Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 06. Dez. 2017 - Au 6 E 17.1806

bei uns veröffentlicht am06.12.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger. Nach einem sechs- bis achtmonatigen Aufenthalt und Asylantragstellung in Italien reiste der Antragsteller am 26. Februar 2014 unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 14. April 2014 einen Asylantrag beim Bundesamt für ... (nachfolgend: Bundesamt). Dabei nannte er als Geburtsdatum den ... 1990, geboren sei er in ... im Senegal (Bl. 10, 14, 163, 303 der Behördenakte).

Dem Bundeskriminalamt W. lagen Fingerabdrücke vor, die mit denen des Antragstellers identisch waren (Bl. 31 der Behördenakte). Während der Name des Antragstellers mit den Informationen der Ausländerbehörde übereinstimmte, wurde der Antragsteller vom Bundeskriminalamt als am ... 1991 geborener gambischer Staatsangehöriger geführt. Im Rahmen eines Übernahmeersuchens aus Österreich wurde als weiteres Geburtsdatum des Antragstellers (wiederum als senegalesischer Staatsangehöriger) der ... 1991 mitgeteilt (Bl. 96 der Behördenakte).

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 16. Dezember 2015 gab der Antragsteller an, seine Geburtsurkunde sei im Besitz seines inzwischen verstorbenen Vaters im Senegal gewesen; seinen Personalausweis habe er auf der Flucht verloren (Bl. 111 der Behördenakte). Wo sich seine Mutter aufhalte, wisse er nicht, seit über einem Jahr habe er keinen Kontakt mehr zu ihr. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamts vom 22. Dezember 2015 als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Bl. 100 ff. der Behördenakte); die hiergegen gerichteten Eilantrags- und Klageverfahren blieben erfolglos (VG Augsburg, B.v. 29.1.2016 – Au 7 S. 16.30014, Bl. 124 ff. der Behördenakte; U.v. 7.3.2016 – Au 7 K 16.30013, Bl. 138 ff. der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 25. Februar 2016 wurde der Antragsteller aufgefordert, sich Heimreisedokumente zu beschaffen (Bl. 131 der Behördenakte). Am 2. März 2016 wurde ihm eine Frist bis zum 1. April 2016 gesetzt, um sich zur Beantragung von Heimreisedokumenten zu seiner Auslandsvertretung zu begeben, gleichzeitig wurde ihm eine Duldung erteilt (Bl. 136 der Behördenakte). Der Antragsteller erschien am 9. März 2016 in der senegalesischen Botschaft in Berlin (Bl. 147 der Behördenakte). Nach Vorbringen seines Bevollmächtigten weigerte sich die senegalesische Botschaft jedoch, einen Pass auszustellen, weil Zweifel an der Staatsangehörigkeit des Antragstellers bestünden (Schreiben vom 14.3.2016, Bl. 146 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 28. April 2016 forderte die Ausländerbehörde den Antragsteller auf, unverzüglich Nachweise über seine Identität, beispielsweise über Verwandte und Bekannte in der Heimat, zu beschaffen (Bl. 157 der Behördenakte). Da der Antragsteller bereits eine Geburtsurkunde und einen Personalausweis im Senegal besessen habe, sei es ihm möglich, über Privatpersonen oder senegalesische Behörden Nachweise über seine Identität zu erlangen. Am 3. Mai 2016 belehrte die Ausländerbehörde den Antragsteller nochmals über seine Passpflicht und seine Pflicht zur Vorlage von Passdokumenten sowie über seine Pflicht, an der Identitätsklärung mitzuwirken (Bl. 166 f. der Behördenakte).

Der Bevollmächtigte des Antragsstellers teilte daraufhin mit, dass der Vater seines Mandanten gestorben sei und zu seiner Mutter kein Kontakt mehr bestünde (Bl. 171 f. der Behördenakte). Die Mutter sei wie der Antragsteller geflüchtet; ihren Aufenthaltsort kenne der Antragsteller nicht. Sie habe den Antragsteller seit seiner Flucht ein einziges Mal angerufen, jedoch sei das Gespräch sofort abgebrochen worden und der Antragsteller wisse nicht, wie die Mutter die Telefonnummer des Antragstellers in Erfahrung gebracht habe. Ferner habe der Antragsteller lediglich eine Koranschule besucht, spreche kein Französisch und kenne keine Person oder Behörde, die bei der Beschaffung von Personaldokumenten helfen könne.

Mit Schreiben vom 17. November 2016 wies die Ausländerbehörde daraufhin, dass dem Antragsteller die Kontaktaufnahme mit senegalesischen Behörden zumutbar sei. Insbesondere bestehe auch die Möglichkeit, die Hilfe eines Vertrauensanwalts in Anspruch zu nehmen (Bl. 208 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2016 wurde der Antragsteller durch die nun zuständige Zentrale Ausländerbehörde der Regierung von ... erneut über seine Mitwirkungspflichten zur Identitätsklärung, seine Passbeschaffungs- und Passvorlagepflichten belehrt (Bl. 259 f. der Behördenakte). Am 13. Dezember 2016 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit, dass der Antragsteller einen Vertrauensanwalt im Senegal angeschrieben habe (Bl. 266 f. der Behördenakte). Am 28. Dezember 2016 wurde dem Antragsteller erneut eine Duldung für drei Monate erteilt (Bl. 277 der Behördenakte). Bei einem persönlichen Gespräch am selben Tag gab der Antragsteller an, bisher keine Rückmeldung von dem von ihm angeschriebenen Vertrauensanwalt erhalten zu haben (Bl. 282, 285 der Behördenakte).

Eine erneute Belehrung erfolgte am 27. Januar 2017 im Rahmen eines weiteren Gesprächs zur Identitätsklärung (Bl. 297 ff. der Behördenakte). Am 24. Februar 2017 teilte das Landratsamt ... der zuständigen Ausländerbehörde (Regierung von ...) mit, dass der Antragsteller seit Wochen nicht mehr in seiner Unterkunft gesehen worden sei (Bl. 319 der Behördenakte); der Antragsteller wurde infolgedessen zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben und ab dem 1. Februar 2017 nach unbekannt abgemeldet (Bl. 324, 326 der Behördenakte). Nach Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers wohnte der Antragsteller jedoch weiterhin in der ihm zugewiesenen Unterkunft und sei für den Bevollmächtigten postalisch erreichbar (Bl. 325 der Behördenakte). Der Antragsteller besuche lediglich ab und zu seine Freundin.

Am 22. März 2017 teilte die Bundespolizei der zuständigen Ausländerbehörde mit, dass der Antragsteller von der französischen Polizei im Zug kontrolliert und anschließend durch die französische Polizei zurückgewiesen worden sei (Bl. 327 der Behördenakte). Die Bundespolizei werde den Antragsteller zurück in die ihm zugewiesene Unterkunft schicken (seit 27.3.2017: Unterkunft in ...).

Mit Bescheid vom 21. April 2017 wurde der Kläger verpflichtet, zum Zwecke der Identifizierung und Passbeschaffung an einer Anhörung durch Vertreter der senegalesischen Botschaft teilzunehmen und mitzuwirken; die zwangsweise Vorführung wurde angedroht (Bl. 338 ff. der Behördenakte). Der Antragsteller gab bei seiner Anhörung am 11. Mai 2017 laut dem Bundespolizeipräsidium an, senegalesischer Staatsangehöriger zu sein, konnte jedoch keine Angaben über den Senegal machen und sprach Englisch mit einem gambischen Akzent (Bl. 348 der Behördenakte). Die senegalesische Delegation vermerkte auf der Interviewbescheinigung, der Antragsteller habe sich als senegalesischer Staatsangehöriger ausgegeben, aber gesagt, dass er nie senegalesische Identitätspapiere besessen habe (Bl. 350 der Behördenakte). Es könne sich auch um einen gambischen Staatsangehörigen handeln, weswegen weitere Ermittlungen nötig seien. Die senegalesischen Behörden baten um eine Zusendung von Fingerabdrücken des Antragstellers im Original; eine zeitnahe Weiterleitung der Fingerabdrücke durch die deutschen Behörden war jedoch nicht möglich, weshalb eine offizielle Bestätigung der Staatsangehörigkeit des Antragstellers von Seiten der senegalesischen Behörden unterblieb (Bl. 380 der Behördenakte).

Am 7. September 2017 bestätigte das Standesamt, dass der Antragsteller und eine 1958 geborene deutsche Staatsangehörige am selben Tag das Standesamt Unterlagen zur Anmeldung der Eheschließung vorgelegt hätten und dass diese Unterlagen nach dem damaligen Kenntnisstand vollständig seien (Bl. 37 der Gerichtsakte). Am 11. September 2017 unterrichtete der Bevollmächtigte des Antragstellers die Ausländerbehörde darüber, dass der Antragsteller eine deutsche Staatsangehörige heiraten wolle und die hierfür erforderlichen Unterlagen beim Standesamt abgegeben worden seien (Bl. 38 der Gerichtsakte).

Der Antragsteller suchte das Standesamt am 14. September 2017 erneut auf; hierbei wurde ein dem Standesamt vorgelegter senegalesischer Reisepass auf Veranlassung der Ausländerbehörde sichergestellt (Bl. 352 der Behördenakte). Der Antragsteller und seine Verlobte gaben an, den Pass habe der Antragsteller in Paris abgeholt, weil nur bestimmte Konsulate in Europa senegalesische Pässe ausstellen würden (Bl. 357 der Behördenakte). Der Reisepass wurde am 25. Juli 2017 auf den Namen „...“ ausgestellt, als Geburtsdatum ist der ... 1992 und als Geburtsort ... eingetragen (Bl. 354 der Behördenakte). Als Adresse wurde „..., ...“ angegeben.

Am 26. September 2017 leitete die Ausländerbehörde Maßnahmen zur Abschiebung des Antragstellers ein (Bl. 365 ff. der Behördenakte); der Abschiebeflug wurde auf den 27. November 2017 festgesetzt (Bl. 387 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 teilte das Standesamt der Verlobten des Antragstellers mit, dass das Oberlandesgericht ... die Unterlagen zurückgegeben hätte, dem Antrag derzeit jedoch nicht entsprochen werden könne. Zum einen habe der Antragsteller nur eine eidesstattliche Versicherung seiner Mutter zum Familienstand vorgelegt, nicht aber eine eidesstattliche Versicherung des Vaters. Sollte der Vater verstorben sein, so müsse eine Sterbeurkunde mit Übersetzung und Legalisation vorgelegt werden. Zum anderen müsse der Antragsteller die unterschiedlichen Geburtsdaten in seinem deutschen Duldungstitel und seinem Reisepass erklären.

