Tenor

1. Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Vorausleistungsbescheid des Beklagten vom 7. November 2013 – … – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 26. März 2014 insoweit aufgehoben, als die Festsetzung den Betrag von 3.325,31 EUR übersteigt.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten wegen der Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Straßenbaubeitrag.

2

Der Kläger ist Eigentümer des unbebauten und landwirtschaftlich genutzten Grundstücks G1 mit einer Fläche von 5.468 m². Hiervon liegt eine Teilfläche von 1.400,96 m² im unbeplanten Innenbereich der amtsangehörigen Gemeinde A-Stadt; die Restfläche liegt im Außenbereich.

3

Das Grundstück grenzt mit einem ca. 5,30 m breiten Streifen südlich an die Straße „A.“. Dieser Streifen, der sich in südliche Richtung kontinuierlich verjüngt und am Ende eine Breite von ca. 2,50 m aufweist, ist teilweise mit einem Gebäude überbaut, das sich mit seiner Restfläche auf dem östlich angrenzenden und ebenfalls im Eigentum des Klägers stehenden Grundstück G2 befindet. Auch das Grundstück G2 grenzt an die ausgebaute Verkehrsanlage an.

4

Die Straße „A.“ führt von der Einmündung in den „W.-Weg“ in südöstliche Richtung. Jenseits der Grundstücke des Klägers verschwenkt sie sich und führt in nördliche Richtung, wo sie an der Dorfstraße endet. Westlich des klägerischen Grundstücks zweigt ein ebenfalls „A.“ genannter Stichweg von der Anlage ab. Er weist eine Länge von etwa 90 m auf und endet an einem Feldweg.

5

Der W.-Weg führt in nördliche Richtung durch die Ortslage von A-Stadt. Die in östliche Richtung führende Dorfstraße zweigt vom W.-Weg ab. Die genannten Verkehrsanlagen bilden eine Art Ring um den Ortskern von A-Stadt.

6

Im Zuge einer gemeinsam mit dem Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Rügen durchgeführten Baumaßnahme (Wegebau und Regenentwässerung) ließ die Gemeinde A-Stadt die genannten Verkehrsanlagen in einem einheitlichen Zustand (Fahrbahnbefestigung und –breite) ausbauen. Die letzte Unternehmerrechnung liegt der Gemeinde seit Mai 2012 vor. Für die Baumaßnahmen wurden Fördermittel nach der Richtlinie ILERL M-V ausgereicht. Das Ergebnis der Verwendungsprüfung für die ausgereichten Fördermittel liegt noch nicht vor.

7

Mit Vorausleistungsbescheid vom 7. November 2013 zog der Beklagte den Kläger zu einer Vorausleistung auf den Ausbaubeitrag i.H.v. 3.417,67 EUR heran. Der Berechnung wurde der Aufwand für alle Verkehrsanlagen abzüglich der ausgereichten Fördermittel und die (gewichteten) Flächen aller von den Anlagen erschlossenen Grundstücke zugrunde gelegt. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2014 – zugestellt am 1. April 2014 – zurück.

8

Am 30. April 2014 hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben. Er ist der Auffassung, sein Grundstück werde durch die Nutzung als Grünland von der Baumaßnahme nicht bevorteilt. Zudem grenze es nur in einer Breite von 2 m an die ausgebaute Anlage an.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Vorausleistungsbescheid des Beklagten vom 7. November 2013 – 6405/13600014 – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 26. März 2014 aufzuheben.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er ist der Auffassung, die Heranziehung des Klägers sei rechtmäßig. Die Zusammenfassung der Verkehrsanlagen „A.“, „W.-Weg“ und „Dorfstraße“ sei mit Blick auf die beabsichtigte Zusammenfassung zu einer Abrechnungseinheit zulässig.

14

Mit Schriftsätzen vom 15. August 2016 und 16. März 2017 legte der Beklagte eine Neuberechnung der Vorausleistung vor, die nur den Aufwand für die Straße „ A.“ von der Einmündung in den W.-Weg bis zur Einmündung in die Dorfstraße einschließlich des nach Süden führenden Stichweges und nur die von dieser Verkehrsanlage erschlossenen Grundstücke berücksichtigt. Danach ergibt sich eine Vorausleistung i.H.v. 3.325,31 EUR.

15

Mit Beschluss vom 12. April 2017 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

I.

17

Die Klage kann ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten hierzu mit Schriftsätzen vom 10. Juni 2014 bzw. vom 12. Juni 2014 ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO).

II.

18

Die zulässige Klage ist zum weit überwiegenden Teil unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit die Festsetzung der Vorausleistung den Betrag von 3.325,31 EUR übersteigt. Im Übrigen ist der Bescheid dagegen nicht zu beanstanden.

19

Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenausbaubeitragssatzung – SABS) vom 4. Dezember 2001.

20

Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung werden vom Kläger nicht geltend gemacht. Sie drängen sich auch nicht auf. Insbesondere bestehen gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, dass die in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 SABS normierte Tiefenbegrenzung nicht den Maßgaben der Rechtsprechung des OVG Greifswald (zuletzt: Urt. v. 20.09.2016 – 1 K 19/12 –, juris Rn. 40 ff. [Anschlussbeitrag]) entspricht. Dieser Frage wird ggfs. erst im Zusammenhang mit der Erhebung des endgültigen Beitrags nachzugehen sein.

21

Die Rechtsanwendung durch den Beklagten ist nur insoweit zum Nachteil des Klägers fehlerhaft, als die Verkehrsanlagen „A.“, „W.-Weg“ und „Dorfstraße“ für die Ermittlung der Vorausleistung zusammengefasst werden.

22

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: § 7 Satz 1 SABS sieht die Erhebung einer angemessenen Vorausleistung vor, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist. Die Vorausleistung ist ihrem Wesen nach ein Vorschuss auf den Ausgleich eines später mit der Herstellung der beitragsfähigen Anlage vermittelten Sondervorteils. Ihre Erhebung setzt nicht das Vorliegen eines bereits voll ausgebildeten Sondervorteils voraus, so dass es ausreicht, dass der Sondervorteil so entstehen kann, wie bei der Ermittlung der angenommen. Daraus folgt, dass die Ermittlung der Vorausleistung grundsätzlich nach denselben Kriterien zu erfolgen hat, wie die Ermittlung des endgültigen Beitrags. So ist bei der Aufwandsermittlung (vgl. § SABS) und -verteilung (vgl. § 4 Abs. 1 SABS) der Anlagenbegriff zu berücksichtigen. Der umlagefähige Aufwand ist für die jede selbstständige Anlage i.S.d. sog. natürlichen Betrachtungsweise gesondert zu ermitteln und (nur) auf die von dieser Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen.

23

Allerdings dürfen künftige Verfahrensschritte, die sich auf die Entstehung des Sondervorteils auswirken, vorweggenommen werden. So dürfen die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes und die Bildung des Abrechnungsgebietes bei der Erhebung einer Vorausleistung unter Berücksichtigung eines „gedachten“ Abschnittsbildungsbeschlusses i.S.d. § 8 Abs. 4 KAG M-V auf den künftigen Abrechnungsabschnitt beschränkt werden, wenn eine Abschnittsbildung an der betreffenden Stelle zulässig ist (VG Greifswald, Beschl. v. 15.12.2004 – 3 B 361/04 –). Vorliegend ist der Beklagte den „umgekehrten“ Weg gegangen und hat die Vorausleistung unter Berücksichtigung einer noch von der Gemeinde zu beschließenden Abrechnungseinheit ermittelt, die aus (mindestens) drei selbstständigen Anlagen i.S.d. natürlichen Betrachtungsweise besteht.

24

Dies ist unzulässig. Zwar sieht § 4 Abs. 2 zweiter Halbsatz SABS die Bildung von Abrechnungseinheiten vor. Allerdings ist die Regelung wegen einer fehlenden Rechtsgrundlage unwirksam sein (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 21.12.2006 – 5 TG 2329/06 –, KStZ 2007, 113; Urt. v. 10.10.1984 – V OE 101/82 –; a.A.: OVG Greifswald, Beschl. v. 23.04.1997 - 6 M 114/96, S. 3 des Entscheidungsumdrucks; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 30 Rn. 44 unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Urt. v . 18.03.1986 – 9 A 237/82 – bzw. OVG Münster, Beschl. v. 04.02.1985 – 2 B 499/84 –). Das Kommunalabgabengesetz kennt zwar die Bildung von Abrechnungsabschnitten (vgl. § 8 Abs. 4 KAG M-V), nicht aber eine dem § 130 Abs. 2 Satz 3 Baugesetzbuch (BauGB) entsprechende Bestimmung zur Bildung von Abrechnungseinheiten. Es bedarf nicht nur in Ansehung der Bildung von Abrechnungsabschnitten, sondern auch in Ansehung der Bildung von Abrechnungseinheiten einer gesetzgeberischen Entscheidung. Denn die Bildung einer Abrechnungseinheit führt gegenüber der vom Kommunalabgabengesetz als Regelfall vorgesehenen Einzelabrechnung zu einer Verschiebung der Beitragslasten. Im Erschließungsbeitragsrecht dient die Bildung einer Erschließungseinheit der Entlastung der Anlieger der aufwändigeren und deshalb teureren Hauptstraße (BVerwG, Urt. v. 12.05.2016 – 9 C 11.15 –, juris Rn. 20; Urt. v. 10.06.2009 – 9 C 2.08 –, juris Rn. 26). Weil im Erschließungsbeitragsrecht ebenso wie im Straßenausbaubeitragsrecht eine feststehende Kostenlast verteilt wird, geht mit der genannten Entlastung eine Belastung der Anlieger der weniger aufwändigen und deshalb billigeren Nebenstraßen einher. Führt aber die Bildung einer Abrechnungseinheit zu einer Erhöhung der Beitragslast, so ist sie "wesentlich" im Sinne der Wesentlichkeitstheorie und bedarf der gesetzgeberischen Entscheidung.

25

Ein gesetzgeberischer Entscheidungsbedarf besteht auch noch aus einem weiteren Grund: Es ist nämlich zu klären, ob Grundstücke, die an mehrere der zusammengefassten Anlagen angrenzen, bei der Bildung einer Abrechnungseinheit trotz ihres Angrenzens an mehrere Verkehrsanlagen wie im Erschließungsbeitragsrecht (vgl. § 131 Abs. 1 Satz 2 BauGB) nur einmal berücksichtigt werden sollen. Dies wirkt sich auf die Ermittlung der Anzahl der auf die jeweiligen Grundstücke entfallenden Beitragseinheiten aus. Die Eigentümer der Grundstücke, die an mehrere der zusammengefassten Anlagen angrenzen, werden entlastet, die Eigentümer der übrigen in den Vorteilsausgleich einzubeziehenden Grundstücke werden dagegen belastet.

26

Hiergegen wird allerdings eingewandt, die oben zitierte Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern, wonach die Bildung von Abrechnungseinheiten auch ohne ausdrückliche landesgesetzgeberische Ermächtigung zulässig sei, weil § 8 KAG (a.F.) keine gegenteilige Regelung enthalte und im Übrigen der erschließungsbeitragsrechtliche Anlagenbegriff gelte, sei im Gesetzgebungsverfahren zur KAG-Novelle 2005 bekannt gewesen und daher vom Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen worden (Holz in: Aussprung/Siemers/ders., KAG M-V, Stand 07/2013, § 8 Anm. 1.1.3.4). Dieser Einwand greift aber zu kurz, denn in der Entscheidung wird lediglich die Frage der Zulässigkeit der Zusammenfassung mehrerer selbständiger Anlagen unter dem Gesichtspunkt eines funktionalen Abhängigkeitsverhältnisses geklärt, während offen bleibt, ob die Bildung von Abrechnungseinheiten nur die Frage der Aufwandsermittlung betrifft oder ob sie sich auch auf die Aufwandsverteilung auswirkt. Damit ist auch offen, welchen Regelungsgehalt der Landesgesetzgeber im Rahmen der KAG-Novelle 2005 in seinen Willen aufgenommen hat. Besonders deutlich wird dieses Problem bei der bereits angesprochenen Frage der Behandlung von Grundstücken, die an mehrere der zusammengefassten Anlagen angrenzen. Die Regelung des § 131 Abs. 1 Satz 2 BauGB ist eine Reaktion des Bundesgesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 131 Abs. 1 BBauG (nunmehr § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB), wonach bei der Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes für zwei einzelne Anbaustraßen eine zweifache Berücksichtigung von so genannten Eckgrundstücken unabhängig davon geboten ist, ob die Gemeinde den Erschließungsaufwand gemäß § 130 Abs. 2 Satz 1 BBauG bzw. BauGB trennt oder gemäß § 130 Abs. 2 Satz 2 BBauG (nunmehr § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB) gemeinsam ermittelt (BVerwG, Urt. v. 09.12.1983 – 8 C 112.82 –, juris Rn. 28). Der Bundesgesetzgeber hat sich mit der Regelung des § 131 Abs. 1 Satz 2 BauGB im Rahmen seiner Zuständigkeit dafür entschieden, dass die sich die Bildung einer Erschließungseinheit auch auf die Aufwandsverteilung auswirkt; für das Straßenausbaubeitragsrecht steht eine Entscheidung des Landesgesetzgebers zu dieser Frage noch aus.

27

Auf die Frage der funktionalen Abhängigkeit des „ W.-Weges“ und der „Dorfstraße“ von der Straße „A.“ kommt es daher nicht an.

28

Da die Bildung einer Abrechnungseinheit somit aus Rechtsgründen ausscheidet, hat die Aufwandsermittlung und -verteilung auch für die Erhebung einer Vorausleistung anlagebezogen zu erfolgen. Nach der vom Beklagten nunmehr vorgelegten Neuberechnung vermindert sich die Vorausleistung bei einer anlagebezogenen Abrechnung für das klägerische Grundstück um 92,36 EUR auf 3.325,31 EUR.

29

Die Neuberechnung ist nicht zu beanstanden. Sie hält der mangels substantiierter Rügen nur erforderlichen Plausibilitätskontrolle stand. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass die der Neuberechnung zugrunde liegende Annahme, wonach die beitragsfähige Anlage „A.“ am Knoten „W.-Weg“ beginnt, dem Gerichtsschreiben vom 3. Mai 2015 widerspricht. Denn in dem Schreiben klingt die Auffassung an, dass die Anlage bereits an der Einmündung in die Kreisstraße beginnt. Diese Abweichung führt jedoch nicht zur Fehlerhaftigkeit der Neuberechnung. Bei dem Gerichtsschreiben handelt es sich in Bezug auf Definition der beitragsfähigen Anlage ersichtlich nur um eine vorläufige Einschätzung durch das Gericht, an der nicht mehr festgehalten wird. Aufgrund er vom Beklagten vorgelegten Unterlagen – wie insbesondere den Lichtbildern Bl. 44 des Verwaltungsvorgangs – und den im Internet (www.gaia-mv.de) einsehbaren maßstabsgenauen Überfliegungsfotos (zur Zulässigkeit einer lediglich auf Flurkarten und Lichtbilder gestützten Einstufung vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.12.2008 – 4 BN 26.08 –, juris Rn. 3) ist davon auszugehen, dass die beitragsfähige Verkehrsanlage „ A.“ erst im Bereich des Knotens „ W.-Weg“ beginnt. Denn es drängt sich der Eindruck auf, dass die Verkehrsanlage „ A.“ in den in nördliche Richtung führenden W.-Weg einmündet. Die Annahme des Beklagten, dass die Verkehrsanlage an der Einmündung in die „Dorfstraße“ endet, wird vom Kläger ebenso wenig angegriffen, wie die Annahme, dass der in südliche Richtung führende Stichweg Bestandteil der Verkehrsanlage ist. Fehler drängen sich insoweit auch nicht auf.

30

Die Einbeziehung des klägerischen Grundstücks in den Vorteilsausgleich begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Das Grundstück grenzt an die ausgebaute Anlage an, so dass ihm die von § 4 Abs. 1 SABS vorausgesetzte qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit geboten wird.

31

Unschädlich ist, dass es nur in einer Breite von 5,40 m an die Straße angrenzt, dass sich dieser Streifen auf eine Breite von 2,50 m verjüngt und zudem auch noch teilweise bebaut ist. Zwar schließt dies ein (durchgängiges) Befahren des Grundstücks von der ausgebauten Verkehrsanlage aus. Nicht ausgeschlossen ist aber eine fußläufige Erreichbarkeit des Grundstücks. Dies ist für das Entstehen einer Vorteilslage ausreichend. Der Umstand, dass das Grundstück von der Anlage nicht mit landwirtschaftlichem Gerät herauffahren kann, führt nicht dazu, dass es aus dem Vorteilsausgleich ausscheidet. Dem Straßenausbaubeitragsrecht ist eine Koppelung zwischen der Qualität der Erreichbarkeit des Grundstücks und dessen baulicher Ausnutzbarkeit fremd. Im Rechtsbereich der Beitragserhebung für eine vorhandene, lediglich erneuerte oder verbesserte Ortsstraße reicht es zur Annahme eines auszugleichenden Sondervorteils aus, dass die Straße in qualifizierter Weise, nämlich vom eigenen Grundstück aus, in Anspruch genommen werden und das Grundstück in einer Weise genutzt werden kann, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, von der Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann. Auf die Frage, ob die ausgebaute Anlage das Grundstück im baurechtlichen Sinne erschließt, kommt es dagegen nicht an (VGH München, Urt. v. 30.10.2007 – 6 BV 04.2189 – juris; VG Greifswald, Beschl. v. 13.01.2010 – 3 B 1734/09 –, juris). Ausreichend für die Annahme eines Vorteils in diesem Sinne ist grundsätzlich die fußläufige Erreichbarkeit der betreffenden Straße von dem bevorteilten Grundstück aus, die nicht durch ein nicht ausräumbares tatsächliches oder rechtliches Hindernis ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Das Grundstück des Klägers reicht an die abgerechnete Einrichtung heran, ist also ein Anliegergrundstück. Es kann in beitragsrechtlich sinnvoller Weise landwirtschaftlich genutzt und von der ausgebauten Straße aus (fußläufig) erreicht werden. In der verbesserten Erreichbarkeit des Grundstücks liegt der abzuschöpfende Vorteil des Klägers. Auch eine landwirtschaftliche Nutzung beinhaltet nicht nur ein Befahren, sondern auch ein Betreten des Grundstücks (VG Greifswald, Urt. v. 31.01.2014 – 3 A 1640/12 –, juris Rn. 17).

32

Die fußläufige Erreichbarkeit ist nicht durch das auf dem Zuwegungsstreifen befindliche Gebäude ausgeschlossen – gegenteiliges wird auch vom Kläger nicht behauptet –, so dass sich die Frage, ob der auf dem Grundstück befindliche Gebäudeteil ein beachtliches Hindernis darstellt, nicht stellt.

33

Zudem sei darauf hingewiesen, dass das Grundstück auch dann in den Vorteilsausgleich aufzunehmen ist, wenn man mit Blick auf den Überbau von einer fehlenden fußläufigen Erreichbarkeit unmittelbar von der ausgebauten Anlage ausgeht. Denn in diesem Fall ist das Grundstück als sog. Hinterliegergrundstück in den Vorteilsausgleich aufzunehmen. Es grenzt auf das ebenfalls im Eigentum des Klägers stehende Grundstück G2, das selbst an die Straße „A.“ angrenzt. Eine (fußläufige) Erreichbarkeit der ausgebauten Anlage ist über dieses Grundstück gegeben. Die Eigentümeridentität allein reicht vorliegend für die Einbeziehung aus, denn bei dem Grundstück G1 handelt es sich – bei Unterstellung einer fehlenden fußläufigen Erreichbarkeit von der nördlich verlaufenden Teilstrecke der Straße „A.“ – um ein sog. gefangenes Hinterliegergrundstück, das über keine weitere Anbindung an das öffentliche Wegenetz verfügt. Ungeachtet dessen ist davon auszugehen, dass bei den Grundstücken G1 und G2 bereits wegen des Überbaus eine einheitliche wirtschaftliche Nutzung von Hinterlieger- und Anliegergrundstück vorliegt, was auch eine Einbeziehung sog. nicht gefangener Hinterliegergrundstücke in den Vorteilsausgleich erlauben würde (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 05.11.2014 – 1 L 81/13 und 1 L 220/13 –, juris).

