Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 29. Sept. 2016 - 5 K 2478/13

Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Mit Baugenehmigung vom 00.00.0000 genehmigte die Beklagte dem Kläger den Umbau, die Modernisierung, den Anbau des Treppenhauses und die Nutzungsänderung einer ehemaligen Gaststätte mit Kegelbahn an der R. Straße 00 in C. in ein Vereinshaus/eine Begegnungsstätte und einen Gebetraum mit kulturellen Aktivitäten (Moschee). Laut „Hinweis 3.“ ist die maximale Anzahl der Personen in dem Gebäude unter Verweis auf das Brandschutzkonzept vom 5. Oktober 2006 auf 199 Personen beschränkt. Ausweislich der grüngestempelten Betriebsbeschreibung lauten die Betriebszeiten auf 6 bis 22 Uhr.
3Bei einer Ortskontrolle der Beklagten am 12. August 2011 wurden mindestens 440 Personen in der Moschee gezählt. Die umliegenden Straßen waren zugeparkt. Bei einer Ortsbesichtigung vom 17. Oktober 2011 stellte die Beklagte fest, dass einige Türbreiten nicht den genehmigten Breiten entsprächen und die Rettungswege insoweit selbst für 200 Personen nicht ausreichten.
4Mit Schreiben vom 2. April 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Baugenehmigung aus dem Jahre 2007 sei wegen Nichtausnutzung verfallen, da die tatsächliche Nutzung von der genehmigten erheblich abweiche. Sie regte an, einen Bauantrag zu stellen, um die Nutzung wieder zu legalisieren. Die Zahl der Stellplätze sei nicht ausreichend. Pro fünf Besucher sei der Nachweis eines Stellplatzes erforderlich. Die Nutzung werde jedoch im Umfang der Baugenehmigung geduldet.
5Mit dem Kläger am 9. Mai 2012 zugestellter Ordnungsverfügung vom 27. April 2012 forderte die Beklagte den Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, die Nutzung des Gebäudes als Moschee innerhalb von 10 Tagen nach Zustellung zu unterlassen. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte sie ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 € an. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Nutzung der Moschee erfolge formell illegal. Die tatsächliche Nutzung weiche von der mit Baugenehmigung vom 23. Mai 2007 genehmigten Nutzung stark ab. Daher sei die Baugenehmigung obsolet geworden. Sie sei wegen Nichtausnutzung verfallen. Die Besucherzahlen seien während des Freitagsgebetes regelmäßig höher als 200, bei einer Ortskontrolle aus August 2011 seien gar 440 Besucher gezählt worden. Die Rettungswege seien für diese Besucherzahl nicht ausgelegt. Die Räume im Kellergeschoss würden abweichend von der Baugenehmigung als Gebetsraum für etwa 50 Personen genutzt, und dort sei ein Lebensmittelgeschäft eingerichtet worden. Die Betriebszeiten der Moschee überdeckten sich mit den Ruhezeiten. Insbesondere während des Ramadan führe der An- und Abfahrtsverkehr zu erheblicher Gebietsunruhe. Die Ausgangstüren seien abweichend von der Baugenehmigung verkleinert worden.
6Im Anschluss an Rechtsbehelfsbelehrung und Unterschrift des Sachbearbeiters enthält die Verfügung den „Hinweis“, dass die Nutzung der Moschee im Umfang der am 23. Mai 2007 erteilten Baugenehmigung geduldet werde. Da die bisherige Baugenehmigung wegen Nichtausnutzung verfallen sei, sei bis zum 22. Mai 2012 ein neuer Bauantrag zu stellen, um die Moscheenutzung zu legalisieren.
7Bei Ortskontrollen am 3., 6. und 17. Mai 2013 stellte die Beklagte fest, dass die Moschee von mehr als 200 Besuchern gleichzeitig aufgesucht bzw. dass gegen die nächtlichen Betriebszeiten verstoßen wurde.
8Gegen die Ordnungsverfügung vom 27. April 2012 hat der Kläger am 21. Mai 2013 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Die Ordnungsverfügung sei nichtig, da sie an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig sei. Denn einerseits enthalte die Verfügung die Anordnung, die Nutzung der Moschee innerhalb von 10 Tagen nach Zustellung zu unterlassen, widrigenfalls ein Zwangsgeld festgesetzt werde. Andererseits enthalte die Verfügung auf Seite 5 den Hinweis, dass die Nutzung der Moschee in dem am 27. April 2012 genehmigten Umfang geduldet werde, soweit die Nutzung auf 199 Personen und auf den Zeitraum zwischen 6 und 22 Uhr beschränkt werde. Es sei denkgesetzlich nicht miteinander zu vereinbaren, ihm einerseits aufzugeben, die Nutzung zu unterlassen, andererseits die Nutzung im Umfang der Baugenehmigung zu dulden. Unerheblich sei, dass die Duldung nicht unterschrieben sei. Zum einen sei dies nicht zwingend erforderlich, zum anderen könne dieser Mangel dadurch behoben werden, dass sich die Beklagte gerade nicht an die Seiten 1 bis 4 der Verfügung gehalten habe, sondern vielmehr an die Duldung. Außerdem sei er massiv getäuscht und von der Erhebung der Klage abgehalten worden, was zu einer Nichtigkeit der Verfügung gem. § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG NRW führe. Der für einen Verstoß gegen die guten Sitten erforderliche Vorsatz bestehe darin, dass die Beklagte nach Erlass des Bescheides ein Jahr zugewartet und sich dann erstmals auf die Bedeutung der Ordnungsverfügung berufen habe.
