Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägerinnen zu je 1/2 auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Den Klägerinnen wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag.

2

Die Klägerin zu 1. war Miteigentümerin des früheren Grundstücks Flurstücke G1, G2, G3, G4, G5 und G6, in einer Größe von 1.863 m². Nachdem sie insoweit das Alleineigentum erworben hatte, verkaufte sie mit notariellem Vertrag vom 22. August 2007 Teilflächen – das heutige Grundstück Flurstücke G2 und G4 – in einer Größe von 854 m² an die Klägerin zu 2., die am 30. April 2015 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde. Im Folgenden ist mit der Wendung „Grundstück“ das ursprüngliche Grundstück unter Einschluss der veräußerten Teilfläche und mit „Teilfläche“ das im Eigentum der Klägerin zu 2. stehende Grundstück gemeint.

3

Das Grundstück grenzt an den S.weg. Hierbei handelt es sich um eine Gemeindestraße, die an der Einmündung in die ebenfalls S.weg genannte Gemeindestraße auf Höhe des Flurstücks G7 beginnt. Sie führt auf einer Länge von etwa 91 m in nördliche Richtung und endet am Graben Niege Reeg. Von dort führt eine fußläufige Verbindung (Fußgängerbrücke) zu der ebenfalls Niege Reeg genannten Gemeindestraße. Nördlich des Flurstücks G8 führt ein etwa 30 m langer St.weg (G9) in östliche Richtung zum Grundstück der Klägerin zu 1. Westlich des Flurstücks G10 führt ein als Sch.weg bezeichneter St.weg in einer Breite von ca. 6 m und einer Länge von 100,60 m in westliche Richtung und erschließt dabei 14 Baugrundstücke.

4

Vor der Durchführung der Baumaßnahme war der S.weg unbefestigt. Eine Straßenbeleuchtung war vorhanden, eine Straßenentwässerung nicht. Im Zuge der im Jahre 2012 durchgeführten Baumaßnahme erhielt der S.weg eine den anerkannten Regeln der Technik entsprechende Fahrbahn mit einer Befestigung aus Asphalt und eine Fahrbahnentwässerung. Die Straßenbeleuchtung wurde erneuert. Der zum Grundstück der Klägerin zu 1. führende St.weg wurde zwar in die Baumaßnahme einbezogen, er erhielt jedoch statt einer Asphaltdecke nur eine Schotterdecke. Eine Straßenbeleuchtung wurde im St.weg nicht angelegt. Die Schlussrechnung für die (eigentliche) Straßenbaumaßnahme datiert vom 25. Mai 2016. Gegenwärtig sind aber die naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen für die Baumaßnahme nicht abgeschlossen.

5

Mit Bescheid vom 20. November 2013 zog der Beklagte die Klägerin zu 1. für das Grundstück zu einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag i.H.v. 3.090,89 EUR heran. Dabei wurde ein Miteigentumsanteil der Klägerin zu 1. von 1/4 zugrunde gelegt. Dieser Bescheid ist bestandskräftig. Mit Änderungsbescheid vom 4. Februar 2014 setzte der Beklagte unter Zugrundelegung des Miteigentumsanteils von 1/2 die von der Klägerin zu 1. zu entrichtende Vorausleistung auf 6.181,78 EUR fest und verband die Festsetzung wegen einer bereits erfolgten Zahlung mit einem Leistungsgebot i.H.v. 3.090,89 EUR. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin zu 1. wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2015 – zugestellt am 19. Juni 2015 – zurück.

6

Am 16. Juli 2015 haben die Klägerinnen die gegen den Beklagten und den Landrat des Landkreises Vorpommern-Rügen gerichtete Anfechtungsklage erhoben. Mit Beschluss vom 18. August 2015 hat das Gericht das Verfahren abgetrennt, soweit sich die Klage gegen den Landrat des Landkreises Vorpommern-Rügen richtet und es nach Klagerücknahme eingestellt.

7

Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass die Klage zulässig sei. Der Vorausleistungsbescheid vom 20. November 2013 sei zwar bestandskräftig. Mit dem fristgerecht angefochtenen Änderungsbescheid vom 4. Februar 2014 sei ihm aber die Bestandskraft entzogen worden. Auch die Klage der Klägerin zu 2. sei zulässig. Sie habe ein Rechtsschutzbedürfnis, da nach dem Grundstückskaufvertrag auch die Grundstückslasten auf sie übergegangen seien.

8

Der Änderungsbescheid vom 4. Februar 2014 sei rechtswidrig. Die der Beitragserhebung zugrunde liegende Straßenbaubeitragssatzung sei nicht ordnungsgemäß von der Gemeinde P. beschlossen worden. Auch die Rechtsanwendung sei fehlerhaft. Es fehle an einem ordnungsgemäß beschlossenen Ausbauprogramm, einer korrekten Beschreibung der Verkehrsanlage, einem Bautenzustandsbericht vor und nach der Baumaßnahme sowie eine korrekte Beitragskalkulation. Ferner liege eine fehlerhafte Abschnittsbildung und Kostenspaltung vor. Die Verwendung der Vorausleistung sei ebenfalls fehlerhaft.

9

Zu Unrecht sei der zu den Grundstücken der Klägerinnen führende St.weg nicht in das Ausbauprogramm aufgenommen worden. Insoweit fehle es an einer beitragsfähigen Verbesserung, so dass die Annahme eines beitragsrelevanten Vorteils ausscheide. Bei der Bildung des Abrechnungsgebiets sei die Einbeziehung der an den Sch.weg angrenzenden Grundstücke versäumt worden. Diese Grundstücke würden durch die Maßnahme bevorteilt. Der Änderungsbescheid vom 4. Februar 2014 hätte wegen des zwischenzeitlich erfolgten Eigentümerwechsels gegenüber der Klägerin zu 2. erlassen werden müssen.

10

Die Klägerinnen beantragen,

11

den Vorausleistungsbescheid des Beklagten vom 20. November 2013 und seinen Änderungsbescheid vom 4. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2015 aufzuheben.

12

Der Beklagte verteidigt die angegriffenen Bescheide und beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Mit Beschluss vom 4. Dezember 2017 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

16

Die Klage hat keinen Erfolg; sie ist in Bezug auf die Klägerin zu 2. unzulässig (1.) und in Bezug auf die Klägerin zu 1. zulässig aber unbegründet (2.).

17

1. Die Klägerin zu 2. ist nicht klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Sie ist nicht Adressatin der angefochtenen Bescheide. Damit fehlt es an der von § 42 Abs. 2 VwGO vorausgesetzten Möglichkeit der Rechtsverletzung.

18

Abweichendes folgt entgegen ihrer Auffassung nicht aus dem Umstand, dass sie nach dem mit der Klägerin zu 1. geschlossenen Grundstückskaufvertrag vom 22. August 2007 im Innenverhältnis zu dieser die Grundstückslasten der erworbenen Teilfläche zu tragen hat. Hierbei handelt es sich lediglich um eine mittelbare Beeinträchtigung im Sinne eines Rechtsreflexes, bei der die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes der Klägerin zu 2. von vornherein ausscheidet. Im Übrigen erwächst ihr durch die fehlende Klagebefugnis kein Nachteil, da sie im Innenverhältnis zur Klägerin zu 1. alle Einwendungen geltend machen kann, die dieser gegen ihre Heranziehung zustehen. Daran ändert auch die Bindungswirkung der Rechtskraft dieses Urteils – so sie denn eintritt – nichts, da gegenüber der Klägerin zu 2. keine Sachentscheidung ergeht (vgl. § 121 Abs. 1 VwGO).

19

2. a) Entgegen der Auffassung des Beklagten steht die Bestandskraft des Bescheides vom 20. November 2013 der Zulässigkeit der Klage der Klägerin zu 1. nicht entgegen. Zu Recht weist sie darauf hin, dass dieser Bescheid durch den Änderungsbescheid vom 4. Februar 2014 aufgehoben wurde. Diesem Bescheid kann entnommen werden, dass das Abgabenschuldverhältnis allein und unabhängig von seinem weiteren „Schicksal“ im Verwaltungsprozess durch den Änderungsbescheid geregelt werden soll. Strenggenommen existiert der Vorausleistungsbescheid vom 20. November 2013 nicht mehr; seine Benennung im Klageantrag erfolgt ausschließlich aus Klarstellungsgründen.

20

b) Der Änderungsbescheid vom 4. Februar 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin zu 1. daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung der Gemeinde P. über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenbaubeitragssatzung – SBS) vom 19. September 2013 i.d.F. 1. Änderung vom 23. November 2015. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung bestehen nicht.

21

Insbesondere sind die Regelungen über den nutzungsbezogenen und den gebietsbezogenen Artzuschlag in § 7 Abs. 7 Buchst. a und b SBS nicht zu beanstanden. Mit dem Erlass der 1. Änderungssatzung hat die Gemeinde P. die zunächst vorteilswidrige Regelung über den nutzungsbezogenen Artzuschlag in § 7 Abs. 7 Buchst. a SBS (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2015 – 3 A 196/14 –, juris Rn. 24; Urt. v. 15.10.2015 – 3 A 409/13 –, juris Rn. 21 ff.) an die Anforderungen der Rechtsprechung angepasst.

22

Da die Klägerin zu 1. ihre Rüge, die Straßenbaubeitragssatzung sei nicht ordnungsgemäß beschlossen worden, nicht ansatzweise begründet hat, kann dieser Einwand auf sich beruhen. Weitere Ermittlungen zu dieser Frage liefen auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus.

23

Die Rechtsanwendung durch den Beklagten ist ebenfalls nicht zu beanstanden.§ 11 Abs. 1 Satz 1 SBS sieht die Erhebung von Vorausleistungen bis zur Höhe der voraussichtlichen Beitrags vor, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist. Die Vorausleistung ist ihrem Wesen nach ein Vorschuss auf den Ausgleich eines später mit der Herstellung der beitragsfähigen Anlage vermittelten Sondervorteils. Ihre Erhebung setzt nicht das Vorliegen eines bereits voll ausgebildeten Sondervorteils voraus, so dass es ausreicht, dass der Sondervorteil so entstehen kann, wie bei der Ermittlung der Vorausleistung angenommen. Daraus folgt, dass die Ermittlung der Vorausleistung grundsätzlich nach denselben Kriterien zu erfolgen hat, wie die Ermittlung des endgültigen Beitrags. So ist bei der Aufwandsermittlung (vgl. § 3 SBS) und –verteilung (vgl. § 4 SBS) der Anlagenbegriff zu berücksichtigen. Der umlagefähige Aufwand ist für jede selbstständige Anlage i.S.d. sog. natürlichen Betrachtungsweise gesondert zu ermitteln und (nur) auf die von dieser Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Die daraus folgenden Maßgaben sind vom Beklagten beachtet worden.

aa) Die Aufwandsermittlung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere begegnet es keinen Bedenken, dass die Aufwandsermittlung nicht anhand der durch Unternehmerrechnungen belegten tatsächlichen Kosten, sondern anhand einer Kostenschätzung, nämlich der Kostenteilung des von der Gemeinde P. eingeschalteten Planungsbüros vom 29. Juli 2013 erfolgt ist. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Beklagten lag zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens noch keine Schlussrechnung für den Straßenbau vor, da diese erst vom 25. Mai 2016 datiert.
24

bb) Auch gegen die Aufwandsverteilung ist nichts zu erinnern. Diese richtet sich nach § 5 Abs. 1 SBS. Danach bilden die Grundstücke das Abrechnungsgebiet, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Verkehrseinrichtung nach § 1 eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Verkehrseinrichtung eröffnet wird. Die daraus folgenden Anforderungen hat der Beklagte nicht verkannt.

25

So begegnet es entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1. keinen Bedenken, dass die ausschließlich vom Sch.weg erschlossenen Grundstücke nicht in den Vorteilsausgleich für den S.weg einbezogen werden. Denn bei dem Sch.weg handelt es sich trotz des Umstandes, dass er als Sackgasse zur Erfüllung seiner Erschließungsfunkion auf den S.weg angewiesen ist, nicht um einen unselbstständigen Bestandteil des Stückwegs, sondern um eine eigenständige Anlage i.S.d. im Straßenausbaubeitragsrecht geltenden sog. natürlichen Betrachtungsweise. Zwar kann nach der von der Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kasuistik zur Frage der beitragsrechtlichen Selbstständigkeit von Stichstraßen und –wegen eine bis zu 100 m tiefe, nicht verzweigte und nicht abknickende Stichstraße als unselbständiges Anhängsel der Hauptstraße, von der sie abzweigt, gesehen werden, wenn sie nach den tatsächlichen Verhältnissen den Eindruck einer vermittelt, d.h. ungefähr wie eine Zufahrt aussieht (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 12 Rn. 15 m.w.N.). Dies trifft auf den Sch.weg jedoch nicht zu, obwohl er gerade und unverzweigt verläuft und vom S.weg abhängig. Ob ein Straßenzug selbstständige Straße oder unselbstständiges Anhängsel eines Straßenhauptzuges ist, bemisst sich nach dem Gesamteindruck, der sich nach den tatsächlichen Verhältnissen einem unbefangenen Beobachter darbietet, vor allem unter Berücksichtigung von Länge und Breite des Abzweigs, der Beschaffenheit seines Ausbaus, der Zahl der durch ihn erschlossenen Grundstücke sowie des damit verbundenen Maßes der Abhängigkeit vom Hauptzug. Je mehr sich Größe und Ausbau des Abzweigs dem Hauptzug annähern und je größer die durch ihn unmittelbar erschlossene Zahl von Grundstücken ist, desto eher handelt es sich um eine selbstständige Anlage (OVG Münster, Urt. v. 29.06.1992 – 2 A 2580/91 –, juris Rn. 22).

26

Nach diesen Kriterien verbietet sich die Einstufung des Sch.weges als unselbstständige Zufahrt. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Sch.weg etwas mehr als 100 m lang ist und bereits aus diesem Grund nicht mehr als unselbstständig eingestuft werden kann. Hinzu kommt, dass er eine Breite von knapp 6 m aufweist und damit etwa ebenso breit ist, wie der S.weg (zum Kriterium der Fahrbahnbreite vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 170/08 –, juris Rn. 20). Zudem erschließt er 14 Baugrundstücke und hat damit eine Verkehrsfunktion, die über die einer bloßen Zufahrt hinausgeht.

27

Das Gericht deutet den weiteren Einwand, es liege keine beitragsfähige Verbesserung vor, weil der auf dem G9 verlaufenden 30 m lange St.weg nicht in die Baumaßnahme einbezogen worden sei dahin, dass sich die Klägerin gegen die Einbeziehung ihres Grundstücks in den Vorteilsausgleich wehrt. Doch auch in diesem Sinne greift der Einwand nicht. Denn bei dem St.weg handelt es sich nach den oben dargestellten Kriterien um einen unselbstständigen Bestandteil des Stückweges. Als Folge davon sind die von diesem weg erschlossenen Grundstücke vom S.weg erschlossen und nach § 5 Abs. 1 SBS in den Vorteilsausgleich aufzunehmen.

28

Der Umstand, dass der St.weg nicht so ausgebaut ist, wie die zum Niege Reeg führende Teilstrecke des Stückweges, steht der Erhebung der Vorausleistung nicht entgegen. Richtig ist zwar, dass der Anlagenbegriff des Kommunalabgabengesetzes dazu zwingt, regelmäßig die gesamte beitragsfähige Anlage unter Einschluss unselbstständiger Stichwege auszubauen. Richtig ist auch, dass die aus dem Anlagenbegriff folgenden Maßgaben nicht durch ein auf Teile der Anlage beschränktes Ausbauprogramm unterlaufen werden können. Ausnahmen von diesem Erfordernis können sich aber aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit ergeben. Es ist der Gemeinde nämlich nicht zuzumuten, auch solche Anlagenteile auszubauen, deren Zustand den aus der Verkehrsfunktion dieser Teile folgenden Anforderungen in jeder Hinsicht genügt. Denn ein darauf entfallender Aufwand wäre nicht erforderlich und damit nicht beitragsfähig und dürfte in der Kalkulation nicht berücksichtigt werden. Unter diesen Voraussetzungen kann auch ein Teilstreckenausbau sachliche Beitragspflichten begründen.

29

Ob dies in Bezug auf den auf dem G9 St.weg zutrifft, bedarf gegenwärtig keiner Entscheidung. Wenn die Voraussetzungen für einen Teilstreckenausbau nicht vorliegen, hat der unterbliebene Ausbau des Stichweges lediglich die Folge, dass sachliche Beitragspflichten für den S.weg (bis Niege Reeg) nicht entstehen können. Dies berührt die vorliegend im Streit stehende Vorausleistung nicht, weil deren Erhebung das Vorliegen eines voll ausgeprägten Sondervorteils nicht erfordert. Sie ist vielmehr nur zulässig, solange sachliche Beitragspflichten noch nicht entstanden sind (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 KAG M-V). Da auch die Sechs-Jahres-Frist des § 7 Abs. 4 Satz 4 KAG M-V gegenwärtig noch nicht abgelaufen ist, bedarf es keiner Klärung ob der Klägerin zu 1. ein Erstattungsanspruch gegen die Gemeinde P. entstanden ist, der der Erhebung der Vorausleistung entgegensteht.

30

Weil es im Rahmen der Erhebung einer Vorausleistung nicht auf die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ankommt, geht auch der an das Fehlen von Abschnittsbildungs- und Kostenspaltungsbeschlüssen anknüpfende Einwand der Klägerin zu 1. ins Leere.