34

Unbeachtlich ist der Einwand des Klägers, dass das Grundstück sei nicht bevorteilt, weil es landwirtschaftlich genutzt werde. Der straßenbaubeitragsrechtliche Vorteil liegt in der Verbesserung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Es kommt daher im Straßenausbaubeitragsrecht – anders als im Erschließungsbeitragsrecht – für die Annahme eines beitragsrelevanten Vorteils nicht auf eine bestimmte Grundstücksnutzung an. Die Art der Grundstücksnutzung bzw. Nutzungsmöglichkeit wirkt sich erst bei der Bemessung des beitragsrelevanten Vorteils aus. Demgemäß hat der Beklagte die diesseits der satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung gelegene Teilfläche des Grundstücks als Bauland (Faktor 1) und die jenseits der Tiefenbegrenzungslinie gelegene Teilfläche als unbebaute Außenbereichsfläche (Faktor 0,05) bewertet. Dies entspricht den Maßgaben des § 5 Abs. 2 Nr. 3 SABS. Irrelevant ist, dass das das Grundstück wegen seiner Einbindung in eine großflächige landwirtschaftliche Nutzung nicht über die Straße „ A.“ angefahren wird. Denn vorteilsbegründend ist nach § 4 Abs. 1 SABS bereits die Möglichkeit der Inanspruchnahme. Auf eine tatsächliche Inanspruchnahme kommt es nicht an.

35

Schließlich ist die Heranziehung des Klägers ist nicht zu beanstanden. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 KAG M-V i.V.m. § 7 Satz 1 SABS können auf die künftige Beitragsschuld angemessene Vorausleistungen erhoben werden, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist. Die Vorausleistung darf nicht mehr verlangt werden, wenn die Beitragsschuld nicht mehr „künftig“, sondern „aktuell“ ist. „Aktuell“ ist die Beitragsschuld aber erst, sobald die sachliche Beitragspflicht entstanden ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Für die Durchführung des Bauvorhabens sind Fördermittel ausgereicht worden, die – weil sie von den Gesamtkosten der Maßnahme abgezogen worden sind – auch den Beitragspflichtigen zugutekommen. Die Prüfung des Verwendungsnachweises für die ausgereichten Fördermittel war jedenfalls zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens (VG Greifswald, Urt. v. 26.07.2012 – 3 A 229/09 –, juris Rn. 19) nicht abgeschlossen. Damit standen zu diesem Zeitpunkt die umlagefähigen Kosten der Baumaßnahme nicht fest (vgl. § 9 SABS).

36

Auch gegen die Höhe der Vorausleistung (100 v.H. des endgültigen Beitrags) ist nicht zu erinnern. Sie berücksichtigt den Umstand, dass der Straßenausbau technisch abgeschlossen ist und die Anlage in vollem Umfang benutzt werden kann.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung ist wegen der Abweichung von OVG Greifswald, Beschl. v. 23.04.1997 – 6 M 114/96 – S. 3 des Entscheidungsumdrucks zuzulassen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 12. Apr. 2017 - 3 A 409/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 12. Apr. 2017 - 3 A 409/14

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 12. Apr. 2017 - 3 A 409/14 zitiert 12 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Baugesetzbuch - BBauG | § 131 Maßstäbe für die Verteilung des Erschließungsaufwands


(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungse

Baugesetzbuch - BBauG | § 130 Art der Ermittlung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands


(1) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann nach den tatsächlich entstandenen Kosten oder nach Einheitssätzen ermittelt werden. Die Einheitssätze sind nach den in der Gemeinde üblicherweise durchschnittlich aufzuwendenden Kosten vergleichbarer E

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 12. Apr. 2017 - 3 A 409/14 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 12. Apr. 2017 - 3 A 409/14 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 20. Sept. 2016 - 1 K 19/12

bei uns veröffentlicht am 20.09.2016

Tenor Die Satzung des Abwasserzweckverbandes Fahlenkamp über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung vom 20. Dezember 2011 wird für unwirksam erklärt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner. Das Urteil ist wegen der

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 05. Nov. 2014 - 1 L 220/13

bei uns veröffentlicht am 05.11.2014

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 13. September 2013 – 3 A 1741/12 – wird zurückgewiesen. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 31. Jan. 2014 - 3 A 1640/12

bei uns veröffentlicht am 31.01.2014

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kos

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 28. Aug. 2013 - 1 L 81/13

bei uns veröffentlicht am 28.08.2013

Gründe 1 Der zulässige Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 3. Kammer - vom 30. Mai 2013 hat in der Sache keinen Erfolg. 2 Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich nicht

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 26. Juli 2012 - 3 A 229/09

bei uns veröffentlicht am 26.07.2012

Tenor 1. Der Bescheid des Beklagten vom 19.11.2007 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 09.02.2009 wird aufgehoben. 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt. 3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollst

Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 13. Jan. 2010 - 3 B 1734/09

bei uns veröffentlicht am 13.01.2010

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Antragstellern als Gesamtschuldnern auferlegt. 3. Der Streitwert beträgt ε 1.979,48. Gründe I. 1 Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einer Vo

Referenzen

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Satzung des Abwasserzweckverbandes Fahlenkamp über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung vom 20. Dezember 2011 wird für unwirksam erklärt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Beitragssatzung für die Abwasserbeseitigung.

2

Der Antragsteller ist Eigentümer bzw. Miteigentümer von Grundstücken im Verbandsgebiet des Antragsgegners. Dieser betreibt in seinem Verbandsgebiet jeweils eine öffentliche Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung und zur Niederschlagswasserbeseitigung. Für diese zog er die Grundstücke des Antragstellers zu einem Schmutzwasser- bzw. Niederschlagswasserbeitrag im Jahr 2012 heran. Gegen diese Bescheide legte der Antragsteller Widersprüche ein, über die bisher noch nicht entschieden ist.

3

Die Verbandsversammlung des Antragsgegners beschloss am 20. Dezember 2011 die Satzung des Abwasserzweckverbandes Fahlenkamp über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung (nachfolgend: Beitragssatzung). Gegenstand der Beschlussvorlage war neben dem Satzungstext auch die fortgeschriebene Kalkulation der Anschlussbeitragssätze für die Schmutzwasser- und Niederschlagswasserbeseitigung. Die Satzung wurde am 14. Februar 2012 ausgefertigt und am 20. Februar 2012 im Internet unter der Adresse www.azv-f.de öffentlich bekannt gemacht.

4

Am 21. September 2012 hat der Antragsteller Normenkontrollantrag gegen die Beitragssatzung gestellt.

5

Zur Begründung seines Antrags wendet sich der Antragsteller im Wesentlichen gegen die Maßstabsregelungen für die Schmutzwasserbeseitigung. Insbesondere sei die Regelung des § 4 Abs. 2 Buchst. f) Beitragssatzung, die eine qualifizierte Tiefenbegrenzung normiere, unwirksam. Die Tiefenbegrenzung sei methodisch fehlerhaft ermittelt worden, nicht vorteilsgerecht und entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Die Tiefenbegrenzung habe ihre Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsvereinfachung. Zweifelhaft sei schon, ob im Hinblick auf die Verwaltungspraktikabilität eine Tiefenbegrenzungsregelung aufgrund der geringen Größe und der vergleichsweise geringen Zahl der Anwendungsfälle im Verbandsgebiet des Antragsgegners überhaupt zulässig sei. Bereits die sorgfältige Ermittlung der örtlichen Verhältnisse würde einen höheren Aufwand erfordern, als der, der für eine exakte Bemessung der Vorteile aufgewandt werden müsste. Unabhängig davon entspreche sie nicht den örtlichen Verhältnissen. Die Ermittlungen des Antragstellers in den Gebieten der einzelnen Verbandsmitglieder hätten ergeben, dass die ortsübliche Bebauungstiefe 30 m betrage und nicht wie vom Antragsgegner angenommen 50 m. Eine Vielzahl der vom Antragsgegner repräsentativ zur Ermittlung der örtlichen Verhältnisse herangezogenen Grundstücke hätte keine Berücksichtigung finden dürfen. Sie lägen vollständig im unbeplanten Innenbereich, da sie bis zur Grundstücksgrenze bebaut seien.

6

Nicht vorteilsgerecht sei die Maßstabsregelung des § 4 Abs. 2 Buchst. e) Beitragssatzung insoweit, als die Außenbereichsflächen nach § 4 Abs. 2 Buchst. c) Beitragssatzung veranlagt werden würden. Dies gelte auch im Verhältnis der Regelung des § 4 Abs. 2 Buchst. g) zu § 4 Abs. 2 Buchst. i) Beitragssatzung. Es gebe keinen sachlichen Grund Kleingärten, die sich ganz oder teilweise innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils befänden, dadurch zu privilegieren, dass nur die Grundfläche der angeschlossenen Gebäude maßgeblich sein solle.

7

Als unwirksam erweise sich auch die Maßstabsregelung des § 4 Abs. 3 Satz 3 Beitragssatzung. Sie sei schon nicht hinreichend bestimmt, da unklar sei, wann ein Gebäude als „alte Baulichkeit“ zu bewerten sei. Auch Einschränkungen bezüglich der Anrechenbarkeit von Dachschrägen und geringere Geschosshöhen des Obergeschosses gegenüber dem Untergeschoss sehe die Regelung nicht vor. Damit verstoße sie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Eine verfassungskonforme Auslegung wie in der Entscheidung des OVG Greifswald vom 14. September 2010, Az. 4 K 12/07, sei nicht möglich. Der Entscheidung hätte eine andere Maßstabsregelung zu Grunde gelegen, die einer Auslegung zugänglich gewesen wäre. Eine einheitliche und nachvollziehbare Anwendung der Norm auf alte Baulichkeiten sei nicht feststellbar.

8

Nicht vorteilsgerecht sei die Maßstabsregelung des § 4 Abs. 4 Buchst. b) Beitragssatzung, da es im Verbandsgebiet eine Vielzahl von Straßenzügen gebe, wie z.B. die,K.-Straße, L.-Straße, M.-Straße in Grabow, bei denen die in der näheren Umgebung befindliche Bebauung höher sei, als die tatsächliche Bebauung. Die in der Umgebung vorhandene höhere Bebauung führe jedoch zu keinem entsprechenden beitragsrechtlich relevanten Vorteil für das Grundstück mit niedriger Bebauung, da in den beispielhaft genannten Straßen aufgrund der historischen Struktur des Stadtkerns die Errichtung eines weiteren Vollgeschosses nicht zulässig sei. Nicht vorteilsgerecht sei die Regelung des § 4 Abs. 4 Buchst. b) aa) Beitragssatzung im Hinblick auf Außenbereichsgrundstücke. Denn nach dem Wortlaut sei auch bei diesen mindestens auf die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse abzustellen.

9

Die Kalkulation des Beitragssatzes sei fehlerhaft. Dies führe zu einer unwirksamen Regelung über den Beitragssatz und damit zur Gesamtunwirksamkeit der Satzung. Die Methode der Beitragskalkulation habe eine teilweise Doppelfinanzierung des Herstellungsaufwands der öffentlichen Einrichtung zum Ergebnis und verstoße gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot. Soweit der Aufwand für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung bereits durch andere Einnahmen gedeckt sei, scheide die Erhebung eines Beitrags aus.

10

Der Antragsgegner habe die über die Benutzungsgebühren vereinnahmten Abschreibungen im Zeitraum 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1995 auf das kostenlos übernommene Vermögen der Stadtwerke C-Stadt GmbH, nicht aufwandsmindernd berücksichtigt. Eine Berücksichtigung der vereinnahmten Abschreibungen würde zu einer Reduzierung des höchstmöglichen Beitragssatzes unter den tatsächlich beschlossenen Beitragssatz und damit zu einem Verstoß gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot führen.

11

Unabhängig davon seien aufgrund der Änderung des Kommunalabgabengesetzes 2016 die weiteren, ab dem 1. Januar 1996 für Altanlagen gebührenvereinnahmten Abschreibungen aufwandsmindernd bei der Kalkulation zu berücksichtigen. Die Entscheidung des OVG Greifswald vom 21. April 2015, Az. 1 K 46/11, stehe dem aufgrund der wesentlichen Änderung der Rechtslage nicht entgegen. Das Gericht konnte bei seiner Entscheidung noch davon ausgehen, dass eine Doppelbelastung der Abgabenschuldner durch die über die Benutzungsgebühren vereinnahmten Abschreibungen und Beiträge spätestens im Zusammenhang mit der Erhebung von Erneuerungsbeiträgen kompensiert werden könne. Mit der Neufassung des Kommunalabgabengesetzes sei jedoch die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen in § 9 KAG M-V ersatzlos gestrichen worden. Damit sprächen jetzt Wortlaut und Systematik des Gesetzes für eine Berücksichtigung der über die Benutzungsgebühren vereinnahmten Abschreibungen bei der Ermittlung des Herstellungsaufwandes.

12

Die Flächenermittlung leide an einer Vielzahl von methodischen Fehlern.

13

Nach der Regelung des § 4 Abs. 4 Buchst. a) aa) Beitragssatzung gelte bei Bebauungsplänen als Zahl der Vollgeschosse die höchstzulässige Zahl der festgesetzten Vollgeschosse. Als Grundstück sei hierbei das Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinne zu betrachten. Soweit der Bebauungsplan für ein Grundstück jedoch tatsächlich unterschiedliche Gebäudehöhen benenne, habe der Antragsgegner nicht für das gesamte Grundstück die höchstzulässige Anzahl der Vollgeschosse festgesetzt, sondern die für die jeweiligen Teilflächen des Grundstücks nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes zulässige Anzahl der Vollgeschosse berücksichtigt. Beispielhaft sei hier der Bebauungsplan TE 7. genannt. Bei korrekter Berechnung würde dies zur Erhöhung der beitragsfähigen Fläche führen und folglich zu einem niedrigeren Beitragssatz als dem festgesetzten. Damit liege ein Verstoß gegen das Überdeckungsverbot vor.

14

Bei der Flächenberechnung seien die Kleingartengebiete nicht berücksichtigt worden. Weiterhin sei die Ermittlung der Flächen für Campingplätze methodisch fehlerhaft erfolgt. Dies gelte auch für die Anzahl der Vollgeschosse bei Gebäuden mit alter Bausubstanz gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 Beitragssatzung. Bei der Ermittlung der Vollgeschosse habe der Antragsgegner nicht auf die überwiegende Bebauung in der näheren Umgebung abgestellt, sondern auf die tatsächliche Bebauung.

15

Sowohl bei der Flächenermittlung Schmutzwasser als auch bei der Flächenermittlung Niederschlagswasser habe er methodisch fehlerhaft nicht sämtliche Flächen berücksichtigt, die über eine Möglichkeit zum Anschluss an eine der zentralen Einrichtungen verfügten.

16

In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsteller erklärt, dass Gegenstand des Antragsverfahrens nicht die Regelungen über die Ordnungswidrigkeiten in der Beitragssatzung sind.

17

Der Antragsteller beantragt,

18

die Satzung des Antragsgegners über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung vom 20. Dezember 2011 für unwirksam zu erklären.

19

Der Antragsgegner beantragt,

20

den Antrag zurückzuweisen.

21

Er verteidigt die angegriffene Satzung und tritt der Antragsbegründung im Einzelnen entgegen.

22

Die Satzung genüge den Mindestanforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Die Maßstabsregelung über die qualifizierte Tiefenbegrenzung (§ 4 Abs. 2 Buchst. f) Beitragsatzung) sei vorteilsgerecht. Eine Tiefenbegrenzung sei aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung auch im Bereich des doch recht kleinen Verbandsgebietes des Antragsgegners gerechtfertigt. Auch hier gebe es eine Reihe von Übergangsgrundstücken, auf die die Tiefenbegrenzungsregelung Anwendung finde. Der Verbandsversammlung habe bei der Beschlussfassung über die Beitragssatzung die von der ips-kommunal bereits im Jahr 2000 erstellte und den Vorgängersatzungen zugrundegelegte „Dokumentation Ermittlung der ortsüblichen Tiefenbegrenzung Abwasserzweckverband Fahlenkamp“ vorgelegen. Die Verbandsversammlung habe diese verwendet. Die örtlichen Verhältnisse hinsichtlich der Übergangsgrundstücke hätten sich in der Zwischenzeit nicht maßgeblich verändert. Repräsentativ seien für die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse in den drei Mitgliedsgemeinden jeweils zehn Grundstücke ausgewählt worden, bei denen sich im hinteren, der Straße abgewandten Bereich keine weitere Bebauung anschließe. Für die Ermittlung sei der Abstand zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der hinteren Gebäudekante der Bebauung gemessen worden. So sei eine durchschnittliche Bebauungstiefe von 48,6 m im Verbandsgebiet ermittelt worden.

23

Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Buchst. e) Beitragssatzung sei vorteilsgerecht. Warum dies nicht der Fall sein solle, habe der Antragsteller nicht vorgetragen. Im Übrigen sei ein solcher Anwendungsfall im Verbandsgebiet nicht gegeben. Nicht zu beanstanden sei aufgrund ihrer untergeordneten baulichen Nutzungsmöglichkeit die Veranlagung von Kleingärten nach dem Bundeskleingartengesetz nach dem Außenbereichsmaßstab, vgl. § 4 Abs. 2 Buchst. i) Beitragssatzung.

24

Eine hinreichend bestimmte Maßstabsregelung enthalte § 4 Abs. 3 Beitragssatzung. Diese verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Satz 1 der Norm definiere das Vollgeschoss in Anlehnung an die Regelung in der Landesbauordnung. Wenn Satz 3 nach Maßgabe des Tatbestandsmerkmals „alter Bausubstanz“ eine hiervon abweichende Regelung für die Fälle treffe, in denen die „Voraussetzungen für ein Vollgeschoss gemäß obiger Definition nicht erfüllt sind“, so werde aus dem Regelungszusammenhang deutlich, dass mit „alter Bausubstanz“ diejenigen Gebäude gemeint seien, die vor Inkrafttreten der inhaltlich übernommenen Legaldefinition aus der Landesbauordnung errichtet wurden. Aufgrund der Bezugnahme des Satzes 3 auf Satz 1 sei auch hinreichend bestimmt, dass die Vorschrift lediglich von der Geltung der für Vollgeschosse vorgesehenen Mindesthöhen befreie. Allein das Abstellen auf das Erreichen der Mindesthöhen wäre nicht vorteilsgerecht, da der vom Maß der Nutzung abhängige wirtschaftliche Vorteil bei Vollgeschossen einerseits und bei Geschossen unterhalb der Vollgeschossigkeit anderseits annähernd gleich sei. Mangels Erreichen der Mindestgeschosshöhe bei Gebäuden könnten sonst Grundstücke ungeachtet einer annähernd gleichen Nutzungsintensität nicht in vorteilsgerechtem Maße oder sogar überhaupt nicht herangezogen werden.

25

Allein der Umstand, dass es in den Mitgliedsgemeinden zahlreiche Gebäude gebe, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtet worden seien, besage noch nicht, dass sie ein Anwendungsfall des § 4 Abs. 3 Satz 3 Beitragssatzung seien. Auch auf die Registrierung als Baudenkmäler komme es hierfür nicht an. Entscheidend sei, ob die Geschosse dieser Gebäude den Mindesthöhen des § 4 Abs. 3 Satz 1 Beitragssatzung entsprächen.

26

Die Regelungen des § 4 Abs. 3 Satz 3 und des § 4 Abs. 4 Buchst. f) Beitragssatzung würden sich nicht ausschließen. Die Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 3 Beitragssatzung sei Bestandteil der Legaldefinition, § 4 Abs. 4 Buchst. f) Beitragssatzung dagegen Bestandteil der Maßstabsregelung.

27

Vorteilsgerecht sei auch die Regelung des § 4 Abs. 4 Buchst b) Beitragssatzung, die auf das Maß der rechtlich zulässigen baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks abstelle. Zwar sei es auch zulässig, auf die tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse im unbeplanten Innenbereich abzustellen. Allerdings bedürfe es dafür eines erhöhten Rechtfertigungsbedarfs. Gründe der Verwaltungspraktikabilität seien nicht ausreichend. Erforderlich wären zusätzliche Besonderheiten der Bebauungsstruktur im Verbandsgebiet. Diese lägen nicht vor.

28

Unzutreffend sei der Einwand, die Kalkulation leide an einem methodischen Fehler, weil sie nicht berücksichtige, dass mit der Gründung des Zweckverbandes ein teilweiser Wechsel des Refinanzierungssystems erfolgt sei. Die Eigenbetriebe für die drei Mitgliedsgemeinden hätten bereits vor 1995 Anschlussbeiträge erhoben, so dass in dieser Hinsicht kein „Regimewechsel“ im Finanzierungssystem stattgefunden habe. Ein Wechsel von einem privatrechtlichen Refinanzierungssystem zum öffentlich-rechtlichen Finanzierungssystem habe nicht stattgefunden. Bei der Beitragskalkulation seien Erlöse aus der Erhebung von Gebühren nicht zu berücksichtigen.

