiegen ist.
286Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2014, S. 20 f.
287Dabei handelt es sich neben dem Bruttoinlandsprodukt und der Erwerbstätigen- und Analphabetenrate um einen Entwicklungsindikator, der Auskunft über den wirtschaftlichen und sozialen Stand eines Landes gibt. Aus der Lebenserwartung lassen sich Anhaltspunkte zu Ernährungssituation, Gesundheitswesen, hygienischen Verhältnissen und körperlicher Arbeit gewinnen.
288Vgl.http://de.wikipedia.org/wiki/
289Entwicklungsindikator.
290Ihr deutlicher Anstieg in Afghanistan kann daher zumindest als Indiz für eine Verbesserung der humanitären Gesamtsituation gewertet werden.
291Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Versorgungslage in Logar schlechter als im gesamtafghanischen Durchschnitt ist. Sie stellt sich den hierzu vorliegenden Erkenntnissen zufolge wie folgt dar: Logar ist eine vorwiegend ländlich geprägte Region. Nach den statistischen Angaben des Ministry of Rural Rehabilitation and Development (MRRD) können dort 40 % aller Haushalte ihre Grundversorgung mit Nahrungsmitteln durchgehend sicherstellen, bei 23 % der Haushalte treten insoweit selten (1 bis 3 Mal im Jahr) und bei 22 % der Haushalte manchmal (3 bis 6 Mal im Jahr) Schwierigkeiten auf. Für 15 % der Haushalte handelt es sich dabei um ein häufiges oder ständiges Problem. Die Versorgung mit Trinkwasser ist in Logar überwiegend gewährleistet. 69 % aller Haushalte haben innerhalb ihres Dorfes Zugang zu Trinkwasser. Für 29 % der Haushalte ist Trinkwasser in weniger als einer Stunde erreichbar. Durchschnittlich 32,3 % der Haushalte haben Zugang zu Elektrizität. Die Verkehrsinfrastruktur in Logar ist vergleichsweise gut; 78 % der Straßen sind alljährlich befahrbar. Eine medizinische Grundversorgung ist dort ebenfalls gewährleistet. Insoweit wird Bezug auf die vorangehenden Ausführungen genommen. Die Provinz profitiert in unterschiedlicher Weise von Entwicklungshilfemaßnahmen. Insgesamt fünf UN-Organisationen sind vor Ort in Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte eingebunden. In den Bezirken Muhammad Agha und Pul-i-Alam ist beispielsweise das World Food Programme stationiert. Im Jahr 2011 wurden 20 % der Bevölkerung Logars mit Lebensmitteln unterstützt.
292Vgl. MRRD, National Area Based Development Program, Logar Province Profile.
293Überdies wurden in Logar 52 unterschiedliche Infrastrukturprojekte im Rahmen des National Data Based Development Program - einer gemeinsamen Initiative des United Nations Development Program und des MRRD - initiiert, von denen bereits große Teil der Bevölkerung Logars profitiert haben.
294Vgl. MRRD, National Area Based Development Program; UNDP, Project summary, Reducing rural poverty and building access to basic services, Updated: April 2014.
295Für die Annahme, dass der Kläger in Logar einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt sein würde, besteht angesichts dieser Gesamtsituation keine tragfähige Tatsachengrundlage. Dafür, dass er nach mittlerweile fünfjähriger Abwesenheit als Rückkehrer einem gegenüber dem Rest der Zivilbevölkerung besonders hohen Verelendungsrisiko ausgesetzt sein könnte, spricht jedenfalls (schon) keine beachtliche und damit erst recht keine hohe Wahrscheinlichkeit. Daraus mögen zwar zunächst erhebliche Wiedereingliederungsschwierigkeiten resultieren, von denen der Kläger - das Fehlen eines Familienverbandes zu seinen Gunsten unterstellt - verstärkt betroffen ist. Diese relativieren sich aber dadurch, dass er ihnen als alleinstehender gesunder Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen mit abgeschlossener Schulbildung und Berufserfahrung in den Bereichen Einzelhandel und Landwirtschaft ein vergleichsweise günstiges Risikoprofil entgegenzusetzen hat, durch das ihm die Erwirtschaftung eines Existenzminimums erleichtert ist.
296Vgl. dazu Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, S. 9.
297Hierzu wird auf die vorstehenden Ausführungen zur internen Schutzalternative im Zusammenhang mit einem Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes verwiesen. Danach ist davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne Vermögen und familiären Rückhalt zumindest sein Existenzminimum wird sicherstellen können, indem er sich in Logar beispielsweise (zunächst) als Tagelöhner in der Landwirtschaft verdingt.
298Vgl. dazu Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, wonach das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden kann, S. 9.
299Ergänzend wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 unter den registrierten 3.000 Rückkehrern im Zeitraum der vorangegangenen zehn Jahre keine Todesfälle infolge von Hunger oder Unterernährung bekannt geworden sind.
300Vgl. Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, S. 12.
301Unabhängig davon kann der Kläger auch deswegen keinen nationalen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen, weil er sich auf Kabul als inländische Fluchtalternative verweisen lassen muss. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zu Kabul als interner Schutzalternative (§ 3e AsylVfG) im Zusammenhang mit der Zuerkennung subsidiären Schutzes verwiesen, die die Feststellung, dass dem Kläger in Kabul keine Extremgefahr droht, mittragen.
302Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; das Verfahren ist nach § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.
303Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
304Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tatbestand
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Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.
- 2
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Der 1986 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stammt aus der Provinz Helmand (Afghanistan), ist schiitischen Glaubens und gehört dem Volk der Hazara an. Im Februar 2009 reiste er nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 17. März 2010 ab. Zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an.
- 3
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Nach Rücknahme der Klage auf Asylanerkennung hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 27. April 2012 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dem Kläger stehe weder unionsrechtlicher noch nationaler Abschiebungsschutz zu. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG sei nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Da in Afghanistan kein landesweiter bewaffneter Konflikt herrsche, komme eine individuelle Bedrohung nur in Betracht, wenn sich der Konflikt auf den tatsächlichen Zielort bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erstrecke. Dies sei die Herkunftsregion des Ausländers, in der er zuletzt gelebt habe bzw. in die er typischerweise zurückkehren könne und voraussichtlich auch werde. Der Kläger habe glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keine aufnahmebereiten Bekannten oder Verwandten und keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor einer dort lebenden Privatperson, außerdem befürchte er Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe in Helmand in besonderem Maße ausgesetzt sei. Wolle bzw. werde der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren, sei auf das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul abzustellen. Dort herrsche kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mehr. Die Sicherheitslage werde in Kabul, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet.
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Dem Kläger stehe hinsichtlich Afghanistans auch nicht der hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der allgemein schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan stehe § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegen. Eine extreme Gefahrenlage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ausnahmsweise nicht greife, liege für Kabul nicht (mehr) vor. Vielmehr sei eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul zu erkennen, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder Anbindung an lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehe. Der Senat sehe keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Falle des Klägers seien auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 60 Abs. 2, 5 sowie 7 Satz 1 und 2 AufenthG. Außerdem macht er Verfahrensfehler geltend und regt zur weiteren Klärung des Gehalts der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 7 Satz 2 AufenthG eine Vorlage an den EuGH an.
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Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
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Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verletzt hinsichtlich des vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgten Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat bei der im Rahmen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gebotenen Prüfung, ob am tatsächlichen Zielort des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein bewaffneter Konflikt besteht, nicht auf die Herkunftsregion des Klägers, sondern auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend über die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem unionsrechtlichen Abschiebungsschutz weiterhin auch der vom Kläger hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Revision allein mit der grundsätzlichen Bedeutung einer auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz zugeschnittenen Frage begründet hat. Die Urteilsformel enthält keine Beschränkung der Zulassung auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Der Umfang der Zulassung ist daher unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit durch Auslegung zu ermitteln. Danach ist hier von einer uneingeschränkten Zulassung auszugehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten (Haupt- und Hilfs-)Anträge betreffen zwar unterschiedliche Streitgegenstände. Diese sind aber eng miteinander verflochten, insbesondere stellt sich die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage des maßgeblichen Anknüpfungsortes nicht nur beim unionsrechtlichen, sondern auch beim nationalen Abschiebungsschutz. Für eine uneingeschränkte Zulassung der Revision spricht im Übrigen auch die dem Berufungsurteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich auf das Rechtsmittel der Revision bezieht.
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2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens auf Gewährung von Abschiebungsschutz ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 10). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Maßgeblich ist daher für das Revisionsverfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Unionsrechtlich finden sowohl die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikations-Richtlinie - vom 29. April 2004 (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) Anwendung als auch die - während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene - Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 337 vom 20. Dezember 2011 S. 9). Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen wurde den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt (Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) und es bleibt bis zum Ablauf dieser Frist bei der Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Art. 41 Abs. 2 i.V.m. Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Hinsichtlich der unverändert übernommenen Bestimmungen gilt die Neufassung hingegen schon jetzt (vgl. Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU).
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3. Das Berufungsurteil verletzt in Bezug auf den vom Kläger primär begehrten unionsrechtlichen Abschiebungsschutz Bundesrecht. Die diesbezüglichen Vorgaben des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG) sind in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG - in überschießender Umsetzung - als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und bilden einen eigenständigen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11 und vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13 und 16).
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3.1 Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung abgelehnt, die revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses - die Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU) umsetzenden - Abschiebungsverbots können auch dann erfüllt sein, wenn sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 25). In diesem Fall ist Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - NVwZ 2009, 705 Rn. 40).