9Der Kläger beantragt,
10festzustellen, dass die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 27. April 2012 nichtig ist,
11den Rechtsstreit auf die Kammer zurück zu übertragen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie trägt zur Begründung vor: Die Ordnungsverfügung sei wirksam. Die gerügte Vollstreckungsregelung entspreche bauaufsichtlicher Praxis zur übergangsweisen sachgerechten Regelung nachbarlicher Konflikte. Die Duldung ändere an dem regelnden Ausspruch der Verfügung nichts, sondern sehe für den Fall eines genehmigungsfähigen Bauantrags, der den genehmigten Bestand aus dem Jahr 2007 aufnehme, im Interesse des Klägers eine vorübergehende Aussetzung der Vollziehung vor. Eine Einflussnahme der Beklagten auf den Vertreter des Klägers, die Verfügung bestandskräftig werden zu lassen, habe nicht stattgefunden. Der Bescheid habe ordnungsgemäß über den statthaften Rechtsbehelf belehrt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
17Über die Klage entscheidet der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 19. August 2016 gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Verhandlung und Entscheidung übertragen worden ist.
18Dieser macht von der Anregung des Klägers in mündlichen Verhandlung, den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO auf die Kammer zurück zu übertragen, keinen Gebrauch. Ein subjektives Recht des Klägers, die Rückübertragung der Sache auf die Kammer zu erzwingen, sieht die Vorschrift nicht vor, wie aus dem Wortlaut hervorgeht. Adressat der Vorschrift ist der Einzelrichter. Die Konstellation einer Ermessensreduzierung, in der der Einzelrichter die Sache an die Kammer zurück zu übertragen hat, ist vorliegend nicht ersichtlich. Sie kommt in Betracht, wenn eine Prozessvorlage an das Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof möglich ist,
19Kronisch in: Sodann/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, § 6 VwGO Rn. 92.
20Vorlagebedürftige Rechtsfragen wirft die Wirksamkeit der bestandskräftigen Bauordnungsverfügung vom 27. April 2012 nicht auf. Der Kläger hat im Übrigen selbst nicht vorgetragen, woraus sich die Änderung der Prozesslage oder die grundsätzliche Bedeutung der Sache ergeben soll.
21Die Klage hat keinen Erfolg.
22Sie ist als Nichtigkeitsfeststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO aufgrund der Bestandskraft der Ordnungsverfügung vom 27. April 2012 statthaft, auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
23Die Regelungen der Ordnungsverfügung vom 27. April 2012 sind nicht nichtig.
24Nichtig ist ein Verwaltungsakt gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG NRW, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Gemäß Abs. 2 ist ein Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 nichtig, der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt; der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt; den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein; den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann; der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht; der gegen die guten Sitten verstößt.
25Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Verwaltungsakt aus tatsächlichen ausführbar (vgl. § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW). Der Ausspruch zur Nutzungsuntersagung und die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 € sind klar und bestimmt. Die Nutzung des Gebäudes als Moschee ist zu unterlassen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird dem Kläger ein Zwangsgeld angedroht. Weitere Regelungen enthält die Verfügung nicht. Sie ist demnach nicht widersprüchlich. Soweit der Kläger auf den „Hinweis“ im Anschluss an die Ordnungsverfügung abstellt, ist dieser Hinweis nicht Gegenstand der Ordnungsverfügung. Er befindet sich hinter der Unterschrift des Sachbearbeiters. Hierzu fügt sich die Formulierung. Eine baurechtwidrige bauliche Anlage zu dulden bedeutet, trotz des Verstoßes gegen das Baurecht – regelmäßig für einen gewissen Zeitraum – keine Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen. Der „Hinweis“ ist als Duldungszusage damit auf einer anderen rechtlichen Ebene als der verfügende Teil der Ordnungsverfügung zu verorten. Die geduldete Nutzung bleibt jedoch rechtswidrig.
26Abwegig ist die Ansicht des Klägers, die Ordnungsverfügung vom 27. April 2012 verstoße gegen die guten Sitten (vgl. § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG NRW). Ein Verwaltungsakt verstößt gegen die guten Sitten, wenn er z. B. erschlichen wurde,
27vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage, § 44 Rn. 47.
