Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 29. Okt. 2015 - 3 A 1174/13

bei uns veröffentlicht am29.10.2015

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 12. September 2013 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 5. November 2013 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Grundstücksanschlusskosten.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks G1, Gemarkung B-Stadt (B-Straße). Bei dem Grundstück handelt es sich um ein Hinterliegergrundstück, das über eine im Eigentum der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald stehende Stichstraße (Flurstück G2) mit der (öffentlichen) S.-Straße verbunden ist.

3

Im Jahre 2013 führte der Beklagte Arbeiten zum Anschluss anderer an der Stichstraße gelegener Grundstücke an die zentrale Abwasserbehandlungsanlage durch. Das Grundstück der Kläger war seinerzeit zusammen mit anderen Grundstücken an eine Klärgrube angeschlossen.

4

Nachdem die Kläger Kenntnis von diesen Arbeiten erlangt hatten, beantragten sie den Anschluss ihres Grundstücks an die öffentliche Abwasserbehandlungsanlage. Daraufhin wurde das Grundstück an die Anlage angeschlossen. Über die Kostenverteilung sowie den Verlauf und Inhalt von Gesprächen zwischen den Beteiligten anlässlich der Herstellung der Anschlussleitung besteht Streit.

5

Mit Bescheid vom 17. September 2013 zog der Beklagte die Kläger zu einer Vorauszahlung (Sicherheitsleistung) auf die Grundstücksanschlusskosten i.H.v. 1.600,00 EUR heran. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Kläger wies er mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2013 – zugestellt am 13. November 2013 – zurück.

6

Am 13. Dezember 2013 haben die Kläger Anfechtungsklage erhoben. Der Bescheid sei rechtswidrig. Die Kosten habe der Beklagte zu tragen. Ungeachtet dessen sei die Zuordnung der Kosten zu den angeschlossenen Grundstücken fehlerhaft.

7

Die Kläger beantragen,

8

den Bescheid des Beklagten vom 12. September 2013 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 5. November 2013 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Er ist der Auffassung, der Bescheid sei rechtmäßig. Zwar gehöre die durchgeführte Maßnahme nicht zu seinen satzungsrechtlich definierten Aufgaben, so dass die Kosten nicht nach den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes erhoben werden könnten. Ihm stehe gegen die Kläger aber ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch jedenfalls in Höhe der Festsetzung zu, der durch Erlass eines Leistungsbescheides geltend gemacht werden könne.

12

Mit Beschluss vom 20. Juli 2015 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Klage ist begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger daher in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

15

Dem Beklagten steht kein Kostenersatzanspruch gegen die Kläger zu (1.). Jedenfalls kann der Anspruch nicht durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden (2.).

16

1.a. Ein Anspruch aus § 10 Abs. 2 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) besteht nicht. Es fehlt bereits an der erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage. Zu den Vorschriften, die über § 10 Abs. 4 Satz 2 KAG M-V auf den Kostenersatzanspruch entsprechend anzuwenden sind, gehört die Vorschrift über den Satzungszwang in § 2 Abs. 1 KAG M-V. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V können Abgaben nur aufgrund einer Satzung erhoben werden. Somit setzt die Entstehung des Ersatzanspruchs eine formell und materiell wirksame satzungsrechtliche Grundlage voraus (Dietzel in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 3/15, § 10 Rn. 11). An einer solchen Regelung fehlt es.

17

Für – wie hier – „erste“ Grundstücksanschlüsse sieht das Refinanzierungssystem des Zweckverbandes Wasser/Abwasser Boddenküsten eine gesonderte Kostenerstattung nicht vor. Vielmehr wird der Aufwand für die Herstellung von Grundstücksanschlüssen im Rahmen der Kalkulation des Anschlussbeitrages berücksichtigt (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V). Demgemäß ist der in § 2 Nr. 3 der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung der Grundstücke im Verbandsgebiet des Zweckverbandes Wasser/Abwasser Boddenküste (Abwasserbeseitigungssatzung – ABS) vom 26. November 2008 definierte Grundstücksanschlusskanal gemäß § 1 Abs. 6 ABS in allen Kalkulationskreisen Bestandteil der beitragsfähigen öffentlichen Einrichtung.

