Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 11. Okt. 2017 - AN 1 K 17.00832

bei uns veröffentlicht am11.10.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die mit Bescheid des Beklagten vom 26. Oktober 2016 verfügte Rücknahme der durch Bescheid des Polizeipräsidiums … vom 22. November 2004 erfolgten Anerkennung eines Dienstunfalls der Klägerin vom 22. August 2004.

Die am … 1976 geborene Klägerin war Polizeibeamtin des Landes … und steht seit dem 1. Mai 2005 als Polizeibeamtin im Dienste des Beklagten. Seit dem 1. Februar 2013 ist sie als Kriminalkommissarin (BesGr. A 9) beim Kriminalfachdezernat, …, tätig, ihre vorherige Dienststelle im Amt einer Polizeihauptmeisterin (BesGr. A 9) war die Polizeiinspektion …

Während ihrer Tätigkeit als Polizeibeamtin des Landes … verletzte sich die Klägerin am 10. November 1998 bei einem dienstlich angeordneten Fußballspiel.

Nach ihren Angaben im Formblatt „Unfallmeldung“ vom 24. November 1998 sei sie aus der Laufbewegung mit dem linken Bein stehen geblieben und habe sich nach rechts gedreht, dabei sei der Unterschenkel stehen geblieben, so dass das Knie verdreht worden sei; das Knie sei instabil geworden und sie sei zu Fall gekommen.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 13. Juli 1999 erkannte das Polizeipräsidium … das Ereignis als Dienstunfall mit den folgenden Dienstunfallfolgen an:

„Frische vordere Kreuzbandruptur links, traumatische Außenmeniskusläsion links“.

Aufgrund einer polizeiärztlichen Untersuchung der Klägerin am 21. Februar 2000 stellte das Polizeipräsidium … in einem Schreiben vom 12. Mai 2000 als noch bestehende Dienstunfallfolge eine „geringe Muskelatrophie des linken Beins bei Zustand nach Kreuzbandplastik und Außenmeniskusresektion“ fest; eine Erwerbsminderung bestehe nicht, eine Nachuntersuchung sei nicht erforderlich.

Infolge einer Untersuchung der Klägerin am 3. August 2004 kam der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei zu dem Ergebnis, die Klägerin sei uneingeschränkt polizeivollzugsdienstfähig (Gesundheitszeugnis vom 4.8.2004).

Am 22. August 2004 verletzte sich die Klägerin bei einem privaten Fußballspiel mit Freundinnen erneut.

Nach ihren Angaben vom 17. November 2004 im Formblatt „Unfallmeldung“ habe sie sich beim Versuch, einen der Luft befindlichen, auf sie zufliegenden Fußball als Flankenball zu schießen, den linken Unter- und Oberschenkel verdreht.

Nach Auffassung des Polizeiärztlichen Dienstes … im Schreiben vom 9. November 2004 handelt es sich bei diesen von der Klägerin als Dienstunfallfolgen geltend gemachten Verletzungen um eindeutig auf den Dienstunfall vom 10. November 1998 zurückzuführende Folgeschäden.

Mit Bescheid vom 22. November 2004 erkannte das Polizeipräsidium … das Unfallereignis vom 22. August 2004 als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links an.

Aufgrund einer erneuten Untersuchung der Klägerin am 14. Mai 2008 (nach Durchführung zweier intraartikulärer Eingriffe im linken Kniegelenk) gelangte der ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei zu dem Ergebnis, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Untersuchung voll polizeidienstfähig, die dienstunfallbedingten Körperschäden seien als ausgeheilt anzusehen (Gesundheitszeugnis vom 16.5.2008).

Mit Schreiben vom 7. Februar 2012 und vom 9. Februar 2012 beantragte die Klägerin die Erstattung von Behandlungskosten in Höhe von 1.374,32 EUR aus Anlass der Dienstunfälle vom 10. November 1998 und vom 22. August 2004.

Im Einzelnen handelt es sich um

– Rechnung der Dr. …GmbH, …, vom 29. Dezember 2011 für eine Magnetresonanztomographie (wohl) des linken Knies der Klägerin am 6. Dezember 2011 in Höhe von 420,78 EUR

– Rechnung der Praxis für Krankengymnastik und Sportphysiotherapie … und

…, …, für 10 ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlungen im Dezember 2011 und im Januar 2012 in Höhe von 195,00 EUR

– Rechnung der Dres. … und …, vom 3. Februar 2012 für orthopädische Behandlungen im November und Dezember 2012 in Höhe von 758,54 EUR.

Mit Schreiben vom 7. März 2012 ohne Rechtsbehelfsbelehrung:, erstattete das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - der Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.374,32 EUR unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das Ereignis vom 10. November 1998 nicht als Dienstunfall anerkannt werden könne oder die Aufwendungen nicht dienstunfallbedingt, nicht notwendig oder nicht angemessen seien.

Mit Schreiben vom 9. März 2012 beantragte die Klägerin unter Berufung auf ein Schreiben der Dres. med. …, vom 29. Februar 2012 sinngemäß, eine posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere durch den Dienstunfall vom 10. November 1998 verursachte Körperschäden anzuerkennen. Die die Klägerin behandelten Ärzte seien der Meinung, im Gefolge der Kreuzbandverletzung im Jahre 1998 sei eine gewisse Restinstabilität des Kniegelenks zurückgeblieben; hieraus hätten sich nach allgemeinen medizinischen Kenntnissen in aller Regel die genannten Körperschäden entwickelt; es bestünde folglich ein Zusammenhang zwischen den Dienstunfall vom 10. November 1998 und dem jetzigen Folgezustand.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2012 lehnte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - die Anerkennung einer posttraumatischen Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere, durch den Dienstunfall vom 10. November 1998 verursachte Körperschäden ab. Die Ablehnung wurde mit dem Ablauf der zehnjährigen Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 2 BeamtVG, § 45 Abs. 2 BeamtVG begründet.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 18. Juni 2012 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 begründeten ihre Bevollmächtigten den Widerspruch und stellten ausdrücklich den Antrag, die bei der Klägerin derzeit bestehenden Beschwerden am linken Knie als Folgen des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen.

Mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 25. September 2012 wies das Landesamt für Finanzen, Dienststelle …, den Widerspruch der Klägerin zurück.

In den Gründen wird unter anderem folgendes ausgeführt:

Soweit sich die Widerspruchsbegründung gegen die Nichtberücksichtigung des Unfalls vom 22. August 2004 richte, sei dies nicht Gegenstand des Ablehnungsbescheids. Der Ablehnungsbescheid betreffe ausschließlich die Geltendmachung eines weiteren Knieschadens am linken Knie aufgrund des Unfalls vom 10. November 1998. Dies ergebe sich sowohl aus dem Betreff als auch aus der Begründung des Bescheides. Gegen die Ablehnung der Erweiterung der Körperschäden am linken Knie als Folge des Unfalles vom 10. November 1998 wende sich der Widerspruch nicht. Das Widerspruchschreiben sei vielmehr als Antrag auf Erweiterung der Folgen des Unfalls vom 22. August 2004 auszulegen.

Um über den Antrag, die derzeit bestehenden Beschwerden der Klägerin am linken Knie als Folgen des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen, entscheiden zu können, holte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - ein Fachorthopädisches Gutachten ein.

Das von Dr. …, Arzt für Orthopädie- und Unfallchirurgie, Rheumatologie, Arzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation, …, am 6. Dezember 2012 erstellte Fachorthopädische Gutachten kam aufgrund einer Auswertung der übersandten Dienstunfallakten, einer Befragung und Untersuchung der Klägerin am 27. November 2012 sowie einer Auswertung von durch die Klägerin übergebenen medizinischen Unterlagen zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:

Am 22. August 2004 hätten eine komplette Ruptur der im Jahr 1999 eingesetzten vorderen Kreuzbandplastik am linken Kniegelenk, eine Innenbandzerrung sowie ein Hämarthros vorgelegen; die begleitend festgestellte Kontusion mit Ödembildung insbesondere des lateralen Femurs habe bereits am 23. Juni 2004 vorgelegen; aufgrund der erheblichen degenerativen Vorschädigung des Kreuzbandimplantats sei es am 22. August 2004 durch ein für eine vordere Kreuzbandruptur untypisches Ereignis zu der kompletten Zerreißung des vorderen Kreuzbandtransplantats gekommen; die Degeneration und die Reruptur seien als Folgen des Dienstunfalls am 10. November 1998 zu werten; ohne die Kreuzbandtransplantation und ohne Degeneration des Kreuzbandtransplantats wäre das Ereignis vom 22. August 2004 nicht geeignet gewesen, eine traumatische Verletzung eines vorderen Kreuzbands bzw. eines vorderen Kreuzbandtransplantats hervorzurufen; durch das Ereignis vom 22. August 2004 sei der degenerative Schaden des Kreuzbandtransplantats lediglich zutage getreten.

Bereits mit Schreiben vom 30. November 2012 hatte die Klägerin unter anderem die Erstattung von Kosten in Höhe von 37,54 EUR beantragt, die ihr Dres. …, mit Rechnung vom 1. August 2012 für eine eingehende Beratung am 24. Juli 2012 und einen ausführlichen Befundbericht in Rechnung gestellt hatten.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 erstattete das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - der Klägerin den genannten Betrag unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das Ereignis vom 22. August 2004 nicht als Dienstunfall anerkannt werden könne oder die Aufwendungen nicht dienstunfallbedingt, nicht notwendig oder nicht angemessen seien.

Mit Bescheid vom 2. Januar 2013 lehnte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - die Anerkennung einer posttraumatischen Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere, durch den Dienstunfall vom 22. August 2004 verursachte Körperschäden ab.

Mit Bescheid vom 9. April 2013 forderte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle …, gestützt auf das Gutachten vom 6. Dezember 2012 die mit Schreiben vom 7. März 2012 geleisteten vorläufigen Zahlungen (1.374,32 EUR) in Höhe von 953,54 EUR zurück. Hierbei wurde die Rechnung vom 29. Dezember 2011 (MRT) in Höhe von 420,78 EUR als Ausschlussuntersuchung im Rahmen der Dienstunfallfürsorge übernommen.

Mit gesondertem weiterem Bescheid vom 9. April 2013 forderte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - die mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 geleistete vorläufige Zahlung in Höhe von 37,54 EUR zurück.

Mit Schreiben vom 16. April 2013 trugen die Bevollmächtigten der Klägerin vor, weder sie noch die Klägerin hätten den Bescheid vom 2. Januar 2013 erhalten.

Hierauf übersandte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - mit Schreiben vom 15. April 2013 und vom 17. April 2013 den Klägerbevollmächtigten den Bescheid vom 2. Januar 2013 einschließlich des Fachorthopädischen Gutachtens.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 23. April 2013 ließ die Klägerin gegen die Rückforderungsbescheide vom 9. April 2013 Widerspruch einlegen.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 29. April 2013 legte die Klägerin zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Begründung vom 8. Mai 2013 Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Januar 2013 ein.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2013 gewährte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2013, den Bevollmächtigten der Klägerin mit Einschreiben gegen Rückschein zugestellt am 23. Oktober 2013, wies das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - die Widersprüche der Klägerin vom 23. April 2013 gegen die Rückforderungsbescheide vom 9. April 2013 und den Widerspruch vom 29. April 2013 gegen die mit Bescheid vom 2. Januar 2013 abgelehnte Anerkennung weiterer Körperschäden als Folge des Dienstunfalls vom 22. August 2004 zurück.

Hierauf erhob die Klägerin mit einem am 19. November 2013 entsprechend der dem Widerspruchsbescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:beim Verwaltungsgericht … eingegangenen Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten Klage mit den in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2016 dahingehend klargestellten Anträgen:

I. Der Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2013 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 wird aufgehoben

II. Der Beklagte wird verpflichtet, die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere Folge des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen.

III. Die Bescheide vom 9. April 2013 bezüglich Kostenerstattung in der Form des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 werden aufgehoben.

Mit Beschluss vom 23. Januar 2014 erklärte sich das Verwaltungsgericht … für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Ansbach.

Die Klage wurde unter dem Aktenzeichen AN 1 K 14.00134 erfasst.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben des Landesamts für Finanzen - Dienststelle … - vom 10. Februar 2014,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 bat das Gericht das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … -, Herrn Dr. … aufzufordern, das fachorthopädische Gutachten vom 6. Dezember 2012 dahingehend zu ergänzen und explizit dazu Stellung zu nehmen, ob bei der Klägerin eine posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV am linken Knie vorliege und diese durch das mit Bescheid des Polizeipräsidiums … vom 22. November 2004 als Dienstunfall mit der Folge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links anerkannte Unfallereignis als wesentliche Ursache im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verursacht worden sei.