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Das Berufungsgericht hat dies zutreffend zu Grunde gelegt. Es hat aber nicht geprüft, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht, sondern stattdessen auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt, weil der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 14. November 2012 (BVerwG 10 B 22.12 - juris Rn. 7) als geklärt gesehen hat, kommt es für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, aber weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Ein Abweichen von der Regel kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen ihm § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewähren soll. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Zusammenhang der unionsrechtlichen Abschiebungsverbote mit den Bestimmungen über den internen Schutz (Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG; künftig: Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU). Kommt die Herkunftsregion als Zielort wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Der Begriff des "tatsächlichen Zielortes der Rückkehr" ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da es bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG um den Schutz vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat geht, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat, etwa weil Familienangehörige getötet worden sind oder diese Gebiete ebenfalls verlassen haben. Auch soweit die nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände begründet worden ist, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage), und es mangels Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine nachvollziehbare Haltung ist, nicht in die Herkunftsregion zurückkehren zu wollen, behält diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aus.
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Diese Ausdeutung des vom Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - (Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40) verwandten Begriffs des tatsächlichen Zielorts der Rückkehr kann vorgenommen werden, ohne diesem die Rechtssache zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH hat den Begriff in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 zwar nicht abschließend definiert. Die hier entfaltete Auslegung trägt aber dem Zweck der Vorschriften über den internen Schutz Rechnung und folgt damit der Vorgabe des EuGH, die Auslegung nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 Abs. 3 EG (inzwischen: Art. 288 AEUV) nachzukommen (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 42).
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Das Berufungsurteil verstößt nach den vorstehenden Grundsätzen gegen Bundesrecht, weil es für das Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht die Verhältnisse in der Herkunftsregion des Klägers in den Blick genommen, sondern auf die Lage in Kabul als dem voraussichtlichen Zielort einer Abschiebung abgestellt hat. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise dauerhaft in einer anderen Region als Helmand niedergelassen hat. Er ist zwar zunächst mit seiner Lebensgefährtin nach Kabul (und später in den Iran zu seiner Schwester) gegangen. Dies geschah nach seinen Angaben aber allein aus Angst vor dem Vater seiner Lebensgefährtin; zur Dauer und den näheren Umständen des Aufenthalts in Kabul enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Die vom Berufungsgericht angeführten Erwägungen, warum der Kläger nicht nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde, lassen die Relevanz der Heimatregion für die Gefahrenprognose bei einem bewaffneten Konflikt nicht entfallen.
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3.2 Das Berufungsurteil beruht auf diesem Fehler. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zur Lage in der Provinz Helmand getroffen. Ob in dieser Region ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und dem Kläger dort die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG definierte Gefahr droht, kann daher revisionsgerichtlich weder festgestellt noch ausgeschlossen werden.
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3.3 Die Entscheidung erweist sich hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) oder unrichtig, so dass der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden kann.
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a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Kläger - einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner Herkunftsregion unterstellt - in Kabul internen Schutz finden könnte. Dies würde nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzen, dass für den Kläger in Kabul nicht nur keine Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, sondern von ihm auch vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.
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Auch hierzu fehlen hinreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf Kabul zwar festgestellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, weil dort keine extreme Gefahrenlage herrsche und zu erwarten sei, dass Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage aber so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus; weiterhin offenbleiben kann, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35).
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b) Umgekehrt kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsurteil hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus anderen Gründen unrichtig ist. Das Berufungsgericht hat vor allem im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - insbesondere nicht aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan.
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Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem Abschiebungsverbot wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU) umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) - EMRK - orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM <2001> 510 endgültig S. 6, 30). Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83, 389) - GR-Charta - zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn das ernsthafte Risiko der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Dies gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch die Regelung in Art. 19 Abs. 2 GR-Charta die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 15 und 17).
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Entgegen der Auffassung der Revision ist der neueren Rechtsprechung des EGMR nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung" bestimmt. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/06 - NVwZ 2011, 413). Bereits in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (BVerwG 10 B 16.12 - juris Rn. 8 f.) hat der Senat dargelegt, dass der EGMR davon ausgeht, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln (EGMR, Urteile vom 28. Mai 1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u. a./Vereinigtes Königreich - NJW 1986, 3007 Rn. 67; vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 54 und vom 28. Juni 2012 - Nr. 14499/09, A.A. u.a. - Rn. 71). Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (stRspr, EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 Rn. 90 f. und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zugunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadiums an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei (EGMR, Urteil vom 2. Mai 1997 - Nr. 146/1996/767/964, D./Vereinigtes Königreich - NVwZ 1998, 161 Rn. 52 f.). Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung (expulsion) in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 a.a.O. Rn. 44).
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Wie der Senat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (a.a.O. Rn. 9) ausgeführt hat, ist diese gefestigte Rechtsprechung durch das Urteil der Großen Kammer vom 21. Januar 2011 (a.a.O.) im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland nicht grundsätzlich revidiert worden. Dieses Urteil verhält sich - entgegen der Auffassung der Revision - erkennbar nicht zu den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung". Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die - in einem ihnen völlig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259).
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Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich (Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen - wie in Somalia - nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f.).
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Welche Anforderungen sich aus dieser Rechtsprechung des EGMR im Einzelnen für Abschiebungen in den Herkunftsstaat bei schlechten humanitären Bedingungen ergeben, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst der EGMR geht in Bezug auf Afghanistan davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - NJOZ 2012, 952 Rn. 84). Auch auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine allein auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsland gestützte Verletzung des Art. 3 EMRK ersichtlich nicht vor. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des abschiebenden Staates, aus dessen Sicht zu prüfen ist, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 a.a.O. Rn. 265, 301, 309). Das gilt auch bei der Beurteilung von Umständen, die nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen, dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK aber dennoch eine Abschiebung des Ausländers verbieten.
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Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derzeit nur eine Abschiebung nach Kabul möglich ist (UA S. 14). Zugleich hat es sich bezüglich der allgemeinen Lebensbedingungen in Kabul - im Rahmen seiner Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG - in tatsächlicher Hinsicht der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen, dass zu erwarten sei, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten (UA S. 23). Die daran anschließende Bemerkung des Berufungsgerichts, aufgrund der schlechten Gesamtsituation dürfte ohne schützende Familien- und Stammesstrukturen eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten "kaum zumutbar" sein, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Sie umfasst nicht die tatsächliche Feststellung, die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Abschiebezielstaat seien so schlecht, dass nach Art. 3 EMRK von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsse. Mit dieser Formulierung bringt das Berufungsgericht lediglich seine Haltung zum Ausdruck, dass die rechtlichen "Hürden" des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG seiner Auffassung nach zu hoch sind, und lässt in der Sache sein Bedauern erkennen, dass die oberste Landesbehörde für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp aus humanitären Gründen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet hat und das Gericht diese politische Entscheidung - unterhalb der hier nicht erreichten Grenze verfassungsrechtlich gebotenen Abschiebungsschutzes - nicht zu ersetzen vermag (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 5).
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Damit liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG - ungeachtet des Umstandes, dass bei § 60 Abs. 2 AufenthG und bei § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Maßstäbe gelten - ersichtlich nicht vor. Selbst bei Zugrundelegung der - vom EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland für einen gänzlich anderen Anwendungsfall entwickelten und in den Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich auf eine ebenfalls andere Ausgangssituation im Herkunftsstaat übertragenen - abgesenkten und auf die Situation besonderer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit bezogenen Maßstäbe ergäbe sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Verhältnissen in Kabul für den Kläger kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 10).
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Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage an den EuGH. Die Voraussetzungen, unter denen einen abschiebenden Staat aus Art. 3 EMRK ausnahmsweise eine Verantwortung für nicht dem Abschiebezielstaat oder anderen Akteuren zuzurechnende Umstände trifft, ergeben sich aus der Rechtsprechung des EGMR und werfen im vorliegenden Verfahren keine entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen auf. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU zu beachten. Dass die Richtlinie in Bezug auf Art. 3 EMRK bei Umständen, die weder in die Verantwortung des Abschiebezielstaats noch eines sonstigen Akteurs fallen, keinen über die Rechtsprechung des EGMR hinausgehenden Schutz gewährt, ergibt sich schon aus Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 6 der Richtlinie 2004/83/EG). Denn dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass es nach den Vorstellungen des Richtliniengebers auch beim subsidiären Schutz grundsätzlich eines Akteurs bedarf, von dem ein ernsthafter Schaden ausgehen kann.
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4. Kann der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen weder positiv noch negativ abschließend über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden, so ist das Berufungsurteil schon aus diesem Grund aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es auf die von der Revision fristgerecht erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Zur Klarstellung weist der Senat allerdings darauf hin, dass die gerügten Verfahrensfehler nicht vorliegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 16.12 und 10 B 20.12 - zu vergleichbaren Verfahrensrügen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil es den Rechtsstreit nicht dem EuGH vorgelegt hat. Ein solcher Verstoß scheidet schon deswegen aus, weil es nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zwar zur Vorlage berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH aber auch nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt bzw. unterliegen keinen Zweifeln, die eine Vorlage rechtfertigen oder gar gebieten. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
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5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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5.1 Das Berufungsgericht wird hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor allem mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auf aktueller Tatsachengrundlage zu klären haben, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht und ihm dort die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewährt. Ist dies der Fall, hat es weiter zu prüfen, ob der Kläger nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf die Möglichkeit internen Schutzes in einem anderen Landesteil - insbesondere Kabul - verwiesen werden kann.
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5.2 Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes hat, wird es auf aktueller Erkenntnislage auch erneut über den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG zu entscheiden haben.
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a) Dabei kann dahinstehen, wie die Aussage des Berufungsgerichts bei § 60 Abs. 5 AufenthG zu verstehen ist, dass bezüglich Art. 3 EMRK die weitergehende und unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG "vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen" sei. Sollte das Berufungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK durch § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt wird, wäre dies allerdings nicht mit Bundesrecht zu vereinbaren.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse).
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Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft - wie dargelegt - an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG - vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind.
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b) Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat auch dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung).
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Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen kann, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (stRspr, vgl. Urteil vom 8. September 2012 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 - Rn. 22 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.
