Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 15. Jan. 2016 - AN 14 K 15.50380

bei uns veröffentlicht am15.01.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Abschiebungsanordnung nach Spanien.

Der Kläger, irakischer Staatsangehöriger, reiste eigenen Angaben zufolge am 12. Mai 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 24. Juni 2015 Asylantrag.

In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 30. Juli 2015 gab er gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) an, dass er in Deutschland bleiben wolle, weil er zur yezidischen Minderheit gehöre. Diese werde von der Miliz IS bedroht. Er habe sein Land verlassen müssen, weil sein Leben in Gefahr war. Er sei aufgrund seiner Herzkrankheit und seinem Zustand nach einer Nierensteinoperation immer wieder in ärztlicher, zum Teil stationärer, Behandlung, nehme verschiedene Medikamente ein und brauche medizinische Hilfe.

Nach den Erkenntnissen des Bundesamts - EURODAC-Treffer Spanien - lagen Anhaltspunkte vor für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO).

Am 20. August 2015 wurde durch das Bundesamt ein Übernahmeersuchen nach der Dublin

III-VO an das Königreich Spanien gerichtet. Die zuständigen spanischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 25. August 2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO.

In der Behördenakte (Blatt 116) ergibt sich aus dem Vermerk des Bundesamts vom 2. September 2015, dass die im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates angegebenen Schwestern des Klägers weder in ... noch im AZR zu ermitteln sind.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 2. September 2015 wurde der Asylantrag als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) und die Abschiebung des Klägers nach Spanien (Ziffer 2) angeordnet.

Dagegen erhob der Kläger vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach am 9. September 2015 Klage mit dem Ziel, den Bescheid des Bundesamts vom 2. September 2015 aufzuheben und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass er schwer krank sei. Am 18. September 2015 habe er einen Termin für eine Mandel- und Nasenoperation. Außerdem habe er Herzprobleme. In Spanien habe er keine Freunde oder Bekannte, diese seien hier in Deutschland.

Aus den mitübersandten Unterlagen des Klinikums ..., Medizinische Klinik 1, vom 18. Mai 2015 ergibt sich, dass der Kläger sich in der Zeit vom 13. Mai - 18. Mai 2015 in stationärer Behandlung befand. Die Aufnahme erfolgte wegen Unterbauchschmerzen nach einer Nierensteinoperation im Irak. Hinweise auf einen Aufstau hatten nicht bestanden. Der Kläger konnte am 18. Mai 2015 in die weitere hausärztliche Betreuung entlassen werden.

Am 4. September 2015 begab sich der Kläger in die Notaufnahme des Klinikums ... wegen linksthorakalen Thoraxschmerzen mit Ausstrahlung. Die Notwendigkeit für eine stationäre Aufnahme wurde durch die Ärzte nicht gesehen. Dem Kläger wurde empfohlen, zur Verlaufskontrolle sich beim Hausarzt innerhalb der nächsten 2 Tage vorzustellen.

Aus dem vorläufigen Arztbericht der Zentralen Notaufnahme des Klinikums ... vom 3. Juni 2015 ergibt sich, dass der Kläger sich vom 2. Juni - 4. Juni 2015 in deren Behandlung befand. Die stationäre Aufnahme erfolgte aufgrund eines seit 2 Tagen bestehenden Husten mit Auswurf sowie Fieber und Gliederschmerzen. Der Kläger wurde in stabilem Zustand entlassen.

Durch seinen Prozessbevollmächtigten ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 17. September 2015 vortragen, dass er am 18. September 2015 in das Klinikum ... in ... aufgenommen werde, um sich dort einer Operation zu unterziehen. Der Prozessbevollmächtigte wies zudem darauf hin, dass der Kläger der Religionsgemeinschaft der Yeziden angehöre.

Im ablehnenden Bescheid des Bundesamts vom 2. September 2015 sei zudem nicht berücksichtigt worden, dass ein Großteil der Familie des Klägers sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Hierbei handle es sich um 2 Schwestern, die sich seit fast 8 Jahren in Deutschland aufhalten würden, hier verheiratet seien und auch Kinder hätten. Zudem würden sich inzwischen auch 2 Brüder in Deutschland aufhalten, allerdings erst seit ca. 3 - 4 Monaten.

Die Religionsgemeinschaft der Yeziden sei ebenfalls einer Bürgerkriegssituation vergleichbar mit den Syrern ausgesetzt. Sollte beim Kläger ein Überstellungsverfahren durchgeführt werden, so handle es sich um eine Ungleichbehandlung und einen Verstoß gegen Art. 3 GG. Zudem wurde auf bestehende Herzprobleme des Klägers hingewiesen, die einer Behandlung in der Bundesrepublik Deutschland bedürften.

Aus der ärztlichen Stellungnahme des Klinikums ... vom 4. September 2015 ergibt sich, dass der Kläger in der Notaufnahme wegen linksthorakalen Thoraxschmerzen mit Ausstrahlung, ohne Dyspnoe, befand. Die Notwendigkeit für eine stationäre Aufnahme wurde nicht gesehen. Es wurde um Vorstellung des Patienten zur Verlaufskontrolle beim Hausarzt innerhalb der nächsten 2 Tage gebeten.

In dem ärztlichen Attest des Internisten ..., ..., vom 17. September 2015, wird festgestellt, dass aufgrund der Erkrankungen und besonders wegen der instabilen Herzschwäche der Kläger derzeit nicht reisefähig sei. Es sei eine operative Versorgung der Tonsillen in 4 Tagen vorgesehen. Eine engmaschige ärztliche Untersuchung bezüglich des Herzleidens sei ebenso dringend notwendig.

Mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 19. Oktober 2015 lässt der Kläger vortragen, dass sich sein Gesundheitszustand aufgrund seiner Unterbauchschmerzen immer noch nicht gebessert habe. Zwar werde eine medikamentöse Therapie derzeit durchgeführt, die jedoch nach Auskunft seines Arztes nicht ausreichend sein werde. Dies habe zur Folge, dass eine erneute Operation anstünde. Der Kläger würde lieber wieder zu seiner Familie in das Flüchtlingslager im Irak zurückkehren, als nach Spanien, da er dort keinerlei Personen kenne und keine Familienangehörigen habe. In Deutschland würden unter anderem 2 Brüder, 2 Schwestern und eine Vielzahl von Cousins und Cousinen sowie Nichten und Neffen leben. Die Tatsache, nach Spanien abgeschoben zu werden, sei eine außerordentliche Belastung für ihn. Dies äußere sich insbesondere auch in seinen Herzbeschwerden.

Die Beklagte erwidert mit ihren Schriftsätzen vom 6. Oktober 2015 sowie vom 27. Oktober 2015, dass die künftig gegebenenfalls notwendigen medizinischen Behandlungen auch in Spanien durchgeführt werden könnten. Es bestehe keine Veranlassung, dass Selbsteintrittsrecht auszuüben. Dem Arztbrief des Klinikums ... vom 4. September 2015 sei keine schwerwiegende Gesundheitsverschlechterung zu entnehmen. Sämtliche Untersuchungen seien ohne alarmierenden bzw. akuten Befund abgeschlossen worden. Die Notwendigkeit für eine stationäre Aufnahme wurde nicht gesehen. Eine Reiseunfähigkeit, wie vom Hausarzt im ärztlichen Attest vom 17. September 2015 attestiert, sei den Krankenhausberichten nicht zu entnehmen.

Sollten vor der geplanten Abschiebung des Beklagten neue medizinische Ereignisse fachärztlich vorgetragen bzw. belegt werden, werde die Reisefähigkeit im Rahmen der Abschiebungsvorbereitungen amtsärztlich aktuell untersucht werden müssen.

Mit Schriftsatz des Klägers vom 17. November 2015 werden 2 aktuelle Arztbriefe vorgelegt. Aus der vorläufigen Stellungnahme der Internistischen Klinik ..., Fachklinik für Innere Medizin und Dialyse in ..., vom 13. November 2015 ergibt sich, dass eine umfassende Untersuchung des Klägers stattgefunden hat. Die Aufnahme sei wegen Linksherzinsuffizienz sowie linksthorakalen Schmerzen und rechtsseitigen Flankenschmerzen, vor allem bei Bewegung, erfolgt. Es hätten sich dabei keine Auffälligkeiten ergeben. Der Kläger wurde in die ambulante Weiterbetreuung an den Hausarzt verwiesen. Auch aus der mitübersandten Stellungnahme des radiologischnuklearmedizinischen Zentrums vom 27. Oktober 2015 ergibt sich keine auffällige Darstellung anhand der durchgeführten Befunde. Es läge zwar eine ausgeprägte narbige Verziehung sowie Fixierung der rechten Niere an der dorsalen Abdominalwand, allerdings keine umschriebene Bauchwandhernie vor.

Mit Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. November 2015 wurde der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.

Der Kläger beantragt:

1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2. September 2015, zugestellt am 5. September 2015, wird aufgehoben.

2. Beklagte wird verpflichtet, ein Asylverfahren in Deutschland durchzuführen, den Kläger als Asylberechtigten an zu erkennen, die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Weiterhin wird beantragt, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 - 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 2. September 2015.

Zu dem Termin der mündlichen Verhandlung am 15. Januar 2016 ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers erschienen und übergibt dem Gericht ein ärztliches Attest der Hausarztpraxis, ..., ..., vom 08. Januar 2016. Hieraus ergibt sich als aktuelle Anamnese Atemnot und als Dauerdiagnose Asthma bronchiale und dilatative Kardiomyopathie. Aufgrund dieser Erkrankungen und besonders wegen der instabilen Herzschwäche sei der Kläger derzeit nicht reisefähig. Eine engmaschige ärztliche Untersuchung bezüglich der Herzleiden sei dringend notwendig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Behördenakte, die Gerichtsakte sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2016 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die im Bescheid enthaltene Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG in das Königreich Spanien ist auch unter Berücksichtigung des Sachvortrags des Klägers nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) an, wenn der Ausländer dorthin abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG liegen hier vor.

Das Bundesamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Königreich Spanien gemäß § 27a AsylG aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die zuständigen spanischen Behörden haben auf das Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes nach Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO mit Schreiben 25. August 2015 einer Übernahme des Klägers zugestimmt und die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens erklärt.

Damit treffen das Königreich Spanien die Pflichten aus Art. 18 Dublin III-VO, insbesondere ist Spanien gemäß Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen. Die Überstellung kann insoweit noch erfolgen.

Besondere Umstände, die zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland führen würden, sind weder konkret vorgetragen noch ersichtlich.