Das Ergänzungsgutachten wurde am 19. März 2015 erstellt.

Mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom selben Tag ergangenen Beschluss vom 21. Juli 2015 wurde die Verhandlung im Verfahren AN 1 K 14.00134 zur weiteren Sachaufklärung vertagt.

Mit Beweisbeschluss vom 24. August 2015 erhob die Kammer Beweis zu der Frage, ob die posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin durch den Dienstunfall vom 22. August 2004 verursachte weitere Körperschäden darstellen, im Wege der Erstellung eines Gutachtens durch Herrn Dr. …

In seinem hierauf nach einer am 2. November 2015 durchgeführten Untersuchung der Klägerin erstellten Unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachten vom 4. November 2015 gelangt Dr. med. … zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:

„Die im Jahre 2011 dokumentierte posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Kniegelenk der Klägerin sind zwar nicht ausschließlich, aber teilweise auf den Dienstunfall vom 22. August 2004 zurückzuführen. Die bereits zum Zeitpunkt des Unfalls bestandene zunehmende Gonarthrose wurde durch das angegebene Ereignis richtungsweisend verstärkt.“

Auf Seite 22/23 des Gutachtens wird im Einzelnen folgendes ausgeführt:

„Hierzu ist festzustellen, dass das von der Klägerin geschilderte Unfallereignis ohne fixierende Komponente nicht geeignet gewesen wäre, ein gesundes vorderes Kreuzband zu zerreißen. Hier ist es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die vorbestehende Schwächung bzw. Schädigung des vorderen Kreuzbandtransplantates zu einer Rissbildung gekommen. Ohne die durch das Unfallereignis zum 10. November 1998 hervorgerufene vorbestehende Schadensanlage von Seiten des linken Kniegelenks wäre es durch das Unfallereignis vom 22. August 2004 alleine mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Ruptur der Kreuzbandersatzplastik gekommen. Ob und inwieweit es auch spontan zu einer Ruptur des vorderen Kreuzbandtransplantates im Verlaufe hätte kommen können, ist nicht eindeutig nachweisbar. Im Rahmen des Unfallereignisses vom 22. August 2004 kam es durchaus zu einer vermehrten Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk, die kernspintomographisch wie oben beschrieben eindeutig nachgewiesen werden kann. Dieses erneute Unfallereignis kann somit nicht als Gelegenheitsursache angesehen werden. Sicherlich ist die vorbestehende Schadensanlage aufgrund des Unfallereignisses vom 10. November 1998 hier bezüglich der Ruptur des vorderen Kreuzbandtransplantates und des Knorpelschadens im Bereich des lateralen Kompartimentes bei Z.n. Außenmeniskusteileresektion als mittelbare Teilursache anzusehen. Das Unfallereignis vom 22. August 2004 kann allerdings bezüglich der Unfallfolgen nicht hinweggedacht werden. Hier sind kernspintomographisch am 24. August 2004 eindeutige frische Veränderungen der knöchernen und ligamentären Strukturen nachzuweisen, die auf eine vermehrte Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk hinweisen. Somit ist in Bezug auf das Unfallereignis vom 22. August 2004 durchaus von einer rechtlichen wesentlichen Teilursache bezüglich der im weiteren Verlauf festgestellten Unfallfolgen am linken Kniegelenk auszugehen.“

Hierzu nahm der Beklagte mit Schreiben des Landesamts für Finanzen - Dienststelle … - vom 2. Dezember 2015 im Wesentlichen wie folgt Stellung:

Der Beklagte helfe dem Klagebegehren nicht ab. Hinsichtlich der Ausführungen des gerichtlichen bestellten Sachverständigen auf Seite 27, 2. Absatz des Gutachtens stelle sich die Frage, welche Vorschäden sich am linken Knie am Unfalltag richtungsweisend verschlimmert hätten. Soweit der ohnehin am Unfalltag stark vorgeschädigte Kreuzbandersatz (Seite 26 oben des Gutachtens) gemeint sein sollte, sei die Ruptur operiert und damit in einen gegenüber dem Vorzustand besseren Zustand gebracht worden. Der Ersatz sei wohl bis heute weitgehend stabil (Seite 19, 2. Absatz, Seite 20 oben des Gutachtens). Soweit es laut dem Gutachten neben der nicht näher bezeichneten richtungsweisenden Verschlechterung der Vorbefunde seinerzeit auch zu einer frischen Verletzung des Innenbands gekommen sein sollte, sei anzumerken:

Neben einer Ruptur des Kreuzbandersatzes seien bis zum Schreiben vom 11. Juli 2012 keine weiteren Körperschäden zum Ereignis am 22. August 2004 gemeldet oder sonst wie dem Dienstherrn bekannt geworden. Im Rahmen dieses Schreibens seien als weitere Körperschäden nur eine posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerative Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns gemeldet worden. Ein Innenbandschaden und andere Körperschäden seien somit weder zeitnah noch innerhalb der zehnjährigen Frist gemeldet worden.

Sehe man den zweiten Unfall nur als Folgeunfall an, so wie er bisher betrachtet worden sei, beginne die Frist zum Zeitpunkt des ersten Unfalls, also 1998. Die weitere Meldung aus dem Jahr 2012 wäre 14 Jahre später verfristet.

Letztendlich lasse das Gutachten Zweifel aufkommen, ob es sich überhaupt um einen sogenannten Folgeunfall handle. Der gerichtlich bestellte Sachverständige sage (Seite 27 des Gutachtens), der zweite Unfall sei als rechtlich wesentliche Teilursache nicht wegzudenken. Stelle das zweite Unfallereignis somit einen „eigenständigen“ Unfall und nicht nur eine Gelegenheitsursache, d.h. einen Folgeunfall (Seite 23 1. Absatz am Ende) dar, wäre die Anerkennung zu Unrecht erfolgt und zurückzunehmen. Das Fußballspiel habe in der Freizeit stattgefunden, nicht im Dienst. Die Reruptur sei nur deshalb als Folge anerkannt worden, weil man seinerzeit davon ausgegangen sei, dass es sich um einen Folgeunfall gehandelt habe. Sollte der gerichtlich bestellte Sachverständige weiterhin die Auffassung vertreten, dass dem Unfall eigenständige Bedeutung zukomme, wäre die Anerkennung zurückzunehmen und eine weitere „eigenständige“ Schädigung abzulehnen, da es an der Dienstbezogenheit des Ereignisses fehle.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige lege nicht dar, zu welchem Anteil die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III bis IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Kniegelenk auf den zweiten Unfall zurückzuführen seien. Letztendlich bleibe die Frage offen, ob nicht durch die Operation im Jahr 2004, indem die ohnehin stark vorgeschädigte Kreuzbandplastik ersetzt worden sei, ein schnellerer Verschleiß eher gebremst als beschleunigt worden sei, ob sich nicht auch ohne das zweite Ereignis ein Knorpelverschleiß und eine Degeneration des Innenmeniskus eingestellt hätten, gegebenenfalls in welchem Zeitrahmen.

Mit rechtskräftigem Urteil der Kammer vom 15. März 2016 (AN 1 K 14.00134) wurde der Bescheid des Landesamts für Finanzen - Dienststelle … - vom 2. Januar 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III bis IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin als weitere Folge des als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses vom 22. August 2004 anzuerkennen. Ferner wurden die Bescheide des Landesamts für Finanzen - Dienststelle … - vom 9. April 2013 bezüglich Kostenerstattung in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 aufgehoben.

In den Urteilsgründen wird zusammengefasst ausgeführt, dass nach dem Gutachten des Dr. med. …, vom 4. November 2015 in Bezug auf das Unfallereignis vom 22. August 2004 durchaus von einer rechtlich wesentlichen Teilursache bezüglich der im weiteren Verlauf festgestellten Unfallfolgen am linken Knie der Klägerin auszugehen sei und dieses Unfallereignis nicht als Gelegenheitsursache angesehen werden könne.

Zwar sei dieses Ereignis seitens des für die Klägerin als seinerzeitige Polizeibeamtin des Landes … zuständigen Polizeipräsidiums … mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. November 2004 zu Unrecht als Dienstunfall im Sinne des damals noch bundesweit anzuwendenden § 31 BeamtVG anerkannt worden. Denn nach dieser Vorschrift sei ebenso wie gemäß Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das inAusübung oder infolge des Dienstes eingetreten sei. Das fälschlicherweise als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links anerkannte Unfallereignis sei jedoch unstreitig während eines privaten Fußballspiels der Klägerin mit Freundinnen, also gerade nicht im Dienst aufgetreten, so dass die Grundvoraussetzung für eine Anerkennung als Dienstunfall nicht gegeben gewesen sei.

Gleichwohl sei das Gericht an den unrichtigen bestandskräftigen Anerkennungsbescheid des Polizeipräsidiums … vom 20. November 2004 gebunden, da dieser zwar rechtswidrig aber mangels Offenkundigkeit eines besonders schwerwiegenden Fehlers nicht nichtig i.S.d. Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG, bzw. § 44 VwVfG NRW sei und infolgedessen eine Tatbestandswirkung entfalte.

Mit streitgegenständlichen Bescheid vom 26. Oktober 2016 nahm das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - Bezügestelle Dienstunfall - die Entscheidung des Polizeipräsidiums … vom 22. November 2004 mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß Art. 48 Abs. 1 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG zurück und stellte fest, dass es sich bei dem Ereignis vom 22. August 2004 nicht um einen Dienstunfall im Sinne des Art. 46 BayBeamtVG handle.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Entscheidung des Polizeipräsidiums … vom 22. November 2004 könne unter Abwägung aller Umstände nicht aufrechterhalten werden. Da von Anfang an das Kriterium „in Ausübung des Dienstes“ nicht erfüllt gewesen sei, sei der Bescheid auch für die Vergangenheit zurückzunehmen gewesen. Der Entzug ihrer Rechtsposition bringe der Klägerin keine Nachteile, die den Ausnahmetatbestand der Priorität ihrer Interessen gegenüber dem öffentlichen Anliegen an einer rechtmäßigen Situation und der Entpflichtung von rechtlich nicht zustehenden Leistungen auf unabsehbare Zeit verwirklichten (BayVGH, B.v. 18.10.1990 - ZBR 1992, 23,25). Der Allgemeinheit könne nicht zugemutet werden, dass ein Beamter zu Unrecht Leistungen erhalte, auf die er keinen Anspruch habe.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 8. November 2016 legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2017 wies das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - Bezügestelle Dienstunfall - den Widerspruch zurück.

Hierauf erhob die Klägerin mit einem am 3. Mai 2017 beim Verwaltungsgericht eingegangen Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten Klage.

Zur Klagebegründung wurde im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Eine Rücknahme des Verwaltungsakts sei bereits gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG ausgeschlossen, da die Behörde, damals das Polizeipräsidium …, bereits im Jahre 2004 bzw. 2005 Kenntnis von allen Tatsachen gehabt habe, die für die Beurteilung des Dienstunfalls erforderlich gewesen seien. Spätestens im Jahr 2005 hätte die Behörde bei der Nachuntersuchung überprüfen können und müssen, ob das Ereignis vom 22. August 2004 ein Folgeereignis des Ereignisses vom 10. November 1998 darstelle. Eine solche Prüfung sei nicht erfolgt, obwohl die Klägerin sämtliche Angaben gemacht habe, die für die Beurteilung des Sachverhalts erforderlich gewesen seien. Insofern hätte bereits spätestens 2005 die Behörde Kenntnis von allen Tatsachen gehabt, die zur Beurteilung des Ereignisses vom 22. August 2004 als Dienstunfall erforderlich gewesen seien. Allein die Tatsache, dass in einem späteren Verfahren ein Gutachter, hier Herr Dr. … zu dem Ergebnis gekommen sei, dass das Unfallereignis vom 22. August 2004 eine rechtlich wesentliche Teilursache bezüglich der im weiteren Verlauf festgestellten Unfallfolgen am linken Knie darstelle, führe nicht dazu, dass von einer Kenntnis des Beklagten erst für das Jahr 2015 auszugehen sei. Eine schriftliche medizinische Bewertung eines Unfalls, die bereits 2004/2005 hätte getroffen werden können, stelle keine neue Tatsache dar, die nunmehr zu einer Kenntnis des Beklagten erst im Jahr 2015 führe. Vielmehr habe bereits 2004/2005 Kenntnis i.S.d. § 48 Abs. 4 VwVfG vorgelegen.

