Verwaltungsgericht Halle Urteil, 11. Aug. 2017 - 1 A 346/16 HAL
Gericht
Tenor
Insoweit, als die Kläger die Klage zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18. April 2016 verpflichtet,
der Klägerin zu 1) die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, dem Kläger zu 2) den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und hinsichtlich der Klägerinnen zu 3) und 4) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger und die Beklagte je zur Hälfte; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Kläger stammen nach eigenen Angaben aus Afghanistan und begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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Die am 1. Januar 1980 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter der Kläger zu 2) – 4). Hierbei handelt es sich um ihren am 1. Januar 1999 geborenen Sohn sowie zwei Töchter im Alter von 15 und 12 Jahren. Die Familie stellte nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik am 17. März 2016 einen Asylantrag.
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Zu ihrem Asylbegehren gab die Klägerin zu 1) im behördlichen Verfahren im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 1. April 2016 an: Die Taliban hätten ihren Ehemann bedrängt, sich ihnen anzuschließen. Im Gegensatz zu vielen seiner Bekannten und Verwandten habe er sich aber geweigert, für sie zu arbeiten. Etwa drei Jahre vor ihrer Flucht seien nachts Leute gekommen und hätten ihn mitgenommen. Seither habe sie ihn nicht mehr gesehen. Sie habe sich an die Behörden gewandt und Hilfe verlangt. Die Behörden hätten ihr aber nicht geholfen und später gesagt, ihr Mann sei tot und sie soll ihn nicht mehr suchen.
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Später habe man ihre ältere Tochter, die Klägerin zu 3. entführt. Die Männer seien maskiert gewesen, so dass sie sie nicht habe erkennen können. Die Polizei habe ihre Tochter schnell gefunden. Bei der Tat habe diese einen Finger verloren, den man ihr in der Autotür eingeklemmt hatte. Vor zwei Jahren seien dann Männer zu ihr gekommen und hätten verlangt, dass sie ihre Tochter verheirate. Auch diese Leute seien maskiert gewesen. Sie habe aber an den Augen erkannt, dass es dieselben Personen gewesen seien, die auch ihren Mann entführt hätten.
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Sie habe sich darauf bei ihren Nachbarn Hilfe geholt. Diese hätten ihr geraten, auszureisen.
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Mit Bescheid vom 29. April 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als auch auf Asylanerkennung als unbegründet ab, erkannte den Klägern den subsidiären Schutzstatus nicht zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Weiter forderte die Beklagte die Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Antragstellerin habe ihre Furcht vor Verfolgung und ihre persönliche Gefährdungslage nicht überzeugend geschildert.
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Am 29. April 2016 haben die Kläger beim erkennenden Gericht Klage erhoben.
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Sie sind der Ansicht, die Beklagte habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass es sich bei den Klägern um eine Familie handele, bei der die Klägerin zu 1) als alleinerziehende Mutter der Familie vorstehe. Nach dem Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshof vom 21. November 2014 (Az.: 13 a B 14.30248 -, Juris) bestehe bei Familien mit minderjährigen Kindern angesichts der schlechten humanitären Bedingungen in Afghanistan regelmäßig die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK, so dass deswegen subsidiärer Schutz zuzuerkennen, zumindest aber ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen sein dürfte.
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Nachdem die Kläger zunächst beantragt haben,
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ihnen die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
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haben sie in der mündlichen Verhandlung beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, wiederum hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen, und den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2016 insoweit aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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Sie tritt der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Bescheides des Bundesamtes entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die Kammer kann durch die Einzelrichterin entscheiden, weil der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylG mit Beschluss vom 29. März 2016 auf die bestellte Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen wurde.
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Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden, weil in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit ausdrücklich hingewiesen worden ist.
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Die zulässige Klage hat überwiegend Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 18. April 2016 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Klägerin zu 1) steht im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 1 AsylG zu. Der Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes und zugunsten der Klägerinnen zu 3) und 4) sind Abschiebungsverbote festzustellen.