Insbesondere führt der Vortrag des Klägers, dass er unter anderem 2 Brüder und 2 Schwestern sowie verschiedene Cousins und Cousinen als auch Neffen und Nichten in der Bundesrepublik Deutschland habe, nicht dazu, dass ein Selbsteintrittsrecht der Beklagten in Betracht käme. Weder die genannten Brüder, Schwestern noch die genannten Cousins, Cousinen, Neffen oder Nichten stellen Familienangehörige im Sinne des Art. 2 Buchstabe g Dublin III-Verordnung dar. Da der Kläger selbst vorgetragen hat, dass seine Verwandten bereits seit längerer Zeit in Deutschland leben, ist auch - zumindest hinsichtlich der Schwestern - davon auszugehen, dass im Herkunftsland keine Familieneinheit mit möglicherweise im Bundesgebiet befindlichen Verwandten bestanden habe, welche es nunmehr wieder herzustellen gelte.

Bei dem Königreich Spanien handelt es sich um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und somit um einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG bzw. § 26 a AsylG, so dass aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen ist, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt ist.

Die Dublin III-VO ist die grundlegende Vorschrift auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2, 4 ff der Dublin III-VO), mit dem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaats bezweckt wird, um letztendlich einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zur gewährleisten (vgl. hierzu BVerwG, B. v. 19.3.2014, Az.: 10 B 6/14 m. w. N., juris). Dieses Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U.v. 21.12.2011, - C-411/10 und C-493/10 -, juris). Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn dieser zuständige Mitgliedsstaat sogenannte „systemische Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufweist, so dass die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gefahr für Asylbewerber bestünde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Asylbewerber der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat nur mit dem Einwand sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, juris). Diese Rechtsprechung mündete in Art. 3 Abs. 2 der Dublin III-VO, der bestimmt, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird.

Solche systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO liegen erst dann vor, wenn die bereits angesprochenen Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK nicht nur in Einzelfällen vorliegen, sondern strukturell bedingt sind. Deshalb setzen systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO voraus, dass die Asylverfahren bzw. die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat so defizitär sind, dass einem Asylbewerber im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die konkrete Gefahr einer gegen die Grundrechte verstoßenden Behandlung im zuständigen Staat aus der grundsätzlichen Behandlung der Asylbewerber heraus ergeben muss, die eben systemisch angelegt sein muss, dass also eine Verletzung von Grundrechten in einem Einzelfall nicht zur Aktivierung des Selbsteintritts ausreicht (BVerwG, B.v. 6.6.2014, Az.: 10 B 25/14, juris). Diese Defizite müssen des Weiteren in der Art und Weise offensichtlich sein, dass sie im überstellenden Mitgliedsstaat allgemein bekannt sein müssen (EUGH, U.v. 21.12.2011, a. a. O.) und im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedsstaats angelegt sein oder die Vollzugspraxis dort strukturell prägen, so dass sie des Weiteren aufgrund ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit aus Sicht der zuständigen Behörden und Gerichte verlässlich zu prognostizieren sind (BVerwG v. 06.06.2014, a. a. O., m. w. N.).

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind die regelmäßigen Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort. Den Berichten des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu (vgl. EuGH, U. v. 30.05.2013 - C 528/11 - NVwZ-RR 2013, 660).

Nach diesen Grundsätzen ist auf Grundlage der aktuellen Situation von Asylbewerbern in Spanien für den Kläger nicht ernsthaft zu befürchten, dass in Spanien das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen systemische Mängel aufweisen, die einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK begründen könnten. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern in Spanien im Allgemeinen nicht eingehalten werden. Dem Gericht liegen auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass dort systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vorhanden sind (vgl. VG Magdeburg, Beschluss vom 14.04.2015 - 9 B 234/15, juris; VG Minden, U. v. 16.03.2015, Az. 10 K 494/15.A und B. v. 17.06.2015, Az. 1L 410/15.A; juris; VG Gelsenkirchen, U. v. 20.02.2015, Az. 7a K 1515/14.A; juris; VG Bayreuth, B. v. 30.01.2015; Az. B 3 E 15.50003; VG Aachen, B. v. 30. Juni 2014; Az. 4 L 398/14.A, juris Rn. 20 ff.; VG Potsdam, B. v. 23.06.2014, Az. 6 L 551/14.A, juris Rn. 10 ff.). Dieser Rechtsprechung schließt sich das Gericht an.

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 2. September 2015 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.

Unabhängig von der allgemeinen Situation bestehen auch sonst keine beachtlichen, insbesondere in der Person des Klägers liegenden Gründe, die gebieten, von einer Überstellung nach Spanien abzusehen.

Die Beklagte hat bei der hier erfolgten Abschiebungsanordnung auch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, etwa eine fehlende Reisefähigkeit (BayVGH, B. v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris). Solche Gründe sind nach Überzeugung des Gerichts indes nicht gegeben. Die vom Kläger geltend gemachte Reiseunfähigkeit wird auch durch die vorgelegten ärztlichen Unterlagen, zuletzt in der mündlichen Verhandlung das ärztliche Attest des Hausarztes ... vom 8. Januar 2016, nicht glaubhaft gemacht.

Die verschiedenen Erkrankungen und Beschwerden des Klägers wie zum Beispiel die linksthorakalen Beschwerden mit Ausstrahlung in den linken Arm ohne Dyspnoe, der länger andauernde produktive Husten mit Auswurf, der Zustand nach der Nierensteinoperation im Irak, die Unterbauchschmerzen bzw. Flankenschmerzen sowie die Herzbeschwerden sind jeweils während der stationären Aufenthalte in den Kliniken ... und ... medizinisch behandelt worden. Ein weiterer stationärer Aufenthalt war nicht erforderlich bzw. wurde durch die behandelnden Notfallärzte im Rahmen der Notfallbehandlungen von Anfang an nicht für erforderlich gehalten. Die weitere Verlaufskontrolle sollte jeweils beim Hausarzt erfolgen.