Darüber hinaus sei hier eine Rücknahme des Verwaltungsakts durch den Beklagten nicht möglich, da der Verwaltungsakt vom 22. November 2004 nicht rechtswidrig sei. Da die Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit der Rücknahme einer Anerkennung eines Dienstunfalls beim Beklagten liege, sei zunächst zu überprüfen, ob das Vorbringen des Beklagten geeignet sei, den Beweis für die Rücknahme der Anerkennung als Dienstunfall, hier also die Rechtswidrigkeit erbringen. Hierzu sei zunächst auszuführen, dass der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid den Inhalt der Ausführungen des Sachverständigen Dr. … im Rahmen seines Gutachtens vom 4. November 2015 falsch darstelle. Der Beklagte führe aus, dass Herr Dr. … das Ereignis vom 22. August 2004 nicht als Folgeereignis des Schadensereignisses vom 10. November 1998 darstelle. Herr Dr. … führe lediglich auf Seite 24 seines Gutachtens aus, dass in Bezug auf das Unfallereignis vom 22. August 2004 von einer rechtlich wesentlichen Teilursache bezüglich der im weiteren Verlauf festgestellten Unfallfolgen am linken Kniegelenk auszugehen sei. Es führe aber weiterhin auf Seite 23 des Gutachtens aus, dass „ohne die durch das Unfallereignis vom 10. November 1998 hervorgerufene vorbestehende Schadensanlage von Seiten des linken Kniegelenks es durch das Unfallereignis vom 22. August 2004 alleine mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Ruptur der Kreuzbandersatzplastik gekommen wäre. Ob und inwieweit es auch spontan zu einer Ruptur des vorderen Kreuz-bandtransplantats im Verlauf hätte kommen können, sei nicht eindeutig nachweisbar.“

Damit stelle Herr Dr. … lediglich klar, dass der Vorfall vom 22. August 2004 mitursächlich für die Gonarthrose gewesen sei. Herr Dr. … bewerte jedoch nicht, ob es sich um einen Folgeschaden oder um ein neues Unfallereignis handle, bei dem, wie die Beklagte ausführe, das Merkmal der Ausübung des Dienstes fehle. Das Gutachten des Herrn Dr. … könne insofern nicht dazu führen, dass nunmehr allein durch eine medizinische Bewertung das Merkmal der Ausübung des Dienstes fehle. Die Stellungnahme eines Gutachters könne, unterstellt sie würde die Argumentation des Beklagten zur Rechtswidrigkeit tatsächlich klar tragen, nicht geeignet sein, nach Ablauf der Rücknahmefristen des § 48 VwVfG den Beweis für die Rücknahmevoraussetzungen zu erbringen. In diesem Zusammenhang werde auf ein Gutachten des Herrn Dr. … vom 19. März 2015 verwiesen, in dem dieser vom Beklagten beauftragte Gutachter auf Seite 16 seines Gutachtens zu dem Ergebnis komme, dass die Folgen des Ereignisses vom 22. August 2004 auf dem Dienstunfall vom 10. November 1998 basierten. Die Bewertung, ob der Dienstunfall vom 22. August 2004 ein Folgeereignis des Schadensereignisses vom 10. November 1998 darstelle oder nicht, sei insofern durchaus zwischen den Gutachtern strittig. Soweit der Beklagte sich nunmehr auf das Gutachten des Herrn Dr. … stütze, um damit das Merkmal der Ausübung des Dienstes zu verneinen, sei dies nicht nachvollziehbar. Da die Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit bei Rücknahme einer Anerkennung eines Dienstunfalls beim Beklagten liege, sei das Vorbringen nicht geeignet, den Beweis für die Rücknahme der Anerkennung als Dienstunfall zu erbringen.

Weiterhin könne der Verwaltungsakt, seine Rechtswidrigkeit unterstellt, nicht zurückgenommen werden, weil die begünstigte Klägerin, auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut habe und ihr Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig sei. Insbesondere habe die Klägerin aufgrund ihres Vertrauens in die Bestandskraft des Bescheids vom 22. November 2004 nicht im Rahmen der Zehnjahresfrist nach dem Geschehen vom 10. November 1998 überprüft, ob weitere Folgeschäden eingetreten seien, sondern sich darauf verlassen, dass durch die Anerkennung des Unfalls vom 22. August 2004 eine weitere Zehnjahresfrist zu laufen begonnen habe. Insofern habe die Klägerin nicht nur „einfach“ auf die Rechtmäßigkeit in den Bestand des Verwaltungsakts vertraut, sondern im Hinblick auf das Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsakts vom 22. November 2004 Handlungen oder Unterlassungen veranlasst, die ihre wirtschaftliche Lage oder Lebensumstände beeinflusst hätten und nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Dies, zumal sich der Beklagte immer wieder auf die Ausschlussfrist bezüglich des Unfalls von 1998 berufen habe. Insofern sei das Vertrauen der Klägerin auch im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 1985, 6 C 142/82, schutzwürdig. Darüber hinaus erhalte die Klägerin durch die Anerkennung des Unfalls vom 22. August 2004 eine Rechtsposition, die einem öffentlichen Anliegen an einer rechtmäßigen Situation und der Entflechtung von rechtlich nicht zustehenden Leistungen entgegenstehe. Der Beklagte, der nunmehr aufgrund einer medizinischen nachträglichen Beurteilung des Schadensfalles die Rechtswidrigkeit der Anerkennung des Unfalls vom 22. August 2004 begründe, hätte bereits im Jahr 2004 die medizinischen Folgen ggf. durch in Auftrag geben eines Gutachtens zum damaligen Zeitpunkt prüfen können. Dass nunmehr ein Gutachter in einem weiteren Verfahren feststelle, dass der Vorfall vom 22. August 2004 mitursächlich für die Gonarthrose geworden sei, rechtfertige zunächst nicht die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und begründe auch kein schützenswertes Interesse des Beklagten an der Rücknahme des Verwaltungsakts.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben des Landesamts für Finanzen - Dienststelle … - Rechtsabteilung - vom 29. Mai 2017,

die Klage abzuweisen.

Unstreitig dürfte sein, dass das Verwaltungsgericht Ansbach in seiner Entscheidung vom 15. März 2016 (AN 1 K 14.00134) von der Rechtswidrigkeit des Bescheids des Polizeipräsidiums … vom 22. November 2004 ausgegangen sei, soweit die Kreuzbandruptur links als Dienstunfallfolge angesehen worden sei, auch wenn es im Hinblick auf die Bindungswirkung dieses Bescheids (folgerichtig) das Vorliegen eines Dienstunfalls bejaht habe.

Entgegen der Ansicht der Klägerin sei die Rücknahme des Bescheids des Polizeipräsidiums … vom 22. November 2004 nicht rechtswidrig.

Nach dem im Rahmen des vorgenannten Rechtsstreits eingeholten unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachten des beauftragten Sachverständigen Dr. … vom 3. November 2015 sei bei dem Schadensereignis vom 22. August 2004 von einer rechtlich wesentlichen Teilursache bezüglich der im weiteren Verlauf festgestellten Unfallfolgen am linken Knie auszugehen. Durch dieses Ereignis sei es zu einer richtungweisenden Verschlechterung der Vorbefunde gekommen.

Demzufolge habe das Verwaltungsgericht Ansbach im Urteil vom 15. März 2016 den Unfall vom 22. August 2004 ebenfalls als rechtlich selbstständiges Ereignis gewürdigt.

Zwingende Folge davon sei, dass die Anerkennung des Unfalls vom 22. August 2004 als Folgeschaden des Ereignisses vom 10. November 1998 zu Unrecht erfolgt sei, zumal sich der Unfall vom 22. August 2004 unstreitig außerhalb des Dienstes zugetragen habe und somit nicht unter den Dienstunfallschutz falle.

Seitens der Klägerin werde auch die Beweislastverteilung verkannt. Dafür, dass die Ruptur der Kreuzbandplastik links als Dienstunfallfolge vom 10. November 1998 anzusehen sei, sei die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig, wobei sie die (volle) materielle Beweislast trage. Lasse sich der Kausalzusammenhang zwischen Unfallgeschehen und Körperschaden trotz Ausschöpfung aller Mittel nicht klären, gehe dies zu Lasten des Beamten (BVerwG, B.v. 23.10.2013 – 2 B 34/12 - juris Rn.6).

Selbst wenn die Klägerin auf den Bestand des Bescheids vom 22. November 2004 vertraut habe, sei dieses Vertrauen jedenfalls nicht schutzwürdig. Nicht nachvollziehbar seien im Übrigen die Ausführungen der Klägerin zum Vertrauen im Hinblick auf die Zehnjahresfrist. Die rechtswidrige Anerkennung eines Unfallereignisses als Dienstunfall würde der Klägerin sehr wohl eine Rechtsposition verschaffen, die ihr nicht zustehe und im Gegenzug den Beklagten und damit den Steuerzahler und die Öffentlichkeit mit ungerechtfertigten Kosten (für Heilbehandlung und möglicherweise weitere Leistungen im Rahmen der Gesundheitsfürsorge) belasteten. Demgegenüber sei die Klägerin durch Beihilfeleistungen und ihre private Krankenversicherung abgesichert.

In der mündlichen Verhandlung stellte der Beklagtenvertreter klar, dass es nicht beabsichtigt sei, auch für die Vergangenheit bereits gewährte Dienstunfallfürsorgeleistungen zurückzufordern. Der Bescheid vom 26. Oktober 2016 solle nur mit Wirkung für die Zukunft die weitere Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen für das Unfallereignis vom 22. August 2004 ausschließen.

Der Beklagtenvertreter erklärte:

Es wird der Bescheid vom 26. Oktober 2016 dahingehend abgeändert, dass die Aufhebung des Bescheids vom 22. November 2004 erst mit Eintritt der Bestandskraft des Bescheids vom 26. Oktober 2016, also mit Wirkung für die Zukunft wirksam wird.

Die Bevollmächtigte der Klägerin stellte den Antrag,

den Bescheid des Beklagten vom 26. Oktober 2016 in der Gestalt, die er durch die Erklärung des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erhalten hat, sowie den Widerspruchsbescheid vom 28. März 2017 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Dienstunfallakten des Landesamts für Finanzen - Dienststelle … - und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid des Landesamts für Finanzen - Dienststelle … - Bezügestelle Dienstunfall - vom 26. Oktober 2016 in der Fassung, die er durch die Erklärung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung erhalten hat und der Widerspruchsbescheid des Landesamts für Finanzen - Dienststelle … - Bezügestelle Dienstunfall - vom 28. März 2017 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids vom 26. Oktober 2016 ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 2015 (GVBL 2015, S. 456). Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Falle der Klägerin gegeben.

Der bestandkräftige Bescheid des für die Klägerin als seinerzeitiger Polizeibeamtin des Landes … zuständigen Polizeipräsidiums … vom 22. November 2004 ist rechtswidrig, da - wie bereits im rechtskräftigem Urteil der Kammer vom 15. März 2016 (AN 1 K 14.00134) ausgeführt - mit diesem Bescheid das von der Klägerin ihrem damaligen Dienstherrn gemeldete Unfallereignis vom 22. August 2004 zu Unrecht als Dienstunfall im Sinne des damals noch bundesweit anzuwendenden § 31 BeamtVG anerkannt wurde. Denn nach dieser Vorschrift ist, ebenso wie gemäß Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG, ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Das mit Bescheid des Polizeipräsidiums … vom 22. November 2004 fälschlicherweise als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links anerkannte Unfallereignis vom 22. August 2004 trat jedoch unstreitig während eines privaten Fußballspiels der Klägerin mit Freundinnen, also gerade nicht im Dienst auf, so dass die Grundvoraussetzung für eine Anerkennung als Dienstunfall nicht gegeben war. Anders als ursprünglich vom Polizeipräsidium … angenommen hatte dieses Ereignis eine eigenständige rechtliche Bedeutung und war nicht lediglich als rechtlich unselbstständiger Folgeunfall zu sehen, wie sich aus dem Gutachten des Dr. med. … vom 4. November 2015 ergibt, auf das sich die Kammer schon im rechtskräftigem Urteil vom 15. März 2016 (AN 1 K 14.00134) bezogen hat.