18

Lediglich für die Kosten zusätzlicher Grundstücksanschlüsse i.S.d. § 10 Abs. 3 KAG M-V, deren Einbeziehung in den Anschlussbeitrag nach § 9 Abs. 1 KAG M-V ausscheidet (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 4/1307 S. 51) sieht § 10 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasser/Abwasser Boddenküste (Beitrags- und Gebührensatzung – BGS) vom 7. Januar 2013 eine Kostenerstattung vor. Die Kosten für einen solchen Anschluss stehen vorliegend jedoch nicht im Streit.

19

Eine Kostenerstattung für eine Hausanschlussleitung, also die Verbindung zwischen der Grundstücksanschlussleitung und dem Gebäude, ist im Satzungsrecht des Beklagten ebenfalls nicht vorgesehen. Die Verbindung zwischen der Grundstücksanschlussleitung und dem Gebäude ist in der Terminologie der Abwasserbeseitigungssatzung eine Grundstücksentwässerungsanlage, da sie der Ableitung von Abwasser dient, ohne Bestandteil der öffentlichen Einrichtung zu sein (vgl. § 2 Nr. 4 Satz 1 ABS). Um eine Grundstücksentwässerungsanlage in diesem Sinne geht vorliegend, weil sie erst jenseits des öffentlichen Straßenraums beginnt und damit kein öffentlicher Grundstücksanschlusskanal sein kann (vgl. § 2 Nr. 3 Satz 2 ABS). Für Grundstücksentwässerungsanlagen bestimmt § 7 Abs. 4 Satz 1 ABS, dass sie vom Anschlussberechtigten herzustellen sind. Eine Regelung über die Kostenerstattung ist daher entbehrlich.

20

b. Der Beklagte kann die Kostenerstattung auch nicht mit Blick auf den gewohnheitsrechtlich anerkannten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch verlangen. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch findet nur dort Anwendung, wo im geschriebenen Recht eine Regelung fehlt. Er ist den anderen Rechtsquellen gegenüber subsidiär (VGH München, Urt. v. 01.12.1992 – 23 B 91.2407 –, juris Rn. 37). Dies trifft auch auf den vorliegenden Fall zu. Nach § 1 Abs. 1 KAG M-V sind die Gemeinden und Landkreise berechtigt, nach Maßgabe dieses Gesetzes Abgaben (Steuern, Gebühren, Beiträge und sonstige Abgaben) zu erheben, soweit nicht geltende Gesetze etwas anderes bestimmen. Diese Vorschrift, die auch für die von den Gemeinden auf Grundlage der §§ 150 ff. Kommunalverfassung (KV M-V) i.V.m. § 40 Abs. 4 Landeswassergesetz (LWaG) gebildeten Abwasserzweckverbände gilt, beschränkt die Abgabenerhebung auf die im Kommunalabgabengesetz oder anderen gesetzlichen Bestimmungen normierten Abgaben. Dadurch wird der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenerhebung hervorgehoben (Siemers in: Aussprung/ders./Holz, KAG M-V, Stand 08/2015, § 1 Anm. 1). Die Abgabenerhebung muss vorhersehbar sein. Dies schließt den Rückgriff auf nicht kodifizierte Anspruchsgrundlagen, wie den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus. Bestätigt wird diese Auslegung durch § 10 KAG M-V. Darin hat der Gesetzgeber sämtliche Varianten eines Erstattungsanspruchs normiert und dem Satzungsvorbehalt untergeworfen (VG Schwerin, Urt. v. 29.09.1998 – 4 A 713/98 –, n.v.). Bei einer Anwendbarkeit des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs könnten die aus § 10 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 2 KAG M-V folgenden gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen umgangen werden.