31

cc) Schließlich ist auch die Heranziehung der Klägerin zu 1. nicht zu beanstanden. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 KAG M-V i.V.m. § 11 Abs. 1 SBS können auf die künftige Beitragsschuld angemessene Vorausleistungen erhoben werden, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist. Die Vorausleistung darf nicht mehr verlangt werden, wenn die Beitragsschuld nicht mehr „künftig“, sondern „aktuell“ ist. „Aktuell“ ist die Beitragsschuld aber erst, sobald die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, wobei es maßgeblich auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens ankommt (zum Meinungsstand vgl. Seppelt, KStZ 2017, 164 <167>). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Entstehung sachlicher Beitragspflichten setzt nach § 8 Abs. 5 KAG M-V die endgültige Herstellung der beitragsfähigen Anlage voraus. Dabei ist der Begriff der Herstellung in einem beitragsrechtlichen Sinne zu verstehen: Da es um die Abrechenbarkeit der Anlage geht, reicht es nicht aus, dass die Baumaßnahme – wie hier – technisch abgeschlossen ist (Bauabnahme). Erforderlich ist vielmehr, dass die Kosten der Maßnahme feststehen. Dies ist vorliegend auch gegenwärtig noch nicht der Fall, da die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen nicht abgeschlossen sind. Weil deren Kosten nach 3 Abs. 2 Nr. 4 SBS beitragsfähig sind, steht der umlagefähige Aufwand nicht fest. Damit ist der S.weg auch gegenwärtig noch nicht endgültig hergestellt i.S.d. § 8 Abs. 5 KAG M-V.

32

Auch gegen die Höhe der Vorausleistung (100 v.H. des voraussichtlich endgültigen Beitrags) ist nicht zu erinnern. Sie berücksichtigt den Umstand, dass der Straßenausbau technisch abgeschlossen ist und die Anlage in vollem Umfang benutzt werden kann.

33

Weiter begründet der am 30. April 2015 und damit noch vor dem Abschluss des Widerspruchsverfahrens erfolgte Eigentumserwerb der Klägerin zu 2. an der Teilfläche keinen Einwand gegen die Erhebung der Vorausleistung. Denn ein nachträglicher Eigentümerwechsel ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorausleistungsbescheides stets unbeachtlich. Er wirkt sich weder im Widerspruchsverfahren noch im Klageverfahren aus. Dies folgt aus der materiell-rechtlichen Regelung in § 7 Abs. 4 Satz 3 KAG M-V. Nach dieser Vorschrift ist die Vorausleistung mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht endgültig beitragspflichtig ist. Diese Rechtsfolge kann aber nur erreicht werden, wenn der Wegfall der Umstände, die zur Beitragspflicht im Vorausleistungsverfahren geführt haben, die Rechtmäßigkeit und den Bestand des Vorausleistungsbescheides als Rechtsgrund für das vorübergehende Behaltendürfen der Vorausleistung und deren Tilgungswirkung zugunsten des endgültig persönlich Beitragspflichtigen unberührt lässt. Veränderungen in der Eigentümerstellung berühren deshalb die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Vorausleistungsbescheides in der Person des damaligen Eigentümers entstandene Vorausleistungspflicht nicht (VG Greifswald, Urt. v. 19.08.2011 – 3 A 309/09 –, juris Rn. 23; Holz in: Aussprung/Siemers/ders., KAG M-V, Stand 07/2013 § 8 Anm. 1.6.1; Seppelt, KStZ 2017, 164 <167>).

34

Die übrigen Einwände der Klägerin zu 1. (fehlender Bauzustandsbericht, Verwendung der Vorausleistung) liegen schließlich neben der Sache. Ein Bautenzustandsbericht wird weder vom Kommunalabgabengesetz noch von der Straßenbaubeitragssatzung gefordert. Über die Verwendung der vereinnahmten Vorausleistung ist die Gemeinde P. gegenüber der Klägerin zu 1. nicht rechenschaftspflichtig.

35

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 121


Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,1.die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und2.im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flurstücke G1, G2, G3 und G4 in einer Größe von 1.000,00 m², des in gleicher Flur und Gemarkung gelegenen Grundstücks Flurstück G5 in einer Größe von 9.279,00 m² und des ebenfalls in gleicher Flur und Gemarkung gelegenen Grundstücks Flurstück G6, in einer Größe von 8.909 m².

3

Die Grundstücke, auf denen die Klägerin die „B.-Schule“ (Grundschule mit Orientierungsstufe) betreibt, liegen im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplanes Nr. 22 „J.-Straße“, der in seiner Ursprungsfassung im Jahre 2005 erlassen worden ist. Sie sind im Bebauungsplan als Gemeinbedarfsfläche ausgewiesen. Die östlich und nördlich an die Grundstücke der Klägerin angrenzenden Flächen sind als allgemeines Wohngebiet (WA), die westlich und südlich der klägerischen Grundstücke gelegenen Flächen sind als eingeschränktes Gewerbegebiet (GEe) bzw. als Gewerbegebiet (GE) ausgewiesen und werden entsprechend genutzt.

4

Die Grundstücke Flurstück G6 und G5 grenzen an die J.-Straße. Das Grundstück Flurstücke G1, G2, G3 und G4 liegt, ohne an die J.-Straße anzugrenzen, zwischen den beiden erstgenannten Grundstücken. Es grenzt westlich an die St.-Straße. Bei der J.-Straße handelt es sich um eine Gemeindestraße, die von der Einmündung in die Sp.-Straße in westliche Richtung führt und dabei die D.-Straße (Ortsdurchfahrt der B 96) in einem Straßentunnel unterquert. Westlich des Knotens führt die Verkehrsanlage den Namen H.-Straße.

5

In den Jahren 2007/2008 ließ die Stadt A-Stadt die J.-Straße in den vorhandenen Teileinrichtungen ausbauen. Die Bauabnahme erfolgte am 14. April 2008. Zu diesem Zeitpunkt endete die J.-Straße unmittelbar östlich der D.-Straße. Als Verbindung zur H.-Straße existierte lediglich ein Fußgängertunnel. Im Zeitraum Januar 2007 bis August 2008 wurde ein Ersatzneubau für das Brückenbauwerk der D.-Straße hergestellt. Im Zuge dieser Baumaßnahme wurden die J.-Straße und die H.-Straße miteinander verbunden. Der Knotenausbau wurde vollständig über Fördermittel (URBAN II-Mittel) finanziert.

6

Am 13. November 2008 fasste die Stadtvertretung der Stadt A-Stadt den Beschluss über Satzung der Stadt A-Stadt über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes „Nordstadt-Ihlenfelder Vorstadt“ (Sanierungssatzung). Die öffentliche Bekanntmachung der am 10. Dezember 2008 ausgefertigten Satzung erfolgte am 31. Dezember 2008. Die J.-Straße und die H.-Straße liegen im Geltungsbereich der Sanierungssatzung.

7

Die letzte Unternehmerrechnung für die durchgeführte Baumaßnahme datiert vom 29. Mai 2008. Für die Maßnahme waren Zuwendungen zur Förderung wirtschaftsnaher Infrastrukturmaßnahmen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GA-Mittel) ausgereicht worden, die auch den Beitragspflichtigen zugute kamen. Das Ergebnis der Verwendungsprüfung liegt dem Beklagten seit dem 29. Mai 2009 vor.

8

Mit Bescheiden vom 18. Dezember 2013 zog der Beklagte die Klägerin zu Straßenausbaubeiträgen für die J.-Straße i.H.v. 1.706,95 EUR, 8.645,65 EUR und 16.618,25 EUR heran. Dabei stufte er die J.-Straße als Innerortsstraße ein. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2014 zurück.

9

Am 12. März 2014 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Berücksichtigung des gebietsbezogenen Artzuschlages sei fehlerhaft. Der Aufwand sei nicht beitragsfähig. Die J.-Straße habe eine Luxusmodernisierung erfahren. Zudem habe der Beklagte in dem Grundstückskaufvertrag vom 16. September 2008 angegeben, dass mit einer Umlage von maximal 10.000,00 EUR zu rechnen sei. Die Grundstücke der insolventen ... GmbH seien bei der Abrechnung nicht berücksichtigt worden, um Einnahmeausfälle zu vermeiden. Die Berücksichtung des Artzuschlages sei fehlerhaft. Der Bebauungsplan sei nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden und damit unwirksam. Das klägerische Grundstück könne auch nicht als faktisches Gewerbegebiet angesehen werden. Der Bereich nördlich der J.-Straße sei nicht durch gewerbliche Grundstücksnutzungen geprägt. Zudem komme der unmittelbar westlich der klägerischen Grundstücke verlaufenden St.-Straße eine trennende Wirkung zu. Es sei weiter zu beachten, dass dem Beklagten hinsichtlich des Bebauungsplanes keine Verwerfungskompetenz zustehe. Daher müsse auch bei der gerichtlichen Überprüfung der Beitragsfestsetzung die für den Beklagten bestehende Bindungswirkung des Bebauungsplanes berücksichtigt werden.

10

Die Klägerin beantragt,

11

die Beitragsbescheide des Beklagten vom 18. Dezember 2013 und seinen Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2013 aufzuheben.

12

Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Mit Beschluss vom 17. Dezember 2014 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

17

Sie finden ihre gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung der Stadt A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen in der Stadt A-Stadt (Straßenbaubeitragssatzung – SBS) vom 27. November 2001.

18

1. Die Satzung ist nach gegenwärtiger Erkenntnis wirksam. Dies gilt zunächst in formell-rechtlicher Hinsicht. Ihre Bekanntmachung ist ordnungsgemäß nach den Maßgaben der Bekanntmachungsvorschriften in § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Hauptsatzung der Stadt A-Stadt vom 24. Mai 1995 i.d.F. der 3. Änderung vom 31. Januar 2001 (HS 1995) erfolgt. Diese Bestimmungen sind wirksam (OVG Greifswald, Urt. v. 08.10.2014 – 1 L 168/11 –, juris Rn. 26 ff.).

19

In materiell-rechtlicher Hinsicht bestehen zwar bereits mit Blick auf das Alter der Satzung gewisse Zweifel daran, dass die der Festsetzung der Tiefenbegrenzung in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 SBS zugrunde liegende Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe den Maßgaben der neueren Rechtsprechung des OVG Greifswald (vgl. Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 77) entspricht. Allerdings führt ein solcher – hier nur unterstellter – Fehler nicht zur Nichtigkeit der Straßenbaubeitragssatzung. Es ist im Straßenbaubeitragsrecht allgemein anerkannt, dass eine fehlerhafte Verteilungsregelung der Beitragssatzung nur dann zur Rechtswidrigkeit des Heranziehungsbescheides führt, wenn sie im Abrechnungsgebiet auch tatsächlich zur Anwendung kommen muss (Grundsatz der regionalen Teilbarkeit, vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 26.02.2004 – 1 M 242/03 –, juris Rn. 46). Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Abrechnungsunterlagen hat die für Grundstücke im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 1 BaugesetzbuchBauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) (sog. Randlagengrundstücke) geltende Bestimmung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 SBS bei der Abrechnung der J.-Straße keine Anwendung gefunden. Anhaltspunkte dafür, dass sie hätte Anwendung finden müssen, bestehen ebenfalls nicht. Randlagengrundstücke gehören nicht zum Abrechnungsgebiet. Damit greift der Grundsatz der regionalen Teilbarkeit.

20

Ebenfalls fehlerhaft ist die Bestimmung in § 2 Satz 3 SBS. Zwar geht sie im Einklang mit der nach dem Kommunalabgabengesetz 1993 geltenden Rechtslage davon aus, dass der Gebäudeeigentümer neben dem Grundeigentümer beitragspflichtig ist („auch“). Nach der im Rahmen der KAG-Novelle 2005 in das Kommunalabgabengesetz eingefügten Bestimmung des § 7 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V ist allerdings der Gebäudeeigentümer anstelle des Grundstückseigentümers beitragspflichtig. Die für unzulässig gewordene Altregelungen geltende Anpassungsfrist des § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V ist lange abgelaufen. Auch dieser Fehler führt nach dem Grundsatz der regionalen Teilbarkeit nicht zur Gesamtnichtigkeit der Satzung. Denn er ist nicht auf (fehlerhafte) Verteilungsregelungen beschränkt, sondern auch auf Entstehensregeln bzw. sonstige Regelungen der Straßenbaubeitragssatzung anwendbar, wenn dies denklogisch möglich und sinnvoll ist, d.h. wenn die Regelung auch ohne den unwirksamen Teil noch Bestand hat und der unwirksame Teil im Abrechnungsgebiet tatsächlich keine Anwendung findet (VG Greifswald, Urt. v. 15.03.2010 – 3 A 2032/08 –, n.v.). Dies trifft vorliegend zu. Es ist nicht ersichtlich, dass es im Abrechnungsgebiet der J.-Straße Grundstücke gibt, an denen isoliertes Gebäudeeigentum besteht. Dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet.

21

Weiter ist die Bestimmung in § 2 Satz 1 zweite Var. SBS („dinglich Berechtigter“) unzulässig, weil nach § 7 Abs. 2 KAG M-V nur Eigentümer, Erbbauberechtigte oder die Inhaber dinglicher Nutzungsrechte i.S.d. Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) – die bereits angesprochenen Gebäudeeigentümer – beitragspflichtig sein können. Erbbauberechtigte oder die Inhaber dinglicher Nutzungsrechte i.S.d. Art. 233 Abs. 4 EGBGB sind mit dem Merkmal „dinglich Berechtigter“ offensichtlich nicht gemeint, denn sie werden in den spezielleren Vorschriften der Sätze 2 und 3 ausdrücklich genannt. Dieser Fehler führt aber ebenfalls nicht zur Gesamtnichtigkeit der Straßenbaubeitragssatzung. Vielmehr liegt nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald lediglich ein Fall der Teilnichtigkeit vor (Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 71).

22

Fehlerhaft ist schließlich die Regelung über den gewerblichen Artzuschlag in § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS. Der Artzuschlag resultiert aus dem dem Vorteilsprinzip innewohnenden Differenzierungsgebot. Er trägt den Verschiedenheiten in der Art der baulichen oder sonst beitragserheblichen Nutzung Rechnung. Gewerbliche und dem Gewerbe vergleichbare Nutzungen schöpfen regelmäßig aufgrund des durch sie typischerweise verursachten verstärkten Ziel- und Quellverkehrs aus einer Straße einen größeren Vorteil als eine Wohnnutzung. § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V schreibt zwar nicht vor, in welcher Weise die unterschiedliche Nutzungsart im Vergleich zum Nutzungsmaß beitragsrechtlich zu bewerten ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Vorschrift dem Ortsgesetzgeber für die Berücksichtigung der Nutzungsart im Verteilungsmaßstab ein weitgehendes (Bewert-ungs-) Ermessen einräumt. Die Ausübung dieses Ermessens ist jedoch durch das Vorteilsprinzip eingeschränkt (VG Greifswald, Urt. v. 19.04.2012 – 3 A 356/10 –, juris Rn. 13).

23

Mit Blick auf das Vorteilsprinzip ist es zwar nicht zu beanstanden, dass in der Straßenbaubeitragssatzung sowohl ein nutzungsbezogener (§ 5 Abs. 5 Buchst. a SBS) als auch ein gebietsbezogener (§ 5 Abs. 5 Buchst. b SBS) Artzuschlag normiert ist. Ebenfalls unbedenklich ist, dass der gebietsbezogene Artzuschlag höher ist als der nutzungsbezogene. Dies beruht auf der Annahme, dass Grundstücken in den in § 5 Abs. 5 Buchst. b SBS genannten Gebietstypen der Baunutzungsverordnung (Gewerbegebiet – § 8 BauNVO, Industriegebiet – § 9 BauNVO, Kerngebiet – § 7 BauNVO und sonstiges Sondergebiet – § 11 BauNVO) durch eine beitragsfähige Straßenbaumaßnahme ein größerer Vorteil vermittelt wird, als Grundstücken, die – außerhalb der genannten Gebietstypen gelegen – lediglich überwiegend gewerblich oder in einer der gewerblichen Nutzung ähnlichen Weise genutzt werden.

24

Fehlerhaft und weder mit dem Vorteilsprinzip des § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V noch dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) zu vereinbaren ist es jedoch, dass § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS die Entstehung des nutzungsbezogenen Artzuschlags davon abhängig macht, dass die überwiegend gewerblich oder gewerbeähnlich genutzten Grundstücke in einem der in der Vorschrift genannten festgesetzten oder faktischen Gebietstypen der Baunutzungsverordnung liegen. Dies schließt die Anwendbarkeit der Vorschrift auf überwiegend gewerblich oder gewerbeähnlich genutzte Grundstücke im unbeplanten Innenbereich i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB aus. Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung ist nicht erkennbar. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Zulässigkeit der Art der baulichen Nutzung im unbeplanten Innenbereich im Regelfall oder auch nur überwiegend nach § 34 Abs. 2 BauGB richtet, mit der Folge, dass es für die Fälle des § 34 Abs. 1 BauGB keiner Regelung bedarf. Denn die Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB darf nicht dazu führen, dass eine vorhandene Bebauung in Zielrichtung auf eine scharfe Trennung von Gebietscharakter und zulässiger Bebauung geradezu gewaltsam in eine der Alternativen des Gebietskatalogs in § 1 Abs. 2 BauNVO gepresst wird, um dann in einer zweiten Stufe mehr oder weniger schematisch die Zulässigkeitsregeln der §§ 2 ff. BauNVO anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 23.04.1969 – VI C 12/67 –, BVerwGE 32, 31 <37>). Weist die nähere Umgebung z.B. die Merkmale zweier Baugebiete i.S. der Baunutzungsverordnung auf, findet § 34 Abs. 2 BauGB keine Anwendung. Die Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich in diesem Fall ausschließlich nach § 34 Abs. 1 BauGB (Mitschang/Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Auflage 2014, § 34 Rn. 60).

