Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 31. Jan. 2014 - 3 A 1640/12

bei uns veröffentlicht am31.01.2014

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um eine Vorausleistung auf einen Ausbaubeitrag.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in der Gemarkung Z.. Im Ortsteil Z. wird ein Bodenordnungsverfahren durchgeführt, das noch nicht abgeschlossen ist. Das Grundstück des Klägers soll nach den Planungen der Bodenordnungsbehörde die Flurstücke G1, G2 und G3 umfassen. Dieses Grundstück liegt an der Straße „K.“ im Ortsteil Z. an, die die Gemeinde A-Stadt im Jahre 2009 in einem ersten Bauabschnitt ausbaute. Am 12. August 2009 beschloss die Gemeindevertretung eine entsprechende Abschnittsbildung.

3

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2011 (Nummer 20110001) setzte die Amtsvorsteherin des Amtes Am Peenestrom gegen den Kläger eine Vorausleistung in Höhe von 1.251,07 Euro fest. Die Stadt Wolgast ist seit dem 1. Januar 2012 Rechtsnachfolgerin der Gemeinde A-Stadt. Auf den Widerspruch des Klägers hob der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2012 den Bescheid vom 20. Oktober 2012 auf, soweit darin eine Vorausleistung in Höhe von mehr als 1.220,06 Euro festgesetzt worden war und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Am selben Tag erging ein entsprechend geänderter Vorausleistungsbescheid.

4

Am 14. November 2012 hat der Kläger Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Ausbaubeitragsrecht sei nicht eröffnet, da die Maßnahme als Bestandteil des Bodenordnungsverfahrens A-Stadt im Auftrag der Teilnehmergemeinschaft durchgeführt worden sei. Zudem beruhe die veranlagte Fläche auf den Vorstellungen der Flurneuordnungsbehörde, die von ihm nicht geteilt würden. Jedenfalls seien die Flächen nicht bevorteilt. Eine Zufahrt auf die und eine Abfahrt von den landwirtschaftlichen Flächen mit landwirtschaftlichem Gerät würde zu einer Beschädigung des Straßenkörpers führen und sei nicht erlaubt. Deshalb seien am Straßenrand große Steine positioniert worden, um ein Überfahren zu verhindern.

5

Der Kläger beantragt,

6

den Bescheid der Amtsvorsteherin des Amtes Am Peenestrom vom 20. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides und des Änderungsbescheides vom 16. Oktober 2012 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide. Der Zuschnitt des künftigen Grundstücks im geänderten Vorausleistungsbescheid entspreche dem Verfahrensstand auf dem Ausschlusstermin der Flurneuordnungsbehörde. Für den Vorteil des Grundstücks sei es unerheblich, ob es vom ausgebauten Abschnitt der Anlage erreichbar sei. Maßgeblich sei dafür die Gesamtanlage. In einem weiteren Bauabschnitt werde eine Grundstückszufahrt geschaffen werden. Die Steine seien durch eine Anwohnerin im Einvernehmen mit dem Ortsteilvertreter verlegt worden, um die Seitenbereiche der Straße vor Überfahren zu schützen. Nötigenfalls werde der Beklagte die Entfernung der Steine veranlassen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

12

a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) dürfen Abgaben nur aufgrund einer Satzung erhoben werden. Rechtsgrundlage der Beitragserhebung sind die Satzungen der Stadt Wolgast über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für den Ausbau der Straße „Am Kamp“ im Ortsteil Z. vom 29. August 2012 (Ausbaubeitragssatzung Z.) und über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen in der Stadt Wolgast vom 21. November 2005 in der Fassung der Änderung vom 26. Juni 2006 (Ausbaubeitragssatzung Wolgast). Diese Satzungen bilden eine genügende Grundlage für die hier streitige Beitragserhebung.

13

Das Straßenbaubeitragsrecht unterliegt dem sogenannten Grundsatz der regionalen Teilbarkeit, das heißt, die Beitragssatzung muss nur für das jeweilige Abrechnungsgebiet eine vorteilsgerechte Beitragsermittlung gewährleisten können (OVG Greifswald, Beschl. v. 26. Februar 2004 – 1 M 242/03 -, juris). Auf die aus § 7 Abs. 2 Satz 4 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) folgende Unwirksamkeit von § 2 Satz 3 Ausbaubeitragssatzung Wolgast kommt es deshalb nicht an. Es ist aus den Abrechnungsunterlagen nicht zu erkennen, dass im Vorteilsgebiet ein Fall des selbstständigen Gebäudeeigentums vorliegt.

14

Soweit § 2 Ausbaubeitragssatzung Z. für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke im Außenbereich den Quadratwurzelmaßstab normiert, ist dagegen rechtlich nichts zu erinnern. Dieser Maßstab ist im Ausbaubeitragsrecht vorteilsgerecht und zulässig (Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand August 2011, § 8, Anm. 1.5.5).

15

b) Die Anwendung des Satzungsrechts auf den Einzelfall geschah rechtmäßig.

16

Das Ausbaubeitragsrecht ist eröffnet. Vorliegend wird der eigene Aufwand der Stadt Wolgast als Rechtsnachfolgerin der Gemeinde A-Stadt für Straßenbaumaßnahmen in der Straße „K.“ im Ortsteil Z. abgerechnet (§ 1 Abs. 1 Ausbaubeitragssatzung Z.). Ausweislich der vorliegenden Ausschreibungsunterlagen, Gemeinderatsbeschlüsse und Abrechnungen wurden die Bauleistungen durch die Gemeinde A-Stadt ausgeschrieben, beauftragt und bezahlt. Das Bodenordnungsverfahren dient dagegen nicht der Herstellung und Verbesserung von Infrastrukturanlagen, sondern der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse an Grundstücken, § 53 Abs. 1 Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG).

17

Das voraussichtliche künftige Grundstück des Klägers ist zu Recht in das Vorteilsgebiet einbezogen worden. Das Abrechnungsgebiet bilden gemäß § 6 Abs. 1 Ausbaubeitragssatzung Wolgast die Grundstücke, die von der abzurechnenden Anlage erschlossen werden, das heißt die Grundstücke, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung eröffnet wird. Der Umstand, dass der Kläger vom ausgebauten Abschnitt der Anlage aus auf sein Grundstück nicht mit landwirtschaftlichem Gerät herauffahren kann, führt nicht dazu, dass es aus dem Vorteilsausgleich auszuscheiden wäre. Dem Straßenausbaubeitragsrecht ist eine Koppelung zwischen der Qualität der Erreichbarkeit des Grundstücks und dessen baulicher Ausnutzbarkeit fremd. Im Rechtsbereich der Beitragserhebung für eine vorhandene, lediglich erneuerte oder verbesserte Ortsstraße reicht es zur Annahme eines auszugleichenden Sondervorteils aus, dass die Straße in qualifizierter Weise, nämlich vom eigenen Grundstück aus, in Anspruch genommen werden und das Grundstück in einer Weise genutzt werden kann, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, von der Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann. Auf die Frage, ob die ausgebaute Anlage das Grundstück im baurechtlichen Sinne erschließt, kommt es dagegen nicht an (VGH München, Urteil vom 30. Oktober 2007 – 6 BV 04.2189 –, juris; VG Greifswald, Beschluss vom 13. Januar 2010 – 3 B 1734/09 –, juris). Ausreichend für die Annahme eines Vorteils in diesem Sinne ist grundsätzlich die fußläufige Erreichbarkeit der betreffenden Straße von dem bevorteilten Grundstück aus, die nicht durch ein nicht ausräumbares tatsächliches oder rechtliches Hindernis ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Das Grundstück des Klägers reicht an die abgerechnete Einrichtung heran, ist also ein Anliegergrundstück. Es kann in beitragsrechtlich sinnvoller Weise landwirtschaftlich genutzt und von der ausgebauten Straße aus (fußläufig) erreicht werden. In der verbesserten Erreichbarkeit des Grundstücks liegt der abzuschöpfende Vorteil des Klägers. Auch eine landwirtschaftliche Nutzung beinhaltet nicht nur ein Befahren, sondern auch ein Betreten des Grundstücks.

18

Richtigerweise hat der Beklagte das Abrechnungsgebiet nur aus den Grundstücken gebildet, die vom ausgebauten Abschnitt der Gesamtanlage bevorteilt werden und dabei nur eine Teilfläche des (künftigen) klägerischen Grundstücks angerechnet. Das entspricht § 6 Abs. 2 Ausbaubeitragssatzung Wolgast. Da hier lediglich Vorausleistungen erhoben werden, deren Bezugspunkt der voraussichtliche Beitragsanspruch ist, bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, insoweit auf das künftige Grundstück abzustellen, soweit dieses – wie hier - schon genügend konkretisierbar ist (VG Greifswald, Beschluss vom 13. Juni 2012 – 3 B 328/12 –, juris; Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: Juli 2013, § 8, Anm. 1.7). Dem rechtskräftigen Ergebnis des Bodenordnungsverfahrens ist bei der endgültigen Beitragsfestsetzung zu entsprechen.