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Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Maßstäbe ein Abschiebungsverbot verneint, weil in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten sei, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Dabei hat es weder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge der problematischen Versorgungslage, die neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Wohnraum umfasst, zur Beeinträchtigung fundamentaler Schutzgüter kommen werde, überspannt noch hat es seine tatrichterliche Überzeugung auf einer zu schmalen Tatsachenbasis gebildet. Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Beurteilung einer extremen Gefahrenlage die medizinische Versorgungslage nicht hinreichend berücksichtigt, verkennt sie, dass diese nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung ist, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-)Versorgung besteht (s.a. Beschluss vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 20.12 - Rn. 14).
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Soweit das Berufungsgericht im Übrigen der Auffassung ist, das Bundesverwaltungsgericht stelle an das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung überzogene rechtliche Anforderungen, geben die Ausführungen dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Das Berufungsgericht begründet seine Kritik damit, dass die Zumutbarkeit einer Rückkehr unter humanitären Gesichtspunkten, die es aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen selbst für gesunde alleinstehende Männer "kaum" für gegeben hält, nach der Rechtsprechung "kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG" sei. Mit diesen Erwägungen stellt es dem aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit eine eigene - mit außerrechtlichen Erwägungen begründete und enger gefasste - Zumutbarkeit gegenüber und vermischt damit die Grenze zwischen einer dem Betroffenen rechtlich (noch) zumutbaren und einer nicht (mehr) zumutbaren Rückkehr. Dabei vernachlässigt es zudem, dass es bei der verfassungskonformen Auslegung nicht um die Bestimmung eines aus Sicht des jeweiligen Gerichts "sinnvollen" und/oder "menschenrechtsfreundlichen" Abschiebungsschutzregimes geht, sondern um die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen im gewaltenteilenden Rechtsstaat die Rechtsprechung befugt ist, über eine verfassungskonforme Auslegung ausnahmsweise die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, allgemeine Gefahren nur im Rahmen einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, unbeachtet zu lassen. Hierbei macht es in der Sache einen erheblichen Unterschied, ob ein Mensch ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat, oder ob er bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen.
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Die weiteren Zweifel des Berufungsgerichts, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden könne, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen, betreffen nicht den materiell-rechtlichen Maßstab für die Beurteilung einer extremen Gefahrenlage selbst. Die damit ausgedrückte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 22) vernachlässigt, dass diese Auseinandersetzung nicht als Selbstzweck gefordert wird. Sie zielt auf eine Verbesserung der Entscheidungsqualität durch Verbreiterung der erkennbar in die tatrichterliche Bewertung eingestellten Tatsachen- und Argumentationsbasis. Dies gilt namentlich in Fällen, in denen es - wie hier - im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG um eine "Korrektur" des demokratisch legitimierten Gesetzgebers geht, für die im Rahmen der Tatsachen- und Lagebeurteilung eine umfassende Gesamtwürdigung der voraussichtlichen Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat und der damit verbundenen Gefahren erforderlich ist.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tatbestand
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Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.
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Der 1986 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stammt aus der Provinz Helmand (Afghanistan), ist schiitischen Glaubens und gehört dem Volk der Hazara an. Im Februar 2009 reiste er nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 17. März 2010 ab. Zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an.
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Nach Rücknahme der Klage auf Asylanerkennung hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 27. April 2012 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dem Kläger stehe weder unionsrechtlicher noch nationaler Abschiebungsschutz zu. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG sei nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Da in Afghanistan kein landesweiter bewaffneter Konflikt herrsche, komme eine individuelle Bedrohung nur in Betracht, wenn sich der Konflikt auf den tatsächlichen Zielort bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erstrecke. Dies sei die Herkunftsregion des Ausländers, in der er zuletzt gelebt habe bzw. in die er typischerweise zurückkehren könne und voraussichtlich auch werde. Der Kläger habe glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keine aufnahmebereiten Bekannten oder Verwandten und keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor einer dort lebenden Privatperson, außerdem befürchte er Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe in Helmand in besonderem Maße ausgesetzt sei. Wolle bzw. werde der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren, sei auf das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul abzustellen. Dort herrsche kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mehr. Die Sicherheitslage werde in Kabul, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet.
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Dem Kläger stehe hinsichtlich Afghanistans auch nicht der hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der allgemein schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan stehe § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegen. Eine extreme Gefahrenlage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ausnahmsweise nicht greife, liege für Kabul nicht (mehr) vor. Vielmehr sei eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul zu erkennen, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder Anbindung an lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehe. Der Senat sehe keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Falle des Klägers seien auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 60 Abs. 2, 5 sowie 7 Satz 1 und 2 AufenthG. Außerdem macht er Verfahrensfehler geltend und regt zur weiteren Klärung des Gehalts der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 7 Satz 2 AufenthG eine Vorlage an den EuGH an.
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Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
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Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verletzt hinsichtlich des vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgten Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat bei der im Rahmen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gebotenen Prüfung, ob am tatsächlichen Zielort des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein bewaffneter Konflikt besteht, nicht auf die Herkunftsregion des Klägers, sondern auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend über die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem unionsrechtlichen Abschiebungsschutz weiterhin auch der vom Kläger hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Revision allein mit der grundsätzlichen Bedeutung einer auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz zugeschnittenen Frage begründet hat. Die Urteilsformel enthält keine Beschränkung der Zulassung auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Der Umfang der Zulassung ist daher unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit durch Auslegung zu ermitteln. Danach ist hier von einer uneingeschränkten Zulassung auszugehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten (Haupt- und Hilfs-)Anträge betreffen zwar unterschiedliche Streitgegenstände. Diese sind aber eng miteinander verflochten, insbesondere stellt sich die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage des maßgeblichen Anknüpfungsortes nicht nur beim unionsrechtlichen, sondern auch beim nationalen Abschiebungsschutz. Für eine uneingeschränkte Zulassung der Revision spricht im Übrigen auch die dem Berufungsurteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich auf das Rechtsmittel der Revision bezieht.
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2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens auf Gewährung von Abschiebungsschutz ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 10). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Maßgeblich ist daher für das Revisionsverfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Unionsrechtlich finden sowohl die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikations-Richtlinie - vom 29. April 2004 (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) Anwendung als auch die - während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene - Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 337 vom 20. Dezember 2011 S. 9). Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen wurde den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt (Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) und es bleibt bis zum Ablauf dieser Frist bei der Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Art. 41 Abs. 2 i.V.m. Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Hinsichtlich der unverändert übernommenen Bestimmungen gilt die Neufassung hingegen schon jetzt (vgl. Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU).
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3. Das Berufungsurteil verletzt in Bezug auf den vom Kläger primär begehrten unionsrechtlichen Abschiebungsschutz Bundesrecht. Die diesbezüglichen Vorgaben des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG) sind in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG - in überschießender Umsetzung - als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und bilden einen eigenständigen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11 und vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13 und 16).
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3.1 Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung abgelehnt, die revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses - die Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU) umsetzenden - Abschiebungsverbots können auch dann erfüllt sein, wenn sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 25). In diesem Fall ist Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - NVwZ 2009, 705 Rn. 40).
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Das Berufungsgericht hat dies zutreffend zu Grunde gelegt. Es hat aber nicht geprüft, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht, sondern stattdessen auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt, weil der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 14. November 2012 (BVerwG 10 B 22.12 - juris Rn. 7) als geklärt gesehen hat, kommt es für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, aber weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Ein Abweichen von der Regel kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen ihm § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewähren soll. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Zusammenhang der unionsrechtlichen Abschiebungsverbote mit den Bestimmungen über den internen Schutz (Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG; künftig: Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU). Kommt die Herkunftsregion als Zielort wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Der Begriff des "tatsächlichen Zielortes der Rückkehr" ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da es bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG um den Schutz vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat geht, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat, etwa weil Familienangehörige getötet worden sind oder diese Gebiete ebenfalls verlassen haben. Auch soweit die nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände begründet worden ist, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage), und es mangels Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine nachvollziehbare Haltung ist, nicht in die Herkunftsregion zurückkehren zu wollen, behält diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aus.
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Diese Ausdeutung des vom Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - (Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40) verwandten Begriffs des tatsächlichen Zielorts der Rückkehr kann vorgenommen werden, ohne diesem die Rechtssache zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH hat den Begriff in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 zwar nicht abschließend definiert. Die hier entfaltete Auslegung trägt aber dem Zweck der Vorschriften über den internen Schutz Rechnung und folgt damit der Vorgabe des EuGH, die Auslegung nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 Abs. 3 EG (inzwischen: Art. 288 AEUV) nachzukommen (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 42).
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Das Berufungsurteil verstößt nach den vorstehenden Grundsätzen gegen Bundesrecht, weil es für das Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht die Verhältnisse in der Herkunftsregion des Klägers in den Blick genommen, sondern auf die Lage in Kabul als dem voraussichtlichen Zielort einer Abschiebung abgestellt hat. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise dauerhaft in einer anderen Region als Helmand niedergelassen hat. Er ist zwar zunächst mit seiner Lebensgefährtin nach Kabul (und später in den Iran zu seiner Schwester) gegangen. Dies geschah nach seinen Angaben aber allein aus Angst vor dem Vater seiner Lebensgefährtin; zur Dauer und den näheren Umständen des Aufenthalts in Kabul enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Die vom Berufungsgericht angeführten Erwägungen, warum der Kläger nicht nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde, lassen die Relevanz der Heimatregion für die Gefahrenprognose bei einem bewaffneten Konflikt nicht entfallen.
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3.2 Das Berufungsurteil beruht auf diesem Fehler. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zur Lage in der Provinz Helmand getroffen. Ob in dieser Region ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und dem Kläger dort die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG definierte Gefahr droht, kann daher revisionsgerichtlich weder festgestellt noch ausgeschlossen werden.