29

Auch Abschreibungserlöse für Altanlagen seien in der Beitragskalkulation, wie das OVG Greifswald in seiner Entscheidung vom 21. April 2015, Az. 1 K 46/11, festgestellt habe, nicht zu berücksichtigen. An dieser Rechtslage habe sich mit der Streichung des Abgabentatbestandes der Erneuerungsbeiträge in § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V a.F. nichts geändert. Der Gefahr der Doppelbelastung der Abgabenschuldner, wenn diese denn überhaupt bestünde, sei jedenfalls nicht in der Kalkulation des Herstellungsbeitrages zu begegnen. Im Übrigen habe das Gericht in seiner Entscheidung auf verschiedene Modelle zur Begegnung der Gefahr der Doppelbelastung hingewiesen, ohne sich jedoch auf eines festzulegen. Die Berücksichtigung von Abschreibungserlösen auf den beitragsfähigen Aufwand bei einem Erneuerungsbeitrag stelle lediglich eines dieser Modelle dar. Die Regelung des § 9 Abs. 2 KAG M-V sei auch nicht verfassungswidrig. Soweit die Gefahr einer Doppelbelastung bestehe, sei dieser in der Gebührenkalkulation zu begegnen. Gemäß § 6 Abs. 2a KAG M-V seien für Abschreibungen die Anlagenwerte um Beiträge zu kürzen. Insoweit sei der Gesetzgeber der Gefahr einer Doppelbelastung bereits entgegengetreten.

30

Die Flächenermittlung sei nicht zu beanstanden. Die Ermittlung der Vollgeschosse in dem Gebiet des Bebauungsplanes TE 7. sei zutreffend. Für dieses Gebiet sei lediglich eine Erschließung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung, nicht jedoch für die Niederschlagswasserbeseitigung vorgesehen. In dem Bebauungsplan seien für die unterschiedlichen Baufelder unterschiedliche höchstzulässige Gebäudehöhen festgesetzt, die bei der Flächenermittlung berücksichtigt worden seien. Denn der Antragsgegner sei davon ausgegangen, dass bei der Umsetzung des Bebauungsplanes ein Neuzuschnitt der Grundstücke unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Baufelder erfolge. Dies sei auch aus der Kartendarstellung des Bebauungsplanes erkennbar.

31

Die Kleingartenanlagen seien bei der Flächenkalkulation berücksichtig worden. Lediglich ein Gebäude in der Kleingartenanlage „Heideblick“ in C-Stadt verfüge über eine Anschlussmöglichkeit für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung. Dieses Grundstück sei gemäß § 4 Abs. 2 Buchst. i) Beitragssatzung berücksichtigt worden. Alle anderen Kleingartenanlagen verfügten über keine Anschlussmöglichkeit und seien nach der Planung auch nicht für eine zentrale Erschließung vorgesehen.

32

Bei der Flächenberechnung sei entgegen dem Vorbringen des Antragsstellers auf die überwiegende Bebauung in der näheren Umgebung bei der Feststellung der Anzahl der Vollgeschosse im unbeplanten Innenbereich abgestellt worden. Dies gelte insbesondere für die vom Antragsteller angeführten Straßen in den Mitgliedsgemeinden. Im Einzelnen werde auf die Flächenkalkulation verwiesen.

33

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2016 sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

34

Der Normkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.). Die Satzung des Abwasserzweckverbandes Fahlenkamp über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung (Beitragssatzung) vom 20. Dezember 2011 ist im Umfang des gestellten Antrags unwirksam.

35

I. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antragsteller ist antragsbefugt. Er kann geltend machen, durch die Anwendung der streitgegenständlichen Satzung in absehbarer Zeit in seinen Rechten verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO), da die aufgrund dieser Satzung gegen ihn ergangenen Beitragsbescheide noch nicht bestandskräftig sind (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 03.07.2002 – 4 K 35/01 –, juris Rn. 11). Da ohne eine wirksame Satzung gemeindliche Abgaben gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) nicht erhoben werden dürfen, hängt der Bestand der Beitragsbescheide von der Wirksamkeit der zur Normenkontrolle gestellten Beitragssatzung für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung ab. Die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist eingehalten, der Normenkontrollantrag wurde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gestellt.

36

II. Der Normkontrollantrag ist auch begründet. Die Satzung des Abwasserzweckverbandes Fahlenkamp über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung vom 20. Dezember 2011 verstößt, soweit sie Gegenstand dieses Verfahrens geworden ist, gegen höherrangiges Recht, das der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts unterliegt. Im Ergebnis ist die Satzung nicht nur hinsichtlich einzelner Bestimmungen, sondern insgesamt unwirksam. Sie ist deshalb im beantragten Umfang gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären.

37

Die streitbefangene Beitragssatzung weist sowohl für die Schmutzwasserbeseitigung wie auch für die Niederschlagswasserbeseitigung nicht den durch § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V vorgeschriebenen Mindestinhalt einer Abgabensatzung auf. Die Regelung der Tiefenbegrenzung in § 4 Abs. 2 Buchst. f) Beitragssatzung verstößt gegen die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und den aus dem Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) folgenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit und ist daher unwirksam (vgl. 1.). Die daraus folgende Satzungslücke führt zur Gesamtunwirksamkeit der Beitragssatzung. Dies gilt auch für die Erhebung von Beiträgen für die Niederschlagswasserbeseitigung, da die Maßstabregelung zur Flächenermittlung in § 6 Abs. 2 Beitragssatzung insgesamt auf die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Beitragssatzung und damit auch auf die Tiefenbegrenzungsregelung in § 4 Abs. 2 Buchst. f) Beitragssatzung verweist (vgl. 2.). Auf die sonstigen Einwendungen des Antragstellers gegen die Wirksamkeit der Satzung (vgl. 3.) kommt es deshalb nicht mehr an.

38

1. § 4 Abs. 2 Buchst. f) Beitragssatzung verstößt gegen höherrangiges Recht, soweit die hier geregelte Tiefenbegrenzungslinie bei grundsätzlich 50 m gezogen wird. Dieser Verstoß führt zur Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung und damit zur Unwirksamkeit der gesamten Beitragssatzung.

39

Nach der Norm gilt als (bevorteilte) Grundstücksfläche bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der Grundstücksbegrenzungslinie und einer im Abstand von 50 m zur Grundstücksbegrenzungslinie verschobenen Linie; bei Grundstücken, die nicht an die Straße angrenzen, oder nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verschobenen Linie. Die Vorschrift regelt eine sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzung. Sie gilt ausschließlich für Grundstücke, die planungsrechtlich im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegen, und anders als die sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung nicht auch für vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke.

40

Die Regelung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich zulässig (vgl. nur OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 75 m.w.N.). Sie dient insbesondere der Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsvereinfachung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegenden unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs zum Außenbereich angestellt werden. Allerdings stehen die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V). Danach sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem – wie hier in § 4 Abs. 1 Beitragssatzung geregelten – kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen.

41

Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (so grundlegend OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010, a.a.O., juris Rn. 75 ff. m.w.N., daran anschließend OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 33 f.; Urt. v. 21.04.2015 – 1 K 47/11 –, juris Rn. 48).

42

Unter Beachtung dieser Maßstäbe stellt sich schon die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet als methodisch fehlerhaft dar (a.). Daran anschließend hält sich auch die metrische Festsetzung der qualifizierten Tiefenbegrenzung in der Verbandsversammlung nicht im Rahmen des Satzungsermessens (b.). Die übrigen Einwendungen des Antragstellers gegen die Tiefenbegrenzung greifen nicht durch (c.).

43

a. Gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, auf welche Weise der Satzungsgeber die ortsüblichen Verhältnisse zu ermitteln hat. Dies liegt in seinem Ermessen. Der Senat hat jedoch mehrfach entschieden, dass der Satzungsgeber bei Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe seine Untersuchung der örtlichen Verhältnisse auf repräsentativ ausgewählte Ortslagen beschränken darf (vgl. etwa OVG Greifswald Urt. v. 30.04.2014 – 1 L 80/12 –, juris Rn. 20, im Anschluss an OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010, a.a.O., juris Rn. 78). Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt.

44

Vorliegend hat der Satzungsgeber die ortsübliche Bebauungstiefe dadurch ermittelt, dass er aus dem Bereich eines jeden der drei Verbandsmitglieder 10 Grundstücke ausgewählt und für diese Grundstücke jeweils die tatsächlich vorhandene Bebauungstiefe ermittelt hat. Aus den so ermittelten Bebauungstiefen hat er für jedes Verbandsmitglied die durchschnittliche Bebauungstiefe errechnet und anschließend eine Tiefenbegrenzung von 50 m festgelegt. Die dabei herangezogenen 30 Grundstücke liegen in 11 Straßen, d.h. zum Teil liegen sie in derselben Straße, zum Teil wurde auch nur ein Grundstück aus einer Straße für die Ermittlung der üblichen Bebauungstiefe herangezogen. Bei den ausgewählten Grundstücken handelt es sich nach den vorliegenden Unterlagen häufig um die jeweils am tiefsten bebauten Grundstücke in der jeweiligen Straße. In der Stadt L. gilt dies für den O.-weg und die P.allee, in der Stadt G. für die Straße Q. und die R. Straße, in der Gemeinde G. für die S. Straße.

45

Damit hat der Antragsgegner die örtlichen Verhältnisse nicht anhand repräsentativ ausgewählter Ortslagen ermittelt, sondern allein anhand von 30 von ihm – dem Anschein nach beliebig – ausgewählten Grundstücken. Dies ist auch unter Beachtung des dem Satzungsgeber grundsätzlich zustehenden Ermessens bei der Ermittlung der üblichen Verhältnisse methodisch fehlerhaft. Nach Ansicht des Senats ist schon die Anzahl von 30 ausgewählten Grundstücken für sich genommen nicht ausreichend, um eine repräsentative Aussage über die örtlich übliche Bebauungstiefe in den sog. Übergangslagen vom Innen- zum Außenbereich im Verbandsgebiet treffen zu können. Dafür bedarf es – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um ein relativ kleines Verbandsgebiet handelt – einer größeren Anzahl von Grundstücken, die nach dem vorliegenden Kartenmaterial auch vorhanden gewesen wäre. Nur so kann eine statistisch verwertbare Aussage erreicht werden. Darüber hinaus ist aus der Dokumentation der Ermittlung der Tiefenbegrenzung nicht erkennbar, nach welchen Kriterien der Antragsgegner die Grundstücke ausgewählt hat. Unklar ist etwa, ob diese in repräsentativen Ortslagen des Verbandsgebietes mit sog. Übergangsgrundstücken liegen und wenn ja, ob die ausgewählten Ortslagen auch alle im Verbandsgebiet anzutreffenden Größen und Siedlungsstrukturen widerspiegeln.

46

Auch die Heranziehung der jeweils tiefsten bebauten Grundstücke in einer Straße im Bereich mit Übergangsgrundstücken ist ungeeignet, Rückschlüsse auf die übliche Bebauungstiefe zuzulassen. Denn aus den so ermittelten Werten ergibt sich allenfalls eine mögliche Bebaubarkeit der Grundstücke, ohne dass daraus Angaben über die vorhandene, übliche Bebauungstiefe entnommen werden kann. Dafür wäre es zumindest notwendig, die Bebauungstiefen für alle in einer Straße vorhandenen Grundstücke bzw. in der ausgewählten Ortslage zu ermittelt.

47

Die Anforderungen an eine sorgfältige Ermittlung der örtlichen Verhältnisse sind weiterhin deshalb nicht erfüllt, weil die „Dokumentation Ermittlung der ortsüblichen Tiefenbegrenzung Abwasserzweckverband Fahlenkamp“ nach den vorliegenden Unterlagen aus dem Jahr 2000 stammt und im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Festsetzung der Tiefenbegrenzungslinie im Jahr 2011 nicht mehr als aktuell angesehen werden kann. Bauliche Veränderungen im Verbandsgebiet, insbesondere auch bei den der Ermittlung zugrunde liegenden Grundstücken und damit eine Änderung der üblichen örtlichen Bebauungstiefe können nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund dieses Zeitablaufes hätte eine Überprüfung bzw. Aktualisierung der vorhandenen Unterlagen stattfinden müssen. Dies ist erkennbar nicht erfolgt. Aus dem Protokoll der Verbandsversammlung vom 20. Dezember 2011, TOP 11, ergibt sich zwar, dass die Tiefenbegrenzung Gegenstand der Diskussion war und festgestellt wurde, dass sich an den örtlichen Verhältnissen der Gebiete, in denen die Tiefenbegrenzungsregelung greife, nichts geändert habe. Aus den Kalkulationsunterlagen der Firma T., Endfassung 15. November 2011, Vorbemerkung, Seite VII, geht allerdings hervor, dass die „bestehende satzungsrechtliche Tiefenbegrenzungsregelung“ im Rahmen der Kalkulation umgesetzt wurde und damit eben gerade keine Überprüfung der der Ermittlung zugrunde liegenden örtlichen Verhältnisse erfolgt ist. Dass eine solche auch tatsächlich nicht stattgefunden hat, hat der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts bestätigt.

48

b) Die metrische Festsetzung der Tiefenbegrenzung in der Verbandsversammlung ist zudem auch deshalb fehlerhaft erfolgt, weil sich diese allein anhand des ermittelten Durchschnittswertes bestimmt.

49

Es ist anerkannt, dass sich die Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren muss. Bei der Frage der Ortsüblichkeit geht es nicht um die Ermittlung einer exakt berechenbaren Größe (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris Rn. 60). Entscheidend für die Annahme der Ortsüblichkeit ist, dass es eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken gibt, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann. Dafür mag die durchschnittliche Bebauungstiefe, die einen Bezug zur ortsüblichen Bebauungstiefe aufweist, ein Indiz sein. Je mehr Grundstücke in einem Bereich bebaut sind, der als ortsüblich qualifiziert werden kann, umso eher wird auch die durchschnittliche Bebauungstiefe in diesem Bereich liegen. Allerdings setzt das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe voraus, dass es daneben eine gewisse Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss. Allein das Abstellen auf die durchschnittliche Bebauungstiefe kann das Bild daher „verzerren“. Denn eine Durchschnittsbildung, bei der aus allen ermittelten Fällen ein Mittelwert gebildet wird, stellt nicht zwangsläufig die überwiegend vorkommende und somit die örtlichen Verhältnisse prägende Bebauungstiefe dar (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012, a.a.O., juris Rn. 53f.; OVG Magdeburg, Urt. v. 21.10.2014 – 4 K 245/13 –, juris Rn. 21).

50

Soweit der Antragsgegner nunmehr in der Antragserwiderung eine Aufstellung der Ermittlungsergebnisse dahingehend vorgenommen hat, dass er die Gruppen der betreffenden Grundstücke mit den verschiedenen Bebauungstiefen dargestellt hat und im Anschluss daran festgestellt hat, dass 13 Grundstücke von den 30 Grundstücken und damit 43 % bis zu einer Tiefe von 46 bis 55 m bebaut sind und dies die Festlegung einer Tiefenbegrenzung von 50 m rechtfertigt, überzeugt dies nicht. Denn diese Überlegungen lagen nicht der Verbandsversammlung vor und sind damit nicht Grundlage der Ermessenserwägungen bei dem Satzungsbeschluss geworden.

51

c) Soweit der Antragsteller der Auffassung ist, dass eine qualifizierte Tiefenbegrenzungsregelung nur im Falle einer homogenen Bebauungsstruktur im Verbandsgebiet in Betracht komme, an der es vorliegend fehle, dringt er damit nicht durch. Einen solchen Rechtssatz gibt es nicht. Zwar mag eine Tiefenbegrenzungsregelung bei einem großen und inhomogenen Verbandsgebiet ausscheiden (vgl. Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2012, § 8, Rn. 1655). Maßgeblich für die Zulässigkeit einer qualifizierten Tiefenbegrenzung im Anschlussbeitragsrecht ist dabei aber nicht der Umstand der Homogenität der Bebauungsstruktur, sondern die Frage, ob im maßgeblichen Verbandsgebiet eine ortsübliche Bebauungstiefe bei sog. Übergangsgrundstücken besteht.

52

Der Senat weist darauf hin, dass keine Bedenken bestehen, wenn der Antragsgegner bei den anzustellenden Ermittlungen der üblichen Bebauungstiefe – wie vorliegend wohl geschehen – auf die rückwärtige Grenze des letzten dem Innenbereich zuzurechnenden Gebäudes abstellen würde. Es ist insoweit nicht zwingend notwendig, auf die Tiefe der Wohnbebauung abzustellen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 21.04.2015, a.a.O., juris Rn. 52). Zwar sind für die Frage, ob ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde einen Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet, grundsätzlich nur solche Gebäude als gebietsprägend zu berücksichtigen, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.04.2007 – 4 B 7/07 –, juris Rn. 5). Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, wie weit der Bebauungszusammenhang eines (bauplanungsrechtlichen) Ortsteils reicht. Zum Bebauungszusammenhang gehört die tatsächlich vorhandene Bebauung, soweit sie von einem gewissen Gewicht ist, ohne dass es darauf ankäme, ob es sich bei dabei um Wohnhäuser, gewerblich genutzte Vorhaben, landwirtschaftliche Anwesen oder auch Nebengebäude handelt; dies ist für die Frage der Ausdehnung des Bebauungszusammenhangs gleichgültig (vgl. zusammenfassend OVG Greifswald, Urt. v. 05.07.2001 – 3 L 197/00 –, NordÖR 2002, 18). Eine eventuell daneben bestehende und den planungsrechtlichen Innenbereich „in die Tiefe“ erweiternde bauakzessorische Nutzung (zum Beispiel ein Hausgarten) muss aus Rechtsgründen nicht berücksichtigt werden.

53

2. Die Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung in § 4 Abs. 2 Buchst. f) Beitragssatzung hat die Unwirksamkeit der gesamten angegriffenen Beitragssatzung zur Folge. Die Ungültigkeit eines Teils einer kommunalen Satzungsbestimmung führt nur dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers) (BVerwG, Urt. v. 27.01.1978 – VII C 44.76 –, DVBl. 1978, 536, 537). Vorliegend sind beide Voraussetzungen nicht gegeben.

54

Zwar muss eine Tiefenbegrenzungsregelung in einer Beitragssatzung nicht notwendig vorhanden sein. Es ist jedoch nicht mit Sicherheit anzunehmen, dass der Antragsgegner im Falle des Wissens um die Unwirksamkeit der gewählten Tiefenbegrenzungsregelung die Satzung ohne eine solche erlassen hätte. Nach den vorliegenden Unterlagen aus der Verbandsversammlung wollte diese an der bereits bestehenden Tiefenbegrenzungsregelung – wohl zur Vermeidung von der ansonsten erforderlichen einzelfallbezogenen Abgrenzung von Innenbereichs- und Außenbereichsflächen – festhalten.

55

Eine isolierte Nichtigkeit der Regelung des § 4 Abs. 2 Buchst. f) Beitragssatzung scheidet auch deshalb aus, weil dem Beitragsmaßstab dann eine Regelung über die anrechenbare Grundstücksfläche von Grundstücken im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich fehlen würde. Da im Verbandsgebiet zahlreiche Grundstücke dieser Art existieren, wäre die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V unabdingbare Bestimmung des Beitragsmaßstabes wegen des im Anschlussbeitragsrecht geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 30.06.2004 – 4 K 34/02 –, juris Rn. 91) zu beanstanden.

56

Darüber hinaus wirkt sich die Unwirksamkeit von § 4 Abs. 2 f) Beitragssatzung auf den Bestand weiterer Satzungsbestimmungen aus, die auf diese Bestimmung Bezug nehmen. Dies gilt insbesondere für den Beitragsmaßstab für die Niederschlagswasserbeseitigung. Gemäß § 6 Abs. 2 Beitragssatzung wird die für die Beitragsfläche maßgebliche Grundstückfläche gemäß § 4 Abs. 2 ermittelt und damit für Übergangsgrundstücke nach § 4 Abs. 2 Buchst. f) Beitragssatzung.

57

3. Unabhängig von der bereits festgestellten Unwirksamkeit der Beitragssatzung hat der Senat Bedenken an den nachfolgend dargestellten Satzungsregelungen und regt im Hinblick auf eine gegebenenfalls neu zu erlassene Beitragssatzung entsprechende Klarstellungen an.