Der Antragsteller erklärte mit einem Schreiben vom 4. November 2017, dass der Pass und die Dokumente aus dem Senegal echt seien und die Angaben in seinem „Asylausweis“ nicht richtig seien, da er zur Zeit seiner Asylantragstellung nicht habe klar denken können (Bl. 402 der Behördenakte).

Am 6. November 2017 bestätigte das Standesamt, dass der Antragsteller die Sterbeurkunde seines Vaters und eine Erklärung über die Schreibweise seines Namens abgegeben habe. Am 23. November 2011 überwies die Verlobte des Antragstellers die für die Eheschließung anfallende Verwaltungsgebühr.

Der Versuch, den Antragsteller am 27. November 2017 in Gewahrsam zu nehmen, scheiterte jedoch, da der Antragsteller in seiner Unterkunft nicht angetroffen wurde (Bl. 398 der Behördenakte). Nach Auskunft der dortigen Außendienstmitarbeiterin halte sich der Antragsteller sowieso so gut wie nie in der ihm zugewiesenen Unterkunft auf. Auch an der Wohnanschrift seiner Lebensgefährtin konnte der Antragsteller nicht angetroffen werden; auf das Läuten der Polizei öffnete niemand.

Die Ausländerbehörde forderte den Antragsteller auf, am 29. November in den Räumlichkeiten der Ausländerbehörde zu erscheinen, dort wurde er verhaftet. Mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 29. November 2017 (Az.: ...) wurde die Sicherungshaft gegen den Antragsteller bis zum 12. Dezember 2017 angeordnet (Bl. 408 ff. der Behördenakte); der Abschiebungsflug ist für den 11. Dezember 2017 geplant. Dabei stellte das Amtsgericht ... fest, dass das Verhalten des Antragstellers keinen anderen Schluss zulasse, als dass der Antragsteller sich seinen Reisepass bewusst habe in Frankreich ausstellen lassen, um zu verhindern, dass die deutschen Ausländerbehörden davon Kenntnis erlangten. Den vorhandenen Reisepass habe er anschließend bewusst unterdrückt und seinen Entziehungswillen manifestiert. Zudem halte sich der Antragsteller nur selten – nachts – bei seiner Lebensgefährtin und überhaupt nicht in der ihm zugewiesenen Unterkunft auf. Der Antragsteller habe die Maßnahmen der Ausländerbehörde durch sein bisheriges Verhalten selbst zu vertreten. Auch in Hinblick auf Art. 6 GG sei die Maßnahme nicht unverhältnismäßig; insbesondere sorge die Lebensgefährtin selbst für ihren Unterhalt und sei nicht auf die Lebenshilfe des Antragstellers angewiesen.

Am 1. Dezember 2017 meldete die Lebensgefährtin des Antragstellers die Eheschließung für den 15. Dezember 2017 an.

Mit Telefax vom 1. Dezember 2017 ließ der Antragsteller beantragen,

Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Einleitung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen den Antragsteller vorerst bis zu dessen Eheschließung beim Standesamt ... zu unterlassen.

Die Ausreise des Antragstellers sei zunächst wegen des fehlenden Reisepasses unmöglich gewesen. Zudem habe der Antragsteller stets in der ihm zugewiesenen Unterkunft gewohnt. Er beabsichtige, mit einer deutschen Staatsangehörigen die Ehe zu schließen. Hierfür habe der Antragsteller am 7. September 2017 beim Standesamt alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt (Bl. 37 der Gerichtsakte). Aus nicht nachvollziehbaren Gründen habe das Oberlandesgericht ... jedoch auch die Sterbeurkunde des Vaters des Antragstellers verlangt, welche vor ca. drei Wochen nachgereicht worden sei. Die Eheschließung sei für den 15. Dezember 2017 geplant. Daher seien aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu unterlassen und dem Antragsteller sei die Eheschließung zu ermöglichen. Das Verhalten des Antragsgegners werde auch nicht dadurch zulässig, dass sich die Eheschließung kurzfristig verzögerte. Wegen der Pflicht zur Vorlage der Sterbeurkunde des Vaters des Antragstellers sei eine Heirat erst ab dem 7. November 2017 möglich gewesen. Da die Verlobte des Antragstellers hiervon jedoch erst Ende November 2017 erfahren habe und als in Vollzeit Berufstätige nicht kurzfristig Urlaub nehmen könne, sei eine Eheschließung vor dem 15. Dezember 2017 nicht möglich.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag nach § 123 VwGO abzulehnen.

Der Antragsteller sei wiederholt auf seine Pflichten zur Passbeschaffung, Passvorlage und Identitätsklärung hingewiesen worden. Gleichwohl habe er den am 25. Juli 2017 ausgestellten Reisepass der Ausländerbehörde nicht vorgelegt. Der Antragsteller habe über seine Identität getäuscht und gegen seine Pflicht zur Passvorlage verstoßen. Indem er den Reisepass in Frankreich beantragt und abgeholt habe, habe der Antragsteller zu vermeiden versucht, dass die deutschen Ausländerbehörden Kenntnis von der Existenz eines Passes erlangen. Der seit Anfang 2016 vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller hätte spätestens im Juli 2017 ausreisen können. Zudem sei die Eheschließung nicht durch die Sicherungshaft verhindert worden. Am 11. Oktober 2017 sei der Antragsteller vom Standesamt zur Beibringung der erforderlichen Unterlagen aufgefordert worden. Nach Auskunft des Standesamts ... sei die Eheschließung ab der Befreiung von der Vorlage der Ledigkeitsbescheinigung durch das Oberlandesgericht ... vom 7. November 2017 ab dem 15. November 2017 (Zugang beim Standesamt) möglich gewesen. Bezeichnenderweise sei der Hochzeitstermin durch die Lebensgefährtin des Antragstellers jedoch erst am 1. Dezember 2017, also nach der Inhaftierung des Antragstellers, auf einen Termin nach der geplanten Abschiebung festgesetzt worden. Des Weiteren wäre eine Eheschließung, wie das Standesamt ... versichert habe, auch in der Haft möglich. Von einer Vereitelung der Eheschließung durch die Ausländerbehörde könne also keine Rede sein.

Über eine verwaltungsgerichtlich vorgeschlagene freiwillige und überwachte Ausreise des Antragstellers in den Senegal zwecks ordnungsgemäßer Erfüllung der Ausreisepflicht, Vermeidung einer Einreisesperre und Durchführung eines Visumsverfahrens zum Ehegattennachzug gelangten die Beteiligten nicht zu einer Einigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet, weil der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nach § 123 VwGO nicht glaubhaft gemacht hat.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, weil nach bestandskräftigem Abschluss des Asylverfahrens mit der dortigen Abschiebungsandrohung kein Verwaltungsakt mehr vorliegt, dessen aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet werden könnte. Somit ist allein das Verfahren nach § 123 VwGO auf vorläufige Duldung statthaft.

2. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

a) Ein Anordnungsgrund liegt vor, weil die für den 11. Dezember geplante Abschiebung unmittelbar bevorsteht und zu einer räumlichen Trennung der Verlobten und möglicherweise zu einer Beeinträchtigung ihrer Eheschließungsfreiheit führen könnte.

b) Es liegt jedoch kein Anordnungsanspruch vor, weil dem Antragsteller kein Duldungsanspruch zur Seite steht.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Duldung nach § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.

Der Antragsteller ist seit Eintritt der Bestandskraft der asylrechtlichen Entscheidung im März 2016 vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG), er ist seiner Ausreisepflicht jedoch bis heute nicht nachgekommen. Seine Ausreise ist aber jedenfalls seit Ausstellung seines Reisepasses tatsächlich möglich.

Die Abschiebung ist auch in Hinblick auf Art. 6 GG nicht rechtlich unmöglich.

aa) Eine Eheschließung im Bundesgebiet steht derzeit zwar unmittelbar bevor.

Eine Duldung kommt grundsätzlich in Betracht, wenn die Eheschließung unmittelbar bevorsteht und sonst durch eine Abschiebung die aus Art. 6 GG (auch für Ausländer) geschützte Eheschließungsfreiheit (BVerfG, B.v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68 – BVerfGE 31, 58/67 ff.; B.v. 30.11.1982 – 1 BvR 818/81 – BVerfGE 62, 323/329; B.v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 – BVerfGE 76, 1/42, stRspr) beeinträchtigt würde. Art. 6 Abs. 1 GG schützt auch das Recht, eine Ehe zu schließen und ist bei Aufenthaltsentscheidungen mit zu würdigen.

Eine Eheschließung im Bundesgebiet steht unmittelbar bevor, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist (ausführlich OVG Hamburg, B.v. 4.4.2007 – 3 Bs 28/07 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 2.11.2016 – 10 CE 16.1965 – juris Rn. 7): Sind die Vorbereitungen in dem Verfahren der Eheschließung bereits so weit vorangeschritten, dass die Anmeldung der Eheschließung vorgenommen wurde, die Verlobten die von dem Standesbeamten geforderten Urkunden beschafft haben und bei der Prüfung der Ehefähigkeit von ausländischen Verlobten ein Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses gestellt wird, so kommt die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung in Betracht, wenn dem Standesbeamten im Hinblick auf den gestellten Befreiungsantrag alle aus seiner Sicht erforderlichen Unterlagen vorliegen (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 10 CE 15.2165 – juris Rn. 18; B.v. 28.11.2016 – 10 CE 16.2266 – juris Rn. 11 m.w.N). Für das Vorliegen einer solchen Situation kann es sprechen, wenn der Standesbeamte die Antragsunterlagen an den für die Entscheidung über den Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses zuständigen Präsidenten des Oberlandesgerichts weitergeleitet hat, da dem Standesbeamten die Vorbereitung dieser Entscheidung obliegt und er die hierfür notwendigen Nachweise von den Verlobten anzufordern hat. Umgekehrt ist nicht von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung auszugehen, wenn der Standesbeamte einen Termin zur Eheschließung aus Gründen nicht festsetzen kann, die in die Sphäre der Verlobten fallen (vgl. VGH BW, B.v. 13.11.2001 – 11 S 1848/01 – InfAuslR 2002, 228 ff.). Gleiches gilt, wenn sich im weiteren Verfahrensgang herausstellt, dass eine Entscheidung des Präsidenten des Oberlandesgerichts deshalb nicht ergehen kann, weil es noch an Unterlagen fehlt oder sonst Zweifel oder Unklarheiten bestehen, die in den Zurechnungsbereich der Verlobten fallen; dann ist bis zu dem Zeitpunkt, in dem die für die Entscheidung über den Antrag noch fehlenden Unterlagen nachgereicht bzw. die Zweifel oder Unklarheiten beseitigt worden sind, von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung nicht auszugehen (SächsOVG, B.v. 16.5.2006 – 3 Bs 61/06 – AuAS 2006, 242 f.).