28Hiervon kann keine Rede sein. Für die von der Beklagten bestrittene Behauptung, Mitarbeiter des Beklagten hätten ihn dazu verleitet, keine Rechtsmittel gegen die Ordnungsverfügung geltend zu machen, enthalten die Verwaltungsvorgänge keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil. Bei der Besprechung der Beteiligten vom 24. April 2012 ist im Protokoll vermerkt, dass die Beklagte den Erlass einer Ordnungsverfügung gegenüber dem Kläger explizit angekündigt hat (Blatt 70 Beiakte Heft 1). Auch ist die Verfügung vom 27. April 2012 mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, wodurch der Kläger über die Rechtsverbindlichkeit der Ordnungsverfügung in Kenntnis gesetzt wurde. Allenfalls ist diskussionswürdig, inwieweit die Beklagte auch den Prozessbevollmächtigten des Klägers über den Erlass der Ordnungsverfügung vom 27. April 2012 hätte in Kenntnis setzen müssen (vgl. § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG NRW), nachdem dieser mit Schreiben vom 15. August 2011 seine Bevollmächtigung angezeigt hatte. Allerdings hat der Kläger in der Besprechung vom 24. April 2012 (Blatt 70 Beiakte Heft 1) mitgeteilt, einen Ansprechpartner zu benennen, so dass die Beklagte die Fortdauer der Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten in Zweifel ziehen und wohl davon absehen durfte, ihn vom Inhalt der Ordnungsverfügung in Kenntnis zu setzen. Anderenfalls hätte der Kläger auf die Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten hinweisen müssen. Eine vorliegend rechtserhebliche Frage wirft jedoch selbst ein Verstoß gegen § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG NRW nicht auf.
29Darüber hinaus verdeutlicht sowohl der sich aus den Verwaltungsvorgängen als auch aus dem Eindruck der mündlichen Verhandlung ergebende Sachverhalt, dass sich die Beklagte über einen langen Zeitraum und mit hohem Aufwand um eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bemüht hat. Im Verwaltungsverfahren fanden vor und nach Erlass der Ordnungsverfügung mehrfach Gespräche zwischen Vertretern des Klägers und der Beklagten statt, die auch die Frage eines Baugenehmigungsverfahrens umfassten. Grundsätzlich wählt die Bauaufsichtsbehörde vor Erlass einer Ordnungsverfügung den Weg über eine schriftliche Anhörung des Adressaten, der sich dann zu den Tatsachen schriftlich äußern kann. Außerdem hat die Beklagte unmittelbar nach der Klageerhebung mit Schriftsatz vom 12. Juni 2013 das Ruhen des Verfahrens angeregt, um die unstreitige Streitbeilegung zu fördern. Über einen Zeitraum von rund drei Jahren wurden außergerichtliche Einigungsbemühungen geführt. Schließlich hat die Beklagte – was sie zuletzt in der mündlichen Verhandlung bekräftigte – auch selbst nach einem alternativen Standort für die Moschee des Klägers gesucht und sucht auch weiter danach. Vor diesem Hintergrund kann die Behauptung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung, einzelne Mitarbeiter der Beklagten hegten islamfeindliche Ressentiments gegen den Kläger, nicht ansatzweise nachvollzogen werden.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO.
31Beschluss:
32Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz auf 28.490,00 € festgesetzt.

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(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
- 1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt; - 2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt; - 3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein; - 4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann; - 5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht; - 6.
der gegen die guten Sitten verstößt.
(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
- 1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt; - 2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat; - 3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war; - 4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.
(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
- 1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
- 1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt; - 2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt; - 3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein; - 4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann; - 5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht; - 6.
der gegen die guten Sitten verstößt.
(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
- 1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt; - 2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat; - 3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war; - 4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.
(1) Ein Beteiligter kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ermächtigt zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt. Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Ein Widerruf der Vollmacht wird der Behörde gegenüber erst wirksam, wenn er ihr zugeht.
(2) Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in seiner Handlungsfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben; der Bevollmächtigte hat jedoch, wenn er für den Rechtsnachfolger im Verwaltungsverfahren auftritt, dessen Vollmacht auf Verlangen schriftlich beizubringen.
(3) Ist für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt, so soll sich die Behörde an ihn wenden. Sie kann sich an den Beteiligten selbst wenden, soweit er zur Mitwirkung verpflichtet ist. Wendet sich die Behörde an den Beteiligten, so soll der Bevollmächtigte verständigt werden. Vorschriften über die Zustellung an Bevollmächtigte bleiben unberührt.
(4) Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit dieser nicht unverzüglich widerspricht.
(5) Bevollmächtigte und Beistände sind zurückzuweisen, wenn sie entgegen § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes Rechtsdienstleistungen erbringen.
(6) Bevollmächtigte und Beistände können vom Vortrag zurückgewiesen werden, wenn sie hierzu ungeeignet sind; vom mündlichen Vortrag können sie nur zurückgewiesen werden, wenn sie zum sachgemäßen Vortrag nicht fähig sind. Nicht zurückgewiesen werden können Personen, die nach § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung zur Vertretung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren befugt sind.
(7) Die Zurückweisung nach den Absätzen 5 und 6 ist auch dem Beteiligten, dessen Bevollmächtigter oder Beistand zurückgewiesen wird, mitzuteilen. Verfahrenshandlungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten oder Beistands, die dieser nach der Zurückweisung vornimmt, sind unwirksam.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.