21

Soweit der Beklagte meint, das Institut des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs sei anwendbar, weil die Herstellung der Anschlussleitung nicht zu seinem satzungsrechtlich definierten Aufgabenbereich gehöre, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, dass den Gemeinden und Zweckverbänden für das Recht der leitungsgebundenen Anlagen weitgehendes Organisationsermessen zusteht (OVG Greifswald, Urt. v. 15.03.1995 – 4 K 22/94 –, juris Rn. 28). Diese Gestaltungsfreiheit berührt die Ausschlusswirkung des § 1 Abs. 1 KAG M-V jedoch nicht, denn sie unterliegt nicht der Disposition der abgabenerhebungsberechtigten Körperschaft. Maßgeblich sind daher nicht die konkrete Definition der öffentlichen Einrichtung oder der Betriebsanlage und die sich daraus ergebenden abgabenrechtlichen Folgen. Entscheidend ist vielmehr, ob die satzungsrechtliche Definition einer Anspruchsgrundlage rechtlich möglich ist. Da § 10 Abs. 2 KAG M-V ausweislich der Gesetzesüberschrift auch eine Kostenerstattung für Hausanschlüsse vorsieht, wäre die Normierung einer entsprechenden Anspruchsnorm ohne weiteres zulässig.

22

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf abweichende Rechtsprechung aus anderen Bundesländern berufen. Die Auffassung, dass sich unabhängig von einer satzungsrechtlich festgelegten Erstattungspflicht eine Zahlungsverpflichtung des Anschlussnehmers aus dem allgemeinen Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ergeben kann (VGH Mannheim, Urt. v. 10.10.1985 – 2 S 1708/83 –, ESVGH 36, 56, allerdings für die Rechtslage vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes für Baden-Württemberg), ist aus den oben genannten Gründen nicht folgen. Die Rechtsprechung des OVG Schleswig, wonach es sich bei dem Erstattungsanspruch um einen arteigenen öffentlich-rechtlichen Aufwendungsersatzanspruch handelt, der auf der Grundlage der Gemeindeordnung (Kommunalverfassung) geregelt werden darf, da diese Möglichkeit durch das Kommunalabgabengesetz nicht ausgeschlossen wird (Urt. v. 18.11.1997 – 2 L 134/96 –, juris Rn. 23), kann auf das Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls nicht übertragen werden. Denn die der Entscheidung zu Grunde liegende Fassung des Kommunalabgabengesetzes Schleswig-Holstein sah einen Kostenersatz für Haus- und Grundstücksanschlüsse nicht vor. Zudem ist diese Entscheidung seit der mit Wirkung vom 1. Januar 2004 erfolgten Normierung eines Kostenerstattungsanspruchs (§ 9a KAG S-H) überholt.

23

c. Auch ein Anspruch nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über eine Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) ist vorliegend nicht gegeben. Zwar sind die Bestimmungen im öffentlichen Recht grundsätzlich entsprechend anwendbar (BVerwG, Urt. vom 6. 9. 1988 – 4 C 5.86 –, juris). So können Erstattungsansprüche gegenüber dem Grundstückseigentümer dann gerechtfertigt sein, wenn die objektive Interessenlage nach der zugrunde liegenden Situation mit einer Geschäftsführung ohne Auftrag vergleichbar ist (vgl. für einen satzungsrechtlich normierten Erstattungsanspruch: VGH München, Urt. v. 03.05.1991 – 23 B 89.504 –, juris). Mit Blick auf § 1 Abs. 1 und § 10 KAG M-V ist allerdings auch hier von einer Subsidiarität der Geschäftsführung ohne Auftrag auszugehen. Daher besteht für die Anwendung der Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag neben § 10 KAG M-V kein Raum. Eine Erweiterung der Erstattungspflicht über die gesetzlich normierten Erstattungstatbestände hinaus würde die Grenzen der Eingriffsbefugnis der Verwaltung, insbesondere die Grenzen der Möglichkeit, Kosten der Verwaltung auf Dritte abzuwälzen, in unzulässiger Weise verwischen (VG Gießen, Urt. v. 18.04.1997 – 10 E 1685/95 –, juris Rn. 23 ff.).