19

Wird eine einheitliche Verkehrsanlage im Sinne der natürlichen Betrachtungsweise durch eine Abschnittsbildung in mehrere gesondert abzurechnende Teilanlagen geteilt, so führt dies dazu, dass sich auch die Bildung des Abrechnungsgebietes nach den abgetrennten Teilanlagen richtet. In diesem Fall wird ein Grundstück, das an beide Abschnitte der Verkehrsanlage angrenzt, rechnerisch geteilt und nur mit der Teilfläche bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes berücksichtigt, die der Frontlänge an diesem Abschnitt im Verhältnis zur gesamten Frontlänge des Grundstücks entspricht (VG Greifswald, Beschluss vom 23. März 2007 – 3 B 121/07 –, juris). So ist hier verfahren worden. Der Beklagte hat die Länge des Grundstücks an der Gesamtanlage von 640,90 Metern in das Verhältnis zur den 47,40 Metern gesetzt, mit denen das Grundstück in der Frontlänge an den ausgebauten Abschnitt angrenzt und mit diesem Verhältnis die bevorteilte Teilfläche aus dem Gesamtgrundstück errechnet. Die so ermittelte Teilfläche von 14.824,61 Quadratmetern ist sodann gemäß § 2 Ausbaubeitragssatzung Z. gewichtet worden.

20

Gegen die Richtigkeit des ermittelten beitragsfähigen Aufwands macht die Klage nichts geltend. Dem Gericht drängen sich nach Durchsicht der Abrechnungsunterlagen insoweit auch keine Fehler auf. Der zugrunde gelegte Beitragssatz ergibt sich aus der Verteilung des Aufwands auf die gewichtete Vorteilsfläche (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Ausbaubeitragssatzung Wolgast).

21

Die Befugnis zur Festsetzung einer Vorausleistung auf die künftige Beitragsschuld ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 Ausbaubeitragssatzung Wolgast. Danach kann die Stadt Vorausleistungen in angemessener Höhe erheben, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist.

22

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß §§ 124, 124a VwGO bestehen nicht.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 13. Juni 2012 - 3 B 328/12

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Tenor 1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Vorausleistungsbescheid des Antragsgegners vom 20.10.2011 wird angeordnet. 2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 312,

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Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Antragstellern als Gesamtschuldnern auferlegt. 3. Der Streitwert beträgt ε 1.979,48. Gründe I. 1 Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einer Vo

Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 23. März 2007 - 3 B 121/07

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Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Antragstellern als Gesamtschuldnern auferlegt. 3. Der Streitwert beträgt EUR 2.506,19. Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Hera
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Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 12. Apr. 2017 - 3 A 409/14

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Tenor 1. Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Vorausleistungsbescheid des Beklagten vom 7. November 2013 – … – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 26. März 2014 insoweit aufgehoben, als die Festsetzung den Betrag von 3.32

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Antragstellern als Gesamtschuldnern auferlegt.

3. Der Streitwert beträgt ε 1.979,48.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks G1 in einer Größe von 3.553 m². Das Grundstück ist mit einem Hotel- und Gaststättengebäude und einem dazugehörigen Parkplatz bebaut. Es grenzt im Süden an die B 192 ("Chaussee"). Im Norden grenzt das Grundstück an die Straße " W.". Hierbei handelt es sich um eine Gemeindestraße, die von der Einmündung in die Straße " A.B." in südöstliche Richtung führt und an dem Grundstück der Antragsteller endet. Bei dem Bereich, an den die Straße " W." an das Grundstück angrenzt, handelt es sich um eine Art "Grundstückszipfel" oder "Pfeifenstiel": Unmittelbar an die Straße schließt sich eine Fläche von ca. 10 m² an, auf der ein oder zwei Pkw Platz finden. Danach verjüngt sich der Zipfel auf eine Breite von weniger als 2 m. Im Bereich eines in dem Grundstückszipfel gelegenen Kanalschachtes ist der begehbare Grundstücksstreifen weniger als 1 m breit. Dahinter führt eine Treppe hinauf zum Parkplatz. Eine Erreichbarkeit des Parkplatzes oder des Gaststättengebäudes mit Pkw ist von der Straße " W." aus nicht gegeben.

3

Im Jahre 2008 ließ die Gemeinde A-Stadt die Straße " W." ausbauen. Auf dem gemeindeeigenen Grundstück G2 wurde eine Ausweich- und Wendestelle von etwa 5 m Breite und 11 m Tiefe angelegt, die insbesondere Müllfahrzeugen ein gefahrloses Befahren der Straße ermöglichen soll. Die technische Fertigstellung der Baumaßnahme erfolgte im November 2008. Die Verwendungsnachweisprüfung in Ansehung der für die Baumaßnahme ausgereichten Fördermittel ist bisher noch nicht abgeschlossen.

4

Mit Bescheid vom 26.09.2008 zog der Antragsgegner die Antragsteller zu einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag (100 v.H.) i.H.v. ε 7.917,94 heran. Dabei stufte er das Grundstück als bebautes und gewerblich genutztes Außenbereichsgrundstück ein und legt der Beitragsermittlung 3.054,15 m² gewichtete Grundstücksfläche (Beitragseinheiten) zu Grunde. Den gegen den Vorausleistungsbescheid gerichteten Widerspruch der Antragsteller wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009 - zugestellt am 01.04.2009 - zurück und lehnte zugleich einen zuvor gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

5

Am 30.04.2009 haben die Antragsteller zum Az. 3 A 523/09 Anfechtungsklage erhoben - über die bisher nicht entschieden ist - und am 16.11.2009 um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht. Sie sind der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Straßenausbaubeitragssatzung sei fehlerhaft, da sie keine Regelung über die Einbeziehung gemeindeeigener Grundstücke in den Vorteilsausgleich enthalte. Die Aufwandsermittlung sei fehlerhaft. Im Fördermittelverfahren habe der Antragsgegner die Gesamtkosten auf ε 53.000,00 beziffert. Die Diskrepanz zu der dem Bescheid zu Grunde liegenden Kostenschätzung von ε 64.715,26 werde nicht erklärt. Die Kosten der gepflasterten Wendefläche seien in die Abrechnung einbezogen worden, obwohl diese Fläche nur durch den Eigentümer des dort betriebenen Friseurgeschäfts als Kundenparkplatz genutzt werde. Die Aufwandsverteilung sei ebenfalls zu beanstanden. Das Grundstück sei trotz des Angrenzens an die Straße " W." nicht bevorteilt, da eine Befahrbarkeit - insbesondere eine Erreichbarkeit des auf dem Grundstück befindlichen Parkplatzes - nicht gegeben sei. Eine Befahrbarkeit sei jedoch wegen der gewerblichen Nutzung des Grundstücks zur Begründung einer Vorteilslage erforderlich. Die Fläche des antragstellerischen Grundstücks sei unzutreffend berücksichtigt worden. Die Eckgrundstücksregelung sei fehlerhaft angewandt worden. Die Fläche der beiden Eckgrundstücke seien jeweils zur Hälfte angesetzt worden. Den Ausfall hätten die Beitragspflichtigen zu tragen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Antragsteller der Gemeinde A-Stadt durch Gestattungsvertrag vom 11.08.2008 die unentgeltliche Nutzung einer Teilfläche ihres Grundstücks zu Verlegung einer Entwässerungsleitung erlaubt hätten. Diese Belastung hätte im Rahmen der Beitragsermittlung berücksichtigt werden müssen.

6

Die Antragsteller beantragen,

7

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26.09.2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009 anzuordnen.

8

Der Antragsgegner verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

9

den Antrag abzulehnen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Kammer haben bei der Entscheidung die beim Antragsgegner entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

II.

11

Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegeben, da der Antragsgegner den Antrag der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung im Widerspruchsbescheid abgelehnt hat.

12

In der Sache hat der Antrag jedoch keinen Erfolg; er ist unbegründet. Einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gewährt das Gericht entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Letzteres wird von den Antragstellern weder geltend gemacht, noch drängen sich nach Aktenlage Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unbilligen Härte auf.

13

Es bestehen aufgrund der im Eilverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenausbaubeitragssatzung - SABS) vom 12.12.2006.