25

Einer weiteren Vertiefung bedarf es vorliegend nicht. Denn der dargestellte Fehler führt nach dem Grundsatz der regionalen Teilbarkeit ebenfalls nicht zur Gesamtnichtigkeit der Straßenbaubeitragssatzung. Denn die Bestimmung des § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS findet – wie noch zu zeigen sein wird – in Ansehung der Grundstücke der Klägerin keine Anwendung. Anhaltspunkte dafür, dass die Berücksichtigung eines nutzungsbezogenen Artzuschlages für andere Grundstücke im Abrechnungsgebiet notwendig ist, bestehen ebenfalls nicht. Dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Die Wirksamkeit der Regelung in § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS ist für die Vorteilsverteilung im Abrechnungsgebiet der J.-Straße daher ohne Belang.

26

2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken.

27

a. Fehler bei der Ermittlung und des beitragsfähigen Aufwandes sind nicht ersichtlich.

28

Die Aufwandsermittlung verstößt trotz der Belegenheit der J.-Straße in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet nicht gegen § 154 Abs. 1 Satz 3 BauGB. Werden in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 hergestellt, erweitert oder verbessert, sind nach dieser Bestimmung Vorschriften über die Erhebung von Beiträgen für diese Maßnahmen auf Grundstücke im förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet nicht anzuwenden. Die Vorschrift findet vorliegend jedoch keine Anwendung, denn nach § 156 Abs. 1 Satz 1 BauGB bleiben Beitragspflichten für Erschließungsanlagen i.S.d. § 127 Abs. 2, die vor der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes entstanden sind, unberührt. Diese Voraussetzungen sind hier aus zwei Gründen gegeben.

29

So fehlt es trotz des Erlasses der Sanierungssatzung vom 10. Dezember 2008 an der förmlichen Festsetzung eines Sanierungsgebietes, denn die Sanierungssatzung ist mangels ordnungsgemäßer Bekanntmachung unwirksam. Die Bekanntmachung der Sanierungssatzung erfolgte auf Grundlage der Hauptsatzung der Stadt A-Stadt vom 8. August 2002. Die in § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 dieser Satzung normierten Bekanntmachungsvorschriften sind unwirksam (OVG Greifswald, Urt. v. 08.10.2014 – 1 L 168/11 –, juris Rn. 32 ff.).

30

Aber auch wenn man von der Wirksamkeit der Sanierungssatzung ausgeht, ist die Beitragspflicht vor der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes entstanden. Insoweit kommt es nicht auf den nach dem Inkrafttreten der Sanierungssatzung liegenden Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht am 9. Mai 2009 an (dazu sogleich), sondern auf den des Abschlusses der Bauarbeiten. Im Unterschied zu § 8 Abs. 5 KAG M-V bzw. § 9 SBS stellt § 156 Abs. 1 Satz 1 BauGB nämlich nicht auf die endgültige Ausprägung des Beitrags ab. Vielmehr wollte der Gesetzgeber auf den Zeitpunkt des Abschlusses der zur endgültigen Herstellung im Rechtssinne führenden (technischen) Ausbauarbeiten abstellen. Denn zu diesem Zeitpunkt sind grundsätzlich alle Voraussetzungen für das Entstehen der Beitragspflichten erfüllt (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 3 Rn. 9 m.w.N.). Die Ausschlusswirkung des § 154 Abs. 1 Satz 3 BauGB erfasst daher nur Erschließungsmaßnahmen, die nach der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes als Ordnungsmaßnahmen i.S.d. §§ 146 Abs. 1, 147 Abs. 1 BauGB durchgeführt werden (Driehaus a.a.O., § 3 Rn. 10). Die Baumaßnahme an der J.-Straße war vor dem Erlass der Sanierungssatzung vom 10. Dezember 2008 abgeschlossen, denn die für den technischen Abschluss maßgebliche Bauabnahme erfolgte bereits am 14. April 2008.

31

Soweit die Klägerin der Aufwandsermittlung mit dem Hinweis entgegen tritt, in der J.-Straße sei ein „Luxusmodernisierung“ erfolgt, kann dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat ihre Behauptung nicht ansatzweise belegt. Daher ist das Gericht nicht gehalten, Ermittlungen zu dieser Behauptung anzustellen. Dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus. Der Untersuchungsgrundsatz ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht würde mit seiner Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden (BVerwG, Buchholz 310 § 86 Nr. 76).

32

bb. Auch die Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes begegnet keinen Bedenken.

33

(1) Die mit der Einstufung der J.-Straße als Innerortsstraße getroffene Bestimmung des Gemeindeanteils am umlagefähigen Aufwand ist zutreffend. Da die Klägerin insoweit keine Einwände geltend macht, kann von weiteren Darlegungen abgesehen werden.

34

(2) Die Bildung des Abrechnungsgebiets ist frei von Fehlern. Dies richtet sich vorliegend nach § 4 Abs. 1 SBS. Danach bilden die Grundstücke das Abrechnungsgebiet, denen wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung geboten wird. Damit kommt es auch für die Bildung des Abrechnungsgebietes auf den Einrichtungs- oder Anlagenbegriff an. Dieser ist identisch mit dem erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff (OVG Greifswald, Beschl. v. 15.09.1998 – 1 M 54/98 –, VwRR MO 1999, 104). Ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht ist daher für die Beantwortung der Frage, was beitragsfähige Einrichtung (Anlage) i.S.d. § 1 Satz 1 SBS und § 8 Abs. 1 Satz 1 M-V ist, darauf abzustellen, was sich bei natürlicher Betrachtungsweise als „gesamte Verkehrsanlage“ darstellt, wobei auf den Zustand nach Abschluss des Bauprogramms, d.h. auf das äußere Erscheinungsbild, das die Straße nach ihrem Ausbau erlangt hat, abzustellen ist (OVG Greifswald a.a.O.). Die Beurteilung richtet sich dabei nach dem Erscheinungsbild der Straße, wie es sich in seinem Gesamteindruck, geprägt durch die tatsächlichen Verhältnisse etwa in Gestalt von Straßenführung, -länge, -ausstattung, einem objektiven bzw. unbefangenen Beobachter vermittelt (OVG Greifswald, Beschl. v. 10.02.2009 – 1 M 117/08 –, juris Rn. 18). Bei einem einheitlichen Verlauf und Ausbauzustand ist grundsätzlich von einer einheitlichen Verkehrsanlage i.S.d. natürlichen Betrachtungsweise abzustellen. Eine unterschiedliche Straßenbezeichnung ist dabei ebenso unerheblich wie eine einheitliche (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.04.1994 – 8 C 18/92 –, NVwZ-RR 1994, 539).

35

Gemessen an diesen Kriterien ist die Beschränkung des Abrechnungsgebietes auf den Bereich der J.-Straße trotz der Herstellung der Verbindung mit der H.-Straße nicht zu beanstanden. Die Verbindung zwingt nicht zu der Annahme, dass es sich bei der J.-Straße und der H.-Straße trotz der unterschiedlichen Bezeichnung in beitragsrechtlicher Hinsicht um eine einheitliche Anlage i.S.d. natürlichen Betrachtungsweise handelt. Zwar kann man durchaus von einem einheitlichen Verlauf sprechen, da die J.-Straße in einem leichten Bogen in die H.-Straße übergeht. Es fehlt jedoch bereits an einem einheitlichen Ausbauzustand. Die Fahrbahn der J.-Straße weist eine Breite von 7 m auf, die der H.-Straße nur von 6 m. Zudem verfügt die J.-Straße über einen beiderseitigen Gehweg, sowie einen Radweg, die H.-Straße dagegen nur über einen einseitigen Gehweg und keinen Radweg. Weiter ist die H.-Straße im Rahmen des Knotenausbaus nur auf eine Länge von ca. 100 m ausgebaut worden, obwohl bereits die parallel zur Bahntrasse verlaufende Teilstrecke dieser Verkehrsanlage eine Länge von über 300 m hat. Von einem einheitlichen Ausbauzustand kann auch unter diesem Gesichtspunkt keine Rede sein. Für den Gesamteindruck ist schließlich ebenfalls von Bedeutung, dass dem Brückenbauwerk der D.-Straße auch optisch eine trennende Funktion zukommt.

36

(3) Auch die Einbeziehung der klägerischen Grundstücke in den Vorteilsausgleich ist nicht zu beanstanden. Bei den Grundstücken Flurstücke G6 und G5 handelt es sich um unmittelbar an die J.-Straße angrenzende Anliegergrundstücke. Die Berücksichtigung des Grundstücks Flurstücke G1, G2, G3 und G4 ist als (nicht gefangenes) Hinterliegergrundstück zulässig und geboten. Insoweit liegt ein Fall der Eigentümeridentität mit den beiden an die J.-Straße angrenzenden Grundstücken vor. Diese und das Hinterliegergrundstück werden einheitlich genutzt (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 05.11.2014 – 1 L 81/13 –, S. 12 ff. des Entscheidungsumdrucks).

37

Soweit die Klägerin die Bildung des Abrechnungsgebiets mit der Behauptung beanstandet, die in der J.-Straße befindlichen Grundstücke der insolventen ... GmbH seien vom Beklagten nicht berücksichtigt worden, um Einnahmeausfälle zu vermeiden, ist der Vortrag rein spekulativ und daher ebenfalls unbeachtlich. Der Beklagte hat vorgetragen, auch die Grundstücke der ... GmbH berücksichtigt zu haben. Gegenteiliges lässt sich den Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen.

38

(4) Die Anwendung der Maßstabsregel begegnet im Ergebnis keinen Bedenken. Zwar ist der berücksichtigte Vervielfältiger für die Art der baulichen Nutzung (Faktor 1,5) fehlerhaft, denn nach § 5 Abs. 5 Buchst. b SBS ist für Grundstücke in einem tatsächlich bestehenden (§ 34 Abs. 2 BauGB) oder durch Bebauungsplan ausgewiesenen Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) der Faktor 2,0 anzuwenden. Diese Vorschrift – und nicht die fehlerhafte (s.o.) Bestimmung des § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS – ist vorliegend maßgeblich. Zwar sind die Grundstücke der Klägerin im Bebauungsplan Nr. 22 als Gemeinbedarfsflächen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ausgewiesen, was die Anwendung des § 5 Abs. 5 Buchst. b SBS, der Gemeinbedarfsflächen nicht nennt, eigentlich ausschließt. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Bekanntmachung des Bebauungsplanes Nr. 22 fehlerhaft und der Bebauungsplan damit unwirksam ist. Seine Bekanntmachung erfolgte auf Grundlage der Hauptsatzung der Stadt A-Stadt vom 8. August 2002, deren Bekanntmachungsvorschriften – wie bereits dargelegt – unwirksam sind.

39

Soweit die Klägerin meint, die Festsetzungen des Bebauungsplanes seien wegen seiner Bindungswirkung (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 19.06.2006 – 3 M 63/06 –, juris Rn. 25 ff.) auch für die Beitragserhebung maßgeblich, trifft dies nicht zu. Dabei kann dahin stehen, ob die Bindungswirkung, die vom Beklagten bei baurechtlichen Entscheidungen zweifellos zu beachten ist, für ihn auch bei – wie hier – baurechtsfremden (abgabenrechtlichen) Entscheidungen gilt. Denn mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG kann die Bindungswirkung keinesfalls für das erkennende Gericht gelten, dem im Umkehrschluss aus Art. 100 Abs. 1 GG eine im Rahmen der Inzidentprüfung eine Verwerfungskompetenz für untergesetzliche Normen zusteht.

40

Der weitere Einwand der Klägerin, der Beklagte profitiere von einem allein in seiner Sphäre aufgetretenen Fehler, denn bei einer Wirksamkeit des Bebauungsplanes käme es für die Beitragserhebung auf die (unwirksame) Bestimmung des § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS an, greift ebenfalls nicht durch. Die dem Einwand zugrunde liegende Erwägung ist zwar verständlich, aber dem Beitragsrecht fremd. Es kommt für die Beitragserhebung nicht darauf an, wer von welchem Fehler profitiert. Vielmehr ist allein maßgeblich, ob das Satzungsrecht des Beklagten – soweit wirksam – eine Beitragsfestsetzung in der tatsächlich erfolgten Höhe erlaubt. Dies ist – wie noch zu zeigen sein wird – vorliegend der Fall.

41

Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 Buchst. b SBS liegen vor. Der gebietsbezogene Artzuschlag findet auch bei Grundstücken in faktischen Gewerbegebieten Anwendung. Die Eigenart der näheren Umgebung der klägerischen Grundstücke entspricht der eines faktischen Gewerbegebietes nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO.

42

Als nähere Umgebung in diesem Sinne ist der umliegende Bereich der Bauvorhaben anzusehen, soweit sich die Ausführung der Vorhaben auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstückes prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.08.1998 – 4 B 79.98 –, juris Rn. 7). Dabei sind die Grenzen der rahmenbildenden Bebauung nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.08.2003 – 4 B 74.03 –, juris Rn. 2). Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist dabei grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen.

43

Nach diesen Kriterien ist auf der Grundlage der vom Beklagten vorgelegten Unterlagen und der im Internet (www.gaia-mv.de) einsehbaren maßstabsgenauen Überfliegungsfotos (zur Zulässigkeit einer lediglich auf Flurkarten und Lichtbilder gestützten Einstufung vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.12.2008 – 4 BN 26.08 –, juris Rn. 3) davon auszugehen, dass die Grundstücke der Klägerin hinsichtlich der Nutzungsart durch die Bebauung in dem Bauquartier beiderseits der J.-Straße geprägt wird, das aus den Grundstücken besteht, für die der (unwirksame) Bebauungsplan die Festsetzungen „GEe 1“, „GEe 2“, „GEe 3“, „Gemeinbedarf“ und „GE 5“ ausweist. Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um große Gewerbeflächen mit einer – abgesehen von den Flächen im Bereich der Festsetzung „GEe 2“ – weitgehend einheitlichen Tiefe. Die östlich und nördlich an die Gemeinbedarfsflächen sowie die nördlich an die Flächen mit den Festsetzungen GEe 1 bis 4 angrenzenden Baugrundstücke – hierbei handelt es sich vornehmlich um Wohngrundstücke – haben keine das Bauquartier prägende Wirkung. Die andersartige Nutzung, vor allem aber der Umstand, dass die gewerblich genutzten und die wohngenutzten Grundstücke nicht miteinander „verzahnt“, sondern streng voneinander getrennt sind, schließen eine Prägung aus. Dieses Ergebnis ist auch naheliegend. Das Gericht kann bei der bodenrechtlichen Einstufung der klägerischen Grundstücke nicht an der Tatsache vorbeigehen, dass der Bebauungsplan Nr. 22 trotz seiner – zunächst allerdings unerkannten – Unwirksamkeit die bauliche Entwicklung in seinem Geltungsbereich beeinflusst und die Entstehung inhomogener Bebauungstrukturen verhindert hat. Als Folge davon ist ein einheitliches Gewerbegebiet entstanden, dessen Erschließungsanlagen – entgegen der Auffassung der Klägerin – keine trennende Wirkung haben. Dieser Gebietscharakter erstreckt sich auch auf die Grundstücke der Klägerin. Schulen und die dazugehörigen Nebenanlagen sind in Gewerbegebieten als Anlagen für kulturelle Zwecke (vgl. Boeddinghaus, BauNVO, 5. Auflage 2005, § 2 Rn. 24; Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 10/2009, § 2 Rn. 80) zumindest ausnahmsweise zulässig (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Die Annahme einer faktischen Gemeinbedarfsfläche verbietet sich, da § 34 Abs. 2 BauGB ausschließlich auf die Baugebiete der Baunutzungsverordnung, nicht aber auf § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB verweist.

44

Der in der Anwendung des Faktors 1,5 liegende Fehler begründet keinen Aufhebungsanspruch. Denn er führt lediglich zu einer Entlastung der Klägerin. Der Beklagte hat bei allen Grundstücken mit der Festsetzung „GE“, „GEe“ und „Gemeinbedarf“ lediglich den Artzuschlag nach § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS berücksichtigt. Daraus folgt, dass der Fehler für diese Grundstücke belastungsneutral ist. Lediglich Grundstücke außerhalb dieser Gebiete werden durch die mit der Anwendung des Faktors 1,5 verbundene Reduzierung der Beitragseinheiten und der damit einhergehenden Erhöhung des Beitragssatzes benachteiligt. In dem Maße, wie diese Grundstücke stärker belastet werden, werden die Grundstücke in festgesetzten oder faktischen Gewerbegebieten – und damit auch das Grundstück der Klägerin – entlastet. Dies zeigt die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 5. März 2015 vorgelegte Beitragsneuberechnung, wonach die Berücksichtigung des Artzuschlages nach § 5 Abs. 5 Buchst. b SBS zu einer geringfügigen Mehrbelastung der Klägerin führen würde.