58

a. Unklar ist, wie die Regelung des § 2 Abs. 1 Buchst. c) Beitragssatzung im Hinblick auf bereits bebaute Außenbereichsgrundstücke, die an die Einrichtung angeschlossen werden können, ohne schon tatsächlich angeschlossen zu sein, zu verstehen ist. Nach der Norm unterliegen alle Grundstücke der Anschlussbeitragspflicht, die an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen werden können und „wenn sie bebaut sind oder gewerblich oder industriell genutzt werden“. Fraglich ist, ob diese Außenbereichsgrundstücke bereits der Beitragspflicht unterliegen sollen und damit ein Verstoß gegen das Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V) gegeben ist (so VG Greifswald, Urt. v. 16.10.2014 – 3 A 509/13 –, juris Rn. 23ff., wonach dieser Verstoß jedoch nur zur Teilnichtigkeit nach dem Rechtsgedanken aus § 139 BGB führt) oder ob die Regelung normerhaltend ausgelegt werden kann (so OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010, a.a.O., juris, Rn. 39 zu einer vergleichbaren Regelung).

59

b. Auch an der Wirksamkeit der Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 3 Beitragssatzung bestehen Bedenken. Danach wird bei Gebäuden ein Vollgeschoss in Ansatz gebracht, bei denen aufgrund alter Bausubstanz die Voraussetzungen für ein Vollgeschoss gemäß obiger Definition nicht erfüllt werden. Zweifel bestehen schon an der hinreichenden Bestimmtheit des Begriffs „alter Bausubstanz“. Soweit der Antragsgegner weiterhin anführt, unter Berücksichtigung anerkannter Auslegungsregeln sei klar, dass die Norm lediglich von der Geltung der für Vollgeschosse vorgesehenen „Mindesthöhen“ befreien wolle und damit die Einschränkungen bezüglich der Anrechenbarkeit von Dachschrägen aus Satz 1 auch bei Gebäuden mit „alter Bausubstanz“ gelte, kann dem nicht gefolgt werden. Denn ein diesbezüglicher Wille des Gesetzgebers müsste zumindest andeutungsweise im Gesetzestext seinen Niederschlag gefunden haben. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Norm unterscheidet sich insoweit maßgeblich von der Regelung, die der Entscheidung des OVG Greifswald vom 14. September 2010, - 4 K 12/07 -, zu Grunde lag. Diese bezog sich nach dem Wortlaut nur auf die Mindesthöhe und die Einschränkung bezüglich der Anrechenbarkeit von Dachschrägen beanspruchte weiterhin Geltung. Der Senat versteht die hier streitgegenständliche Regelung dahingehend, dass nur dann, wenn bei einem – ggf. auch mehrgeschossigen – Gebäude alter Bausubstanz kein Vollgeschoss im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Beitragssatzung vorliegt, bei diesem Gebäude zumindest ein Vollgeschoss in Ansatz zu bringen ist.

60

c. Nach Auffassung des Senats ist weiterhin das Verhältnis von § 4 Abs. 3 Satz 3 Beitragssatzung zu § 4 Abs. 4 Buchst. f) Beitragssatzung zweifelhaft. Dies gilt insbesondere für den Anwendungsbereich beider Normen. § 4 Abs. 3 Satz 3 Beitragssatzung erfasst erkennbar nur Grundstücke mit „alter Bausubstanz“, wohingegen § 4 Abs. 4 Buchst. f) Beitragssatzung eine solche Einschränkung nicht vorsieht. Nach § 4 Abs. 4 Buchst f) Beitragssatzung gilt als Zahl der Vollgeschosse bei Grundstücken, die wie ein mit mindestens einem Vollgeschoss bebautes Grundstück zu Wohn- und Gewerbezwecke genutzt werden, ohne dass die Bebauung einem Vollgeschoss entspricht, jedes angefangene Geschoss als ein Vollgeschoss. Auch im Übrigen begegnet die Regelung des § 4 Abs. 4 Buchst f) Beitragssatzung Bedenken, soweit sie keine Regelung bezüglich der Anrechenbarkeit von Dachräumen mit schrägen Wänden enthält und diese Bauten somit ohne hinreichend sachlichen Grund anders behandelt als vergleichbare Bauten mit Dachräumen mit schrägen Wänden. Eine solche Unterscheidung kann im Hinblick auf die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks unter Berücksichtigung der vermittelten Vorteile nur dann als zulässig angesehen werden, wenn die Bauten, die bei weniger als zwei Drittel ihrer Grundfläche eine Mindesthöhe von 2,30 m aufweisen, generell weitgehender nutzbar sind als vergleichbare Neubauten mit Vollgeschossen im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Beitragssatzung. Dies wird aber in dieser Allgemeinheit nicht der Fall sein. Insbesondere Dachgeschosse von Neubauten mit Dachschrägen können baurechtlich durchaus ebenfalls zu Wohnzwecken oder gewerblichen Zwecken genutzt werden, ohne dass sie beitragsrechtlich als Vollgeschoss gewertet werden. Nach der Regelung des § 4 Abs. 4 Buchst f) Beitragssatzung werden aufgrund dieser weitergehenden Regelung Geschosse bei diesen Gebäuden ohne hinreichenden sachlichen Grund weitergehend als Neubauten zur Berechnung des Vorteils herangezogen.

61

d. Soweit die Maßstabsregelung des § 4 Abs. 4 Buchst. b) aa) Beitragssatzung für die beitragsrechtlich relevante Anzahl der Vollgeschosse an die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse anknüpft (1. Halbsatz), mindestens jedoch an die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse (2. Halbsatz), ist dagegen nichts zu erinnern. Grundsätzlich handelt es sich bei dem Maßstab, der an das Maß der rechtlich zulässig baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks anknüpft, um einen zulässigen Maßstab (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.03.1995 – 4 K 22/94 –, juris Rn. 57ff.). Allerdings ist die Regelung nicht mehr vorteilsgerecht, soweit sie auch bebaute Außenbereichsgrundstücke erfasst und auch bei diesen für die maßgebliche Zahl der Vollgeschosse auf die nähere Umgebung abstellt. Bei bebauten Außenbereichsgrundstücken kann grundsätzlich mangels Baulandqualität dieser Grundstücke nur auf die Zahl der tatsächlichen vorhandenen Vollgeschosse abgestellt werden. Den Ausführungen des Antragsgegners, die Norm könne dahingehend ausgelegt werden, dass sich nur der 1. Halbsatz auf Außenbereichsgrundstücke beziehe und der 2. Halbsatz nur auf Grundstücke im unbeplanten Innenbereich, kann nicht gefolgt werden. Dem steht der Wortlaut der Regelung entgegen. Dem Beitragsmaßstab fehlt damit eine Regelung über die anrechenbare Zahl der Vollgeschosse für Außenbereichsgrundstücke. Die Regelung des § 4 Abs. 4 Buchst. e) Beitragssatzung, nach der bei Grundstücken im Außenbereich (§ 35 BauGB) die Zahl von einem Vollgeschoss gilt, soweit nicht im Einzelfall eine größere Zahl von Vollgeschossen festgestellt werden kann, gilt nur für Grundstücke, für die durch Planfeststellungsbeschluss oder diesem ähnlichen Verwaltungsakt eine der baulichen Nutzung vergleichbare Nutzung zugelassen ist, bezogen auf die Fläche nach Abs. 2 Buchst. h) Beitragssatzung. Für sonstige Außenbereichsgrundstücke, die zu Wohn- oder gewerblichen Zwecken genutzt werden, enthält die Satzung dagegen keine Bestimmung. Damit ermöglicht der vorgesehene Verteilungsmaßstab für diese Grundstücke keine Berechnung der maßgeblichen Beitragsfläche und ist insoweit unvollständig.

62

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Grundlage des Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann nach den tatsächlich entstandenen Kosten oder nach Einheitssätzen ermittelt werden. Die Einheitssätze sind nach den in der Gemeinde üblicherweise durchschnittlich aufzuwendenden Kosten vergleichbarer Erschließungsanlagen festzusetzen.

(2) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden. Abschnitte einer Erschließungsanlage können nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten (z. B. Grenzen von Bebauungsplangebieten, Umlegungsgebieten, förmlich festgelegten Sanierungsgebieten) gebildet werden. Für mehrere Anlagen, die für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, kann der Erschließungsaufwand insgesamt ermittelt werden.

(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungseinheit (§ 130 Absatz 2 Satz 3) bei der Verteilung des Erschließungsaufwands nur einmal zu berücksichtigen.

(2) Verteilungsmaßstäbe sind

1.
die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung;
2.
die Grundstücksflächen;
3.
die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Die Verteilungsmaßstäbe können miteinander verbunden werden.

(3) In Gebieten, die nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes erschlossen werden, sind, wenn eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig ist, die Maßstäbe nach Absatz 2 in der Weise anzuwenden, dass der Verschiedenheit dieser Nutzung nach Art und Maß entsprochen wird.

(1) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann nach den tatsächlich entstandenen Kosten oder nach Einheitssätzen ermittelt werden. Die Einheitssätze sind nach den in der Gemeinde üblicherweise durchschnittlich aufzuwendenden Kosten vergleichbarer Erschließungsanlagen festzusetzen.

(2) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden. Abschnitte einer Erschließungsanlage können nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten (z. B. Grenzen von Bebauungsplangebieten, Umlegungsgebieten, förmlich festgelegten Sanierungsgebieten) gebildet werden. Für mehrere Anlagen, die für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, kann der Erschließungsaufwand insgesamt ermittelt werden.

(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungseinheit (§ 130 Absatz 2 Satz 3) bei der Verteilung des Erschließungsaufwands nur einmal zu berücksichtigen.

(2) Verteilungsmaßstäbe sind

1.
die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung;
2.
die Grundstücksflächen;
3.
die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Die Verteilungsmaßstäbe können miteinander verbunden werden.

(3) In Gebieten, die nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes erschlossen werden, sind, wenn eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig ist, die Maßstäbe nach Absatz 2 in der Weise anzuwenden, dass der Verschiedenheit dieser Nutzung nach Art und Maß entsprochen wird.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Antragstellern als Gesamtschuldnern auferlegt.

3. Der Streitwert beträgt ε 1.979,48.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks G1 in einer Größe von 3.553 m². Das Grundstück ist mit einem Hotel- und Gaststättengebäude und einem dazugehörigen Parkplatz bebaut. Es grenzt im Süden an die B 192 ("Chaussee"). Im Norden grenzt das Grundstück an die Straße " W.". Hierbei handelt es sich um eine Gemeindestraße, die von der Einmündung in die Straße " A.B." in südöstliche Richtung führt und an dem Grundstück der Antragsteller endet. Bei dem Bereich, an den die Straße " W." an das Grundstück angrenzt, handelt es sich um eine Art "Grundstückszipfel" oder "Pfeifenstiel": Unmittelbar an die Straße schließt sich eine Fläche von ca. 10 m² an, auf der ein oder zwei Pkw Platz finden. Danach verjüngt sich der Zipfel auf eine Breite von weniger als 2 m. Im Bereich eines in dem Grundstückszipfel gelegenen Kanalschachtes ist der begehbare Grundstücksstreifen weniger als 1 m breit. Dahinter führt eine Treppe hinauf zum Parkplatz. Eine Erreichbarkeit des Parkplatzes oder des Gaststättengebäudes mit Pkw ist von der Straße " W." aus nicht gegeben.

3

Im Jahre 2008 ließ die Gemeinde A-Stadt die Straße " W." ausbauen. Auf dem gemeindeeigenen Grundstück G2 wurde eine Ausweich- und Wendestelle von etwa 5 m Breite und 11 m Tiefe angelegt, die insbesondere Müllfahrzeugen ein gefahrloses Befahren der Straße ermöglichen soll. Die technische Fertigstellung der Baumaßnahme erfolgte im November 2008. Die Verwendungsnachweisprüfung in Ansehung der für die Baumaßnahme ausgereichten Fördermittel ist bisher noch nicht abgeschlossen.

4

Mit Bescheid vom 26.09.2008 zog der Antragsgegner die Antragsteller zu einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag (100 v.H.) i.H.v. ε 7.917,94 heran. Dabei stufte er das Grundstück als bebautes und gewerblich genutztes Außenbereichsgrundstück ein und legt der Beitragsermittlung 3.054,15 m² gewichtete Grundstücksfläche (Beitragseinheiten) zu Grunde. Den gegen den Vorausleistungsbescheid gerichteten Widerspruch der Antragsteller wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009 - zugestellt am 01.04.2009 - zurück und lehnte zugleich einen zuvor gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

5

Am 30.04.2009 haben die Antragsteller zum Az. 3 A 523/09 Anfechtungsklage erhoben - über die bisher nicht entschieden ist - und am 16.11.2009 um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht. Sie sind der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Straßenausbaubeitragssatzung sei fehlerhaft, da sie keine Regelung über die Einbeziehung gemeindeeigener Grundstücke in den Vorteilsausgleich enthalte. Die Aufwandsermittlung sei fehlerhaft. Im Fördermittelverfahren habe der Antragsgegner die Gesamtkosten auf ε 53.000,00 beziffert. Die Diskrepanz zu der dem Bescheid zu Grunde liegenden Kostenschätzung von ε 64.715,26 werde nicht erklärt. Die Kosten der gepflasterten Wendefläche seien in die Abrechnung einbezogen worden, obwohl diese Fläche nur durch den Eigentümer des dort betriebenen Friseurgeschäfts als Kundenparkplatz genutzt werde. Die Aufwandsverteilung sei ebenfalls zu beanstanden. Das Grundstück sei trotz des Angrenzens an die Straße " W." nicht bevorteilt, da eine Befahrbarkeit - insbesondere eine Erreichbarkeit des auf dem Grundstück befindlichen Parkplatzes - nicht gegeben sei. Eine Befahrbarkeit sei jedoch wegen der gewerblichen Nutzung des Grundstücks zur Begründung einer Vorteilslage erforderlich. Die Fläche des antragstellerischen Grundstücks sei unzutreffend berücksichtigt worden. Die Eckgrundstücksregelung sei fehlerhaft angewandt worden. Die Fläche der beiden Eckgrundstücke seien jeweils zur Hälfte angesetzt worden. Den Ausfall hätten die Beitragspflichtigen zu tragen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Antragsteller der Gemeinde A-Stadt durch Gestattungsvertrag vom 11.08.2008 die unentgeltliche Nutzung einer Teilfläche ihres Grundstücks zu Verlegung einer Entwässerungsleitung erlaubt hätten. Diese Belastung hätte im Rahmen der Beitragsermittlung berücksichtigt werden müssen.

6

Die Antragsteller beantragen,

7

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26.09.2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009 anzuordnen.

8

Der Antragsgegner verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

9

den Antrag abzulehnen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Kammer haben bei der Entscheidung die beim Antragsgegner entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

II.

11

Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegeben, da der Antragsgegner den Antrag der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung im Widerspruchsbescheid abgelehnt hat.

12

In der Sache hat der Antrag jedoch keinen Erfolg; er ist unbegründet. Einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gewährt das Gericht entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Letzteres wird von den Antragstellern weder geltend gemacht, noch drängen sich nach Aktenlage Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unbilligen Härte auf.

13

Es bestehen aufgrund der im Eilverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenausbaubeitragssatzung - SABS) vom 12.12.2006.

14

1. Die Satzung ist nach derzeitiger Erkenntnis wirksam. Entgegen der Auffassung der Antragsteller erfasst die Satzung auch gemeindeeigene Grundstücke. Die Annahme eines Verstoßes gegen das Vorteilsprinzip oder den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit (Art. 3 Grundgesetz - GG) scheidet damit von vornherein aus. Nach § 4 Abs. 1 SABS bilden die Grundstücke das Abrechnungsgebiet, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung eröffnet wird. Die Bestimmung stellt für die Einbeziehung in den Vorteilsausgleich allein auf die räumlich enge Beziehung zur (ausgebauten) Straße ab. Die Eigentumslage ist demgegenüber irrelevant. Damit werden auch bevorteilte Grundstücke erfasst, die sich im Gemeindeeigentum befinden. Unschädlich ist, dass für bevorteilte gemeindeeigene Grundstücke keine Beitragsbescheide ergehen, weil eine Gemeinde nicht ihr eigener Schuldner sein kann (Konfusionsgedanke). Denn maßgeblich ist, dass mit der Einbeziehung der gemeindeeigenen Grundstücke in das Abrechnungsgebiet nach § 4 Abs. 1 SABS die Anzahl der Beitragseinheiten um die auf die gemeindeeigenen Grundstücke entfallenden Beitragseinheiten steigt und der rechnerische Beitragssatz daher entsprechend sinkt. Damit erleidet die Gemeinde für ihre Grundstücke einen "Beitragsausfall" genau in der Höhe, in der sich bei einer Selbstveranlagung auch eine Beitragsschuld ergeben würde.

15

Entgegen der Auffassung der Antragsteller führt die Eckgrundstücksregelung des § 7 SABS nicht zu einer (unzulässigen) Mehrbelastung der übrigen Beitragsschuldner, weil nach § 7 Satz 2 SABS die Gemeinde den Beitragsausfall zu tragen hat. Die in Satz 1 l.cit. normierte Flächenreduzierung findet daher nicht bereits in der so genannten Verteilungsphase, sondern erst in der so genannten Heranziehungsphase statt. Dies ist unter Vorteilsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Ob die mit der Anzahl der an das Grundstück angrenzenden Straßen korrespondierende Flächenreduzierung mit dem Vorteilsprinzip vereinbar ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, denn die u.U. eintretende Nichtigkeitsfolge würde sich auf die Bestimmung des § 7 SABS beschränken (Teilnichtigkeit, vgl. § 139 BGB). Vergünstigungsregeln für mehrfach erschlossene Grundstücke gehören weder zum notwendigen Mindestinhalt einer Straßenausbaubeitragssatzung (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V), noch zwingt das Vorteilsprinzip zu ihrer Normierung.

16

2. Die Rechtsanwendung durch den Antragsgegner ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dies gilt zunächst für die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes. Dass es sich bei der abgerechneten Baumaßnahme um eine beitragsfähige Maßnahme i.S.d. § 1 Satz 1 SABS handelt, wird von den Antragstellern nicht grundsätzlich in Abrede gestellt. Soweit sie meinen, die Kosten der auf dem Grundstück Flurstück 65 angelegten Ausweich- und Wendestelle seien nicht umlagefähig, kann dem nicht gefolgt werden. Denn hierbei handelt es sich um einen Bestandteil der nach § 1 Satz 1 SABS beitragsfähigen öffentlichen Straße. Eine straßenrechtliche Widmung der Wendestelle dürfte nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Straßen- und Wegegesetz (StrWG M-V) entbehrlich sein, weil sich das Grundstück Flurstück 65 im Eigentum der Gemeinde A-Stadt befindet und diese Trägerin der Straßenbaulast für den " W." ist. Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn man dem nicht folgt und eine Widmung für erforderlich hält. Zwar ist die Wendestelle in diesem Fall mangels Widmung nicht Bestandteil der öffentlichen Straße und wird damit von § 1 Satz 1 SABSgegenwärtig nicht erfasst. Es darf aber nicht verkannt werden, dass Streitgegenstand die Erhebung einer Vorausleistung nach § 9 SABS ist. Eine Vorausleistung ist ihrem Wesen nach ein Vorschuss auf den Ausgleich eines später mit der Herstellung einer beitragsfähigen Anlage vermittelten Sondervorteils. Daher setzt die Erhebung einer Vorausleistung nicht das Vorliegen eines voll ausgeprägten Sondervorteils voraus. Erforderlich ist lediglich, dass der Sondervorteil zukünftig so entstehen kann, wie vom Antragsgegner bei der Erhebung der Vorausleistung angenommen (VG Greifswald, Urt. v. 21.09.2004 - 3 A 1177/03, S. 16 des Entscheidungsumdrucks). Dies trifft auf die Beitragsfähigkeit des Aufwandes für die Ausweich- und Wendestelle zu, denn die betreffende Grundstücksfläche kann von der Gemeinde jederzeit straßenrechtlich gewidmet und so zum Bestandteil der öffentlichen Verkehrsanlage " W." gemacht werden, da die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 zweite Var. StrWG M-V vorliegen.