14

1. Die Satzung ist nach derzeitiger Erkenntnis wirksam. Entgegen der Auffassung der Antragsteller erfasst die Satzung auch gemeindeeigene Grundstücke. Die Annahme eines Verstoßes gegen das Vorteilsprinzip oder den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit (Art. 3 Grundgesetz - GG) scheidet damit von vornherein aus. Nach § 4 Abs. 1 SABS bilden die Grundstücke das Abrechnungsgebiet, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung eröffnet wird. Die Bestimmung stellt für die Einbeziehung in den Vorteilsausgleich allein auf die räumlich enge Beziehung zur (ausgebauten) Straße ab. Die Eigentumslage ist demgegenüber irrelevant. Damit werden auch bevorteilte Grundstücke erfasst, die sich im Gemeindeeigentum befinden. Unschädlich ist, dass für bevorteilte gemeindeeigene Grundstücke keine Beitragsbescheide ergehen, weil eine Gemeinde nicht ihr eigener Schuldner sein kann (Konfusionsgedanke). Denn maßgeblich ist, dass mit der Einbeziehung der gemeindeeigenen Grundstücke in das Abrechnungsgebiet nach § 4 Abs. 1 SABS die Anzahl der Beitragseinheiten um die auf die gemeindeeigenen Grundstücke entfallenden Beitragseinheiten steigt und der rechnerische Beitragssatz daher entsprechend sinkt. Damit erleidet die Gemeinde für ihre Grundstücke einen "Beitragsausfall" genau in der Höhe, in der sich bei einer Selbstveranlagung auch eine Beitragsschuld ergeben würde.

15

Entgegen der Auffassung der Antragsteller führt die Eckgrundstücksregelung des § 7 SABS nicht zu einer (unzulässigen) Mehrbelastung der übrigen Beitragsschuldner, weil nach § 7 Satz 2 SABS die Gemeinde den Beitragsausfall zu tragen hat. Die in Satz 1 l.cit. normierte Flächenreduzierung findet daher nicht bereits in der so genannten Verteilungsphase, sondern erst in der so genannten Heranziehungsphase statt. Dies ist unter Vorteilsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Ob die mit der Anzahl der an das Grundstück angrenzenden Straßen korrespondierende Flächenreduzierung mit dem Vorteilsprinzip vereinbar ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, denn die u.U. eintretende Nichtigkeitsfolge würde sich auf die Bestimmung des § 7 SABS beschränken (Teilnichtigkeit, vgl. § 139 BGB). Vergünstigungsregeln für mehrfach erschlossene Grundstücke gehören weder zum notwendigen Mindestinhalt einer Straßenausbaubeitragssatzung (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V), noch zwingt das Vorteilsprinzip zu ihrer Normierung.

16

2. Die Rechtsanwendung durch den Antragsgegner ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dies gilt zunächst für die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes. Dass es sich bei der abgerechneten Baumaßnahme um eine beitragsfähige Maßnahme i.S.d. § 1 Satz 1 SABS handelt, wird von den Antragstellern nicht grundsätzlich in Abrede gestellt. Soweit sie meinen, die Kosten der auf dem Grundstück Flurstück 65 angelegten Ausweich- und Wendestelle seien nicht umlagefähig, kann dem nicht gefolgt werden. Denn hierbei handelt es sich um einen Bestandteil der nach § 1 Satz 1 SABS beitragsfähigen öffentlichen Straße. Eine straßenrechtliche Widmung der Wendestelle dürfte nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Straßen- und Wegegesetz (StrWG M-V) entbehrlich sein, weil sich das Grundstück Flurstück 65 im Eigentum der Gemeinde A-Stadt befindet und diese Trägerin der Straßenbaulast für den " W." ist. Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn man dem nicht folgt und eine Widmung für erforderlich hält. Zwar ist die Wendestelle in diesem Fall mangels Widmung nicht Bestandteil der öffentlichen Straße und wird damit von § 1 Satz 1 SABSgegenwärtig nicht erfasst. Es darf aber nicht verkannt werden, dass Streitgegenstand die Erhebung einer Vorausleistung nach § 9 SABS ist. Eine Vorausleistung ist ihrem Wesen nach ein Vorschuss auf den Ausgleich eines später mit der Herstellung einer beitragsfähigen Anlage vermittelten Sondervorteils. Daher setzt die Erhebung einer Vorausleistung nicht das Vorliegen eines voll ausgeprägten Sondervorteils voraus. Erforderlich ist lediglich, dass der Sondervorteil zukünftig so entstehen kann, wie vom Antragsgegner bei der Erhebung der Vorausleistung angenommen (VG Greifswald, Urt. v. 21.09.2004 - 3 A 1177/03, S. 16 des Entscheidungsumdrucks). Dies trifft auf die Beitragsfähigkeit des Aufwandes für die Ausweich- und Wendestelle zu, denn die betreffende Grundstücksfläche kann von der Gemeinde jederzeit straßenrechtlich gewidmet und so zum Bestandteil der öffentlichen Verkehrsanlage " W." gemacht werden, da die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 zweite Var. StrWG M-V vorliegen.

17

Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Grundsatz der kostenbezogenen Erforderlichkeit liegen ebenfalls nicht vor. Insbesondere folgt aus den Angaben des Zuwendungsbescheides vom 25.06.2008 nicht Gegenteiliges. Zwar trifft es zu, dass darin die Kosten der Baumaßnahme auf lediglich ε 53.700,00 und nicht, wie in der Beitragskalkulation, auf ε 64.715,26 beziffert werden. Dies erlaubt jedoch keinen Rückschluss auf eine Verstoß gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz. Denn es darf nicht verkannt werden, dass in dem Zuwendungsbescheid nicht die beitragsfähigen, sondern die zuwendungsfähigen Kosten dargestellt werden. Beide Kostendefinitionen stammen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten und und sind daher nicht identisch. Die Kostenangabe in dem Zuwendungsbescheid erlaubt keinen Rückschluss auf die Gesamtkosten, da sie ersichtlich nur dazu dient, darzustellen, dass die maximale Fördersumme (65 v.H. der tatsächlichen Ausgaben, maximal ε 34.905,00) bewilligt werden konnte.

18

Die Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes ist ebenfalls frei von Fehlern. Insbesondere wird das antragstellerische Grundstück zu Recht in den Vorteilsausgleich einbezogen, da es an die Straße " W." angrenzt und ihm daher eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung i.S.d. § 4 Abs. 1 SABS eröffnet wird. Unstreitig ist das gesamte Grundstück von der Straße aus fußläufig erreichbar. Zwar ist es mit Ausnahme einer kleinen Teilfläche nicht von der ausgebauten Straße aus befahrbar. Dies steht der Begründung eines beitragsrelevanten Vorteils jedoch nicht entgegen.

19

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Den durch Erhebung eines Beitrags auszugleichenden Sondervorteil, eine Straße vom eigenen Grundstück aus und nicht nur als Teilnehmer am allgemeinen Verkehr in Anspruch nehmen zu können, von der Art der Erreichbarkeit dieses Grundstücks abhängig zu machen, ist ein Gedanke des Erschließungsbeitragsrechts. Er folgt aus der engen Verbindung dieses Rechtsbereichs mit dem Bebauungsrecht. Die nach Erschließungsbeitragsrecht abzurechnende erstmalige Herstellung von Anbaustraßen hat zum Ziel, die an der Straße liegenden Grundstücke hinsichtlich der verkehrsmäßigen Anbindung bebaubar oder in beitragsrechtlich vergleichbarer Weise nutzbar zu machen (§ 129 Abs. 1 Satz 1, § 133 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Baugesetzbuch - BauGB). Dementsprechend hängt die Antwort auf die Frage, ob ein Grundstück erschlossen ist, wesentlich von dessen bebauungsrechtlichem Erschlossensein ab (BVerwG, Urt. v. 01.03.1991 - 8 C 59/89, BVerwGE 88, 70). Sie ist zu bejahen, wenn die Straße dem Grundstück diejenige wegemäßige Verbindung verschafft, die für die planungsrechtlich festgesetzte oder sonst zulässige bauliche oder gewerbliche Nutzung erforderlich ist (BVerwG, Urt. v. 04.06.1993 - 8 C 33/91, BVerwGE 92, 304). Durch den Erschließungsbeitrag wird demnach der Vorteil aus derjenigen "Möglichkeit der Inanspruchnahme" der Anbaustraße abgegolten, der mit der Rechtsfolge verbunden ist, dass eine Baugenehmigung nicht mehr unter Hinweis auf die fehlende Verkehrserschließung abgelehnt werden darf. Die aus dem Bebauungsrecht hergeleitete Vorgabe, von der abgerechneten Straße auf das Grundstück herauffahren zu können, ist allerdings allein als Regel für Grundstücke in planerisch festgesetzten Gewerbe- oder Industriegebieten anerkannt (BVerwG, Urt. v. 03.11.1987 - 8 C 77/86, BVerwGE 78, 237). Schon in gemischt genutzten Gebieten genügt es für das Entstehen von Erschließungsbeitragspflichten, an das Grundstück heranzufahren, auf der Straße also auf die Höhe des Grundstücks zu fahren und es von dort aus betreten zu können (zum Ganzen: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Auflage 2007, § 17 Rn. 67). Dabei kommt es nicht darauf an, wie das Grundstück tatsächlich genutzt wird (BVerwG, Urt. v. 27.09.2006 - 9 C 4/05, BVerwGE 126, 378), weil es ausschließlich auf seine abstrakte Bebaubarkeit ankommt.