45

cc. Die Heranziehung der Klägerin ist schließlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

46

(1) Zunächst ist der Beitragsanspruch nicht gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 47 Abgabenordnung (AO) infolge Festsetzungsverjährung erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Straßenausbaubeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Nach § 9 Satz 1 SBS entsteht die Beitragspflicht mit dem Abschluss der Baumaßnahme, sobald die Kosten feststehen und der erforderliche Grunderwerb grundbuchrechtlich durchgeführt ist. Die Kosten standen erst am 29. Mai 2009, dem Zeitpunkt des Eingangs des Ergebnisses der Verwendungsnachweisprüfung beim Beklagten fest. Auf den Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung kann es nicht ankommen, denn für die Baumaßnahme waren Fördermittel ausgereicht worden, die auch den Beitragspflichtigen zugute kommen. Da das Entstehen der Höhe nach voll ausgebildeter sachlicher Beitragspflichten wegen der Abhängigkeit der Beitragshöhe von dem Umfang der erschlossenen Grundstücksflächen und vom umzulegenden Aufwand abhängt, liegt eine endgültige Herstellung erst dann vor, wenn auch die Größe der erschlossenen Grundflächen bestimmbar ist und der umlagefähige Aufwand fest steht (vgl. Driehaus a.a.O., § 19 Rn. 6 m.w.N.). Letzteres ist erst sei dem Eingang des Ergebnisses der Verwendungsnachweisprüfung beim Beklagten am 29. Mai 2009 der Fall. Die Bescheide, aufgrund derer die Fördermittel gewährt wurden, bilden keine Rechtsgrundlage für das endgültige Behaltendürfen der Zuwendungen. Hierüber wird erst in der Verwendungsnachweisprüfung entschieden. Damit hängt von diesem Prüfergebnis auch die Höhe des umlagefähigen Aufwandes ab. Da die sachliche Beitragspflicht sonach erst im Jahre 2009 entstanden ist, erfolgte die Heranziehung der Klägerin im Jahre 2013 innerhalb der Festsetzungsfrist.

47

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus der Formulierung in dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Grundstückskaufvertrag vom 16. September 2008, wonach mit einer Umlage von maximal 10.000,00 EUR zu rechnen sei, kein Einwand gegen die Beitragserhebung. Geht man mit dem Beklagten davon aus, dass es sich dabei um keine Zusicherung, sondern lediglich um eine grobe Schätzung handelt, liegt dies auf der Hand und bedarf keiner weiteren Darlegung.

48

Etwas anderes ergibt sich aber auch dann nicht, wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass es sich bei der Vereinbarung um die vertragliche Zusicherung handelt, Straßenbaubeiträge maximal in Höhe von 10.000,00 EUR zu erheben. Denn in diesem Fall wäre die Vereinbarung unwirksam. Der Zusage käme die Qualität eines (teilweisen) Beitragsverzichts zu. Dabei kann dahin stehen, ob ein Beitragsverzicht in Höhe eines fünfstelligen Euro-Betrages ohne Befassung der städtischen Gremien von dem bei der Beurkundung anwesenden Mitarbeiter des Antragsgegners überhaupt wirksam erklärt werden konnte (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 07.12.2000 – 1 L 9/00 –, juris Rn. 18). Denn jedenfalls verstieße eine solche Zusage sowohl gegen die in § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V normierte Beitragserhebungspflicht („…sind Straßenbaubeiträge zu erheben“) als gesetzlichem Verbot i.S.d. § 134 BGB als auch den aus Art. 3 Grundgesetz (GG) abgeleiteten Grundsatz, dass die Abgabenerhebung nur nach Maßgabe der Gesetze und nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen aufgrund von Vereinbarungen zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner erfolgen darf, und wäre daher unwirksam. Anhaltspunkte dafür, dass die Begrenzung der Beitragserhebung auf einen Höchstbetrag ausnahmsweise zulässig ist, etwa weil Leistungen der Antragstellerin angerechnet werden sollen, sind nicht ersichtlich.

49

Die – hier nur unterstellte – Zusage ist schließlich auch nicht deshalb als wirksam anzusehen, weil sie möglicherweise ursächlich für die Kaufentscheidung war. Denn es besteht kein Bedürfnis dafür, diesen Fall anders zu behandeln als die übrigen Fälle unwirksamer Zusagen, denn der Adressat einer solchen Zusage ist durch das Bestehen von Sekundäransprüchen hinreichend geschützt (vgl. BGH, Urt. v. 03.05.2001 – III ZR 191/00; Urt. v. 27.06.2008 – V ZR 135/07 –; Urt. v. 09.10.2008 – III ZR 37/08).

50

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 23. Oktober 2012 – XXX – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 25. April 2013 wird insoweit aufgehoben, als die Festsetzung den Betrag von 4.219,55 EUR übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Straßenbaubeiträgen.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück G1, (38.385,00 m²), der in gleicher Flur und Gemarkung gelegenen Grundstücke Flurstück G2 (1.279,00 m²), Flurstück G3 (52,00 m²), Flurstück G4 (390,00 m²) und Flurstück G5 (504 m²), Flurstück G6 (1.097,00 m²), Flurstücke G7, G8 und G9 (1.099,00 m²) und Flurstücke G10, G11, G12 und G13 (1.793,00 m²) sowie des Grundstücks Flurstück G14 (8.333,00 m²).

3

Das bewaldete Grundstück Flurstück G1 liegt südlich der H.-Straße in K., die übrigen Grundstücke, die allesamt baulich genutzt werden, nördlich dieser Straße. Das Grundstück Flurstück G1, das mit einem Garagenkomplex bebaute Grundstück Flurstück G14, das Grundstück Flurstücke G7, G8 und G9 sowie das Grundstück Flurstück G2 grenzen unmittelbar an die H-Straße an. Das Grundstück Flurstück G6, das Grundstück Flurstücke G10, G11, G12, G13 und die Grundstücke Flurstück G3, G4 und G5 sind aus der Sicht der H-Straße Hinterliegergrundstücke. Sie sind mit der H-Straße über die im Eigentum des Klägers stehende Privatstraße (Stichweg mit Wendehammer) auf dem Flurstück G15 bzw. den ebenfalls im Eigentum des Klägers befindlichen Stichweg auf dem Flurstück G16 verbunden. Die nach dem zwischen dem Kläger und der Gemeinde K. geschlossenen Erschließungsvertrag vorgesehene Übereignung des Flurstücks G15 an die Gemeinde K. ist bisher noch nicht erfolgt. Mit Ausnahme der Grundstücke Flurstücke G1 und G14 liegen die genannten Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 15 „Strandblick“ der Gemeinde K., der für das Grundstück Flurstück G2 die Festsetzung „sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Fremdenbeherbergung“ aufweist. Für die Grundstücke Flurstücke G4 und G5 weist er die Festsetzung „Sondergebiet Erholung mit der Zweckbestimmung Ferienhausgebiet“ und für die Grundstücke Flurstücke G7, G8 und G9 sowie G10, G11, G12 und G13 die Festsetzung „reines Wohngebiet“ auf. Entsprechend diesen Festsetzungen sind die Grundstücke bebaut: Auf dem Grundstück Flurstück G2 befindet sich ein Hotelkomplex, auf den Grundstücken Flurstücke G3, G4 und G5 wurden Ferienwohnungen und auf den Grundstücken Flurstücke G7, G8 und G9 sowie G10, G11, G12 und G13 Wohngebäude mit jeweils einer Ferienwohnung errichtet. Die Grundstücke Flurstücke G2, G4 und G5 grenzen östlich an den Weidenweg. Hierbei handelt es sich nicht um eine öffentliche Straße, sondern um eine Privatstraße.

4

Bei der H-Straße handelt es sich um eine Gemeindestraße, die von der Einmündung in die Straße der Freundschaft in östliche Richtung führt und östlich der Einmündung der Dünenstraße in einem Wendehammer mit Parkplätzen endet. Nördlich des Grundstücks Flurstück G14 verläuft der K.-Weg. Dieser mündet in den L.-Stieg, der wiederum in die H-Straße einmündet. Die Eigentümer der dort gelegenen Grundstücke nutzen auch die H-Straße. Das im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 18 der Gemeinde K. (Ostseepark Dünenland K.) gelegene Baugebiet ist durch die Fa. V. (im Folgenden: Erschließungsträger) auf Grundlage des mit der Gemeinde K. geschlossenen städtebaulichen Vertrages vom 1. Oktober 2009 erschlossen worden. In § 2 Abs. 4 des Vertrages verpflichtete sich der Erschließungsträger „zur Verbesserung der gemeindlichen Verkehrsinfrastruktur“ einen Betrag von 60.000,00 EUR bereitzustellen, der spätestens zum 31. Dezember 2010 fällig wurde.

5

Im Jahre 2010 ließ die Gemeinde K. die H-Straße in allen vorhandenen Teileinrichtungen ausbauen. Die letzte Unternehmerrechnung datiert vom 30. November 2010.

6

Mit Bescheiden vom 23. Oktober 2012 zog der Beklagte den Kläger für das Grundstück Flurstück G6 zu einem Straßenbaubeitrag i.H.v. 3.579,57 EUR, für das Grundstück Flurstück G1 zu einem Straßenbaubeitrag i.H.v. 6.262,61 EUR, für das Grundstück Flurstück G2 zu einem Straßenbaubeitrag i.H.v. 9.390,24 EUR, für die Grundstücke Flurstücke G3, G4 und G5 zu einem Straßenbaubeitrag i.H.v. 6.019,35 EUR, für das Grundstück Flurstück G14 zu einem Straßenbaubeitrag i.H.v. 27.191,00 EUR und für die Grundstücke Flurstücke G7, G8 und G9 sowie G10, G11, G12 und G13 zu einem Straßenbaubeitrag i.H.v. 12.267,76 EUR heran. Im Rahmen der Beitragsberechnung berücksichtigte er für die Grundstücke Flurstück G2, Flurstück G3, Flurstück G4 und Flurstück G5 einen gewerblichen Artzuschlag. Das im Einmündungsbereich in die Straße der Freundschaft an die H-Straße angrenzende Grundstück Flurstück G17 wurde nicht in den Vorteilsausgleich einbezogen. Die Widersprüche des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 23. bzw. 25. April 2013 – zugestellt am 30. April 2013 – zurück.

7

Am 30. Mai 2013 hat der Kläger zu den Aktenzeichen 3 A 409/13, 3 A 410/13, 3 A 411/13, 3 A 412/13, 3 A 41 G10 und 3 A 414/13 Anfechtungsklagen erhoben, die das Gericht mit Beschluss vom 4. Juni 2013 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des erstgenannten Aktenzeichens verbunden hat.

8

Der Kläger ist der Auffassung, seine Heranziehung sei der Höhe nach rechtswidrig. Die Aufwandsermittlung sei fehlerhaft, da der vom Erschließungsträger gezahlte Betrag nicht aufwandsmindernd berücksichtigt worden sei. Die Erträge aus der Bewirtschaftung der straßenbegleitenden Parkflächen hätten ebenfalls zur Finanzierung der Baumaßnahme verwendet werden müssen. Auch die Aufwandsverteilung sei fehlerhaft. Die vom K.-Weg erschlossenen Grundstücke seien zu Unrecht nicht in den Vorteilsausgleich für die H-Straße einbezogen worden, obwohl der K.-Weg seine ihm zugedachte Verkehrsfunktion nur in Verbindung mit der H-Straße erfüllen könne. Das Grundstück der Mietergenossenschaft (Flurstück G17) sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, obwohl es an die H-Straße angrenze. Schließlich sei auch die Heranziehung des Klägers zu beanstanden. Der Kläger habe für die Pflasterung des hinteren Straßenteils einen Betrag von 3.500,00 EUR gezahlt. Dieser Betrag müsse von den Beitragsfestsetzungen abgezogen werden.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Bescheide des Beklagten vom 23. Oktober 2012 – XXX – in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 23. bzw. 25. April 2013 insoweit aufzuheben, als die Festsetzungen die Beträge von 2.505,70 EUR, 4.383,83 EUR, 6.573,17 EUR, 4.219,55 EUR, 19.033,70 EUR bzw. 8.587,27 EUR übersteigen.

11

Der Beklagte verteidigt die angegriffenen Bescheide und beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Mit Beschluss vom 24. Februar 2015 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

14

Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2015 legte der Beklagte eine überarbeitete Beitragsberechnung vor, bei der das Grundstück Flurstück G 18 in den Vorteilsausgleich einbezogen wird und für die Grundstücke Flurstücke G3, G4 und G5 der gewerbliche Artzuschlag entfällt. Danach ergibt sich für die Grundstücke Flurstücke G3, G4 und G5 eine Beitragsminderung i.H.v. 108,09 EUR, 810,69 EUR bzw. 1.047,67 EUR (zusammen: 1.966,45 EUR). Für die übrigen Grundstücke ergibt sich eine geringfügige Mehrbelastung.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage ist zum weit überwiegenden Teil unbegründet. Der Bescheid vom 23. Oktober 2012 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]), als die Festsetzung den Betrag von 4.052,90 EUR übersteigt. Er ist daher im Umfang des Klageantrags aufzuheben. Die übrigen Bescheide weisen hingegen keine Fehler zum Nachteil des Klägers auf.

17

1. Die Bescheide finden ihre gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung der Gemeinde K. über die Erhebung von Beiträgen für den Bau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenbaubeitragssatzung – SBS) vom 25. September 2000 i.d.F. der ersten Änderung vom 25. September 2003. Die Satzung leidet nach gegenwärtiger Erkenntnis nicht an zu ihrer Unwirksamkeit führenden Fehlern.

18

Zwar bestehen bereits mit Blick auf das Alter der Satzung gewisse Zweifel daran, dass die der Festsetzung der Tiefenbegrenzung in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 SBS zugrunde liegende Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe den Maßgaben der neueren Rechtsprechung des OVG Greifswald (vgl. Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 77) entspricht. Allerdings führt ein solcher – hier nur unterstellter – Fehler nicht zur Nichtigkeit der Straßenbaubeitragssatzung. Es ist im Straßenbaubeitragsrecht allgemein anerkannt, dass eine fehlerhafte Verteilungsregelung der Beitragssatzung nur dann zur Rechtswidrigkeit des Heranziehungsbescheides führt, wenn sie im Abrechnungsgebiet auch tatsächlich zur Anwendung kommen muss (Grundsatz der regionalen Teilbarkeit, vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 26.02.2004 – 1 M 242/03 –, juris Rn. 46). Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Abrechnungsunterlagen hat die für Grundstücke im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 1 BaugesetzbuchBauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) (sog. Randlagengrundstücke) geltende Bestimmung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 SBS bei der Abrechnung der H-Straße keine Anwendung gefunden. Anhaltspunkte dafür, dass sie hätte Anwendung finden müssen, bestehen ebenfalls nicht. Übertiefe Randlagengrundstücke i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 SBS gehören nicht zum Abrechnungsgebiet. Damit greift der Grundsatz der regionalen Teilbarkeit.

19

Ebenfalls fehlerhaft ist die Bestimmung in § 2 Satz 3 SBS. Zwar geht sie im Einklang mit der nach dem Kommunalabgabengesetz 1993 geltenden Rechtslage davon aus, dass der Gebäudeeigentümer neben dem Grundeigentümer beitragspflichtig ist („auch“). Nach der im Rahmen der KAG-Novelle 2005 in das Kommunalabgabengesetz eingefügten Bestimmung des § 7 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V ist allerdings der Gebäudeeigentümer anstelle des Grundstückseigentümers beitragspflichtig. Die für unzulässig gewordene Altregelungen geltende Anpassungsfrist des § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V ist lange abgelaufen. Auch dieser Fehler führt nach dem Grundsatz der regionalen Teilbarkeit nicht zur Gesamtnichtigkeit der Satzung. Denn er ist nicht auf (fehlerhafte) Verteilungsregelungen beschränkt, sondern auch auf Entstehensregeln bzw. sonstige Regelungen der Straßenbaubeitragssatzung anwendbar, wenn dies denklogisch möglich und sinnvoll ist, d.h. wenn die Regelung auch ohne den unwirksamen Teil noch Bestand hat und der unwirksame Teil im Abrechnungsgebiet tatsächlich keine Anwendung findet (VG Greifswald, Urt. v. 15.03.2010 – 3 A 2032/08 –, n.v.). Dies trifft vorliegend zu. Es ist nicht ersichtlich, dass es im Abrechnungsgebiet der H-Straße Grundstücke gibt, an denen isoliertes Gebäudeeigentum besteht. Dies wird vom der Kläger auch nicht behauptet.

20

Weiter ist die Bestimmung in § 2 Satz 1 zweite Var. SBS („dinglich Berechtigter“) unzulässig, weil nach § 7 Abs. 2 KAG M-V nur Eigentümer, Erbbauberechtigte oder die Inhaber dinglicher Nutzungsrechte i.S.d. Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) – die bereits angesprochenen Gebäudeeigentümer – beitragspflichtig sein können. Erbbauberechtigte oder die Inhaber dinglicher Nutzungsrechte i.S.d. Art. 233 Abs. 4 EGBGB sind mit dem Merkmal „dinglich Berechtigter“ offensichtlich nicht gemeint, denn sie werden in den spezielleren Vorschriften der Sätze 2 und 3 ausdrücklich genannt. Dieser Fehler führt aber ebenfalls nicht zur Gesamtnichtigkeit der Straßenbaubeitragssatzung. Vielmehr liegt nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald lediglich ein Fall der Teilnichtigkeit vor (Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 71).