24

2. Der Bescheid ist aber auch dann fehlerhaft, wenn man den vorstehenden Ausführungen nicht folgt und vom Bestehen des Erstattungsanspruchs ausgeht. Da der Anspruch nicht auf kommunalabgabenrechtliche Bestimmungen gestützt wird und nach den vorstehenden Darlegungen auch nicht auf sie gestützt werden kann, findet die insoweit geltende Befugnis, den Anspruch durch Leistungsbescheid geltend zu machen, keine Anwendung.

25

Offen bleiben kann, ob sich die Befugnis zum Erlass eines Leistungsbescheides trotz fehlender gesetzlicher Ermächtigung aus einem zwischen den Beteiligten bestehenden Verhältnis der Über-/Unterordnung ergeben kann (erwogen vom OVG Greifswald, Beschl. v. 19.07.2007 – 1 L 68/06 –, juris Rn. 8). Denn jedenfalls im vorliegenden Fall ist sie ausgeschlossen. Ein subordinationsrechtliches Gepräge allein rechtfertigt noch nicht den Schluss, dass das Überordnungsverhältnis sämtliche Einzelansprüche erfasst, die hieraus erwachsen. Eine Regel des Inhalts, dass ein dem öffentlichen Recht zuzuordnendes Rechtsverhältnis im Zweifel auf ein umfassendes, durchgängiges und für alle Beziehungen geltendes Über-/Unterordnungsverhältnis angelegt ist, gibt es grundsätzlich nicht. Gegenstand der Betrachtung ist damit stets die einzelne Rechtsbeziehung, wobei es darauf ankommt, ob die Geltendmachung des Anspruchs auf der dem Hoheitsträger partiell zugewiesenen Handlungsbefugnis beruht (OVG Greifswald. a.a.O., Rn. 9). Handelt der Hoheitsträger außerhalb des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs, so kann ein ihm daraus erwachsender Anspruch ebenfalls nicht hoheitlich geltend gemacht werden.

26

So ist es hier. Zwar stehen dem Zweckverband gemäß § 7 ABS im Hinblick auf Grundstücksentwässerungsanlagen diverse hoheitliche Kontrollbefugnisse und Mitspracherechte (Einvernehmensregelung) zu. Die Herstellung von Grundstücksentwässerungsanlagen gehört nach der ausdrücklichen Regelung in § 7 Abs. 4 Satz 1 ABS jedoch nicht zu seinem Aufgabenbereich; sie ist vielmehr dem (privaten) Anschlussberechtigten zugewiesen. Als Folge davon scheidet auch eine hoheitliche Geltendmachung von Erstattungsansprüchen aus.

27

Abweichendes folgt schließlich auch nicht aus den bereits zitierten Entscheidungen des VGH München vom 3. Mai 1991 und 1. Dezember 1992. Denn der Umstand, dass der kommunale Aufgabenträger den Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag durch Verwaltungsakt geltend machen konnte, beruht auf dem Umstand, dass die betreffende Abgabensatzung eine entsprechende Befugnis vorsah (VGH München Urt. v. 03.05.1991, a.a.O. Rn. 57; Urt. v. 01.12.1992, a.a.O. Rn. 34). Dass eine solche Befugnis vorliegend fehlt, wurde bereits dargelegt.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 19. Juli 2007 - 1 L 68/06

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Tenor Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 01. Februar 2006 - 5 A 2432/03 - wird abgelehnt. Der Beklagte trägt auch die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Streitwert wi
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Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 07. Jan. 2016 - 4 A 2054/13

bei uns veröffentlicht am 07.01.2016

Tenor Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Der Kostenerstattungsbescheid der Beklagten vom 11. September 2013 und ihr Widerspruchsbescheid vom 14. November 2013 in

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 01. Februar 2006 - 5 A 2432/03 - wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 80,27 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das o.g. Urteil ist zulässig, insbesondere nach Zustellung des Urteils am 06. Februar 2006 innerhalb der in § 124a Abs. 4 VwGO vorgeschriebenen Fristen am 06. März 2006 bei dem Verwaltungsgericht gestellt und zugleich begründet worden. Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten einen nicht unterschriebenen Zulassungsantrag vom 03. März 2006 eingereicht hat, schadet nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für bestimmende Schriftsätze zwar grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift erforderlich; Ausnahmen von diesem Grundsatz sind jedoch u.a. zugelassen, wenn sich aus dem bestimmenden Schriftsatz allein oder in Verbindung mit beigefügten Unterlagen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste (BVerwG, 26.06.1980 - 7 B 160/79 -, juris). Dies ist hier unzweifelhaft der Fall, da die zugleich übersandte Abschrift des Zulassungsantrages die erforderliche Unterschrift des Prozessbevollmächtigten trägt.