Im vorliegenden Fall steht die Eheschließung erst seit dem 7. November 2017 unmittelbar bevor. Zuvor hatten das Oberlandesgericht ... und auch das Standesamt ... noch die Sterbeurkunde des Vaters des Antragstellers verlangt, weshalb bis dahin noch nicht alle für die Eheschließung notwendigen Unterlagen vorlagen. Die Erklärung des Standesamts vom 7. September 2017 stand unter dem Vorbehalt des „heutigen Kenntnisstandes“ und wurde durch spätere Erklärungen, insbesondere durch das Schreiben vom 11. Oktober 2017, überholt. Des Weiteren hielt das Standesamt, wie es im Schreiben vom 11. Oktober 2017 ausführte, auch die Personalien des Antragstellers (insbesondere in Hinblick auf sein Geburtsdatum) für klärungsbedürftig, so dass eine Eheschließung zuvor wegen eines in die Sphäre des Antragstellers fallenden Umstandes nicht möglich war.

bb) Das Grundrecht auf Eheschließungsfreiheit ist in seinem Schutzbereich zwar eröffnet; es tritt jedoch hier ausnahmsweise gegenüber einwanderungspolitischen Belangen und dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Ausreisepflicht des Antragstellers im Rahmen der Schranken- und Verhältnismäßigkeitsprüfung zurück.

Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (BVerfG, B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 2625/10 – juris Rn. 13). Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind. Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es jedoch grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen.

Entsprechendes gilt für die Frage, ob die Ausländerbehörde einem sich – wie hier – in Sicherungshaft befindlichen Ausländer die Eheschließung in Deutschland ermöglichen muss oder ihn auf die Einholung eines Visums zur Eheschließung im Wege des Familiennachzugs verweisen kann. In der Regel besteht für die Ausländerbehörde im Lichte des Art. 6 GG zwar die Pflicht, eine unmittelbar bevorstehende Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen nicht durch die vorherige Abschiebung des Ausländers zu vereiteln. Ausnahmsweise ist es dem Ausländer jedoch auch bei einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung zumutbar, die Eheschließung über ein Visumverfahren zum Familiennachzug nachzuholen und ist die Abschiebung des Ausländers trotz bevorstehender Eheschließung verhältnismäßig, wenn er seinen zur Eheschließung reichenden Aufenthalt vorwerfbar durch pflichtwidriges Fehlverhalten tatsächlich erzwungen und eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung erst erforderlich gemacht hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen begonnen wurden, bevor die Eheschließung unmittelbar bevorstand und wenn der Antragsteller die ihm eingeräumte Möglichkeit, noch vor seiner Abschiebung zu heiraten, nicht wahrnimmt.

So liegt der Fall hier.

(1) Die Abschiebung ist auch im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG verhältnismäßig, da die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Ausländerbehörde schon im September 2017 eingeleitet wurden und damit bevor eine Eheschließung unmittelbar bevorstand (ab dem 7.11.2017). Die Eheschließung wurde von der Verlobten des Antragsstellers erst angemeldet, als sich der Antragsteller bereits in Sicherungshaft befand und der Tag der Abschiebung feststand. In einem derartigen Fall liegt keine gezielte Verhinderung der Eheschließung durch die Ausländerbehörde vor.

(2) Dem Antragsteller wäre es zudem durch die Ausländerbehörde in Absprache mit dem zuständigen Standesamt ermöglicht worden, noch in der Haft zu heiraten. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Ausländerbehörde die Eheschließung gezielt vereiteln würde; im Gegenteil hat sich die Ausländerbehörde sogar noch um die Ermöglichung einer Eheschließung bemüht. Die Ablehnung dieses Angebots der Ausländerbehörde und die Festlegung des Hochzeitstermins auf einen Tag nach der Abschiebung sprechen vielmehr dafür, dass der Hochzeitstermin maßgeblich die bevorstehende Abschiebung des Antragstellers verhindern soll. Dass die Verlobte des Antragstellers wegen ihrer Vollzeittätigkeit vor dem 15. Dezember 2017 nicht einmal die für eine standesamtliche Hochzeit benötigte Zeit von ca. einer halben Stunde nebst Anfahrt erübrigen kann, ist trotz einer Vollzeittätigkeit nicht glaubhaft.

(3) Hat der Antragsteller durch Identitätstäuschung, Falschangaben zu vorhandenen Identitätspapieren und durch Nichtvorlage eines in seinem Besitz befindlichen Reisepasses seine Abschiebung gezielt verhindert, bis er schließlich die Eheschließung beim Standesamt beantragen konnte, ist seine Eheschließungsfreiheit weniger schutzwürdig und ihm eine Abschiebung und damit eine zeitweise Verhinderung der Eheschließung in der Bundesrepublik bis zu seiner Wiedereinreise zumutbar.

Der Antragsteller hat im vorliegenden Fall seit seiner Einreise in die Bundesrepublik gegen zahlreiche rechtliche Verpflichtungen verstoßen und so seine Abschiebung verhindert und nun erst erforderlich gemacht:

Der Antragsteller hat in schwerwiegender Weise gegen seine Passpflicht nach § 3 AufenthG verstoßen. Er ist nicht nur ohne Pass und damit unter Verstoß gegen die nach § 3 AufenthG grundsätzlich für alle Ausländer im Bundesgebiet geltende Passpflicht eingereist, sondern er hat sich seit Ablehnung seines Asylantrags über Jahre nicht hinreichend um eine Passbeschaffung bemüht und so seine Abschiebung verhindert. Als zumutbare Mitwirkung an der Beschaffung eines Identitätspapiers gilt, in der den Bestimmungen des deutschen Passrechts, insbesondere den § 6 und § 15 PassG, entsprechenden Weise an der Ausstellung mitzuwirken und die Behandlung eines Antrags durch die Behörden des Herkunftsstaats nach dessen Recht zu dulden, sofern dies nicht zu einer unzumutbaren Härte führt. Zumutbar ist es danach insbesondere, in einem Antrag alle Tatsachen anzugeben, die zur Feststellung der Identität der Person und seiner Eigenschaft als Staatsangehöriger seines Herkunftsstaats notwendig sind und die entsprechenden Nachweise zu erbringen (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2014 – 10 C 12.498 – juris Rn. 8 m.w.N.). Die Zumutbarkeit beurteilt sich darüber hinaus nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BayVGH a.a.O. Rn. 9), wobei der Ausländer an allen Handlungen mitwirken muss, die die Behörden zulässigerweise von ihm verlangen. Die behördlichen Hinweise müssen so gehalten sein, dass für den Ausländer hinreichend erkennbar ist, welche Schritte er zu unternehmen hat; ein bloßer allgemeiner Verweis auf bestehende Mitwirkungspflichten oder die Wiedergabe des Gesetzestextes wird diesen Anforderungen nicht gerecht. In aller Regel ist die Behörde angesichts ihrer organisatorischen Überlegenheit und sachlichen Nähe, ihrer Kontakte und Kenntnisse besser in der Lage, die bestehenden Möglichkeiten zu erkennen und die entsprechenden Schritte in die Wege zu leiten. Daher hat in erster Linie die Ausländerbehörde nach Möglichkeiten für die Beseitigung von Hindernissen zu suchen. Der Ausländer ist aber auch gehalten, eigenständig die Initiative zu ergreifen. Eine Grenze bildet dabei die Frage, welche Möglichkeiten ihm bei objektiver Betrachtungsweise bekannt sein können. Der Ausländer und die Behörde müssen sich gemeinsam um die Beseitigung von Hindernissen kümmern; ihre Pflichten stehen in einem Verhältnis der Wechselseitigkeit. Keine Seite kann von der anderen verlangen, dass diese allein sich um die Beseitigung bestehender Hindernisse bemüht (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2011 – 19 C 11.1664 – juris Rn. 6).