21

Fehlerhaft ist auch die Regelung über den gewerblichen Artzuschlag in § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS. Der Artzuschlag resultiert aus dem dem Vorteilsprinzip innewohnenden Differenzierungsgebot. Er trägt den Verschiedenheiten in der Art der baulichen oder sonst beitragserheblichen Nutzung Rechnung. Gewerbliche und dem Gewerbe vergleichbare Nutzungen schöpfen regelmäßig aufgrund des durch sie typischerweise verursachten verstärkten Ziel- und Quellverkehrs aus einer Straße einen größeren Vorteil als eine Wohnnutzung. § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V schreibt zwar nicht vor, in welcher Weise die unterschiedliche Nutzungsart im Vergleich zum Nutzungsmaß beitragsrechtlich zu bewerten ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Vorschrift dem Ortsgesetzgeber für die Berücksichtigung der Nutzungsart im Verteilungsmaßstab ein weitgehendes (Bewertungs-) Ermessen einräumt. Die Ausübung dieses Ermessens ist jedoch durch das Vorteilsprinzip eingeschränkt (VG Greifswald, Urt. v. 19.04.2012 – 3 A 356/10 –, juris Rn. 13).

22

Mit Blick auf das Vorteilsprinzip ist es zwar nicht zu beanstanden, dass in der Straßenbaubeitragssatzung sowohl ein nutzungsbezogener (§ 5 Abs. 5 Buchst. a SBS) als auch ein gebietsbezogener (§ 5 Abs. 5 Buchst. b SBS) Artzuschlag normiert ist. Ebenfalls unbedenklich ist, dass der gebietsbezogene Artzuschlag höher ist als der nutzungsbezogene. Dies beruht auf der Annahme, dass Grundstücken in den in § 5 Abs. 5 Buchst. b SBS genannten Gebietstypen der Baunutzungsverordnung (Gewerbegebiet – § 8 BauNVO, Industriegebiet – § 9 BauNVO, Kerngebiet – § 7 BauNVO und sonstiges Sondergebiet – § 11 BauNVO) durch eine beitragsfähige Straßenbaumaßnahme ein größerer Vorteil vermittelt wird, als Grundstücken, die – außerhalb der genannten Gebietstypen gelegen – lediglich überwiegend gewerblich oder in einer der gewerblichen Nutzung ähnlichen Weise genutzt werden.

23

Fehlerhaft und weder mit dem Vorteilsprinzip des § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V noch dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) zu vereinbaren ist es jedoch, dass § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS die Entstehung des nutzungsbezogenen Artzuschlags davon abhängig macht, dass die überwiegend gewerblich oder gewerbeähnlich genutzten Grundstücke in einem der in der Vorschrift genannten festgesetzten oder faktischen Gebietstypen der Baunutzungsverordnung liegen. Dies schließt die Anwendbarkeit der Vorschrift auf überwiegend gewerblich oder gewerbeähnlich genutzte Grundstücke im unbeplanten Innenbereich i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB und im Außenbereich (§ 35 BauGB) aus.

24

Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung ist nicht erkennbar (vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 28.08.2015 – 3 B 522/15 –, juris Rn. 15). Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Zulässigkeit der Art der baulichen Nutzung im unbeplanten Innenbereich im Regelfall oder auch nur überwiegend nach § 34 Abs. 2 BauGB richtet, mit der Folge, dass es für die Fälle des § 34 Abs. 1 BauGB keiner Regelung bedarf. Denn die Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB darf nicht dazu führen, dass eine vorhandene Bebauung in Zielrichtung auf eine scharfe Trennung von Gebietscharakter und zulässiger Bebauung geradezu gewaltsam in eine der Alternativen des Gebietskatalogs in § 1 Abs. 2 BauNVO gepresst wird, um dann in einer zweiten Stufe mehr oder weniger schematisch die Zulässigkeitsregeln der §§ 2 ff. BauNVO anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 23.04.1969 – VI C 12/67 –, BVerwGE 32, 31 <37>). Weist die nähere Umgebung z.B. die Merkmale zweier Baugebiete i.S. der Baunutzungsverordnung auf, findet § 34 Abs. 2 BauGB keine Anwendung. Die Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich in diesem Fall ausschließlich nach § 34 Abs. 1 BauGB (Mitschang/Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Auflage 2014, § 34 Rn. 60).

25

Da überwiegend gewerblich oder gewerbeähnlich genutzte Außenbereichsgrundstücke (typischerweise) ebenfalls einen im Verhältnis zur Wohnnutzung verstärkten Ziel- und Quellverkehrs auslösen, ist ein sachlicher Grund für die Unanwendbarkeit des nutzungsbezogenen Artzuschlages bei diesen Grundstücke ebenfalls nicht erkennbar.

26

Einer weiteren Vertiefung bedarf es vorliegend nicht. Denn der dargestellte Fehler führt nach dem Grundsatz der regionalen Teilbarkeit ebenfalls nicht zur Gesamtnichtigkeit der Straßenbaubeitragssatzung. Denn die Bestimmung des § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS findet – wie noch zu zeigen sein wird – in Ansehung der Grundstücke des Klägers keine Anwendung. Anhaltspunkte dafür, dass die Berücksichtigung eines nutzungsbezogenen Artzuschlages für andere Grundstücke im Abrechnungsgebiet notwendig ist, bestehen ebenfalls nicht. Abweichendes wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Die Wirksamkeit der Regelung in § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS ist für die Vorteilsverteilung im Abrechnungsgebiet der H-Straße daher ohne Belang.

27

Auch die Regelung der sogenannten Eckgrundstücksvergünstigung in § 5 Abs. 6 SBS ist nichtig. Die Vorschrift verstößt gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit. Denn sie ist nicht so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auch tatsächlich bestehende Wohngebiete im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB erfassen soll. Anders als in § 5 Abs. 5 SBS werden die tatsächlich bestehenden Gebietstypen (§ 34 Abs. 2 BauGB) nicht neben den in einem Bebauungsplan festgesetzten Gebietstypen erwähnt. Daraus folgt, dass mehrfach erschlossene Grundstücke in faktischen Wohngebieten nach dem Willen des Ortsgesetzgebers nicht in den Genuss der Vergünstigung kommen sollen. Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung ist nicht ersichtlich. Die Nichtigkeitsfolge beschränkt sich allerdings auf § 5 Abs. 6 SBS (Teilnichtigkeit), denn die Vergünstigungsregel für mehrfach erschlossene Grundstücke gehört weder zum Mindestinhalt der Abgabensatzung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V), noch ist sie durch das Vorteilsprinzip geboten (VG Greifswald, Urt. v. 03.03.2010 – 3 A 1281/07 –, juris).

28

2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken.

29

a. Zwar ist die Zusammenfassung der aus den Flurstücken G7, G8, G9 sowie G10, G11, G12, G13 bestehenden zwei Grundstücken in einem Bescheid (Az. 634-01-05-09) ebenso fehlerhaft, wie die Zusammenfassung der jeweils selbstständigen Grundstücke G3, G4 und G5 (Az. 634-01-05-08-B). Bei den Flurstücken G7, G8 und G9 handelt es sich um ein Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne, da die Flurstücke im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter derselben laufenden Nummer verzeichnet (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 53). Gleiches gilt für die Flurstücke G10, G11, G12 und G13. Bei den Flurstücken G3, G4 und G5 handelt es sich jeweils um Einzelgrundstücke, da die genannten Flurstücke im Bestandsverzeichnis des jeweiligen Grundbuchs unter unterschiedlichen laufenden Nummern verzeichnet sind.

30

Die Zusammenfassung selbstständiger Buchgrundstücke ist unzulässig, denn wegen des im Bereich des Straßenbaubeitragsrechts geltenden bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriffs muss für jedes Grundstück ein eigenständiger Beitragsbescheid erlassen werden (VG Greifswald, Urt. v. 07.07.2010 – 3 A 17/08 –, juris Rn. 14 ff.). Allerdings begründet dieser Fehler keinen Aufhebungsanspruch des Klägers. Denn nach § 127 Abgabenordnung (AO) – die Vorschrift findet gemäß § 12 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) auch auf Straßenbaubeiträge Anwendung – kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Die Vorschrift schließt damit bei – wie hier – gebundenen Entscheidungen eine Aufhebung wegen bloß formeller Fehler aus, die nicht zur Nichtigkeit des Bescheides führen. Die Aufhebung kann daher nur beim Vorliegen und im Umfang eines materiellen Fehlers erfolgen. Danach ist eine Aufhebung ausgeschlossen: Nichtigkeitsgründe werden vom Kläger weder vorgetragen noch sind sie sonst erkennbar. Wie noch zu zeigen sein wird, ist der Kläger für alle Grundstücke beitragspflichtig. Bei den Grundstücken Flurstücke G7, G8, G9 sowie Flurstücke G10, G11, G12, G13 ist die Summe der zutreffend ermittelten Beiträge nicht niedriger als die Höhe der Festsetzung. Dies trifft in Ansehung der Grundstücke Flurstücke G3, G4 und G5 zwar nicht zu. Mit Blick auf § 127 letzter Halbsatz AO ist insoweit jedoch nur eine Teilaufhebung möglich.

31

Zweifel über den Umfang der nach § 7 Abs. 6 KAG M-V auf den jeweiligen Einzelgrundstücken ruhenden öffentlichen Last (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: VG Greifswald a.a.O., Rn. 18) können vorliegend ebenfalls nicht entstehen, weil die jeweiligen Grundstücksgrößen in den Bescheiden quadratmetergenau angegeben sind und für die zusammengefassten Grundstücke dieselben Berechnungsparameter zur Beitragsermittlung gelten. Daher ist die auf dem einzelnen Grundstück ruhende öffentliche Last anhand der in den Bescheiden enthaltenen Angaben hinreichend genau bestimmbar (VG Greifswald, Urt. v. 07.04.2010 – 3 A 3035/05 –, juris Rn. 15).

32

b. Abgesehen von dem die Grundstücke Flurstücke G3, G4 und G5 betreffenden Bescheid (dazu sogleich) leiden die streitgegenständlichen Bescheide in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht an Fehlern, die den Kläger benachteiligen.

33

aa. Dies betrifft zunächst die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes. Dass es sich bei den durchgeführten Maßnahmen um beitragsfähige Maßnahmen i.S.d. § 1 SBS handelt, wird vom Kläger nicht bezweifelt, so dass von Darlegungen abgesehen werden kann.

34

Zu Unrecht meint er, dass der vom Erschließungsträger gezahlte Betrag von 60.000,00 EUR aufwandsmindernd berücksichtigt werden müsse. Zwar bestimmt § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V, dass der Aufwand unter Berücksichtigung der Leistungen und Zuschüsse Dritter zu berücksichtigen ist. Dies setzt aber voraus, dass die Leistung bzw. der Zuschuss des Dritten gerade für die abgerechnete Maßnahme erbracht wurde. Dies wiederum hängt davon ab, ob eine entsprechende Zweckbestimmung vorliegt, was jedoch nicht der Fall ist. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass der Betrag allgemein „zur Verbesserung der gemeindlichen Verkehrsinfrastruktur“ eingesetzt werden sollte (und auch wurde). Dass er dazu dient, den umlagefähigen Aufwand für die Baumaßnahme in der H-Straße zu senken, klingt in der Vereinbarung nicht einmal an. Der weitere Einwand des Klägers, die Vereinbarung in § 2 Abs. 4 des Erschließungsvertrages vom 1. Oktober 2009 sei nichtig, kann auf sich beruhen. Denn bei einer Nichtigkeit der Bestimmung bestünde ein Rückzahlungsanspruch des Erschließungsträgers, was erst Recht eine aufwandsmindernde Berücksichtigung des Zahlbetrages ausschlösse.

35

Auch die an die Parkraumbewirtschaftung anknüpfenden Einwände des Klägers verfangen nicht. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Aufwand für den Wendehammer nebst Stellplätzen am östlichen Ende der H-Straße im Rahmen der Beitragsberechnung ebenso wenig berücksichtigt worden ist, wie der Aufwand für die straßenbegleitenden Parkplätze. Die vom Beklagten vorgelegte Kalkulationsübersicht weist keinen Aufwand für unselbstständige Park- und Abstellflächen i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 6 SBS auf. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, denn die straßenbegleitenden Parkflächen sind nicht durch bauliche Maßnahmen (Pflasterungen u.dgl.), sondern durch einfache farbliche Markierungen auf der Asphaltfahrbahn entstanden. Ungeachtet dessen ist darauf hinzuweisen, dass eine straßenverkehrsrechtlich begründete Parkgebühr mit dem Ziel der Parkraumbewirtschaftung die Beitragsfähigkeit der Anlage nicht infrage stellt (vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht: VGH München, Urt. v. 19.02.2002 – 6 B 99.94 –, juris Rn. 28 m.w.N.).

36

Die Erträge aus der Parkraumbewirtschaftung in der H-Straße sind entgegen der Auffassung des Klägers ebenfalls nicht aufwandsmindernd zu berücksichtigen. Insbesondere handelt es sich auch insoweit nicht um Leistungen Dritter i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V. Die entsprechenden Gebühren werden allein für die Nutzung der Parkplätze entrichtet. Eine darüber hinausgehende Zweckbestimmung besteht nicht. Über die Verwendung der Mittel kann die Gemeinde frei entscheiden.

37

bb. Bei der Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes ist kein Fehler zum Nachteil des Klägers erkennbar. Dies betrifft zunächst das Verhältnis zwischen der Gemeinde und der Gesamtheit der Beitragspflichtigen. Die Einstufung der H-Straße als Innerortsstraße i.S.d. § 3 Abs. 5 Nr. 2 SBS wird vom Kläger nicht beanstandet, so dass sich Ausführungen zu ihrer Verkehrsfunktion erübrigen.

38

Auf Grundlage der vom Beklagten vorgelegten Neuberechnung ist auch die Vorteilsverteilung innerhalb der Gruppe der Beitragspflichtigen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Abrechnungsgebiet ist nunmehr ordnungsgemäß gebildet. Nach § 5 Abs. 1 SBS bilden die Grundstücke das Abrechnungsgebiet, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Verkehrseinrichtung nach § 1 eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Verkehrseinrichtung geboten wird. Die Rechtfertigung, ein Grundstück zu einem Ausbaubeitrag zu veranlagen und es demgemäß bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes zu berücksichtigen, ergibt sich damit aus einer Sondervorteile vermittelnden, vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit. Vorteilsrelevant in diesem Sinne ist eine Inanspruchnahmemöglichkeit, die für bestimmte Grundstücke im Verhältnis zu allen anderen deshalb besonders vorteilhaft ist, weil aufgrund der räumlich engen Beziehung dieser Grundstücke zur ausgebauten Anlage erfahrungsgemäß angenommen werden kann, diese werde von ihnen aus in stärkerem Umfang in Anspruch genommen als von anderen Grundstücken, führe also für sie zu einer Steigerung ihres Gebrauchswerts, die für die anderen Grundstücke nicht in vergleichbarer Weise eintritt.

39

Dies trifft auf die vom Beklagten ursprünglich berücksichtigten Grundstücke und das nunmehr in den Vorteilsausgleich einbezogene Grundstück Flurstück G17 zu. Letzteres ist wie die übrigen Grundstücke in den Vorteilsausgleich einzubeziehen, da es unmittelbar an die H-Straße angrenzt und damit von der Baumaßnahme bevorteilt ist. Dem nur ca. 6 m tiefen Grünstreifen mit Containerstellplatz kommt keine trennende Wirkung zu. Da der Beklagte dies zwischenzeitlich selbst erkannt hat, kann von weiteren Darlegungen abgesehen werden. Auf die Beitragshöhe wirkt sich der Fehler nicht aus, da er durch die fehlerhafte Berücksichtigung des nutzungsbezogenen Artzuschlages für die Grundstücke Flurstücke G3, G4 und G5 (dazu sogleich) „überkompensiert“ wird.

40

Zu Recht werden die an das Straßengrundstück nördlich angrenzenden Grundstücke Flurstücke 21/1 und 21/48 nicht in den Vorteilsausgleich einbezogen. Denn sie sind durch die auf dem Straßengrundstück angelegte Grünanlage von der H-Straße getrennt. Die Grünanlage hat eine Breite von ca. 45 m und eine Tiefe von ca. 23 m bis 32 m. Ihr kommt trotz ihrer Belegenheit auf dem Straßengrundstück die Funktion einer eigenständigen beitragsfähigen Erschließungsanlage i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB zu, denn bei den genannten Abmessungen kann nicht mehr von einem bloßen Seitenstreifen i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Straßen- und Wegegesetz (StrWG M-V) ausgegangen werden. Die Eigenständigkeit der Grünanlage unterbricht den Zurechnungszusammenhang zu der ausgebauten Anlage.

41

Entgegen der Auffassung des Klägers sind auch die von den Straßen „K.-Weg“ und „L.-Stieg“ erschlossenen Grundstücke nicht in den Vorteilsausgleich für die H-Straße einzubeziehen. Eine gemeinsame Abrechnung scheidet bereits deshalb aus, weil ihre Anlegung auf Grundlage eines sog. „echten“ Erschließungsvertrages i.S.d. § 124 BauGB a.F. erfolgte, so dass der Gemeinde K. insoweit kein beitragsfähiger Aufwand entstanden ist. Die Bildung einer Abrechnungseinheit hätte daher zur Folge, dass die Anlieger des „K.-Weges“ und des „L.-Stieges“ nicht nur mit den über den jeweiligen Kaufvertrag anteilig umgelegten Kosten „ihrer“ Erschließungsanlagen, sondern zusätzlich mit den anteiligen Kosten der H-Straße belastet würden, ohne dass dem eine anteilige Belastung der Anlieger der H-Straße mit den Kosten des K.-Weges und des L.-Stieges gegenüber stünde.