17

Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Grundsatz der kostenbezogenen Erforderlichkeit liegen ebenfalls nicht vor. Insbesondere folgt aus den Angaben des Zuwendungsbescheides vom 25.06.2008 nicht Gegenteiliges. Zwar trifft es zu, dass darin die Kosten der Baumaßnahme auf lediglich ε 53.700,00 und nicht, wie in der Beitragskalkulation, auf ε 64.715,26 beziffert werden. Dies erlaubt jedoch keinen Rückschluss auf eine Verstoß gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz. Denn es darf nicht verkannt werden, dass in dem Zuwendungsbescheid nicht die beitragsfähigen, sondern die zuwendungsfähigen Kosten dargestellt werden. Beide Kostendefinitionen stammen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten und und sind daher nicht identisch. Die Kostenangabe in dem Zuwendungsbescheid erlaubt keinen Rückschluss auf die Gesamtkosten, da sie ersichtlich nur dazu dient, darzustellen, dass die maximale Fördersumme (65 v.H. der tatsächlichen Ausgaben, maximal ε 34.905,00) bewilligt werden konnte.

18

Die Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes ist ebenfalls frei von Fehlern. Insbesondere wird das antragstellerische Grundstück zu Recht in den Vorteilsausgleich einbezogen, da es an die Straße " W." angrenzt und ihm daher eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung i.S.d. § 4 Abs. 1 SABS eröffnet wird. Unstreitig ist das gesamte Grundstück von der Straße aus fußläufig erreichbar. Zwar ist es mit Ausnahme einer kleinen Teilfläche nicht von der ausgebauten Straße aus befahrbar. Dies steht der Begründung eines beitragsrelevanten Vorteils jedoch nicht entgegen.

19

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Den durch Erhebung eines Beitrags auszugleichenden Sondervorteil, eine Straße vom eigenen Grundstück aus und nicht nur als Teilnehmer am allgemeinen Verkehr in Anspruch nehmen zu können, von der Art der Erreichbarkeit dieses Grundstücks abhängig zu machen, ist ein Gedanke des Erschließungsbeitragsrechts. Er folgt aus der engen Verbindung dieses Rechtsbereichs mit dem Bebauungsrecht. Die nach Erschließungsbeitragsrecht abzurechnende erstmalige Herstellung von Anbaustraßen hat zum Ziel, die an der Straße liegenden Grundstücke hinsichtlich der verkehrsmäßigen Anbindung bebaubar oder in beitragsrechtlich vergleichbarer Weise nutzbar zu machen (§ 129 Abs. 1 Satz 1, § 133 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Baugesetzbuch - BauGB). Dementsprechend hängt die Antwort auf die Frage, ob ein Grundstück erschlossen ist, wesentlich von dessen bebauungsrechtlichem Erschlossensein ab (BVerwG, Urt. v. 01.03.1991 - 8 C 59/89, BVerwGE 88, 70). Sie ist zu bejahen, wenn die Straße dem Grundstück diejenige wegemäßige Verbindung verschafft, die für die planungsrechtlich festgesetzte oder sonst zulässige bauliche oder gewerbliche Nutzung erforderlich ist (BVerwG, Urt. v. 04.06.1993 - 8 C 33/91, BVerwGE 92, 304). Durch den Erschließungsbeitrag wird demnach der Vorteil aus derjenigen "Möglichkeit der Inanspruchnahme" der Anbaustraße abgegolten, der mit der Rechtsfolge verbunden ist, dass eine Baugenehmigung nicht mehr unter Hinweis auf die fehlende Verkehrserschließung abgelehnt werden darf. Die aus dem Bebauungsrecht hergeleitete Vorgabe, von der abgerechneten Straße auf das Grundstück herauffahren zu können, ist allerdings allein als Regel für Grundstücke in planerisch festgesetzten Gewerbe- oder Industriegebieten anerkannt (BVerwG, Urt. v. 03.11.1987 - 8 C 77/86, BVerwGE 78, 237). Schon in gemischt genutzten Gebieten genügt es für das Entstehen von Erschließungsbeitragspflichten, an das Grundstück heranzufahren, auf der Straße also auf die Höhe des Grundstücks zu fahren und es von dort aus betreten zu können (zum Ganzen: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Auflage 2007, § 17 Rn. 67). Dabei kommt es nicht darauf an, wie das Grundstück tatsächlich genutzt wird (BVerwG, Urt. v. 27.09.2006 - 9 C 4/05, BVerwGE 126, 378), weil es ausschließlich auf seine abstrakte Bebaubarkeit ankommt.

20

Vor diesem Hintergrund ist das Grundstück der Antragsteller in den Vorteilsausgleich einzubeziehen. Es liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes und kann damit nicht als Gewerbe- oder Industriegebiet ausgewiesen sein. Daher stellt sich die Frage einer Übertragbarkeit der vorgenannten Erwägungen auf den Bereich des Straßenausbaubeitragsrechts bereits aus diesem Grunde nicht. Ausschlaggebend kommt hinzu, dass das Straßenausbaubeitragsrecht, wie § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V zeigt, nicht auf die von der Einrichtung vermittelten baurechtlichen Erschließung, sondern allein an die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung anknüpft. Eine Koppelung zwischen der Qualität der Erreichbarkeit des Grundstücks und dessen baulicher Ausnutzbarkeit ist dem Straßenausbaubeitragsrecht fremd. Daher reicht es im Rechtsbereich der Beitragserhebung für eine vorhandene, lediglich erneuerte oder verbesserte Gemeindestraße zur Annahme eines auszugleichenden Sondervorteils aus, dass die Straße in qualifizierter Weise, nämlich vom eigenen Grundstück aus, in Anspruch genommen werden und das Grundstück in einer Weise genutzt werden kann, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, von der Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 30.10.2007 - 6 BV 04.2189, Juris Rn. 20). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Wie bereits erwähnt, reicht das antragstellerische Grundstück bis unmittelbar an die abgerechnete Einrichtung heran, ist also ein Anliegergrundstück, und kann in beitragsrechtlich sinnvoller Weise gewerblich genutzt werden.

21

Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn man den vorstehenden Ausführungen nicht folgt und mit dem OVG Lüneburg der Auffassung ist, dass bei gewerblich sowie industriell nutzbaren Grundstücken im Verhältnis zu Wohngrundstücken gesteigerte Anforderungen an die Erreichbarkeit zu stellen sind (Beschl. v. 25.01.2007 - 9 LA 201/05, Juris Rn. 8 m.w.N.). Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese Rechtsprechung Fallkonstellationen betrifft, in denen ein Bebauungsplan eine industrielle, gewerbliche oder vergleichbare Nutzung festsetzt. Hieran fehlt es vorliegend, so dass eine Übertragung dieser Erwägungen auf den vorliegenden Fall bereits aus diesem Grunde ausscheidet. Hinzu kommt, dass das OVG Lüneburg darauf abstellt, ob die festgesetzte Nutzung bestimmungsgemäß eine Befahrbarkeit des Grundstücks erfordert. Dies trifft auf Grundstücke, die mit Hotels oder Gaststätten bebaut sind, keineswegs zu. Denn insbesondere in Gebieten mit verdichteter Bebauung ist es üblich, dass lediglich ein nahegelegener Parkplatz angefahren wird und auf das eigentliche Betriebsgrundstück nicht heraufgefahren werden kann.

22

Entgegen der Auffassung der Antragsteller wurde die Eckgrundstücksregelung des § 7 Satz 2 SABS bei der Ermittlung der Anzahl der Beitragseinheiten ordnungsgemäß berücksichtigt. Die beiden hiervon betroffenen Grundstücke Flurstücke 65 und 62/5 werden in der Spalte "Beitragsfläche" (BA I, Bl. 32) zwar nur mit der halben Fläche, dafür aber jeweils in zwei Zeilen und damit doppelt erfasst. Eine Reduzierung der Anzahl der Beitragseinheiten zu Lasten der übrigen Beitragspflichtigen ist damit ausgeschlossen.

23

Die rechnerische Ermittlung der auf das antragstellerische Grundstück entfallenden Beitragseinheiten ist ebenfalls frei von Fehlern. Die Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 4 SABS ist ordnungsgemäß angewandt worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheides (S. 3) Bezug genommen.

24

Schließlich unterliegt auch die Heranziehung der Antragsteller keinen Bedenken. Eine Vorausleistung darf erhoben werden, weil wegen der noch nicht abgeschlossenen Prüfung der Verwendungsnachweise für die ausgereichten Fördermittel die umlagefähigen Kosten derzeit nicht feststehen und die sachliche Beitragspflicht daher noch nicht entstanden ist (§ 11 Satz 1 SABS).

25

Die Eckgrundstückregelung des § 7 Satz 1 SABS kann in Ansehung der Antragsteller keine Anwendung finden. Zwar grenzt ihr Grundstück nicht nur an die Straße " W.", sondern auch an die "Chaussee" an. Hierbei handelt es sich aber um eine Bundesstraße, die zumindest in Ansehung der Fahrbahn in der Straßenbaulast des Bundes und damit nicht "voll" in der Straßenbaulast der Gemeinde steht.

26

Soweit die Antragsteller meinen, der Gestattungsvertrag vom 11.08.2008 stehe der Erhebung der Vorausleistung entgegen, fehlt es bereits an einer hinreichenden Darlegung. Sollten sie der Auffassung sein, dass dem Gestattungsvertrag mit der Erhebung der Vorausleistung die Geschäftsgrundlage entzogen sei und sie Nutzungsentgelte verlangen könnten, kann daraus kein Einwand abgeleitet werden. Denn abgesehen davon, dass die Höhe des Nutzungsentgeltes völlig offen ist, sei darauf hingewiesen, dass eine Aufrechnung mit Gegenforderungen vorliegend gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 226 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) ausgeschlossen ist. Entsprechendes gilt in Ansehung der vom Bürgermeister der Gemeinde A-Stadt ausweislich des Protokolls vom 17.09.2009 zugesagten finanziellen Entschädigung für die Einräumung des Nutzungsrechts. Der Bürgermeister hat nach dem Protokoll darauf hingewiesen, dass eine Entschädigung erst nach einer "Wertung des Grundstücks" in Betracht komme. Von einem unstreitigen Entschädigungsanspruch kann daher derzeit keine Rede sein.

27

Die Erhebung einer Vorausleistung i.H.v. 100 v.H. der voraussichtlichen Beitragsschuld ist schließlich nicht unverhältnismäßig. § 9 Satz 1 SABS gibt insoweit keine Obergrenze vor. Maßgebend ist, dass die Baumaßnahme technisch abgeschlossen ist und die verbesserte Anlage von den Anliegern bereits jetzt genutzt werden kann.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf den §§ 52, 53 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei der Betrag der festgesetzten Abgabe für das Eilverfahren zu vierteln ist.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um eine Vorausleistung auf einen Ausbaubeitrag.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in der Gemarkung Z.. Im Ortsteil Z. wird ein Bodenordnungsverfahren durchgeführt, das noch nicht abgeschlossen ist. Das Grundstück des Klägers soll nach den Planungen der Bodenordnungsbehörde die Flurstücke G1, G2 und G3 umfassen. Dieses Grundstück liegt an der Straße „K.“ im Ortsteil Z. an, die die Gemeinde A-Stadt im Jahre 2009 in einem ersten Bauabschnitt ausbaute. Am 12. August 2009 beschloss die Gemeindevertretung eine entsprechende Abschnittsbildung.

3

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2011 (Nummer 20110001) setzte die Amtsvorsteherin des Amtes Am Peenestrom gegen den Kläger eine Vorausleistung in Höhe von 1.251,07 Euro fest. Die Stadt Wolgast ist seit dem 1. Januar 2012 Rechtsnachfolgerin der Gemeinde A-Stadt. Auf den Widerspruch des Klägers hob der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2012 den Bescheid vom 20. Oktober 2012 auf, soweit darin eine Vorausleistung in Höhe von mehr als 1.220,06 Euro festgesetzt worden war und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Am selben Tag erging ein entsprechend geänderter Vorausleistungsbescheid.

4

Am 14. November 2012 hat der Kläger Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Ausbaubeitragsrecht sei nicht eröffnet, da die Maßnahme als Bestandteil des Bodenordnungsverfahrens A-Stadt im Auftrag der Teilnehmergemeinschaft durchgeführt worden sei. Zudem beruhe die veranlagte Fläche auf den Vorstellungen der Flurneuordnungsbehörde, die von ihm nicht geteilt würden. Jedenfalls seien die Flächen nicht bevorteilt. Eine Zufahrt auf die und eine Abfahrt von den landwirtschaftlichen Flächen mit landwirtschaftlichem Gerät würde zu einer Beschädigung des Straßenkörpers führen und sei nicht erlaubt. Deshalb seien am Straßenrand große Steine positioniert worden, um ein Überfahren zu verhindern.

5

Der Kläger beantragt,

6

den Bescheid der Amtsvorsteherin des Amtes Am Peenestrom vom 20. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides und des Änderungsbescheides vom 16. Oktober 2012 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide. Der Zuschnitt des künftigen Grundstücks im geänderten Vorausleistungsbescheid entspreche dem Verfahrensstand auf dem Ausschlusstermin der Flurneuordnungsbehörde. Für den Vorteil des Grundstücks sei es unerheblich, ob es vom ausgebauten Abschnitt der Anlage erreichbar sei. Maßgeblich sei dafür die Gesamtanlage. In einem weiteren Bauabschnitt werde eine Grundstückszufahrt geschaffen werden. Die Steine seien durch eine Anwohnerin im Einvernehmen mit dem Ortsteilvertreter verlegt worden, um die Seitenbereiche der Straße vor Überfahren zu schützen. Nötigenfalls werde der Beklagte die Entfernung der Steine veranlassen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

12

a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) dürfen Abgaben nur aufgrund einer Satzung erhoben werden. Rechtsgrundlage der Beitragserhebung sind die Satzungen der Stadt Wolgast über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für den Ausbau der Straße „Am Kamp“ im Ortsteil Z. vom 29. August 2012 (Ausbaubeitragssatzung Z.) und über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen in der Stadt Wolgast vom 21. November 2005 in der Fassung der Änderung vom 26. Juni 2006 (Ausbaubeitragssatzung Wolgast). Diese Satzungen bilden eine genügende Grundlage für die hier streitige Beitragserhebung.

13

Das Straßenbaubeitragsrecht unterliegt dem sogenannten Grundsatz der regionalen Teilbarkeit, das heißt, die Beitragssatzung muss nur für das jeweilige Abrechnungsgebiet eine vorteilsgerechte Beitragsermittlung gewährleisten können (OVG Greifswald, Beschl. v. 26. Februar 2004 – 1 M 242/03 -, juris). Auf die aus § 7 Abs. 2 Satz 4 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) folgende Unwirksamkeit von § 2 Satz 3 Ausbaubeitragssatzung Wolgast kommt es deshalb nicht an. Es ist aus den Abrechnungsunterlagen nicht zu erkennen, dass im Vorteilsgebiet ein Fall des selbstständigen Gebäudeeigentums vorliegt.

14

Soweit § 2 Ausbaubeitragssatzung Z. für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke im Außenbereich den Quadratwurzelmaßstab normiert, ist dagegen rechtlich nichts zu erinnern. Dieser Maßstab ist im Ausbaubeitragsrecht vorteilsgerecht und zulässig (Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand August 2011, § 8, Anm. 1.5.5).

15

b) Die Anwendung des Satzungsrechts auf den Einzelfall geschah rechtmäßig.

16

Das Ausbaubeitragsrecht ist eröffnet. Vorliegend wird der eigene Aufwand der Stadt Wolgast als Rechtsnachfolgerin der Gemeinde A-Stadt für Straßenbaumaßnahmen in der Straße „K.“ im Ortsteil Z. abgerechnet (§ 1 Abs. 1 Ausbaubeitragssatzung Z.). Ausweislich der vorliegenden Ausschreibungsunterlagen, Gemeinderatsbeschlüsse und Abrechnungen wurden die Bauleistungen durch die Gemeinde A-Stadt ausgeschrieben, beauftragt und bezahlt. Das Bodenordnungsverfahren dient dagegen nicht der Herstellung und Verbesserung von Infrastrukturanlagen, sondern der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse an Grundstücken, § 53 Abs. 1 Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG).

17

Das voraussichtliche künftige Grundstück des Klägers ist zu Recht in das Vorteilsgebiet einbezogen worden. Das Abrechnungsgebiet bilden gemäß § 6 Abs. 1 Ausbaubeitragssatzung Wolgast die Grundstücke, die von der abzurechnenden Anlage erschlossen werden, das heißt die Grundstücke, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung eröffnet wird. Der Umstand, dass der Kläger vom ausgebauten Abschnitt der Anlage aus auf sein Grundstück nicht mit landwirtschaftlichem Gerät herauffahren kann, führt nicht dazu, dass es aus dem Vorteilsausgleich auszuscheiden wäre. Dem Straßenausbaubeitragsrecht ist eine Koppelung zwischen der Qualität der Erreichbarkeit des Grundstücks und dessen baulicher Ausnutzbarkeit fremd. Im Rechtsbereich der Beitragserhebung für eine vorhandene, lediglich erneuerte oder verbesserte Ortsstraße reicht es zur Annahme eines auszugleichenden Sondervorteils aus, dass die Straße in qualifizierter Weise, nämlich vom eigenen Grundstück aus, in Anspruch genommen werden und das Grundstück in einer Weise genutzt werden kann, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, von der Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann. Auf die Frage, ob die ausgebaute Anlage das Grundstück im baurechtlichen Sinne erschließt, kommt es dagegen nicht an (VGH München, Urteil vom 30. Oktober 2007 – 6 BV 04.2189 –, juris; VG Greifswald, Beschluss vom 13. Januar 2010 – 3 B 1734/09 –, juris). Ausreichend für die Annahme eines Vorteils in diesem Sinne ist grundsätzlich die fußläufige Erreichbarkeit der betreffenden Straße von dem bevorteilten Grundstück aus, die nicht durch ein nicht ausräumbares tatsächliches oder rechtliches Hindernis ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Das Grundstück des Klägers reicht an die abgerechnete Einrichtung heran, ist also ein Anliegergrundstück. Es kann in beitragsrechtlich sinnvoller Weise landwirtschaftlich genutzt und von der ausgebauten Straße aus (fußläufig) erreicht werden. In der verbesserten Erreichbarkeit des Grundstücks liegt der abzuschöpfende Vorteil des Klägers. Auch eine landwirtschaftliche Nutzung beinhaltet nicht nur ein Befahren, sondern auch ein Betreten des Grundstücks.

18

Richtigerweise hat der Beklagte das Abrechnungsgebiet nur aus den Grundstücken gebildet, die vom ausgebauten Abschnitt der Gesamtanlage bevorteilt werden und dabei nur eine Teilfläche des (künftigen) klägerischen Grundstücks angerechnet. Das entspricht § 6 Abs. 2 Ausbaubeitragssatzung Wolgast. Da hier lediglich Vorausleistungen erhoben werden, deren Bezugspunkt der voraussichtliche Beitragsanspruch ist, bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, insoweit auf das künftige Grundstück abzustellen, soweit dieses – wie hier - schon genügend konkretisierbar ist (VG Greifswald, Beschluss vom 13. Juni 2012 – 3 B 328/12 –, juris; Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: Juli 2013, § 8, Anm. 1.7). Dem rechtskräftigen Ergebnis des Bodenordnungsverfahrens ist bei der endgültigen Beitragsfestsetzung zu entsprechen.

19

Wird eine einheitliche Verkehrsanlage im Sinne der natürlichen Betrachtungsweise durch eine Abschnittsbildung in mehrere gesondert abzurechnende Teilanlagen geteilt, so führt dies dazu, dass sich auch die Bildung des Abrechnungsgebietes nach den abgetrennten Teilanlagen richtet. In diesem Fall wird ein Grundstück, das an beide Abschnitte der Verkehrsanlage angrenzt, rechnerisch geteilt und nur mit der Teilfläche bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes berücksichtigt, die der Frontlänge an diesem Abschnitt im Verhältnis zur gesamten Frontlänge des Grundstücks entspricht (VG Greifswald, Beschluss vom 23. März 2007 – 3 B 121/07 –, juris). So ist hier verfahren worden. Der Beklagte hat die Länge des Grundstücks an der Gesamtanlage von 640,90 Metern in das Verhältnis zur den 47,40 Metern gesetzt, mit denen das Grundstück in der Frontlänge an den ausgebauten Abschnitt angrenzt und mit diesem Verhältnis die bevorteilte Teilfläche aus dem Gesamtgrundstück errechnet. Die so ermittelte Teilfläche von 14.824,61 Quadratmetern ist sodann gemäß § 2 Ausbaubeitragssatzung Z. gewichtet worden.

20

Gegen die Richtigkeit des ermittelten beitragsfähigen Aufwands macht die Klage nichts geltend. Dem Gericht drängen sich nach Durchsicht der Abrechnungsunterlagen insoweit auch keine Fehler auf. Der zugrunde gelegte Beitragssatz ergibt sich aus der Verteilung des Aufwands auf die gewichtete Vorteilsfläche (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Ausbaubeitragssatzung Wolgast).