Das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - Bezügestelle Dienstunfall - war als sachlich zuständige Behörde des Beklagten auch zur Aufhebung des Bescheids des Polizeipräsidiums … vom 22. November 2004 befugt. Das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz enthält zwar keine explizite Regelung der Frage, welche Behörde für die Rücknahme eines von einer früher zuständigen Behörde erlassenen Verwaltungsakts zuständig ist. Die Vorschrift des Art. 48 Abs. 5 BayVwVfG regelt, wie die Bezugnahme auf Art. 3 VwVfG zeigt, lediglich Fragen der örtlichen Zuständigkeit. Daher ist nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen für die Rücknahme die Behörde zuständig, die zum Zeitpunkt der Entscheidung für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts zuständig wäre. Dadurch soll eine Entscheidung durch die am besten geeignete Behörde gewährleistet werden; am besten geeignet für eine Rücknahmeentscheidung - bei der es maßgeblich um die Prüfung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und die Ausübung des Rücknahmeermessens unter Beachtung aller im Einzelfall relevanten Umstände geht - ist im Regelfall die Behörde, die gegenwärtig für den Erlass dieses Verwaltungsakts zuständig wäre (vgl. BVerwG, U.v. 20.12.1999 - 7 C 42/98 -, BVerwGE 110,226; VGH Mannheim, U.v. 25.8.2008 - 13 S 201/08).

Das nach alledem nunmehr für die Rücknahme des rechtswidrigen Dienstunfallanerkennungsbescheids des Polizeipräsidiums … vom 22. November 2004 zuständige Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - Bezügestelle Dienstunfall - hat auch die in Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG normierte Jahresfrist für die Rücknahme eingehalten.

Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung seit dem Beschluss des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Dezember 1984 (BVerwG Gr. Sen.1.84 und 2.84 - BVerwG 70,356 = Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 33) geklärt, dass diese Frist erst zu laufen beginnt, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollkommen bekannt sind. Es kommt daher nicht darauf an, dass die die Rücknahme rechtfertigenden Umstände bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids bekannt gewesen sind. Auch wenn der Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts darauf beruht, dass die Behörde den ihr vollständig bekannten Sachverhalt rechtswidrig rechtsfehlerhaft gewürdigt oder das anzuwendende Recht verkannt hat, beginnt die Jahresfrist vielmehr erst mit der Kenntnis der Rechtsfehler zu laufen (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2012 - 2 C 13.11 - NVwZ-RR 2012, 933 Rn.28). Die Frist wird daher nur dann überschritten, wenn die Behörde für ihre Entscheidung trotz Kenntnis der Rechtswidrigkeit und aller für die Rücknahmeverfügung erforderlichen Umstände mehr als ein Jahr benötigt. (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2013 - 2 B 62/12 - Rn. 6, juris). Somit kann die Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts für sich allein die Rücknahmefrist nicht in Lauf setzen. Vielmehr beginnt die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG bzw. hier des inhaltsgleichen Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG erst zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu entscheiden. Hierzu ist die vollständige Kenntnis des für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Sachverhalts nötig (BVerwG, B.v. 29.8.2014 - 4 B 1.14), zu dem vorliegend auch die Einzelheiten gehören, die es dem Beklagten ermöglicht haben, über die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Bestand des Dienstunfallanerkennungsbescheids sowie über die Ausübung seines Rücknahmeermessens zu entscheiden. Wollte man die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts für den Fristbeginn ausreichen lassen, so könnte der drohende Fristablauf die Behörde zu einer Entscheidung über die Rücknahme zwingen, obwohl ihr diese mangels vollständiger Kenntnis des insofern erheblichen Sachverhalts nicht möglich wäre. Damit würde die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zu einer Bearbeitungsfrist für die Behörde, obwohl es sich nach dem Wortlaut der Vorschrift und ihrem Sinn und Zweck um eine Entscheidungsfrist handelt (BayVGH, B.v. 25.2.2016 - 14 ZB 14.874 -, Rn. 8, juris).

Von diesen rechtlichen Gegebenheiten ausgehend hat das Landesamt für Finanzen - Dienststelle … - Bezügestelle Dienstunfall - die in Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG normierte Jahresfrist für die Rücknahme des Dienstunfallanerkennungsbescheids des Polizeipräsidiums … vom 22. November 2004 eingehalten. Denn die positive Kenntnis des Beklagten von der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 22. November 2004 ergibt sich erst aus dem Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 2. Dezember 2015 im Verfahren AN 1 K 14.00134, wo folgendes ausgeführt wird:

„Stellt das zweite Unfallereignis (gemeint ist das Unfallereignis vom 22.8. 2004) somit einen eigenständigen Unfall und nicht nur eine Gelegenheitsursache d.h. einen Folgeunfall dar, wäre die Anerkennung zu Unrecht erfolgt und zurückzunehmen. Das Fußballspiel hat in der Freizeit stattgefunden, nicht im Dienst. Die Reruptur ist deshalb als solche anerkannt worden, weil man seinerzeit davon ausgegangen ist, dass es sich um einen Folgeunfall gehandelt habe. Sollte der gerichtlich bestellte Sachverständige weiterhin die Auffassung vertreten, dass dem Unfall eigenständige Bedeutung zukomme, wäre die Anerkennung zurückzunehmen und eine weitere eigenständige Schädigung abzulehnen, da es an der Dienstbezogenheit des Ereignisses fehlt.“

Denklogisch kann diese Erkenntnis sich erst nach Berücksichtigung des Gutachtens des Dr. med. … vom 4. November 2015 ergeben haben, weshalb die Aufhebung des Bescheids binnen Jahresfrist im Oktober 2016 erfolgt ist.

Der Beklagte hat auch durch die Beschränkung der Rücknahme auf die Zukunft dem in Art. 48 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayVwVfG normierten Vertrauensschutz der Klägerin Rechnung getragen und das vorgeschriebene Rücknahmeermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt.

Denn der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, der Bescheid vom 26. Oktober 2016 werde dahingehend abgeändert, dass die Aufhebung des Bescheids vom 22. November 2004 erst mit Eintritt der Bestandskraft des Bescheids vom 26 Oktober 2016, also mit Wirkung für die Zukunft wirksam werde und zugleich klargestellt, dass eine Rückforderung ohnehin nicht beabsichtigt gewesen sei. Diese im Hinblick auf die Rücknahme des Dienstunfallanerkennungsbescheids des Polizeipräsidiums … vom 22. November 2004 vorgenommenen Ermessenserwägungen des Beklagten lassen somit keine Ermessensfehler erkennen.

Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, sie habe aufgrund ihres Vertrauens in die Bestandskraft des Bescheids vom 22. November 2004 nicht im Rahmen der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 BayBeamtVG nach dem Geschehen vom 10. November 1998 überprüft, ob hieraus weitere Folgeschäden eingetreten seien, sondern sich darauf verlassen, dass durch die Anerkennung des Unfalls vom 22. August 2004 eine weitere Zehnjahresfrist zu laufen begonnen habe.

Dieses Vorbringen erscheint lebensfremd und konstruiert. Denn laut Gesundheitszeugnis vom 16. Mai 2008 kam der ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei aufgrund einer erneuten Untersuchung der Klägerin am 14. Mai 2008, also knapp ein halbes Jahr vor der am 10. November 2008 ablaufenden Zehnjahresfrist des Art. 47 Abs. 2 BayBeamtVG im Hinblick auf den anerkannten Dienstunfall vom 10. November 1998 zu dem Ergebnis, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Untersuchung voll polizeidienstfähig und die dienstunfallbedingten Körperschäden seien als ausgeheilt anzusehen. Schon aus diesem Grund erscheint es nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin zum Zwecke der eventuellen Geltendmachung weiterer Dienstunfallschäden aus dem anerkannten Dienstunfall vom 10. November 1998 ihr Augenmerk auf den damals bevorstehenden Ablauf der Zehnjahresfrist gerichtet haben sollte.

Das insoweit von der Klägerin geschilderte Vorgehen, kurz vor Ablauf der Zehnjahresfrist eine Begutachtung vorzunehmen, steht mit der Regelung des § 45 Abs. 2 BeamteVG nämlich nicht in Einklang, da diese von aufgetretenen (also positiv bemerkten) Beschwerden ausgeht. Eine anlasslose Untersuchung (ohne Symptome) hätte daher auch der Dienstherr nicht veranlassen müssen.

Nach alledem war die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe, die Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 11. Okt. 2017 - AN 1 K 17.00832 zitiert 11 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erhebliche

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 44 Nichtigkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. (2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen d

Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG | § 31 Dienstunfall


(1) Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist. Zum Dienst gehören auch 1. Dienstreisen und die die

Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG | § 45 Meldung und Untersuchungsverfahren


(1) Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach diesem Gesetz entstehen können, sind innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalles schriftlich oder elektronisch bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden.

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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 15. März 2016 - AN 1 K 14.00134

bei uns veröffentlicht am 15.03.2016

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach AN 1 K 14.00134 Im Namen des Volkes Urteil vom 15. März 2016 1. Kammer Sachgebiets-Nr.: 1334 Hauptpunkte: Dienstunfallrecht; Folgeschäden; Tatbestandswirkung e

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 23. Okt. 2013 - 2 B 34/12

bei uns veröffentlicht am 23.10.2013

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 25. Aug. 2008 - 13 S 201/08

bei uns veröffentlicht am 25.08.2008

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5.7.2006 - 16 K 1403/05 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision

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(1) Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach diesem Gesetz entstehen können, sind innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalles schriftlich oder elektronisch bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. § 32 Satz 2 bleibt unberührt. Die Frist nach Satz 1 gilt auch dann als gewahrt, wenn der Unfall bei der zuständigen Dienstunfallfürsorgestelle gemeldet worden ist.

(2) Nach Ablauf der Ausschlussfrist wird Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalles nicht habe gerechnet werden können oder dass der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden ist, den Unfall zu melden. Die Meldung muss, nachdem mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalles gerechnet werden konnte oder das Hindernis für die Meldung weggefallen ist, innerhalb dreier Monate erfolgen. Die Unfallfürsorge wird in diesen Fällen vom Tage der Meldung an gewährt; zur Vermeidung von Härten kann sie auch von einem früheren Zeitpunkt an gewährt werden.

(3) Der Dienstvorgesetzte hat jeden Unfall, der ihm von Amts wegen oder durch die Meldung des verletzten Beamten bekannt wird, unverzüglich zu untersuchen und das Ergebnis der zuständigen Dienstunfallfürsorgestelle mitzuteilen. Die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle entscheidet, ob ein Dienstunfall vorliegt und ob der Verletzte den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Die Entscheidung ist dem Verletzten oder seinen Hinterbliebenen bekannt zu geben.

(4) Unfallfürsorge nach § 30 Abs. 1 Satz 2 wird nur gewährt, wenn der Unfall der Beamtin innerhalb der Fristen nach den Absätzen 1 und 2 gemeldet und als Dienstunfall anerkannt worden ist. Der Anspruch auf Unfallfürsorge nach § 30 Abs. 2 Satz 2 ist innerhalb von zwei Jahren vom Tag der Geburt an von den Sorgeberechtigten geltend zu machen. Absatz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Zehn-Jahres-Frist am Tag der Geburt zu laufen beginnt. Der Antrag muss, nachdem mit der Möglichkeit einer Schädigung durch einen Dienstunfall der Mutter während der Schwangerschaft gerechnet werden konnte oder das Hindernis für den Antrag weggefallen ist, innerhalb von drei Monaten gestellt werden.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach

AN 1 K 14.00134

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 15. März 2016

1. Kammer

Sachgebiets-Nr.: 1334

Hauptpunkte: Dienstunfallrecht; Folgeschäden; Tatbestandswirkung einer zu Unrecht erfolgten Dienstunfallanerkennung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Freistaat ...,

vertreten durch Landesamt für Finanzen, Dienststelle R., B.-str. ..., R.

- Beklagter -

wegen Dienstunfallanerkennung

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 1. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter ... und durch die ehrenamtliche Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. März 2016 am 15. März 2016 folgendes Urteil:

1. Der Bescheid des Landesamts für Finanzen - Dienststelle R. - vom 2. Januar 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III bis IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin als weitere Folge des als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses vom 22. August 2004 anzuerkennen.

3. Die Bescheide des Landesamts für Finanzen - Dienststelle R. - vom 9. April 2013 bezüglich Kostenerstattung in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 werden aufgehoben.

4. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand:

Die am ... geborene Klägerin war ... des Landes Nordrhein-Westfalen und steht seit dem 1. Mai 2005 als Polizeibeamtin im Dienste des Beklagten. Seit dem 1. Februar 2013 ist sie als Kriminalkommissarin (BesGr. A 9) beim Kriminalfachdezernat 4, ..., tätig, ihre vorherige Dienststelle im Amt einer ... (BesGr. A 9) war die Polizeiinspektion ...