42

Ungeachtet dessen ist zu berücksichtigten, dass die Erhebung von Straßenbaubeiträgen anlagebezogen erfolgt (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V). Bei den genannten Straßen handelt es sich jeweils um eigenständige Erschließungsanlagen im Sinne der sog. natürlichen Betrachtungsweise, was eine gemeinsame Abrechnung mit der H-Straße ebenfalls ausschließt. Anders als im Erschließungsbeitragsrecht ist im Straßenbaubeitragsrecht die Bildung von Abrechnungseinheiten zudem unzulässig, denn das Kommunalabgabengesetz enthält keine dem § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB entsprechende Bestimmung (VG Greifswald, Beschl. v. 10.11.2009 – 3 B 1405/09 –, juris Rn. 14 m.w.N.).

43

Die Einbeziehung der klägerischen Grundstücke in den Vorteilsausgleich erfolgte ebenfalls zu Recht. Die Grundstücke Flurstück G1, Flurstück G14, Flurstücke G7, G8, G9 sowie das Grundstück Flurstück G2 grenzen unmittelbar an die ausgebaute Anlage an, so dass auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann. Bei den Grundstücken Flurstücke G10, G11, G12, G13, Flurstück G3, Flurstück G13 und Flurstück G4 handelt es sich aus Sicht der H-Straße um Hinterliegergrundstücke, deren Einbeziehung in den Vorteilsausgleich ebenfalls nicht zu beanstanden ist, weil auch sie dem Kläger als Eigentümer der Anliegergrundstücke gehören und unmittelbar bzw. mittelbar an diese angrenzen. Die Eigentümeridentität allein reicht vorliegend für die Einbeziehung aus, denn bei den genannten Grundstücken handelt es sich um sog. gefangene Hinterliegergrundstücke, die über keine weitere Anbindung an das öffentliche Wegenetz verfügen. Zwar grenzen die Grundstücke Flurstücke G2, G4 und G5 an den östlich von ihnen verlaufenden Weidenweg. Hierbei handelt es sich aber nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten um eine Privatstraße, was vorbehaltlich zivilrechtlicher Vereinbarungen eine Nutzung durch den Kläger ausschließt. Ungeachtet dessen ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Bereich der des Hotels nebst Ferienhauskomplex und gemeinsamen Parkplatz um eine einheitliche wirtschaftliche Nutzung von Hinterlieger- und Anliegergrundstücken handelt, was auch eine Einbeziehung sog. nicht gefangener Hinterliegergrundstücke in den Vorteilsausgleich erlauben würde (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 05.11.2014 – 1 L 81/13 und 1 L 220/13 –, juris).

44

Die Berücksichtigung des nutzungsbezogenen gewerblichen Artzuschlages (§ 5 Abs. 5 Buchst. a SBS) für das Hotelgrundstück Flurstück G2 ist dagegen fehlerhaft. Zum einen ist die vom Beklagten hierfür herangezogene Bestimmung unwirksam (s.o.). Zum anderen wäre sie auch im Falle ihrer Wirksamkeit unanwendbar, denn für das Grundstück ist die speziellere Bestimmung des § § 5 Abs. 5 Buchst. b SBS maßgeblich. Hiernach wird die nach Absatz 3 ermittelte Fläche zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Art der Nutzung mit dem Faktor 2,0 vervielfacht, wenn das Grundstück innerhalb eines tatsächlich bestehenden (§ 34 Abs. 2 BauGB) oder durch Bebauungsplan ausgewiesenen Gewerbegebietes (§ 8 BauNVO), Industriegebietes (§ 9 BauNVO), Kerngebietes (§ 7 BauNVO) oder sonstigen Sondergebietes (§ 11 BauNVO) liegt. Letzteres trifft auf das Grundstück Flurstück G2 zu, denn es liegt im sog. Baufeld 3, dessen Ausweisung nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans auf § 11 Abs. 2 BauNVO beruht. Damit hätte statt des nutzungsbezogenen Artzuschlages (Faktor 1,5) der gebietsbezogene Artzuschlag (Faktor 2,0) angewandt werden müssen. Der Fehler führt jedoch nicht zu einer Aufhebung des betreffenden Beitragsbescheides, denn der Kläger wird dadurch lediglich begünstigt.

45

Ebenfalls fehlerhaft ist die Berücksichtigung des nutzungsbezogenen gewerblichen Artzuschlages in Ansehung der Grundstücke Flurstücke G3, G4 und G5. Die Grundstücke sind mit Ferienwohnungen bebaut. Zwar hat das OVG Greifswald in dem Urteil vom 5. November 2014 (– 1 L 220/13 –) ausgeführt, dass bereits die Nutzung der Gebäude als Ferienwohnungen den Artzuschlag rechtfertigt (S. 14 des Entscheidungsumdrucks). Dieser Auffassung folgt das erkennende Gericht jedoch nicht (vgl. bereits VG Greifswald, Urt. v. 20.08.2015 – 3 A 1107/13 –, juris Rn. 29). Unter gewerblicher Nutzung im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts wird zunächst die Nutzung eines Grundstücks als Betriebsstätte verstanden. Über die Nutzung im Sinne des Gewerberechts und Gewerbesteuerrechts hinaus werden auch solche Nutzungen erfasst, die der gewerblichen Nutzung im engeren Sinne durch Auslösung einer intensiveren Inanspruchnahme der Anbaustraße als bei reiner Wohnnutzung entsprechen. Anders als Grundstücke, die nur oder überwiegend der Wohnnutzung zu dienen bestimmt sind, sind Betriebsstätten typischerweise in besonderem Maße (gesteigert) abhängig von der qualifizierten Ausgestaltung der Straße, und zwar zum einen im Hinblick auf ihre Zugänglichkeit und zum anderen im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Straße wegen des typischerweise erhöhten Ziel- und Quellverkehrs (Kunden- und Lieferverkehr etc.). All dies trifft auf eine als Ferienwohnung genutzte Wohnung nicht zu, und zwar unabhängig davon, ob sie vom Eigentümer für eigene Zwecke vorgehalten oder vom Eigentümer oder über einen gewerblichen Wohnungsvermittler (auch) an wechselnde Feriengäste vermietet wird. Die Nutzungsart bleibt Wohnnutzung. Die Betriebsstätte des gewerblichen Wohnungsvermittlers befindet sich regelmäßig an einem anderen Ort. Die Wohnungen sind lediglich Geschäftsobjekt. Der häufige Mieterwechsel führt regelmäßig zu keinem erhöhten Ziel- und Quellverkehr. Entsprechendes gilt auch für den Fall, dass vom Wohnungsvermittler oder von Drittfirmen Dienstleistungen erbracht werden. Auch der Dauermieter bzw. der selbstnutzende Eigentümer nimmt typischerweise Dienstleistung in Anspruch oder ist zur Daseinsversorgung und, soweit er keine Fremdleistungen in Anspruch nimmt, zur Materialbeschaffung auf die Inanspruchnahme der Anbaustraße angewiesen. Typische Unterschiede ergeben sich insoweit nicht. Zudem sind Leerstandzeiten bei Ferienwohnungen unvermeidbar. In diesen Zeiten ist der Ziel- und Quellverkehr deutlich geringer als bei einer Dauernutzung (VG Bayreuth, Urt. v. 14.05.2014 – B 4 K 13.371 –, juris Rn. 57 ff.; Urt. v. 16.04.2014 – B 4 K 13.293 –, juris Rn. 30 ff.; OVG Schleswig, Urt. v. 19.06.2012 – 4 LB 5/12 –, juris Rn. 38).

46

Handelt es sich bei der Nutzung als Ferienwohnung somit nicht um eine gewerbliche Nutzung, so scheidet die Berücksichtigung des Artzuschlages für die genannten Grundstücke unabhängig von der Frage der Wirksamkeit des § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS aus. Der auf diese Grundstücke entfallende Beitrag ist damit nach der vom Beklagten mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2015 Neuberechnung – auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen wird – um 1.966,45 EUR überhöht, so dass der die Grundstücke Flurstücke G3, G4 und G5 betreffende Bescheid im Umfang des Klageantrags aufzuheben ist.

47

cc. Schließlich ist auch die Heranziehung des Klägers nicht zu beanstanden. Mit den Eingang der letzten Unternehmerrechnung vom 30. November 2010 ist die sachliche Beitragspflicht (vgl. § 8 Abs. 5 KAG M-V) und – auf ihrer Grundlage – mit der Bekanntgabe der Beitragsbescheide die persönliche Beitragspflicht (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V) des Klägers entstanden.

48

Die Nichtberücksichtigung der sog. Eckgrundstücksvergünstigung nach § 5 Abs. 6 SBS begegnet keinen Bedenken, denn die Bestimmung ist – wie ausgeführt – unwirksam. Die Bestimmung findet aber auch dann keine Anwendung, wenn man dem nicht folgt und von ihrer Wirksamkeit ausgeht. Denn bei den Grundstücken des Klägers handelt es sich nicht um mehrfach erschlossene Grundstücke in diesem Sinne, obwohl jedenfalls die Grundstücke Flurstücke G2, G4 und G5 auch an den Weidenweg angrenzen. Bei dem Weidenweg handelt es sich – wie bereits dargelegt – um eine Privatstraße. Nach seinem Sinn und Zweck will § 5 Abs. 6 SBS lediglich die Beitragslast für Grundstücke reduzieren, die infolge einer Beitragserhebung für mehrere Straßen entsteht oder entstehen kann. Dies setzt aber voraus, dass die betreffenden Grundstücke an mehrere beitragsfähige Verkehrsanlagen angrenzen bzw. durch sie erschlossen werden. Beitragsfähig sind gemäß § 1 Satz 1 SBS jedoch nur öffentliche Straßen, Wege oder Plätze. In Ansehung einer Privatstraße kann daher eine Beitragserhebung nicht erfolgen. Scheidet damit eine Mehrbelastung der Grundstücke infolge einer Beitragserhebung für mehrere Verkehrsanlagen von vornherein aus, so besteht auch kein Grund für eine Beitragsreduzierung für den Ausbau der H-Straße (vgl. bereits VG Greifswald, Urt. v. 29.10.2008 – 3 A 593/07 –, n.v.).

49

Soweit der Kläger schließlich meint, der von ihm für die Pflasterung der Teilstrecke zwischen der Einmündung der Dünenstraße und dem Wendehammer an die bauausführende Firma gezahlte Betrag von 3.500,00 EUR sei auf die Beitragsfestsetzungen anzurechnen, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Es handelt sich insbesondere nicht um eine auf die Beitragsforderungen anzurechnende Eigenleistung des Klägers. Nach dem Vortrag des Beklagten, der sich mit den Angaben der Baubeschreibung deckt, war ursprünglich auch in diesem Bereich eine Fahrbahnbefestigung aus Asphalt vorgesehen. Die Gemeinde hat – dem Wunsch des Klägers entsprechend – einer Pflasterbauweise mit der Maßgabe zugestimmt, dass der Kläger die entstehenden Mehrkosten trägt. Aus diesem Grund ist die Zahlung erfolgt. Dementsprechend sind die Mehrkosten nicht im Rahmen der Beitragserhebung berücksichtigt worden.

50

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung ist zuzulassen, weil die Entscheidung hinsichtlich der Frage, ob die Berücksichtigung eines nutzungsbezogenen gewerblichen Artzuschlages bei der Nutzung eines Gebäudes als Ferienwohnung zu erfolgen hat, von dem Urteil des OVG Greifswald vom 5. November 2014 (– 1 L 220/13 –) abweicht (§§ 124a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18. Juni 2008 (3 A 416/06) geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über Straßenbaubeiträge für den Bau einer von der X.-Straße in der Gemeinde Y., Ortsteil B-Stadt abzweigenden Stichstraße. Die X.-Straße verläuft von der Verbindungsstraße zwischen Y. und A-Stadt abzweigend hufeisenförmig durch den Ortsteil B-Stadt auf die Verbindungsstraße zurück. Von der X.-Straße zweigt in ihrem südlichen Teil ein Verbindungsweg nach Z. ab (#-Straße), der mit Betonplatten befestigt ist. Daneben zweigt die Stichstraße ab. Sie ist ca. 90 m lang und erschließt fünf Grundstücke, die mit eingeschossigen Doppelhäusern bebaut sind. Die Grundstücke der Klägerin (Gemarkung B-Stadt, Flur 3, Flurstücke 11/1, 11/2 und 21) sind Anliegergrundstücke des hufeisenförmigen Hauptzuges der X.-Straße.

2

Die X.-Straße wurde in ihrem Hauptzug schon 1996 u.a. mit einer drei Meter breiten Fahrbahn mit überfahrbarem einseitigem Gehweg ausgebaut und sodann beitragsmäßig abgerechnet. Auch die Klägerin ist herangezogen worden. Der Ausbau der Stichstraße (Sackgasse) soll zum damaligen Zeitpunkt aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sein (vgl. die „Beschreibung der Verkehrsanlage vor Durchführung der Baumaßnahme“). Nachdem auf dem Grundstück 6/1 die Wohngebäude (Doppelhäuser) errichtet worden waren, ließ der Beklagte auch die Sackgasse ausbauen. Die mit ungebundenem Schotter und teilweiser Schlacketragschicht befestigte, keine Oberflächenentwässerungsanlage aufweisende und nur mit einer einzigen Straßenlampe ausgestattete Stichstraße erhielt eine etwa 3 m breite Fahrbahn mit Pflasterdecke, eine Straßenentwässerung in Form einer Regenwasserleitung sowie 3 Straßenlaternen. Die letzte Unternehmerrechnung ging im Juni 2001 ein (Schlussrechnung der Firma ### GmbH A-Stadt vom 06. Juni 2001).

3

Der Beklagte zog die Klägerin für den Ausbau der Stichstraße auf der Grundlage der Satzung der Gemeinde Y. über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen und Wegen vom 11. Juni 2001 (SBS 01) in Verbindung mit der Ergänzungssatzung zur Straßenbaubeitragssatzung vom 17. September 2001 mit Bescheiden vom 14. Dezember 2005 zu Straßenausbaubeiträgen in Höhe von 217,93 Euro für das Flurstück 11/1 (Bescheid Nr. 05600014), 426,36 Euro für das Flurstück 11/2 (Bescheid Nr. 05600015) sowie 126,05 Euro für das Flurstück 21 (Bescheid Nr. 05600024) heran. Der Beklagte legte dabei der Beitragsberechnung die Einordnung der X.-Straße als „Innerortsstraße“ nach der Ergänzungssatzung vom 17. September 2001 und damit einen Anliegeranteil von 30 % zugrunde.

4

Die Widersprüche der Klägerin wies der Beklagte mit Bescheid vom 16. März 2006, zugestellt am 17. März 2006, zurück.

5

Die Klägerin hat am 05. April 2006 Klage vor dem Verwaltungsgericht Greifswald (3 A 416/06) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, sie sei durch den Ausbau der Sackgasse nicht bevorteilt, weil ihre Grundstücke nicht dort anlägen. Die Sackgasse sei kein unselbständiges Anhängsel des Hauptzuges der X.-Straße, vor allem weil durch die Doppelhäuser eine Bebauungsmassierung anzunehmen sei. Außerdem sei die X.-Straße vor ihrem Ausbau im Jahre 2000 noch nicht endgültig hergestellt gewesen.

6

Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 18. Juni 2008, dem Beklagten zugestellt am 08. Juli 2008, aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die am Hauptzug der X.-Straße liegenden Grundstücke der Klägerin durch den Ausbau der Stichstraße nicht bevorteilt im Sinne des § 7 Abs. 1 KAG M-V seien. Sie lägen weder unmittelbar an der Stichstraße an noch seien sie als Hinterliegergrundstücke in die Aufwandsverteilung einzubeziehen. Denn entgegen der Auffassung des Beklagten bildeten der Hauptzug der X.-Straße und die Stichstraße keine einheitliche Anlage. Beide Straßen dienten unterschiedlichen Verkehrsfunktionen. Die Stichstraße sei eine Anliegerstraße, weil sie ausschließlich der Erschließung der angrenzenden Grundstücke diene. Demgegenüber sei der Hauptzug der X.-Straße als Innerortsstraße einzustufen. Dies folge nicht bereits aus ihrer entsprechenden Zuordnung in der Ergänzungssatzung der Gemeinde, die das Gericht nicht binde, sondern daraus, dass die X.-Straße neben dem Anliegerverkehr auch dem innerörtlichen Verkehr im Ortsteil B-Stadt diene und diesen der Verbindungsstraße zwischen Y. und A-Stadt zuführe. Außerdem nehme die X.-Straße – wenn auch nur in geringem Umfange – Durchgangsverkehr nach Z. auf. Darauf, ob die Sackgasse auch noch aus anderen Gründen, etwa aufgrund einer „Bebauungsmassierung“ als eingeständige Anlage anzusehen sei, komme es danach nicht mehr an. Schließlich komme es auch nicht mehr darauf an, ob die Stichstraße ungeachtet ihres Erscheinungsbildes deshalb hätte eigenständig nach dem Erschließungsbeitragsrecht abgerechnet werden müssen, weil sie vor Durchführung der hier in Rede stehende Ausbaumaßnahme – anders als der Hauptzug der X.-Straße – noch nicht endgültig hergestellt gewesen sei.