21

Die Befugnis zur Festsetzung einer Vorausleistung auf die künftige Beitragsschuld ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 Ausbaubeitragssatzung Wolgast. Danach kann die Stadt Vorausleistungen in angemessener Höhe erheben, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist.

22

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß §§ 124, 124a VwGO bestehen nicht.

Gründe

1

Der zulässige Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 3. Kammer - vom 30. Mai 2013 hat in der Sache keinen Erfolg.

2

Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich nicht wegen der von der Klägerin gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.

3

„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).

4

Das Antragsvorbringen begründet im vorbezeichneten Sinne keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der angefochtenen Entscheidung.

5

Der Einwand der Klägerin, es widerspreche nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn für das Automatenspiel in Spielhallen und Spielbanken unterschiedliche Öffnungszeiten zulässig seien, greift nicht durch. Die in der Antragsbegründungsschrift in Bezug genommene Vorabentscheidung des EuGH (Urteil vom 17. Februar 2005, in der Rechtssache Linneweber [C-453/02] und Akritidis [C-462/02], juris) betrifft Art. 13 Teil B Buchstabe f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1997, der einen Steuerbefreiungstatbestand für die Veranstaltung oder den Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten hinsichtlich der Mehrwertsteuer enthält, wobei die Mitgliedstaaten dafür zuständig bleiben, die Bedingungen und Grenzen dieser Befreiung festzulegen. Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit müssen die Mitgliedsstaaten den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten, der es insbesondere verbietet, gleichartige und deshalb mit einander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (so EuGH, Urteil vom 17. Februar 2005, a. a. O., Rdnr. 24).

6

Aus dem steuerrechtlichen Neutralitätsgebot lässt sich indes nicht ableiten, dass der allgemeine Gleichheitssatz ein verfassungsrechtliches oder gemeinschaftsrechtliches Gebot enthält, ähnliche Sachverhalte auch in verschiedenen (nationalen) Ordnungsbereichen gleich zu behandeln; Spielbanken und Spielhallen gehören verschiedenen Ordnungsbereichen an, nämlich dem landesrechtlichen Spielbankenrecht einerseits und dem nach der Föderalismusreform (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl. I, 2034) gemäß Art. 70, 74 Abs. 1 Nr. 11, 125a Abs. 1 GG als Bundesrecht in Sachsen-Anhalt fortgeltenden, aber durch Landesrecht ersetzbaren bundesrechtlichen Gaststättenrecht mit der darauf beruhenden Sperrzeitverordnung sowie der das Recht der Spielhallen regelnden bundesrechtlichen Gewerbeordnung bzw. dem ab 1. Juli 2012 geltenden Spielhallengesetz Sachsen-Anhalt vom 25. Juni 2012 (GVBl. LSA 2012, 204, 212) andererseits. Das Verwaltungsgericht geht in Beachtung der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil vom 20. Februar 2003 - 1 L 431/02 -, juris), die das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. Juli 2003 (- 6 B 33.03 -, juris) bestätigt hat, von der Verschiedenartigkeit der Ordnungsbereiche aus, was von der Antragsbegründungsschrift nicht schlüssig in Frage gestellt wird.

7

Eine Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Urteils wird auch nicht schlüssig mit dem Vorbringen zu Ziff. 2 der Antragsbegründungsschrift dargelegt, das Verwaltungsgericht habe zu Inhalt, Umfang und Herleitung des Gefährdungspotentials von Spielhallen nichts dargetan. Der sinngemäße Verweis auf eine unzureichende Urteilsbegründung und/oder Sachverhaltsaufklärung macht, weil das Verfahren betreffend, noch nicht die materielle Fehlerhaftigkeit und damit die Unrichtigkeit des Urteilsergebnisses plausibel. Die Antragsbegründungsschrift legt nicht substantiiert dar, aus welchen Gründen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zum geringeren Gefährdungspotential von Spielbanken im Vergleich zu Spielhallen rechtlich keinen Bestand haben können.

8

Im Übrigen stellen die Erwägungen des Verwaltungsgerichtes zum unterschiedlichen Gefährdungspotential von Spielbanken und Spielhallen einen das Urteil selbständig tragenden Begründungsteil dar („Unabhängig von der Verschiedenheit der Ordnungsbereiche …“, S. 6 Abs. 3 der UA), der nur dann in zulassungsbegründender Weise angefochten wird, wenn auch im Hinblick auf die anderen Begründungsteile ein Zulassungsgrund erfolgreich geltend gemacht wird. Liegt nämlich nur (oder allenfalls) im Hinblick auf einen der Teile der Urteilsbegründung ein Zulassungsgrund vor, muss die Zulassung daran scheitern, dass - eben wegen der anderen Begründung - dieser Begründungsteil hinweg gedacht werden kann, ohne dass sich am Ausgang des Zulassungsverfahrens etwas änderte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1973 - IV B 92.73 -, juris). Eine zulassungsbegründende Anfechtung ist indes - wie bereits dargelegt - hinsichtlich des selbständigen Begründungsteils zur Maßgeblichkeit der Verschiedenheit der Ordnungsbereiche nicht erfolgt.

9

Entsprechendes gilt hinsichtlich des klägerischen Vorbringens unter Ziff. 3 der Antragsbegründungsschrift in Bezug auf das, nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes, unterschiedliche Publikum von Spielbanken und Spielhallen. Da für die verschiedenen Begründungsteile des Urteils nicht jeweils ein Zulassungsgrund erfolgreich geltend gemacht werden kann, ist allein die Anfechtung der Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zum Kreis des „Publikums“ nicht geeignet, die Richtigkeit des Urteilsergebnisses schlüssig in Frage zu stellen. Zudem erweist sich auch hier die Rüge einer fehlenden Herleitung der gerichtlichen Erkenntnisse bzw. die schlichte Behauptung von deren Fehlerhaftigkeit und Überholung durch die Lebenswirklichkeit im Hinblick auf die Darlegungsanforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO an den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils als nicht ausreichend. Die Antragsbegründungsschrift vertritt lediglich eine Gegenposition zum angefochtenen Urteil, ohne dass der klägerische Rechtsstandpunkt substantiiert erläutert wird und seine Auswirkungen auf die Richtigkeit des Urteilsergebnisses nachvollziehbar sind.

10

Die Ausführungen unter Ziff. 4 der Antragsbegründungsschrift zur technischen Ausgestaltung der Geldspielgeräte in Spielhallen und dem sich daraus ergebenden Spielerschutz lassen nicht erkennen, inwiefern sich hieraus ergibt, dass eine Gleichbehandlung von Spielbanken und Spielhallen bezüglich der Öffnungszeiten zwingend geboten ist.

11

Soweit die Antragsbegründungsschrift unter Ziff. 5 den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zum Fehlen der Tatbestandsvoraussetzung eines „öffentlichen Bedürfnisses“ für eine Ermessensentscheidung über eine einzelbetriebliche Sperrzeitverkürzung entgegentritt und auf ihr bisheriges Vorbringen verweist, genügt dies nicht den Darlegungsanforderungen an die Geltendmachung des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine schlichte Bezugnahme auf bestimmte frühere Anträge oder Schriftsätze, erstinstanzlich in das Verfahren eingeführte Unterlagen etc. oder gar ein Pauschalverweis auf das erstinstanzliche Vorbringen oder den Inhalt der Gerichtsakten bzw. Verwaltungsvorgänge ist im Hinblick auf die durch § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO normierten besonderen Darlegungslasten und -anforderungen unzureichend, weil die Antragsschrift aus sich heraus verständlich sein muss und die Zulassungsgründe unter substantiiertem Vorbringen konkret aufgezeigt werden müssen (std. Rspr. d. Senats, vgl. Beschluss vom 20. März 2008 - 1 L 18/08 - m. w. N.). Des Weiteren macht auch die gerügte mangelhafte Nachvollziehbarkeit der gerichtlichen Feststellungen bzw. der Einwand der unzureichenden Auseinandersetzung mit dem klägerischen Vorbringen (noch) nicht plausibel, dass das Ergebnis des angefochtenen Urteils rechtlich keinen Bestand haben kann.

12

Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht wegen der von der Klägerin gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, weil diese bereits nicht in der gebotenen Weise gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt wurde.

13

„Grundsätzliche Bedeutung“ im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 21. Januar 2008 - 1 L 166/07 -, juris [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1987 - 1 B 23.87 -, InfAuslR 1987, 278). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zudem im Zulassungsantrag darzulegen. „Dargelegt" im Sinne der genannten Vorschrift ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn in der Antragsbegründung eine konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage formuliert und zugleich substantiiert vorgetragen wird, inwiefern der Klärung dieser Frage eine im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt und warum es auf die Klärung der zur Überprüfung gestellten Frage im konkreten Fall entscheidungserheblich ankommt (OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961, BVerwGE 13, 90, vom 9. März 1993, Buchholz 310 § 133 n. F. VwGO Nr.11, Beschluss vom 10. November 1992, Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Hiernach ist es zunächst erforderlich, dass in der Antragsschrift eine konkrete - entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige - rechtliche oder tatsächliche Frage „aufgeworfen und ausformuliert” wird (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 26. September 1995, Der Personalrat 1996, 27). Darüber hinaus obliegt es dem Rechtsschutzsuchenden, im Einzelnen darzulegen, inwiefern die aufgeworfene Frage im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinaus einer fallübergreifenden Klärung bedarf und im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Hierbei sind - neben der Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes, welche die Begründung erkennen lassen muss - die genannten Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels in der Weise unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung, der einschlägigen Rechtsprechung sowie unter Angabe der maßgeblichen tatsächlichen und/oder rechtlichen Überlegungen zu erläutern und aufzuarbeiten, dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt wird, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels gerechtfertigt ist (OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, Buchholz 310 VwGO § 133 (n. F.) Nr. 26, Beschluss vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 -, NJW 1993, 2825).

14

In Anlegung dieser Maßstäbe legt die Antragsbegründungsschrift unter Ziff. 6 mit dem bloßen Hinweis, die Entscheidung habe Bedeutung über den Einzelfall hinaus, eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der gebotenen Weise dar.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

16

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

17

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 13. September 2013 – 3 A 1741/12 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Straßenbaubeitragsbescheid des Beklagten für den Um- und Ausbau der Straße „P. 1. BA“ in der Gemeinde W. auf dem Darß.

2

Er ist Eigentümer des streitgegenständlichen Flurstücks G1, Gemeinde W., mit einer Größe von 1.317 qm, sowie des südlich angrenzenden Flurstücks G2, mit einer Größe von 1.317 qm, beide Grundstücke liegen im unbeplanten Innenbereich. An die ausgebaute Straße grenzt das Flurstück G2, das Flurstück G1 liegt in nördlicher Richtung dahinter (Lageskizzen: Anlage K3, Bl. 16 d. GA.; Anlage K4, Bl. 82 d. GA.; Luftbild, Anlage K 5, Bl. 83 d. GA.; Skizze Abrechnungsgebiet Bl. 83 d. VerwA.). Auf dem Flurstück G1 befinden sich zwei Gebäude, in denen der Kläger die „Pension R.“ betreibt, er vermietet Ferienzimmer und Ferienwohnungen (LiBi, Bl. 54 ff. d. GA.; Gewerbeanmeldung Bl. 157 d. VerwA.). Auf dem Flurstück G2 sind sieben Stellplätze für Pensionsgäste angelegt, die Einfahrt erfolgt durch ein Tor von der ausgebauten Straße. Auf der nicht ausgebauten Straße „Nordseite“ ist ein Tor und eine Zufahrt zum Flurstück G1 vorhanden (LiBi., Bl. 63 u. 84 d. GA.). Am Abzweig P. verweist ein großes Werbeschild der Pension R. per Richtungspfeil auf die Zufahrt über die Straße P. (LiBi., Bl. 54 d. GA.). Unmittelbar an der Parkplatzzufahrt von der ausgebauten Straße weisen ein Werbeschild und ein Aufsteller auf die Pension R. hin (LiBi., Bl. 57 d. GA.). Ein Zaun ist zwischen den Grundstücken nicht vorhanden (LiBi., Bl. 63 d. GA.). Auf der Internetseite der Pension wird mit einem „ca. 2.600 qm großen Grundstück“ geworben (Internetauszug, Bl. 69 d. GA.).

3

Mit Bescheid vom 19. Oktober 2010 zog der Beklagte den Kläger zu einem Straßenbaubeitrag für das Flurstück G1 in Höhe von 1.640,11 € heran. Bei der Berechnung wurde zu der Vollgeschossmesszahl von „1“ ein „Zuschlag für erhöhten Quell-/ Zielverkehr (Nutzungszuschlag)“ von „0,5“ addiert und so die beitragsfähige Fläche von 1.317 qm auf eine bewertete Fläche von 1.975 qm erhöht, die mit dem Beitragssatz multipliziert wurde.

4

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 22. November 2010 Widerspruch ein. Er ist der Ansicht, das Flurstück G1 habe keinen Vorteil von der ausgebauten Straße. Auf dem Flurstück G1 befänden sich zwei Wohnhäuser. Es werde nicht gewerblich genutzt. Der Zugang und die Zufahrt zu diesem Flurstück erfolge ausschließlich über die „Nordseite“. Das Flurstück G2 sei eine nicht bebaubare Erholungsfläche, Wiese, Grünland.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Das Hinterliegergrundstück sei in die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands einzubeziehen. Dem Eigentümer des Hinterliegergrundstücks werde ein beitragsrelevanter Vorteil geboten, weil er vom Hinterliegergrundstück über das Anliegergrundstück eine dauerhafte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Straße besitze.

6

Am 28. Dezember hat der Kläger Klage gegen den Bescheid erhoben. Zur Begründung verweist er auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (Urt. v. 03.04.2007 – 4 L 230/06 –). Von der ausgebauten Straße bestehe kein nennenswerter Vorteil der Inanspruchnahme durch das Flurstück G1. Das streitgegenständliche Flurstück sei ein „nicht gefangener Hinterlieger“, da es über eine eigenständige Erschließung von der Straße „Nordseite“ verfüge. Es bleibe daher bei der Verteilung des Erschließungsaufwandes grundsätzlich unberücksichtigt, wenn es aufgrund planungsrechtlicher, sonstiger rechtlicher oder tatsächlicher Umstände eindeutig erkennbar auf diejenigen Anbaurechte ausgerichtet ist, an die es angrenze. Die einheitliche Nutzung als Betriebsgelände reiche nicht aus.

7

Vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger beantragt,

8

den Bescheid des Beklagten vom 19. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2012 aufzuheben.

9

Der Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Der Eigentümer beider Grundstücke habe es jederzeit in der Hand, aufgrund seiner rechtlichen und tatsächlichen Verfügungsmacht über beide Grundstücke die Erreichbarkeit des Hinterliegergrundstücks unter Benutzung des Anliegergrundstücks zu gewährleisten bzw. einen Zugang zu schaffen.

12

Mit Urteil vom 13. September 2013 hat das Verwaltungsgericht Greifswald – 3 A 1741/12 – die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt die Kammer im Wesentlichen aus: An der Wirksamkeit der Straßenbaubeitragssatzung der Gemeinde Wieck vom 01. Oktober 2001 i. d. F. der zweiten Änderungssatzung vom 05. Dezember 2006 als Rechtsgrundlage für den Bescheid bestünden keine Zweifel. Die Maßnahme sei auch beitragsfähig. Die Fahrbahn habe einen nach den anerkannten Regeln der Technik hergestellten Unterbau (Tragschicht, Frostschutzschicht etc.) erhalten, die Straßenbeleuchtung sei verbessert worden und entspreche erstmals der DIN 5044. Die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands sei fehlerfrei. Soweit die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands rechtsfehlerhaft sei, da die nur 4 m breite, ausgebaute Straße unzutreffend als Innerortsstraße (erst ab 5 m Breite) und nicht als Anliegerstraße eingestuft worden sei, begünstige das den Kläger, da bei dieser Einstufung die Anliegeranteile geringer seien. Die Bildung des Abrechnungsgebiets sei nicht zu beanstanden.

13

Das Flurstück G1 sei bei der Aufwandsverteilung mit der gesamten Fläche zu berücksichtigen. Wegen der Eigentümeridentität sei der Zugang zur Straße vom Hinterliegergrundstück gewährleistet und werde ausweislich des unwidersprochenen Vortrags des Beklagten und der vorliegenden Lichtbilder auch tatsächlich genutzt. Beide Grundstücke werden einheitlich wirtschaftlich genutzt. Auf dem Flurstück G2 befinden sich Parkplätze für die auf dem Flurstück G1 betriebene Pension R.. Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich erheblich von demjenigen, der der Entscheidung des OVG Sachsen-Anhalt zugrunde liege.

14

Gegen das ihm am 30. September 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Oktober 2013 beantragt, die Berufung zuzulassen. Mit seiner Antragsbegründung vom 27. November 2013 hat der Kläger vorgetragen, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Bei Hinterliegergrundstücken sei für den Vorteil der Inanspruchnahmemöglichkeit nicht ohne Weiteres die Eigentümeridentität ausreichend. Die wenigen Parkplätze auf dem Flurstück G2, die durch Gäste der Ferienwohnungen auf dem benachbarten klägerischen Grundstück benutzt werden können, führten nicht zu einem beitragsrelevanten Vorteil. Die Parkflächen machen nur einen geringen Bruchteil der Gesamtfläche des Flurstücks aus. Es könne nicht von einer einheitlichen Nutzung der beiden Grundstücke ausgegangen werden. Die Straße sei vom Hinterliegergrundstück über das davor liegende Grundstück tatsächlich nicht erreichbar. Die Parkplätze stellten nur eine äußerst geringe und theoretische Ingebrauchnahmemöglichkeit von Gästen des Klägers dar. Die große Mehrheit der Feriengäste parke auf der Grundstücksseite, die über die Straße „Nordseite“ erschlossen werde.

15

Mit Beschluss vom 11. September 2014 hat der Senat die Berufung des Klägers zugelassen.

16

Nach Zustellung dieses Beschlusses am 21. September 2014 hat der Kläger die Berufung am 08. Oktober 2014 im Wesentlichen unter Wiederholung seines Vortrags aus dem Berufungszulassungsverfahren begründet.

17

Der Kläger beantragt,

18

unter Abänderung des angefochtenen Urteils, den Bescheid des Beklagten vom 19.10.2010 zum Az. 1526.04 – Lfd. Nr. 28 – in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2012 – aufzuheben.

19

Der Beklagte beantragt,

20

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 13.09.2013 (Az. 3 A 1741/12) zurückzuweisen.

21

Eine objektive Wertlosigkeit der Inanspruchnahmemöglichkeit könne nicht angenommen werden. Die Parkplätze unmittelbar vor den Ferienwohnungen seien ein wesentlicher, wenn nicht sogar notwendiger Bestandteil der wirtschaftlichen Nutzung des Hinterliegergrundstücks. Die als Garten angelegte Fläche werde bauakzessorisch genutzt und gehöre zu dem Pensionsangebot der auf dem Hinterliegergrundstück befindlichen Ferienwohnungen.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 05. November 2014 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23

Die Berufung des Klägers ist unbegründet, weil auch die zulässige Klage unbegründet ist. Der angefochtene Beitragsbescheid vom 19. Oktober 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2012 sind rechtmäßig und der Kläger wird dadurch nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

24

1. Der Bescheid kann sich in Gestalt der Satzung der Gemeinde Wieck über die Erhebung von Beiträgen für den Bau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 01. Oktober 2001 (Straßenbaubeitragssatzung) i. d. F. der zweiten Änderungssatzung vom 05. Dezember 2006 auf eine hinreichende Rechtsgrundlage stützen. Rechtsfehler der Satzung, die zu ihrer Gesamtunwirksamkeit führen könnten, hat der Kläger auch nicht geltend gemacht.

25

2. Auch die Rechtsanwendung des Beklagten ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden.

26

Das streitgegenständliche Grundstück des Klägers gehörte zum Abrechnungsgebiet der Ausbaumaßnahme bzw. ist durch diese bevorteilt und war deshalb in die Aufwandsverteilung einzubeziehen. Nach § 5 Abs. 1 der Straßenbaubeitragssatzung bilden die Grundstücke das Abrechnungsgebiet, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung eröffnet wird. Diese Regelung steht mit § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in Einklang. Nach dieser Norm wird der Beitrag als Gegenleistung dafür erhoben, dass den Beitragspflichtigen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme Vorteile geboten werden.

27

Das streitgegenständliche Grundstück ist durch die Ausbaumaßnahme in diesem Sinne bevorteilt; es weist die erforderliche räumlich enge Beziehung zur ausgebauten Straße auf.