2

Der Zulassungsantrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Den Erwägungen des Beklagten zu dem Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht zu folgen. Gleiches gilt für den Zulassungsgrund der Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

3

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, den angefochtenen Bescheid (die "Rechnung") des Beklagten vom 21. September 2001 aufzuheben, tragend darauf abgestellt, dass der Beklagte den Kläger nicht durch Leistungsbescheid habe verpflichten dürfen, sondern seinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Wechsel des Wasserzählers vielmehr hätte im Wege der Leistungsklage titulieren lassen müssen. Weder der Wasserversorgungssatzung des Beklagten noch dessen Gebührensatzung Wasser lasse sich eine Verwaltungsaktsbefugnis entnehmen. Der Beklagte trägt dagegen unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 1965 - VIII C 10.65 - vor, er habe vorliegend durch Erlass eines Verwaltungsaktes handeln dürfen, da er die Trinkwasserversorgung als öffentliche Einrichtung betreibe, zu der auch der Trinkwasserzähler nach § 19 Abs. 2 der Wasserversorgungssatzung gehöre, und das zwischen ihm und dem Kläger bestehende rechtliche Verhältnis ein öffentlich-rechtliches Subordinationsverhältnis sei. Es sei gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass der Träger der öffentlichen Gewalt seinen Anspruch hoheitlich, d.h. durch Verwaltungsakt verwirklichen könne, wenn der Anspruch der vollziehenden Gewalt gegenüber einer Person zustehe, die bezüglich des Anspruchs aufgrund einer Rechtsnorm gewaltunterworfen sei. § 43 LWG normiere ausdrücklich, dass die Trinkwasserversorgung öffentlich-rechtlich auszugestalten sei. Auch die Gebühren für das Auswechseln des Zählers unterfielen dem zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehenden öffentlich-rechtlichen Subordinationsverhältnis. Das Verwaltungsgericht habe den Rechtssatz aufgestellt, dass es zur hoheitlichen Geltendmachung von Ansprüchen einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage bedürfe. Damit weiche es von der o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Danach hinge die Zulässigkeit der hoheitlichen Geltendmachung eines Anspruches davon ab, in welchem Verhältnis die vom Anspruch berührten Rechtsträger einander gegenüberstehen. Stehe der Anspruch der vollziehenden Gewalt einer Person zu, die ihr bezüglich des Anspruches auf Grund einer Rechtsnorm gewaltunterworfen sei, so sei die vollziehende Gewalt befugt, den Anspruch hoheitlich zu verwirklichen. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung, die die hoheitliche Geltendmachung von Ansprüchen zulasse, bedürfe es in diesen Fällen nicht.

4

1. Dieses Vorbringen lässt die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht ernstlich zweifelhaft erscheinen. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Beklagte einen Ersatzanspruch für den wegen eines Frostschadens notwendigen Wechsel des Wasserzählers auf dem Grundstück des Klägers nicht durch Erlass eines Leistungsbescheides geltend machen darf, da ihm hierzu die erforderliche Ermächtigung fehlt.