20

Vor diesem Hintergrund ist das Grundstück der Antragsteller in den Vorteilsausgleich einzubeziehen. Es liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes und kann damit nicht als Gewerbe- oder Industriegebiet ausgewiesen sein. Daher stellt sich die Frage einer Übertragbarkeit der vorgenannten Erwägungen auf den Bereich des Straßenausbaubeitragsrechts bereits aus diesem Grunde nicht. Ausschlaggebend kommt hinzu, dass das Straßenausbaubeitragsrecht, wie § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V zeigt, nicht auf die von der Einrichtung vermittelten baurechtlichen Erschließung, sondern allein an die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung anknüpft. Eine Koppelung zwischen der Qualität der Erreichbarkeit des Grundstücks und dessen baulicher Ausnutzbarkeit ist dem Straßenausbaubeitragsrecht fremd. Daher reicht es im Rechtsbereich der Beitragserhebung für eine vorhandene, lediglich erneuerte oder verbesserte Gemeindestraße zur Annahme eines auszugleichenden Sondervorteils aus, dass die Straße in qualifizierter Weise, nämlich vom eigenen Grundstück aus, in Anspruch genommen werden und das Grundstück in einer Weise genutzt werden kann, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, von der Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 30.10.2007 - 6 BV 04.2189, Juris Rn. 20). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Wie bereits erwähnt, reicht das antragstellerische Grundstück bis unmittelbar an die abgerechnete Einrichtung heran, ist also ein Anliegergrundstück, und kann in beitragsrechtlich sinnvoller Weise gewerblich genutzt werden.

21

Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn man den vorstehenden Ausführungen nicht folgt und mit dem OVG Lüneburg der Auffassung ist, dass bei gewerblich sowie industriell nutzbaren Grundstücken im Verhältnis zu Wohngrundstücken gesteigerte Anforderungen an die Erreichbarkeit zu stellen sind (Beschl. v. 25.01.2007 - 9 LA 201/05, Juris Rn. 8 m.w.N.). Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese Rechtsprechung Fallkonstellationen betrifft, in denen ein Bebauungsplan eine industrielle, gewerbliche oder vergleichbare Nutzung festsetzt. Hieran fehlt es vorliegend, so dass eine Übertragung dieser Erwägungen auf den vorliegenden Fall bereits aus diesem Grunde ausscheidet. Hinzu kommt, dass das OVG Lüneburg darauf abstellt, ob die festgesetzte Nutzung bestimmungsgemäß eine Befahrbarkeit des Grundstücks erfordert. Dies trifft auf Grundstücke, die mit Hotels oder Gaststätten bebaut sind, keineswegs zu. Denn insbesondere in Gebieten mit verdichteter Bebauung ist es üblich, dass lediglich ein nahegelegener Parkplatz angefahren wird und auf das eigentliche Betriebsgrundstück nicht heraufgefahren werden kann.

22

Entgegen der Auffassung der Antragsteller wurde die Eckgrundstücksregelung des § 7 Satz 2 SABS bei der Ermittlung der Anzahl der Beitragseinheiten ordnungsgemäß berücksichtigt. Die beiden hiervon betroffenen Grundstücke Flurstücke 65 und 62/5 werden in der Spalte "Beitragsfläche" (BA I, Bl. 32) zwar nur mit der halben Fläche, dafür aber jeweils in zwei Zeilen und damit doppelt erfasst. Eine Reduzierung der Anzahl der Beitragseinheiten zu Lasten der übrigen Beitragspflichtigen ist damit ausgeschlossen.

23

Die rechnerische Ermittlung der auf das antragstellerische Grundstück entfallenden Beitragseinheiten ist ebenfalls frei von Fehlern. Die Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 4 SABS ist ordnungsgemäß angewandt worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheides (S. 3) Bezug genommen.

24

Schließlich unterliegt auch die Heranziehung der Antragsteller keinen Bedenken. Eine Vorausleistung darf erhoben werden, weil wegen der noch nicht abgeschlossenen Prüfung der Verwendungsnachweise für die ausgereichten Fördermittel die umlagefähigen Kosten derzeit nicht feststehen und die sachliche Beitragspflicht daher noch nicht entstanden ist (§ 11 Satz 1 SABS).

25

Die Eckgrundstückregelung des § 7 Satz 1 SABS kann in Ansehung der Antragsteller keine Anwendung finden. Zwar grenzt ihr Grundstück nicht nur an die Straße " W.", sondern auch an die "Chaussee" an. Hierbei handelt es sich aber um eine Bundesstraße, die zumindest in Ansehung der Fahrbahn in der Straßenbaulast des Bundes und damit nicht "voll" in der Straßenbaulast der Gemeinde steht.

26

Soweit die Antragsteller meinen, der Gestattungsvertrag vom 11.08.2008 stehe der Erhebung der Vorausleistung entgegen, fehlt es bereits an einer hinreichenden Darlegung. Sollten sie der Auffassung sein, dass dem Gestattungsvertrag mit der Erhebung der Vorausleistung die Geschäftsgrundlage entzogen sei und sie Nutzungsentgelte verlangen könnten, kann daraus kein Einwand abgeleitet werden. Denn abgesehen davon, dass die Höhe des Nutzungsentgeltes völlig offen ist, sei darauf hingewiesen, dass eine Aufrechnung mit Gegenforderungen vorliegend gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 226 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) ausgeschlossen ist. Entsprechendes gilt in Ansehung der vom Bürgermeister der Gemeinde A-Stadt ausweislich des Protokolls vom 17.09.2009 zugesagten finanziellen Entschädigung für die Einräumung des Nutzungsrechts. Der Bürgermeister hat nach dem Protokoll darauf hingewiesen, dass eine Entschädigung erst nach einer "Wertung des Grundstücks" in Betracht komme. Von einem unstreitigen Entschädigungsanspruch kann daher derzeit keine Rede sein.

27

Die Erhebung einer Vorausleistung i.H.v. 100 v.H. der voraussichtlichen Beitragsschuld ist schließlich nicht unverhältnismäßig. § 9 Satz 1 SABS gibt insoweit keine Obergrenze vor. Maßgebend ist, dass die Baumaßnahme technisch abgeschlossen ist und die verbesserte Anlage von den Anliegern bereits jetzt genutzt werden kann.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf den §§ 52, 53 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei der Betrag der festgesetzten Abgabe für das Eilverfahren zu vierteln ist.

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Vorausleistungsbescheid des Antragsgegners vom 20.10.2011 wird angeordnet.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 312,77 Euro festgesetzt.

Gründe

1

1. Der Antrag des Antragstellers,

2

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Vorausleistungsbescheid (Nummer 20110001) des Antragsgegners vom 20.10.2011 anzuordnen,

3

hat Erfolg.

4

a) Der Antrag ist zulässig. Der Vorausleistungsbescheid vom 20.10.2011 ist als Abgabenbescheid kraft Gesetzes sofort vollziehbar, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Gericht kann deshalb gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anordnen. Die Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist erfüllt, da der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Schreiben vom 24.11.2011 abgelehnt hat.

5

b) Der Antrag ist auch begründet. Das Gericht ordnet die aufschiebende Wirkung in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO an, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des in der Hauptsache mit Widerspruch angefochtenen Vorausleistungsbescheides vom 20.11.2011.

6

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) dürfen Abgaben nur aufgrund einer Satzung erhoben werden. Vorliegend wird die Beitragserhebung auf die Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für den Ausbau der Straße „Zum Kamp“ im OT Zarnitz vom 01.09.2010 (Ausbaubeitragssatzung Zarnitz) gestützt. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Wirksamkeit dieser Satzung.

7

Die Ausbaubeitragssatzung Zarnitz ordnet in § 2 für unbebaute und nicht gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke im Außenbereich als Beitragsmaßstab einen Quadratwurzelmaßstab an. Die Kammer kann für diese Entscheidung offenlassen, ob dieser Maßstab im Ausbaubeitragsrecht vorteilsgerecht und zulässig ist (zustimmend Holz, in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand August 2011, § 8, Anm. 1.5.5). Es bestehen aber ernstliche Zweifel daran, dass ein Satzungsgeber für ein und dieselbe Anlage unterschiedliche Beitragsmaßstäbe definieren kann. Das ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) nicht zu vereinbaren. So liegt es aber hier. Die Ausbaubeitragssatzung Zarnitz betrifft nur den durch Beschluss der Gemeindevertretung vom 12.08.2009 gebildeten Abschnitt der Dorfstraße Zarnitz. Die anderen Abschnitte der (einheitlichen) Anlage unterliegen der Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 23.08.2002 (Ausbaubeitragssatzung A-Stadt). Dort ist für die genannten Außenbereichsgrundstücke in § 5 Abs. 2 Nr. 4 Satz 4 eine Bemessung der Grundstücksfläche mit dem Faktor 0,05 geregelt. Die Ausbaubeitragssatzungen Zarnitz und A-Stadt führen also dazu, dass unbebaute Grundstücke im Außenbereich verschiedenen Beitragsmaßstäben unterliegen, wenn sie von verschiedenen Abschnitten der Anlage bevorteilt werden. Im vorliegenden Falle haben diese Regelungen sogar zum Ergebnis, dass das (künftige) Grundstück des Antragstellers, dass an zwei Abschnitten der Anlage anliegt, mit der jeweiligen Teilfläche mit einem unterschiedlichen Maßstab in das Vorteilsgebiet einbezogen wird. Das ist unzulässig.

