Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 13. Nov. 2014 - 7 K 2413/13
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beklagte die erhobene Widerklage zurückgenommen hat.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten des Widerklageverfahrens, die die Beklagte trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Auf den Antrag des Klägers hin wird der Tatbestand des Urteils vom 13. November 2014 wie folgt geändert:
2Der 2. Absatz auf Seite 3 des Urteilsabdrucks von „Die innerstädtische Straße G. …“ bis „… über die Parzellen der Anliegergrundstücke.“ wird wie folgt gefasst:„Die innerstädtische Straße G. verläuft im Wesentlichen über städtische Parzellen und verfügt auf beiden Seiten über gepflasterte Randstreifen, die einerseits als Gehwege, andererseits zum Teil auch als gekennzeichnete (öffentliche) Stellplätze genutzt werden. Die Gehwege reichen in der Regel bis an die beidseits der Straße stehenden Häuser. Die gepflasterten Randstreifen verlaufen zumeist in einer Breite von ca. 3,00 m bis 3,50 m über die Parzellen der Anliegergrundstücke.“
3Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
4G r ü n d e :
5Nach § 119 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann die Berichtigung des Tatbestands eines Urteils binnen zwei Wochen nach Zustellung beantragt werden, wenn der Tatbestand Unrichtigkeiten oder Unklarheiten enthält, die nicht unter §118 VwGO fallen.
6Auf dieser Grundlage berichtigt die Kammer den Tatbestand in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang, weil insoweit der Tatbestand zumindest unklar war. Damit entspricht die Kammer der Rüge des Klägers zu Ziffer 1.
7Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt, da die Voraussetzungen für eine Tatbestandsberichtigung insoweit nicht vorliegen. Soweit der Kläger in seiner Rüge unter den Ziffern 2. bis 5. darauf hinweist, dass bestimmte Umstände nicht unstreitig seien, so ist darauf hinzuweisen, dass der Tatbestand eines verwaltungsgerichtlichen Urteils den Sachverhalt wiedergeben soll, von dem das Gericht bei seiner Entscheidung ausgegangen ist. Anders als in einem zivilgerichtlichen Urteilen kommt es auf eine Unterscheidung in streitigen und unstreitigen Sachverhalt nicht an, da das Gericht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen verpflichtet ist.
8Abgesehen davon wird im Tatbestand des Urteils vom 13. November 2014 dargestellt, dass die Straße „nach Einschätzung des Archivars der Beklagten“ seit dem 15. Jahrhundert existiere, dass sie „nach Angaben der Beklagten“ als Hauptdurchfahrtsstraße diente, dass nach „X. , P. , Geschichte von Stadt und Land, Bd. 1, S. 110 f.“ zu den Planvorgaben für den Wiederaufbau nach dem Stadtbrand die Festlegung der Straßenbreiten auf 40 bis 50 Fuß gehörte und dass „nach Unterlagen aus dem Archiv der Beklagten“ das Haus auf dem jetzigen Grundstück der Kläger an anderer Stelle neu aufgebaut wurde. Im Tatbestand des Urteils findet sich keine Aussagen dahingehend, dass vor dem Brand von 1795 das Haus vollständig abbrannte. Es ist auch unerheblich, ob das Haus bei dem Brand vollständig oder nur teilweise zerstört wurde und ob es vollständig oder nur teilweise wieder aufgebaut wurde. Eine Abschrift der Polizeiverordnung vom 14. Oktober 1921 ist in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten enthalten, die mit Schriftsatz vom 13. August 2013 übersandt wurden (Beiakte Heft 1).
9Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 119 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
10Die vorstehende Entscheidung wurde durch Beschluss vom 9. Dezember 2014 berichtigt. Arnsberg, den 9. Dezember 2014 O. Verwaltungsgerichtsbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
Tatbestand:
12Die Beteiligten streiten darum, ob eine Teilfläche des Grundstücks der Kläger Bestandteil der öffentlichen Straße ist.
13Die Kläger sind seit 2012 Eigentümer des Grundstücks G. in P. , Gemarkung P. -T. Flur 29 Flurstück 739 (zuvor: Flurstücke 198 und 737). Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus mit zwei Wohneinheiten und anschließender Garage bebaut. Es grenzt nach Süden hin an das im Eigentum der Beklagten stehende Flurstück Gemarkung P. -T. Flur 29 Flurstück 200, über das die Straße G. verläuft. Das Wohnhaus und die Garage halten einen Abstand von ca. 3,00 m bis 3,70 m von der südlichen Grundstücksgrenze ein. Dieser Bereich zwischen den Gebäuden und dem Flurstück 200 ist gepflastert und wird faktisch als Bürgersteig genutzt. Der Bürgersteig (einschließlich des auf dem Grundstück der Kläger gelegenen Teils) ist vor dem Haus der Kläger zwischen 4,00 m und 5,15 m breit.
14Die innerstädtische Straße G. verläuft im Wesentlichen über städtische Parzellen und verfügt über beidseitige gepflasterte Gehwege. Diese Gehwege reichen durchgehend bis an die beidseits der Straße stehenden Häuser und verlaufen zumeist in einer Breite von ca. 3,00 m bis 3,50 m über die Parzellen der Anliegergrundstücke.
15Die Straße G. existiert nach Einschätzung des Archivars der Beklagten seit dem 15. Jahrhundert. Sie diente nach Angaben der Beklagten, die durch Pläne aus den Jahren 1840 und 1841 belegt werden, bis zur Anlegung der heutigen N.-----straße um 1841 als Hauptdurchfahrtsstraße in der Relation I. – T1. . Nach einem Stadtbrand, der am 28. April 1795 die mittelalterliche T. P. und auch die meisten Häuser an der Straße G. vernichtete, wurden durch die kurfürstliche Arnsberger Regierung die Vorgaben für den Wiederaufbau festgelegt. Zu den Planvorgaben gehörte die Festlegung der Straßenbreiten auf 40 bis 50 Fuß (X. , P. , Geschichte von Stadt und Land, Bd. 1, S. 110 f.). Nach dem Wiederaufbauplan von 1795 reichen die Straßenflächen (auch der Straße G. ) bis unmittelbar an die neu aufzubauenden Häuser. Auf einem Archivfoto aus der Zeit um 1910 ist zu sehen, dass die Straße G. seinerzeit beidseits über befestigte breite Gehwege verfügte, die bis unmittelbar an die Häuser heran reichten. Vor zahlreichen Häusern, so offenbar auch vor dem Haus auf dem Grundstück der Kläger fanden sich Treppen, die in den Bürgersteig hineinreichten. Einen ähnlichen Zustand zeigen weitere Archivfotos aus den Jahren 1910, 1915, 1930, 1932, 1950 und 1955.
16Vor dem Brand von 1795 reichte nach Unterlagen aus dem Archiv der Beklagten das auf dem jetzigen Grundstück der Kläger stehende Doppelhaus (damalige Hausnummern 170, 171) weiter in die Straße hinein als das nach dem Brand neu gebaute Doppelhaus. Im Jahr 1899 wurde dem damaligen Eigentümer des Grundstücks die Genehmigung für einen rückwärtigen Anbau an ein bestehendes Wohnhaus erteilt. Im Jahr 1955 wurde erneut eine Baugenehmigung für einen rückwärtigen Anbau an ein bestehendes Wohnhaus erteilt. Außerdem wurde wegen der niedrigen Geschosshöhe eine Absenkung der Räume im rückwärtigen Teil des Altbaus genehmigt. Aus den dem Antrag beigefügten Architekturzeichnungen ist ersichtlich, dass zu diesem Zeitpunkt zur Straßenseite hin zum Hauseingang eine Treppenanlage bestand. Im Jahr 1960 wurde ein Umbau der vorderen Räume im Erdgeschoss des Wohnhauses in einen Frisörsalon genehmigt. Die Architekturzeichnung lässt erkennen, dass nach dem Umbau keine Treppenanlage zur Straße hin mehr vorhanden war. Dies zeigt sich ebenfalls auf einem Foto aus dem Jahr 1965, auf dem auch zu sehen ist, dass der gesamte Bereich vor dem Haus gepflastert war. Im Jahr 1973 wurde eine Genehmigung zur Neugestaltung des Ober- und Dachgeschosses im vorderen Teil des Hauses erteilt. Die Außenwände des Erdgeschosses blieben unverändert. Im Jahr 1978 wurde die Errichtung einer Garage rechts neben dem Wohnhaus genehmigt. In diesem Zusammenhang erklärte die Beklagte als Eigentümerin der östlich des klägerischen Grundstücks gelegenen Wegeparzelle ihr Einverständnis mit einer Überbauung in einem Umfang von ca. 1 m². Auf einem von den Klägern vorgelegten Foto aus der Zeit vor dem Umbau des Hauses im Jahr 2012/13 ist zu sehen, dass auch zu diesem Zeitpunkt die Fläche vor dem Haus durchgehend gepflastert war. Die vordere Eingangstür war noch mit der Tür auf dem Foto vom 1965 identisch.