5

a.) Eine Befugnis des Beklagten, Kostenersatz für die Auswechslung und Neuinstallation eines Wasserzählers durch Leistungsbescheid geltend zu machen, ergibt sich zunächst nicht aus der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung des Zweckverbandes Wasser/Abwasser Boddenküste vom 26.08.1999 (GS 1999). Danach können - durch Verwaltungsakt - lediglich in Grundgebühr und Mengengebühr gegliederte Benutzungsgebühren (§1 GS 1999) erhoben sowie die Erstattung der Kosten für die Herstellung, den Aus- oder Umbau, die Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung eines Hausanschlusses (§ 3 Abs. 1 GS 1999) verlangt werden (vgl. zur stets zwangsweisen, hoheitlichen Geltendmachung der Gebühr BVerwG, 10.04.1964 - VII C 68/61 -, DÖV 1964, 712). Eine entsprechende Ermächtigung, die Kosten für den Einbau, Ausbau oder das Auswechseln eines Wasserzählers durch Leistungsbescheid geltend zu machen, fehlt. Die Kosten für eine Erneuerung des Wasserzählers gehören nicht zu den Hausanschlusskosten, da der Zähler gem. § 19 Abs. 3 der Wasserversorgungssatzung des Zweckverbandes Wasser/Abwasser Boddenküste vom 11.07.2001 erst hinter der Hausanschlussleitung eingebaut wird, die gem. § 15 Abs. 1 dieser Satzung an der Kundenanlage endet. Die Gebührensatzung hält sich mit ihrer Beschränkung auf Gebühren und Hausanschlusskosten insoweit an den durch das Kommunalabgabengesetz (KAG) dem Satzungsgeber vorgegebenen rechtlichen Rahmen, in dem es den Gemeinden gestattet ist, Abgaben, d.h. Steuern, Gebühren, Beiträge und sonstige Abgaben zu erheben (vgl. § 1 Abs. 1 KAG) sowie Kostenersatz für Haus- und Grundstücksanschlüsse zu verlangen (§ 10 KAG). Auf den zuletzt genannten Anspruch auf Erstattung der Hausanschlusskosten waren nach § 10 Abs. 2 KAG a.F. die Vorschriften des KAG entsprechend anzuwenden, nach § 10 Abs. 4 Satz 2 KAG n.F. gilt der Anspruch nunmehr als Abgabe im Sinne von § 1 KAG.

6

b.) Eine satzungsrechtliche Ermächtigung zur Geltendmachung der fraglichen Kosten für die Auswechslung des Wasserzählers durch Verwaltungsakt folgt auch nicht aus Anlage II, Punkt II., 2.(Kosten für die Herstellung von Anschlüssen an das Verteilungsnetz, Ein- und/oder Ausbau von Wasserzählern) der Gebührensatzung. Diese Bestimmung enthält ersichtlich nur einen Tarif für Ein- und Ausbau von Wasserzählern, ohne - anders als die Tarife für Benutzungsgebühren und Hausanschlusskosten (vgl. § 1 Satz 1 und § 3 Abs. 1 Satz 1 GS 1999) - mit einer Ermächtigung zur einseitigen Geltendmachung dieser Kosten durch Bescheid im Zusammenhang zu stehen.

7

c.) Eine Befugnis des Beklagten, die Kosten für den Austausch des durch Frost beschädigten Wasserzählers durch Erlass eines Leistungsbescheides geltend zu machen, ergibt sich - entgegen dem Zulassungsvorbringen - schließlich nicht aus einem zwischen den Beteiligten bestehenden öffentlich-rechtlichen Subordinationsverhältnis. Ein solches Verhältnis besteht in Hinsicht auf den hier zwischen den Beteiligten umstrittenen Erstattungsanspruch auf der Grundlage des hier maßgeblichen Satzungsrechts nicht.