In dem ärztlichen Attest des Internisten und Hausarztes, ..., ..., vom

17. September 2015 findet sich der Hinweis, dass der Kläger wegen der instabilen Herzschwäche und der genannten Erkrankungen derzeit nicht reisefähig sei. Eine operative Versorgung der Tonsillen in 4 Tagen - die mittlerweile bereits abgeschlossen sein müsste - sei vorgesehen. Pauschal und ohne nähere Erläuterung findet sich in dem Attest der Hinweis, dass eine engmaschige ärztliche Untersuchung bezüglich der Herzleiden dringend notwendig sei. Aus dem Attest ergibt sich jedoch nicht einmal im Ansatz, warum diese weitere ärztliche Untersuchung hinsichtlich dem Herzleiden nicht auch in Spanien durchgeführt werden könne. Der Kläger ist vielmehr hinsichtlich der weiteren medizinischen Versorgung auf die Kliniken und die behandelnden Ärzte in Frankreich zu verweisen. Die Verständigungsschwierigkeiten dürften in Frankreich nicht anders liegen als hier in Deutschland und können mittels eines Dolmetschers behoben werden.

Die genannten Herzbeschwerden werden zudem nicht näher konkretisiert bzw. beschrieben. Eine Operation am Herzen des Antragstellers, wie z. Bsp. durch das Einsetzen eines Stents, war bislang noch nicht erforderlich. Auch ist nach den vorliegenden Stellungnahmen der verschiedenen Ärzte der Kliniken keine kontinuierliche Behandlung der Herzbeschwerden erforderlich. Die ärztlicherseits diagnostizierte Herzerkrankung begründet aber für sich keine Transport- oder Reiseunfähigkeit oder die Gefahr einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei einer Abschiebung nach Spanien. Ein Attest, das entsprechende Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, nicht nachvollziehbar belegt, ist zur Glaubhaftmachung eines Abschiebungshindernisses nicht geeignet (vgl. BayVGH, B. v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris). Weder ist für das Gericht nachvollziehbar, dass beim Kläger eine Überstellung nach Spanien aus medizinischen Gründen nicht zumutbar, noch dass eine erforderliche medizinische Behandlung in Spanien nicht möglich sein sollte.

Hieran ändern auch die aktuell mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 17. November 2015 vorgelegten Arztbriefe nichts. Aus der vorläufigen Stellungnahme der internistischen Klinik Dr. ..., Fachklinik für Innere Medizin und Dialyse, vom 13. November 2015 ergibt sich, dass der Kläger in die ambulante Weiterbetreuung an den Hausarzt ohne weitere Therapien bzw. Medikamentenbeigabe entlassen wurde. Aus den durchgeführten Befunden (körperlicher Untersuchungsbefund, Labor, EKG, Oberbauchsonografie, Röntgen-Thorax, Echokardiographie) ergeben sich keine erheblichen Auffälligkeiten. Insbesondere konnte ein Narbenbruch bzw. ein Bauchwandbruch (Bauchwandhernie) ausgeschlossen werden, wie sich aus dem beigefügten Bericht des radiologischnuklearmedizinischen Zentrums in ... vom 27. Oktober 2015 ergibt. Mögliche Hinweise zu einer Reise- bzw. Transportunfähigkeit des Klägers ergeben sich mit keinem Anhaltspunkt aus der vorläufigen Stellungnahme der Internisten vom 13. November 2015. Auch dem ärztlichen Attest des Hausarztes und Internisten ... vom 8. Januar 2016 ist nicht zu entnehmen, warum die geforderte engmaschige ärztliche Untersuchung bezüglich der Herzleiden nicht ebenso in Spanien erfolgen könne. Ein Facharzt, wie zum Beispiel einen Kardiologen, steht dem Kläger auch in dem medizinischen Versorgungssystem im Königreich Spanien zur Verfügung. Trotz seines Herzleidens wurde insbesondere nicht vorgetragen, dass der Kläger einen Facharzt bereits im Bundesgebiet aufgesucht hat.

Darüber hinaus weist das Bundesamt in seinem Schriftsatz vom 6. Oktober 2015 darauf hin, dass im Rahmen der Abschiebungsvorbereitungen die (aktuelle) Reisefähigkeit des Klägers nochmals amtsärztlich untersucht wird.

Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.

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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34a Abschiebungsanordnung


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2.
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3.
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3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

13

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich mit seinem - gleichzeitig mit der Klage - am 16.03.2015 beim Gericht eingegangenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.02.2015, mit welchem der Asylantrag gemäß § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt sowie die Abschiebung des Antragstellers nachSpanien angeordnet wurde.

2

Der zulässige Antrag,

3

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 25.02.2015 anzuordnen,

4

ist unbegründet.

5

1.) Gemäß § 34 a Abs. 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt, sofern ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.

6

Wegen §§ 27 a, 34 a AsylVfG ist im Rahmen einer Interessenabwägung vorrangig zu beurteilen, ob das Land, auf welches die Abschiebungsanordnung lautet für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist bzw. ob diese Zuständigkeit ausnahmsweise wegen systemischer Mängel im Asyl- oder Aufnahmeverfahren in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen sein könnte.