Während ihrer Tätigkeit als Polizeibeamtin des Landes Nordrhein-Westfalen verletzte sich die Klägerin am 10. November 1998 bei einem dienstlich angeordneten Fußballspiel.

Nach ihren Angaben im Formblatt „Unfallmeldung“ vom 24. November 1998 sei sie aus der Laufbewegung mit dem linken Bein stehen geblieben und habe sich nach rechts gedreht, dabei sei der Unterschenkel stehen geblieben, so dass das Knie verdreht worden sei; das Knie sei instabil geworden und sie sei zu Fall gekommen.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1999 erkannte das Polizeipräsidium ... das Ereignis als Dienstunfall mit den folgenden Dienstunfallfolgen an:

„Frische vordere Kreuzbandruptur links, traumatische Außenmeniskusläsion links“.

Aufgrund einer polizeiärztlichen Untersuchung der Klägerin am 21. Februar 2000 stellte das Polizeipräsidium ... in einem Schreiben vom 12. Mai 2000 als noch bestehende Dienstunfallfolge eine „geringe Muskelatrophie des linken Beins bei Zustand nach Kreuzbandplastik und Außenmeniskusresektion“ fest; eine Erwerbsminderung bestehe nicht, eine Nachuntersuchung sei nicht erforderlich.

Infolge einer Untersuchung der Klägerin am 3. August 2004 kam der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei zu dem Ergebnis, die Klägerin sei uneingeschränkt polizeivollzugsdienstfähig (Gesundheitszeugnis vom 4.8.2004).

Am 22. August 2004 verletzte sich die Klägerin bei einem privaten Fußballspiel mit Freundinnen erneut.

Nach ihren Angaben vom 17. November 2004 im Formblatt „Unfallmeldung“ habe sie sich beim Versuch, einen der Luft befindlichen, auf sie zufliegenden Fußball als Flankenball zu schießen, den linken Unter- und Oberschenkel verdreht.

Nach Auffassung des Polizeiärztlichen Dienstes Nordrhein-Westfalen im Schreiben vom 9. November 2004 handelt es sich bei diesen von der Klägerin als Dienstunfallfolgen geltend gemachten Verletzungen um eindeutig auf den Dienstunfall vom 10. November 1998 zurückzuführende Folgeschäden.

Mit Bescheid vom 20. November 2004 erkannte das Polizeipräsidium ... das Unfallereignis vom 22. August 2004 als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links an.

Aufgrund einer erneuten Untersuchung der Klägerin am 14. Mai 2008 (nach Durchführung zweier intraartikulärer Eingriffe im linken Kniegelenk) gelangte der ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei zu dem Ergebnis, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Untersuchung voll polizeidienstfähig, die dienstunfallbedingten Körperschäden seien als ausgeheilt anzusehen

(Gesundheitszeugnis vom 16.5.2008).

Mit Schreiben vom 7. Februar 2012 und vom 9. Februar 2012 beantragte die Klägerin die Erstattung von Behandlungskosten in Höhe von 1.374,32 Euro aus Anlass der Dienstunfälle vom 10. November 1998 und vom 22. August 2004.

Im Einzelnen handelt es sich um

- Rechnung der Dr. ..., ..., vom 29. Dezember 2011 für eine Magnetresonanztomographie (wohl) des linken Knies der Klägerin am 6. Dezember 2011 in Höhe von 420,78 Euro

- Rechnung der Praxis für Krankengymnastik und Sportphysiotherapie ... und ..., ..., für 10 ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlungen im Dezember 2011 und im Januar 2012 in Höhe von 195,00 Euro

- Rechnung der Dres. ... und ..., ..., vom 3. Februar 2012 für orthopädische Behandlungen im November und Dezember 2012 in Höhe von 758,54 Euro.

Mit Schreiben vom 7. März 2012 ohne Rechtsbehelfsbelehrung, erstattete das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - der Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.374,32 Euro unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das Ereignis vom 10. November 1998 nicht als Dienstunfall anerkannt werden könne oder die Aufwendungen nicht dienstunfallbedingt, nicht notwendig oder nicht angemessen seien.

Mit Schreiben vom 9. März 2012 beantragte die Klägerin unter Berufung auf ein Schreiben der Dres. med. ..., ..., vom 29. Februar 2012 sinngemäß, eine posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere durch den Dienstunfall vom 10. November 1998 verursachte Körperschäden anzuerkennen. Die die Klägerin behandelten Ärzte meinten, im Gefolge der Kreuzbandverletzung im Jahre 1998 sei eine gewisse Restinstabilität des Kniegelenks zurückgeblieben; hieraus hätten sich nach allgemeinen medizinischen Kenntnissen in aller Regel die genannten Körperschäden entwickelt; es bestünde folglich ein Zusammenhang zwischen den Dienstunfall vom 10. November 1998 und dem jetzigen Folgezustand.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2012 lehnte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - die Anerkennung einer posttraumatischen Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere, durch den Dienstunfall vom 10. November 1998 verursachte Körperschäden ab. Die Ablehnung wurde mit dem Ablauf der zehnjährigen Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 2 BeamtVG, § 45 Abs. 2 BeamtVG begründet.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 18. Juni 2012 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 begründeten ihre Bevollmächtigten den Widerspruch und stellten ausdrücklich den Antrag, die bei der Klägerin derzeit bestehenden Beschwerden am linken Knie als Folgen des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen.

Mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 25. September 2012 wies das Landesamt für Finanzen, Dienststelle R., den Widerspruch der Klägerin zurück.

In den Gründen wird unter anderem folgendes ausgeführt:

Soweit sich die Widerspruchsbegründung gegen die Nichtberücksichtigung des Unfalls vom 22. August 2004 richte, sei dies nicht Gegenstand des Ablehnungsbescheids. Der Ablehnungsbescheid betreffe ausschließlich die Geltendmachung eines weiteren Knieschadens am linken Knie aufgrund des Unfalls vom 10. November 1998. Dies ergebe sich sowohl aus dem Betreff als auch aus der Begründung des Bescheides. Gegen die Ablehnung der Erweiterung der Körperschäden am linken Knie als Folge des Unfalles vom 10. November 1998 wende sich der Widerspruch nicht. Das Widerspruchschreiben sei vielmehr als Antrag auf Erweiterung der Folgen des Unfalls vom 22. August 2004 auszulegen.

Um über den Antrag, die derzeit bestehenden Beschwerden der Klägerin am linken Knie als Folgen des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen, entscheiden zu können, holte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - ein Fachorthopädisches Gutachten ein.

Das von Dr. med. ..., Arzt für Orthopädie- und Unfallchirurgie, Rheumatologie; Arzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation, ..., am 6. Dezember 2012 erstellte Fachorthopädische Gutachten kam aufgrund einer Auswertung der übersandten Dienstunfallakten, einer Befragung und Untersuchung der Klägerin am 27. November 2012 sowie einer Auswertung von durch die Klägerin übergebenen medizinischen Unterlagen zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:

Am 22. August 2004 hätten eine komplette Ruptur der im Jahr 1999 eingesetzten vorderen Kreuzbandplastik am linken Kniegelenk, eine Innenbandzerrung sowie ein Hämarthros vorgelegen; die begleitend festgestellte Kontusion mit Ödembildung insbesondere des lateralen Femurs habe bereits am 23. Juni 2004 vorgelegen; aufgrund der erheblichen degenerativen Vorschädigung des Kreuzbandimplantats sei es am 22. August 2004 durch ein für eine vordere Kreuzbandruptur untypisches Ereignis zu der kompletten Zerreißung des vorderen Kreuzbandtransplantats gekommen; die Degeneration und die Reruptur seien als Folgen des Dienstunfalls am 10. November 1998 zu werten; ohne die Kreuzbandtransplantation und ohne Degeneration des Kreuzbandtransplantats wäre das Ereignis vom 22. August 2004 nicht geeignet gewesen, eine traumatische Verletzung eines vorderen Kreuzbands bzw. eines vorderen Kreuzbandtransplantats hervorzurufen; durch das Ereignis vom 22. August 2004 sei der degenerative Schaden des Kreuzbandtransplantats lediglich zutage getreten.

Bereits mit Schreiben vom 30. November 2012 hatte die Klägerin unter anderem die Erstattung von Kosten in Höhe von 37,54 Euro beantragt, die ihr Dres. med. ..., ..., mit Rechnung vom 1. August 2012 für eine eingehende Beratung am 24. Juli 2012 und einen ausführlichen Befundbericht in Rechnung gestellt hatten.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 erstattete das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - der Klägerin den genannten Betrag unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das Ereignis vom 22. August 2004 nicht als Dienstunfall anerkannt werden könne oder die Aufwendungen nicht dienstunfallbedingt, nicht notwendig oder nicht angemessen seien.

Mit Bescheid vom 2. Januar 2013 lehnte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - die Anerkennung einer posttraumatischen Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere, durch den Dienstunfall vom 22. August 2004 verursachte Körperschäden ab.

Mit Bescheid vom 9. April 2013 forderte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R., gestützt auf das Gutachten vom 6. Dezember 2012 die mit Schreiben vom 7. März 2012 geleisteten vorläufigen Zahlungen (1.374,32 Euro) in Höhe von 953,54 Euro zurück. Hierbei wurde die Rechnung vom 29. Dezember 2011 (MRT) in Höhe von 420,78 Euro als Ausschlussuntersuchung im Rahmen der Dienstunfallfürsorge übernommen.

Mit gesondertem weiterem Bescheid vom 9. April 2013 forderte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - die mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 geleistete vorläufige Zahlung in Höhe von 37,54 Euro zurück.

Mit Schreiben vom 16. April 2013 trugen die Bevollmächtigten der Klägerin vor, weder sie noch die Klägerin hätten den Bescheid vom 2. Januar 2013 erhalten.

Hierauf übersandte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - mit Schreiben vom 15. April 2013 und vom 17. April 2013 den Klägerbevollmächtigten den Bescheid vom 2. Januar 2013 einschließlich des Fachorthopädischen Gutachtens.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 23. April 2013 ließ die Klägerin gegen die Rückforderungsbescheide vom 9. April 2013 Widerspruch einlegen.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 29. April 2013 legte die Klägerin zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Begründung vom 8. Mai 2013 Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Januar 2013 ein.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2013 gewährte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R., der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2013, den Bevollmächtigten der Klägerin mit Einschreiben gegen Rückschein zugestellt am 23. Oktober 2013, wies das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - die Widersprüche der Klägerin vom 23. April 2013 gegen die Rückforderungsbescheide vom 9. April 2013 und den Widerspruch vom 29. April 2013 gegen die mit Bescheid vom 2. Januar 2013 abgelehnte Anerkennung weiterer Körperschäden als Folge des Dienstunfalls vom 22. August 2004 zurück.

Hierauf erhob die Klägerin mit einem am 19. November 2013 entsprechend der dem Widerspruchsbescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung beim Verwaltungsgericht R. eingegangenen Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten Klage mit den in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2016 dahingehend klargestellten Anträgen:

I.

Der Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2013 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 wird aufgehoben.

II.

Der Beklagte wird verpflichtet, die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere Folge des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen.

III.

Die Bescheide vom 9. April 2013 bezüglich Kostenerstattung in der Form des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 werden aufgehoben.

Des Weiteren beantragte die Klägerin, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Zur Klagebegründung wurde im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Der Beklagte lehne zu Unrecht die Anerkennung der posttraumatischen Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns als eine Folgeentwicklung zum Dienstunfall aus dem Jahre 2004 ab. Entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid seien die den Gegenstand des jetzigen Klageverfahrens bildenden geschilderten Unfallfolgen auf den Unfall aus dem Jahr 2004 zurückzuführen und entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht auf das Unfallereignis von 1998.

In seinem Attest vom 17. Juli 2012 komme der behandelnde Orthopäde Dr. med. ... zu dem Ergebnis:

„Zusammenfassend ist festzustellen, dass kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass im Gefolge der letzten Operation eine Restinstabilität verblieben ist, die das Auftreten der jetzigen Beschwerden verursacht hat. Auch ist festzustellen, dass für eine junge Frau das Ausmaß der Knorpelschäden mit einer Chondromalazie Grad III-IV weit über das altersübliche Maß hinausgeht und insofern eine unfallbedingte Verursachung wahrscheinlich ist.“

Demgegenüber gehe der Beklagte davon aus, dass die jetzigen Unfallfolgen nur auf den Dienstunfall von 1998 zurückzuführen seien und berufe sich diesbezüglich auf ein Gutachten des Dr. ... vom 6. Dezember 2012.