28

Mit dem Begriff der Möglichkeit in § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V stellt der Landesgesetzgeber – und in der Folge der kommunale Satzungsgeber – klar, dass es nicht darauf ankommt, dass die ausgebaute Straße vom in Rede stehenden Grundstück bereits zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Betragspflicht tatsächlich in Anspruch genommen wird. Maßgeblich ist, ob die Inanspruchnahme rechtlich und tatsächlich möglich und diese Möglichkeit hinreichend qualifiziert ist. Da es sich bei dem Beitrag im Sinne von § 7 KAG M-V um die Abgeltung eines Dauervorteils handelt, ist dabei auch die Lebensdauer der ausgebauten Anlage in den Blick zu nehmen. Dies zeigt, dass keine Unterscheidung danach vorgenommen werden kann, ob eine Inanspruchnahme zum maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich schon erfolgt, eine solche bereits geplant ist oder sich erst im Laufe der Zeit ergeben könnte. Aus diesem Grund kommt es nicht darauf an, ob der in Anspruch genommene Eigentümer subjektiv den Willen hat, während dieses Zeitraums die gebotene Möglichkeit tatsächlich zu nutzen. Denkbar ist nämlich, dass das Grundstück veräußert, versteigert, vererbt oder aus sonstigen Gründen übertragen wird und der neue Eigentümer andere Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks verfolgt. Das rechtfertigt es, darauf abzustellen, ob objektiv eine Inanspruchnahmemöglichkeit besteht.

29

Die objektive vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit haben straßenbaubeitragsrechtlich in erster Linie (Buch-)Grundstücke, die unmittelbar an die Straße angrenzen (sog. Anlieger- bzw. Vorderliegergrundstücke). Im Verhältnis zu anderen Grundstücken ist ihre Inanspruchnahmemöglichkeit betreffend die Straße, an der sie anliegen, schon deshalb qualifiziert und in straßenbaubeitragsrechtlich relevanter Weise vorteilhaft, weil aufgrund der offensichtlich räumlich engen Beziehung dieser Grundstücke zur ausgebauten Anlage im Sinne der vorgenannten Bestimmungen in aller Regel angenommen werden kann, die Anlage werde von ihnen aus intensiver beansprucht als von anderen Grundstücken aus, die nicht an ihr anliegen. Im Hinblick auf die Erreichbarkeit des Grundstücks von der Anlage aus ist es für den Fall, dass eine Zuwegung nicht besteht, zur Begründung der Vorteilslage ausreichend, dass eine solche geschaffen werden und damit die Inanspruchnahmemöglichkeit realisiert werden kann.

30

Für das streitgegenständliche Grundstück als ein sog. Hinterliegergrundstück besteht vorliegend ebenfalls eine seine Beitragspflicht begründende Inanspruchnahmemöglichkeit.

31

Für Hinterliegergrundstücke gelten dabei zunächst im Ausgangspunkt keine anderen Maßstäbe als für Anliegergrundstücke. Nur solche Hinterliegergrundstücke sind bevorteilt, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung eröffnet wird. Das bedeutet zunächst, dass vom betreffenden Hinterliegergrundstück rechtlich und tatsächlich die Möglichkeit bestehen muss, die ausgebaute Anlage über ein Anliegergrundstück und ggf. weitere Hinterliegergrundstücke zu erreichen. Vorliegend bestehen keine tatsächlichen Umstände, die die Erreichbarkeit des Anliegergrundstücks Flurstück G2 vom in Anspruch genommen Hinterliegergrundstück Flurstück G1 hindern würde. Die rechtliche Befugnis zum Überqueren vermittelt der Umstand, dass Anlieger- und Hinterliegergrundstück denselben Eigentümer haben (sog. Eigentümeridentität).

32

Im Unterschied zu den Anliegergrundstücken ist allerdings bei Hinterliegergrundstücken die Annahme, die Anlage werde von ihnen aus intensiver beansprucht als von anderen Grundstücken aus, nicht in gleicher Weise offensichtlich regelmäßig gerechtfertigt; sie liegen eben gerade nicht in gleicher Weise unmittelbar an der ausgebauten Anlage, ihre räumliche Beziehung zu ihr ist auf den ersten Blick offensichtlich weniger eng als diejenige der Anliegergrundstücke. Bei Hinterliegergrundstücken kann allerdings zwischen sog. „gefangenen“ und anderen („nicht gefangenen“) differenziert werden.

33

Bei „gefangenen“ Hinterliegergrundstücken, also solchen Grundstücken, die ausschließlich über die jeweils in Beziehung zur ausgebauten Anlage vorgelagerten Anliegergrundstücke eine Verbindung zum gemeindlichen Verkehrsnetz haben, kann bei näherer Betrachtung wie bei den Anliegergrundstücken selbst in vergleichbarer Weise die erforderliche räumlich enge Beziehung und qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit bestehen. Sie besteht in aller Regel dann, wenn vom „gefangenen“ Hinterliegergrundstück aus über bzw. vermittelt durch das Anliegergrundstück eine dauerhafte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage besteht. Diese besteht grundsätzlich immer im Falle der Eigentümeridentität, also in den Fällen, in denen der Eigentümer von Anlieger- und Hinterliegergrundstück identisch und damit die Erreichbarkeit der Anlage vom Hinterlieger- über das Anliegergrundstück auch rechtlich gesichert ist. Weil das „gefangene“ Hinterliegergrundstück hinsichtlich des Zugangs zum gemeindlichen Verkehrsnetz darauf angewiesen ist, über das vorgelagerte Anliegergrundstück die wegemäßige Erschließung zu erfahren und in diesem Sinne ausschließlich auf die ausgebaute Anlage hin ausgerichtet ist, kann bei einer Eigentümeridentität in der Regel angenommen werden, die Anlage werde von ihm aus – wie von dem Anliegergrundstück – wegen seiner räumlich engen Beziehung intensiver beansprucht als von anderen Grundstücken aus. Auch bei Hinterliegergrundstücken kommt es dabei folgerichtig nicht auf eine aktuell bestehende tatsächliche Nutzung an. Es kommt somit insbesondere nicht darauf an, ob bei Entstehung der sachlichen Beitragspflicht eine Zufahrt vom Hinterliegergrundstück über das Anliegergrundstück zur ausgebauten Straße tatsächlich besteht, sondern im Sinne der Inanspruchnahmemöglichkeit nur darauf, ob eine solche geschaffen werden könnte. Das ist sachgerecht, weil es beim Vorteilsbegriff nicht auf die häufig auch leicht änderbare oder schwer feststellbare tatsächliche Gestaltung der Grundstücksverhältnisse ankommt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 26.04.2007 – 9 LA 92/06 –, juris).

34

In den Fällen, in denen das Hinterliegergrundstück wie im vorliegenden Fall seinerseits an eine andere als die ausgebaute Straße angrenzt (sog. „nicht gefangenes“ Hinterliegergrundstück), kann demgegenüber der Umstand, dass für Anlieger- und Hinterliegergrundstück Eigentümeridentität besteht, für sich allein gesehen nicht als hinreichend für die Annahme eines Vorteils bzw. die Bejahung der erforderlichen qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit betrachtet werden. Vielmehr bedarf es als Korrektiv zusätzlich einer wertenden Betrachtung (so auch OVG Bautzen, Urt. v. 31.01.2013 – 5 A 783/10 –, juris und Urt. v. 03.09.2008 – 5 A 348/08 –, SächsVBl 2009, 40; VGH Kassel, Urt. v. 03.09.2008 – 5 A 688/08 –, juris; OVG Magdeburg, Urt. v. 03.04.2007 – 4 L 230/06 -, KStZ 2007, 178; VGH München, Beschl. v. 24.03.2014 – 6 ZB 13.2465 –, juris; in diese Richtung auch VG Schwerin, Urt. v. 04.01.2013 – 4 A 420/09 –; a. A. OVG Weimar, Beschl. v. 17.03.2009 – 4 EO 269/07 –, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 26.04.2007 – 9 LA 92/06 -, NStN 2007, 186 = DVBl. 2007, 851; VG Greifswald, Urt. v. 22.11.2013 – 3 A 217/12 –, juris; vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht auch VGH Kassel, Beschl. v. 14.12.2012 – 5 A 1884/12 – juris, das Revisionsverfahren hierzu ist beim BVerwG – 9 B 9/13 – anhängig). Auch bei einer Eigentümeridentität kann in diesen Fällen nicht ohne Weiteres vergleichbar mit den Anliegergrundstücken in der Regel angenommen werden, die Anlage werde vom „nicht gefangenen“ Hinterliegergrundstück wegen ihrer räumlich engen Beziehung intensiver beansprucht als von anderen Grundstücken aus.

35

Das Straßenausbaubeitragsrecht ist ausgerichtet auf einen Vorteilsausgleich; Grundstücke sollen sich an diesem Vorteilsausgleich beteiligen, wenn und soweit ihnen durch die Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Verkehrsanlage ein nennenswerter Vorteil zuwächst. Das Ausmaß des einem Grundstück vermittelten Vorteils richtet sich nach dem Ausmaß der von ihm aus zu erwartenden (wahrscheinlichen) Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage. Je weniger diese Anlage von einem Grundstück erfahrungsgemäß in Anspruch genommen werden wird, desto weniger wertvoll ist für dieses Grundstück die ihm gebotene Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Anlage. Ist die gebotene Inanspruchnahmemöglichkeit für ein (Hinterlieger-)Grundstück objektiv wertlos, weil nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist, dass von diesem Grundstück aus die ausgebauten Verkehrsanlage in einem relevanten Umfang in Anspruch genommen werden wird, hat dieses Grundstück aus der gebotenen Inanspruchnahmemöglichkeit keinen nennenswerten Vorteil, scheidet deshalb aus dem Kreis der bei der Aufwandsverteilung zu berücksichtigenden Grundstücke aus (OVG Magdeburg, Urteil v. 03.04.2007 – 4 L 230/06 –, KStZ 2007, 178, zit. n. juris; so auch OVG Bautzen, Urteil v. 31.01.2013 – 5 A 783/10 –, juris; vgl. auch Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 35, Rn. 24) und kann nicht mehr von einer „qualifizierten“ Inanspruchnahmemöglichkeit im Sinne der vorstehend erörterten Bestimmungen gesprochen werden. Eine mit Blick auf anderweitige Verbindungen oder Verbindungsmöglichkeiten des Hinterliegergrundstücks zum gemeindlichen Verkehrsnetz trotz Eigentümeridentität bloß theoretische, aber unwahrscheinliche Möglichkeit der Inanspruchnahme genügt nicht, weil daraus kein erwartbarer Vorteil im vorstehenden Sinne abgeleitet werden könnte. Denkbar ist, dass sich die Inanspruchnahmemöglichkeit als objektiv wertlos erweist, wenn das „nicht gefangene“ Hinterliegergrundstück eindeutig auf eine andere Straße hin ausgerichtet ist (vgl. VGH München, Urt. v. 25.10.2012 – 6 B 10.133 –, juris und Beschl. v. 15.01.2010 – 6 ZB 09.545 –, juris). Das könnte beispielsweise der Fall bei einem „nicht gefangenen“ Hinterliegergrundstück sein, das keine tatsächliche Zufahrt zum Vorderliegergrundstück hat und bei dem Eigentümeridentität besteht, wenn das im Außenbereich liegende Hinterliegergrundstück mit einem Wohnhaus (zum Beispiel der ehemaligen Hofstelle eines Landwirts) bestandsgeschützt bebaut und entsprechend genutzt wird und das Vorderliegergrundstück an einen anderen landwirtschaftlichen Betrieb zur entsprechenden Nutzung verpachtet ist.

36

Ein gewichtiges Indiz dafür, dass ein Vorteil nicht nur theoretisch denkbar und eine gebotene Inanspruchnahmemöglichkeit nicht objektiv wertlos, sondern (wirtschaftlich) werthaltig bzw. nennenswert ist, kann regelmäßig in der einheitlichen Nutzung von Anlieger- und Hinterliegergrundstück erblickt werden. Denn bei einer solchen einheitlichen Nutzung spricht vieles dafür, dass das Hinterliegergrundstück vom Anliegergrundstück aus genutzt wird und umgekehrt. Die einheitliche Nutzung lässt nach Auffassung des Senats die Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage auch vom Hinterliegergrundstück als hinreichend wahrscheinlich erwarten, sie lässt die Annahme zu, die Anlage, an der das vorgelagerte Anliegergrundstück liegt, werde auch vom Hinterliegergrundstück aus in Anspruch genommen werden. Somit strahlt der Vorteil der ausgebauten Straße für das an der Straße unmittelbar anliegende Grundstück auf das Hinterliegergrundstück aus; beide Buchgrundstücke werden neben der Eigentümeridentität über die einheitliche Nutzung mit der Folge „verklammert“, dass eine hinreichende räumlich enge Beziehung die qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit in dem Sinne erwarten lässt, dass auch vom Hinterliegrundstück aus die Anlage intensiver beansprucht wird als von anderen Grundstücken aus. Da bei bestehender Eigentümeridentität nicht selten auch eine einheitliche Nutzung der Grundstücke vorliegen wird, dürfte in der Verwaltungspraxis die Forderung nach einem neben der bloßen Eigentümeridentität festzustellenden weiteren Anhaltspunkt für die Annahme der qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit in zahlreichen Fällen nicht zu anderen Ergebnissen führen, als wenn die Eigentümeridentität für sich gesehen bereits als insoweit ausreichend betrachtet werden würde.

37

So liegt der Fall hier. Die Flurstücke werden tatsächlich einheitlich wirtschaftlich genutzt und ein Zugang (nicht Zufahrt) über das Anliegergrundstück besteht tatsächlich. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob die Flurstücke in gleichem Maße genutzt werden, vielmehr kann auch ein Grundstück die (Haupt)nutzung des anderen nur unterstützen. Es müssen also nicht auf beiden Grundstücken Ferienwohnungen vorhanden sein. Hier sind auf dem Anliegergrundstück Parkflächen und Gartenflächen vorhanden. Der Kläger bezeichnet selbst beide Grundstücke zusammen als „Betriebsgrundstück“ und verwendet in seinem Internetauftritt hierfür eine zusammenfassende Flächengrößenangabe von „ca. 2.600 qm“. Auch räumt der Kläger ein, dass auf dem Anliegergrundstück Parkplätze für Gäste seiner auf dem Hinterliegergrundstück betriebenen Ferienwohnungen vorhanden sind. Dabei ist der Vortrag des Beklagten unwidersprochen geblieben, dass es sich um sieben Parkplätze handelt. Der Kläger hat hierzu nur erklärt, dass es „wenige“ seien. Warum für diese Parkplätze nach Ansicht des Klägers nur eine „theoretische“ Inanspruchnahmemöglichkeit bestehe, hat er nicht begründet. Ein dauernder Hinderungsgrund für die Nutzung der Parkplätze ist weder von ihm vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Zudem werden die Feriengäste über das Hinweisschild mit dem Richtungspfeil sogar (vom Kläger) aufgefordert, die Zufahrt zur „Pension R.“ über die ausgebaute Straße „P.“ zu wählen und nicht etwa die Zufahrt über die Straße „Nordseite“.

38

Auch ist ein fußläufiger Zugang zum Hinterliegergrundstück gegeben. Auf eine Zufahrtsmöglichkeit mit dem Auto kommt es nicht an, zumal die Parkplätze an der rechten (östlichen) Seite des Anliegergrundstücks unmittelbar dem bis auf die Grenze zwischen den Grundstücken gebauten Gebäude vorgelagert sind, sodass zumindest dieses Gebäude leicht von diesen Stellplätzen aus erreicht werden kann.

39

In der Gesamtschau entlasten diese Parkflächen somit jedenfalls die Parksituation auf dem Hinterliegergrundstück und unterstützen somit die wirtschaftliche Ferienwohnungsnutzung des Hinterliegergrundstücks. Ob es sich dabei um baurechtlich notwendige Stellplätze handelt, kann hier dahinstehen bleiben.

40

Im Übrigen ist auch das restliche Anliegergrundstück als Gartenfläche für die „Pension R.“ nutzbar.

41

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass der vorliegende Fall mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (Urt. v. 03.04.2007 – 4 L 230/06 –) zugrunde lag, nicht vergleichbar ist. Denn im dortigen Fall war in dem Bereich, in dem das Vorder- an das Hinterliegergrundstück angrenzt, das Vorderliegergrundstück vollständig mit einem Hotel überbaut und es gab nur einen Durchgang vom Hotel zur Tiefgarage auf dem Hinterliegergrundstück, der über einen Treppenschacht und ein Gitterrost führte und der als Fluchtweg aus brandschutzrechtlichen Gründen geschaffen wurde. Nach dem im dortigen Verfahren vom Verwaltungsgericht festgestellten (unstreitigen) Sachverhalt wurde diese Verbindung von den Hotelgästen nicht genutzt.

42

Hinsichtlich der Rechtsanwendung im Übrigen verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 130b Satz 2 VwGO). Insbesondere bestehen gegen den Zuschlag für die „gewerbliche“ Nutzung des Grundstücks von 0,5 gemäß § 7 Abs. 6 der Straßenbaubeitragssatzung keine Bedenken. Diese Vorschrift lautet:

43

„Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Art der Nutzung wird der nach Abs. 2 festgelegte Faktor um 0,5 erhöht, wenn das Grundstück innerhalb eines tatsächlich bestehenden (§ 34 Abs. 2 BauGB) oder durch Bebauungsplan ausgewiesenen (…) ….gebietes liegt oder ohne entsprechende Gebietsfestsetzung innerhalb eines Bebauungsplangebietes überwiegend gewerblich oder in einer der gewerblichen Nutzung vergleichbaren Weise (z. B. Verwaltungs-, Schul-, Post-, Bahnhofsgebäude, Parkhäuser, Praxen für freiberufliche Tätigkeit; Museen) genutzt wird.“

44

Der Zuschlag wäre schon dann gerechtfertigt, wenn der Kläger nicht nur Ferienwohnungen vermietet, sondern mit einem Pensionsbetrieb eine der gewerblichen Nutzung vergleichbare Nutzung i. S. v. § 6 Abs. 6 der Satzung ausübt. Für eine „Pension“ spricht neben dem Namen „Pension R.“ auch, dass der Kläger nach seiner Preisliste (auf seiner Internetseite auch im Jahr 2014) nach Absprache auch Frühstück (5 €/P.) anbietet und somit typische Pensionsleistungen bereit hält, die über die bloße Vermietung hinausgehen. Auch die Größe der Anlage (insgesamt 18-22 Betten laut Internetseite 2014) spricht ebenso dafür wie die „Gewerbe-Anmeldung“ nach der GewO vom 05.08.1996. Auch dort ist neben Zimmervermietung, Vermietung von Ferienwohnungen eine Fremdenpension (13 Betten) angegeben. Indiz dafür, dass nicht nur eine bloße Vermietung erfolgt, sondern die Gäste auch betreut werden, ist, dass nach der Gewerbeanmeldung die „Zahl der bei Geschäftsaufnahme tätigen Personen (ohne Inhaber)“ mit „Vollzeit: 1“ angegeben worden ist. Zwar hat der Kläger nach der Darstellung im Widerspruchsbescheid wohl eine Gewerbeummeldung am 25. Juli 2011 auf „Vermietung von Wohnraum“ vorgenommen. Diese Ummeldung erfolgte jedoch erst nach Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und wirkt nicht zurück.

45

Letztlich kann es jedoch dahinstehen bleiben, ob der Kläger eine Pension betreibt oder (nur) Ferienwohnungen vermietet, weil die Vorschrift des § 7 Abs. 6 der Straßenbaubeitragssatzung mit dem Begriff der Nutzung in einer „der gewerblichen Nutzung vergleichbaren Weise“ nicht auf eine (privat-)wirtschaftlich einem Gewerbe ähnliche Nutzung abstellt, wie sich schon daran zeigt, dass in der Norm als Beispiele für eine solche Nutzung auch öffentliche Verwaltungseinrichtungen aufgezählt werden. Sinn und Zwecks des Zuschlagsfaktors ist es vielmehr, den gegenüber einer Wohnnutzung wie bei einem Gewerbe erhöhten Straßenverkehr zu berücksichtigen. Darauf weist auch die Formulierung „Grundstücke mit erhöhtem Ziel- und Quellverkehr“ in § 7 Abs. 7 Satz 3 1. Spiegelstrich der Straßenbaubeitragssatzung hin. Eine solche erhöhte Nutzung durch Feriengäste erfolgt sowohl bei Ferienwohnungsvermietung als auch bei einem Pensionsbetrieb durch einen erhöhten An- und Abreiseverkehr. Für diese erhöhte Straßennutzung ist es gleichgültig, ob für die Gäste neben der Übernachtungsmöglichkeit noch zusätzliche (Pensi-ons-)Leistungen wie Frühstück und Gästebetreuung erbracht werden. Allein die Anzahl von sieben Stellplätzen auf dem Anliegergrundstück und noch mehreren auf dem Hinterliegergrundstück weist auf diese erhöhte Verkehrsnutzung hin.