17Am 14. Oktober 1921 erließ der Bürgermeister der Beklagten als Polizeiverwaltung eine Polizeiverordnung betr. Anlage von Bürgersteigen, mit der eine – jetzt nicht mehr auffindbare – Polizeiverordnung vom 23. Juli 1906 aufgehoben wurde. In § 1 der Polizeiverordnung heißt es:
18„Jeder Eigentümer eines an einer öffentlichen Straße liegenden bebauten Grundstückes ist aufgrund der hier bestehenden Observanz verpflichtet, in der ganzen Frontlänge des letzteren auf Anordnung der Polizeiverwaltung einen den nachfolgenden Bestimmungen entsprechenden Bürgersteig anzulegen. In gleicher Weise liegt dem Grundstückseigentümer die regelmäßige Instandhaltung der Bürgersteige ob.“
19Aus einem Vermerk des Bauamts der Beklagten vom 27. August 1951 ergibt sich, dass sich fast alle Bürgersteige in der Stadt in einem sehr schlechten Zustand befanden, weil die Anlieger ihrer Unterhaltspflicht nicht genügend nachgekommen waren.
20Nachdem die Beklagte mit einem später wieder aufgehobenen Kostenbescheid vom 21. Dezember 2012 gegen die Kläger eine Sondernutzungsgebühr wegen der Lagerung von Baumaterial auf dem Bürgersteig erlassen hatte, entstand zwischen den Beteiligten Streit darüber, ob der Bürgersteig, soweit er über das Grundstück der Kläger führt, für den öffentlichen Verkehr gewidmet sei. Die Kläger schlugen der Beklagten vor, ihnen vor dem Wohnhaus einen Pkw-Stellplatz zur alleinigen Nutzung einzuräumen. Diesen Vorschlag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 28. Mai 2013 ab und erklärte, bei dem betroffenen Grundstücksteil handele es sich um eine seit unvordenklichen Zeiten für den öffentlichen Verkehr gewidmeten Fläche.
21Daraufhin haben die Kläger am 3. Juli 2013 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vortragen:
22Die Fläche vor ihrem Wohnhaus sei Teil ihres privaten Grundeigentums. Es seien zu keinem Zeitpunkt eine Baulast oder eine Grunddienstbarkeit oder andere schuldrechtliche oder dingliche Grundstücksbelastungen zu Gunsten der Beklagten im Grundbuch eingetragen worden. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die in Rede stehende Teilfläche des Grundstücks über das Rechtsinstitut der unvordenklichen Verjährung für den öffentlichen Verkehr gewidmet sei. Danach sei ein Nachweis für die ständige Rechtsausübung im Sinne eines öffentlichen Gehweges für den Zeitraum bis in das 19. Jahrhundert erforderlich. Der Nachweis müsse durch Urkunde und Zeugenerklärungen geführt werden. Zeugenaussagen lägen bislang nicht vor. Die Polizeiverordnung aus dem Jahr 1921 sei ebenfalls nicht ausreichend. Es stehe nicht fest, für welche Häuser im Gebiet der T. P. diese Verordnung überhaupt gelten sollte. Zudem habe sich zumindest ein Teil der Bürger an die Verordnung nicht gehalten, so dass im Jahr 1964 eine Satzung der Beklagten habe ergehen müssen, wonach diese den Ausbau und die Unterhaltung von Flächen auf privaten Grundstücken zu Gunsten von Gehwegen übernommen habe.
23Der Vortrag der Beklagten zur Geschichte der Straße werde bestritten. Insbesondere könne es nicht sein, dass nach dem Wiederaufbauplan die Straßenflächen bis unmittelbar an die neu aufzubauenden Häuser reichten, denn gerade an der Straße G. befänden sich häufig Treppenanlagen vor den Haustüren und Gitterroste etc. Ein Nachweis für eine konkludente Widmung durch frühere Eigentümer liege nicht vor.
24Es sei zu berücksichtigen, dass sich das Aussehen der Straße und ihre Nutzung im Laufe der Geschichte nachweislich mehrfach verändert hätten. Dies gelte insbesondere auch für ihr Haus. Insbesondere die Nachzeichnung aus dem Archiv und die Darstellung vor dem Brand 1795 im Vergleich zur heutigen Lage des Hauses belegten, dass das damalige Haus ca. 2 m mehr in Richtung Straßenfläche gestanden habe. Zudem habe sich vor dem Haus eine Treppe mit 4 bis 5 Stufen befunden. In der Vergangenheit sei die Beklagte nicht von einer Widmung für den öffentlichen Verkehr ausgegangen. Dies ergebe sich daraus, dass dem Voreigentümer des Grundstücks die Genehmigung zur Errichtung einer Garage erteilt worden sei. Dabei habe die Beklagte sogar die Genehmigung zu einer leichten Überbauung erteilt. Ihr Haus nehme eine Sonderstellung ein, da es weiter als andere Häuser von der Straßenfläche zurückliege. Es sei zu vermuten, dass der Voreigentümer der öffentlichen Nutzung widersprochen habe und nur im Sinne eines einheitlichen Bildes den Pflasterarbeiten auf seinem Grundstück zugestimmt habe. In dem Haus hätten sich zunächst ein Friseurgeschäft und später eine Fahrschule befunden. Der Bereich vor dem Haus habe also eindeutig rein privat als Kunden- und Interessentenzugang genutzt werden sollen.
25Die Fläche vor ihrem Haus sei ausreichend breit, um neben der Benutzung als Gehweg auch eine private Nutzung als Stellplatz zuzulassen. Sie, die Kläger, seien dringend auf einen derartigen Stellplatz angewiesen, da die Garage rechts vom Haus für heute üblichen Fahrzeuge zu klein und die Stellfläche links vom Haus zu kurz sei.
26Die von der Beklagten erhobene Widerklage sei unzulässig, da es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Widerklage habe den gleichen Inhalt wie die Klage. Außerdem habe die Beklagte die Möglichkeit, durch Ordnungsverfügung ihnen gegenüber anzuordnen, dass die streitbefangene Fläche eine öffentliche Straße darstelle und die Nutzung durch die Kläger damit ausschließe.
27Die Kläger beantragen,
28festzustellen, dass die Fläche auf ihrem Grundstück Gemarkung P. -T. Flur 29 Flurstück 739 zwischen dem auf diesem Grundstück stehenden Gebäude und der Grenze zum Flurstück Gemarkung P. -T. Flur 29 Flurstück 200 nicht Teil der öffentlichen Straße ist.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen
31Die Beklagte hat außerdem mit Schriftsatz vom 13. August 2013 beantragt,
32festzustellen, dass es sich bei der Straße G. einschließlich der vorhandenen Gehwege, Parkflächen und Beleuchtungseinrichtungen auf privaten Grundstücken um eine öffentliche Straße im Sinne des StrWG des Landes Nordrhein-Westfalen handle.
33Schriftsätzlich haben die Kläger beantragt,
34die Widerklage abzuweisen.
35In der mündlichen Verhandlung vom heutigen Tag hat die Beklagte die Widerklage zurückgenommen.
36Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags trägt die Beklagte vor:
37Der Bürgersteig vor dem Haus der Kläger sei Teil der öffentlichen Straße G. . Die Gehwege an der Straße bestünden mindestens seit dem Jahr 1911. In diesem Jahr sei die Neupflasterung der Straße beschlossen worden. Der Ausbauzustand ergebe sich aus einem Foto aus der Zeit um 1910. Es müsse vermutet werden, dass unter Berücksichtigung der Bebauung und des gesamten Erscheinungsbilds der Straße die Aufteilung des Straßenraums schon lange vor 1910 und damit seit weit über 100 Jahren so vorhanden gewesen sei.