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3.3 Die Entscheidung erweist sich hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) oder unrichtig, so dass der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden kann.
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a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Kläger - einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner Herkunftsregion unterstellt - in Kabul internen Schutz finden könnte. Dies würde nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzen, dass für den Kläger in Kabul nicht nur keine Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, sondern von ihm auch vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.
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Auch hierzu fehlen hinreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf Kabul zwar festgestellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, weil dort keine extreme Gefahrenlage herrsche und zu erwarten sei, dass Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage aber so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus; weiterhin offenbleiben kann, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35).
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b) Umgekehrt kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsurteil hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus anderen Gründen unrichtig ist. Das Berufungsgericht hat vor allem im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - insbesondere nicht aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan.
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Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem Abschiebungsverbot wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU) umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) - EMRK - orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM <2001> 510 endgültig S. 6, 30). Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83, 389) - GR-Charta - zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn das ernsthafte Risiko der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Dies gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch die Regelung in Art. 19 Abs. 2 GR-Charta die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 15 und 17).
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Entgegen der Auffassung der Revision ist der neueren Rechtsprechung des EGMR nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung" bestimmt. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/06 - NVwZ 2011, 413). Bereits in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (BVerwG 10 B 16.12 - juris Rn. 8 f.) hat der Senat dargelegt, dass der EGMR davon ausgeht, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln (EGMR, Urteile vom 28. Mai 1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u. a./Vereinigtes Königreich - NJW 1986, 3007 Rn. 67; vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 54 und vom 28. Juni 2012 - Nr. 14499/09, A.A. u.a. - Rn. 71). Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (stRspr, EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 Rn. 90 f. und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zugunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadiums an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei (EGMR, Urteil vom 2. Mai 1997 - Nr. 146/1996/767/964, D./Vereinigtes Königreich - NVwZ 1998, 161 Rn. 52 f.). Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung (expulsion) in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 a.a.O. Rn. 44).
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Wie der Senat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (a.a.O. Rn. 9) ausgeführt hat, ist diese gefestigte Rechtsprechung durch das Urteil der Großen Kammer vom 21. Januar 2011 (a.a.O.) im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland nicht grundsätzlich revidiert worden. Dieses Urteil verhält sich - entgegen der Auffassung der Revision - erkennbar nicht zu den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung". Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die - in einem ihnen völlig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259).
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Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich (Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen - wie in Somalia - nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f.).
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Welche Anforderungen sich aus dieser Rechtsprechung des EGMR im Einzelnen für Abschiebungen in den Herkunftsstaat bei schlechten humanitären Bedingungen ergeben, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst der EGMR geht in Bezug auf Afghanistan davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - NJOZ 2012, 952 Rn. 84). Auch auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine allein auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsland gestützte Verletzung des Art. 3 EMRK ersichtlich nicht vor. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des abschiebenden Staates, aus dessen Sicht zu prüfen ist, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 a.a.O. Rn. 265, 301, 309). Das gilt auch bei der Beurteilung von Umständen, die nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen, dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK aber dennoch eine Abschiebung des Ausländers verbieten.
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Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derzeit nur eine Abschiebung nach Kabul möglich ist (UA S. 14). Zugleich hat es sich bezüglich der allgemeinen Lebensbedingungen in Kabul - im Rahmen seiner Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG - in tatsächlicher Hinsicht der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen, dass zu erwarten sei, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten (UA S. 23). Die daran anschließende Bemerkung des Berufungsgerichts, aufgrund der schlechten Gesamtsituation dürfte ohne schützende Familien- und Stammesstrukturen eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten "kaum zumutbar" sein, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Sie umfasst nicht die tatsächliche Feststellung, die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Abschiebezielstaat seien so schlecht, dass nach Art. 3 EMRK von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsse. Mit dieser Formulierung bringt das Berufungsgericht lediglich seine Haltung zum Ausdruck, dass die rechtlichen "Hürden" des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG seiner Auffassung nach zu hoch sind, und lässt in der Sache sein Bedauern erkennen, dass die oberste Landesbehörde für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp aus humanitären Gründen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet hat und das Gericht diese politische Entscheidung - unterhalb der hier nicht erreichten Grenze verfassungsrechtlich gebotenen Abschiebungsschutzes - nicht zu ersetzen vermag (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 5).
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Damit liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG - ungeachtet des Umstandes, dass bei § 60 Abs. 2 AufenthG und bei § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Maßstäbe gelten - ersichtlich nicht vor. Selbst bei Zugrundelegung der - vom EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland für einen gänzlich anderen Anwendungsfall entwickelten und in den Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich auf eine ebenfalls andere Ausgangssituation im Herkunftsstaat übertragenen - abgesenkten und auf die Situation besonderer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit bezogenen Maßstäbe ergäbe sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Verhältnissen in Kabul für den Kläger kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 10).
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Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage an den EuGH. Die Voraussetzungen, unter denen einen abschiebenden Staat aus Art. 3 EMRK ausnahmsweise eine Verantwortung für nicht dem Abschiebezielstaat oder anderen Akteuren zuzurechnende Umstände trifft, ergeben sich aus der Rechtsprechung des EGMR und werfen im vorliegenden Verfahren keine entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen auf. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU zu beachten. Dass die Richtlinie in Bezug auf Art. 3 EMRK bei Umständen, die weder in die Verantwortung des Abschiebezielstaats noch eines sonstigen Akteurs fallen, keinen über die Rechtsprechung des EGMR hinausgehenden Schutz gewährt, ergibt sich schon aus Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 6 der Richtlinie 2004/83/EG). Denn dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass es nach den Vorstellungen des Richtliniengebers auch beim subsidiären Schutz grundsätzlich eines Akteurs bedarf, von dem ein ernsthafter Schaden ausgehen kann.
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4. Kann der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen weder positiv noch negativ abschließend über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden, so ist das Berufungsurteil schon aus diesem Grund aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es auf die von der Revision fristgerecht erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Zur Klarstellung weist der Senat allerdings darauf hin, dass die gerügten Verfahrensfehler nicht vorliegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 16.12 und 10 B 20.12 - zu vergleichbaren Verfahrensrügen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil es den Rechtsstreit nicht dem EuGH vorgelegt hat. Ein solcher Verstoß scheidet schon deswegen aus, weil es nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zwar zur Vorlage berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH aber auch nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt bzw. unterliegen keinen Zweifeln, die eine Vorlage rechtfertigen oder gar gebieten. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
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5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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5.1 Das Berufungsgericht wird hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor allem mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auf aktueller Tatsachengrundlage zu klären haben, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht und ihm dort die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewährt. Ist dies der Fall, hat es weiter zu prüfen, ob der Kläger nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf die Möglichkeit internen Schutzes in einem anderen Landesteil - insbesondere Kabul - verwiesen werden kann.
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5.2 Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes hat, wird es auf aktueller Erkenntnislage auch erneut über den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG zu entscheiden haben.
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a) Dabei kann dahinstehen, wie die Aussage des Berufungsgerichts bei § 60 Abs. 5 AufenthG zu verstehen ist, dass bezüglich Art. 3 EMRK die weitergehende und unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG "vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen" sei. Sollte das Berufungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK durch § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt wird, wäre dies allerdings nicht mit Bundesrecht zu vereinbaren.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse).
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Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft - wie dargelegt - an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG - vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind.
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b) Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat auch dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung).
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Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen kann, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (stRspr, vgl. Urteil vom 8. September 2012 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 - Rn. 22 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.
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Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Maßstäbe ein Abschiebungsverbot verneint, weil in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten sei, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Dabei hat es weder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge der problematischen Versorgungslage, die neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Wohnraum umfasst, zur Beeinträchtigung fundamentaler Schutzgüter kommen werde, überspannt noch hat es seine tatrichterliche Überzeugung auf einer zu schmalen Tatsachenbasis gebildet. Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Beurteilung einer extremen Gefahrenlage die medizinische Versorgungslage nicht hinreichend berücksichtigt, verkennt sie, dass diese nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung ist, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-)Versorgung besteht (s.a. Beschluss vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 20.12 - Rn. 14).
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Soweit das Berufungsgericht im Übrigen der Auffassung ist, das Bundesverwaltungsgericht stelle an das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung überzogene rechtliche Anforderungen, geben die Ausführungen dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Das Berufungsgericht begründet seine Kritik damit, dass die Zumutbarkeit einer Rückkehr unter humanitären Gesichtspunkten, die es aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen selbst für gesunde alleinstehende Männer "kaum" für gegeben hält, nach der Rechtsprechung "kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG" sei. Mit diesen Erwägungen stellt es dem aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit eine eigene - mit außerrechtlichen Erwägungen begründete und enger gefasste - Zumutbarkeit gegenüber und vermischt damit die Grenze zwischen einer dem Betroffenen rechtlich (noch) zumutbaren und einer nicht (mehr) zumutbaren Rückkehr. Dabei vernachlässigt es zudem, dass es bei der verfassungskonformen Auslegung nicht um die Bestimmung eines aus Sicht des jeweiligen Gerichts "sinnvollen" und/oder "menschenrechtsfreundlichen" Abschiebungsschutzregimes geht, sondern um die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen im gewaltenteilenden Rechtsstaat die Rechtsprechung befugt ist, über eine verfassungskonforme Auslegung ausnahmsweise die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, allgemeine Gefahren nur im Rahmen einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, unbeachtet zu lassen. Hierbei macht es in der Sache einen erheblichen Unterschied, ob ein Mensch ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat, oder ob er bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen.