46

Die konkrete Ausnutzung des Grundstücks im vorliegenden Fall zeigt im Vergleich mit einer typischen Wohnnutzung anschaulich, dass die Satzungsregelung über die Erhöhung des Nutzungsfaktors mit einem Zuschlag von 0,5 – also um 50 % – nicht unangemessen ist.

47

Mit den in § 8 Abs. 2 c) der Straßenbaubeitragssatzung aufgeführten „Campingplätzen, Zeltplätzen, Wochenend- und Ferienhaussiedlungen oder Badestränden“ im Außenbereich, für die nur eine Messzahl von 1,0 festgelegt ist, ist die wirtschaftliche Nutzung der klägerischen Grundstücke auch durch Ferienwohnungsvermietung nicht vergleichbar. Camping- und Zeltplätze werden typischerweise saisonal und nicht ganzjährig genutzt, jedenfalls nicht in vollem Umfang, und weisen daher nicht ganzjährig eine erhöhte Verkehrsnutzung auf. Entsprechendes gilt für Ferienhaussiedlungen, die zwar ganzjährig genutzt werden können, bei denen es sich jedoch typischerweise um Grundstücke mit jeweils nur einem Ferienhaus handelt, sodass je Grundstück – anders als bei der Ferienwohnungsanlage des Klägers – nur ein oder nur wenige Nutzer vorhanden sind, die keinen wesentlich erhöhten Ziel- oder Quellverkehr ausmachen.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

49

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

50

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 19.11.2007 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 09.02.2009 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Straßenbaubeitrag für die Gemeindestraße „Am Seeufer“ in Waren (Müritz). Die Straße verläuft östlich der Binnenmüritz in nördliche Richtung. Sie beginnt an der Einmündung in die Papenbergstraße und verläuft dann in nördliche Richtung. Auf Höhe der Einmündung der Großen Gasse geht die Straße „Am Seeufer“ in die Müritzstraße über. Die Müritzstraße liegt im Geltungsbereich der Satzung der Stadt Waren Müritz über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes „Südliche Innenstadt“ vom 05.01.1993. Durch Satzung vom 04.07.2002 wurde die Sanierungssatzung lediglich im Bereich westlich der Müritzstraße aufgehoben.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücks Flurstück G1 in einer Größe von 12.542.780 m², das aus dem Grundstück G2 hervorgegangen ist. Das Grundstück besteht überwiegend aus Wasserflächen der Müritz bzw. Binnenmüritz. Es liegt westlich des zwischen den Knoten Papenbergstraße und Große Gasse verlaufenden Abschnitts der Gemeindestraße „Am Seeufer“. Das Grundstück grenzt nicht an diese Straße an, sondern ist durch Grundstücke, die im Eigentum Dritter stehen, von der Straße getrennt.

3

Der nördliche Teil des Uferbereichs auf Höhe der Anliegergrundstücke Flurstücke G3 und G4 von den Nutzern dieser Grundstücke (Fischereibetrieb bzw. Marina) genutzt. Eine vertragliche Grundlage für die Nutzung besteht nach den Angaben der Klägerin nicht. In diesem Bereich des Ufers befinden sich Bootsschuppen und Freiterrassen. Die Zufahrt erfolgt über die Anliegergrundstücke Flurstücke G3 bzw. G4. Ein vertragliche Absicherung der Zufahrt besteht nicht.

4

Der südlich daran anschließende Teil des Uferbereichs auf Höhe der Grundstücke Flurstücke G5 und G6 wird auf vertraglicher Grundlage von einem Angelsportverein genutzt, der dort sei ca. 100 Jahren eine Bootsschuppenanlage betreibt. Die Zuwegung erfolgt über das im Eigentum der Stadt Waren (Müritz) (künftig: Stadt) stehende Grundstück Flurstücke G5 und G6. Die Zuwegung ist durch einen schuldrechtlichen Vertrag zwischen dem Angelsportverein und der Stadt gesichert. Am 25.03.2008 bewilligte die Stadt ohne Mitwirkung der Klägerin die Eintragung eines Wegerechtes in Form einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zu Gunsten der Klägerin für die Grundstücke Flurstücke G5 und G6, die in der Folgezeit im Grundbuch von Waren – Blatt … – eingetragen wurde.

5

Für den weiter südlich gelegenen Teil der Uferbereichs auf Höhe der Grundstücke Flurstücke G7, G8, G9, G10 und G11 besteht ein Nutzungsvertrag mit der Stadt, die dort einen Uferwanderweg anlegen will.

6

In dem Zeitraum 1997 bis 2005 ließ die Stadt die Straße „Am Seeufer“ in allen vorhandenen Teileinrichtungen ausbauen. Die letzte Unternehmerrechnung ging im Jahre 2006 beim Beklagten ein. Für die Baumaßnahme wurden Fördermittel aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ in Verbindung mit Mitteln des „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ ausgereicht. Das Ergebnis der Verwendungsnachweisprüfung liegt dem Beklagten seit dem 11.07.2008 vor.

7

Mit Änderungsbescheid zum Vorausleistungsbescheid vom 19.11.2007 hatte der Beklagte die Klägerin für den zwischen den Knoten Papenbergstraße und Große Gasse verlaufenden Abschnitt der Straße „Am Seeufer“ zu einer Vorausleistung (100 v.H.) auf den Straßenausbaubeitrag (Teileinrichtung Fahrbahn) i.H.v. 43.998,31 EUR herangezogen. Unter dem 27.11.2007 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.11.2007 ein, der vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2009 zurückgewiesen wurde.

8

Am 05.03.2009 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Das Grundstück Flurstück 1/33 sei Bestandteil einer Bundeswasserstraße und damit nicht bevorteilt. Ungeachtet dessen sei es aus Sicht des abgerechneten Abschnitts der Straße „Am Seeufer“ ein nicht bevorteiltes Hinterliegergrundstück. Die Benutzung der Anlage sei ohne dingliche Sicherung der vorhandenen Zuwegungen nicht auf Dauer gewährleistet. Die beschränkt persönliche Dienstbarkeit sei mangels einer entsprechenden Einigung der Beteiligten nicht entstanden. Ihre Eintragung im Grundbuch sei daher fehlerhaft. Ein Notwegerecht bestehe ebenfalls nicht, weil die Klägerin zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Grundstücks nicht auf eine Straßenanbindung angewiesen sei. Bei dem Grundstück Flurstück G2 handele es sich nicht um ein gefangenes Hinterliegergrundstück, da es an das ebenfalls im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück Flurstück G12 angrenze. Auf diesem Grundstück (G.-Allee in W.) befinde sich die Außenstelle des Wasser- und Schifffahrtsamtes Lauenburg. Schließlich habe die Klägerin ein etwaiges Notwegerecht nicht geltend gemacht, so dass es an der für seine Entstehung erforderlichen Willenserklärung fehle.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Bescheid des Beklagten vom 19.11.2007 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 09.02.2009 aufzuheben.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er ist der Auffassung, die Heranziehung der Klägerin sei im Wesentlichen rechtmäßig. Das Grundstück der Klägerin sei von der abgerechneten Maßnahme bevorteilt, da zumindest die Zuwegung zur Straße „Am Seeufer“ über die Grundstücke Flurstücke G5 und G6 durch die beschränkt persönliche Grunddienstbarkeit dauerhaft gesichert sei. Deren Bestellung bedürfe nicht der Mitwirkung der Klägerin. Zudem sei der öffentliche Glaube des Grundbuchs zu berücksichtigen. Etwaige Fehler im Rahmen der Beitragsermittlung könnten im Rahmen des Erlasses des endgültigen Beitragsbescheides behoben werden.

14

Mit Beschluss vom 12.01.2012 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage ist auch begründet. Der streitgegenständliche Vorausleistungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO). Der Vorausleistungsbescheid verstößt gegen § 7 Abs. 4 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V), da die sachliche Beitragspflicht für die Baumaßnahme an der Straße „Am Seeufer“ vor Erlass des Widerspruchsbescheides entstanden war (1.). Ungeachtet dessen ist die Einbeziehung des Grundstücks der Klägerin in den Vorteilsausgleich fehlerhaft (2.).

17

1. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 KAG M-V können auf die künftige Beitragsschuld Vorausleistungen bis zur Höhe der voraussichtlichen Beitragsschuld verlangt werden, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist. Daraus folgt, dass die Vorausleistung nicht mehr verlangt werden darf, wenn die Beitragsschuld nicht mehr „künftig“, sondern „aktuell“ ist. „Aktuell“ ist die Beitragsschuld, sobald die sachliche Beitragspflicht entstanden ist. Von diesem Zeitpunkt an ist der Erlass eines Vorausleistungsbescheides unzulässig.

18

Vorliegend ist die sachliche Beitragspflicht mit dem Eingang des Ergebnisses der Verwendungsnachweisprüfung für die für die Baumaßnahme ausgereichten Fördermittel am 11.07.2008 entstanden. Ausweislich des Eingangsstempels lag der diesbezügliche Bescheid des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 08.07.2008 dem Beklagten seit diesem Zeitpunkt vor. Zwar entsteht die Beitragspflicht nach § 8 Abs. 5 erste Var. KAG M-V mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung. Das Merkmal „endgültige Herstellung“ wird in § 9 Satz 1 der Satzung der Stadt Waren (Müritz) über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 16.08.2000 (Straßenbaubeitragssatzung – SBS). Danach entsteht die Beitragspflicht mit dem Abschluss der Baumaßnahme, sobald die Kosten feststehen und der erforderliche Grunderwerb grundbuchrechtlich durchgeführt ist. Dies ist nach Satz 2 l.cit. frühestens der Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung. Allerdings führt das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht in allen Fällen zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht. Vielmehr gibt es nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern (vgl. nur OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 15.10.2008 - 1 L 104/05 - n.V.; Holz in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabenrecht, Stand Juli 2009, § 8 Anm. 1.7) über die in § 8 Abs. 5 KAG M-V unmittelbar bzw. ausdrücklich im Gesetz genannten Tatbestandsmerkmale hinausgehende - ungeschriebene - Tatbestandsmerkmale, die verwirklicht sein müssen, damit die sachliche Beitragspflicht. Bei der Gewährung von Zuwendungen, die - wie hier - auch den Beitragspflichtigen zu Gute kommen können, entsteht die sachliche Beitragspflicht erst, wenn der maßgebliche umlagefähige Aufwand bestimmt werden kann, also erst, wenn der Zuschussgeber mit dem Ergebnis der Verwendungsnachweisprüfung die endgültige Zuschusshöhe mitgeteilt hat. Dies ist vorliegend mit dem Bescheid vom 08.07.2008 erfolgt. Diesem Umstand trägt § 9 Satz 2 SBS mit der Wendung Rechnung, dass die Beitragspflichtfrühestens mit dem Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung entsteht. Damit ist die sachliche Beitragspflicht für die Baumaßnahme an der Straße „Am Seeufer“ am 11.07.2008 entstanden.

19

Der Vorausleistungsbescheid vom 19.11.2007 ist zwar vor diesem Zeitpunkt erlassen worden, der Widerspruchsbescheid datiert jedoch vom 09.02.2009 und ist nach der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erlassen worden. Er ist daher fehlerhaft. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Falle der Anfechtungsklage gegen einen beitragsrechtlichen Vorausleistungsbescheid der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (so OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.11.2010 – 9 S 29.10 – juris [zum Erschließungsbeitragsrecht] und VG Magdeburg, Beschl. v. 10.05.2010 – 9 B 435/09 – juris [zum Anschlussbeitragsrecht]). Der Auffassung, wonach maßgeblicher Zeitpunkt bereits der des Erlasses des Ausgangsbescheides ist (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2009, § 8, Rn. 133, 142), folgt das erkennende Gericht nicht (noch offen gelassen von VG Greifswald, Urt. v. 19.08.2011 – 3 A 309/09 – juris Rn. 23). Denn sie übersieht, dass Gegenstand der Anfechtungsklage nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Damit sind Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Vorauszahlungsbescheids bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids zu berücksichtigen.

20

Abweichendes folgt auch nicht aus § 7 Abs. 4 Satz 3 KAG M-V. Nach dieser Vorschrift ist die Vorausleistung mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht endgültig beitragspflichtig ist. Zwar betrifft die Bestimmung (nachträgliche) Veränderungen in der Person des Beitragspflichtigen, ohne danach zu differenzieren, ob die Veränderungen vor oder nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens eingetreten sind. Allerdings ist ihr Anwendungsbereich auf den Fall des Eigentümerwechsels bzw. den Wechsel des dinglich Berechtigten (§ 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 KAG M-V) beschränkt. Für die hier interessierende Fragestellung gibt die Bestimmung nichts her.

21

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten darf das Grundstück der Klägerin nicht als Hinterliegergrundstück in den Vorteilsausgleich einbezogen werden. Dies folgt aus § 4 Abs. 1 SBS. Danach bilden die Grundstücke das Abrechnungsgebiet, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung eröffnet wird. Dies trifft auf das Grundstück Flurstück 1/30 nicht zu.

22

Die Rechtfertigung, ein Grundstück zu einem Ausbaubeitrag zu veranlagen und es demgemäß bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes zu berücksichtigen, ergibt sich aus einer Sondervorteile vermittelnden, vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit. Vorteilsrelevant in diesem Sinne ist eine Inanspruchnahmemöglichkeit, die für bestimmte Grundstücke im Verhältnis zu allen anderen deshalb besonders vorteilhaft ist, weil aufgrund der räumlich engen Beziehung dieser Grundstücke zur ausgebauten Anlage erfahrungsgemäß angenommen werden kann, diese werde von ihnen aus in stärkerem Umfang in Anspruch genommen als von anderen Grundstücken, führe also für sie zu einer Steigerung ihres Gebrauchswerts, die für die anderen Grundstücke nicht in vergleichbarer Weise eintritt.

23

Dabei kann auch sog. Hinterliegergrundstücken eine vorteilsrelevante qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit vermittelt werden. Allerdings liegt eine Inanspruchnahmemöglichkeit - sofern Anlieger- und Hinterliegergrundstücke (wie hier) im Eigentum verschiedener Personen stehen - nur dann vor, wenn die Zuwegung über ein unmittelbar an der Straße gelegenes Grundstück voraussichtlich auf Dauer besteht (zum Erschließungsbeitragsrecht vgl. BVerwG, Urt. v.08.05.2002 - 9 C 5/01 - NVwZ-RR 2002, 770), denn bei dem beitragsrelevanten Vorteil handelt es sich um einen Dauervorteil. Daher ist es erforderlich, dass die Verbindung des Hinterliegergrundstücks zur betreffenden Straße rechtlich gesichert. Diese Sicherung kann regelmäßig durch eine Grunddienstbarkeit oder die Eintragung einer Baulast erfolgen. Weiter kann die erforderliche Absicherung der Zugangsmöglichkeit durch ein Notwegerecht im Sinne des § 917 BGB vermittelt werden (VG Greifswald, Urt. v. 16.09.2002 - 3 A 1621/01 - juris Rn. 15).

24

Vorliegend fehlt es an der erforderlichen Sicherung. Eine entsprechende Baulast existiert unstreitig nicht. Die im Grundbuch von Waren – Blatt 10041 – für das Grundstück Flurstücke G5 und G6 eingetragene beschränkt persönliche Dienstbarkeit (Wegerecht der Klägerin) ist unwirksam (a.). Ein Anspruch der Klägerin auf Einräumung einer Grunddienstbarkeit oder beschränkt persönlichen Dienstbarkeit an dem Grundstück Flurstücke G5 und G6 nach § 116 Abs. 1 Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) besteht ebenso wenig (b.) wie ein Notwegerecht nach § 917 BGB (c.).

25

a. Eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit i.S.d. § 1090 Abs. 1 BGB ist bereits deshalb nicht entstanden, weil es an der zu ihrer Entstehung erforderlichen (dinglichen) Einigung der Klägerin und der Stadt i.S.d. § 873 Abs. 1 BGB fehlt. Unstreitig hat die Klägerin an der Bewilligung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nicht mitgewirkt. Daher fehlt es an einer entsprechenden Willenserklärung der Klägerin. Eine einseitige Erklärung des Eigentümers reicht lediglich dann aus, wenn nur ein Eigentümerrecht – eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zu Gunsten des Eigentümers des belasteten Grundgrundstücks – begründet werden soll. So liegt der Fall hier aber nicht. Der Hinweis des Beklagten auf den „öffentlichen Glauben des Grundbuchs“ hilft ihm ebenfalls nicht weiter, denn die Richtigkeitsvermutung der Grundbucheintragung (§ 891 Abs. 1 BGB) ist vorliegend widerlegt.

26

b. § 116 Abs. 1 SachenRBerG bietet ebenfalls keine Anspruchsgrundlage, die eine dauerhafte Sicherung der Zuwegung zu dem klägerischen Grundstück bieten könnte. Dabei kann dahin stehen, ob das Sachenrechtsbereinigungsgesetz in Ansehung der Zuwegung zu der Bootsschuppenanlage überhaupt Anwendung findet, denn der Anspruch auf Einräumung einer Dienstbarkeit oder beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG würde nur dem Anglerverein, nicht aber der Klägerin zustehen. Die Entstehung der Vorteilslage für ein Hinterliegergrundstück setzt aber voraus, dass der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks die Zuwegung über ein unmittelbar an der Straße gelegenes Grundstück dauerhaft nutzen kann.

27

c. Schließlich steht der Klägerin weder gegen die Stadt noch einen anderen Eigentümer eines an die Straße „Am Seeufer“ gelegenen Grundstücks ein Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts zu. Nach § 917 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer den Zugang zu seinem Grundstück über ein fremdes Grundstück nur verlangen, wenn er zur ordnungsgemäßen unmittelbaren Nutzung seines Grundstücks hierauf angewiesen ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Klägerin trägt vor, dass sie zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Grundstücks nicht auf eine Anbindung zur Straße am Seeufer angewiesen ist. Sie ist Eigentümerin des Grundstücks G.- Allee in W. Dieses Grundstück verfügt über einen unmittelbaren Zugang zur Müritz.

28

Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin vertraglich eine Teilfläche der Binnenmüritz an einen Angelsportverein überlassen hat, der dort eine Bootsschuppenanlage unterhält. Dabei kann dahin stehen, ob eine ordnungsgemäße Verbindung unter heutigen Verhältnissen voraussetzt, dass diese Anlage mit Pkw erreichbar ist (für Bootshäuser bejaht vom OLG Rostock, Urt. v. 04.11.1999 – 7 U 361/98 – juris Rn. 7). Denn jedenfalls ist das Bestehen eines Notwegerechts über das Grundstück Flurstücke G5 und G6 entsprechend § 918 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Die Vorschrift bestimmt, dass die Verpflichtung zur Duldung des Notweges nicht eintritt, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird. Sie enthält nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den allgemeinen Rechtsgedanken, dass ein Notwegerecht nicht mit einem Zustand begründet werden kann, den der Eigentümer durch Maßnahmen auf seinem Grundstück erst herbeiführt (Urt. v. 05.05.2006 – V ZR 139/05 – juris Rn. 13 m.w.N.). Daher ist der Umstand, dass ein Nutzungsvertrag mit dem Angelsportverein besteht, von vornherein nicht geeignet, ein Notwegerecht zu begründen. Die vorstehenden Ausführungen geltend entsprechend für die Fläche, die von dem mit der Stadt geschlossenen Nutzungsvertrag erfasst wird. Mit den übrigen Nutzern des Areals (Fischereibetrieb, Betreiber der Marina) hat die Klägerin nach eigenem Bekunden keine ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarungen geschlossen.

29

3. Auf die Frage, ob die Teilflächen des Grundstücks Flurstück G2, für die der Beklagte die Vorausleistung erhoben hat, Bestandteile der Bundeswasserstraße Müritz (vgl. Nr. 35 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 und § 2 Abs. 2 Bundeswasserstraßengesetz – WaStrG) sind und damit von der wegerechtlichen Widmung in § 1 Abs. 1 Nr. WaStrG erfasst werden, kommt es entscheidungserheblich nicht mehr an.

30

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a VwGO) sind nicht ersichtlich.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.