38Vor dem nordrhein-westfälischen Straßenrecht habe in P. , das zur preußischen Provinz Westfalen gehört habe, preußisches Wegerecht gegolten. Danach sei Voraussetzung für das Entstehen eines öffentlichen Weges das rechtswirksame Zustandekommen der Widmung durch übereinstimmende ausdrückliche oder stillschweigende Erklärungen des Grundstückseigentümers der Wegefläche, des künftigen Wegeunterhaltungspflichtigen und der Wegepolizeibehörde. Eine hiernach durchgeführte Widmung könne anhand der vorliegenden Unterlagen nicht ohne weiteres nachgewiesen werden. Es sei jedoch erkennbar, dass in unvordenklicher Zeit, möglicherweise sogar vor der Zeit, in der für P. preußisches Recht gegolten habe, eine Widmung erfolgt sein müsse. Hierfür spreche, dass es sich bei der Straße mindestens bis 1841 um eine Durchgangsstraße für den überörtlichen Verkehr gehandelt habe. Nach dem Stadtbrand 1795 seien Straßenbreiten von 40 - 50 Fuß vorgesehen worden. Dies zeuge schon von einem entsprechenden Verkehrsaufkommen, für das die Breite des heutigen Straßengrundstücks von rund 7,50 m (ca. 24 Fuß nicht ausgereicht habe. Die heute vorherrschenden Abstände zwischen den gegenüberliegenden Häusern an der Straße von ca. 12 m (39 Fuß) bis ca. 14,20 m (45 Fuß) entsprächen den Vorgaben des Wiederaufbauplans von 1795.
39Mindestens seit dem 23. Juli 1906 hätten Polizeiverordnungen bestanden, die die Anlage von Bürgersteigen regelten. Diese Verordnungen hätten für die gesamte T. P. gegolten und nicht nur für die Innenstadt. Aus den Verordnungen ergebe sich, dass die anzulegenden Gehwege dem öffentlichen Verkehr dienen sollten.
40Der ständige und zuletzt in den 1990er Jahren erfolgte Ausbau der Straße einschließlich der laufenden Unterhaltungsmaßnahmen belege, dass die Bauarbeiten in der Überzeugung der Öffentlichkeit der Straße vorgenommen worden seien.
41Eine Pflicht zum Erwerb der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Flächen nach § 11 Abs. 1 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) bestehe nicht mehr, da die Frist hierfür mit Ablauf des 31. Dezember 1966 abgelaufen sei.
42Der vorliegende Fall stelle keinen Einzelfall dar. Im gesamten Bereich der Straße G. lägen die Gehwege, Parkflächen und Straßenlaternen auf privaten Grundstücken. In den zurückliegenden Jahrzehnten habe O. den Charakter dieser Flächen als öffentliche Verkehrsflächen infrage gestellt.
43Die sukzessive vorgenommenen An- und Umbauten am Gebäude auf dem Grundstück der Kläger habe dessen Lage zur Straße hin nicht berührt. Wie schon die Fotos aus den 1910er und 1930er Jahren zeige auch das Foto aus dem Jahr 1965, dass die Gehwegflächen schon damals bis unmittelbar an die Hauswand heranreichten. Die Veränderung des Daches bzw. des Giebels entsprechend dem aktuellen Stand sei erst im Jahr 1973 genehmigt und ausgeführt worden. Die Garage sei im Jahr 1978 gebaut worden. Die Verwaltung sei bemüht, Personen zu benennen, die bezeugen könnten, dass die auf privatem Grundstück befindlichen Gehwegflächen schon vor Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes NRW im Jahr 1961 bestanden hätten und gemeingebräuchlich genutzt worden seien.
44Die Beklagte hat eine Erklärung eines früheren städtischen Bediensteten vorgelegt, in der bekundet wird, dass jedenfalls seit dem 1. April 1955 die Flächen vor den Häusern der G. , insbesondere vor dem Haus der Kläger als Gehweg ausgebaut und allgemeingebräuchlich benutzt wurden.
45Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Streitakte und die von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
46Entscheidungsgründe:
47Nachdem die Beklagte ihre Widerklage zurückgenommen hat, ist das Verfahren insoweit gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
48Die Klage – soweit sie noch anhängig ist - hat keinen Erfolg.
49Sie ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Die Kläger haben als Eigentümer der betroffenen Fläche ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass diese Fläche entgegen der Auffassung der Beklagten nicht Teil der öffentlichen Straße ist. Von der Eigenschaft als öffentliche Straße hängt entscheidend ab, inwieweit die Kläger als Eigentümer nach Belieben über diese Fläche verfügen können.
50Die Klage ist aber nicht begründet.
51Die Beweislast für die Öffentlichkeit der im Eigentum der Kläger stehenden Fläche liegt auf Seiten der Beklagten. Denn mit der Öffentlichkeit eines Weges sind weit reichende Einschränkungen des Privateigentums an der Wegeparzelle verbunden. Deshalb geht mit Rücksicht auf den Grundsatz des § 903 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wonach der Eigentümer einer Sache mit dieser nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann, die Nichterweislichkeit der Öffentlichkeit eines Weges zu Lasten desjenigen, der sich auf dessen Öffentlichkeit beruft.
52So schon Preußisches Oberverwaltungsgericht (PrOVG), Urteil vom 21. März 1904 - Rep. IV. B. 94/03 -, PrOVGE 45, 247 (249); vgl. auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 19. Juni 2000 – 11 A 1045/97 –, juris.
53Gleichwohl kann das Gericht die von den Klägern begehrte Feststellung nicht treffen. Es steht vielmehr zu seiner Überzeugung mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass die im Streit stehende Fläche Teil der öffentlichen Straße G. ist.
54Öffentliche Straßen sind gemäß § 2 Abs. 1 StrWG NRW diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW ist eine Widmung die Allgemeinverfügung, durch die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass eine förmliche Verfügung in diesem Sinne seit der Geltung des nordrhein-westfälischen Straßenrechts mit Inkrafttreten des Straßengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - Landesstraßengesetz - LStrG - vom 28. November 1961 (GV. NRW. S. 305; in Kraft getreten gemäß § 71 LStrG am 1. Januar 1962) nicht erfolgt ist.
55Nach § 60 Satz 1, 1. Halbsatz StrWG NRW - eine wortgleiche Bestimmung enthielt bereits § 60 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz LStrG - sind öffentliche Straßen im Sinne des Gesetzes auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze, welche nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen.
56Bei dieser Prüfung ist auf das Wegerecht abzustellen, unter dessen Geltung der streitige Weg entstanden ist.
57Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Dezember 1963 - IV A 707/61 -, OVGE 19, 175, 179 und Urteil vom 16. Juni 2014 – 11 A 2227/12 -, juris.
58Bei der historischen Betrachtung sind verschiedene Zeiträume zu unterscheiden: Die T. P. gehörte zum Herzogtum Westfalen und damit bis 1803 zu Kurköln. In diese Zeit fällt das kurkölnische Wegeedikt vom 14. Januar 1769 (abgedruckt in: Germershausen, Das Wegerecht und die Wegeverwaltung in Preußen, 2. Band, 3. Auflage 1907 S. 257), das umfassende Regelungen über den Ausbau von Straßen und Wegen enthält, jedoch keine Regelungen, die bestimmen, wann ein Weg öffentlich ist. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss fiel die Stadt an die Landgrafschaft (ab 1806 Großherzogtum) Hessen-Darmstadt. Mit großherzoglicher Verordnung vom 15. November 1807 (abgedruckt in: Germershausen, a.a.O. S. 235) wurde das Wegeedikt vom 14. Januar 1769 im Wesentlichen bestätigt und weitere Regelungen insbesondere zu Wegebaulasten getroffen. Aufgrund der auf dem Wiener Kongress getroffenen Regelungen gehörte P. von 1816 an zur preußischen Provinz Westfalen. Von 1816 bis 1961 galt deshalb preußisches Wegerecht. Handelt es sich um einen in dieser Zeit entstandenen Weg, so ist in Ermangelung einschlägiger konkreter Rechtsnormen die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts maßgeblich. Danach entstanden öffentliche Wege durch Widmung seitens der drei Rechtsbeteiligten, nämlich der Wegeaufsichts-/-polizeibehörde, des Wegeunterhaltungspflichtigen und des Wegeeigentümers. Können ausdrückliche Erklärungen seitens der drei Rechtsbeteiligten nicht festgestellt werden, so kommt eine konkludente, stillschweigende Widmung durch die hierzu berufenen Personen in Betracht. Diese setzt immer tatsächliche Vorgänge voraus, welche den zur Zeit dieser Vorgänge vorhandenen Widmungswillen erkennen lassen. Nur wenn es sich um einen vor der Geltung des preußischen Wegerechts entstandenen "alten Weg" handelt, kann auf die vorgenannten Grundsätze nicht zurückgegriffen werden, vielmehr beurteilt sich die Öffentlichkeit eines Weges dann nach dem Wegerecht, unter dessen Herrschaft der Weg angelegt worden ist, und im Übrigen ist der Grundsatz der unvordenklichen Verjährung anzuwenden.
59Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Dezember 1963 - IV A 707/61 -, OVGE 19, 175, 179 und Urteil vom 21. November 2002 – 11 A 5497/99 -, juris.
60Nach Einschätzung des Archivars der Beklagten existierte die heutige Straße G. bereits etwa seit dem 15. Jahrhundert. Jedenfalls existierte sie bereits als beidseitig angebaute Durchfahrtsstraße vor dem Stadtbrand von 1795. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wiederaufbauplan aus diesem Jahr. Dass es sich damit bei der Straße G. um eine altöffentliche Straße handelt, ist unzweifelhaft und wird auch von den Beteiligten nicht bestritten. Umstritten ist lediglich, in welcher Ausdehnung die Straße für den öffentlichen Verkehr gewidmet ist, insbesondere ob die beidseitigen Gehwege bis zu den Häuserfronten zur öffentlichen Straße gehörten und gehören.
61Die Kammer hat die Überzeugung gewonnen, dass die Straße bereits seit dem Wiederaufbau der Stadt nach dem Brand von 1795 in der vollen Breite zwischen den Häuserfronten dem öffentlichen Verkehr diente. Dies ergibt sich aus dem Wiederaufbauplan von 1795, in dem die Straße so eingezeichnet ist, dass sie bis unmittelbar an die (geplanten) Häuser heranreichte (Gerichtsakte 49, 50). Zu den Planvorgaben gehörte die Festlegung der Straßenbreite von 40 bis 50 Fuß (ca. 12,50 m bis 15,70 m).
62Vgl. X. , P. , Geschichte von Stadt und Land, S. 110 f.
63Eine solche Breite konnte nur erreicht werden, wenn die gesamte Fläche zwischen den (jetzigen) Häusern zur Straße geschlagen wurde. Insoweit wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 13. August 2013 (Anlage 1) vorgelegte Darstellung Bezug genommen. Die heutige Straßenparzelle im Eigentum der Stadt weist hingegen lediglich eine Breite von etwa 7,50 m (ca. 24 Fuß) auf. Der von den Klägern betonte Umstand, dass die Häuser an der Straße und insbesondere das auf ihrem Grundstück stehende Gebäude vor dem Stadtbrand von 1795 näher zur Straße standen, spricht gerade dafür, dass es bei dem Wiederaufbau auch um eine einheitliche Verbreiterung der Straße ging und deshalb die Häuser nicht an ihren ursprünglichen Standorten wiedererrichtet werden sollten und auch nicht wiedererrichtet wurden.
64Unabhängig davon ist die heute als Bürgersteig genutzte Fläche vor dem Haus der Kläger jedenfalls unter Geltung des preußischen Wegerechts für den öffentlichen Verkehr gewidmet worden. Allerdings lässt sich eine ausdrückliche Widmung seitens der drei Rechtsbeteiligten, nämlich der Wegeaufsichts-/polizeibehörde, des Wegeunterhaltungspflichtigen und des Wegeeigentümers nicht feststellen. Es ist aber von einer konkludenten Widmung auszugehen.
65Der damalige Eigentümer des klägerischen Grundstücks war in Bezug auf den Bürgersteig nicht nur Wegeeigentümer in diesem Sinne sondern auch Wegeunterhaltungspflichtiger. Wie sich aus der Polizeiverordnung betr. Anlage von Bürgersteigen vom 14. Oktober 1921 ergibt, bestand in der T. P. eine Observanz (= partikuläres Gewohnheitsrecht), nach der die Eigentümer der an einer öffentlichen Straße liegenden bebauten Grundstücke verpflichtet waren, in der ganzen Frontlänge ihrer Grundstücke auf Anordnung der Polizeiverwaltung einen Bürgersteig anzulegen und regelmäßig instandzuhalten.
66Der damalige Eigentümer des klägerischen Grundstücks hat die vor seinem Haus liegende Freifläche stillschweigend für den öffentlichen Verkehr gewidmet. Allerdings lässt in der Regel ein nur duldendes Verhalten des jeweiligen privaten Eigentümers nicht den Schluss auf eine konkludente Widmung zu.
67Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 – 11 A 1045/97 –, juris, m.w.N.
68Hier liegt der Fall jedoch so, dass es der Eigentümer nicht lediglich geduldet hat, dass das Grundstück von Dritten als Weg genutzt wurde. Sondern er hat entweder selbst entsprechend der bestehenden Observanz auf dieser Fläche einen Bürgersteig angelegt oder die bürgersteigmäßige Herrichtung jedenfalls geschehen gelassen. Dies reicht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier für die Annahme einer konkludenten Widmung durch den Eigentümer und Wegeunterhaltungspflichtigen aus.
69Vgl. auch Germershausen/Seydel, Wegerecht und Wegeverwaltung in Preußen, 1. Band, 4. Auflage 1932, unveränderter Nachdruck 1955, S. 262, Fußnote 8).
70Wie sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Foto aus der Zeit um 1910 ergibt, waren zu diesem Zeitpunkt beidseits der Straße befestigte Bürgersteige vorhanden, die bis unmittelbar an die Häuserfronten heranreichten. Dies gilt auch für den Bereich des klägerischen Grundstücks. Hieran änderte sich auch in den Folgejahren bis zum Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßenrechts nichts. Dies zeigen die weiteren vorliegenden Fotos aus den Jahren 1910 bis 1955. Die auf allen Bildern erkennbaren durchgehenden Bürgersteige dienten ersichtlich dem öffentlichen Verkehr und nicht nur der Erreichbarkeit der einzelnen Häuser von der Straße aus. Dem steht nicht entgegen, dass vielfach Eingangstreppen in die Bürgersteige hineinragten. Das Anbringen von Treppenstufen, Erkern und ähnlichen Vorbauten gehörte seinerzeit wie das Aufstellen oder Aushängen von Gegenständen auf dem Bürgersteig regelmäßig zu der geduldeten Benutzung durch die Anlieger.
71Vgl. Germershausen/Seydel, Wegerecht und Wegeverwaltung in Preußen, a.a.O., S. 258.
72Es ist auch unerheblich, dass auf einem Foto zu sehen ist, dass Holz auf dem Bürgersteig lagert. Die Zwischenlagerung von Brenn- oder Baumaterialien gehörte seinerzeit – wie auch heute in gewissem Rahmen noch – zum zulässigen Anliegergebrauch. Soweit auf einem Foto aus dem Jahr 1950 zu sehen ist, dass ein Auto auf dem Bürgersteig abgestellt ist, so handelt es sich um einen Einzelfall, der nichts darüber aussagt, dass dieses Fahrzeug rechtmäßiger Weise vom Eigentümer des Grundstücks dort abgestellt worden ist. Soweit auf einem von den Klägern vorgelegten Foto aus dem Jahr 1906 „Blick in die G. “ (aus: Manfred Schöne, P. , Seite 58) rechts am Rande ein in den Bürgersteig hinreichendes Gitter zu sehen ist, ist dies wenig aussagekräftig. Nach der Bildunterschrift ist links auf dem Bild das Landratsamt zu sehen, das an der Stelle des heutigen evangelischen Gemeindezentrums (G1. Straße 17) stand. Das Haus und das Gitter auf der gegenüber liegende Straßenseite dürften danach ebenfalls nicht an der G. stehen, sondern oberhalb an der G1. Straße. Es ist auch denkbar, dass es sich um einen offen stehenden Torflügel handelt oder um ein Gitter, das wegen bestehender Niveauunterschiede aus Gründen der Verkehrssicherung erforderlich war. Dass an mehreren Stellen in unterschiedlicher Entfernung von den Gebäuden Bäume auf dem Gehweg stehen, ist kein Argument gegen die Öffentlichkeit des Gehweges. Denn die Anpflanzung von Straßenbäumen im öffentlichen Verkehrsraum war und ist auch heute noch durchaus üblich.
73Es spricht viel dafür, dass die Anlieger aufgrund der Observanz verpflichtet waren, die für die Anlage des Bürgersteigs erforderliche Grundfläche zur Verfügung zu stellen. Dies war zwar nicht die Regel,
74vgl. hierzu: Germershausen/Seydel, Wegerecht und Wegeverwaltung in Preußen, a.a.O., S. 262,
75scheint in P. jedoch der Fall gewesen zu sein. Denn wie sich aus der Liegenschaftskarte ergibt, verliefen und verlaufen die Bürgersteige an der Straße G. fast durchgehend über Privatgrundstücke. Es kann nicht angenommen werden, dass die Anlieger durchweg die Anlage der Bürgersteige auf ihren Grundstücken hingenommen hätten, wenn sie hierzu rechtlich nicht verpflichtet gewesen wären. Dies kann letztlich jedoch dahinstehen, da es alle Anlieger zumindest geduldet haben, dass der Bürgersteig über ihre Grundstücke geführt wurde.