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Die weiteren Zweifel des Berufungsgerichts, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden könne, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen, betreffen nicht den materiell-rechtlichen Maßstab für die Beurteilung einer extremen Gefahrenlage selbst. Die damit ausgedrückte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 22) vernachlässigt, dass diese Auseinandersetzung nicht als Selbstzweck gefordert wird. Sie zielt auf eine Verbesserung der Entscheidungsqualität durch Verbreiterung der erkennbar in die tatrichterliche Bewertung eingestellten Tatsachen- und Argumentationsbasis. Dies gilt namentlich in Fällen, in denen es - wie hier - im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG um eine "Korrektur" des demokratisch legitimierten Gesetzgebers geht, für die im Rahmen der Tatsachen- und Lagebeurteilung eine umfassende Gesamtwürdigung der voraussichtlichen Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat und der damit verbundenen Gefahren erforderlich ist.
Tatbestand
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Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm im Irak drohender Gefahren.
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Der 1976 in Mosul geborene Kläger ist kurdischer Volkszugehöriger sunnitischen Glaubens. Zur Begründung des im Juli 2001 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) gestellten Asylantrags gab er an, dass er in Mosul ein Lebensmittelgeschäft betrieben habe. Eine von einem Kunden in seinem Laden abgestellte Tasche, die Flugblätter von Schiiten enthalten habe, sei von einem Unbekannten inspiziert worden. Sein Vater habe ihm daraufhin zur Flucht geraten und sei seinetwegen später verhaftet worden. Er befürchte, wegen des Vorfalls getötet oder lebenslang inhaftiert zu werden. Mit Bescheid vom 14. September 2001 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, stellte jedoch fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (inzwischen § 60 Abs. 1 AufenthG) hinsichtlich des Irak vorliegen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung verfolgt werde.
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Wegen der veränderten politischen Verhältnisse im Irak widerrief das Bundesamt am 16. März 2006 die Flüchtlingsanerkennung und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.
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Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 1. Februar 2007 im Wesentlichen ausgeführt, der Widerruf sei rechtmäßig, weil der Kläger im Irak nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein keine Verfolgung mehr zu befürchten habe. Er könne auch keine Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bzw. subsidiären Schutz gemäß Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG beanspruchen. Im Irak liege kein landesweiter innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Zudem habe der Kläger die Möglichkeit, in Teilen des Irak internen Schutz zu finden. Im Übrigen stehe die Erlasslage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, die bei allgemeinen Gefahren vergleichbaren Abschiebungsschutz biete, der Gewährung richtliniengemäßen subsidiären Schutzes entgegen.
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Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger seine Revision hinsichtlich des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung zurückgenommen. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 44.07 - das Revisionsverfahren insoweit eingestellt. Im Übrigen hat er, soweit die Verpflichtung zur Feststellung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise nationalen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird, das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat er darauf abgestellt, dass § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG keinen landesweiten bewaffneten Konflikt voraussetze. Die zusätzliche Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne innerhalb des Irak internen Schutz finden, beruhe auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage. Schließlich verletze der Verweis auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ministerielle Erlasse revisibles Recht. Denn § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Sperrwirkung nicht greife, wenn die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt seien.
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Während des neuen Berufungsverfahrens hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei. Damit sei sein Aufenthalt gesichert und es komme auf subsidiären Schutz nicht mehr an.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 21. Januar 2010 zurückgewiesen, soweit sie sich auf das noch anhängige Begehren zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezieht. Die Berufung sei zulässig, denn für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl der Kläger mittlerweile im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG sei. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG könne dem Kläger eine zusätzliche Rechtsposition vermitteln. Die Berufung sei aber unbegründet. Mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führt das Berufungsgericht aus, es könne dahinstehen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren seien. Jedenfalls sei der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt. An seinem Herkunftsort in Mosul bestehe keine so hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Dies ergebe sich aus der Zahl der Anschläge und der Anzahl der Opfer im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, habe 2009 ca. 0,12 % oder ca. 1:800 pro Jahr betragen. Für eine Verschärfung der Sicherheitslage gebe es keine Anhaltspunkte. Gefahrerhöhende individuelle Umstände seien bei dem Kläger nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des hilfsweise begehrten nationalen Abschiebungsschutzes (§ 60 Abs. 7 Satz 1 und § 60 Abs. 5 AufenthG) lägen ebenfalls nicht vor.
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Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision wendet sich der Kläger allein gegen die Ablehnung der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Er rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe bei der Ermittlung der Gefahrendichte auf die im Rahmen der Gruppenverfolgung entwickelten Kriterien der Verfolgungsdichte abgestellt, ohne zwischen den Schutzsystemen zu differenzieren und die Besonderheiten des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen. Auch seien die in das Verfahren eingeführten Quellen zur Häufigkeit von Anschlägen im Irak und zur Zahl der Toten und Verletzten nicht interpretiert und bewertet worden.
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Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die begehrte Verpflichtung zur Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abgelehnt.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Verpflichtungsbegehren auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes. Die darüber hinausgehende Beschränkung des Revisionsantrags auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 16). Eine Revision kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13).
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Für diesen Verpflichtungsantrag ist, obwohl der Kläger mittlerweile eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG besitzt, entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen. Dieses Interesse fehlt nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3>). Der Beklagten ist einzuräumen, dass sich nach nationalem Aufenthaltsrecht die Rechtsstellung eines Ausländers in der Situation des Klägers, der im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG ist, durch die Zuerkennung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes derzeit nicht verbessern kann. Diese Betrachtung greift aber zu kurz. Denn aus dem Umsetzungsdefizit des deutschen Gesetzgebers, der - entgegen den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG im 5. Erwägungsgrund, in Art. 2 Buchst. f und in Art. 18 - den Status des subsidiär Schutzberechtigten im nationalen Recht nicht explizit ausgeformt hat, darf für den Kläger kein Nachteil entstehen (vgl. auch Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 13). Er hat daher ein legitimes Interesse, dass trotz seiner gesicherten aufenthaltsrechtlichen Stellung mit Blick auf diesen Schutzstatus und die damit einhergehenden Vergünstigungen über das Bestehen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots entschieden wird.
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Die zulässige Klage ist aber unbegründet. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und das Revisionsgericht daher bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) greift keines der auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG).
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1. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG und ist in diesem Sinne auszulegen (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17 und Rn. 36).
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Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt anzusprechen sind, weil der Kläger auch bei Annahme eines derartigen Konflikts keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wären. Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
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a) Für seine Prognose, ob der Kläger bei Rückkehr in den Irak einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht auf die tatsächlichen Verhältnisse in seiner Herkunftsregion Mosul abgestellt. Dort hat der Kläger zuletzt gelebt, so dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass er dorthin zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17).
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b) Das Berufungsgericht hat des Weiteren zutreffend geprüft, ob von dem - zugunsten des Klägers unterstellten - bewaffneten Konflikt in der Region von Mosul für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Denn auch eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllen (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 34).
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Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 33). Gefahrerhöhende individuelle Umstände hat das Berufungsgericht bei dem Kläger nicht festgestellt (UA S. 12); dem ist der Kläger mit der Revision auch nicht entgegengetreten.
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Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann aber auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (Urteil vom 14. Juli 2009 a.a.O. Rn. 15 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - Slg. 2009, I-921 = NVwZ 2009, 705). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33).
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In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG. Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR (GK), Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330
); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG).
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Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrunde liegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 31).
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Eine für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichende Gefahrendichte hat das Berufungsgericht für den Bereich der Stadt Mosul verneint. Es hat - in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts (vgl. dazu Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 20 ff.) - aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Provinz Ninive und deren Hauptstadt Mosul lebenden Zivilpersonen annäherungsweise ermittelt und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung gesetzt. Dabei hat es festgestellt, dass das Risiko, in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, für das gesamte Jahr 2009 ungefähr 1:800 betrug. Einen Trend zur Verschlechterung der Sicherheitslage vermochte es nicht festzustellen (UA S. 12). Seine auf der Grundlage dieser Feststellungen gezogene Schlussfolgerung, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, ist revisionsgerichtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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Zwar bedarf es - wie die Revision im Ansatz zu Recht rügt - neben dieser quantitativen Ermittlung auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33). Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Der Mangel in der Vorgehensweise des Berufungsgerichts bleibt aber im vorliegenden Fall ohne Folgen. Denn die Höhe des vom Berufungsgericht festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens ist so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass sich der Mangel im Ergebnis nicht auszuwirken vermag.
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Auch der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG eingegangen ist, verhilft der Revision nicht zum Erfolg, denn das Vorfluchtschicksal des Klägers gab dazu keinen Anlass. Dieses lässt keine Beeinträchtigung erkennen, die auch unter dem Blickwinkel des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG die Qualität einer Vorschädigung erreichen könnte. Zudem bestünde kein sachlicher Zusammenhang mit den nunmehr im Irak drohenden Gefahren.
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2. Das Berufungsgericht hat auch die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG in den Blick genommen, sie aber nicht als durchgreifend angesehen. Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt nach rechtskräftiger Einstellung seines Asylverfahrens gemäß §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 AsylVfG (n.F.) und die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.). Ferner begehrt er die Aufhebung der gegen ihn mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 verfügten Abschiebungsandrohung.
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Der Kläger stellte Ende Mai 2010 einen Asylantrag und gab in einer Niederschrift dazu am 25. Juni 2010 an, er sei somalischer Staatsangehöriger, am 31. Dezember 1991 in Buulobarde geboren und am 24. Mai 2010 nach Deutschland eingereist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - nahm ihm Fingerabdrücke zur Identitätsfeststellung ab. Mit Schreiben vom 23. August 2010 wies es den Kläger darauf hin, dass seine Fingerkuppen beschädigt und seine Fingerabdrücke daher nicht auswertbar seien. Dies begründe den Verdacht, dass er zu der ihm gesetzlich obliegenden Mitwirkung an der Überprüfung seiner Identität nicht bereit sei. Er werde daher aufgefordert, sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamts erscheine und sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehalten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG (a.F.) darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe und in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG (a.F.) nach Aktenlage zu entscheiden sei. Der Kläger hat sich in einem weiteren Termin Fingerabdrücke abnehmen lassen, die wiederum nicht verwertbar waren.