Der Beklagte ordne zu Unrecht die jetzt geltend gemachten Beschwerden dem Unfall aus 1998 zu. Die Klägerin sei am 25. Oktober 2005 untersucht worden. Bei dieser Untersuchung sei festgestellt worden, dass nach dem Untersuchungsergebnis vom 25. Oktober 2005 das linke Kniegelenk einen völlig unauffälligen Befund darstelle. Die dienstunfallbedingten Körperschäden seien - derzeit - ausgeheilt, eine Einschränkung der Dienstfähigkeit sei nicht gegeben. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe ebenfalls nicht.

Am 16. Mai 2008 sei laut Schreiben des Polizeipräsidiums Mittelfranken vom 27. Mai 2008 erneut festgestellt worden, dass die dienstunfallbedingten Körperschäden derzeit als ausgeheilt zu betrachten seien.

Wären sowohl die nunmehr geltend gemachten degenerativen Veränderungen als auch die Chondromalazie Grad III-IV bereits als Unfallfolgen des Dienstunfalls von 1998 aufgetreten,

wären sie sicherlich bei den Untersuchungen 2005 und 2008 festgestellt worden.

Demgegenüber überzeuge die Argumentation des Gutachters Dr. ... in seinem Gutachten vom 6. Dezember 2012 nicht. Zunächst unterstelle er, dass das unter dem 22. August 2004 geschilderte Ereignis aus gutachterlicher Sicht in der Regel nicht in der Lage sei, eine gesunde Kreuzbandstruktur, also auch ein gesundes vorderes Kreuzbandtransplantat im Sinne einer Ruptur zu verletzen. Dem sei jedoch nicht zuzustimmen.

Dem Dienstunfall vom 22. August 2004 habe folgender Sachverhalt zugrunde gelegen:

Bei einem Fußballspiel habe die Klägerin versucht, einen in der Luft befindlichen mit großer Kraft auf sie zufliegenden Fußball direkt zu schießen, um zu flanken. Dabei habe sie sich den linken Unter- und Oberschenkel in entgegengesetzter Richtung verdreht bis es „geknackt“ habe. Das geschilderte Ereignis sei entgegen den Ausführungen von Herrn Dr. ... durchaus in der Lage, eine gesunde Kreuzbandstruktur im Sinne einer Ruptur zu verletzen. Auch ein zunächst vorher nicht operiertes Kreuzband wäre bei einem Trauma der vorgeschilderten Art gerissen. Die nunmehr festgestellten degenerativen Veränderungen und Schäden am Innenmeniskushinterhorn stellten eine Folgeentwicklung des Dienstunfalls aus dem Jahr 2004 und nicht aus dem Jahr 1998 dar. Insofern habe der Beklagte zu Unrecht die haftungsausfüllende Kausalität unter Berufung auf Vorschäden abgelehnt.

Mit Beschluss vom 23. Januar 2014 erklärte sich das Verwaltungsgericht Regensburg für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Ansbach.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben des Landesamts für Finanzen - Dienststelle R. - vom 10. Februar 2014,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte er zusammengefasst folgendes aus:

Zur Begründetheit der Verpflichtungsklage:

Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO seien nicht erfüllt.

Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere Folge des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anerkenne. Zur Begründung werde auf den Bescheid vom 2. Januar 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2013 verwiesen.

In der Klage trage die Klägerin keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Argumente vor.

Zur Begründung des Klagebegehrens stützten sich die Klägerbevollmächtigten auf die Aussagen des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei in dessen Schreiben vom 16. Mai 2008 (Untersuchung am 14.5.2008), wonach die dienstunfallbedingten Körperschäden derzeit als ausgeheilt zu betrachten seien. Welche ärztlichen Dokumente dem Ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei bei der Untersuchung vorgelegen hätten und welche Untersuchungen dieser vorgenommen habe, sei nicht erkennbar. Nicht ersichtlich sei auch, welche dienstunfallbedingten Körperschäden gemeint seien. Zudem habe der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei aufgrund des Begutachtungszwecks (Nachuntersuchung aus Fürsorgegründen) keine Stellung zu irgendwelchen Ursachenzusammenhängen genommen.

Die Aussagen der Dres. ... in deren Schreiben vom 29. Februar 2012 und vom 17. Juli 2012 könnten das Klagebegehren ebenfalls nicht rechtfertigen. Im erstgenannten Schreiben hätten die Ärzte die Beschwerden der Klägerin im linken Knie ab Januar 2009 auf den Dienstunfall vom 10. November 1998 zurückgeführt. Im zweitgenannten Schreiben hätten sie gemeint, es bestünde kein vernünftiger Zweifel daran, dass im Gefolge der letzten Operation (!) eine Restinstabilität verblieben sei, die das Auftreten der jetzigen Beschwerden verursacht habe. Sie hätten also einmal das Ereignis vom 10. November 1998, das andere Mal die letzte Operation verantwortlich gemacht. Sie nähmen keine Stellung dazu, welches Ereignis im Sinne des Dienstunfallrechts die geltend gemachten Körperschäden verursacht habe. Insofern würden die genannten Äußerungen nicht weiterhelfen. Die Äußerungen ließen auch nicht erkennen, welche Ergebnisse bildgebender Verfahren die Ärzte bei ihren Aussagen heranzögen. Mit dem Mechanismus der Dienstunfälle vom 10. November 1998 und vom 22. August 2004 setzten sie sich nicht auseinander.

Die bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zu beachtenden Fragen habe dagegen der im Verwaltungsverfahren beauftragte Gutachter erörtert und beantwortet. Ihm hätten sämtliche ärztliche Aussagen zu allen Unfällen der Klägerin zur Verfügung gestanden. Er habe zum Geschehen am 22. August 2004 Stellung genommen und sei plausibel und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Schuss(versuch) der Klägerin mit dem linken Bein nicht geeignet gewesen sei, eine Reruptur des Kreuzbands zu verursachen. Der gegenteilige Vortrag der Klägerbevollmächtigten sei eine bloße Behauptung. Dem Gutachter hätten auch die Ergebnisse bildgebender Verfahren zur Verfügung gestanden. Dass der Gutachter nicht über die erforderliche sachdienlichen Sachkunde verfüge, dass er nicht unparteiisch sei, dass sein Gutachten von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgehe oder Mängel aufweise, die es unverwertbar machten (fachlich grobe, auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche, bessere Forschungsmittel eines anderen Sachverständigen; Veränderungen der vom Gutachter zu klärenden Fragen wegen neuen Sachvortrags der Beteiligten) werde von den Bevollmächtigten der Klägerin nicht vorgetragen.

Zur Begründetheit der Anfechtungsklage:

Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO seien nicht erfüllt, da, ausgehend von den Ausführungen zur Verpflichtungsklage, die Anfechtungsklage ebenfalls unbegründet sei.

Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2014 wiesen die Klägerbevollmächtigten noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass das Gutachten des Herrn Dr. med. ..., wie in der Klageschrift bereits ausgeführt, Mängel aufweise. Insbesondere sei die Unterstellung, dass das unter dem 22. August 2004 geschilderte Ereignis aus gutachterlicher Sicht in der Regel nicht in der Lage sei, eine gesunde Kreuzbandstruktur, also auch ein gesundes vorderes Kreuzbandtransplantat, im Sinne einer Ruptur zu verletzen, nicht nachvollziehbar. Ausgehend von dieser Unterstellung komme Herr Dr. ... nicht zu einer sachgerechten Wertung des Ursachenbeitrags des Unfalls vom 22. August 2004 sowie der anschließenden Operation. Diese werde als relevantes Unfallereignis von vornherein als unwesentlich abgelehnt. Insofern sei das Gutachten des Herrn Dr. ... nicht aussagekräftig, da es von vornherein unterstelle, dass der Unfall nicht geeignet gewesen sei, eine Kreuzbandruptur zu verursachen. Die Kreuzbandruptur als Folge des Unfalls vom 22. August 2004 sei jedoch bereits mit Schreiben des Polizeipräsidiums Mittelfranken vom 3. November 2005 festgestellt worden. Nunmehr sei die Frage zu beurteilen, ob die Gonarthrose als Folge des Unfalls vom 22. August 2004 zu bewerten sei.

In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass der zweite Unfall als rechtlich wesentliche Ursache nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass die jetzige Schädigung entfiele. Dies werde auch von Herrn Dr. ... auf Seite 37 seines Gutachtens, erster Absatz, bestätigt: „Aus gutachterlicher Sicht haben sowohl die erlittenen Dienstunfallereignisse vom 10. November 1998 und 22. August 2004 als auch die hierdurch erforderlich gewordenen operativen Maßnahmen an der Entstehung der Degeneration des linken Kniegelenks mitgewirkt“.

Auch insofern ergebe sich eine Widersprüchlichkeit des Gutachtens, da einerseits ausgeschlossen werde, dass der Dienstunfall überhaupt geeignet gewesen sei, eine Kreuzbandruptur zu verursachen. Andererseits werde das Ereignis vom 22. August 2004 als maßgeblich für die Entstehung der Degeneration des linken Kniegelenks betrachtet.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 bat das Gericht das Landesamt für Finanzen - Dienststelle Regensburg -, Herrn Dr. med. ... aufzufordern, das fachorthopädische Gutachten vom 6. Dezember 2012 dahingehend zu ergänzen und explizit dazu Stellung zu nehmen, ob bei der Klägerin eine posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV am linken Knie vorliege und diese durch das mit Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 22. November 2004 als Dienstunfall mit der Folge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links anerkannte Unfallereignis als wesentliche Ursache im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verursacht worden sei.

In seinem daraufhin erstatteten Ergänzungsgutachten vom 19. März 2015 kommt Dr. med. ... zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:

„Aus gutachterlicher Sicht… ist ein Ballschuss in der Regel nicht geeignet, eine gesunde vordere Kreuzbandstruktur im Sinne einer Komplettruptur zu alterieren. Zur Verursachung einer vorderen Kreuzbandruptur ist in der Regel ein fixierter Unterschenkel erforderlich, auf dem der Oberschenkel sozusagen vermehrt verdreht wird. Ein solcher Sachverhalt kann im Rahmen eines Ballschusses nicht glaubhaft gemacht werden, da sich das gesamte Bein (Ober-und Unterschenkel) sozusagen in der Luft befindet und eine Fixierung des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel nicht vorliegt. Auch durch das Eigengewicht des Balles kann eine solche Fixierung spekulativ nicht angenommen werden. Es liegt somit ein gänzlich anderes biomechanisches Geschehen zugrunde als bei der Drehung des Körpers auf einem fixierten Unterschenkel. Zudem ist das Gewicht eines Fußballs nicht in der Lage, beim Schuss eine dermaßen Fixierung des Unterschenkels gegen den Oberschenkel auslösen, als dass hierdurch eine so kräftige Struktur wie das vordere Kreuzband verletzt werden könnte, da es sich zudem bei einem in der Luft befindlichen Fußball um einen beweglichen Gegenstand handelt. Es darf aus gutachterlicher Sicht darauf hingewiesen werden, dass traumatische vordere Kreuzbandrupturen am Schussbein so gut wie unbekannt sind, da man ansonsten vernünftigerweise generell das Fußballspiel nicht mehr ausüben könnte bzw. dürfte, wenn selbst ein Fußballschuss zu einer vorderen Kreuzbandruptur führen könnte.

Explizit ist aus gutachterlicher Sicht nochmals auszuführen, dass bei der Klägerin eine posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III bis IV am Kniegelenk vorliegt, wobei

diese nicht durch das mit Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 22. November 2004 als Dienstunfall mit der Folge einer Ruptur der Kreuzfahrtplastik links anerkannte Unfallereignis als wesentliche Ursache im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verursacht wurde.“

Mit Schriftsatz vom 21. April 2015 nahmen die Klägerbevollmächtigten hierzu Stellung.

Im Übrigen verwiesen sie auf Blatt 16 der gutachtlichen Stellungnahme, wo explizit ausgeführt werde, dass anzunehmen sei, dass das Ereignis vom 22. August 2004 mit erneut erforderlicher operativer Maßnahme zu einer weiteren Beschleunigung der Degeneration geführt habe. Insofern stelle der Unfall eine wesentliche Ursache dar, die nicht hinweggedacht werden könne,

ohne dass der geschilderte Schaden, hier die Gonarthrose eingetreten sei. Diese Bewertung der Unfallursache gelte auch für den Fall, dass degenerative Körperschäden bereits vorher vorgelegen hätten. Der Unfall stelle insbesondere keine Gelegenheitsursache dar, sondern eine Bedingung, ohne die die vorliegende Gonarthrose nicht eingetreten wäre.

Mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom selben Tag ergangenen Beschluss vom 21. Juli 2015 wurde die Verhandlung zur weiteren Sachaufklärung vertagt.

Mit Beweisbeschluss vom 24. August 2015 erhob die Kammer Beweis zu der Frage, ob die posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin durch den Dienstunfall vom 22. August 2004 verursachte weitere Körperschäden darstellen, im Wege der Erstellung eines Gutachtens durch Herrn Dr. med. ...,...

In seinem hierauf nach einer am 2. November 2015 durchgeführten Untersuchung der Klägerin erstellten Unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachten vom 4. November 2015 gelangt Dr. med. ... zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:

„Die im Jahre 2011 dokumentierte posttraumatisch Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Kniegelenk der Klägerin sind zwar nicht ausschließlich, aber teilweise auf den Dienstunfall vom 22. August 2004 zurückzuführen. Die bereits zum Zeitpunkt des Unfalls bestandene zunehmende Gonarthrose wurde durch das angegebene Ereignis richtungsweisend verstärkt.“

Auf Seite 22/23 des Gutachtens wird im Einzelnen folgendes ausgeführt:

„Hierzu ist festzustellen, dass das von der Klägerin geschilderte Unfallereignis ohne fixierende Komponente nicht geeignet gewesen wäre, ein gesundes vorderes Kreuzband zu zerreißen. Hier ist es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die vorbestehende Schwächung bzw. Schädigung des vorderen Kreuzbandtransplantates zu einer Rissbildung gekommen. Ohne die durch das Unfallereignis zum 10. November 1998 hervorgerufene vorbestehende Schadensanlage von Seiten des linken Kniegelenks wäre es durch das Unfallereignis vom 22. August 2004 alleine mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Ruptur der Kreuzbandersatzplastik gekommen. Ob und inwieweit es auch spontan zu einer Ruptur des vorderen Kreuzbandtransplantates im Verlaufe hätte kommen können, ist nicht eindeutig nachweisbar. Im Rahmen des Unfallereignisses vom 22. August 2004 kam es durchaus zu einer vermehrten Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk, die kernspintomographisch wie oben beschrieben eindeutig nachgewiesen werden kann. Dieses erneute Unfallereignis kann somit nicht als Gelegenheitsursache angesehen werden. Sicherlich ist die vorbestehende Schadensanlage aufgrund des Unfallereignisses vom 10. November 1998 hier bezüglich der Ruptur des vorderen Kreuzbandtransplantates und des Knorpelschadens im Bereich des lateralen Kompartimentes bei Z.n. Außenmeniskusteileresektion als mittelbare Teilursache anzusehen. Das Unfallereignis vom 22. August 2004 kann allerdings bezüglich der Unfallfolgen nicht hinweggedacht werden. Hier sind kernspintomographisch am 24. August 2004 eindeutige frische Veränderungen der knöchernen und ligamentären Strukturen nachzuweisen, die auf eine vermehrte Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk hinweisen. Somit ist in Bezug auf das Unfallereignis vom 22. August 2004 durchaus von einer rechtlichen wesentlichen Teilursache bezüglich der im weiteren Verlauf festgestellten Unfallfolgen am linken Kniegelenk auszugehen.“

Hierzu nahm der Beklagte mit Schreiben des Landesamts für Finanzen - Dienststelle Regensburg - vom 2. Dezember 2015 im Wesentlichen wie folgt Stellung:

Der Beklagte helfe dem Klagebegehren nicht ab.

Hinsichtlich der Ausführungen des gerichtlichen bestellten Sachverständigen auf Seite 27, 2. Absatz des Gutachtens stelle sich die Frage, welche Vorschäden sich am linken Knie am Unfalltag richtungsweisend verschlimmert hätten. Soweit der ohnehin am Unfalltag stark vorgeschädigte Kreuzbandersatz (Seite 26 oben des Gutachtens) gemeint sein sollte, sei die Ruptur operiert und damit in einen gegenüber dem Vorzustand besseren Zustand gebracht worden. Der Ersatz sei wohl bis heute weitgehend stabil (Seite 19, 2. Absatz, Seite 20 oben des Gutachtens).

Soweit es laut dem Gutachten neben der nicht näher bezeichneten richtungsweisenden Verschlechterung der Vorbefunde seinerzeit auch zu einer frischen Verletzung des Innenbands gekommen sein sollte, sei anzumerken:

Neben einer Ruptur des Kreuzbandersatzes seien bis zum Schreiben vom 11. Juli 2012 keine weiteren Körperschäden zum Ereignis am 22. August 2004 gemeldet oder sonst wie dem Dienstherrn bekannt geworden. Im Rahmen dieses Schreibens seien als weitere Körperschäden nur eine posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerative Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns gemeldet worden. Ein Innenbandschaden und andere Körperschäden seien somit weder zeitnah noch innerhalb der zehnjährigen Frist gemeldet worden.

Sehe man den zweiten Unfall nur als Folgeunfall an, so wie er bisher betrachtet worden sei, beginne die Frist zum Zeitpunkt des ersten Unfalls, also 1998. Die weitere Meldung aus dem Jahr 2012 wäre 14 Jahre später verfristet.

Letztendlich lasse das Gutachten Zweifel aufkommen, ob es sich überhaupt um einen sogenannten Folgeunfall handle. Der gerichtlich bestellte Sachverständige sage (Seite 27 des Gutachtens), der zweite Unfall sei als rechtlich wesentliche Teilursache nicht wegzudenken. Stelle das zweite Unfallereignis somit einen „eigenständigen“ Unfall und nicht nur eine Gelegenheitsursache, d. h. einen Folgeunfall (Seite 23 1. Absatz am Ende) dar, wäre die Anerkennung zu Unrecht erfolgt und zurückzunehmen. Das Fußballspiel habe in der Freizeit stattgefunden, nicht im Dienst. Die Reruptur sei nur deshalb als Folge anerkannt worden, weil man seinerzeit davon ausgegangen sei, dass es sich um einen Folgeunfall gehandelt habe. Sollte der gerichtlich bestellte Sachverständige weiterhin die Auffassung vertreten, dass dem Unfall eigenständige Bedeutung zukomme, wäre die Anerkennung zurückzunehmen und eine weitere „eigenständige“ Schädigung abzulehnen, da es an der Dienstbezogenheit des Ereignisses fehle.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige lege nicht dar, zu welchem Anteil die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III bis IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Kniegelenk auf den zweiten Unfall zurückzuführen seien. Letztendlich bleibe die Frage offen, ob nicht durch die Operation im Jahr 2004, indem die ohnehin stark vorgeschädigte Kreuzbandplastik ersetzt worden sei, ein schnellerer Verschleiß

eher gebremst als beschleunigt worden sei, ob sich nicht auch ohne das zweite Ereignis ein Knorpelverschleiß und eine Degeneration des Innenmeniskus eingestellt hätten, gegebenenfalls in welchem Zeitrahmen.

Hierzu ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 22. Dezember 2015 im Wesentlichen folgendes erwidern:

Die Ausführungen des Beklagten zu der Frage, ob es sich bei dem Unfall vom 22. August 2014 um einen Folgeunfall oder einen Unfall mit eigenständiger Bedeutung handle, seien für die Entscheidung über eine Entschädigung nicht relevant. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass die Behörde den vorbezeichneten Unfall vom 22. August 2004 mit Bescheid vom 20. November 2004 ohne Einschränkung als Dienstunfall i. S. d. § 31 BeamtVG anerkannt habe. Ausweislich der Unfallanzeige habe die Klägerin wahrheitsgemäß den Unfall angezeigt und auch darauf hingewiesen, dass es sich nicht um Dienstsport gehandelt habe. Sie habe weiterhin darauf hingewiesen, dass die Kernspinuntersuchung am 24. August 2004 einen frischen vorderen Kreuzbandplastikabriss und eine Verletzung (An- und/oder Abriss) des Innenbandes ergeben habe. Inwiefern der Beklagte unter Kenntnis aller Tatsachen für die Beurteilung des Dienstunfalls am 22. August 2004 nunmehr einen Grund für den Widerruf oder die Rücknahme des Verwaltungsakts finden wolle, sei nicht ersichtlich. Die Anerkennung als Dienstunfall sei bestandskräftig erfolgt und es ergäben sich auch aus dem Gutachten des Herrn Dr. ... keine Anhaltspunkte dafür, die Anerkennung als Dienstunfall nach 15 Jahren aufzuheben, zumal hier Vertrauensschutzgesichtspunkte der Klägerin zu berücksichtigen wären. Soweit der Beklagte rüge, dass im Gutachten des Herrn Dr. med. ... Ausführungen zu der Frage fehlten, welche Vorschäden sich am linken Knie am Unfalltag richtungsweisend verschlimmert hätten, werde auf Seite 26/27 des Gutachtens verwiesen. Dort sei ausdrücklich ausgeführt, dass die erneute Kreuzbandruptur und anschließende operative Versorgung zu einer zusätzlichen Schädigung des Gelenks und zur Zunahme der arthrotischen Veränderungen geführt habe. Die Vermutung, dass durch die neue Operation ein besserer Zustand hergestellt worden sei, sei insofern überhaupt nicht nachzuvollziehen. Bereits im Jahr 2004 und nicht erst mit Schreiben vom 11. Juli 2012 sei auf eine Verletzung des Innenbandes am linken Bein hingewiesen worden. Insofern werde auf die Unfallmeldung Bezug genommen, in der in Absatz 4 auch auf eine Verletzung (An- und/oder Abriss) des Innenbandes hingewiesen werde. Insofern seien die Ausführungen des Beklagten nicht zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Dienstunfallakte des Landesamts für Finanzen - Dienststelle Regensburg - und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die jeweilige Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen - Dienststelle Regensburg - vom 2. Januar 2013 sowie der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 14. Oktober 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Die Klägerin hat einen Rechtsanspruch darauf, dass der Beklagte die im Klageantrag geltend gemachten Körperschäden als weitere Folge des als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses vom 22. August 2004 anerkennt (hierzu nachfolgend unter I.).

Ebenso ist die mit den Bescheiden des Landesamtes für Finanzen - Dienststelle Regensburg - vom 9. April 2013 ausgesprochene Rückforderung gewährter Dienstunfallfürsorgeleistungen in Höhe von insgesamt 991,08 Euro in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), (hierzu nachfolgend unter II.).

I.

Die Voraussetzungen des Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG für die Anerkennung der von der Klägerin reklamierten weiteren Körperschäden (posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie) als Folge des als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses vom 22. August 2004 liegen vor.

Zwar wurde dieses Ereignis seitens des für die Klägerin als seinerzeitige Polizeibeamtin des Landes Nordrhein-Westfalen zuständigen Polizeipräsidiums ... mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. November 2004 zu Unrecht als Dienstunfall im Sinne des damals noch bundesweit anzuwendenden § 31 BeamtVG anerkannt. Denn nach dieser Vorschrift ist ebenso wie gemäß Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Das fälschlicherweise als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links anerkannte Unfallereignis trat jedoch unstreitig während eines privaten Fußballspiels der Klägerin mit Freundinnen, also gerade nicht im Dienst auf, so dass die Grundvoraussetzung für eine Anerkennung als Dienstunfall nicht gegeben war.

Gleichwohl ist das Gericht an den unrichtigen bestandskräftigen Anerkennungsbescheid des Polizeipräsidiums ... vom 20. November 2004 gebunden, da dieser zwar rechtswidrig aber mangels Offenkundigkeit eines besonders schwerwiegenden Fehlers nicht nichtig i. S. d. Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG, bzw. § 44 VwVfG NRW ist und infolgedessen eine Tatbestandswirkung entfaltet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 28.11.1986 - 8 C 122-125, 27.10.1998 - 1 C 19.97 und vom 24.10.2001 - 8 C 32/00) beschränkt sich die Verbindlichkeit von Verwaltungsakten gegenüber anderen Behörden und gegenüber Gerichten auf die Tatbestandswirkung. Diese hat zum Inhalt, dass die durch den Verwaltungsakt für einen bestimmten Rechtsbereich getroffene Regelung als gegeben hingenommen werden muss, mithin dass der Bescheid mit dem von ihm in Anspruch genommenen Inhalt von allen rechtsanwendenden Stellen (Behörden und Gerichten) zu beachten und ihren eigenen Entscheidungen zugrunde zu legen ist. Dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig, jedoch nicht nichtig ist (vgl. zur Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten im obigen Sinne auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, Rn. 18 zu § 43, Beck OK VwVfG/Schemmer, Rn. 28 zu § 43).