Im vorliegenden Fall hat die Behörde alles getan, um einen Pass für den Antragsteller ausgestellt zu bekommen. Sie hat den Antragsteller zahlreiche Male, teilweise im Monatsrhythmus, über seine bestehende Passpflicht und seine Pflichten zur Mitwirkung an der Passbeschaffung und an der Identitätsklärung belehrt. Weiter hat sie konkrete Vorgaben gemacht, wie der Antragsteller einen Pass oder zumindest sonstige Identitätspapiere erlangen könnte, beispielsweise über eine Anhörung bei der senegalesischen Botschaft oder einen Vertrauensanwalt. Der Antragsteller ist zwar den konkreten Aufforderungen seitens der Behörde nachgekommen. So hat er beispielsweise die senegalesische Botschaft aufgesucht, an einer Anhörung durch eine senegalesische Delegation teilgenommen und einen Brief an einen Vertrauensanwalt gerichtet. Diese Mitwirkungshandlungen waren jedoch weder ausreichend noch ernsthaft. Vielmehr hat der Antragsteller nur zum Schein mitgewirkt und stets dafür gesorgt, dass seine vorgeblichen Mitwirkungshandlungen nicht zum Erfolg führen würden: So gab der Antragsteller bereits bei Stellung seines Asylantrags ein anderes Geburtsdatum (...1990) und nur die grobe Ortsangabe der Region „...“ als Geburtsort an, obwohl er laut seiner eigenen Angaben und seinem nun vorhandenen Reisepass am ... 1992 in der Stadt ... geboren wurde. Auch die Schreibweise seines Vor- und Nachnamens im Reisepass weicht von derjenigen seiner Aufenthaltsgestattung ab. Damit hat der Antragsteller Falschangaben zu seinen Personalien gemacht, insbesondere in Hinblick auf sein Geburtsdatum, und weitere Angaben wie den konkreten Geburtsort trotz seiner diesbezüglichen Mitteilungspflicht verschwiegen. Die falschen Angaben hat er auch in den folgenden Jahren bis zu seiner heimlichen Passbeschaffung in Frankreich nie korrigiert. Dadurch wurde den deutschen wie auch den senegalesischen Behörden eine Identifizierung des Antragstellers wesentlich erschwert. Ferner hat der Antragsteller auch Falschangaben zu vorhandenen Identitätspapieren gemacht. Gab er im Rahmen seines Asylverfahrens wiederholt an, seine Geburtsurkunde sei bei seinem inzwischen verstorbenen Vater im Senegal geblieben und seinen Personalausweis habe er auf der Flucht verloren, trug er im Rahmen der Anhörung durch eine senegalesische Delegation am 11. Mai 2017 vor, nie Identitätspapiere besessen zu haben. Dadurch vereitelte der Antragsteller die Möglichkeit der senegalesischen Behörden, Nachforschungen über bereits von senegalesischen Behörden ausgestellte und damit ggf. dokumentierte Identitätsnachweise anzustellen und so die Identität des Antragstellers zu klären. Das angebliche Schreiben an einen senegalesischen Vertrauensanwalt – ein Zugangsnachweis fehlt – war weder von der äußeren Form noch von seinem Inhalt her ernsthaft darauf gerichtet, dass ein Vertrauensanwalt sich beim Antragsteller melden würde. Es fehlten im Schreiben beispielsweise nähere Ausführungen zu den vom Anwalt erwarteten konkreten Handlungen, zu einer Vergütungsabrede und zur weiteren Vorgehensweise. Zudem hätte der Antragsteller, wenn er ernsthaft an der Mandatierung eines Anwalts interessiert gewesen wäre, mehr als einen Versuch unternommen, einen Vertrauensanwalt im Senegal zu finden – ggf. auch mit Hilfe seines Bevollmächtigten. Wer durch die Angabe falscher Personalien und Falschaussagen zu bereits vorhandenen Identitätspapieren die Ausstellung eines Passes und damit auch die Abschiebung über längere Zeit verhindert, bis eine Eheschließung unmittelbar bevorsteht, ist in Bezug auf die Eheschließungsfreiheit nicht im gleichem Maße schutzwürdig wie bei pflichtgemäßen Vorverhalten.

(4) Als weiterer, eine Abschiebung trotz bevorstehender Eheschließung rechtfertigender Gesichtspunkt ist zu würdigen, dass der Antragsteller nie einen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, da der Asylantrag des Antragstellers, der aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt, als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde und der Antragsteller daher seit März 2016 ausreisepflichtig war. Der Antragsteller hat zu keinem Zeitpunkt einen Aufenthaltstitel inne gehabt und konnte wegen seines sogar offensichtlich unbegründeten Asylantrags nicht auf eine Bleibeperspektive in der Bundesrepublik vertrauen. Von einer gelungenen Integration in die hiesige Sozial- und Rechtsordnung kann angesichts des ungesicherten Aufenthaltsstatus nicht die Rede sein (BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 10 CE 16.2266 – juris Rn. 13).

(5) Des Weiteren mindert seine Schutzwürdigkeit, dass der Antragsteller offensichtlich in der Lage war, selbstständig und insbesondere ohne Mitwirkung der Ausländerbehörde sich einen Reisepass in Frankreich zu besorgen, dies jedoch erst tat, als eine Eheschließung im Raum stand. Der laut seinem Bevollmächtigten des Französischen nicht mächtige und ungebildete Antragsteller konnte einen Reisepass in Frankreich beantragen und ihn – unter Verstoß gegen seine Aufenthaltsbeschränkung – auch in Paris abholen, sobald er dies wegen der baldigen Eheschließung als für ihn nützlich erachtete. Als es für die Eheschließung notwendig erschien, war es ihm auch möglich, binnen zwei Monaten eine Sterbeurkunde seines Vaters aus seinem Heimatstaat nebst Übersetzung zu beschaffen. Ebenso konnte der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung seiner Mutter über den Familienstand beibringen, obwohl er nach eigenem Vorbringen und nach Vortrag seines Bevollmächtigten seit Jahren keinen Kontakt mehr zur Mutter hatte und ihm ihr Aufenthaltsort unbekannt war. Dieses Verhalten des Antragstellers lässt nur den Schluss zu, dass dem Antragsteller bei Angabe seiner wahren Personalien und entsprechendem Willen die Passbeschaffung nebst Besorgung sonstiger identitätsklärender Dokumente stets möglich war, er jedoch dies über Jahre durch Falschangaben und nicht hinreichende Mitwirkung bewusst vereitelte (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 10 CE 16.2266 – juris Rn. 13).

(6) Ein weiterer, ihn in seiner Eheschließungsfreiheit schutzmindernder Verstoß des Antragstellers ist darin zu sehen, dass er – trotz zahlreicher ausländerbehördlicher Belehrungen – den in Frankreich erhaltenen Pass der zuständigen deutschen Ausländerbehörde nicht unverzüglich und freiwillig vorlegte. Aus der Beantragung und Ausstellung des Reisepasses in Frankreich unter anschließender Nichtvorlage bei den deutschen Behörden und bei Angabe einer falschen deutschen Wohnadresse ist – wie schon das Amtsgericht ... (B.v. 29.10.2017 – ...) feststellte – zu folgern, dass der Antragsteller den Reisepass gerade deswegen im Ausland beantragt hat, damit die deutschen Ausländerbehörden bis zur bevorstehenden Eheschließung des Antragstellers keine Kenntnis von der Existenz eines Reisepasses erhalten. Er hat sich den Reisepass nur deshalb ausstellen lassen, weil er ihn für die Eheschließung benötigte, nicht, um seiner Ausreisepflicht nachzukommen und ihn unverzüglich der Ausländerbehörde vorzulegen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 10 CE 16.2266 – juris Rn. 13). Dass bei korrekter Angabe der Personalien (Geburtsdatum, Geburtsort etc.) nur die senegalesische Vertretung in Frankreich, nicht aber diejenige in Deutschland in der Lage wäre, einen Reisepass auszustellen, wurde weder substantiiert vorgetragen noch ist dies nachvollziehbar. Der Bevollmächtigte des Antragstellers ist sogar mit Schreiben vom 11. September 2017 mit der zuständigen Ausländerbehörde in Kontakt getreten, hat es jedoch auch bei dieser Gelegenheit unterlassen, den Reisepass des Antragstellers vorzulegen. Durch die Nichtvorlage des Reisepasses hat der Antragsteller einen schwerwiegenden, absichtlichen Verstoß gegen die Passvorlagepflicht begangen, um seine Abschiebung zu verhindern.

(7) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Abschiebung im Lichte des Art. 6 GG ist ferner zu würdigen, dass der Antragsteller spätestens seit Erhalt seines Reisepasses im Juli 2017 und damit vor dem unmittelbaren Bevorstehen der Eheschließung nicht nur zur Ausreise verpflichtet, sondern zur Ausreise auch tatsächlich fähig war. Der Antragsteller ist gleichwohl seiner Ausreisepflicht nicht nachgekommen zu einem Zeitpunkt, als er sich noch nicht auf Art. 6 GG berufen konnte. Dass die Eheschließung in der Bundesrepublik am 15. Dezember 2017 wegen der für den 11. Dezember 2017 geplanten Abschiebung nicht möglich sein wird, hat der Antragsteller selbst verschuldet: Er hat die – zuletzt auch vom Gericht aufgezeigte – Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise nicht wahrgenommen. Bei einer freiwilligen Ausreise wäre es dem Antragsteller möglich, umgehend ein Visumverfahren zum Familiennachzug zur Eheschließung zu betreiben, wieder erlaubt in die Bundesrepublik einzureisen und dort seine Verlobte zu heiraten. Dass er einen Eheschließungstermin am 15. Dezember 2017 nicht wahrnehmen kann, beruht ausschließlich am vorausgegangenen rechtswidrigen Verhalten des Antragstellers, das seine Abschiebung zur Durchsetzung seiner Ausreisepflicht erst erforderlich macht.

(8) Darüber hinaus ist die Verlobte des Antragstellers soweit ersichtlich nicht auf Lebenshilfe angewiesen, sondern bestreitet ihren Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit. Ein rechtlich geschütztes Zusammenleben der Verlobten fand bisher ausweislich der Feststellungen des Amtsgerichts ... und der Zuweisung des Antragstellers in eine Gemeinschaftsunterkunft nicht statt; schützenswerte Belange der Verlobten treten auch deswegen in den Hintergrund, da ihr tatsächliches Zusammenleben – dieses unterstellt – stets unter der Belastung durch die vollziehbare Abschiebungsandrohung stattfand. Es handelt sich auch nicht um eine endgültige Trennung des Paares und eine langfristige Verhinderung der Eheschließung, sondern ausschließlich um eine Verzögerung, bis das Visumverfahren nachgeholt wurde.

(9) In einem Fall wie dem vorliegendem ist es dem Antragsteller – wie auch für eine bereits mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratete Person – zuzumuten, das Visumverfahren zum Familiennachzug in Anspruch zu nehmen, da seine Eheschließungsfreiheit hier hinter dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung seiner Ausreisepflicht zurücktritt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 8.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 06. Dez. 2017 - Au 6 E 17.1806

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

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(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 50 Ausreisepflicht


(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. (2) Der Ausländer hat da

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 3 Passpflicht


(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im B

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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiterverfolgt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durchzuführen und ihn insbesondere nicht nach Bosnien-Herzegowina abzuschieben, ist unbegründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Der Antragsteller hat den für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ergibt sich nicht mit der für die Glaubhaftmachung erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass ihm ein Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG zusteht.

Das Verwaltungsgericht ist beim Antragsteller, der nach seiner infolge bestandskräftiger (mit Bescheid vom 27.4.1999) Ausweisungsverfügung im Dezember 2008 erfolgten Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina gemäß eigenen Angaben Ende September/Anfang Oktober 2009 unerlaubt wieder ins Bundesgebiet eingereist ist und den erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt (s. § 50 Abs. 1 AufenthG), zu Recht von einer vollziehbaren Ausreisepflicht (s. § 58 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) ausgegangen.

Der Einwand des Antragstellers, die bestandskräftige Ausweisungsverfügung aus dem Jahr 1999 sei nach inzwischen 17 Jahren rechtlich nicht mehr relevant, weshalb auch die (seinerzeitige) Abschiebungsandrohung aufgrund Zeitablaufs erloschen sei, greift schon deshalb nicht durch.