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Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet. Einem Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, der nicht den Regelungen des § 3 Abs. 2 bzw. § 3 Abs. 4 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 8 AufenthG unterfällt oder der den in § 3 Abs. 3 AsylG bezeichneten anderweitigen Schutzumfang genießt, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylG). Als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zwischen den Verfolgungsgründen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i. V. m. § 3 b AsylG) und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Verknüpfung bestehen (§ 3 a Abs. 3 AsylG).
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Unter dem Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Asylantragsteller in einer Angelegenheit, die die in § 3 c AsylG (vgl. Art. 6 QRL) genannten potentiellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob der Antragsteller aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist (§ 3 b Abs. 1 Nr. 5 AsylG; Art. 10 Abs. 1 Buchst. e QRL). Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe reicht es aus, wenn diese Merkmale dem Asylantragsteller von seinem Verfolger lediglich zugeschrieben werden (§ 3 b Abs. 2 AsylG; Art. 10 Abs. 2 QRL). Die Qualifikationsrichtlinie hat sich insofern an dem aus dem angloamerikanischen Rechtsraum bekannten Auslegungsprinzip der 'imputed political opinion' orientiert, wonach es ausreicht dass ein Verfolger seine Maßnahmen deshalb gegen den Antragsteller richtet, weil er davon ausgeht, dass dieser eine abweichende politische Überzeugung vertritt (VG München, Urteil vom 2. Dezember 2014 – M 24 K 14.30759 - , Juris). Als politisch ist eine Überzeugung im Gegensatz zu einer rein privaten dann zu qualifizieren, wenn sie sich im weitesten Sinne auf die Auseinandersetzung um die Gestaltung des Zusammenlebens von Menschen und Menschengruppen im gesellschaftlichen und staatlichen Raum bezieht und damit einen öffentlichen Bezug hat. Der verfolgende Akteur greift auf Leib, Leben oder persönliche Freiheit des Schutzsuchenden zu, um dessen oppositionelle Einstellung zu bekämpfen.
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Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der voraussetzt, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen - es kommt darauf an, ob in Anbetracht aller Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (Nds. OVG, Urteil vom 19. September 2016 - 9 LB 100/15 -, Juris S. 7 f. m.w.N.). Dabei obliegt es dem Antragsteller, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen, indem er seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorträgt. Dazu bedarf es – unter Angabe der Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhaltes. Er muss er die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse lückenlos schildern. Das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals erlangen. Dabei greift zugunsten eines Betroffenen die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (Nds. OVG, Urteil vom 23. November 2015 - 9 LB 106/15 -, Juris S. 8 m.w.N.), ohne dass hierdurch jedoch der Wahrscheinlichkeitsmaßstab geändert würde (BVerwG, Urteil vom 07. September 2010 - 10 C 11/09 -, Juris Rn. 14 f.). Diese Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt, beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen, zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal einer ernsthaften Schädigung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. April 2010 - 10 C 5/09 -, Juris Rn. 21). Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit des Eintritts eines solchen Schadens entkräften).
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In Anwendung dieser Grundsätze droht der Klägerin zu 1) nach Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine geschlechtsspezifische Verfolgung i.S. des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 4 AsylG. Als ledige (verwitwete) Frau ohne den Rückhalt des Familienverbandes ist das Führen eines menschenwürdigen Lebens für sie nicht realistisch (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 16). Dies hat die Klägerin auch durch ihre eigenen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung überzeugend untermauert. Sie hat glaubhaft gemacht, dass aufgrund dieser Verfolgung, die von den Taliban ausgeht, in Afghanistan zumindest ihre körperliche Unversehrtheit und Freiheit bedroht wären. Das Gericht hält die nunmehr in der mündlichen Verhandlung detaillierten und widerspruchsfreien Angaben der Klägerin für glaubhaft. Sie hat in der mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Auch aus der emotionalen Bewegtheit, mit der die Klägerin die einzelnen Umstände in der mündlichen Verhandlung darlegte, schließt das Gericht, dass es sich bei den Schilderungen um wahre Begebenheiten handeln muss. Bereits nach der Darstellung ihres Schicksals nach dem Verschwinden ihres Ehemannes durch die Klägerin zu 1) in ihrer Anhörung bei der Beklagten am 1. April 2016, dass diese auch nicht angezweifelt hat, und der ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ist die Richterin davon überzeugt, dass die Klägerin zu 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung als Frau und Witwe ihr Heimatland verlassen hat. Ausweislich ihrer Schilderung war sie in ihrer Heimat allein auf sich gestellt, ohne den Schutz und Rückhalt eines Familienverbandes in Anspruch nehmen zu können. Ihre eigene Familie hat Afghanistan verlassen und die Familie ihres Ehemannes hat sie abgelehnt und weder sie noch ihre Kinder unterstützt. Überzeugend hat sie dargelegt, dass sie als Frau ihr Haus nicht habe verlassen können und dadurch auch keine Möglichkeit gehabt habe, den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie zu verdienen und dadurch ausschließlich auf ihre beiden minderjährigen Söhne angewiesen und von diesen abhängig. Sie war aber auch nicht in der Lage, sich selbst oder den Kindern - insbesondere ihren beiden Töchtern – ausreichenden Schutz zu gewähren, was sich darin zeigt, dass auf sie Druck ausgeübt worden ist um sie zu zwingen, ihre Tochter mit einem ihr völlig fremden Mann zu verheiraten und zudem bereits wiederholt der Versuch eines Zugriffs durch Angehörige der Taliban auf ihre auch heute erst 15jährige Tochter erfolgt ist.