76Auch von Seiten der Wegepolizeibehörde, nämlich dem Bürgermeister der T. P. , ist von einer konkludenten Widmung auszugehen. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Fluchtlinienplan von 1914 ergibt sich, dass die Stadt die Straße in ihrer gesamten Breite zwischen den Häuserfronten als öffentliche Straße ansah. Die Fluchtlinie in der Straße G. wurde exakt an den bestehenden Häuserfronten entlang geführt.
77Nach § 1 des Gesetzes betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. Juli 1875, (Pr. GS S. 561, abgedruckt in: Germershausen, a.a.O., 2. Band, 3. Auflage 1907 S. 49), sind für die Anlegung oder Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften die Straßen- und Baufluchtlinien vom Gemeindevorstand im Einverständnis mit der Gemeinde oder deren Vertretung, dem öffentlichen Bedürfnis entsprechend unter Zustimmung der Ortspolizeibehörde festzusetzen.
78Bei entsprechend den Festsetzungen solcher Fluchtlinienpläne entstandenen Straßen handelte es sich um öffentliche Straßen. Denn das Gesetz vom 2. Juli 1875 kannte die Festsetzung von Straßenfluchtlinien nur für die Anlegung öffentlicher Straßen. Die Bedeutung der Fluchtlinie bestand nicht darin, festzusetzen, wo gebaut werden durfte, sondern darin, zu kennzeichnen, welche Flächen zu öffentlichen Straßen und Plätzen vorbehalten werden sollten, und deshalb nicht bebaubar waren.
79Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 2014 – 11 A 2227/12 –, juris; Dieckmann, Das Fluchtliniengesetz vom 2. Juli 1875 und das Wohnsiedlungsgesetz vom 22. September 1933, 1. und 2. Auflage 1936, S. 2.
80Selbst wenn die Eintragung der Straßenfluchtlinien nicht als Widmung zu qualifizieren sein sollte, lässt sich auf eine – spätestens um das Jahr 1910 erfolgte - stillschweigende Widmung schließen. Die Straße G. gehörte zu den Hauptstraßen der T. P. . Es ist fernliegend anzunehmen, dass eine Erweiterung der Straße um Bürgersteige ohne Billigung der Stadt als Wegepolizeibehörde erfolgt sein könnte.
81Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das auf dem Grundstück der Kläger stehende Wohnhaus in der Lage zur Straße hin seit 1910 verändert wurde. Im Jahr 1955 wurde eine Baugenehmigung nur für einen rückwärtigen Anbau und Veränderungen im hinteren Teil des Gebäudes erteilt. Der Umbau des vorderen Teils des Gebäudes zu einem Friseursalon erfolgte ohne Verlegung der Außenmauern zur Straße hin. Das vom Kläger eingereichte undatierte Foto (Gerichtsakte 118), auf dem das Haus noch als Fachwerkhaus zu sehen ist und dass vor dem Umbau von 1960 aufgenommen worden sein dürfte, lässt vielmehr insbesondere aufgrund der Lage des Fensters im Obergeschoss (Westseite) erkennen, dass das Gebäude im Vergleich zum Zustand nach dem Umbau im Jahr 1960 in seiner Lage zur Straße nicht verändert wurde. In den Bauplänen zum Umbau des Hauses im Jahr 1960 ist dieses Fenster an derselben Stelle eingezeichnet. Ein Vergleich der Fotos aus dem Jahre 1965 (Beiakte Heft 2, 14) und aus der Zeit vor dem Umbau 2012/13 (Gerichtsakte 111) lässt ebenfalls im Erdgeschoss keine Veränderung erkennen. Das Schaufenster und die Eingangstür sind unverändert. Bei der Neugestaltung des Ober- und Dachgeschosses im vorderen Gebäudeteil im Jahr 1973 blieb das Erdgeschoss unverändert.
82Der Umstand, dass im Jahr 1978 die Errichtung einer Garage rechts neben dem Wohnhaus genehmigt wurde und dass ein Überbau auf die Wegeparzelle rechts neben dem Haus genehmigt wurde, lässt keinerlei Rückschlüsse darauf zu, ob die vor dem Haus liegende Fläche Teil der öffentlichen Straße ist oder nicht. Für die Beklagte bestand im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens keinerlei Anlass, auf die straßenrechtliche Einordnung der Fläche hinzuweisen. Auch der Umstand, dass nach Angaben der Kläger der Voreigentümer des Grundstücks, der jetzige Beigeordnete der Beklagten, beim Verkauf des Hauses nicht auf die Öffentlichkeit der Fläche hingewiesen hat, lässt keinerlei lässt keinerlei Rückschlüsse auf die straßenrechtliche Lage zu.
83Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2, 155 Abs. 2 VwGO.
84Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung.
85Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO sind nicht gegeben.
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(1) Enthält der Tatbestand des Urteils andere Unrichtigkeiten oder Unklarheiten, so kann die Berichtigung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden.
(2) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme durch Beschluß. Der Beschluß ist unanfechtbar. Bei der Entscheidung wirken nur die Richter mit, die beim Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Ist das Urteil elektronisch abgefasst, ist auch der Beschluss elektronisch abzufassen und mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit vom Gericht zu berichtigen.
(2) Über die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Ist das Urteil elektronisch abgefasst, ist auch der Beschluss elektronisch abzufassen und mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Enthält der Tatbestand des Urteils andere Unrichtigkeiten oder Unklarheiten, so kann die Berichtigung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden.
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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Es wird festgestellt, dass es sich bei der T.----------straße in I. um eine öffentliche Straße handelt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Öffentlichkeit einer Straße in der Stadt I. .
3I. gehörte einst zur Grafschaft Mark, später zu Brandenburg-Preußen, dann zum Großherzogtum Berg und war nach dem Wiener Kongress im Jahr 1815 bis zur Auflösung des Staates Preußen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs preußisch.
4Die Klägerin ist Mieterin von 16 Torbögen auf den Grundstücken T.----------straße 2 bis 6 (Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 2, 133 und 307) und betreibt in einem Teil dieser Torbögen eine Fleischerei mit Partyservice. Die Grundstücke stehen im Eigentum der Deutschen Bahn AG.
5Die T.----------straße (Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 251 und 252 sowie Flur 23, Flurstück 533) ist nach den Angaben der Beklagten seit 1878 vorhanden. Sie ist eine Sackgasse. Auf ihr befinden sich die Gebäude des am 6. Juni 1888 eröffneten und bis zum Jahr 1983 von der Beklagten betriebenen Schlacht- und Viehhofs I. . Neben dem Schlachthof befanden sich von 1888 bis ins 20. Jahrhundert auf dem Gelände u. a. ein Restaurationsgebäude, ein Börsenhaus und Markthallen für Klein- und Großvieh. Die T.----------straße war in dem von 1910 bis 1962 gültigen Kataster (Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 83, 89, 84) eingetragen. Im Fluchtlinienplan XI. vom 23. Januar 1915 sind die N.------straße und ein Teil der in diese Straße einmündenden T.----------straße eingezeichnet.
6Die Beklagte stellte im Jahr 1976 verwaltungsintern fest, dass die T.----------straße nach altem Recht als gewidmet anzusehen sei, da sie bereits seit 1878 vorhanden sei. Diese Feststellung vermerkte sie auf einer Karteikarte ihrer Widmungskartei und nahm die T.----------straße im Stadtplan als gewidmete Straße auf.
7Die Grundstücke des ehemaligen Schlachthofgeländes und die Grundstücksflächen der T.----------straße standen bis zum Jahr 2009 im Eigentum der Beklagten. Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Januar 2009 veräußerte die Beklagte die Grundstücke des ehemaligen Schlachthofgeländes und die Grundstücksflächen der T.----------straße an die Beigeladene. Nach dem Erwerb der Grundstücke verlangte die Beigeladene von der Klägerin für die Nutzung der Wegeflächen eine Nutzungsentschädigung. Beim Landgericht I. ist wegen dieser Nutzungsentschädigung ein Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen - 4 O 327/10 - anhängig, welchen das Landgericht bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem hier anhängigen Verfahren ausgesetzt hat. Die Beigeladene erklärte gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Das deswegen beim Oberlandesgericht Hamm unter dem Aktenzeichen - I-22 U 136/11 - geführte Verfahren hat dieses ebenfalls ausgesetzt.
8Am 28. November 2011 hat die Klägerin Klage erhoben.
9Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
10festzustellen, dass es sich bei den Grundstücken Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 251 und 252 sowie Flur 23, Flurstück 533 um öffentliche Wegeflächen handelt, soweit diese nicht mit Gebäuden bebaut sind.
11Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 6. September 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die T.----------straße sei nicht öffentlich. Sie sei nicht stillschweigend durch die maßgeblichen Rechtsbeteiligten gewidmet worden. Zur Überzeugung des Gerichts habe auf den streitigen Wegeflächen kein uneingeschränkter öffentlicher Verkehr stattgefunden, diese Flächen seien vielmehr nur für einen bestimmten Interessenkreis angelegt gewesen, nämlich für die Personen, die den städtischen Schlachthof und die damit im Zusammenhang stehenden Einrichtungen, Gebäude und Geschäfte (z. B. Viehställe, Schlachthallen, Restauration, Börse, Markthalle, Trichinenschau, Fortbildungsschule, Kühlhäuser, Stangeneisproduktion, Fleisch- und Wurstwarengroß- sowie -einzelhandel, Fleischerei-Einkauf mit Zubehör und Konserven, Räuchereien, Gewürzhandel, Verpackungsmaterial, Schleiferei, Salzerei, Freibank-Fleischverkauf, Wohnhaus) hätten aufsuchen wollen. Nach Angaben der vor dem Landgericht in dem Verfahren - 4 O 327/10 ‑ vernommenen Zeugen sei die T.----------straße nur von denjenigen genutzt worden, die auf dem Schlachthof etwas zu tun gehabt hätten. Dass zum Mittagessen in die Gaststätte auch andere, fremde Leute gekommen seien, stehe der Nichtöffentlichkeit der Straße nicht entgegen. Außerdem habe sich auch ein Tor bzw. richtiger wohl eine Schranke auf der T.----------straße befunden. Das Vorhandensein dieser Schranke, die jederzeit - aus welchen Gründen auch immer - habe geschlossen werden können, spreche dagegen, dass die T.----------straße dem uneingeschränkten öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestanden habe. Die streitigen Wegeflächen hätten allein der „innerbetrieblichen Erschließung“ des Schlachthofs und der damit im Zusammenhang stehenden Einrichtungen auf dem Areal gedient. Diese innerbetriebliche Erschließungsfunktion verdeutliche auch der Umstand, dass es sich um eine Sackgasse handele. Ein weiterer Anhalt dafür, dass die streitigen Wegeflächen nicht öffentlich seien, sei auch den Ausführungen in der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ zum Jahr 1891 zu entnehmen, wonach der Schlachthof einen Pförtner gehabt habe, der die Schranke und Weichen an der N.------straße zu bedienen gehabt habe.
15Die vom Senat zugelassene Berufung begründet die Klägerin wie folgt: Bei der T.----------straße handele es sich um eine öffentliche Straße. Sie habe ihre öffentliche Wegeeigenschaft, wenn nicht durch ausdrückliche Widmung, aber zumindest durch konkludente Willensübereinstimmung der drei Rechtsbeteiligten erhalten. Die Stadt I. habe den Ausbau der T.----------straße im Jahr 1878 und deren anschließende Nutzung zu Verkehrszwecken nicht wie Privateigentum schlicht geduldet. Vielmehr sei der Straßenbau von der Stadt I. seinerzeit aktiv initiiert und realisiert worden. Ihre Eigentümerschaft sei zwar kein zwingendes Indiz für die Öffentlichkeit der Straße, sie untermauere aber die Vermutung der Öffentlichkeit. Die Stadt I. sei auch unterhaltspflichtig gewesen. Dies sei ein weiteres Indiz für die Öffentlichkeit. Schließlich habe die Stadt I. die Straße im Jahr 1976 selbst als nach preußischem Recht gewidmete Straße angesehen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die T.----------straße auch keine „Betriebsstraße“ gewesen, vielmehr seien durch die Straße noch zahlreiche andere Einrichtungen erschlossen gewesen, nämlich eine Börse, eine Markthalle und eine Gastwirtschaft sowie zahlreiche andere Einrichtungen.
16Die Klägerin beantragt,
17das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass es sich bei den Grundstücken Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 251 und 252 sowie Flur 23, Flurstück 533 um öffentliche Wegeflächen handelt, soweit diese nicht mit Gebäuden bebaut sind.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie bezieht sich zur Begründung ihrer Berufungserwiderung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.
21Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte des Landgerichts I. betreffend das Verfahren - 4 O 327/10 - sowie die von der Klägerin vorgelegte Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ vom 11. März 1965 Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
24Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die zulässige Feststellungsklage ist begründet. Die T.----------straße in I. ist eine öffentliche Straße.
25Die nach Angaben der Beklagten seit 1878 existierende T.----------straße ist eine öffentliche Straße im Sinne des § 60 Satz 1, 1. Halbsatz StrWG NRW. Danach sind öffentliche Straßen im Sinne des Gesetzes auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze, welche nach bisherigem Recht die Eigenschaft als öffentliche Straßen besitzen. Das ist hinsichtlich der T.----------straße der Fall.
26Die T.----------straße ist vor Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßenrechts am 1. Januar 1962 entstanden. Für ihre rechtliche Beurteilung ist deshalb auf das Wegerecht abzustellen, unter dessen Geltung sie entstanden ist.
27Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 ‑ 11 A 3657/06 -, juris, Rn. 24.
28Zum Zeitpunkt der Entstehung der T.----------straße galt in der Grafschaft Mark das „Edikt wegen der Wegebesserung in der Grafschaft Marck vom 7. Januar 1769“,
29abgedruckt in: Germershausen/Seydel/Marschall, Wegerecht und Wegeverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland und deren Ländern, II. Band, 5. Auflage 1961, S. 1605 ff.; dieses Edikt galt bis zum Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes fort (vgl. § 69 Nr. 6 LStrG 1961),
30und das preußische Wegerecht. Da weder die Vorschriften des Edikts wegen der Wegebesserung in der Grafschaft Mark noch das preußische Wegerecht Regelungen über die Entstehung einer öffentlicher Straßen enthielten, ist die Öffentlichkeit einer unter Geltung dieser Vorschriften entstandenen Straße nach der vom Preußischen Oberverwaltungsgericht entwickelten sogenannten Widmungstheorie zu beurteilen.
31Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 ‑ 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 62.
32Nach dieser Theorie setzte das Entstehen einer öffentlichen Straße voraus, dass diese „unter ‑ wenn auch stillschweigender - Zustimmung der rechtlich Betheiligten (d. h. des Eigenthümers, des Unterhaltspflichtigen und der Wegepolizeibehörde) dem öffentlichen Verkehre gewidmet ist“.
33Vgl. PrOVG, Urteil vom 27. Februar 1895 ‑ IV C 52/94 -, PrOVGE 27, 399 (401).
34Hiervon ausgehend steht es nach einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Unterlagen zur Überzeugung des Senats fest (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass die T.----------straße dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden ist. Eine Zustimmung der maßgeblichen Rechtsbeteiligten zur Widmung ist gegeben.
35Die drei Rechtsbeteiligten wurden damals von der Stadt I. bzw. ihrem jeweiligen Oberbürgermeister verkörpert. Die Stadt I. war zum Zeitpunkt der Entstehung der Straße (bis 2009) Eigentümerin der Wegegrundstücke der T.----------straße . Sie war auch als Wegebaulastträger für diese unterhaltspflichtig. Bis zum Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßen- und Wegegesetzes am 1. Januar 1962 hatten in der Grafschaft Mark in der Regel die Städte die Wegebaulast zu tragen.
36Vgl. hierzu Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preussen, I. Band, 4. Auflage 1932, § 20 Wegebaulast in Westfalen, S. 207 f.
37Die Stadt I. bzw. deren Oberbürgermeister war unter Geltung des preußischen Rechts auch Wegepolizeibehörde. Wegepolizeibehörde war die Ortspolizeibehörde, in Westfalen waren das die Bürgermeister.
38Vgl. hierzu Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preussen, I. Band, 4. Auflage 1932, § 41 Zuständigkeiten der Behörden in Wegesachen, S. 398 f.
39Es liegen hinreichende Beweise für eine Zustimmung der Stadt I. bzw. ihres Oberbürgermeisters zur Öffentlichkeit der T.----------straße aus der Zeit ihrer Entstehung bzw. vom Beginn des 20. Jahrhunderts vor.
40Diese ergeben sich zwar nicht schon aus der Eintragung der T.----------straße in das von 1910 bis 1962 gültige Kataster. Das Kataster belegt vielmehr allein die Eigentumsverhältnisse an den katastermäßig erfassten Grundstücken, besagt jedoch nichts über die rechtliche Einordnung der Straße.