7

Die Klage gegen die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrages sowie gegen die Abschiebungsandrohung hat keine aufschiebende Wirkung (§ 75 Abs. 1 AsylVfG). Die aufschiebende Wirkung kann jedoch gemäß § 34 a Abs. 2 i. V. m. § 80 Abs. 2 Ziffer 3, Abs. 5 VwGO durch das Gericht angeordnet werden. Die Antragsfrist von einer Woche (§ 34 a Abs. 2 AsylVfG) ist eingehalten.

8

2.) Für eine nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Entscheidung ist maßgebend, ob das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Vollzug des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorrangig zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B. v. 14.04.2005, 4 VR 1005.04, juris); § 36 Abs. 4 AsylVfG findet keine Anwendung.

9

Bei einem offenem Ausgang des Klageverfahrens ist im Rahmen der Interessenabwägung zwar stets zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in den Fällen, die - wie hier - nicht von § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erfasst werden, einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat (s. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Gleichwohl ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Behörde Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, B. v. 10. 10. 2003, 1 BvR 2025/03, juris). Deshalb ist wegen der mit der Abschiebung verbundenen (relativen) Unabänderbarkeit bereits dann das Aussetzungsinteresse höher als das nur zeitweilige Absehen von der Abschiebung zu bewerten, wenn infolge derselben eine Verletzung von Grundrechten nach der EU-Grundrechte-Charta nicht ausgeschlossen werden kann (so auch VG Siegmaringen, B. v. 14.07.2014, A 1 K 254/14). Dies ist der Fall, wenn ernst zu nehmende, hinsichtlich der Schwere und Offensichtlichkeit aber noch weiter aufklärungsbedürftige Anhaltspunkte für eine mit Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 GrCh nicht in Einklang stehende Umstände bestehen. Für einen offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens kann auch sprechen, wenn die beachtliche Frage in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (derzeit noch) gegensätzlich beurteilt wird (vgl. OVG Bautzen, B. v. 24.07.2014, A 1 B 131/14, juris).

10

3.) Diese Anforderungen an die gerichtliche Eilentscheidung gestellt, kann vorliegend nicht mit der für das Eilverfahren notwendigen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass die so von der Antragsgegnerin angenommene Zuständigkeit Spaniens wegen des Bestehens systemischer Mängel entfallen ist. Anders gewendet: Die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für die Entscheidung über den Asylantrag im Wege des Selbsteintritts (Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO) ist vielmehr auszuschließen. Das Hauptsacheverfahren ist insoweit gerade nicht als offen im oben erörterten Sinne anzusehen.

11

a.) Dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 83/389 vom 30. März 2010), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S. 559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2010 (BGBl. II S. 1198)) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - zukommt. Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21. 12. 2011 - C-411/10 u. C-493/10 -; ders.: Urt. v. 14. November 2013 - C-4/11 -, beide juris) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05. 1996 - 2 BvR 1938/93 u. 2315/93 -, BVerfGE 94, S. 49, juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn den Mitgliedstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem zuständigen Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urt. v. 14.11. 2013, a.a.O.). In einem solchen Fall ist die Prüfung anhand der Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnungen fortzuführen, um festzustellen, ob anhand der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrages zuständig bestimmt werden kann; ist zu befürchten, dass durch ein unangemessen langes Verfahren eine Situation, in der Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, verschlimmert wird, muss der angegangene Mitgliedstaat den Asylantrag selbst prüfen (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urteil vom 14.11. 2013, a.a.O.).

12

Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Platz, Urt. v. 21.02.2014, 10 A 10656/13, juris), wobei nicht jede Verletzung eines Grundrechts und jeder geringe Verstoß gegen gemeinsame Vorschriften geeignet ist, das Dublin-System in Frage zu stellen (vgl. VG Oldenburg, B. v. 21.01.2014, 3 B 6802/13, juris). Beurteilungsgrundlage bilden die Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichter der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn.90 ff.). Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse geboten, wobei bei der unterschiedlichen Behandlung von bestimmten Personengruppen vorrangig auf die Verhältnisse für diejenige Gruppe abzustellen ist, der der Asylbewerber angehört; gleichwohl sind auch die Umstände, die andere Gruppenangehörige betreffen, mittelbar für die Beurteilung systemischer Mängel geeignet (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, 1 A 21/12, juris).

13

Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR-Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu (ABL. C 303/17 vom 14. Dezember 207) i. V.m. Art. 6 Abs. 1 S. 3 EUV vom 7. Februar 1992 (ABl. C 191, S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (ABl. C 306, S. 1, ber. ABl. 2008 C 111 S. 56 u. ABl. 2009 C 290 S. 1) an Art. 3 EMRK auszurichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243) ist eine Behandlung dann erniedrigend, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers.

14

Werden Dublin-Rückkehrer - ebenso wie Asylbewerber - regelmäßig in Haft genommen, so sind die dem zugrunde liegenden Umstände in den Blick zu nehmen. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 (- 30696/10) hat der EGMR eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Artikel 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Inhaftierung von Asylbewerbern, gerade auch solcher in Haftzentren ohne Angabe von Gründen, eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden darstellte. Unter Berücksichtigung der zudem vorhandenen übereinstimmenden Zeugenaussagen zu den völlig unzureichenden Haftbedingungen sah der Gerichtshof bereits die vergleichsweise kurze Haftdauer im entschiedenen Fall von einmal vier Tagen und einmal einer Woche als nicht unbedeutend an. Die Gefühle der Willkür und die oft damit verbundenen Gefühle der Unterlegenheit und Angst sowie die tiefgreifenden Wirkungen auf die Würde einer Person, die solche Inhaftierungsumstände zweifellos hätten, bewertete er zusammengenommen als eine gegen Artikel 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung deshalb, weil Artikel 3 EMRK die Staaten verpflichte, sich zu vergewissern, dass die Haftbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar seien und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid und Härten unterwerfe, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteige. Sind die Mitgliedstaaten noch dazu aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, sind die konkreten Anforderungen an die Schwere der Schlechtbehandlung im Sinne der EMRK niedriger anzusetzen bzw. kommt umgekehrt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen oder ihrer Umsetzung im nationalen Recht für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Artikel 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH ein besonderes Gewicht zu (zitiert nach VG Düsseldorf, B. v. 16.06.2014, 13 L 141/14, juris).