7

Der Senat hat auf den Antrag des Beklagten (Eingang bei dem Verwaltungsgericht Greifswald am 07. August 2008) die Berufung mit Beschluss vom 30. April 2009, zugestellt am 06. Mai 2009, zugelassen. Der Beklagte hat die Berufung mit bei dem Oberverwaltungsgericht am 08. Juni 2009 (Montag) eingegangenem Schriftsatz unter Stellung eines Berufungsantrages begründet. Er trägt im Wesentlichen vor, die X.-Straße sei, anders als das Verwaltungsgericht dies sehe, keine Innerortsstraße. Sie sei eine durch ein Wohngebiet verlaufende Straße, die ausschließlich der Aufnahme des Ziel- und Quellverkehrs der angrenzenden Grundstücke nebst der Stichstraße diene. Sie sei eine Einbahnstraße, an der weder Gewerbebetriebe noch sonstige öffentliche Einrichtungen anlägen. Die X.-Straße nehme auch keinen Durchgangsverkehr nach Z. auf. Im weiteren Verlauf der #-Straße finde rechtmäßig nur landwirtschaftlicher Verkehr statt. Der Weg sei nur für diesen Verkehr freigegeben, im Übrigen sei die Durchfahrt verboten. Daher sei die Stichstraße ein sogenanntes unselbständiges Anhängsel der X.-Straße. Die Anliegerstraßen der Gemeinde seien am 03. Oktober 1990 überwiegend mit ungebundenem Schotter befestigt gewesen, insbesondere die abzweigenden Stichstraßen.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18. Juni 2008 die Klage abzuweisen.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

die Berufung zurückzuweisen.

12

Sie tritt dem Vorbringen des Beklagten entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Sie ist der Auffassung, an dem Hauptzug der X.-Straße lägen verschiedene Gewerbebetriebe an, die an der Stichstraße vorzufindende Wohnbebauung stelle eine die Einordnung der Stichstraße als selbständige Anlage rechtfertigende „Bebauungsmassierung“ dar, bei der Bewertung der Selbständigkeit der Stichstraße müsse auch das Verhältnis ihrer Länge zur Länge des Hauptzuges der X.-Straße betrachtet werden und ihr Ausbau sei seinerzeit bei der Sanierung der X.-Straße nicht als Gesamtmaßnahme geplant gewesen. Ferner sei die Stichstraße erstmals hergestellt worden, denn eine Befestigung mit ungebundenem Schotter habe in der Gemeinde nicht den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprochen; Gemeindestraßen seien überwiegend mit Betonplatten oder Kopfsteinpflaster befestigt gewesen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten nebst den dazu vorgelegten Verwaltungsvorgängen (Beiakte I) verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin zu Unrecht stattgegeben und die Bescheide aufgehoben.

15

Die Berufung ist mit Beschluss des Senats vom 30. April 2009, zugestellt am 06. Mai 2009, zugelassen worden. Die Berufungsbegründung ist fristgemäß am Montag, dem 08. Juni 2009 beim Oberverwaltungsgericht eingegangen. Ein Berufungsantrag ist gestellt. Die Gründe der Anfechtung sind im Einzelnen angeführt (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschl. vom 02.06.2005 - 10 B 4.05 -, juris).

16

Die Berufung ist begründet. Die Klage der Klägerin ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide vom 14. Dezember 2005 sind rechtmäßig. Sie finden in der Straßenbaubeitragssatzung von 2001 ihre nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Satzungsgrundlage.

17

Die Frage der Wirksamkeit dieser Satzung ist beteiligtenseitig weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren problematisiert worden. Auch das Verwaltungsgericht ist von ihrer Wirksamkeit ausgegangen. Offensichtliche Fehler drängen sich auch dem Senat nicht auf. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte war eine intensive Vollüberprüfung der Satzung nicht veranlasst.

18

Der Beklagte hat die Klägerin in Anwendung dieser Satzung zu Recht für den Ausbau der Stichstraße herangezogen. Die Stichstraße bildet zusammen mit dem Hauptzug der X.-Straße eine einheitliche Anlage im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts. Durch den Ausbau der Stichstraße wird daher auch den Grundstücken der Klägerin (anliegend am Hauptzug der X.-Straße) eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit (§ 4 SBS 01) eröffnet. Mit Eingang der letzten Unternehmerrechnung (Schlussrechnung) der ### GmbH A-Stadt im Juni 2001 sind die sachlichen Beitragspflichten für die gesamte Anlage entstanden. Die Klägerin konnte daher – wie geschehen – noch mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 veranlagt werden.

19

Die Stichstraße bildet zusammen mit dem Hauptzug der X.-Straße eine einheitliche Anlage.

20

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Ausdehnung der Anlage ist der erschließungsbeitragsrechtliche Anlagenbegriff (vgl. zuletzt Beschl. des Senats vom 10.02.2009 - 1 M 117/08 -, juris, Rn. 17). Daraus folgt, dass ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht für die Beantwortung der Frage, was beitragsfähige Anlage im Sinne von § 8 Abs. 1 KAG M-V ist, grundsätzlich darauf abzustellen ist, was sich bei natürlicher Betrachtungsweise aus der Sicht eines objektiven Betrachters als „gesamte Verkehrsanlage“ darstellt. Die Beurteilung richtet sich dabei nach dem Erscheinungsbild der Straße, wie es sich in seinem Gesamteindruck, geprägt durch die tatsächlichen Verhältnisse etwa in Gestalt von Straßenführung, -länge und -ausstattung, einem objektiven bzw. einem unbefangenen Beobachter vermittelt. Für die Fallgruppe der Stichstraße (Sackgasse) ist in diesem Zusammenhang in der Rechtsprechung der Grundsatz entwickelt worden, dass eine öffentliche, für das Befahren mit Kraftfahrzeugen aller Art vorgesehene Sackgasse in der Regel als selbständig zu qualifizieren ist, wenn sie entweder länger als 100 m ist oder vor Erreichen dieser Länge (mehr oder weniger) rechtswinklig abknickt oder sich verzweigt. Eine Stichstraße ist aber nicht ohne Weiteres schon deshalb als unselbständig zu qualifizieren, weil sie – bei geradem Verlauf – lediglich eine Länge von 75 m aufweist. Werden im allgemeinen Wohngebiet auf der überwiegenden Länge einer solchen Stichstraße etwa zu beiden Seiten zwei- bis dreigeschossige Gebäude in geschlossener Bauweise errichtet und dient die Straße zusätzlich der Erschließung einer an ihrem Wendehammer anschließenden drei- bis viergeschossigen Bebauung, so muss sie wegen dieser „Bebauungsmassierung“ als selbständig angesehen werden (BVerwG, Urt. v. 23.06.1995 - 8 C 30.93 -, BVerwGE 99, 23, 26 m.w.N.; Urt. v. 26.09.2001 - 11 C 16.00 -, NVwZ 2002, 607). Nach diesen Maßstäben spricht hier die Länge der Stichstraße von unstreitig ca. 90 m, ihr gerader und nicht abknickender Verlauf und vor allem auch ihre Ausstattung mit einer nur etwa 3 m breiten Fahrbahn ohne Gehwege für eine Unselbständigkeit der Stichstraße. Gerade der Breite einer Sackgasse kommt für die Frage ihrer Selbständigkeit bzw. Unselbständigkeit Bedeutung zu, weil Zufahrten, die hinterliegende Grundstücke an die Erschließungsanlage anbinden, typischerweise – wie hier – nicht breiter sind als die eigentliche Anbaustraße, die regelmäßig den durchgehenden Verkehr aufzunehmen hat (vgl. BayVGH, Urt. v. 31.08.2006 - 6 B 01.119 -, juris, Rn. 17).

21

Der Annahme der Unselbständigkeit der hier streitigen Stichstraße steht die im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflichten vorzufindende Bebauung an der Stichstraße – anders als von dem Verwaltungsgericht angedeutet – nicht entgegen. In der Rechtsprechung sind zur Selbständigkeit einer Sackgasse führende Fälle einer „Bebauungsmassierung“ neben dem o.g. Fall zwei- bis dreigeschossiger Gebäude in geschlossener Bauweise angenommen worden bei Errichtung von jeweils 8 m breiten Reihenhäusern an beiden Seiten einer etwa 80 m tiefen Sackgasse (siehe auch hierzu BVerwGE 99, 26), oder etwa einer fast die gesamte Länge des Straßenteilstücks einnehmenden vierstöckigen Bebauung mit einem Studentenwohnheim (VG Koblenz, Urt. v. 03.04.2006 - 4 K 1095/05.Ko -, juris, Rn. 23). Damit ist der hier zur Entscheidung anstehende Fall nicht vergleichbar. Weder sind die neuen Wohngebäude auf der südwestlichen Seite des Stichweges in geschlossener Bauweise errichtet (keine „Reihenhäuser“ – wie das Verwaltungsgericht meint –, sondern Doppelhäuser) noch sind sie höher als eingeschossig bebaut. Die Bebauung entspricht vielmehr der Intensität nach dem auch in der Nachbarschaft vorzufindenden Bestand. Eine Massierung von Bebauung entlang der Stichstraße kann nicht festgestellt werden.

22

Eine abweichende Bewertung ist vorliegend auch nicht aufgrund etwaiger unterschiedlicher Verkehrsfunktionen von Hauptzug (X.-Straße) und Stichstraße erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 10.02.2009 - 1 M 117/08 -, juris, Rn. 26 f.) ist eine rechtliche Korrektur des Ergebnisses der Anlagenbestimmung bei natürlicher Betrachtungsweise erforderlich, wenn Hauptzug und Sackgasse wegen unterschiedlicher Verkehrsfunktionen differenzierte Gemeindeanteile zuzuordnen sind. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass den Anliegern von Hauptstraße und Sackgasse nur die ihnen jeweils durch das Ortsrecht zugedachte Vorteilsquote zugerechnet wird. Dann bilden Hauptstraße und Sackgasse straßenbaubeitragsrechtlich grundsätzlich zwei selbständige Anlagen, auch wenn es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um lediglich eine Anlage handeln würde. Vorliegend ist der Hauptzug der X.-Straße – ebenso wie die Sackgasse – als Anliegerstraße anzusehen:

23

Ausgangspunkt der Betrachtung ist § 3 Abs. 5 Nr. 1 und 2 SBS 01. Danach sind Anliegerstraßen solche Straßen, die ausschließlich oder überwiegend der Erschließung der angrenzenden oder durch private Zuwegung mit ihnen verbundenen Grundstücke dienen, und Innerortsstraße solche Straßen und Wege (hauptsächlich Bundes-, Landes-, und Kreisstraßen), die weder überwiegend der Erschließung von Grundstücken noch überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen. Hier ist der Hauptzug der X.-Straße als Anliegerstraße zu bewerten. Dafür spricht, dass von der X.-Straße außer der Straße nach Z. keine weiteren Straßen abzweigen, deren Verkehr die X.-Straße als „Innerortsstraße“ aufnehmen und anderen Straßen zuleiten könnte. Die Straße nach Z. hat eine Betonspurbahn für den landwirtschaftlichen Verkehr und ist daher nicht zur Abwicklung von Durchgangsverkehr von Z. nach B-Stadt, der über die X.-Straße abgeleitet werden müsste, vorgesehen; dem entspricht auch die verkehrsrechtliche Ausschilderung im weiteren Verlauf. Der Verkehr von und zu den am Hauptzug der X.-Straße gelegenen Grundstücken ist als Anliegerverkehr zu bewerten, dies gilt auch für den Ziel- und Quellverkehr der an der X.-Straße liegenden Gewerbegrundstücke (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 34, Rn. 32). Der Verkehr, der von den an der #-Straße anliegenden Wohngrundstücken verursacht und über die X.-Straße abgeleitet wird, ist zwar mit Blick auf die X.-Straße kein Anliegerverkehr, vermag den auf der X.-Straße liegenden, von den dortigen Grundstücken verursachten Anliegerverkehr jedoch aufgrund der relativ geringen Zahl der Wohngrundstücke nicht i.S.v. § 3 Abs. 5 Nr. 2 SBS 01 zu überwiegen.

24

Allein für sich entscheidend für die Einordnung der X.-Straße als Anliegerstraße ist aber schon, dass die X.-Straße mit einer Fahrbahn von nur drei Metern Breite ausgestattet worden ist. Eine derart schmale Fahrbahn ist von vornherein nicht geeignet, die Aufgabe einer Innerortsstraße zu erfüllen. Sie kann daher unabhängig von einer etwaigen tatsächlichen Inanspruchnahme durch landwirtschaftliche Fahrzeuge und Geräte, wie von Klägerseite vorgetragen, auch nicht als „Innerortsstraße“ im satzungsrechtlichen Sinne angesehen werden. Der Senat hat bereits entschieden (s. Beschl. v. 09.07.2007 - 1 M 40/07 -, juris, Rn. 15), dass eine Straße, die mit einer weniger als fünf Meter breiten Fahrbahn ausgestattet ist, nicht den an eine Innerortsstraße zu stellenden Anforderungen genügen kann und vielmehr im Gegenteil ein Merkmal erfüllt, das typischerweise bei Anliegerstraßen anzutreffen ist (so auch OVG Lüneburg, 11.11.1986 - 9 A 25/86 -, KStZ 1987, 136 f. und die bisherige Rechtsprechung des Senates, vgl. Beschl. vom 07.07.2003 - 1 M 67/03 -). Begegnungsverkehr von Lastkraftwagen und/oder Bussen sei bei einer derart geringen Fahrbahnbreite nur unter erheblich erhöhter Vorsicht und verlangsamter Geschwindigkeit und nur mit Ausweichmanövern möglich. Bei einer Ausbaubreite von nur drei Metern gilt dies schon für den Pkw-Verkehr, ohne dass es darauf ankäme, dass der Gehweg im vorliegenden Falle überfahrbar ausgebaut ist (siehe hierzu auch die „Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen“, Ausgabe 1985, erg. 1995 (EAE 85/95), der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen).

25

Wenn danach der Hauptzug der X.-Straße als „Anliegerstraße“ i.S.v. § 3 Abs. 5 Nr. 1 SBS 01 anzusehen ist, so ändert sich daran auch nicht deshalb etwas, weil die X.-Straße nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 der Ergänzungssatzung zur SBS 01 als „Innerortsstraße“ eingestuft ist. Zwar ist eine Satzungsbestimmung als materielles Recht grundsätzlich auch für die Verwaltungsgerichte verbindlich, soweit sie mit höherrangigem Recht in Einklang steht und gültig ist. Hier ist jedoch die Einordnung der X.-Straße als „Innerortsstraße“ bereits selbst vom Satzungsgeber nicht als verbindliche Bestimmung ausgestaltet. Dies folgt aus § 2 Abs. 2 Satz 3 der Ergänzungssatzung, wonach es sich „bei der vorangestellten Zuordnung der Straßen nur um eine prognostische Beurteilung handele“; maßgeblich seien die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht (§ 2 Abs. 2 Satz 1 der Ergänzungssatzung). Die Zuordnung zu einem bestimmten Straßentyp mit entsprechenden Gemeindeanteilen am beitragsfähigen Aufwand (vgl. § 3 Abs. 2 SBS 01) stellt sich bei einer solchen Satzungsformulierung gerade nicht als zwingend, sondern höchstens als „Richtschnur“ für die zu einem späteren Zeitpunkt im Einzelfall vorzunehmende Einordnung dar. Sie kann daher der nach der Verkehrsfunktion und dem Ausbauzustand vorzunehmenden Zuordnung (hier: „Anliegerstraße“) nicht als entgegenstehende Regelung widersprechen.

26

Selbst wenn aber aufgrund der Zuordnung in der Ergänzungssatzung die X.-Straße als „Innerortsstraße“ zu betrachten sein sollte, ergäbe sich daraus für die hier allein interessierende Frage etwaiger unterschiedlicher Verkehrsfunktionen von Stichstraße und Hauptzug keine unterschiedliche Einordnung beider Anlagenteile. Es spricht nichts dafür, dass sich die Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 9 der Ergänzungssatzung lediglich auf den Hauptzug der X.-Straße beziehen sollte und nicht auch auf die Stichstraße, die bei natürlicher Betrachtungsweise deren unselbständiges Anhängsel ist.

27

Die Klägerin macht des Weiteren geltend, bei dem Ausbau der Stichstraße habe es sich um deren erstmalige Herstellung gehandelt. Die Befestigung mit ungebundenem Schotter und teilweiser Schlacketragschicht habe nicht den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprochen. Straßenausbaubeiträge hätten damit für den Ausbau der Sackgasse nicht erhoben werden dürfen.

28

Diese Ansicht geht schon im Ansatz unrichtigerweise darüber hinweg, dass auch bei der Frage, ob die Anlage schon vor dem Wirksamwerden des Beitritts hergestellt gewesen ist und damit ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden kann (§ 242 Abs. 9 BauGB), zunächst die Ausdehnung der Anlage geklärt werden muss. Darauf, dass die Sackgasse womöglich zu dem genannten Zeitpunkt (Oktober 1990) noch nicht hergestellt war, kann es nur ankommen, wenn sie als selbständige Anlage anzusehen war. Das ist jedoch nicht der Fall, weil die Sackgasse 1990, d.h. ohne die neuere Bebauung mit Doppelhäusern, erst recht ein unselbständiges Anhängsel des Hauptzuges der X.-Straße gewesen ist. Sollte die Stichstraße 1990 tatsächlich noch nicht einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellt gewesen sein (vgl. § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB), so wäre folglich die gesamte X.-Straße noch nicht insgesamt fertig gestellt gewesen. Dann wären spätere Baumaßnahmen an dieser Straße insgesamt nach erschließungsbeitragsrechtlichen Regeln abzurechnen, auch wenn sich die Baumaßnahmen als solche nicht auf die gesamte Länge der Verkehrsanlage beziehen (vgl. Driehaus, aaO., § 2 Rn. 48).