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Als Witwe gehört sie einer bestimmten sozialen Gruppe i. s. des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 4 AsylG an, die wegen ihrer deutlich abgegrenzten Identität von der afghanischen Gesellschaft ausgegrenzt wird. In der Islamischen Republik Afghanistan sind Witwen je nach den Umständen des Einzelfalls auch ohne eine Vorverfolgung oder Vorschädigung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen durch nichtstaatliche Akteure zumindest in der Form von Menschenrechtsverletzungen oder Diskriminierungen, die in ihrer Kumulierung einer schwerwiegenden Verletzung der grundlegenden Menschenrechte gleichkommen (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG), ausgesetzt. Insbesondere können ihnen die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG) und sonstige Handlungen, die an ihre Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen (§ 3a Abs. 2 Nr. 6), drohen. Zwar hat sich die Situation afghanischer Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft verbessert (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.3.2015, S. 14). Die Islamische Republik Afghanistan hat sich in ihrer Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze formal dazu verpflichtet, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.3.2015, S. 14). Auch wurde durch das im Wege eines Präsidialdekrets im Jahr 2009 erlassene Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen - dessen Verabschiedung durch beide Parlamentskammern allerdings weiterhin aussteht (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.3.2015, S. 15; Amnesty International, Their lives on the line: women human rights defenders under attack in Afghanistan, Apr. 2015, S. 56 ff; USDOS, Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan vom 25.6.2015) - eine wichtige Grundlage geschaffen, Gewalt gegen Frauen - erstmals überhaupt - unter Strafe zu stellen. Gleichwohl gibt es in der Islamischen Republik Afghanistan nach wie vor gravierende Rechtsverletzungen zulasten von Frauen (Fortschrittsbericht der Bundesregierung von Nov. 2014, S. 15 f.). Es mangelt vielfach an der praktischen Umsetzung der genannten Rechte (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.3.2015, S. 14; Amnesty International, Their lives on the line: women human rights defenders under attack in Afghanistan, Apr. 2015, S. 56). Auch weiterhin ist in der afghanischen Gesellschaft in allen Lebensbereichen Gewalt gegenüber Frauen tief verwurzelt (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 55; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 13). Die Afghanistan Independent Human Rights Commission bezeichnet dies als eines der gravierendsten Menschenrechtsprobleme in Afghanistan (AIHRC, Summary of the Findings Report on Violence against Women vom 8.3.2015). Es wird geschätzt, dass mehr als 87 % aller afghanischen Frauen bereits körperliche, sexuelle, psychologische Gewalt oder eine Zwangsheirat erfahren mussten. Mehr als 60 % der afghanischen Frauen sind mehreren Formen der Gewalt ausgesetzt (UN General Assembly, Report of the Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences, Mission to Afghanistan, 12.5.2015, S. 5 ). Die gegenüber Frauen verübte Gewalt ist zum Teil äußerst brutal. Sie umfasst beispielsweise Tötungen in Form von Verbrennungen sowie das Abschneiden von Körperteilen (AIHRC, Summary of the Findings Report on Violence against Women vom 8.3.2015). Als weiteres Hauptproblem bezeichnet die Afghanistan Independent Human Rights Commission den Umstand, dass Frauen in der Islamischen Republik Afghanistan in besonderem Maße Belästigungen auf der Straße ausgesetzt sind (AIHRC, Summary of the Findings Report on Violence against Women vom 8.3.2015). Auch ist es für viele afghanische Frauen immer noch sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben. Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und der eingeschränkte Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.3.2015, S. 14). Gewaltakte, Belästigungen und sonstigen Diskriminierungen können in der Islamischen Republik Afghanistan insbesondere solche Frauen ausgesetzt sein, die in der Wahrnehmung anderer gesellschaftliche Normen verletzen. Denn im gesellschaftlichen Bereich bestimmen nach wie vor eine orthodoxe Auslegung der Scharia und archaisch-patriarchalische Ehrenkodizes die Situation von Frauen. Der Verhaltenskodex der afghanischen Gesellschaft verlangt von ihnen grundsätzlich den Verzicht auf Eigenständigkeit. Falls sie sich den gesellschaftlichen Normen verweigern, besteht die Gefahr der sozialen Ächtung (vgl. BAMF, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, Apr. 2010, S. 27). Afghanische Frauen, die in der Wahrnehmung anderer gesellschaftliche Normen verletzen, werden gesellschaftlich stigmatisiert, allgemein diskriminiert und ihre Sicherheit ist gefährdet (UNHCR-Richtlinien vom 6.8.2013, S. 62).
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Dementsprechend geht der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), der eine besonders sorgfältige Prüfung der Asylanträge der Risikogruppe "Frauen" empfiehlt (vgl. UNHCR, "Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan – Erkenntnisse u.a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013" von Aug. 2014, S. 3), davon aus, dass je nach den individuellen Umständen des Einzelfalls nicht nur bei afghanischen Frauen, die bereits Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt oder schädlicher traditioneller Bräuche geworden sind oder entsprechend gefährdet sind, sondern auch bei afghanischen Frauen, die nach der öffentlichen Wahrnehmung gegen die sozialen Sitten verstoßen, wahrscheinlich ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz besteht (UNHCR-Richtlinien vom 6.8.2013, S. 64).
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Unter Frauen, die nach der öffentlichen Wahrnehmung gegen die sozialen Sitten verstoßen und damit einer geschlechtsspezifischen, von den individuellen Umständen abhängigen Verfolgung unterliegen können, sind solche Frauen zu verstehen, deren und nicht nur vorübergehenden Verhalten als nicht mit den von der Gesellschaft, der Tradition und dem Gesetz auferlegten Geschlechterrollen vereinbar angesehen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 21.1.2014 - 9 LA 60/13 - juris Rn. 6).
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Bei der Klägerin zu 1) ist bei einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls auch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG auszugehen. Ihre individuelle Situation ist unter Beachtung ihres regionalen, sozialen, insbesondere aber auch ihres familiären Hintergrundes zu beurteilen. Danach ist ihre konkrete Situation ausgesprochen gefährlich. Ihre Heimat wird von den Taliban beherrscht, deren Frauenbild ein eigenständiges, selbst bestimmtes Leben nicht zulässt, so dass sie in ihrer Heimatregion einer besonderen Gefährdung ausgesetzt ist. Dies wird verstärkt durch ihre soziale Situation, durch die sie am Rand der Gesellschaft leben müsste. Sie hat zudem nicht den Rückhalt eines Familienverbandes mit erwachsenen männlichen Mitgliedern, die ihr in der Gesellschaft Schutz gewähren würden.
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Die Klägerin zu 1) vermag weder Schutz durch den Staat oder Dritte zu erlangen, noch stünde ihr eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung.