8

Hiergegen kann nicht durchgreifend eingewandt werden, dass die einheitliche Anlage in rechtmäßiger Weise in unterschiedliche Abrechnungsabschnitte aufgeteilt wurde. Denn die Abschnittsbildung führt nicht dazu, dass die Anlage im beitragsrechtlichen Sinne aufgelöst wird. Die Zulässigkeit einer Abschnittsbildung findet im Willkürverbot eine bundesrechtliche Schranke. Dieses gebietet einen Vergleich der entstehenden Abschnitte nach Vorteilssituation und Aufwand (BVerwG, Urt. v. 07.06.1996 - 8 C 30/94, zit. n. juris zum Erschließungsbeitragsrecht; Holz, in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand August 2011, § 8, Anm. 1.1.3.3). In diesem Sinne bleiben die einzelnen Abschnitte der einheitlichen Anlage auch noch nach der Abschnittsbildung aufeinander bezogen. Die Maßstabsregel muss deshalb für eine vorteilsgerechte Beitragsbemessung für sämtliche von der Anlage bevorteilten Grundstücke sorgen. Es spricht vieles dafür, dass mit diesem Grundsatz eine Maßnahmesatzung nicht vereinbar ist, die für einen Abschnitt einer Anlage eine abweichende Maßstabsregel bestimmt.

9

Die Kammer musste in diesem Verfahren nicht prüfen, ob sich der im Streit stehende Vorausleistungsbescheid im Falle der Nichtigkeit der Ausbaubeitragssatzung Zarnitz auf die Ausbaubeitragssatzung A-Stadt stützen lässt. Das Eilverfahren hat summarischen Charakter, es hat nicht die Aufgabe, tatsächliche Fragen abschließend zu klären. Im Eilverfahren besteht keine Pflicht zur Spruchreifmachung (VG Greifswald, Beschl. v. 15.01.2009 – 3 B 1981/08, n.v.). Für die Annahme ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes reichen Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung aus, auf die der Antragsgegner seinen Bescheid gestützt hat.

10

Auf die Einwände des Antragstellers kommt es nach alledem nicht mehr an. Zur Vermeidung weiteren Rechtstreits wird aber darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die Erhebung von Vorausleistungen auf den künftigen Ausbaubeitrag hier dem Grunde nach vorliegen. Zwar verlieren die im Verfahrensgebiet gelegenen Buchgrundstücke durch das Bodenordnungsverfahren nicht ihre rechtliche Existenz, jedoch wird die Dauerhaftigkeit ihres Bestandes und damit ihrer Größe rechtserheblich in Frage gestellt. Es handelt sich gleichsam um „sterbende Grundstücke“. Die sachliche Beitragspflicht entsteht daher in diesen Fällen erst, wenn der neue Rechtszustand an die Stelle des bisherigen getreten ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 09.06.2010 - 9 ME 223/09, zit. n. juris, zu einem Flurbereinigungsverfahren; VG Greifswald, Urt. v. 24.06.2011 – 3 A 523/10, n.v., zu einem Bodenordnungsverfahren; Holz, in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand August 2011, § 8, Anm. 1.7). Denn auch das Bodenordnungsverfahren ist auf eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse angelegt (§§ 53, 56 Landwirtschaftsanpassungsgesetz - LwAnpG). Bis zu dessen Abschluss können deshalb keine Ausbaubeiträge, sondern nur Vorausleistungen erhoben werden. Da Bezugspunkt der Vorausleistungen der voraussichtliche Beitragsanspruch ist, hat die Kammer keine durchgreifenden Bedenken daran, die Vorausleistung auf das künftige Grundstück zu beziehen, soweit dieses schon konkretisierbar ist.

11

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Den Streitwert hat die Kammer mit einem Viertel des Hauptsachewertes angenommen.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Antragstellern als Gesamtschuldnern auferlegt.

3. Der Streitwert beträgt EUR 2.506,19.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Straßenbaubeitrag.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks G1, in einer Größe von 707 m². Das Grundstück grenzt an die S. Straße. Die S. Straße ist eine Gemeindestraße, die von der Einmündung in die R. Straße in östliche Richtung führt. Auf Höhe der Einmündung der N. Straße wechselt die Straßenbezeichnung in "N. Straße". Die Verkehrsanlage endet an der Einmündung in die D. Straße.

3

Das Grundstück der Antragsteller liegt südlich der S. Straße gegenüber der Einmündung der M. Straße. Auf Höhe der Einmündung der N. Straße kreuzt die Gebietsgrenze der Satzung der Stadt Bergen/Rügen über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets "Innenstadt" vom 20.05.1992 die S. Straße und führt dann entlang der nördlichen Straßengrenze zum Grundstück G2 in westliche Richtung. Zwischen den Grundstücken G3 und G4 knickt der Grenzverlauf ab und führt in nördliche Richtung.

4

Im Jahre 2003 ließ die Stadt Bergen auf Rügen die S. Straße in dem Bereich zwischen den Einmündungen der M. Straße und der N. Straße ausbauen. Die Baumaßnahme betraf auch die auf dem Straßengrundstück befindliche Feldsteinmauer. Diese verläuft auf der nördlichen Straßenseite zwischen den genannten Straßeneinmündungen in einer Höhe von ca. 1,5 m. Sie war in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts angelegt worden. Nach dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Stellungnahme des Dipl.-Ing. M. vom 03.07.2002 handelte es sich "nicht um eine Stützwand mit entsprechender Standsicherheit, sondern um die Natursteinverblendung einer bestehenden Böschung, die offensichtlich nach Herstellung des Geländeprofils gegen den stehenden Boden" gemauert worden war.

5

Im Rahmen der abgerechneten Baumaßnahme wurde die Feldsteinmauer abgetragen und durch eine Stützwand aus Betonformsteinen auf einem entsprechenden Fundament ersetzt. Die Fahrbahn erhielt einen den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Untergrund und wurde mit eine Großsteinpflaster in einer Breite von 4,75 m angelegt. Im Rahmen der abgerechneten Baumaßnahme wurde die im Mischsystem vorhandene Straßenentwässerung durch eine solche im Trennsystem ersetzt. Des weiteren betraf die Baumaßnahme die Straßenbeleuchtung und den einseitigen Gehweg.

6

Am 13.12.2006 fasste die Stadtvertretung der Stadt Bergen den Beschluss über die Erhebung von Ausbaubeiträgen in der S. Straße zwischen der Kreuzung N. Straße (Sanierungsgrenze) und der Kreuzung M. Straße. In der Begründung der Beschlussvorlage ist ausgeführt, dass die Abschnittsbildung zur Erhöhung der Rechtssicherheit notwendig sei.

7

Bereits mit Bescheid vom 20.11.2006 hatte die Antragsgegnerin die Antragsteller zu einem Straßenbaubeitrag i.H.v. EUR 10.024,77 herangezogen und dabei die S. Straße als Anliegerstraße eingestuft. Der sich rechnerisch ergebende Beitrag von EUR 15.037,15 war mit Blick auf die Mehrfacherschließung des Grundstücks nur zu 2/3 erhoben worden. Am 04.12.2006 legten die Antragsteller Widerspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Unter dem 08.12.2006 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

8

Am 26.01.2007 haben die Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie sind der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes sei fehlerhaft. Die Kosten der Stützmauer seien nicht berücksichtigungsfähig, weil es sich insoweit um eine nicht beitragsfähige Erhaltungsmaßnahme handele. Zudem sei die Bauausführung mangelhaft, da Regenwasser über und durch die Mauer auf die Straße laufe. Auch die Kosten des Regenwasserkanals seien nicht beitragsfähig. Eine Straßenentwässerung sei bereits vor der Durchführung der Maßnahme vorhanden gewesen. Zu beanstanden sei auch die Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes. Dies betreffe zunächst die Bemessung des Öffentlichkeitsanteils. Die S. Straße sei als Innerortsstraße einzustufen. Sie verbinde die R. Straße mit der D. Straße und nehme den Durchgangsverkehr aus der Schulstraße von der Sparkasse und dem Amtsgericht zur R. Straße auf. In der N. Straße befinde sich ein Parkhaus, dessen Verkehr ebenfalls über die S. Straße fließe. Des weiteren befinde sich in der Nähe der S. Straße das Katasteramt und die Polizeiinspektion. Es sei auch unerheblich, dass die Fahrbahnbreite der S. Straße für eine Innerortsstraße nicht ausreiche, den de facto werde die Straße so genutzt. Ein Lkw-Begegnungsverkehr finde statt. Die Fahrzeuge würden dann den Gehweg befahren. Auch das Abrechnungsgebiet sei nicht ordnungsgemäß gebildet worden.