15

Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.03.2014, 10 B 6.14, juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, a.a.O.; OVG Sachsen Anhalt, B. v. 14.03.2013. 4 L 44/13, juris; BVerwG, Urt. v. 20.02.2013, 10 C 23/12, alle juris; OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).

16

b.) In Ansehung dessen folgt für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dass bezüglich Spaniens zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylVfG [analog]) keine ernst zu nehmenden oder hinsichtlich ihrer Schwere noch weiter aufklärungsbedürftige Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Mängel bestehen. Dies ergibt die Recherche in den einschlägigen Datenbanken. Ebenso in jüngerer Zeit: VG Aachen, Beschlüsse vom 27.02.2015, 4 L 68/15.A, 14. Januar 2015 - 4 L 786/14.A -, vom 15. Dezember 2014 - 4 L 805/14.A -, 30. Juni 2014 - 4 L 398/14.A-, vom 16. Juni 2014 - 4 L 216/14.A -, vom 1. April 2014 - 4 L 110/14.A - und - 4 L 673/13.A -; ebenso: VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 11 K 900/14.A, juris, Rn. 68; Beschlüsse vom 25. August 2014 - 13 L 1834/14.A und vom 17. April 2014 - 13 L 247/14.A -, juris, Rn. 22 f.; VG Minden, Urteil vom 14. März 2014 - 10 K 55/14.A -, juris; VG Potsdam, Beschluss vom 23. Juni 2014 - 6 L 551/14.A -, juris, Rn. 9 ff.; VG Augsburg, Beschluss vom 27. Mai 2014 - Au 7 S 14.50094- , juris, Rn. 50 f.

17

Dabei ist zunächst festzustellen, dass es Internet nahezu keine verwertbaren Informationen zu den Begrifflichkeiten „Spanien, systemische Mängel, Dublin“ auffindbar sind. Weder vom UNHCR noch von Amnesty International oder sonstigen Flüchtlingshilfeorganisationen sind überhaupt Dokumente auffindbar. Bereits diese Tatsache der fehlenden Veröffentlichungen im Internet, lässt den Schluss zu, dass die „systemischen Mängel“ gerade nicht zu verzeichnen sind. Denn ansonsten wären mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Informationen erhältlich. Für diesen Rückschluss spricht, dass Informationen und Dokumente zu den Ländern in denen „systemische Mängel“ zu verzeichnen sind oder waren, wie Griechenland, Italien, Bulgarien und Ungarn, massig im Netz auffindbar sind und die Rechsprechung darauf reagiert hat. Seitens der Rechtsprechung sind ausnahmslos Entscheidungen auffindbar, die die EU-Konformität Spaniens annehmen und das Selbsteintrittsrecht Deutschlands verneinen, wenngleich diese Entscheidungen eine tiefere Begründung vermissen lassen, was wegen der Offensichtlichkeit aber auch nicht notwendig ist (vgl.: oben angegebene Rechtsprechung).

18

Schließlich besteht das Selbsteintrittsrecht auch nicht aufgrund sonstiger humanitärer Gründe oder aufgrund nationaler Abschiebungsverbote. Der als diesbezüglich zu verstehende Vortrag des Antragstellers, er müsse auch in Spanien mit einer Verfolgung durch den syrischen Geheimdienst rechnen, wird dem nicht gerecht. Denn insoweit beruht dies auf bloße Vermutungen und ist durch nichts belegt. Auch bei Unterstellung muss davon ausgegangen werden, dass die spanischen Behörden den Asylbewerber insoweit Schutz gewähren. Zudem müsste der Antragsteller dann auch in Deutschland mit derartiger Verfolgung rechnen.

19

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

3. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller, irakischer Staatsangehöriger, assyrischer Volkszugehörigkeit und katholisch-christlicher Religionszugehörigkeit, flog nach eigenen Angaben mit einem Touristenvisum nach Spanien und reiste am ...Februar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Hier beantragte er am 26. Februar 2014 die Anerkennung als Asylberechtigter.

Die VIS- Antragsauskunft ergab, dass der Antragsteller in Bagdad ein spanisches Visum für die Schengen Staaten, gültig vom ... Februar 2014 bis ... Februar 2014, erhalten hatte. Am ... Mai 2014 wurde ein Wiederaufnahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an Spanien gerichtet. Spanien erklärte mit Schreiben vom ... Juli 2014 seine Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages. Mit Bescheid vom 18. Juli 2014 wurde die Unzulässigkeit des Asylantrages festgestellt und die Abschiebung des Antragsstellers nach Spanien angeordnet. Der Bescheid wurde am 8. August 2014 bestandskräftig; die darin enthaltene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG wurde bereits am 1. August 2014 bestandskräftig. Die gegen diesen Bescheid am 10. Oktober 2014 erhobene Klage (B 3 K 14.50080) wurde mit anwaltlichem Schreiben vom 14. Oktober 2014 wieder zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2014 wandte sich der Antragsteller, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, an die Ausländerbehörde des Landratsamtes Bamberg und stellte den Antrag, bezüglich seines Herkunftsstaates Irak das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2014 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth einen Antrag nach § 123 VwGO stellen (B 3 E 14.735) und beantragte, dem Freistaat Bayern bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung der Ausländerbehörde des Landratsamtes Bamberg zu untersagen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Antragsteller fortzusetzen. Der Eilantrag wurde durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 4. November 2014 abgelehnt.