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Der afghanische Staat vermag der Klägerin im Fall der Rückkehr keinen Schutz gegen die ihr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung zu bieten. Nach § 3 c Nr. 3 in Verbindung mit § 3 d Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG kann Schutz vor Verfolgung vom Staat nur geboten werden, sofern dieser willens und in der Lage ist, einen wirksamen Schutz im Sinne des § 3 d Abs. 2 AsylVfG zu bieten. Die afghanischen staatlichen Akteure aller drei Gewalten sind jedoch entweder nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.3.2015, S. 14; Amnesty International, Their lives on the line: women human rights defenders under attack in Afghanistan, Apr. 2015, S. 59; UN General Assembly, Report of the Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences, Mission to Afghanistan, 12.5.2015, S. 17) (OVG Lüneburg, Urteil vom 21. September 2015 – 9 LB 20/14 –, Rn. 48, Juris). Staatlicher Schutz ist für Frauen nicht zu erlangen (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 69; BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 28). Das Justizsystem funktioniert in Afghanistan nur sehr eingeschränkt (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 5). Es herrscht ein Klima der Straflosigkeit (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfsafghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 28; SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15). Der Islamvorbehalt in der Verfassung, tradierte Moralvorstellungen, Einflussnahmemöglichkeiten durch Verfahrensbeteiligte und Unbeteiligte sowie Zahlungen von Bestechungsgeldern verhindern Entscheidungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen des Justizsystems (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 12; vgl. auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 6 f.). Auch innerhalb der Polizei ist Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfsafghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 29, vgl. auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 6; www.deutschlandfunk.de, Hauptursache der schlechten Sicherheitslage, v. 14.06.2017). Korruption ist im gesamten Justizwesen weit verbreitet, insbesondere im Zusammenhang mit strafrechtlicher Verfolgung und Freilassungen aus dem Gefängnis (Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Zielen Rachehandlungen wegen vorehelichem Geschlechtsverkehr nur auf den "Täter" ab oder können auch andere Mitglieder seiner Familie zum Ziel werden?; 2) Möglichkeit, bei staatlichen Stellen um Schutz vor Rachehandlungen anzusuchen, v. 23.02.2017, S. 7; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 6). Auch Angst vor Strafaktionen von religiösen Extremisten führt zu polizeilicher Zurückhaltung (ACCORD, Dokumentation des Expertengespräches mit T. R. und M. D., v. 06.2016, S. 13 f.). Zudem ist das Justizwesen unterfinanziert und personell unterbesetzt (SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15). So findet etwa auch eine polizeiliche Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch an Jugendlichen und Kindern nicht statt (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 13) und auch die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen und Mädchen bleibt üblicherweise straflos (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 66). Dies gelte auch für internen Schutz (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 28). Auch auf lokale Machthaber ohne staatliche Befugnisse hat die Zentralregierung kaum Einfluss und kann sie nur begrenzt kontrollieren bzw. ihre Taten untersuchen und verurteilen, so dass Sanktionen häufig ausbleiben (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 17; vgl. auch SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15). Eine parallele Rechtsprechung einschließlich der damit verbundenen Strafsanktionen bis hin zu Exekutionen wird kaum bis gar nicht verfolgt (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 21; vgl. auch SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15 f.; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfsafghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 29). Täter von Menschenrechtsverletzungen werden selten zur Rechenschaft gezogen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 29). In ländlichen Gebieten zeigen sich dabei deutlich mehr Schwächen als in städtischen (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfsafghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 28; SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15; ACCORD, Dokumentation des Expertengespräches mit T. R. und M. D., v. 06.2016, S. 17). Schutz können Frauen in größeren Städten theoretisch zwar in Frauenhäusern finden, diese verfügen jedoch nicht über ausreichend Plätze (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, v. 30.09.2016, S. 18); auch ist ein Leben außerhalb im Anschluss regelmäßig nicht mehr möglich (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 15).
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Die Klägerin kann sich auch nicht in einem anderen Landesteil niederlassen und dort Schutz vor dem drohenden Schaden finden. Selbst in städtischen Gebieten sind alleinstehende Frauen regelmäßig nicht in der Lage, ein Leben ohne unangemessene Härte zu führen (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 98; vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 01.12.2016 - Au 5 K 16.31914 -, juris Rn. 24), zumal die Klägerin Analphabetin ist und allein für die Versorgung ihrer Kinder verantwortlich ist (VG Lüneburg, Urteil vom 10. Juli 2017 – 3 A 205/16 –, Juris). Das Gericht hält es daher für ausgeschlossen, dass die Klägerin als alleinstehende Frau im Falle ihrer Rückkehr zusammen mit ihren Kindern ein menschenwürdiges Leben führen könnte. In allen Landesteilen ist ihre Furcht vor Verfolgung begründet und hätte sie keinen Schutz vor Verfolgung.