9

Die Antragsteller beantragen,

10

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 20.11.2006 - 08.00964.0 - anzuordnen.

11

Die Antragsgegnerin beantragt,

12

den Antrag abzulehnen.

13

Sie hält den Beitragsbescheid für rechtmäßig und führt dies näher aus.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten - insbesondere der Beschreibung der Verkehrsfunktion der S. Straße durch die Antragsteller - wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die bei der Antragsgegnerin entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

15

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gewährt das Gericht entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Beides trifft vorliegend nicht zu.

16

1. So bestehen aufgrund der im Eilverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung der Stadt Bergen auf Rügen über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Ausbaubeitragssatzung - ABS) vom 22.03.2001. Die Satzung ist nach derzeitiger Erkenntnis wirksam. Da von den Antragstellerin insoweit keine Einwände geltend gemacht werden, sieht die Kammer von weiteren Darlegungen ab.

17

Auch die Rechtsanwendung durch die Antragsgegnerin ist im Prüfungsumfang des Eilverfahrens nicht zu beanstanden. So ist die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes frei von Fehlern. Bei den abgerechneten Maßnahmen handelt es sich um betragsfähige Maßnahmen i.S.d. § 1 ABS, wonach zur teilweisen Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Aus- und Umbau, die Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, auch wenn sie nicht zum Anbau bestimmt sind, von den Beitragspflichtigen des § 2 Beiträge erhoben werden. Die Maßnahmen sind unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung beitragsfähig. Eine Verbesserung liegt vor, wenn sich der Zustand der Anlage nach dem Ausbau in irgendeiner Hinsicht von ihrem ursprünglichen Zustand in einer Weise unterscheidet, die positiven Einfluss auf die Benutzbarkeit hat (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage 2004, § 32 Rn. 29 m.w.N.). Dabei kommt es allein auf die Verbesserung der Anlage als solcher an, so dass es unerheblich ist, ob die Anlieger den geschaffenen Zustand, der objektiv eine Verbesserung darstellt, subjektiv auch als solche erkennen.

18

Gemessen an diesen Kriterien liegt in Ansehung der flächenmäßigen Teileinrichtungen (Fahrbahn, Gehweg) eine Verbesserung i.S.d. § 1 ABS bereits deshalb vor, weil sie einen den anerkannten Regeln der Technik hergestellten Unterbau (Tragschicht, Frostschutzschicht etc.) erhalten haben. Dadurch erhöht sich ihre Benutzungssicherheit, denn dem Auftreten von Frostaufbrüchen und Absenkungen wird entgegengewirkt.

19

Entgegen der Auffassung der Antragsteller führt auch die Anlegung der Straßenentwässerung zu einer beitragsfähigen Verbesserung. Die Straßenentwässerung wurde vom Misch- auf das Trennsystem ungestellt. Darin liegt eine Verbesserung, weil durch die Trennung der Entwässerungssysteme für Niederschlags- und Schmutzwasser Störungen der Straßenentwässerung ausgeschlossen werden, die ihre Ursache im Bereich der Schmutzwasserableitung haben, so dass sich auch dadurch die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs erhöht.

20

In der Anlegung der Stützmauer liegt ebenfalls eine beitragsfähige Verbesserung. Nach § 3 Abs. 2 ABS gehören zum beitragsfähigen Aufwand auch die Kosten für Stützmauern, wobei diese Kosten den jeweiligen Teileinrichtungen entsprechend zugeordnet werden. Die Stützmauer ist der Fahrbahn zuzuordnen, da sie die höher gelegenen nördlich angrenzenden Grundstücke gegen diese abstützt. Ein Gehweg befindet sich auf der nördlichen Straßenseite nicht. Zwar nimmt eine Stützmauer in Ansehung der Frage der Beitragsfähigkeit nicht gleichsam automatisch am Schicksal der Teileinrichtung teil, der sie zuzuordnen ist. Vielmehr ist danach zu fragen, wie sich diese Maßnahme auf die Gesamtanlage auswirkt (VG Koblenz, Urt. v. 20.11.2006 - 4 K 221/06.KO, zit. nach juris, dort Rn. 25 ff.). Dabei kommt eine beitragsfähige Verbesserung in Betracht, wenn sich die Mauer auf Grund ihrer Bedeutung für die Gesamtanlage als wesentliches Element der Straße darstellt und die Straße durch die Maßnahme eine neue, bessere Qualität erhält (VG Koblenz a.a.O.).

21

Dies trifft vorliegend zu: Die Mauer erstreckt sich über einen erheblichen Teil der S. Straße und hat eine Länge von ca. 70 m. Eine nur untergeordnete Bedeutung kommt ihr damit nicht zu. Weiter führt auch die Anlegung der Mauer zu einer Verbesserung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, denn sie gewährleistet in weit höherem Maße als die Feldsteinmauer, dass die angrenzenden Grundstücke nicht zur Straße hin abrutschen. Für diese Einschätzung ist maßgebend, dass die vorhandene Feldsteinmauer nach der Stellungnahme des Dipl.-Ing. J. M. vom 03.07.2002, an deren inhaltlicher Richtigkeit die Antragsteller keine Zweifel geäußert haben, keine Stützmauer im eigentlichen Sinne, sondern nur eine "Natursteinverblendung der vorhandenen Böschung" war. Ihr fehlte es sowohl an dem erforderlichen Fundament als auch an der erforderlichen Konstruktionsstärke (Festigkeit). Beide Kriterien werden erst durch die neu angelegte Mauer erfüllt. Erst diese Mauer führt zu einem nachhaltigen Schutz gegen das Abrutschen der höher gelegenen Grundstücke und "verdient" die Bezeichnung Stützmauer.

22

Der weitere Einwand der Antragsteller, die Stützmauer sei fehlerhaft hergestellt worden, weil sie Risse aufweise, durch die Regenwasser austrete, greift ebenfalls nicht durch. Denn zum einen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Wasserdurchlässigkeit gewollt ist, denn die Stützmauer besteht aus trocken verlegten Formsteinen. Auch die Feldsteinmauer hatte Entwässerungsöffnungen für das Niederschlagswasser. Zu anderen weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass eine fehlerhafte Planung oder Bauausführung die Beitragsfähigkeit der Maßnahme nicht berührt. Denn in diesem Fall wäre die Stadt Bergen gehalten, ihre Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Sollte dies nicht mehr möglich sein, müsste sie die Mauer auf ihre Kosten reparieren lassen, denn die Kosten der Instandsetzung wären nicht umlagefähig.

23

Die Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dies betrifft zunächst die mit der Einstufung der S. Straße als Anliegerstraße getroffene Bestimmung des Gemeindeanteils am umlagefähigen Aufwand. Anliegerstraßen sind nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 ABS solche Straßen, Wege und Plätze, die ausschließlich oder überwiegend der Erschließung der angrenzenden oder durch private Zuwegung mit ihnen verbundenen Grundstücke dienen. Innerortstraßen sind dagegen nach § 3 Abs. 5 Nr. 2 ABS nur solche Straßen, Wege und Plätze, die weder überwiegend der Erschließung von Grundstücken noch überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen. Welcher Straßenkategorie eine Straße zuzuordnen ist, richtet sich danach, welche Funktion sie nach der Verkehrsplanung der Gemeinde und dem darauf beruhenden Ausbauzustand (z.B. Breite und Länge der Straße) und der straßenrechtlichen Gewichtung haben soll. Ferner kommt den tatsächlichen Verkehrsverhältnissen Bedeutung zu (OVG Lüneburg, Urt. v. 10.03.1998 - 9 L 2841/96, NdsVBl. 1998, 260 <261>). Maßgebend ist dabei, welche Verkehrsbewegungen aufgrund einer funktionsbezogenen, auch tatsächliche Verhältnisse berücksichtigenden Betrachtungsweise typischerweise zu erwarten sind (OVG Lüneburg a.a.O.).