Das Verwaltungsgericht ist weiter davon ausgegangen, die Abschiebung des Antragstellers nach Bosnien-Herzegowina sei im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich. Der Antragsteller besitze einen bis 7. Januar 2019 gültigen bosnischherzegowinischen Personalausweis. Ein rechtliches Abschiebehindernis bestehe ebenfalls nicht. Schutzwürdige familiäre Bindungen habe er nicht dargelegt. Auf seine Bindungen zur in einem Pflegeheim lebenden Mutter komme es nicht entscheidungserheblich an. Ein Abschiebungsverbot ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 EMRK. Von einer abgeschlossenen „gelungenen“ Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland könne nicht die Rede sein. Der Antragsteller habe nach seiner bestandskräftigen Ausweisung ausschließlich Duldungen besessen. Sein Aufenthalt in der Bundesrepublik sei von häufigen, schweren Straftaten gekennzeichnet. Einer geregelten Arbeit sei er nie nachgegangen. Auch die Ausweisung (und spätere Abschiebung) habe bei ihm keine einschneidende Wirkung gezeigt. Nach seiner illegalen Wiedereinreise sei er vielmehr immer wieder straffällig geworden. Eine nennenswerte Verwurzelung habe in Deutschland nicht stattgefunden. Dem Antragsteller sei auch sein Heimatstaat nicht unbekannt, er spreche die dortige Sprache, habe dort auch einige Zeit gelebt und im Übrigen selbst gegenüber der Ausländerbehörde angegeben, dass er sich als Bosnier fühle und dass Bosnien seine Heimat sei, wo seine Verwandtschaft lebe (Schreiben vom 4.4.2002, Bl. 396 f. der Behördenakten).

Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, Bosnien sei nicht seine Heimat, er sei dort weder geboren noch aufgewachsen und er könne nach seiner Mutter allenfalls Serbe, nie aber Bosnier sein, ist dies auch mit Blick auf seine früheren Einlassungen nicht nur widersprüchlich, sondern zeigt insbesondere nicht die Unmöglichkeit der Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina auf.

Das Vorbringen, er habe sich inzwischen mit der deutschen Staatsangehörigen S. B. verlobt, die standesamtliche Trauung stehe Anfang/Mitte November 2017 (gemeint wohl: 2016) unmittelbar bevor und das Aufgebot werde nachgereicht, rechtfertigt ebenfalls nicht die Aufhebung oder Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Unabhängig von der Frage der Schutzwürdigkeit der beabsichtigten Ehe hat der Antragsteller eine sich aus den Schutzwirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK (Eheschließungsfreiheit) ergebende rechtliche Unmöglichkeit seiner Abschiebung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Ein derartiger Schutz würde voraussetzen, dass die Eheschließung im Bundesgebiet unmittelbar bevorsteht, was regelmäßig nur dann anzunehmen ist, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist (vgl. dazu BayVGH, B.v. 14.10.2015 - 10 CE 15.2165, 10 C 1510 C 15.2212 - juris Rn. 18, B.v. 20.10.2016 - 10 CE 16.2127 - Rn. 2 jeweils m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen hier mit der für die Glaubhaftmachung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit aber nicht vor.

Soweit der Antragsteller weiter geltend macht, seine Verlobte sei von ihm im zweiten Monat schwanger, Geburtstermin sei voraussichtlich Juni 2017, die diesbezüglichen Unterlagen würden ebenso nachgereicht wie die Vaterschaftserkennung und Sorgerechtserklärung, hat er ein sich aus den Schutzwirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK ergebendes rechtliches Abschiebungsverbot ebenfalls nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).

Ein rechtliches Abschiebungshindernis folgt mit Blick auf Art. 8 EMRK schließlich nicht aus dem (ebenfalls) nicht weiter belegten Beschwerdevorbringen, der Antragsteller habe die Vollstreckung seiner Freiheitsstrafe zur Resozialisierung genutzt, sich während des Strafvollzugs einwandfrei geführt, in der Haft eine Ausbildung abgeschlossen und mehrere Angebote für Arbeitsstellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 sowie § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

In Abänderung von Nr. III des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 24. Oktober 2016 wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 1.250,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller ist ruandischer Staatsangehöriger und hielt sich seit seiner Einreise am 9. April 2011 bis zur Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen in der ruandischen Botschaft am 16. Juni 2016 unter falscher Identität im Bundesgebiet auf.

Er stellte am 18. April 2011 einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. März 2012 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Seinen Asylfolgeantrag vom 4. Februar 2013 lehnte das Bundesamt ebenfalls ab (Bescheid vom 5. April 2013). Ein Wiederaufnahmeantrag vom 9. Dezember 2013 blieb erfolglos (Bescheid vom 12. Juli 2016). Mit Bescheid vom 12. Februar 2013 wurde der Antragsteller zudem aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Dieser Bescheid ist bestandskräftig. Die Abschiebung des Antragstellers war nicht möglich, weil ihm die kongolesische Botschaft - er hatte behauptet, Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo zu sein - keinen Reisepass ausstellte. Es wurde vermutet, dass er ruandischer Staatsangehöriger ist.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2016 stellte der Antragsteller beim Antragsgegner einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen. Hierzu legte er eine Kopie eines ruandischen Reisepasses, ausgestellt am 27. Juli 2015, vor. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 21. Juli 2016 ab und befristete zugleich die Wirkungen der Abschiebung aus dem Bescheid des Bundesamtes vom 2. März 2012 auf zwei Jahre. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Klage, über die noch nicht entschieden ist (Au 6 K 16.1229).

Am 7. Oktober 2016 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, dem Antragsgegner bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren Au 6 K 16.1229 zu untersagen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn durchzuführen.

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2016 lehnte das Verwaltungsgericht diesen Antrag ab. Der Antragsteller habe voraussichtlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, da die Eheschließung in der ruandischen Botschaft nicht wirksam sei. Sie sei nicht vor einem Standesbeamten geschlossen worden. Zudem stehe die Titelerteilungssperre des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen. Der Antragsteller habe auch keinen Anspruch auf eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Zudem bestehe eine Titelerteilungssperre nach § 10 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 AufenthG. Einen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besitze der Antragsteller nicht, da die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt sei. Es bestehe ein Ausweisungsinteresse, weil er vorsätzlich falsche Angaben über seine Identität gemacht habe (§ 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG). Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehe auch nicht nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Die Abschiebung sei auch nicht mit Blick auf Art. 8 EMRK Und Art. 6 GG unmöglich. Zwar entfalte auch eine nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Ehe Schutzwirkungen. Die Abwägungsentscheidung falle jedoch zugunsten des öffentlichen Interesses an der Ausreise aus.

Mit Schriftsatz vom 11. November 2016 legte der Antragsteller gegen den Beschluss vom 24. Oktober 2016 Beschwerde ein. Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor, dass er einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG habe, weil eine nach ruandischem Recht wirksame Ehe vorliege, die Schutzwirkungen entfalte. Der Antragsteller sei im Bundesgebiet gut integriert, spreche fließend Deutsch und lebe in fester Beziehung mit einer deutschen Staatsangehörigen. Er habe sein bisheriges Fehlverhalten, die Verschleierung seiner Identität, eingesehen, und seine Identität preisgegeben. Es sei auch davon auszugehen, dass die Eheschließung nach deutschem Recht unmittelbar bevorstehe. Der Antragsteller habe am 11. November 2016 kirchlich geheiratet.

Ergänzend wird auf die vorlegten Behördenakten und die Gerichtsakten Bezug genommen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist nicht begründet.

Der Antragsteller hat den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ergibt sich nicht, dass ihm der geltend gemachte Duldungsanspruch nach § 60a Abs. 2 Satz 1 oder Satz 3 AufenthG zusteht.

1. Der Antragsteller hat zunächst keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG glaubhaft gemacht, soweit er geltend macht, er beabsichtige, seine Lebenspartnerin auch nach deutschem Recht zu heiraten, so dass die Abschiebung im Hinblick auf seine Eheschließungsfreiheit nach Art. 6 Abs. 1 GG rechtlich unmöglich sei.

Ein Duldungsanspruch nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen Unvereinbarkeit der Abschiebung mit der Eheschließungsfreiheit setzt voraus, dass die Eheschließung im Bundesgebiet unmittelbar bevorsteht. Dies ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist (vgl. BayVGH, B. v. 24.10.2012 - 10 CE 12.2125 - juris Rn. 3; B. v. 11.3.2010 - 19 CE 10.364 - juris Rn. 3 m. w. N.; B. v. 14.10.2015 - 10 CE 15.2165 - juris Rn. 18). Die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn die Vorbereitungen in dem Verfahren der Eheschließung bereits so weit vorangeschritten sind, dass die Anmeldung der Eheschließung vorgenommen wurde, die Verlobten die vom Standesbeamten geforderten Urkunden beschafft haben und bei der Prüfung der Ehefähigkeit von ausländischen Verlobten ein Antrag auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses gestellt wird und jedenfalls dem Standesbeamten im Hinblick auf den gestellten Befreiungsantrag alle aus seiner Sicht erforderlichen Unterlagen vorliegen (vgl. BayVGH, B. v. 24.10.2012 - 10 CE 12.2125 - juris Rn. 3; B. v. 11.3.2010 - 19 CE 10.364 - juris Rn. 4; vgl. zuletzt auch B. v. 20.10.2016 - 10 CE 16.2127 -). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Denn es ist weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich, dass die Verlobten bereits alle vom Standesbeamten geforderten Unterlagen beschafft hätten. Die Vorlage einer Urkunde über die kirchliche Trauung ist nicht ausreichend.

2. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen der in der ruandischen Botschaft geschlossenen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen mit der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.