- 3
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Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Ziffer 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorliegen (Ziffer 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in "den Herkunftsstaat" aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziffer 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Er habe weder verwertbare Fingerabdrücke abgegeben noch die angeforderten schriftlichen Angaben zum Reiseweg und zu etwaigen früheren Asylverfahren gemacht. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können. Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29. Oktober 2010 Angaben zu seinem Reiseweg nach Deutschland gemacht und erklärt, dass er Asylanträge mit Ausnahme des verfahrensgegenständlichen nicht gestellt habe. Allerdings kam er während des von ihm eingeleiteten Klageverfahrens einer erneuten Aufforderung zur erkennungsdienstlichen Behandlung im November 2011 nicht nach.
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Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Bundesamts aufgehoben. lm Berufungsverfahren erklärte der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, er hebe Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids auf, weil er sich nicht in der Lage sehe, eine positive Feststellung zu treffen, dass Abschiebungsverbote, wohin auch immer, bestehen.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil geändert, soweit es die Einstellung des Verfahrens gemäß Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 betrifft, weil er die Voraussetzungen der §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) als erfüllt angesehen hat. Dabei hat er sich maßgeblich auf die Tatsache gestützt, dass der Kläger der Ladung zu einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung im November 2011 nicht gefolgt ist und damit sein Asylverfahren nicht betrieben hat. Insoweit ist das Urteil rechtskräftig. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beklagte aber zugleich entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers verpflichtet, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) hinsichtlich Somalia festzustellen, und die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 aufgehoben. Dies hat er im Wesentlichen wie folgt begründet: Nach dem übermittelten Akteninhalt und dem bisherigen Vorbringen des Klägers sowie den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünften und Stellungnahmen bestünden keine begründeten Zweifel, dass der Kläger aus Somalia stamme. Das Bundesamt hätte nach Aktenlage entscheiden müssen, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 5, Abs. 7 AufenthG (a.F.) vorliege. Einer Entscheidung habe es sich nicht unter Hinweis auf die nicht feststehende Identität des Klägers entziehen dürfen. Der Kläger habe bereits am 25. Juni 2010 Angaben zu seinem Herkunftsland, Geburtstag, Geburtsort und zu seiner Religion gemacht und sich dadurch als Asylbewerber aus Somalia zu erkennen gegeben. Darüber hinaus habe er mit Anwaltschreiben vom 29. Oktober 2010 gegenüber dem Bundesamt Angaben zu seinem Reiseweg gemacht und vorgetragen, Asylanträge mit Ausnahme des verfahrensgegenständlichen nicht gestellt zu haben. Diesen Angaben sei das Bundesamt nicht nachgegangen und habe den Kläger hierzu auch nicht persönlich angehört.
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Der Kläger könne die Feststellung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz beanspruchen, weil in zentralen Regionen Somalias ein Bürgerkrieg herrsche, der zu permanenten Gefährdungen der dort ansässigen Bevölkerung führe. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sei jedenfalls insoweit aufzuheben, als dem Kläger die Abschiebung in sein "Herkunftsland", hier Somalia, angedroht werde.
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Die Beklagte rügt mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, der Verwaltungsgerichtshof habe keine ausreichenden Feststellungen zu den Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) (jetzt: subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG
) getroffen, insbesondere im Hinblick auf das Bestehen einer Kriegslage in der Heimatregion des Klägers und die erforderliche Gefahrendichte für ein Schadensrisiko für alle am Ort Aufhältigen. Davon unabhängig dürfe das Bundesamt nicht zur Feststellung von Abschiebungsverboten verpflichtet werden, wenn nicht feststehe, welches der Herkunftsstaat des Klägers sei und ob ihm schon ein anderer Staat internationalen Schutz gewährt habe. Im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sei vorrangig zu klären, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung des Schutzbegehrens überhaupt zuständig sei. Sei dem Kläger in einem anderen Mitgliedstaat bereits internationaler Schutz versagt worden, könne er in Deutschland nicht erneut die Prüfung der Voraussetzungen für den internationalen Schutzstatus verlangen. Entsprechendes gelte, wenn ihm von einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz gewährt worden sei. Sei ihm derartiger Schutz bereits gewährt worden, bestehe auch kein Sachentscheidungsinteresse an der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote. Hierzu könnten auch keine Feststellungen getroffen werden, weil der Herkunftsstaat des Klägers nicht feststehe.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht vertritt die Auffassung, nach Inkrafttreten der Neuregelung des Asylverfahrensgesetzes zum 1. Dezember 2013 habe das Bundesamt gemäß § 32 AsylVfG nur noch über nationalen Abschiebungsschutz zu entscheiden, hingegen nicht mehr über unionsrechtlichen subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG. Über nationale Abschiebungsverbote könne nur dann entschieden werden, wenn ein Zielstaat für die Abschiebung bekannt sei. Das sei hier nicht der Fall. Dem Kläger fehle hierfür das Sachbescheidungsinteresse.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für das Vorliegen von unionsrechtlichem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) mit einer Begründung bejaht, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil zu den Voraussetzungen des sich nunmehr nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) bestimmenden subsidiären Schutzes kann der Senat weder zugunsten noch zulasten des Klägers selbst abschließend entscheiden. Daher ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist grundsätzlich das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798) und das Aufenthaltsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), beide zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. Urteil vom 11. September 2007 - BVerwG 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 30, jeweils Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit hiervon keine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nach Inkrafttreten der Änderungen des Asylverfahrensgesetzes und des Aufenthaltsgesetzes zum 1. Dezember 2013 das Begehren des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.), hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.), sowie die Aufhebung der gegen den Kläger in Ziffer 3 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 verfügten Abschiebungsandrohung in sein Herkunftsland. Hierfür hat der Kläger das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Denn er gibt an, somalischer Staatsangehöriger zu sein und aufgrund der ihm in Somalia drohenden Gefahren die Voraussetzungen für die Gewährung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz und von nationalem Abschiebungsschutz zu erfüllen.
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Dem Begehren des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) steht die Einstellung des Verfahrens gemäß Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 nicht entgegen. Zwar erfasst eine Einstellungsentscheidung nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG in der seit dem 1. Dezember 2013 geltenden Fassung nicht allein - wie bisher - die Flüchtlingseigenschaft, sondern auch den unionsrechtlichen subsidiären Schutz. Die gesetzliche Neuregelung findet aber auf die streitgegenständliche Einstellungsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Oktober 2010, die vor Inkrafttreten der Neuregelung erlassen wurde, keine Anwendung. Denn die Einstellungsentscheidung aus dem Jahr 2010 bezieht sich nur auf das Verfahren der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, nicht hingegen auf die erst in Ziffer 2 des Bescheids getroffene Entscheidung zum unionsrechtlichen subsidiären Schutz und nationalen Abschiebungsschutz. Würde man dem Einstellungsbescheid eine über dessen Inhalt hinausreichende Bedeutung beimessen, wie das der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schriftsätzlich vertreten hat, käme der gesetzlichen Neuregelung eine echte Rückwirkung zu, die mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren wäre. Der Kläger kann sein Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz daher weiterhin verfolgen, das allerdings nunmehr auf Zuerkennung der Rechtsstellung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) gerichtet ist. Das fortbestehende Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an einer Entscheidung über die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz ergibt sich für den Fall der Versagung unionsrechtlichen Schutzes nunmehr aus § 32 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (n.F.).
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2. Die Beklagte ist verpflichtet zu prüfen, ob der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) - hilfsweise für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz - erfüllt. Dem steht die unionsrechtliche Zuständigkeitsregelung für die Prüfung von Asylanträgen nach der Dublin-Verordnung nicht entgegen. Maßgeblich ist im vorliegenden Fall die Dublin-Verordnung vom 18. Februar 2003 (Verordnung
Nr. 343/2003, ABl EG Nr. L 180 S. 1) - Dublin-II-VO. Denn die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU Nr. L 180 S. 31) - Dublin-III-VO - ist nach ihrem Art. 49 nur auf Anträge zur Erlangung internationalen Schutzes anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden. Hier wurde der Asylantrag aber schon im Mai 2010 gestellt.
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Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Dublin-II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt, von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat zu bestimmen ist. Der Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Begehrens auf Gewährung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz können die Regelungen der Dublin-II-VO schon deshalb nicht entgegenstehen, weil sich die Verordnung nur auf das Verfahren der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bezieht (vgl. die Definition des "Asylantrags" in Art. 2 Buchst. c Dublin-II-VO). Erst nach der hier noch nicht anwendbaren Dublin-III-VO umfasst ein Asylantrag auch das Begehren auf Zuerkennung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes (vgl. Art. 2 Buchst. b Dublin-III-VO). Der Entscheidung über die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz stehen die unionsrechtlichen Regelungen des Dublin-Verfahrens schon deshalb nicht entgegen, da sich diese nur auf die Gewährung internationalen Schutzes beziehen, nicht hingegen auf zusätzliche nationale Abschiebungsverbote.
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3. Die Beklagte darf eine Sachentscheidung über den begehrten subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) - hilfsweise nationalen Abschiebungsschutz - auch nicht deshalb verwehren, weil aufgrund der fehlenden Identitätsklärung nicht auszuschließen ist, dass dem Kläger der begehrte Schutz in einem anderen EU-Mitgliedstaat bereits verweigert oder gewährt wurde. Die Beklagte beruft sich für den Fall, dass ein anderer EU-Mitgliedstaat unionsrechtlichen subsidiären Schutz bereits abgelehnt hat, darauf, dass die Dublin-III-VO einer erneuten Sachentscheidung deutscher Behörden entgegenstehen könnte. Die Dublin-III-VO ist jedoch - wie bereits dargelegt - im vorliegenden Fall gar nicht anwendbar, die hier maßgebliche Dublin-II-VO erfasst den subsidiären Schutz hingegen nicht.