24

Gemessen an diesen Kriterien ist die Verkehrsanlage als Anliegerstraße einzustufen. Sie dient überwiegend der Erschließung von Grundstücken. Ein wesentlicher Durchgangsverkehr findet auf ihr nicht statt. Hierfür spricht bereits die geringe Ausbaubreite der Fahrbahn von nur 4,75 m, die einen LKW-Begegnungsverkehr nicht erlaubt. Damit hat dieser Ausbauzustand eine Indizfunktion für die (geringe) Verkehrsbedeutung der Anlage. Bestätigt wird dies durch den Umstand, dass die S. Straße innerhalb einer 30 km/h-Zone liegt. Eine durchgehende Geschwindigkeitsbeschränkung wäre mit der Verkehrsbedeutung einer Innerortsstraße nicht zu vereinbaren. Auch die Einbettung der S. Straße in das innerörtliche Verkehrsystem legt eine gegenteilige Annahme nicht nahe. Die S. Straße ist eine von vielen Straßen, die in der Ortslage von Bergen die anliegenden Grundstücke erschließen. Die von den Antragstellern angeführten Grundstücke mit erhöhtem Ziel- und Quellverkehr (Parkhaus, Sparkasse, Amtsgericht, Katasteramt, Polizeiinspektion) liegen im Stadtgebiet verteilt und erlauben keine Rückschlüsse auf eine erhöhte Verkehrsbedeutung der S. Straße. Vielmehr folgt gerade aus dem Umstand, dass im Ortskern von Bergen ein dichtes Nebenstraßennetz vorhanden ist, dass die genannten Einrichtungen keinen nennenswert erhöhten Durchgangsverkehr (inner- oder überörtlicher Art) auf diesen Straßen auslösen, denn der Verkehr verteilt sich auf eine Vielzahl von Straßen.

25

Ebenfalls keinen Bedenken unterliegt die Bildung des Abrechnungsgebietes. Zu Recht wurde das Grundstück G5 ("Kreispolizeiamt") bei der Ermittlung der Anzahl der Beitragseinheiten nur mit 42,47 v.H. seiner Fläche berücksichtigt. Zwar bilden nach § 4 Abs. 1 ABS die Grundstücke das Abrechnungsgebiet, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zu der ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung eröffnet wird. Wird ein Abschnitt einer Anlage abgerechnet, so bildet nach Abs. 2 l.cit. jedoch nur der Abschnitt das Abrechnungsgebiet. Letzteres trifft auf das genannte Grundstück zu, weil in Höhe des Grundstücks die die Verkehrsanlage längsteilende Grenze des Sanierungsgebietes verläuft. Die innerhalb des Sanierungsgebietes verlaufende Teilstrecke der Verkehrsanlage ist gemäß § 154 Abs. 1 Satz 2 Baugesetzbuch (BauGB) einer beitragsrechtlichen Abrechnung entzogen. Werden im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 hergestellt, erweitert oder verbessert, sind Vorschriften über die Erhebung von Beiträgen für diese Maßnahmen auf Grundstücke im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nicht anzuwenden. Die Vorschrift beinhaltet eine Abschnittsbildung nach rechtlichen Gesichtspunkten (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30.06.2004 - 1 L 189/01, S. 27 des Entscheidungsumdrucks). Wegen dieses gesetzlich gebildeten Zwangsabschnitts war die von der Stadtvertretung Bergen am 13.12.2006 beschlossene Abschnittsbildung für die Grenze des Sanierungsgebietes überflüssig, aber unschädlich.

26

Wird eine einheitliche Verkehrsanlage im Sinne der "natürlichen Betrachtungsweise" durch eine Abschnittsbildung - sei es eine gewillkürte, sei es eine gesetzliche - in mehrere gesondert abzurechnende Teilanlagen geteilt, so führt dies dazu, dass sich auch die Bildung des Abrechnungsgebietes nach den abgetrennten Teilanlagen richtet. In diesem Fall wird ein Grundstück, das an beide Abschnitte der Verkehrsanlage angrenzt, rechnerisch geteilt und nur mit der Teilfläche bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes berücksichtigt, die der Frontlänge an diesem Abschnitt im Verhältnis zur gesamten Frontlänge des Grundstücks entspricht (Driehaus a.a.O., § 35 Rn. 31 m.w.N.). Auf diese Weise wird eine nicht mehr vorteilsgerechte Doppelbelastung vermieden, die entstehen würde, wenn das Grundstück für beide Teile derselben Anlage jeweils voll herangezogen wird (Driehaus a.a.O.). Dies gilt nach Auffassung der Kammer nicht nur bei einer gewillkürten Abschnittsbildung nach § 8 Abs. 4 KAG M-V, sondern auch dann, wenn Abrechnungsabschnitte - wie hier - durch § 154 Abs. 1 Satz 2 oder durch § 242 Abs. 9 BauGB gesetzlich vorgegeben sind und sich die Abrechnung des weiteren Abschnitts nach einem anderen Rechtsregime, etwa der Erhebung eines Ausgleichsbetrages nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB oder eines Erschließungsbeitrages nach § 127 Abs. 1 BauGB, richtet. Denn auch in diesen Fällen ist zu vermeiden, dass für das Grundstück "doppelt" gezahlt werden muss.

27

Zulässig und geboten ist auch die Berücksichtigung des Grundstücks G2 bei der Bildung des Abrechnungsgebietes. Die Vorschrift des § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB steht dem nicht entgegen, denn sie greift nur unter der doppelten Voraussetzung, dass die ausgebaute Anlage und das an sie angrenzende Grundstück innerhalb des Sanierungsgebiet liegen (OVG Mecklenburg-Vorpommern a.a.O., S. 24 des Entscheidungsumdrucks). Hieran fehlt es; zwar liegt das Grundstück G2 im Geltungsbereich der Sanierungssatzung, nicht jedoch die S. Straße. Die Gebietsgrenze verläuft exakt entlang der Grundstücksgrenze zur Straße.

28

Ebenfalls keinen Bedenken unterliegt die Bildung des Abrechnungsgebietes in Ansehung des antragstellerischen Grundstücks G6. Zwar ist dieses Grundstück bei der Ermittlung der Anzahl der Beitragseinheiten vollständig berücksichtigt worden, obwohl "vor" dem Grundstück ebenfalls eine Abschnittsgrenze verläuft. Eine Reduzierung der berücksichtigungsfähigen Grundstücksfläche nach dem Frontlängenverhältnis scheidet jedoch aus, denn die Abschnittsbildung ist an dieser Stelle unwirksam. Zwar erlaubt § 4 Abs. 2 ABS im Einklang mit § 8 Abs. 4 KAG M-V eine Abschnittsbildung; dies jedoch nicht zeitlich unbegrenzt. Denn die Gemeinde büßt ihr Wahlrecht in Bezug auf den Ermittlungsraum - und damit einhergehend auch in Bezug auf das Verteilungsgebiet - ein, wenn sie die Entscheidung über den Ermittlungsraum nicht trifft, bevor die sachliche Beitragspflicht kraft Gesetzes entstanden ist (vgl. Driehaus a.a.O., § 33 Rn. 49, § 14 Rn. 1 f., 20). Der Beitrag ruht dann als öffentliche Last auf den betroffenen Grundstücken (vgl. § 7 Abs. 6 KAG) und kann durch nachträgliche Maßnahmen nicht mehr verändert werden. So ist es hier, denn die sachliche Beitragspflicht für die Baumaßnahme an der S. Straße war schon vor der Beschlussfassung über die Abschnittsbildung vom 13.12.2006 entstanden.

29

Nach § 8 Abs. 5 erster Hs. KAG M-V entsteht die sachliche Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung. Der Begriff der Einrichtung i.S. dieser Vorschrift ist identisch mit dem erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 15.09.1998 - 1 M 54/98, VwRR MO 1999, 104). Ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht ist daher für die Beantwortung der Frage, was beitragsfähige Einrichtung oder Anlage i.S.d. § 8 Abs. 5 KAG M-V ist, darauf abzustellen, was sich bei natürlicher Betrachtungsweise als "gesamte Verkehrsanlage" darstellt, wobei auf den Zustand nach Abschluss des Bauprogrammes, d.h. auf das äußere Erscheinungsbild, das die Straße nach ihrem Ausbau erlangt hat, abzustellen ist (OVG Mecklenburg-Vorpommern a.a.O.).