Die in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet den Antragsgegner als Ausländerbehörde, bei seiner Entscheidung die familiären Bindungen des den weiteren Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B. v. 1.12.2008 - 2 BvR 1830/08 - juris Rn. 26; B. v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14). Allerdings beinhaltet Art. 6 GG keinen unbedingten Anspruch des betroffenen Ehegatten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verschont zu bleiben. Vielmehr ist das Schutzgebot für Ehe und Familie (lediglich) in verhältnismäßiger Weise mit den öffentlichen Interessen abzuwägen (vgl. BVerfG, B. v. 4.12.2007 - 2 BvR 2341/06 - juris Rn. 6). Insoweit hat das Verwaltungsgericht in den Gründen des Beschlusses ausgeführt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiege. Die Ehe sei in Kenntnis der bestandskräftigen Ausweisung und Abschiebungsandrohung geschlossen worden und bestehe erst seit kurzem. Dringende Gründe, wie das Erfordernis einer ununterbrochenen Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Sein bisheriger Aufenthalt beruhe ausschließlich auf rechtswidrigem Verhalten. Ihm sei nur deshalb eine Duldung erteilt worden, weil seine Abschiebung aufgrund der falsch angegebenen Personalien unmöglich gewesen sei. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass aus den genannten Gründen das öffentliche Interesse an einer Abschiebung das Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung im Verfahren Au 6 K 16.1229 im Bundesgebiet verbleiben zu können, überwiegt. Der Verweis auf die gute Integration und den Sinneswandel bezüglich der Identitätstäuschung rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der Antragsteller hat seine wahre Identität gegenüber der Ausländerbehörde erst offenbart, als die Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen in der ruandischen Botschaft erfolgt war, obwohl ihm der Pass fast ein Jahr vorher ausgestellt worden war. Diesen Pass hat er sich nur ausstellen lassen, weil er ihn für die Eheschließung benötigte, und nicht, um seine wahre Identität preiszugeben. Angesichts des über Jahre ungesicherten Aufenthaltsstatus des Antragstellers kann auch nicht von einer gelungenen Integration in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik gesprochen werden.

3. Bezüglich der Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG fehlt es bereits an der Darlegung dringender humanitärer oder persönlicher Gründe. Alleine die Tatsache, dass zunächst die Wirkungen der Ausweisung befristet werden müssen, bevor der Antragsteller im Visumverfahren wieder zu seiner Ehefrau einreisen kann, führt nicht zur Annahme dringender persönlicher Gründe.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

2

1. Die 34jährige Beschwerdeführerin ist bosnische Staatsangehörige. Seit Mai 2010 ist sie mit dem in Deutschland lebenden bosnischen Staatsangehörigen S. verheiratet. Ihr Ehemann verfügt über eine Daueraufenthaltserlaubnis-EG; er ist wegen verschiedener körperlicher und psychischer Erkrankungen betreuungsbedürftig und als schwerbehindert anerkannt. Nachdem die Beschwerdeführerin im Mai 2010 mit einem Schengen-Visum in das Bundesgebiet eingereist war, beantragte sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

3

2. Die Ausländerbehörde lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25. August 2010 ab, wobei sie ausführte, dass die Beschwerdeführerin bei der Einreise nicht im Besitz des notwendigen Visums für den von Anfang an beabsichtigten Daueraufenthalt gewesen sei und von der Einhaltung des Visumerfordernisses nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden könne.

4

3. Die Beschwerdeführerin erhob Klage und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Die Nachholung des Visumverfahrens sei ihr wegen der schweren Behinderung ihres Ehemannes unzumutbar. Vom Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung sei wegen einer atypischen Fallkonstellation abzusehen; der Ehemann sei aufgrund der Behinderung gesundheitlich nicht in der Lage, den Lebensunterhalt zu sichern. Die Beschwerdeführerin könne auch nicht darauf verwiesen werden, die eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland zu führen, da ihrem Ehemann ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar sei.

5

4. Mit Beschluss vom 28. September 2010 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab, da die Ausländerbehörde die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in nicht zu beanstandender Weise verneint habe. Die Erkrankungen des Ehemannes hätten bereits vor der Eheschließung bestanden; es sei nicht dargelegt und ersichtlich, weshalb eine Betreuung nunmehr ausschließlich durch die Beschwerdeführerin erfolgen müsse.

6

5. Mit ihrer Beschwerde gegen diese Entscheidung machte die Beschwerde-führerin geltend, dass es nicht darauf ankomme, ob Betreuungsleistungen ausschließlich durch den Ehepartner erbracht würden oder diesbezüglich Alternativen bestünden. Bestehende Erkrankungen des Ehepartners seien von den Behörden und Gerichten nach Art. 6 GG zu berücksichtigen. Aus den vorgelegten Attesten ergebe sich, dass die Nachholung des Visumverfahrens, auch im Hinblick auf die zu erwartende Dauer eines solchen Verfahrens, die Grenze der Zumutbarkeit offensichtlich übersteige. Das Verwaltungsgericht habe sich mit dieser Sach- und Rechtslage schon nicht auseinandergesetzt. Zudem habe es keinerlei Ausführungen dazu gemacht, mit welcher Verfahrensdauer es konkret rechne.

7

6. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Beschluss vom 18. November 2010 zurück: Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG entgegen, dass die Beschwerdeführerin ohne das nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Visum eingereist sei. Es sei nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Ermessenswege von der Einhaltung der Visumpflicht abzusehen, da keine besonderen Umstände vorlägen, die die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar machten. Die Beschwerdeführerin habe nicht dargelegt, in welcher Weise genau eine vorübergehende Abwesenheit ihren Ehemann oder die eheliche Lebensgemeinschaft in der behaupteten gravierenden Weise beeinträchtigen würde, obwohl sie habe erkennen können, dass in diesem Punkt die Notwendigkeit weiteren Vortrags bestanden habe. Dies bedeute nicht, dass sich nur eine Ehefrau, die die Funktionen einer Pflegekraft einnehme, auf die Unzumutbarkeit einer vorübergehenden Trennung berufen könne. Entscheidend sei, ob eine auch nur vorübergehende Trennung im Hinblick auf die konkrete eheliche Verbundenheit für den die Aufenthaltserlaubnis begehrenden Ausländer eine unzumutbare Belastung darstelle. Ein Ausländer in der Situation der Beschwerdeführerin könne grundsätzlich in seinen Rechten aus Art. 6 Abs. 1 GG betroffen sein, ohne dass es letztlich darauf ankomme, ob etwaige Pflegeleistungen nicht auch durch Dritte ersetzt werden könnten. Berufe er sich jedoch auf die krankheitsbedingte Unzumutbarkeit einer Trennung oder die Notwendigkeit einer Betreuung des schon im Inland lebenden Ehegatten, müsse er zumindest erklären, wie das eheliche Zusammenleben auch durch eine nur vorübergehende Trennung unzumutbar gestört werden würde, wofür auch der Umfang etwaiger Betreuungsleistungen einen Anhaltspunkt biete. Hierfür bestehe einmal mehr Anlass, wenn der im Inland lebende Ehegatte schon seit längerem an den Folgen einer Krankheit leide und bislang ohne die eheliche Lebensgemeinschaft sein Schicksal habe bewältigen können. Soweit die Beschwerdeführerin schließlich eine voraussichtliche Dauer des Visumverfahrens von 15 Monaten vortrage, handele es sich um eine unbelegte Behauptung.

8

7. Die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin, mit der sie weitere ärztliche Stellungnahmen sowie eine eidesstattliche Versicherung des Ehepaares zu konkreten Beistandsleistungen vorlegte, wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. November 2010 zurück.

9

8. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen eine Verletzung in Art. 6 Abs. 1 GG. Hieraus folge, dass das Ermessen der Ausländerbehörde nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf Null reduziert sei. Die schwere Erkrankung des Ehemannes der Beschwerdeführerin und die voraussichtlich unabsehbar lange Dauer des Visumverfahrens ließen keine andere Beurteilung zu. Der Verwaltungsgerichtshof entwerte die Ehe und die eheliche Lebensgemeinschaft, indem er diese auf eine Stufe mit Betreuungs- und Beistandsleistungen beliebiger sonstiger Verwandter stelle und den Ehepartner zum beliebig austauschbaren Gesellschafter degradiere. Auch verkenne er die Notwendigkeit festzustellen, welcher Trennungszeitraum den Eheleuten unter den gegebenen Umständen überhaupt zuzumuten sei.

10

9. Das Bundesverfassungsgericht untersagte im Wege der einstweiligen Anordnung der Ausländerbehörde, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde die angedrohte Abschiebung zu vollziehen (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2010 - 2 BvR 2625/10 -).

II.

11

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

12

Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. Die Versagung von verwaltungsgerichtlichem Eilrechtsschutz ist mit Art. 6 Abs. 1 und 2 GG vereinbar.

13

1. Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>; BVerfGK 2, 190 <193 f.>). Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (vgl. BVerfGK 13, 26 <27> m.w.N.).

14

Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (vgl. BVerfGK 13, 26 <27 f.>). Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (vgl. BVerfGK 13, 562 <567>).

15

Erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück (vgl. BVerfGE 80, 81 <95> zur Erwachsenenadoption). Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (vgl. BVerfGK 13, 562 <567> m.w.N.). Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Beistandsgemeinschaft als Hausgemeinschaft gelebt wird oder ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe von anderen Personen erbracht werden kann (vgl. BVerfGK 7, 49 <56> m.w.N.).

16

2. Gemessen an diesen Grundsätzen hält die Versagung von Eilrechtsschutz der verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Jedenfalls der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs trägt den aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen einer ehelichen Beistandsgemeinschaft hinreichend Rechnung.

17

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Ablehnung von Eilrechtsschutz darauf gestützt, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Einreise der Beschwerdeführerin ohne das nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für Daueraufenthalte erforderliche nationale Visum entgegenstehe und die Entscheidung der Ausländerbehörde, von diesem Erfordernis nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht abzusehen, nicht zu beanstanden sei. Der herangezogene Maßstab, eine Trennung wegen Erkrankung oder Betreuungsbedürftigkeit des Ehegatten, zu dem der Ausländer nachziehen wolle, könne den Ausländer grundsätzlich in seinen Rechten aus Art. 6 Abs. 1 GG betreffen, ohne dass es darauf ankomme, ob etwaige Pflegeleistungen nicht auch durch Dritte erbracht werden könnten, steht mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang. Die entscheidungstragende Feststellung, es sei nicht erkennbar, wie das eheliche Zusammenleben auch durch eine nur vorübergehende Trennung unzumutbar gestört werden würde, lässt einen verfassungsrechtlich erheblichen Fehler (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>) bei der Anwendung dieses Maßstabs, insbesondere bei der Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts, nicht erkennen.