41Anders verhält es mit Blick auf den durch die Stadt I. erstellten Fluchtlinienplan XI vom 23. Januar 1915, in dem Straßenfluchtlinien eines Teils der T.----------straße enthalten sind.
42Nach § 1 des Gesetzes betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. Juli 1875, Pr. GS S. 561, sind für die Anlegung oder Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften die Straßen- und Baufluchtlinien vom Gemeindevorstand im Einverständnis mit der Gemeinde oder deren Vertretung, dem öffentlichen Bedürfnis entsprechend unter Zustimmung der Ortspolizeibehörde festzusetzen.
43Bei entsprechend den Festsetzungen solcher Fluchtlinienpläne entstandenen Straßen handelte es sich um öffentliche Straßen. Denn das Gesetz vom 2. Juli 1875 kannte „die Festsetzung von Straßenfluchtlinien nur für die Anlegung öffentlicher Straßen“.
44Vgl. PrOVG, Urteil vom 30. Dezember 1890 ‑ IV B 11/89 -, PrOVGE 20, 223 (225).
45Die Bedeutung der Fluchtlinie bestand nicht darin, festzusetzen, wo gebaut werden durfte, sondern darin, zu kennzeichnen, welche Flächen zu öffentlichen Straßen und Plätzen vorbehalten werden sollten, und deshalb nicht bebaubar waren.
46Vgl. Dieckmann, Das Fluchtliniengesetz vom 2. Juli 1875 und das Wohnsiedlungsgesetz vom 22. September 1933, 1. und 2. Auflage 1936, S. 2.
47Mit Blick auf die Eintragung der Straßenfluchtlinien des Beginns der T.----------straße ab der Einmündung in die N.------straße in den Fluchtlinienplan aus dem Jahr 1915 spricht Überwiegendes dafür, dass die T.----------straße (möglicherweise auf der Grundlage eines Fluchtlinienplans aus der Zeit ihrer Entstehung) von vornherein für den Gebrauch für die Öffentlichkeit gebaut worden ist. Jedenfalls ist aber anzunehmen, dass die Stadt I. bzw. ihr Oberbürgermeister als maßgebliche Rechtsbeteiligte die T.----------straße durch die Festsetzung von deren Straßenfluchtlinien im Fluchtlinienplan von 1915 insgesamt gewidmet haben.
48Insoweit ist unschädlich, dass in diesem Fluchtlinienplan nur der in die N.------straße einmündende etwa 40 m lange Teil der insgesamt ca. 150 m langen T.----------straße wiedergegeben ist. Es gibt keinen Anhaltspunkt für die von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerte Vermutung, die T.----------straße sei deshalb nicht vollständig auf dem Fluchtlinienplan wiedergegeben, weil ihre Öffentlichkeit im weiteren nicht dargestellten Verlauf geendet hätte. Denn dann wäre diese Straße wohl wie der nördlich parallel zur T.----------straße verlaufende, kurze (öffentliche) Stichweg der N.------straße eingezeichnet worden; dessen Ende bzw. das Ende seiner Öffentlichkeit ist nämlich kenntlich gemacht. Abgesehen davon handelt es sich nur um einen Auszug aus dem Fluchtlinienplan, der auch die südlich gelegene (öffentliche) B. -Straße wie die T.----------straße nur auszugsweise wiedergibt, ohne dass daraus etwa der Schluss gezogen werden könnte, die B. -Straße sei in ihrem weiteren Verlauf nichtöffentlich gewesen.
49Selbst wenn die Eintragung der Straßenfluchtlinien nicht als Widmung zu qualifizieren sein sollte, lässt sich aber aus den Umständen der Benutzung der Straße auf eine - schon vor 1915 erfolgte - stillschweigende Widmung schließen. Eine stillschweigende Widmung setzt immer tatsächliche Vorgänge voraus, welche den zur Zeit dieser Vorgänge vorhandenen Widmungswillen erkennen lassen. Ein mögliches, nur duldendes Verhalten des jeweiligen privaten Eigentümers lässt nicht den Schluss auf eine konkludente Widmung zu.
50Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 ‑ 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 65, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts.
51Der Umstand, dass das Wegegrundstück im Eigentum der Gemeinde steht, „ist insofern bedeutungslos, als aus diesem Eigenthumsverhältniß durchaus nicht nothwendig die Oeffentlichkeit des Weges folgt. Es giebt zahlreiche Wege, die im Eigenthum von Gemeinden stehen, gleichwohl aber, da ihre Benutzung nur einem bestimmten Kreise von Interessenten zu einem bestimmt begrenzten Zwecke zusteht, nicht öffentliche sind“.
52Vgl. PrOVG, Urteil vom 19. Dezember 1883 PrOVGE 10, 347 (355).
53Solche Interessentenwege sind die für den Gebrauch eines bestimmten, mehr oder weniger eng begrenzten Personenkreis bestimmten Wege.
54Vgl. Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preussen, I. Band, 4. Auflage 1932, § 1 Begriff des öffentlichen Weges, S. 22 f.
55Interessentenwege sind Privatwege und werden durch den größeren Umfang der Interessentenschaft, zu denen beispielsweise auch sämtliche Bewohner größerer Gemeinden gehören können, nicht zu öffentlichen.
56Vgl. PrOVG, Urteil vom 28. Januar 1926 ‑ IV C 30/24 -, PrOVGE 80, 253 (255).
57Gemessen hieran hat durch Zurverfügungstellung der T.----------straße durch die Stadt I. an die Öffentlichkeit eine stillschweigende Widmung stattgefunden. Der Gebrauch der T.----------straße war auch nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt.
58Da die T.----------straße nicht im Privateigentum eines Dritten stand, ist nur auf den konkludenten Widmungswillen der Stadt I. abzustellen. Allein aus ihrem Eigentum an dem Straßengrundstück kann zwar noch nicht geschlossen werden, sie habe den Gebrauch der T.----------straße der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Sie hat aber den Gebrauch des Wegs nicht nur auf den Personenkreis der Nutzer des Schlachthofs und dessen Einrichtungen beschränkt, sondern diesen vielmehr der Allgemeinheit zur Benutzung uneingeschränkt freigegeben.
59Der Umstand, dass die T.----------straße der Erschließung des Schlachthofgeländes diente, steht dieser Annahme nicht entgegen. Die Stadt I. hatte auf der T.----------straße einen allgemeinen Verkehr zugelassen, der nicht - wie etwa bei einem internen Werksverkehr - besonders reglementiert war. In aller Regel wird der Verkehr zwar dem Zweck, den Schlachthof zu erreichen, gedient haben. In diesem Rahmen war der nutzungsberechtigte Personenkreis aber nicht eingeschränkt. Denn die Beschränkung auf einen bestimmten Nutzungszweck steht der Öffentlichkeit einer Straße nicht entgegen.
60Vgl. PrOVG, Urteil vom 25. März 1885 ‑ I C 196/94 -, PrOVGE 12, 282 (286 f.).
61Es gibt keine Anhaltspunkte etwa für eine wegepolizeiliche Anordnung, mit der die Benutzung der T.----------straße auf den Personenkreis der Schlachthofnutzer und dessen Einrichtungen beschränkt worden wäre. Dem von der Beklagten im Verhandlungstermin vor dem Senat angeführten, in der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ vom 11. März 1965 (53. Seite der Festschrift) zum Jahr 1899 vermerkten Eintrag des Polizeiinspektors, wonach „die Metzger Kinder mit zum Schlachthof brächten, ohne daß dagegen eingeschritten werde“, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu entnehmen, Kinder seien von der Benutzung der T.----------straße auszuschließen, vielmehr sollten diese nicht zum bzw. in den Schlachthof mitgebracht werden. Hinzu kommt, dass sich dieser Vorgang erst nach einem hier maßgeblichen Widmungsmoment ereignete.
62Auch die tatsächlichen Vorgänge auf und an der T.----------straße sprechen gegen eine nur für einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis erfolgte Freigabe dieser Straße.