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Hingegen kann einem Asylbewerber das Sachbescheidungsinteresse für eine Entscheidung über die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) und für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz in Deutschland fehlen, wenn ihm ein anderer EU-Mitgliedstaat bereits die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat. Im vorliegenden Fall steht aber nicht fest, ob dem Kläger bereits internationaler Schutz gewährt wurde. Auch wenn der Kläger durch Verweigerung der Mitwirkung an seiner Identitätsklärung einen Beitrag dazu geleistet hat, die Klärung dieser Frage zu erschweren, rechtfertigt das keine Abweichung von der in §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) normierten und nach neuem Recht fortbestehenden gesetzlichen Verpflichtung, über den Antrag des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz, hilfsweise auf Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz, in der Sache zu entscheiden. Es kann hier offenbleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen gesetzliche Regelungen über einen Voraufenthalt in einem sicheren Drittstaat einer Sachentscheidung über das Begehren des Klägers entgegenstehen. Denn es steht schon nicht fest, dass der Kläger die danach erforderliche Sicherheit in einem anderen Staat erlangt hat.
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4. Ist die Beklagte danach zu einer Sachentscheidung über das Begehren des Klägers verpflichtet, hat sie das Berufungsgericht jedoch zur Feststellung der Voraussetzungen für das Vorliegen von unionsrechtlichem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) (heute: unionsrechtlicher subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG
) mit einer Begründung verpflichtet, die in zweifacher Hinsicht Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO).
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a) Der Verwaltungsgerichtshof hat die Feststellung, dass der Kläger aus Somalia stammt, auf zu schmaler Tatsachengrundlage getroffen. Das verstößt gegen Bundesrecht (vgl. dazu Urteil vom 19. Juli 2012 - BVerwG 10 C 2.12 - BVerwGE 143, 369 = Buchholz 402.242 § 28 AufenthG Nr. 4, jeweils Rn. 13; Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200, 210 ff. = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 21<28 ff.>). Beruht die Beweiswürdigung des Gerichts auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage, stellt dies einen materiellen Rechtsverstoß dar (Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. S. 213 bzw. 30).
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Die Feststellung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) setzt voraus, dass dem Ausländer in seinem Herkunftsland die in der Vorschrift näher beschriebene Gefahr droht. Das Abstellen auf das Herkunftsland (Land der Staatsangehörigkeit des Ausländers) ergibt sich für die zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung maßgebliche Rechtslage aus einer richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts (vgl. Art. 2 Buchst. e und k der Richtlinie 2004/83/EG - Qualifikationsrichtlinie) und ist jetzt ausdrücklich in § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) so geregelt.
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Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zum Herkunftsland stützen sich ausschließlich auf die in der Niederschrift zum Asylantrag vom 25. Juni 2010 aufgenommenen Angaben des Klägers zu seinem Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Sprache, Religion und Staatsangehörigkeit sowie auf die Angaben seines Prozessbevollmächtigten zum Reiseweg. Die Angaben zum Reiseweg beschränken sich auf die Mitteilung, dass der Kläger "über Äthiopien, Dubai und schließlich Frankfurt am Main Flughafen ins Bundesgebiet eingereist" sei; es fehlen jedoch Angaben dazu, wie er von seinem Heimatort nach Äthiopien gelangt ist. Die vom Berufungsgericht für seine Entscheidung herangezogenen Tatsachen waren nicht detailreich genug, um darauf eine den Maßstäben des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechende Überzeugungsbildung zu stützen.
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Die vom Berufungsgericht seiner Entscheidungsfindung der Sache nach zugrunde gelegte Beweismaßreduktion lässt sich den maßgeblichen Vorschriften nicht entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus den in § 15 Abs. 2 AsylVfG normierten Pflichten des Asylbewerbers zur Vorlage seines Passes oder Passersatzes sowie sonstiger Urkunden und Unterlagen, die in seinem Besitz sind, dass diese Unterlagen als regelmäßig erforderlich angesehen werden, um über einen Asylantrag sowie Antrag auf Gewährung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz und nationalem Abschiebungsschutz zu entscheiden. Auf keinerlei derartige Unterlagen konnte der Verwaltungsgerichtshof seine Überzeugungsbildung stützen, weil sie ihm nicht vorlagen. Daher wäre es erforderlich gewesen, diesen Mangel an Grundlagen für die Feststellung zum Herkunftsland des Klägers jedenfalls durch eine persönliche Anhörung des Klägers auszugleichen. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist das Bundesamt verpflichtet, den Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweise zu erheben. In diesem Rahmen ist es nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG grundsätzlich zu einer persönlichen Anhörung des Asylbewerbers verpflichtet. Kommt das Bundesamt dieser Verpflichtung nicht nach - etwa weil es sich an einer Sachentscheidung gehindert sieht -, muss das Gericht, wenn es eine Entscheidung zur Sache für geboten hält, die gesetzlich gebotenen Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts durchführen. Jedenfalls nachdem das Bundesamt Zweifel an den Angaben des Klägers zu seinem Herkunftsland vorgetragen und u.a. darauf hingewiesen hat, dass die vom Kläger gebrauchte Sprache auch in den an Somalia angrenzenden Landesteilen von Äthiopien und Kenia gebräuchlich sei, hätte der Verwaltungsgerichtshof die Feststellung, dass der Kläger aus Somalia stammt, nicht ohne eigene Sachaufklärung treffen dürfen, insbesondere nicht ohne persönliche Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung.
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Von der Verpflichtung, sich um verlässliche Tatsachenfeststellungen zum Herkunftsland des Klägers zu bemühen, ist das Gericht nicht wegen der erfolgten Weigerung des Klägers entbunden, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken. Weder die Behörde noch das Gericht dürfen sich der Verpflichtung entziehen, Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für subsidiären Schutz und erforderlichenfalls von nationalem Abschiebungsschutz zu treffen. Der gegenteiligen Rechtsauffassung der Beklagten ist nicht zu folgen. Lässt sich das Herkunftsland nicht mit der für die behördliche und gerichtliche Überzeugungsbildung erforderlichen Gewissheit feststellen, weil der Kläger die Mitwirkung an der Klärung seiner Identität verweigert, ist dies im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen und gegebenenfalls eine negative Feststellung zum subsidiären Schutz und zum nationalen Abschiebungsschutz zu treffen, wie dies das Bundesamt ursprünglich in Ziffer 2 seines Bescheids vom 18. Oktober 2010 getan hat.
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b) Das Berufungsgericht hat weiterhin dadurch gegen Bundesrecht verstoßen, dass es die Voraussetzungen für den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.), die mit denen des nunmehr maßgeblichen unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG (n.F.) übereinstimmen, unter Verkennung des Begriffs der erheblichen individuellen Gefahr im Sinne dieser Vorschrift ohne hinreichende Feststellungen zur individuellen Betroffenheit des Klägers von den in Somalia drohenden Gefahren bejaht hat.
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Die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) setzt voraus, dass der Ausländer in seinem Herkunftsland als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Das Berufungsgericht hält hierfür der Sache nach für ausreichend, dass im Herkunftsstaat des Ausländers ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht, der zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und schweren Menschenrechtsverletzungen führt. Damit bleibt außer Acht, dass es für die individuelle Betroffenheit einer Feststellung zur Gefahrendichte bedarf, die jedenfalls auch eine annäherungsweise quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos umfasst (vgl. Urteile vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 38, jeweils Rn. 33 und vom 17. November 2011 - BVerwG 10 C 13.10 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u Asylrecht Nr. 58 Rn. 22 f.). Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, ist eine wertende Gesamtbetrachtung zur individuellen Betroffenheit des Klägers möglich, für den keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände festgestellt worden sind (vgl. Urteil vom 17. November 2011 a.a.O. Rn. 23).
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5. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids vom 18. Oktober 2010, deren Rechtmäßigkeit sich nach § 34 AsylVfG bestimmt, begegnet nicht deshalb Bedenken, weil es der Androhung der Abschiebung in den "Herkunftsstaat" an der notwendigen Bestimmtheit mangelte. Dies macht die Androhung nicht unwirksam. § 59 Abs. 2 AufenthG sieht die Zielstaatsbestimmung nur als Soll-Regelung vor. Ein konkreter Zielstaat braucht bei fehlender Klärung der Staatsangehörigkeit des Ausländers nicht benannt zu werden (vgl. Urteil vom 25. Juli 2000 - BVerwG 9 C 42.99 - BVerwGE 111, 343 <346 ff.> = Buchholz 402.240 § 50 AuslG Nr. 10 S. 4
). Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung hängt im Übrigen von der offenen Frage ab, ob dem Kläger unionsrechtlicher subsidiärer Schutz oder hilfsweise nationaler Abschiebungsschutz zu gewähren ist.
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6. Da das Revisionsgericht die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache zur weiteren Aufklärung gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei wird das Begehren des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nunmehr an § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) zu messen sein und das Begehren auf Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz an § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.). Der Verwaltungsgerichtshof wird zunächst die notwendigen Feststellungen dazu treffen müssen, ob der Kläger somalischer Staatsangehöriger ist. Sollte das zu bejahen sein, ist die notwendige quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos nachzuholen, um darauf aufbauend eine wertende Gesamtbetrachtung zur individuellen Betroffenheit des Klägers von den ihm in Somalia drohenden Gefahren im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG (n.F.) vorzunehmen. Dabei wird der Verwaltungsgerichtshof auch zu berücksichtigen haben, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Urteil vom 5. September 2013 unter umfangreicher Auswertung von Auskünften und Erkenntnissen aus unterschiedlichen Staaten zu dem Ergebnis gekommen ist, dass sich die Lage jedenfalls in der somalischen Hauptstadt Mogadishu seit 2011 in einer Weise verbessert hat, dass die Abschiebung eines Somalis, der keine gefahrerhöhenden Merkmale aufweist, nicht gegen Art. 3 EMRK verstößt (Nr. 886/11 - K.A.B./Schweden Rn. 86 - 97).