8

Die Befugnis, einen öffentlich-rechtlichen Anspruch im Wege des Erlasses eines Verwaltungsaktes geltend zu machen, kann sich, dahingehend ist dem Beklagten zuzustimmen, grundsätzlich schon, also ohne dass insoweit eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich wäre, aus einem zwischen den Beteiligten bestehenden Verhältnis der Über-/Unterordnung ergeben. Die vollziehende Gewalt kann die von der Unterwerfung unter die hoheitliche Gewalt erfassten Rechtsbeziehungen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur BVerwGE 18, 283, 285; E 21, 271, 272; E 28, 1, 4, 5) durch ihre Organe einseitig und dem einzelnen gegenüber verbindlich durch Verwaltungsakt regeln. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht aber durchweg zum Ausdruck gebracht, dass es für die Frage der Befugnis, durch Verwaltungsakt zu handeln, auf eine Über-/Unterordnung zwischen den Beteiligten bezüglich des einzelnen geltend gemachten Anspruches ankommt. Dementsprechend ist bei der Geltendmachung beamtenrechtlicher Schadensersatzansprüche nicht allein auf das Bestehen des Beamtenverhältnisses schlechthin, sondern auf die einzelne dem Rechtsstreit zugrunde liegende Rechtsbeziehung abgestellt worden (BVerwGE 28, 1, 4). Übereinstimmend damit ist in weiteren Entscheidungen für die Frage, ob trotz Fehlens einer ausdrücklichen Ermächtigung durch Verwaltungsakt gehandelt werden darf, stets die einzelne Rechtsbeziehung Gegenstand der Betrachtung gewesen (vgl. BVerwGE 59, 13, 20 bezüglich des Anspruches auf Erstattung von Abschiebungskosten aus § 24 Abs. 6a AuslG a.F. gegenüber dem Arbeitgeber des nichtdeutschen Arbeitnehmers; BVerwGE 67, 66, 71 hinsichtlich der Anrechnung von Sachbezügen auf die beamtenrechtliche Besoldung). Wenn man demnach davon ausgehen kann, dass ein Anspruch eines Hoheitsträgers durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden darf, wenn dieser dem Betroffenen im Verhältnis hoheitlicher Überordnung gegenübersteht (vgl. aber auch diesbezüglich ablehnend OVG Lüneburg, 15.03.1988 - 10 A 14/87 -, NVwZ 1989, 880, 881 m.w.N), so reicht es also nicht schon in jedem Falle aus, dass dieses Verhältnis ein allgemein subordinationsrechtliches Gepräge hat, denn dies rechtfertigt noch nicht den Schluss, dass das Überordnungsverhältnis sämtliche Einzelansprüche erfasst, die hieraus erwachsen. Eine Regel des Inhalts, dass ein dem öffentlichen Recht zuzuordnendes Rechtsverhältnis im Zweifel auf ein umfassendes, durchgängiges und für alle Beziehungen geltendes Über-/Unterordnungsverhältnis angelegt ist, gibt es grundsätzlich nicht. Dies trifft lediglich auf das Beamten- und Soldatenverhältnis sowie vergleichbare Rechtsverhältnisse zu (so VGH Mannheim, 29.12.1989 - 10 S 2252/89 -, NVwZ 1990, 388).

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Mit einem solchen umfassenden Subordinationsverhältnis zwischen Hoheitsträger und Betroffenem ist das zwischen den Beteiligten bestehende öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis nicht vergleichbar. Zwar sind auch hier wesentliche Rechtsbeziehungen von einem Verhältnis der Über-/Unterordnung geprägt. Der Grundstückseigentümer unterliegt hinsichtlich der Versorgung mit Trinkwasser insbesondere entsprechend § 15 Abs. 1 KV M-V, §§ 7 und 8 der Wasserversorgungssatzung vom 11.07.2001 einem Anschluss- und Benutzungszwang und der Beklagte ist nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes i.V.m. seinen Beitrags- und Gebührensatzungen zur zwangsweisen Abgabenerhebung berechtigt. Dies erlaubt jedoch nicht den Schluss, dass er damit sämtliche aus dem Trinkwasserversorgungsverhältnis mit dem anschlussverpflichteten Grundstückseigentümer sich ergebende Ansprüche einseitig hoheitlich durchsetzen und per Verwaltungsakt geltend machen darf. Dies gilt insbesondere für aus verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen wie dem Trinkwasserversorgungs- oder Kanalbenutzungsverhältnis entstehende Schadensersatzansprüche. Sie unterliegen mangels anderslautender gesetzlicher Regelung grundsätzlich der sinngemäßen Anwendung des vertraglichen Schuldrechts als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken (BGHZ 59, 303, 305; ausführlich dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage, S. 344ff). Die Geltendmachung von Schadensersatz durch den die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage betreibenden Zweckverband im Falle eines von dem Grundstückseigentümer verschuldeten Schadens an der öffentlichen Einrichtung beruht demnach nicht auf der dem Verband partiell zugewiesenen hoheitlichen Handlungsbefugnis. Die Schadensersatzpflicht des Anschlussverpflichteten bei Beschädigungen der öffentlichen Anlage fußt vielmehr in dem gleichen, in dem gegenseitigen Austauschverhältnis mit dem hoheitlichen Betreiber der Anlage begründeten Gedanken vertragsähnlicher Haftung, wie umgekehrt ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Bürgers gegen den Betreiber der Anlage (vgl. Ossenbühl, a.a.O., S.346). Dieser übt mit dem Betreiben der Trinkwasserversorgungsanlage eine Tätigkeit aus, die in öffentlich-rechtlicher wie auch in privatrechtlicher Organisationsform und auch in privatrechtlicher Ausgestaltung der Leistungs- und Benutzungsverhältnisse erbracht werden könnte (vgl. nur Arndt/Fetzer in Steiner [Hrsg.], Besonderes Verwaltungsrecht, Kommunalrecht, VI D, Rn. 117).