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Der Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, weil er stichhaltige Gründe (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, n.v.; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.) für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 AsylG durch einen in § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 c AsylG genannten Akteur droht. Prognosemaßstab für den Schaden ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 26; OVG NRW, Urt. v. 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 34).
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Die Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und seiner Begriffe orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden EMRK), wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf (Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 24 zu § 4 AsylVfG; BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.). Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs von den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls ab, wie etwa der Art und dem Kontext der Fehlbehandlung, der Dauer, den körperlichen und geistigen Auswirkungen, sowie - in einigen Fällen - vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf EGMR, Urt. v. 04.11.2014, - 29217/12, Tarakhel ./. Switzerland - HUDOC Rn. 94). Eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK hat der EGMR etwa dann angenommen, wenn sie unter anderem geplant war, ohne Unterbrechung über mehrere Stunden erfolgte und körperliche Verletzungen oder ein erhebliches körperliches oder seelisches Leiden bewirkte (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils unter Bezugnahme auf EGMR, Urt. v. 09.07.2015 - 32325/13, Mafalani ./. Croatia - HUDOC Rn. 69 m.w.N.). Von einer erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ist der EGMR ausgegangen, wenn sie bei dem Opfer Gefühle der Angst, seelischer Qualen und der Unterlegenheit hervorruft, wenn sie das Opfer in dessen oder in den Augen anderer entwürdigt und demütigt, und zwar unabhängig davon, ob dies beabsichtigt ist, ferner, wenn die Behandlung den körperlichen oder moralischen Widerstand des Opfers bricht oder dieses dazu veranlasst, gegen seinen Willen oder Gewissen zu handeln sowie dann, wenn die Behandlung einen Mangel an Respekt offenbart oder die menschliche Würde herabmindert (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils unter Bezugnahme auf EMGR, Urt. v. 03.09.2015 - 10161/13, M. und M. ./. Croatia - HUDOC Rn. 132).
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Aufgrund des Vorbringens des Klägers zu 2) in der mündlichen Verhandlung ist das Gericht davon überzeugt, dass diesem bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden in Form einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 AsylG bis hin zu einer Tötung durch die Taliban droht.
- 34
Der Kläger zu 2) hat glaubhaft vorgetragen, dass er sich in begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befindet und dessen Schutz nicht in Anspruch nehmen kann. Nach der Überzeugung des Gerichts hat er noch vor dem Verlassen Afghanistans eine ernsthafte individuelle Bedrohung erlitten. Der Kläger zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass er als ältester Sohn befürchte, bei seiner Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der im Zusammenhang mit seinem Vater erfolgten Vorkommnisse einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt zu sein.
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Dieses Vorbringen des Klägers bezüglich seiner individuellen Bedrohung hat das Gericht als glaubhaft überzeugt. Danach ist das Gericht davon überzeugt, dass für den Kläger eine Bedrohung durch die Taliban besteht. Der Kläger ist durch die nachhaltige Weigerung seines Vaters, als einziger seines Umfeldes nicht für die Taliban arbeiten zu wollen, in das Visier der Taliban geraten. Dass sich der Vater so den Zorn der Taliban zugezogen hat, liegt nach der Überzeugung des Gerichts auf der Hand. Deshalb ist der Vater letztendlich entführt worden. Wegen des in Afghanistan weit verbreiteten und auch von den Taliban praktizierten Prinzips der Sippenhaft sieht es das Gericht als hinreichend wahrscheinlich an, dass der Kläger als ältester Sohn des aufständischen Vaters weitere Verfolgungsmaßnahmen befürchten muss. Hierfür genügt bereits die bloße Familienangehörigkeit, um der Gefahr einer individuellen Verfolgung ausgesetzt zu sein. Bereits dieses besondere Näheverhältnis begründe eine potentielle Gefährdungslage für den Sohn. Daran dürfte auch der Tod des Vaters nichts geändert haben.