Der Antragsteller, der am ... Oktober 2014 - dem Tag seiner geplanten Luftabschiebung nach Spanien - unbekannt verzog, beantragte am 14. November 2014 erneut die Durchführung eines Asylverfahrens und stellte durch seinen Bevollmächtigten einen ausschließlich auf die Gewährung subsidiären Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschränkten Schutzantrag.

Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Januar 2015, dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 21. Januar 2015 zugestellt, wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Spanien angeordnet. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der erneute Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens unzulässig sei. Aufgrund des erteilten Visums sei nach Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO Spanien für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Es seien keine systemischen Mängel im spanischen Asylverfahren erkennbar. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Die Abschiebungsanordnung nach Spanien beruhe auf § 34a Abs. 1 AsylVfG.

Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller mit Schriftsatz vom 21. Januar 2015 Klage erheben. Die Klage wird beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth unter dem Aktenzeichen B 3 K 15.50004 geführt. Gleichzeitig stellte der Antragsteller folgende Anträge:

1. Der Antragsgegnerin wird es im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens untersagt, den Antragsteller nach Spanien abzuschieben.

2. Dem Kläger und Antragsteller wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Unterfertigten gewährt, gegebenenfalls mit den Beschränkungen des § 121 ZPO.

Der Antragsteller erstrebe nicht (mehr) die Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling, sondern ausschließlich die Gewährung subsidiären Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Dublin-III-VO sei bei einer Beschränkung des Schutzbegehrens auf § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht anwendbar, so dass die Antragsgegnerin ausschließlich für das Schutzbegehren zuständig sei. Hierzu werde insbesondere auf das aktuelle Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 17. März 2014 verwiesen (Az.: 8 A 445/14). Der Antragsteller leide als Christ unter der Bedrohung durch islamische Fanatiker. Die christliche Religionszugehörigkeit sei ein unverfügbares persönliches Merkmal des Antragstellers. Im Jahr 2013 sein es zu mehreren Morddrohungen gegenüber seiner gesamten Familie gekommen. Er und seine Familie seien aufgefordert worden, zum Islam zu konvertieren. Der Antragsteller habe sich geweigert, die Konversion der Familie in die Wege zu leiten. Daraufhin sei es zu einem Überfall im Haus seiner Familie gekommen. Dabei hätten fremde Männer mit Eisenstangen auf die Familienmitglieder eingeschlagen. Der Sohn des Antragstellers sei in der Schule gegen den Kopf und die Schläfe geschlagen worden. In einer Entscheidung vom 8. Februar 2007 habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Gruppenverfolgung von Christen im Irak durch islamistische Fanatiker bejaht. Diese Rechtsprechung sei angesichts der militärischen Erfolge der ISIS-Terroristen auch heute noch aktuell.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie die Gerichtsakten der Verfahren B 3 E 14.735, B 3 K 15.50004 und B 3 K 14.50080 Bezug genommen.

II.

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren haben keinen Erfolg.

1.

Dem Antragsteller kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die mit dem Antrag nach § 123 VwGO beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den in der nachfolgenden Nummer 2 dargestellten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).

2.

Der Eilantrag nach § 123 VwGO ist unzulässig und hat auch in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). § 123 Abs. 1 VwGO setzt ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend für die Beurteilung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

a)

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist nicht statthaft und damit bereits unzulässig.

Gemäß § 123 Abs. 5 VwGO ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in den Fällen der §§ 80 und 80a VwGO ausgeschlossen. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO anordnen. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylVfG hat eine Anfechtungsklage gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG keine aufschiebende Wirkung. Nach § 34a Abs. 2 AsylVfG ist in diesem Fall ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO der statthafte Rechtsbehelf.

Vorliegend richtet sich die Klage in der Hauptsache (B 3 K 15.50004) gegen die im Bescheid vom 7. Januar 2015 enthaltene Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG. Vorläufiger Rechtsschutz wird in diesem Fall durch das Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt, weshalb ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO unstatthaft ist.

b)

Im Übrigen ist der Antrag unbegründet, weil der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.

Bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung hat der Antragsteller unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen derzeitigen Sach- und Rechtslage keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG feststellt, weil diese für eine Entscheidung über das Schutzbegehren des Antragstellers nicht zuständig ist. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers ist die Dublin-III-VO vorliegend anwendbar, weil der Antrag auf Gewährung subsidiären nationalen Abschiebungsschutzes aufgrund des tatsächlichen Vorbringens des Antragstellers als „Antrag auf internationalen Schutz“ i. S. d. Art. 2 Buchst. b Dublin-III-VO auszulegen ist.

aa)

Die Zuständigkeit Spaniens für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers ergibt sich aus Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO, weil dem Antragsteller ein spanisches Visum erteilt und die Überstellungsfrist bis zum... Januar 2016 verlängert wurde.

bb)

Die Zuständigkeit Spaniens ist vorliegend auch nicht deshalb entfallen, weil der Antragsteller seinen Asylantrag auf die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG beschränkt hat.