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Als Ausdruck vertragsähnlicher Haftung ist auch § 19 Abs. 9 der Wasserversorgungssatzung des beklagten Zweckverbandes vom 11.07.2001 zu verstehen, auf den sich der Beklagte in seiner Rechnung vom 21.09.2001 als "Grundlage" seiner Kostenerhebung bezieht. Die Bestimmung entspricht § 18 Abs. 3 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) vom 20. Juni 1980 (BGBl. I, S. 750). Danach haftet der Kunde für Beschädigungen der Messeinrichtung, soweit ihn hieran ein Verschulden trifft. Nach § 35 Abs. 1 AVBWasserV sind Rechtsvorschriften, die das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechend zu gestalten. Damit hat der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung über die Anwendung von Grundsätzen des materiellen Schuldrechts auf verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse getroffen, die seit langem in der Rechtsprechung anerkannt war, und zwar gerade im Bereich der kommunalen Wasserversorgung (so BVerfG, 02.11.1981 - 2 BvR 671/81 -, DVBl. 1982, 27, 29).

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Nach allem scheidet die Geltendmachung des streitigen Anspruches auf Ersatz der durch den Wasserzählerwechsel verursachten Kosten durch Verwaltungsakt mangels dafür bestehender spezieller Ermächtigung - wie von dem Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden - aus. Der Beklagte ist darauf verwiesen, seinen Schadensersatzanspruch im Wege der Leistungsklage geltend zu machen (so i.E. auch Meysen, Die Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 375; VGH Mannheim, a.a.O., 389).

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Die von dem Verwaltungsgericht bejahte Frage, ob der Beklagte hier mit seiner "Rechnung" vom 21. September 2001 und seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2001, den Widerspruch des Klägers vom 14. Oktober 2001 als zwar zulässig, jedoch unbegründet zurückzuweisen, seine Forderung durch Verwaltungsakt geltend gemacht hat, war im vorliegenden Zusammenhang nicht zu prüfen. Der Kläger hat gegen diese für den vorliegenden Rechtsstreit grundlegende Annahme nichts vorgetragen, geschweige denn dargelegt.

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2. Der Zulassungsgrund der Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt nach den vorstehenden Ausführungen ebenfalls nicht vor. Entgegen dem Zulassungsvorbringen hat das Verwaltungsgericht den Rechtssatz

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"Zur hoheitlichen Geltendmachung von Ansprüchen bedarf es einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage"

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nicht aufgestellt. Einen derartigen für "Ansprüche", d.h. alle oder mehrere Ansprüche gültigen allgemeinen Rechtssatz hat das Verwaltungsgericht nicht aufgestellt und seiner Entscheidung auch nicht zugrundegelegt. Das Gericht hat allein die Geltendmachung des Ersatzanspruches wegen der Auswechslung des Wasserzählers behandelt und sich auf diese Rechtsbeziehung beschränkt. Dies steht nach den vorstehenden Ausführungen nicht im Gegensatz, sondern vielmehr im Einklang mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 1965 (BVerwGE 21, 270).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz3 GKG).

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Hinweis

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Mit der Ablehnung des Antrages wird das Urteil rechtskräftig

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.