18

Ausschlaggebend für den Verwaltungsgerichtshof war, dass er im Zeitpunkt seiner Entscheidung aufgrund der Darlegungen der Beschwerdeführerin ein im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigendes Angewiesensein ihres Ehemannes auf ihre Lebenshilfe nicht erkennen konnte. Die hierfür gegebene Begründung, es fehle an Sachvortrag zu Art und Umfang der Betreuungsbedürftigkeit des Ehemanns sowie dazu, wie sich dessen körperliche Erkrankungen auf die Lebensführung der Eheleute konkret auswirkten, lässt sich anhand der im fachgerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen nachvollziehen. Die Beschwerdeführerin hatte gegenüber der Ausländerbehörde zwar unter Vorlage von Belegen angegeben, ihr Ehemann sei schwerbehindert, schwer psychisch erkrankt und pflegebedürftig; zudem hatte sie im gerichtlichen Eilverfahren ein ärztliches Attest vorgelegt, das die Aussage enthält, ihr Ehemann sei in hohem Maße betreuungsbedürftig. Indes fehlte es an Vorbringen dazu, worin genau diese Betreuungsbedürftigkeit bestehe, und dass die Beschwerdeführerin überhaupt Unterstützungsleistungen zugunsten ihres Ehemannes erbringe. Aussagen hierzu finden sich erstmals in der nach Ergehen des angegriffenen Beschlusses beim Verwaltungsgerichtshof eingereichten eidesstattlichen Versicherung der Eheleute.

19

Die im Entscheidungszeitpunkt vorgenommene Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, mangels hinreichender Darlegung sei nicht feststellbar, dass krankheitsbedingt eine auch nur vorübergehende Trennung der Eheleute unzumutbar sei, ist danach nicht zu beanstanden. Da es auch an hinreichenden Anhaltspunkten für eine unverhältnismäßig lange, die übliche Dauer eines Visumverfahrens übersteigende Trennung der Eheleute fehlte, konnte die Beschwerdeführerin ohne Verfassungsverstoß auf die Nachholung des Visumverfahrens verwiesen werden.

20

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

21

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Der Kläger, der russischer Staatsangehöriger ist und aus Tschetschenien stammt, verfolgt mit der Beschwerde seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, ihm für seine auf die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer gerichtete Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm seinen Prozessbevollmächtigten beizuordnen.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (a. F.; vgl. § 40 EGZPO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 [BGBl I S.3533]) liegen nicht vor (I.). Dementsprechend kann dem Kläger auch sein Prozessbevollmächtigter nicht nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO beigeordnet werden (II.).

I.

Nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Danach kann dem Kläger Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden. Denn zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (1.) bot die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (2.).

1. Maßgeblich für die der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugrunde zu legende Sach- und Rechtslage ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2013 - 10 C 12.1757 - juris Rn. 25; B.v. 19.3.2013 - 10 C 13.334, 10 C 1310 C 13.371 - juris Rn. 26 m. w. N.). Die Entscheidungsreife tritt dabei regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO a. F.) ein (vgl. BVerwG, B.v. 12.9.2007 - 10 C 39.07 u. a. - juris Rn. 1). Da der Kläger Prozesskostenhilfe bereits in der Klageschrift vom 24. November 2011 beantragt und der Klageschrift die Prozesskostenhilfeunterlagen, insbesondere die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die zugehörigen Belege (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 117 Abs. 2 Satz 1 und § 117 Abs. 4 ZPO; vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2010 - 7 C 10.10396 - juris Rn. 12), vollständig beigefügt hatte, war der Prozesskostenhilfeantrag mit dem Eingang der Klageerwiderung vom 7. Dezember 2011 am 9. Dezember 2011 entscheidungsreif.

2. Nach der Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt bot die Klage aber keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn danach konnte dem Kläger der begehrte Reiseausweis für Ausländer nicht ausgestellt werden.

Als Rechtsgrundlage für die Ausstellung eines Reiseausweises kommt im Falle des Klägers § 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthV in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufenthV in Betracht. Nach § 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthV darf im Inland ein Reiseausweis für Ausländer nach Maßgabe des § 5 AufenthV ausgestellt werden, wenn dem Ausländer, der wie der Kläger keine Aufenthaltserlaubnis besitzt und der deshalb einen Reiseausweis nicht schon nach § 6 Satz 1 Nr. 1 AufenthV erhalten kann, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, sobald er als Inhaber des Reiseausweises für Ausländer die Passpflicht erfüllt. Nach § 5 Abs. 1 AufenthG kann dabei der Reiseausweis für Ausländer nur einem Ausländer ausgestellt werden, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann.

Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthV waren jedoch beim Kläger zu dem für die Entscheidung über seinen Prozesskostenhilfeantrag maßgeblichen Zeitpunkt nicht erfüllt. Zwar besitzt der Kläger offenbar bis heute keinen Pass- oder Passersatz. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass er nach der Sach- und Rechtslage zum maßgeblichen Zeitpunkt im Dezember 2011 einen Pass auch auf zumutbare Weise nicht erlangen konnte.

Besitzt ein Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz, ist er nach § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verpflichtet, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Dementsprechend gilt es nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV als im Sinne von § 5 Abs. 1 AufenthG zumutbar, in der den Bestimmungen des deutschen Passrechts, insbesondere den §§ 6 und 15 PassG, entsprechenden Weise an der Ausstellung eines Passes mitzuwirken und die Behandlung eines Antrags durch die Behörden des Herkunftsstaats nach dessen Recht zu dulden, sofern dies nicht zu einer unzumutbaren Härte führt. Zumutbar ist es danach insbesondere, in § 6 Abs. 2 PassG entsprechender Weise in einem Passantrag alle Tatsachen anzugeben, die zur Feststellung der Identität des Passbewerbers und seiner Eigenschaft als Staatsangehöriger seines Herkunftsstaats notwendig sind (§ 6 Abs. 2 Satz 1 PassG) und die entsprechenden Nachweise zu erbringen (§ 6 Abs. 2 Satz 2 PassG).

Darüber hinaus beurteilt sich die Frage, ob ein Ausländer in zumutbarer Weise einen Pass erlangen kann, nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2011 - 19 C 11.1664 - juris Rn. 6; NdsOVG, B.v. 7.6.2012 - 8 PA 65/12 - juris Rn. 7; B.v. 17.2.2005 - 11 PA 345/04 - juris Rn. 14; OVG Hamburg, B.v. 28.2.2012 - 4 Bf 207/11.2 - juris Rn. 11). Dabei ist es im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Passersatzes an fremde Staatsangehörige regelmäßig verbundenen Eingriff in die Hoheitsbefugnisse eines anderen Staates grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde den Ausländer zunächst auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Passes durch seinen Heimatstaat verweist und die Erteilung eines Reiseausweises erst dann in Betracht zieht, wenn diese Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind (vgl. NdsOVG, B.v. 7.6.2012 - 8 PA 65/12 - juris Rn. 7; B.v. 17.2.2005 - 11 PA 345/04 - juris Rn. 14). Der Ausländer muss dabei alle Möglichkeiten wahrnehmen, an der Erlangung eines Passes mitzuwirken, die ihm bei objektiver Betrachtungsweise bekannt sein können, entweder weil die Ausländerbehörde sie zulässigerweise von ihm verlangt hat oder weil sie ihm sonst bekannt sein können oder bekannt sind (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2011 - 19 C 11.1664 - juris Rn. 6; OVG MV, B.v. 18.3.2010 - 2 O 140/09 - juris Rn. 5). Eine Unzumutbarkeit, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses seines Heimatstaates zu bemühen, kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. NdsOVG, B.v. 7.6.2012 - 8 PA 65/12 - juris Rn. 7; B.v. 17.2.2005 - 11 PA 345/04 - juris Rn. 14).

Nach diesen Maßstäben kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger einen Pass zum für die Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren maßgeblichen Zeitpunkt im Dezember 2011 nicht in zumutbarer Weise erlangen konnte. Denn weder waren alle dem Kläger danach zumutbaren Bemühungen, einen Pass seines Herkunftsstaats zu erlangen, nachweislich ohne Erfolg geblieben (a), noch lag ein Fall vor, in dem es dem Kläger ausnahmsweise nicht zumutbar war, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses seines Heimatstaates zu bemühen (b).

a) Es waren nicht alle dem Kläger zumutbaren Bemühungen um die Ausstellung eines solchen Passes nachweislich erfolglos.

Der Kläger verfügt über eine Geburtsurkunde aus dem Jahr 1998, die nach einer von der Regierung von Oberbayern über die Deutsche Botschaft in Moskau eingeholten telefonischen Auskunft der Standesamtsverwaltung der Tschetschenischen Republik echt ist und aus der sich ergibt, dass seine Eltern tschetschenischer Nationalität sind. Dabei handelt es sich um eine Urkunde, die der Kläger im Rahmen eines Passantrags zum Nachweis seiner Identität und seiner Staatsangehörigkeit hätte vorlegen können, was ihm nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV in Verbindung mit § 6 Abs. 2 Satz 2 PassG auch im Sinne von § 5 Abs. 1 AufenthV zumutbar gewesen wäre. Mit seiner erfolglosen Vorsprache im Russischen Generalkonsulat in München am 10. März 2010 hat der Kläger daher nicht alles ihm Zumutbare getan, um einen Pass zu erlangen. Denn die Vorsprache erfolgte ausweislich der Bescheinigung des Generalkonsulats ohne jegliche Dokumente. Mangels Vorlage seiner Geburtsurkunde waren damit aber auch die dem Kläger zumutbaren Bemühungen nicht nachweislich erfolglos.

b) Es war dem Kläger auch nicht ausnahmsweise unzumutbar, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses seines Heimatstaates zu bemühen.

aa) Von einer Unzumutbarkeit derartiger Bemühungen kann zunächst nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil durch Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) vom 21. März 2002 festgestellt ist, dass beim Kläger Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegen. Denn das Vorliegen von Abschiebungsverboten macht Bemühungen um die Ausstellung eines Passes des Staates, für den diese bestehen, nicht per se, sondern allenfalls nach den konkreten Umständen des Einzelfalls unzumutbar (vgl. OVG Hamburg, B.v.28.2.2012 - 4 Bf 207/11.2 - juris Rn. 11). Danach ist aber nicht erkennbar, dass es dem Kläger nicht zumutbar gewesen wäre, beim Russischen Generalkonsulat unter Vorlage seiner Geburtsurkunde einen Passantrag zu stellen.