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Unabhängig davon dürfte ein weiterer beachtlicher Grundallein im Alter des Klägers zu sehen sein. Die Taliban sind sehr daran interessiert, gerade junge Männer im wehrfähigen Alter zwangsweise zu rekrutieren, wobei der Kläger aufgrund des Schicksals seines Vaters nach der Überzeugung der Einzelrichterin zu Recht davon ausgeht, dass er besonders im Focus der Taliban steht. Bei den Taliban handelt es sich um Akteure, von den die Verfolgung ausgehen kann, weil weder der afghanische Staat, noch sonstige Organisationen willens bzw. in der Lage sind, dem Kläger Schutz vor dem drohenden ernsthaften Schaden zu bieten, § 4 Abs. 3 i.V.m. §§ 3c Nr. 3, 3 d AsylG.
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Dem Kläger steht auch keine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung, um bei seiner Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung durch die Taliban auszuweichen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger anderenorts in Afghanistan vor Nachstellungen etwa durch die Taliban sicher ist. Hier ist vielmehr davon auszugehen, dass diese über ein (Informations-)Netzwerk verfügen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 28. Juli 2014 – 9 LB 2/13 -, Juris m. w. N.).
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Aus den vorliegenden Erkenntnismitteln folgt allerdings nicht, dass auch den weiteren Kindern der Klägerin zu 1), den Klägern zu 3) und 4) ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Sie haben keinen Anspruch auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigte infolge einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG). Für eine solche Annahme müssen stichhaltige Gründe vorliegen (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.). Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist der tatsächliche Zielort des Betroffenen bei einer Rückkehr, damit in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 13, 16; Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn.16). Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben, wie etwa einer berufsbedingten Nähe zu einer Gefahrenquelle oder einer bestimmten religiösen Zugehörigkeit (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 18; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris). Wenn solche individuellen gefahrerhöhenden Umstände fehlen, kann eine entsprechende Individualisierung ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 19 m.w.N.; OVG NRW, Beschl. v. 09.03.2017 - 13 A 2575/16.A -, juris Rn. 13; Nds. OVG Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Dies setzt aber ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt voraus (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 19; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Permanente Gefährdungen der Bevölkerung und schwere Menschenrechtsverletzungen im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts reichen für sich allein nicht aus (BVerwG, Urt. v. 13.02.2014 - 10 C 6/13 -, juris Rn. 24; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Dies gilt auch bei heftigen Auseinandersetzungen zwischen der afghanischen Armee und aufständischen Gruppen, die auch die Zivilbevölkerung durch Massenentführungen, Vertreibungen, Kämpfe in bewohnten Gebieten oder Angriffe auf Dörfer im Mitleidenschaft ziehen (Nds. OVG, Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.). Für die Bestimmung der Gefahrendichte hat eine quantitative Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Gewaltniveau) und daneben auch eine wertende Gesamtbetrachtung jedenfalls auch im Hinblick auf die medizinische Versorgungslage zu erfolgen (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; Nds. OVG, Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Das Risiko einer Zivilperson von 1:800 (bezogen auf ein Jahr) verletzt oder getötet zu werden ist dabei weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines ihr drohenden Schadens entfernt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; vgl. auch Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). In diesem Fall vermag sich auch eine wertende Gesamtbetrachtung regelmäßig im Ergebnis nicht auszuwirken (VG Lüneburg, Urteil vom 10. Juli 2017 – 3 A 205/16 –, Juris).
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Die Beklagte ist daher verpflichtet, den Klägern Schutz entsprechend der Tenorierung dieses Urteils zuzuerkennen. Soweit der streitgegenständliche Bescheid dem entgegensteht, ist er aufzuheben. Gleiches gilt für den Abschiebungsschutz. Über die Hilfsanträge zum Vorliegen von Abschiebungsverboten braucht nicht mehr entschieden zu werden. Mit der Aufhebung der Abschiebungsandrohung entfällt auch die Grundlage für die in Ziffer 6 des angegriffenen Bescheides angeordnete Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes, so dass der Bescheid auch insoweit aufzuheben war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO sowie § 83 b AsylG.
- 41
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.
(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.