Zwar findet die die Dublin-III-VO grundsätzlich keine Anwendung auf solche Sachverhalte, bei denen ein Schutzbegehren von vornherein oder auch nachträglich auf die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG beschränkt worden ist. Denn nach Art. 1 der Dublin-III-VO gilt diese Verordnung nur für „Anträge auf internationalen Schutz“. Nach Art. 2 Buchst. b) Dublin-III-VO wird ein „Antrag auf internationalen Schutz“ definiert als Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Artikels 2 Buchstabe h der Richtlinie 2011/95/EU. Nach dieser Vorschrift liegt ein solcher Antrag vor, wenn der Antragsteller die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt, es sei denn, der Antragsteller ersucht ausdrücklich um einen anderweitigen Schutz, der gesondert beantragt werden kann. Ein auf § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG beschränktes Schutzbegehren kann gesondert beantragt werden und stellt daher grundsätzlich keinen „Antrag auf internationalen Schutz“ i. S. d. Dublin-III-VO dar. Werden somit von der Dublin-III-VO Anträge auf subsidiären Schutz nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht erfasst, kann diese bei einer ausschließlichen Beschränkung auf subsidiären Schutz nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG auch grundsätzlich nicht mehr zur Anwendung kommen.

Die fehlende Anwendbarkeit der Dublin-III-VO auf Begehren subsidiären Schutz nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG birgt aber die Problematik einer Umgehung bevorstehender Abschiebungen durch nachträgliche Beschränkungen des Schutzbegehrens in sich, so dass das durch die Verordnung begründete Konzept auf die Mitgliedstaaten verteilter Zuständigkeiten unterlaufen werden kann. Bei der Auslegung des Schutzbegehrens ist daher sowohl nach nationalem Recht wie auch im Rahmen der Anwendung der Verordnung auf das tatsächliche Vorbringen des Antragstellers abzustellen. Der gestellte Antrag ist objektiv auszulegen, so dass es sowohl für die innerstaatliche Rechtsanwendung als auch für die Anwendbarkeit der Verordnung allein auf die inhaltliche Bedeutung, die der Antragsteller seinem Schutzbegehren beimisst, nicht ankommen kann. Macht der Schutzsuchende daher unter formaler Berufung auf § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Wirklichkeit ein Schutzersuchen vor Verfolgung geltend, liegt ein Asylantrag bzw. ein „Antrag auf internationalen Schutz“ i. S. d. Dublin-III-VO vor (vgl. VG Trier, B. v. 20.12.2011 - 5 L 1595/11.TR - juris Rn. 5 sowie VG Bremen, B. v. 21.11.2011 - 5 V 1698/11.A - juris Rn. 15 zur Dublin-II-VO). Ergibt sich mithin aus dem tatsächlichen Vorbringen, dass der Antragsteller letztlich internationalen Schutz vor Verfolgung i. S. d. Genfer Flüchtlingskonvention sucht, kann auch die formale Beschränkung des Antrags auf die Vorschriften des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG eine Abschiebung in den für die Prüfung des Antrags zuständigen Mitgliedstaat nicht hindern (VG Bremen, B. v. 21.11.2011 a. a. O.).

Gemessen an diesen Grundsätzen stellt sich die Beschränkung des Asylantrags des Antragstellers auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG als eine unzulässige und rechtsmissbräuchliche Umgehung der für die Prüfung von Asylanträgen geltenden europarechtlichen Zuständigkeitsvorschriften dar, weil sich aus dem tatsächlichen Vorbringen des Antragstellers ergibt, dass er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i. S. d. § 3 AsylVfG ersucht. Denn der Antragsteller macht geltend, dass er im Irak wegen seiner christlichen Religionszugehörigkeit von islamistischen Fanatikern bedroht und körperlich geschlagen worden sei. Dieser Vortrag zielt auf die Geltendmachung einer Verfolgung des Antragstellers wegen des flüchtlingsrelevanten Merkmals der Religion i. S. d. des § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG bzw. des Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU ab. Ein solches Schutzersuchen ist deshalb - trotz formaler Berufung auf § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG - als Antrag auf internationalen Schutz i. S. d. Dublin-III-VO und der Richtlinie 2011/95/EU anzusehen. Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO ist damit anwendbar, so dass Spanien für die (materielle) Prüfung der Flüchtlingseigenschaft zuständig ist.

cc)

Wesentliche Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Spanien systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO), wurden seitens des Antragstellers nicht genannt und sind für das Gericht nach den vorliegenden Erkenntnissen auch nicht ersichtlich. Das Gericht nimmt insoweit auf die ausführlichen Darlegungen im Beschluss des VG Aachen vom 30. Juni 2014 (Az. 4 L 398/14.A, Juris Rn. 20 ff.) und im Beschluss des VG Potsdam vom 23. Juni 2014 (Az. 6 L 551/14.A, Juris Rn. 10 ff.) Bezug und macht sie zum Gegenstand der Begründung dieser Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylVfG analog). Deshalb ergibt sich für die Antragsgegnerin auch keine Pflicht zur Fortsetzung der Zuständigkeitsprüfung (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO).

Da die Antragsgegnerin somit unter Anwendung der Dublin-III-VO nicht für die Prüfung des tatsächlich geltend gemachten Schutzbegehrens des Antragstellers zuständig ist, fehlt es dem Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin an einem Anordnungsanspruch, so dass der Eilantrag des Antragstellers nicht nur unzulässig, sondern auch unbegründet ist.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylVfG unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.