63Aus der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ vom 11. März 1965 (15. Seite der Festschrift) ergibt sich, dass sich zum Zeitpunkt der Einweihung des Schlachthofs am 6. Juni 1888 an der T.----------straße neben den verschiedenen Schlachthallen u. a. ein Restaurationsgebäude, ein Börsenhaus und eine Markthalle für Kleinvieh sowie eine weitere für Großvieh befanden. Das Restaurationsgebäude, aber auch die Markthallen und wohl auch das Börsenhaus waren für jedermann zugänglich. Vom Restaurationsgebäude bzw. dem „Gasthof“ existieren zudem (allerdings) undatierte, aber wohl aus der vorletzten Jahrhundertwende stammende Lichtbilder (eines in der Festschrift auf der 5. Seite und zwei in Form von Kopien auf Blatt 134 und 135 der Gerichtsakte des Landgerichts I. in dem Verfahren - 4 O 327/10 ‑, letzteres Lichtbild ist auch in der von der Beklagten im Verhandlungstermin vor dem Senat eingereichten Schrift über „X.--ringhausen Landschaft - Geschichte - Menschen“, aus Band V der Schriftenreihe „I. einst und jetzt“, enthalten), die die Annahme bestätigen, dass das über die T.----------straße zugängliche Restaurationsgebäude und damit auch die T.----------straße jedermann zur Nutzung offen standen. Auf dem in der Festschrift abgebildeten Lichtbild sind neben einem Mann, der einen an einem Strick angebundenen Ochsen festhält, und einem ein Schürzenkleid tragenden Mann weitere Personen in Straßenkleidung, darunter auch Kinder, abgebildet. Auf den beiden nur in Kopie vorhandenen Lichtbildern sind ebenfalls Personen in Straßenkleidung und auch Kinder zu erkennen.
64Auch eine Notiz aus dem Jahr 1908 und ein Ausschnitt aus der Hagener Zeitung aus dem Jahr 1912, jeweils vermerkt auf der 57. Seite der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “, sprechen nicht dafür, die Stadt I. habe den Gebrauch der Straße auf den Personenkreis der Schlachthofnutzer und seiner Einrichtungen begrenzen wollen. Denn andernfalls wäre die Vermietung eines „Eierlager(s)“ im Jahr 1908 an eine I1. Firma auf dem Schlachthofgelände, damit also durch die Stadt I. selbst, nicht nachvollziehbar. Aus dem Ausschnitt aus der I2. Zeitung von 1912 ergibt sich, dass die Errichtung von Verkaufslokalen für Metzgereibedarfsartikel und einer Schleiferei für Metzgerwerkzeuge sowie die Verlegung des Schlachthofrestaurants in einige der „Bogennischen“, in denen sich der Betrieb der Klägerin heute befindet, vorgesehen waren. Auch diese ausdrücklich geäußerten Absichten unterstreichen den Willen der Stadt, die T.----------straße solle nicht allein der „innerbetrieblichen Erschließung“ des Schlachthofs - so die Annahme des Verwaltungsgerichts -, sondern auch anderen Erschließungszwecken dienen. Gegen eine „innerbetriebliche Erschließung“ spricht im Übrigen auch allein das Vorhandensein der in dem Ausschnitt der I2. Zeitung erwähnten „Bogennischen“ der „Eisenbahn“, die offenbar zu diesem Zeitpunkt schon baulich genutzt worden und von der T.----------straße aus zugänglich gewesen sind. Diese „Bogennischen“ sind zwar „pachtweise“ der Stadt I. überlassen worden; die Eisenbahn dürfte die Bogennischen aber ursprünglich für ihre Zwecke errichtet (und möglicherweise auch genutzt) haben und nicht zum Zwecke der Nutzung für den Schlachthofbetrieb, eine Nutzung, die davon abgesehen auch von der Stadt I. selbst für diese Bogennischen nicht vorgesehen war.
65Auch die in der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ auf der 52. Seite betreffend das Jahr 1891 zu entnehmenden Ausführungen, wonach der Schlachthof einen Pförtner gehabt habe, der „die Schranken und Weiche an der N.------straße zu bedienen“ hatte, sind kein gegen die Öffentlichkeit und für die rein innerbetriebliche Funktion der T.----------straße sprechenden Indizien. Denn dass der Pförtner des Schlachthofs die Benutzung der T.----------straße zu kontrollieren hatte, lässt sich daraus nicht entnehmen. Aus dem Gesamtzusammenhang dieser Ausführungen, die sich ausdrücklich auf den „Bahnanschluß“ beziehen, ergibt sich vielmehr, dass es sich bei der „Schranke und Weiche“, die der Pförtner zu bedienen hatte, um die Eisenbahnschranke und -weiche an der N1.-------straße handelte, nicht aber um eine Schranke, die den Zugang zur T.----------straße regulieren sollte.
66Auch soweit das Verwaltungsgericht auf die Aussagen der vom Landgericht in dem Verfahren 4 O 327/10 vernommenen Zeugen abstellt, wonach sich auf der T.----------straße (hinter der Einmündung) ein Tor oder eine Schranke (ein Tor ist auch auf dem in der Gerichtsakte des Landgerichts befindlichen Lichtbild, angeheftet an Blatt 64, erkennbar) befinde, und das Vorhandensein dieser „Schranke“, die jederzeit habe geschlossen werden können, als Indiz gegen die Öffentlichkeit der T.----------straße anführt, überzeugt dieses Argument nicht. Es ist damit schon nicht belegt, dass dieses Tor sich dort bereits in der für die Frage der Widmung entscheidungserheblichen Zeit, also von 1878 an, befand. Abgesehen davon bestätigt allein das Vorhandensein eines solchen Tores, jedenfalls dann, wenn es - wie hier ‑ erhebliche Anhaltspunkte für einen Widmungswillen gibt, nicht die Nichtöffentlichkeit eines Wegs oder einer Straße. Denn es kann auch nur zeitweiligen Absperrungen ‑ etwa im Fall einer Seuche ‑ gedient haben.
67Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, die Eintragung der T.----------straße in die Widmungskartei der Beklagten im Jahr 1976 und die damit verbundene Einordnung der Straße durch die Beklagte sei für das Gericht nicht bindend. Denn allein entscheidend ist, ob die Vorgänge im für die Widmung entscheidungserheblichen Zeitraum - also in der Zeit von 1878 an - auf einen Widmungsakt schließen lassen, nicht wie die Beklagte diese Vorgänge im Jahr 1976 bewertet hat. Allerdings ist die Eintragung der T.----------straße in die Widmungskartei zumindest ein Indiz dafür, dass diese seit jeher öffentlich gewesen ist, weil die Beklagte selbst diese Straße als schon vor langer Zeit gewidmet angesehen hat.
68Soweit die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat weiteres Fotomaterial betreffend die T.----------straße und den nördlich von der T.----------straße gelegenen Stichweg der N.------straße sowie eine Schrift über „X.--hausen Landschaft - Geschichte - Menschen“, aus Band V der Schriftenreihe „I. einst und jetzt“, zu den Akten gereicht hat, vermögen auch diese Unterlagen nicht die Feststellungen des Senats, es handele sich bei der T.----------straße um eine öffentliche Straße, in Frage zu stellen. Die Lichtbilder spiegeln den aktuellen Zustand wider und sind deshalb nicht hinreichend aussagekräftig für die Beantwortung der Frage, ob die T.----------straße im 19. Jahrhundert gewidmet worden ist. Auch aus der Schriftreihe über X.--hausen ergeben sich aus Sicht des Senats keine gegen eine Widmung sprechenden Indizien. Der auf dem Schlachthofgelände damals betriebene Gasthof wird zwar nicht in der Aufzählung der in X.--hausen seinerzeit bekannten Gaststätten benannt. Über ihn findet sich in der Schrift aber in einem über den Schlachthof verfassten Artikel ein Lichtbild, welches mit „Altes Schlachthofgebäude mit Gaststätte“ überschrieben ist. Auch das Argument der Beklagten, die T.----------straße sei in der Schrift im Zusammenhang mit der im Jahr 1887 errichteten Gasanstalt als „verlängerte N.------straße “ bezeichnet worden, vermag die Auffassung der Beklagten, die T.----------straße sei damals nichtöffentlich gewesen, nicht zu stützen. Die N.------straße war im Fluchtlinienplan vom 23. Januar 1915 eingezeichnet und deshalb nach den obigen Darlegungen eine öffentliche Straße. War die N.------straße aber öffentlich, so gilt dies auch für ihre Verlängerung.
69Einer Anwendung des Grundsatzes der Widmung kraft unvordenklicher Verjährung bedarf es mit Blick auf die Feststellungen einer Widmung der T.----------straße entsprechend den Grundsätzen der Widmungstheorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts nicht. Zudem dürfte es für die Anwendung dieses Grundsatzes an der Voraussetzung fehlen, dass es sich um einen so genannten alten Weg handelt, dessen Entstehung nicht geklärt ist.
70Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 ‑ 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 87.
71Denn die T.----------straße ist nach den Angaben des Beklagten seit dem Jahr 1878 vorhanden, sodass ihre Entstehung nicht im Dunkeln liegt.
72Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
73Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.