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Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass unionsrechtlicher subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG zu verneinen ist, wird es die Voraussetzungen für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.) zu prüfen haben. Hierbei wird das Gericht mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aufzuklären haben, ob dem Kläger in Somalia Gefahren drohen, vor denen die genannten Vorschriften Abschiebungsschutz gewähren. Die Feststellung ist auch dann zu treffen, wenn nicht mit hinreichender Überzeugungsgewissheit festzustellen ist, dass der Kläger somalischer Staatsangehöriger ist, da nationaler Abschiebungsschutz auch für einen potentiellen Zielstaat gewährt werden kann, dessen Staatsangehörigkeit der Kläger nicht besitzt. Ein Rechtsschutzbedürfnis hierfür besteht, weil der Kläger behauptet, aus Somalia zu stammen und die Beklagte dies jedenfalls für möglich hält und eine Abschiebung dorthin nicht ausgeschlossen hat. Insofern unterscheidet sich die Sachlage von derjenigen, die den von der Beklagten zitierten Urteilen des 1. Senats vom 4. Dezember 2001 (BVerwG 1 C 11.01 - BVerwGE 115, 267 <270 f.> = Buchholz 240 § 53 AuslG Nr. 52 S. 88
) und vom 12. April 2005 (BVerwG 1 C 3.04 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 2) zugrunde lag. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG auch vor Gefahren für Leib und Leben schützt, die seitens nichtstaatlicher Akteure drohen (Urteil vom 13. Juni 2013 - BVerwG 10 C 13.12 - NVwZ 2013, 1489).
Tatbestand
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Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm im Irak drohender Gefahren.
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Der 1976 in Mosul geborene Kläger ist kurdischer Volkszugehöriger sunnitischen Glaubens. Zur Begründung des im Juli 2001 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) gestellten Asylantrags gab er an, dass er in Mosul ein Lebensmittelgeschäft betrieben habe. Eine von einem Kunden in seinem Laden abgestellte Tasche, die Flugblätter von Schiiten enthalten habe, sei von einem Unbekannten inspiziert worden. Sein Vater habe ihm daraufhin zur Flucht geraten und sei seinetwegen später verhaftet worden. Er befürchte, wegen des Vorfalls getötet oder lebenslang inhaftiert zu werden. Mit Bescheid vom 14. September 2001 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, stellte jedoch fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (inzwischen § 60 Abs. 1 AufenthG) hinsichtlich des Irak vorliegen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung verfolgt werde.
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Wegen der veränderten politischen Verhältnisse im Irak widerrief das Bundesamt am 16. März 2006 die Flüchtlingsanerkennung und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.
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Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 1. Februar 2007 im Wesentlichen ausgeführt, der Widerruf sei rechtmäßig, weil der Kläger im Irak nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein keine Verfolgung mehr zu befürchten habe. Er könne auch keine Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bzw. subsidiären Schutz gemäß Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG beanspruchen. Im Irak liege kein landesweiter innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Zudem habe der Kläger die Möglichkeit, in Teilen des Irak internen Schutz zu finden. Im Übrigen stehe die Erlasslage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, die bei allgemeinen Gefahren vergleichbaren Abschiebungsschutz biete, der Gewährung richtliniengemäßen subsidiären Schutzes entgegen.
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Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger seine Revision hinsichtlich des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung zurückgenommen. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 44.07 - das Revisionsverfahren insoweit eingestellt. Im Übrigen hat er, soweit die Verpflichtung zur Feststellung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise nationalen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird, das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat er darauf abgestellt, dass § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG keinen landesweiten bewaffneten Konflikt voraussetze. Die zusätzliche Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne innerhalb des Irak internen Schutz finden, beruhe auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage. Schließlich verletze der Verweis auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ministerielle Erlasse revisibles Recht. Denn § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Sperrwirkung nicht greife, wenn die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt seien.
- 6
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Während des neuen Berufungsverfahrens hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei. Damit sei sein Aufenthalt gesichert und es komme auf subsidiären Schutz nicht mehr an.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 21. Januar 2010 zurückgewiesen, soweit sie sich auf das noch anhängige Begehren zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezieht. Die Berufung sei zulässig, denn für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl der Kläger mittlerweile im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG sei. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG könne dem Kläger eine zusätzliche Rechtsposition vermitteln. Die Berufung sei aber unbegründet. Mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führt das Berufungsgericht aus, es könne dahinstehen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren seien. Jedenfalls sei der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt. An seinem Herkunftsort in Mosul bestehe keine so hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Dies ergebe sich aus der Zahl der Anschläge und der Anzahl der Opfer im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, habe 2009 ca. 0,12 % oder ca. 1:800 pro Jahr betragen. Für eine Verschärfung der Sicherheitslage gebe es keine Anhaltspunkte. Gefahrerhöhende individuelle Umstände seien bei dem Kläger nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des hilfsweise begehrten nationalen Abschiebungsschutzes (§ 60 Abs. 7 Satz 1 und § 60 Abs. 5 AufenthG) lägen ebenfalls nicht vor.
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Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision wendet sich der Kläger allein gegen die Ablehnung der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Er rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe bei der Ermittlung der Gefahrendichte auf die im Rahmen der Gruppenverfolgung entwickelten Kriterien der Verfolgungsdichte abgestellt, ohne zwischen den Schutzsystemen zu differenzieren und die Besonderheiten des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen. Auch seien die in das Verfahren eingeführten Quellen zur Häufigkeit von Anschlägen im Irak und zur Zahl der Toten und Verletzten nicht interpretiert und bewertet worden.
- 9
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Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die begehrte Verpflichtung zur Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abgelehnt.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Verpflichtungsbegehren auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes. Die darüber hinausgehende Beschränkung des Revisionsantrags auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 16). Eine Revision kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13).
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Für diesen Verpflichtungsantrag ist, obwohl der Kläger mittlerweile eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG besitzt, entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen. Dieses Interesse fehlt nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3>). Der Beklagten ist einzuräumen, dass sich nach nationalem Aufenthaltsrecht die Rechtsstellung eines Ausländers in der Situation des Klägers, der im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG ist, durch die Zuerkennung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes derzeit nicht verbessern kann. Diese Betrachtung greift aber zu kurz. Denn aus dem Umsetzungsdefizit des deutschen Gesetzgebers, der - entgegen den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG im 5. Erwägungsgrund, in Art. 2 Buchst. f und in Art. 18 - den Status des subsidiär Schutzberechtigten im nationalen Recht nicht explizit ausgeformt hat, darf für den Kläger kein Nachteil entstehen (vgl. auch Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 13). Er hat daher ein legitimes Interesse, dass trotz seiner gesicherten aufenthaltsrechtlichen Stellung mit Blick auf diesen Schutzstatus und die damit einhergehenden Vergünstigungen über das Bestehen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots entschieden wird.
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Die zulässige Klage ist aber unbegründet. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und das Revisionsgericht daher bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) greift keines der auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG).
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1. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG und ist in diesem Sinne auszulegen (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17 und Rn. 36).
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Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt anzusprechen sind, weil der Kläger auch bei Annahme eines derartigen Konflikts keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wären. Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
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a) Für seine Prognose, ob der Kläger bei Rückkehr in den Irak einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht auf die tatsächlichen Verhältnisse in seiner Herkunftsregion Mosul abgestellt. Dort hat der Kläger zuletzt gelebt, so dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass er dorthin zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17).
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b) Das Berufungsgericht hat des Weiteren zutreffend geprüft, ob von dem - zugunsten des Klägers unterstellten - bewaffneten Konflikt in der Region von Mosul für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Denn auch eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllen (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 34).
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Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 33). Gefahrerhöhende individuelle Umstände hat das Berufungsgericht bei dem Kläger nicht festgestellt (UA S. 12); dem ist der Kläger mit der Revision auch nicht entgegengetreten.
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Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann aber auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (Urteil vom 14. Juli 2009 a.a.O. Rn. 15 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - Slg. 2009, I-921 = NVwZ 2009, 705). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33).
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In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG. Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR (GK), Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330
); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG).
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Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrunde liegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 31).
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Eine für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichende Gefahrendichte hat das Berufungsgericht für den Bereich der Stadt Mosul verneint. Es hat - in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts (vgl. dazu Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 20 ff.) - aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Provinz Ninive und deren Hauptstadt Mosul lebenden Zivilpersonen annäherungsweise ermittelt und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung gesetzt. Dabei hat es festgestellt, dass das Risiko, in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, für das gesamte Jahr 2009 ungefähr 1:800 betrug. Einen Trend zur Verschlechterung der Sicherheitslage vermochte es nicht festzustellen (UA S. 12). Seine auf der Grundlage dieser Feststellungen gezogene Schlussfolgerung, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, ist revisionsgerichtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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Zwar bedarf es - wie die Revision im Ansatz zu Recht rügt - neben dieser quantitativen Ermittlung auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33). Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Der Mangel in der Vorgehensweise des Berufungsgerichts bleibt aber im vorliegenden Fall ohne Folgen. Denn die Höhe des vom Berufungsgericht festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens ist so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass sich der Mangel im Ergebnis nicht auszuwirken vermag.
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Auch der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG eingegangen ist, verhilft der Revision nicht zum Erfolg, denn das Vorfluchtschicksal des Klägers gab dazu keinen Anlass. Dieses lässt keine Beeinträchtigung erkennen, die auch unter dem Blickwinkel des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG die Qualität einer Vorschädigung erreichen könnte. Zudem bestünde kein sachlicher Zusammenhang mit den nunmehr im Irak drohenden Gefahren.
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2. Das Berufungsgericht hat auch die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG in den Blick genommen, sie aber nicht als durchgreifend angesehen. Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.