30

Gemessen an diesen Kriterien beginnt (oder endet - je nach Betrachtungsweise) die S. Straße an der Einmündung der M. Straße. Zwar trägt auch die zwischen der Einmündung in die R. Straße und der Einmündung der M. Straße verlaufende Verkehrsanlage den Straßennamen "S. Straße". Hierbei handelt es sich jedoch um eine selbstständige Erschließungsanlage i.S.d. natürlichen Betrachtungsweise. Die einheitliche Straßenbezeichnung beider Anlagen ist beitragsrechtlich ohne Belang (vgl. für die beitragsrechtliche Selbständigkeit der drei Teilstrecken der S. Straße in Bergen auf Rügen: VG Greifswald, Beschl. v. 15.11.2004 - 3 B 3437/04, S. 7 des Entscheidungsumdrucks; bestätigt vom OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 30.12.2004 - 1 M 320/04). Für die beitragsrechtliche Unterscheidung ist maßgebend, dass die in nordöstliche Richtung verlaufende S. Straße im Bereich der Einmündung der M. Straße nicht gerade weiterläuft, sondern sich in einem - wenn auch stumpfem - Winkel in östliche Richtung verschwenkt. Zusammen mit der M. Straße bilden die beiden Teilstrecken der S. Straße im Kreuzungsbereich ein etwa gleichseitiges Dreieck. Dies schließt es aus, den westlichen Teil der S. Straße als Bestandteil ihres östlichen Teils (und umgekehrt) anzusehen. Denn genau so gut könnte die M. Straße Bestandteil einer der genannten Teilstrecken sein. Hinzu kommt der durch den Straßenbelag erzeugte Eindruck. Die Pflasterung ist so ausgeführt, dass der Eindruck einer Zusammengehörigkeit der von Westen kommenden S. Straße und der M. Straße entsteht und dass der von Osten kommende Teil der S. Straße in diese Anlage einmündet. Dabei kann dahin stehen, ob der westliche Teil der S. Straße und die M. Straße tatsächlich in beitragsrechtlicher Hinsicht eine einheitliche Anlage bilden. Denn maßgebend ist allein, dass der östliche Teil der S. Straße nicht als Bestandteil einer der anderen Verkehrsanlagen anzusehen ist. Wegen verbleibender Restzweifel ist auf den summarischen Charakter des Eilverfahrens hinzuweisen. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage ist u.U. nur auf Grund einer Beweisaufnahme (Augenschein) möglich und damit einem sich möglicherweise anschließenden Hauptsacheverfahren vorbehalten.

31

Auch liegt eine endgültige Herstellung i.S.d. § 8 Abs. 5 KAG M-V vor. Dieses Merkmal wird in § 9 Satz 1 ABS definiert, wonach die sachliche Beitragspflicht mit dem Abschluss der Baumaßnahme entsteht, sobald die Kosten feststehen und der erforderliche Grunderwerb grundbuchrechtlich durchgeführt ist. Dies ist nach Satz 2 l.cit. frühestens der Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung. Nach diesen Maßgaben ist die sachliche Beitragspflicht bereits mit der Durchführung des Grunderwerbs an Teilflächen der Verkehrsanlage im Jahre 2005 entstanden. Jedenfalls für das vorliegende Eilverfahren ist davon auszugehen, dass sämtliche Unternehmerrechnungen zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen haben. Da dies von den Antragstellern nicht bestritten wird, sieht die Kammer von weiteren Darlegungen ab.

32

Ungeachtet dessen ist die Abschnittsbildung im Bereich der Einmündung der M. Straße auch deshalb unwirksam, weil die S. Straße als Anlage im Sinne der natürlichen Betrachtungsweise auf Höhe dieser Einmündung endet. Es verbietet sich, einen Abrechnungsabschnitt auf das Ende einer Verkehrsanlage im Sinne der natürlichen Betrachtungsweise zu legen, weil dies zur Folge hat, dass ein Grundstück, dessen Frontlänge über das Ende der Verkehranlage hinausreicht, bei der Ermittlung der Anzahl der Beitragseinheiten nur mit einem Teil seiner Fläche (Stichwort: Frontlängenverhältnis) berücksichtigt wird. Weil mit der Reduzierung der Anzahl der Beitragseinheiten der Beitragssatz steigt, führt dies zu einer sachlich nicht gerechtfertigen Mehrbelastung der übrigen Beitragspflichtigen und verstößt daher gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit (Art. 3 Grundgesetz).

33

Schließlich ist auch die Heranziehung der Antragsteller im Ergebnis nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die sachliche Beitragspflicht - und auf ihr aufbauend - die persönliche Beitragspflicht der Antragsteller entstanden.

34

Zwar ist die Berücksichtigung der so genannten Eckgrundstücksvergünstigung nach § 5 Abs. 6 ABS zu Gunsten der Antragsteller fehlerhaft. Der Fehler begründet jedoch keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, denn die Antragsteller werden dadurch lediglich begünstigt. Die Regelung des § 5 Abs. 6 ABS ist vorliegend nicht anwendbar: Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass sich das Grundstück der Antragsteller im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes befindet, so dass die Baunutzungsverordnung (BauNVO) und damit die von § 5 Abs. 6 ABS genannten Vorschriften (Gebietstypen) keine Anwendung finden (vgl. § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BauNVO). Zum anderen verstößt die Bestimmung des § 5 Abs. 6 ABS gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit (Art. 3 GG). Denn sie ist nicht so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auch tatsächlich bestehende Wohngebiete i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 2 bis 5 und 10 BauNVO erfassen soll. Denn anders als in § 5 Abs. 5 ABS werden die tatsächlich bestehenden Gebietstypen (§ 34 Abs. 2 BauGB) nicht neben den in einem Bebauungsplan festgesetzten Gebietstypen erwähnt. Daraus folgt, dass diese Fallgruppe im Rahmen des § 5 Abs. 6 ABS keine Berücksichtigung finden soll. Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung ist nicht ersichtlich.

35

Die somit eintretende Nichtigkeitsfolge beschränkt sich allerdings auf die Bestimmung des § 5 Abs. 6 ABS (Teilnichtigkeit, vgl. § 139 BGB), denn Vergünstigungsregeln für mehrfach erschlossene Grundstücke gehören weder zum notwendigen Mindestinhalt einer Straßenbaubeitragssatzung (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V) noch zwingt das Vorteilsprinzip zu ihrer Normierung. Auch der verfassungsrechtliche Grundsatz der Abgabengerechtigkeit gebietet es nicht, wegen der Nichtigkeit der Eckgrundstücksregelung die Nichtigkeit der Ausbaubeitragssatzung insgesamt anzunehmen. Denn die Regelung der Eckgrundstücksvergünstigung wirkt sich erst bei der Heranziehung der Beitragspflichtigen aus, da der sich rechnerisch ergebende Beitrag nur zu 2/3 erhoben wird. Den Ausfall trägt damit allein die Stadt Bergen auf Rügen. Im Rahmen der Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes hat die Regelung nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut und nach der Anwendungspraxis der Antragsgegnerin dagegen keine Bedeutung. Damit ist eine ungerechtfertigte Mehrbelastung der übrigen Beitragspflichtigen ausgeschlossen.

36

2. In der Vollziehung des Beitragsbescheides liegt für die Antragsteller auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte. Zwar ist die Belastung mit der Beitragsforderung nicht unerheblich. Hierauf kommt es aber nicht an. Eine unbillige Härte i.S.d. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO liegt nur vor, wenn durch die sofortige Vollziehung oder Zahlung dem Abgabepflichtigen wirtschaftliche Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer - etwa durch eine spätere Rückzahlung - wieder gutzumachen sind, insbesondere wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet wäre (BayVGH, Beschl. v. 25.01.1988 - Nr. 6 CS 87.03857, BayVBl. 1988, 727; OVG Bremen, Beschl. v. 12.03.1985 - 1 B 6/85, DVBl. 1985, 1182; OVG Münster, Beschl. v. 17.03.1994 - 15 B 3022/93, NVwZ-RR 1994, 617; Beschl. v. 22.02.1989 - 16 B 3000/88, NVwZ-RR 1989, 588). Die Vorschrift setzt mithin das Vorliegen eines persönlichen Billigkeitsgrundes in der Person des Abgabepflichtigen voraus, wobei Gegenstand der Beurteilung gerade die Vollziehung des Abgabenbescheides bzw. die sofortige Zahlung durch den Abgabepflichtigen darstellt. Die Kammer hält es für sachgerecht, zur näheren Inhaltsbestimmung des Begriffes "unbillige Härte" im Rahmen der Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO darauf abzustellen, ob die sofortige Vollziehung bzw. Zahlung der geforderten Abgabe eine wesentliche Ursache für eine Existenzgefährdung darstellen würde, d.h. die Existenzgefährdung gerade durch den Sofortvollzug des Abgabenbescheides verursacht oder entscheidend mitverursacht würde (so auch VG Gera, Beschl. v. 13.01.1999 - 5 E 530/98 GE, ThürVBl. 1999, 93 <94>). Hierfür bestehen aber trotz der nicht unerheblichen Höhe der Beitragsforderung keine Anhaltspunkte. Nach Aktenlage haben die Antragsteller weder die Einräumung von Zahlungserleichterungen beantragt, noch hinreichende Unterlagen über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorgelegt. Eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte scheidet daher von vornherein aus (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.05.1999 - 3 B 2955/99, zit. nach juris).

37

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes aus den §§ 53 Abs. 3 Ziff. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei der Betrag der festgesetzten Abgabe für das Eilverfahren zu vierteln ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.