29

Nach dieser Betrachtung ist entweder die X.-Straße im Oktober 1990 mit ihrem Ausbau als Betonplattenbahn bzgl. des Hauptzuges und der Befestigung mit Schotter im Bereich der Sackgasse den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellt gewesen mit der Folge einer Abrechnung weiterer Baumaßnahmen allein nach Straßenbaubeitragsrecht. Oder sie war noch nicht insgesamt fertig gestellt, weil die Befestigung allein mit Schotter im Bereich der Stichstraße den Ausbaugepflogenheiten nicht entsprach mit der Folge, dass der weitere Ausbau der Stichstraße nunmehr allein nach Erschließungsbeitragsrecht hätte abgerechnet werden dürfen. Aufgrund des dann geringeren Gemeindeanteils hätten die Anlieger im letzten Falle zu höheren (Erschließungs-)Beiträgen herangezogen werden müssen. Die mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachte Straßenausbaubeitragsforderung wäre demnach als teilweise geltend gemachte Erschließungsbeitragsforderung (vgl. die Satzung der Gemeinde Y. über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen v. 03.11.1997; vgl. zur Rechtmäßigkeit einer in einem Straßenausbaubeitragsbescheid liegenden Erschließungsbeitragsforderung Driehaus, a.a.O., § 2 Rn. 64 f.) gerechtfertigt gewesen.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

31

Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 28.07.2008 (Aktenzeichen) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2009 wird aufgehoben, soweit darin eine weitere Vorausleistung von mehr als 18.295,59 Euro festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Vollstreckungsgläubiger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um eine Vorausleistung auf einen Straßenausbaubeitrag.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung A-Stadt, Flur 2, vormals Flurstücke … mit einer Größe von 4.796 qm. Auf dem Grundstück befindet sich ein Hotelbetrieb. Das Grundstück lag am G. an, den die Gemeinde A-Stadt einschließlich eines Stichweges ausgebaut hat. Fahrbahn und Straßenbeleuchtung wurden erneuert und eine Straßenentwässerung erstmalig hergestellt. Der notwendige Grunderwerb ist noch nicht abgeschlossen.

3

Mit einem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 08.10.2007 setzte der Beklagte gegen den Kläger für das vorgenannte Grundstück eine Vorausleistung in Höhe von 1338,93 Euro fest. Mit einem weiteren Bescheid vom 28.07.2008 (Aktenzeichen) setzte der Beklagte gegen den Kläger eine weitere Vorausleistung in Höhe von 18.837,13 Euro fest. Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2009 zurück.

4

Am 26.03.2009 hat der Kläger Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er vor, die abgerechnete Anlage sei keine Anliegerstraße, sondern eine Innerortsstraße. Mit einer Breite von 4,75 Metern und einer Länge von 490 Metern weise der „G.“ den Ausbauzustand einer Innerortsstraße auf. Zudem habe die Straße mit Blick auf die Erschließung der Straße „A.“ eine Verbindungsfunktion. Die dortigen Grundstücke seien ausschließlich über den „G.“ erreichbar. Außerdem verbinde die Anlage die „C.“ und die „T.“ miteinander.

5

Mit notariellem Vertrag vom 17.08.2009 übertrug der Kläger seinem Sohn … unentgeltlich bei Einräumung eines Rückforderungsrechtes in bestimmten Fällen eine Teilfläche von etwa 250 qm aus dem Flurstück … und erklärte die Auflassung. Die Eintragung in das Grundbuch erfolgte am 16.08.2011. Das klägerische Grundstück verfügt nunmehr über keine Verbindung zum G. mehr.

6

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Vorausleistungsbescheid damit rechtswidrig geworden ist. Seine persönliche Beitragspflicht ende, weil die sachliche Beitragspflicht in seiner Person nicht mehr entstehen könne.

7

Der Kläger beantragt,

8

den Bescheid des Beklagten vom 28.07.2008 (Aktenzeichen) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2009 aufzuheben, soweit darin eine weitere Vorausleistung von mehr als 13.433,49 Euro festgesetzt wird.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide. Die 21 Grundstückseigentümer an der Privatstraße „A.“ erreichten ihre Grundstücke nunmehr ausschließlich über eine eigene Erschließungsstraße. Vom „G.“ aus sei die Straße „A.“ nur noch fußläufig zu erreichen. Eine Abkürzungsfunktion komme der ausgebauten und als verkehrsberuhigt ausgewiesenen Anlage nicht zu. Auf den Grundstücksübergang komme es nicht an, dieser stelle sich als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten dar.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

1. Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Im Umfang der Aufhebung sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und ist der Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

14

a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) dürfen Abgaben nur aufgrund einer Satzung erhoben werden. Rechtsgrundlage der Beitragserhebung ist hier die Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 20.02.2001 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 17.04.2007 (Straßenausbaubeitragssatzung). Diese Satzung ist nach jetziger Erkenntnis wirksam. Auch die Klage macht insoweit nichts geltend.

15

b) Die Rechtsanwendung geschah indes zum Teil fehlerhaft.

16

aa) § 7 Straßenausbaubeitragssatzung erlaubt die Erhebung von Vorausleistungen auch schon vor Entstehen der sachlichen Beitragspflicht gemäß § 9 Straßenausbaubeitragssatzung. Es bestehen keine Bedenken, dass die Vorausleistungen hier in voller Höhe der voraussichtlichen Beitragsschuld erhoben werden (§ 7 Abs. 4 Satz 1 KAG M-V).

17

bb) Der Anlagenbegriff wurde nicht verkannt. Die für die endgültige Herstellung vorgesehene und abgerechnete Anlage stellt sich bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise aus der Sicht eines objektiven Betrachters als „gesamte Verkehrsanlage“ dar (vgl. zum Anlagenbegriff im Ausbaubeitragsrecht OVG Greifswald, Beschl. v. 10.02.2009 - 1 M 117/08, zit. n. juris). Der ausgebaute G. wird durch die Einmündungen auf die C. und die T. begrenzt. Der gegenüber dem Flurstück 164/4 abzweigende Weg ist richtigerweise zur Anlage gerechnet worden. Eine bis zu 100 Meter tiefe, nicht verzweigte und nicht abknickende Stichstraße ist grundsätzlich als unselbständiges Anhängsel der H., von der sie abzweigt, zu qualifizieren (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Auflage, § 12, Rn. 15). Der betreffende Weg stellt sich danach noch als unselbstständige Zufahrt zum G. dar. Gleiches gilt für den (gegenwärtig noch privaten) Stichweg auf dem Flurstück ….

18

cc) Die vorgenommenen Arbeiten stellen sich ohne Weiteres als erforderliche Maßnahmen im Sinne von § 1 Satz 1 Straßenausbaubeitragssatzung dar. Die Straße wurde in den vorhandenen Teileinrichtungen Fahrbahn und Beleuchtung erneuert und hinsichtlich der Teileinrichtung Straßenentwässerung ausgebaut. Für die Beurteilung der anlagenbezogenen und kostenbezogenen Erforderlichkeit ist der Gemeinde ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen. Durch das Merkmal der Erforderlichkeit wird lediglich eine äußerste Grenze markiert, die erst überschritten ist, wenn die von der Gemeinde gewählte Lösung „sachlich schlechthin unvertretbar“ ist (VGH München, Urt. v. 14.07.2010 - 6 B 08.2254, zit. n. juris). Der Beklagte konnte überzeugend dartun, dass insbesondere auch in Ansehung der Beleuchtung ein Ausbaubedarf bestand. Bei einer über 30 Jahre alten Straßenbeleuchtung ist zu vermuten, dass diese den heutigen Anforderungen an eine genügende Ausleuchtung nicht mehr genügt (VG Greifswald, Urt. v. 28.09.2005 – 3 A 127/03).

19

dd) Gegen die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands ist gleichfalls nichts zu erinnern. Der Beklagte hat diesen unter Vorlage von Rechnungen, einer tabellarischen Aufstellung („BV: Komplexerschließung G. A-Stadt“) und einer Erläuterung im Schriftsatz vom 03.08.2011 dargestellt, ohne dass dagegen klägerseits substantiiert Einwendungen erhoben worden wären. Auch dem Gericht drängen sich insoweit keine Fehler auf. Ein Trennsystem mit getrenntem Schmutz- und Regenwassersammler, das hinsichtlich seines Regenwassersammlers sowohl der Niederschlagsentwässerung des Grundstücks als auch der Straßenentwässerung dient, rechtfertigt eine hälftige Zuordnung des Aufwands (Holz, in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand August 2011, § 8, Anm. 1.5.2.4 m.w.N.). So ist hier verfahren worden. Der Zuschuss des Energieversorgers wegen ersparter Kosten ist richtigerweise vom Aufwand abgesetzt worden, die (voraussichtlichen) Grunderwerbskosten rechnen nach § 3 Abs. 2 Straßenausbaubeitragssatzung zum beitragsfähigen Aufwand.

20

Vom so ermittelten Aufwand sind richtigerweise die nach § 3 Abs. 2 Spalte 1 Beitragssatzung zu bestimmenden kommunalen Anteile abgesetzt worden. Es ergibt sich ein Anliegeranteil von 177.560,22 Euro. Bei der ausgebauten Anlage handelt es sich entgegen der Auffassung der Klage um eine Anliegerstraße im Sinne von § 3 Abs. 5 Nr. 1 Straßenausbaubeitragssatzung. Danach sind Anliegerstraßen Straßen, Wege und Plätze, die ausschließlich oder überwiegend der Erschließung der angrenzenden oder durch private Zuwegung mit ihnen verbundenen Grundstücke dienen. Das ist hier der Fall.

21

Für die Abgrenzung der verschiedenen Straßenkategorien in § 3 Abs. 5 Straßenausbaubeitragssatzung kommt es auf die der Straße zugedachte Aufgabe und Zweckbestimmung an, die durch eine Gesamtbetrachtung verschiedener Kriterien zu ermitteln ist. Dazu gehören die Verkehrsplanung der Gemeinde, der darauf beruhende Ausbauzustand der Straße und die straßenrechtliche Gewichtung. Entscheidend ist die von der Gemeinde im Einklang mit ihrer Verkehrsplanung gewählte Zweckbestimmung der Anlage, die sich in einem diesem Zweck entsprechenden dauerhaften Ausbau ausdrückt. Straßen verschiedener Kategorie erfüllen in verkehrlicher Hinsicht unterschiedliche Aufgaben und sind daher zwangsläufig ausbaumäßig unterschiedlich ausgestattet. Gleichermaßen von Gewicht für die satzungsgerechte Einstufung einer ausgebauten Straße ist ihre Lage im Straßennetz der Gemeinde (OVG Greifswald, Beschl. v. 09.07.2007 - 1 M 40/07, zit. n. juris). Bereits der Ausbauzustand der Straße schließt die Annahme einer Innerortsstraße aus. Eine Straße, bei der aufgrund einer durchgängigen Fahrbahnbreite von lediglich 4,75 Metern ein gefährdungsfreier Begegnungsverkehr größerer Fahrzeuge nicht gewährleistet ist, genügt nicht den Anforderungen an eine Innerortsstraße, sondern erfüllt vielmehr ein Merkmal, das typischerweise bei Anliegerstraßen anzutreffen ist (OVG Greifswald, Beschl. v. 09.07.2007 – 1 M 40/07, zit. n. juris). Auch aus der Lage der ausgebauten Anlage im Straßennetz der Gemeinde ergibt sich, dass es sich um eine Anliegerstraße handelt. Die Straße hat schon wegen ihrer Länge tatsächlich keine Verbindungsfunktion zwischen C. und T., die in östlicher Richtung unmittelbar aufeinander stoßen. Der G. dient ganz überwiegend der Aufnahme des Ziel- und Quellverkehrs. Inzwischen ist die Verbindung zur Privatstraße „A.“ für den Fahrzeugverkehr geschlossen, so dass zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht auch insoweit keine innerörtliche Verkehrsfunktion mehr bestehen wird.

22

ee) Das Abrechnungsgebiet ist jedoch nicht richtig gebildet worden. Gemäß § 4 Abs. 1 Straßenausbaubeitragssatzung bilden die Grundstücke, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung eröffnet wird, das Abrechnungsgebiet. Der vom Beklagten erstellten kartenmäßigen Darstellung des Vorteilsgebiets lässt sich entnehmen, dass bis auf eine Ausnahme sämtliche an der ausgebauten Straße anliegenden Grundstücke in den Vorteilsausgleich aufgenommen worden sind, soweit sie nicht ihrerseits eine Verkehrsanlage darstellen und deshalb auszuscheiden sind. Der Beklagte hat jedoch verkannt, dass auch das Grundstück Flurstück … bevorteilt ist. Es grenzt an die ausgebaute Anlage, namentlich den Wendehammer auf dem Grundstück Flurstück … unmittelbar an. Der Umstand, dass auf dieses Grundstück von der Straße aus nicht heraufgefahren werden kann, ist rechtlich unerheblich. Bei wohngenutzten Grundstücken reicht eine fußläufige Erreichbarkeit von der ausgebauten Anlage her aus. Zudem sind vom Grundstückseigentümer selbst errichtete Hindernisse (etwa Gebäude oder Einfriedungen) regelmäßig nicht geeignet, den beitragsrechtlichen Vorteil auszuschließen, solange es ein vernünftig denkender Eigentümer – bei Hinwegdenken einer anderweitigen Erschließung des Grundstücks – in der Hand hat, das Hindernis (etwa durch Einbau einer Tür oder Pforte) zu beseitigen (Holz, in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand August 2011, § 8, Anm. 1.5.2.2, 1.5.2.4 m.w.N.). Das eingeschossig bebaute und nicht gewerblich genutzte Grundstück Flurstück … ist mithin mit einer Größe von 1.162 qm der vom Beklagten im Übrigen zutreffend mit 42.209,50 qm ermittelten gewichteten Vorteilsfläche hinzuzurechen.

23

Der im Laufe des Klageverfahrens erfolgte Übergang einer Teilfläche aus dem Grundstück des Klägers ist für diese Entscheidung ohne Belang. Anders als bei der endgültigen Festsetzung des Ausbaubeitrags ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Vorausleistungsbescheides nicht der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht maßgeblich. Dabei kann für diese Entscheidung dahinstehen, ob der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Falle der Anfechtungsklage gegen einen beitragsrechtlichen Vorausleistungsbescheid der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (so OVG Berlin, Beschl. v. 22.11.2010 – 9 S 29.10, zit. n. juris zum Erschließungsbeitragsrecht und VG Magdeburg, Beschl. v. 10.05.2010 – 9 B 435/09, zit. n. juris zum Anschlussbeitragsrecht) oder der Zeitpunkt ist, in dem Ausgangsbescheid erlassen worden ist (so Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2009, § 8, Rn. 133, 142). Der von der Klage vorgetragene Grundstücksübergang lag zeitlich später und ist einschließlich der Frage, ob er § 42 Abgabenordnung (AO) unterfällt, für diese Entscheidung ohne rechtliche Bedeutung. Dies folgt aus der materiell-rechtlichen Regelung in § 7 Abs. 4 Satz 3 KAG M-V (so zum jetzigen Landesrecht auch VGH München, Urt. v. 23.06.1994 - 23 B 90.139, zit. n. juris). Nach dieser Vorschrift ist die Vorausleistung mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht endgültig beitragspflichtig ist. Diese Rechtsfolge kann aber nur erreicht werden, wenn der Wegfall der Umstände, die zur Beitragspflicht im Vorausleistungsverfahren geführt haben, die Rechtmäßigkeit und den Bestand des Vorausleistungsbescheides als Rechtsgrund für das vorübergehende Behaltendürfen der Vorausleistung und deren Tilgungswirkung zugunsten des endgültig persönlich Beitragspflichtigen unberührt lässt. Veränderungen in der Eigentümerstellung berühren deshalb die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Vorausleistungsbescheides in der Person des damaligen Eigentümers entstandene Vorausleistungspflicht nicht (Holz, in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand August 2011, § 8, Anm. 1.6.1).

24

Die gewichtete Vorteilsfläche beträgt also voraussichtlich 43.371,50 qm. Daraus errechnet sich ein Beitragssatz von 4,0939377 Euro/qm.

25

ff) Für das klägerische Grundstück ergibt sich damit ein voraussichtlicher Beitragsanspruch des Beklagten in Höhe von 4.796 qm x 1,5 (§ 5 Abs. 5 Buchst. a Straßenausbaubeitragssatzung) x 4,0939377 Euro/qm x 2/3 (§ 5 Abs. 6 Straßenausbaubeitragssatzung) = 19.634,52 Euro. Davon sind 1.338,93 Euro bereits bestandskräftig festgesetzt. Soweit die angefochtenen Bescheide die Festsetzung von weiteren 18.295,59 Euro übersteigen, waren sie aufzuheben.

26

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß §§ 124, 124a VwGO bestehen nicht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.