Anhaltspunkte dafür, dass sich die konkreten Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit, die dem Kläger nach der Feststellung des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bei einer Rückkehr in sein Heimatland drohen, bereits verwirklichen, wenn der Kläger in dessen konsularischer Vertretung in der Bundesrepublik die Ausstellung eines Passes beantragt, lagen nicht vor. Vielmehr hatte sich der Kläger bereits einmal in das Russische Generalkonsulat in München begeben, um dort einen Nationalpass zu beantragen, und darüber sogar eine Bescheinigung des Generalkonsulats erhalten.

bb) Unzumutbar war die Beantragung eines russischen Passes für den Kläger auch nicht ausnahmsweise deshalb, weil der Kläger tschetschenischer Volkszugehöriger ist und deshalb, wie er geltend macht, wegen der negativen Haltung der russischen Kern- und Mehrheitsbevölkerung gegenüber den Tschetschenen keinen russischen Nationalpass erhalten könnte. Der Schluss des Klägers, dass aufgrund dieser Haltung die Ausstellung eines Passes für tschetschenische Volkszugehörige durch die russischen Auslandsvertretungen von vornherein aussichtslos wäre, ist aber weder zwingend noch wird er dadurch gestützt, dass der Kläger bei seiner Vorsprache im Russischen Generalkonsulat in München am 10. März 2010 keinen Pass erhalten hat. Denn dies lässt sich auch darauf zurückführen, dass der Kläger ausweislich der ihm ausgehändigten Bescheinigung dabei keinerlei Dokumente vorgelegt hat. Unter diesen Umständen war es dem Kläger aber zumutbar, zunächst unter Vorlage der ihm zur Verfügung stehenden Geburtsurkunde einen Pass zu beantragen.

cc) Nichts anderes gilt schließlich, soweit der Kläger die Ausstellung eines russischen Passes wegen der Tätigkeit seines Vaters für eine Menschenrechtsorganisation, die die Verhältnisse in Tschetschenien anprangert, für ausgeschlossen hält. Denn dabei handelt es sich lediglich um eine unbelegte Vermutung des Klägers, deren Überprüfung durch einen Passantrag bei der russischen Auslandsvertretung unter Vorlage der im Besitz des Klägers befindlichen Geburtsurkunde nicht zuletzt im Hinblick darauf zumutbar war, dass Anhaltspunkte für über eine Ablehnung des Antrags hinausgehende, dem Kläger aus der Antragstellung erwachsende Nachteile nicht bestanden.

II.

Lagen damit die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum maßgeblichen Zeitpunkt mangels hinreichender Erfolgsaussichten nicht vor, so kann dem Kläger schließlich auch sein Prozessbevollmächtigter nicht nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO beigeordnet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

In Abänderung von Nr. III des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 24. Oktober 2016 wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 1.250,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller ist ruandischer Staatsangehöriger und hielt sich seit seiner Einreise am 9. April 2011 bis zur Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen in der ruandischen Botschaft am 16. Juni 2016 unter falscher Identität im Bundesgebiet auf.

Er stellte am 18. April 2011 einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. März 2012 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Seinen Asylfolgeantrag vom 4. Februar 2013 lehnte das Bundesamt ebenfalls ab (Bescheid vom 5. April 2013). Ein Wiederaufnahmeantrag vom 9. Dezember 2013 blieb erfolglos (Bescheid vom 12. Juli 2016). Mit Bescheid vom 12. Februar 2013 wurde der Antragsteller zudem aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Dieser Bescheid ist bestandskräftig. Die Abschiebung des Antragstellers war nicht möglich, weil ihm die kongolesische Botschaft - er hatte behauptet, Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo zu sein - keinen Reisepass ausstellte. Es wurde vermutet, dass er ruandischer Staatsangehöriger ist.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2016 stellte der Antragsteller beim Antragsgegner einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen. Hierzu legte er eine Kopie eines ruandischen Reisepasses, ausgestellt am 27. Juli 2015, vor. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 21. Juli 2016 ab und befristete zugleich die Wirkungen der Abschiebung aus dem Bescheid des Bundesamtes vom 2. März 2012 auf zwei Jahre. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Klage, über die noch nicht entschieden ist (Au 6 K 16.1229).

Am 7. Oktober 2016 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, dem Antragsgegner bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren Au 6 K 16.1229 zu untersagen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn durchzuführen.

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2016 lehnte das Verwaltungsgericht diesen Antrag ab. Der Antragsteller habe voraussichtlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, da die Eheschließung in der ruandischen Botschaft nicht wirksam sei. Sie sei nicht vor einem Standesbeamten geschlossen worden. Zudem stehe die Titelerteilungssperre des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen. Der Antragsteller habe auch keinen Anspruch auf eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Zudem bestehe eine Titelerteilungssperre nach § 10 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 AufenthG. Einen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besitze der Antragsteller nicht, da die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt sei. Es bestehe ein Ausweisungsinteresse, weil er vorsätzlich falsche Angaben über seine Identität gemacht habe (§ 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG). Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehe auch nicht nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Die Abschiebung sei auch nicht mit Blick auf Art. 8 EMRK Und Art. 6 GG unmöglich. Zwar entfalte auch eine nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Ehe Schutzwirkungen. Die Abwägungsentscheidung falle jedoch zugunsten des öffentlichen Interesses an der Ausreise aus.

Mit Schriftsatz vom 11. November 2016 legte der Antragsteller gegen den Beschluss vom 24. Oktober 2016 Beschwerde ein. Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor, dass er einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG habe, weil eine nach ruandischem Recht wirksame Ehe vorliege, die Schutzwirkungen entfalte. Der Antragsteller sei im Bundesgebiet gut integriert, spreche fließend Deutsch und lebe in fester Beziehung mit einer deutschen Staatsangehörigen. Er habe sein bisheriges Fehlverhalten, die Verschleierung seiner Identität, eingesehen, und seine Identität preisgegeben. Es sei auch davon auszugehen, dass die Eheschließung nach deutschem Recht unmittelbar bevorstehe. Der Antragsteller habe am 11. November 2016 kirchlich geheiratet.

Ergänzend wird auf die vorlegten Behördenakten und die Gerichtsakten Bezug genommen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist nicht begründet.

Der Antragsteller hat den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ergibt sich nicht, dass ihm der geltend gemachte Duldungsanspruch nach § 60a Abs. 2 Satz 1 oder Satz 3 AufenthG zusteht.

1. Der Antragsteller hat zunächst keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG glaubhaft gemacht, soweit er geltend macht, er beabsichtige, seine Lebenspartnerin auch nach deutschem Recht zu heiraten, so dass die Abschiebung im Hinblick auf seine Eheschließungsfreiheit nach Art. 6 Abs. 1 GG rechtlich unmöglich sei.

Ein Duldungsanspruch nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen Unvereinbarkeit der Abschiebung mit der Eheschließungsfreiheit setzt voraus, dass die Eheschließung im Bundesgebiet unmittelbar bevorsteht. Dies ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist (vgl. BayVGH, B. v. 24.10.2012 - 10 CE 12.2125 - juris Rn. 3; B. v. 11.3.2010 - 19 CE 10.364 - juris Rn. 3 m. w. N.; B. v. 14.10.2015 - 10 CE 15.2165 - juris Rn. 18). Die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn die Vorbereitungen in dem Verfahren der Eheschließung bereits so weit vorangeschritten sind, dass die Anmeldung der Eheschließung vorgenommen wurde, die Verlobten die vom Standesbeamten geforderten Urkunden beschafft haben und bei der Prüfung der Ehefähigkeit von ausländischen Verlobten ein Antrag auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses gestellt wird und jedenfalls dem Standesbeamten im Hinblick auf den gestellten Befreiungsantrag alle aus seiner Sicht erforderlichen Unterlagen vorliegen (vgl. BayVGH, B. v. 24.10.2012 - 10 CE 12.2125 - juris Rn. 3; B. v. 11.3.2010 - 19 CE 10.364 - juris Rn. 4; vgl. zuletzt auch B. v. 20.10.2016 - 10 CE 16.2127 -). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Denn es ist weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich, dass die Verlobten bereits alle vom Standesbeamten geforderten Unterlagen beschafft hätten. Die Vorlage einer Urkunde über die kirchliche Trauung ist nicht ausreichend.

2. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen der in der ruandischen Botschaft geschlossenen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen mit der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.

Die in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet den Antragsgegner als Ausländerbehörde, bei seiner Entscheidung die familiären Bindungen des den weiteren Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B. v. 1.12.2008 - 2 BvR 1830/08 - juris Rn. 26; B. v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14). Allerdings beinhaltet Art. 6 GG keinen unbedingten Anspruch des betroffenen Ehegatten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verschont zu bleiben. Vielmehr ist das Schutzgebot für Ehe und Familie (lediglich) in verhältnismäßiger Weise mit den öffentlichen Interessen abzuwägen (vgl. BVerfG, B. v. 4.12.2007 - 2 BvR 2341/06 - juris Rn. 6). Insoweit hat das Verwaltungsgericht in den Gründen des Beschlusses ausgeführt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiege. Die Ehe sei in Kenntnis der bestandskräftigen Ausweisung und Abschiebungsandrohung geschlossen worden und bestehe erst seit kurzem. Dringende Gründe, wie das Erfordernis einer ununterbrochenen Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Sein bisheriger Aufenthalt beruhe ausschließlich auf rechtswidrigem Verhalten. Ihm sei nur deshalb eine Duldung erteilt worden, weil seine Abschiebung aufgrund der falsch angegebenen Personalien unmöglich gewesen sei. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass aus den genannten Gründen das öffentliche Interesse an einer Abschiebung das Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung im Verfahren Au 6 K 16.1229 im Bundesgebiet verbleiben zu können, überwiegt. Der Verweis auf die gute Integration und den Sinneswandel bezüglich der Identitätstäuschung rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der Antragsteller hat seine wahre Identität gegenüber der Ausländerbehörde erst offenbart, als die Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen in der ruandischen Botschaft erfolgt war, obwohl ihm der Pass fast ein Jahr vorher ausgestellt worden war. Diesen Pass hat er sich nur ausstellen lassen, weil er ihn für die Eheschließung benötigte, und nicht, um seine wahre Identität preiszugeben. Angesichts des über Jahre ungesicherten Aufenthaltsstatus des Antragstellers kann auch nicht von einer gelungenen Integration in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik gesprochen werden.

3. Bezüglich der Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG fehlt es bereits an der Darlegung dringender humanitärer oder persönlicher Gründe. Alleine die Tatsache, dass zunächst die Wirkungen der Ausweisung befristet werden müssen, bevor der Antragsteller im Visumverfahren wieder zu seiner Ehefrau einreisen kann, führt nicht zur Annahme dringender persönlicher Gründe.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.