Hiervon ausgehend begann aufgrund der zwar rechtswidrigen, aber das Gericht aufgrund der Tatbestandswirkung des bestandskräftigen Bescheids des Polizeipräsidiums ... vom 20. November 2004 bindenden Anerkennung des privaten Unfallereignisses vom 22. August 2004 als Dienstunfall die zehnjährige Ausschlussfrist des Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG, bzw. § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG für die Gewährung von Dienstunfallfürsorge neu zu laufen, so dass der mit Widerspruchsschreiben vom 11. Juli 2012 gestellte Antrag, die bei der Klägerin derzeit bestehenden Beschwerden am linken Knie als Folgen des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen, noch innerhalb dieser Frist gestellt wurde.

Auch besteht zur Überzeugung der Kammer der erforderliche Ursachen- und Zurechnungszusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 22. August 2004 und den am linken Knie der Klägerin aufgetretenen weiteren Körperschäden (posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 1.3.2007 - 2 A 9/04; U. v. 28.4.2002 - 2 C 22/01, ZBR 2003, 140; B. v. 8.3.2004 - 2 B 54/03, Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 13; B. v. 29.12.1999 - 2 B 100/99; B. v. 20.2.1998 - 2 B 81/97) sind als Ursache im Rechtssinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend zum Erfolg mitgewirkt hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im Rechtssinne anzusehen ist, wenn sie nur annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolges hatte. Alle übrigen Bedingungen im natürlich-logischen Sinne scheiden als Ursachen im Rechtssinne aus.

Wesentliche Ursache im Dienstunfallrecht der Beamten kann hiernach auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder (und) beschleunigt, wenn diesem Ereignis nicht im Verhältnis zu anderen Bedingungen - zu denen auch die bei Eintritt des äußeren Ereignisses schon vorhandene krankhafte Veranlagung bzw. das anlagebedingte Leiden in dem bei Eintritt des Ereignisses bestehenden Stadium gehören - eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zukommt, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtungsweise allein als maßgeblich anzusehen sind.

Keine Ursachen im Rechtssinne sind deshalb so genannte Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte (BVerwG, B. v. 8.3.2004, a. a. O.).

Denn der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstunfallbedingten Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (BVerwG, B. v. 8.3.2004, a. a. O.).

Im Dienstunfallrecht gelten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich die allgemeinen Beweisgrundsätze. Für das Vorliegen eines Dienstunfalls sowie die dadurch verursachten Körperschäden ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“). Der Beamte trägt insoweit die (volle) materielle Beweislast. Lässt sich der Kausalzusammenhang zwischen Unfallgeschehen und Körperschaden trotz Ausschöpfung aller Mittel nicht klären, geht dies zulasten des Beamten (vgl. BVerwG, B. v. 23.10.2013 - 2 B 34/12 - juris Rn. 6; BayVGH, U. v. 30.1.2012 - 3 B 10.1015 - juris Rn. 28).

Etwaige Beweisschwierigkeiten vermögen eine abweichende mildere Beurteilung der Beweisanforderungen nicht zu rechtfertigen. Es gibt keinen Grundsatz des Inhalts, dass statt der „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ genügt, wenn der Beamte unverschuldet noch erforderliche Beweismittel nicht benennen kann und auch die Verwaltung oder das Gericht nicht in der Lage sind, die erforderlichen Beweismittel heranzuziehen. Dies gilt nach der Rechtsprechung selbst dann, wenn der Beamte den Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Körperschaden (nur) deshalb nicht nachweisen kann, weil nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft die Entstehung bestimmter Krankheiten noch nicht geklärt ist. Zur Beweiserleichterung führt insoweit allenfalls der Beweis des ersten Anscheins, der jedoch nur bei typischen Geschehensabläufen in Betracht kommt, in denen ein gewisser Tatbestand nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist und infolgedessen wegen des typischen Charakters des Geschehens die konkreten Umstände des Einzelfalls für die tatsächliche Beurteilung ohne Bedeutung sind (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, § 45 BeamtVG, Erl. 1.3; BVerwG, U. v. 28.4.2011, 2 C 55/09, DÖD 2011, 235 ff.; U. v. 22.10.1981; U. v. 23.5.1962, VI C 39.60, BVerwGE 14, 81 ff. = DVBl 1962, 717; BayVGH, B. v. 9.3.2001, 3 ZB 01.76; B. v. 7.6.2000, 3 B 96.1396; B. v. 27.8.1998, 3 ZB 98.568; OVG Münster, U. v. 10.12.2010, 1 A 669/07; B. v. 17.7.2012, 1 A 444/11; OVG Magdeburg, U. v. 13.9.2011, 1 L 94/11).

An diesen Grundsätzen gemessen können die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Körperschäden als kausal durch das als Dienstunfall anerkannte Unfallereignis vom 22. August 2004 verursacht angesehen werden.

Die Kammer hat zur Klärung der Frage, ob die posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin durch das als Dienstunfall vom 22. August 2004 anerkannte Unfallereignis verursachte weitere Körperschäden darstellen, Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet.

Das Gutachten wurde von Herrn Dr. med. ..., Facharzt für Chirurgie, spezielle Unfallchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Sozialmedizin und Sportmedizin, nach einer am 2. November 2015 durchgeführten Untersuchung der Klägerin am 4. November 2015 erstellt.

Der Gutachter kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass in Bezug auf das Unfallereignis vom 22. August 2004 durchaus von einer rechtlich wesentlichen Teilursache bezüglich der im weiteren Verlauf festgestellten Unfallfolgen am linken Kniegelenk der Klägerin auszugehen ist und diese Unfallereignis nicht als Gelegenheitsursache angesehen werden kann.

Das Gutachten ist geeignet, der Kammer die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderliche Sachkunde zu vermitteln (§ 98 VwGO, § 412 Abs. 1 ZPO). Es geht weder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, noch enthält es unauflösbare Widersprüche. Auch besteht kein Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters.

Der Beklagte hat das Gutachten nicht substantiiert in Frage zu stellen vermocht.

Nach alledem war der Klage, soweit sie sich auf die Verpflichtung des Beklagten, die posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV und die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin als weitere Folge des Dienstunfalls am 22. August 2004 anzuerkennen, richtet, stattzugeben.

II.

Auch die in den Bescheiden des Landesamts für Finanzen - Dienststelle Regensburg - vom

9. April 2013 ausgesprochene Rückforderung erstatteter Heilbehandlungskosten in Höhe von insgesamt 991,08 Euro erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Unfallfürsorge liegen vor.

Gemäß Art. 50 Abs. 1 BayBeamtVG umfasst das Heilverfahren u. a. die notwendige ärztliche und zahnärztliche Behandlung und die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie ergänzende Leistungen. Es können jedoch nur Heilbehandlungskosten erstattet werden, die sich auf die Behandlung von Dienstunfallfolgen beziehen. Dienstunfallunabhängige Leistungen können über Art. 50 Abs. 1 BeamtVG nicht erstattet werden (vgl. Ziffer 50.1.2 BayVV-Versorgung).

Die ursprünglich erstatteten und mit den streitgegenständlichen Bescheiden vom 9. April 2013 zurückgeforderten Kosten entstanden jedoch aufgrund einer krankengymnastischen und orthopädischen Behandlung der Klägerin wegen der als weitere (Dienstunfall-)Folgen des Unfallereignisses vom 22. August 2004 anzuerkennenden posttraumatischen Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin und stellen somit dienstunfallabhängige Leistungen dar.

Der Klage war deshalb auch, soweit sie sich gegen die Rückforderung bereits erstatteter Kosten richtet, stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren beruht auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, da der Klägerin nach ihrem persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden konnte, das Vorverfahren ohne rechtskundigen Rat alleine zu betreiben (vgl. Eyermann/Schmidt, VwGO, 11. Aufl., Rn. 13 zu § 162).

Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;

Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in

in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.991,08 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 und 3 GKG).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

(1) Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist. Zum Dienst gehören auch

1.
Dienstreisen und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort,
2.
die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen und
3.
Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst oder in dem ihm gleichstehenden Dienst, zu deren Übernahme der Beamte gemäß § 98 des Bundesbeamtengesetzes verpflichtet ist, oder Nebentätigkeiten, deren Wahrnehmung von ihm im Zusammenhang mit den Dienstgeschäften erwartet wird, sofern der Beamte hierbei nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist (§ 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch).

(2) Als Dienst gilt auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges zu und von der Dienststelle. Hat der Beamte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft, so gilt Satz 1 auch für den Weg zwischen der Familienwohnung und der Dienststelle. Der Zusammenhang mit dem Dienst gilt als nicht unterbrochen, wenn der Beamte

1.
von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und der Dienststelle in vertretbarem Umfang abweicht,
a)
um ein eigenes Kind, für das ihm dem Grunde nach Kindergeld zusteht, wegen seiner eigenen Berufstätigkeit oder der Berufstätigkeit seines Ehegatten in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen oder
b)
weil er mit anderen berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg zu und von der Dienststelle benutzt, oder
2.
in seiner Wohnung Dienst leistet und Wege zurücklegt, um ein Kind im Sinne des Satzes 3 Nummer 1 Buchstabe a in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen.
Ein Unfall, den der Verletzte bei Durchführung des Heilverfahrens (§ 33) oder auf einem hierzu notwendigen Wege erleidet, gilt als Folge eines Dienstunfalles.

(3) Erkrankt ein Beamter, der wegen der Art seiner dienstlichen Verrichtungen der Gefahr der Erkrankung an einer bestimmten Krankheit besonders ausgesetzt ist, an dieser Krankheit, so gilt die Erkrankung als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Die Erkrankung gilt jedoch stets als Dienstunfall, wenn sie durch gesundheitsschädigende Verhältnisse verursacht worden ist, denen der Beamte am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war. Als Krankheiten im Sinne des Satzes 1 kommen die in Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort bezeichneten Maßgaben in Betracht. Für die Feststellung einer Krankheit als Dienstunfall sind auch den Versicherungsschutz nach § 2, § 3 oder § 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch begründende Tätigkeiten zu berücksichtigen, wenn sie ihrer Art nach geeignet waren, die Krankheit zu verursachen, und die schädigende Einwirkung überwiegend durch dienstliche Verrichtungen nach Satz 1 verursacht worden ist.

(4) Dem durch Dienstunfall verursachten Körperschaden ist ein Körperschaden gleichzusetzen, den ein Beamter außerhalb seines Dienstes erleidet, wenn er im Hinblick auf sein pflichtgemäßes dienstliches Verhalten oder wegen seiner Eigenschaft als Beamter angegriffen wird. Gleichzuachten ist ferner ein Körperschaden, den ein Beamter im Ausland erleidet, wenn er bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen, denen er am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthaltes im Ausland besonders ausgesetzt war, angegriffen wird.

(5) Unfallfürsorge wie bei einem Dienstunfall kann auch gewährt werden, wenn ein Beamter, der zur Wahrnehmung einer Tätigkeit, die öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient, beurlaubt worden ist und in Ausübung dieser Tätigkeit einen Körperschaden erleidet.

(6) (weggefallen)

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt;
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt;
3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein;
4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann;
5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht;
6.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt;
2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat;
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war;
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 9 716,30 € festgesetzt.

Gründe

1

Die allein auf Grundsatzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Der Kläger steht als Sportlehrer im Dienst des beklagten Landes. Er erlitt 2007 beim Sportunterricht einen Achillessehnenabriss. Der von der Behörde beauftragte Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass die Achillessehnenruptur im Wesentlichen durch degenerative Veränderungen verursacht worden sei. Daraufhin wurde das Schadensereignis nicht als Dienstunfall anerkannt und vorläufig geleistete Zahlungen zurückgefordert. Widerspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Das Berufungsgericht ist nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass die Achillessehne vorgeschädigt gewesen sei, so dass nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dass das Schadensereignis die wesentliche Ursache oder wenigstens eine wesentlich mitwirkende Teilursache für den Achillessehnenabriss gewesen sei.

3

2. Der Kläger sieht die Fragen als grundsätzlich bedeutsam (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) an:

"ob durch das Ergebnis einer histologischen Untersuchung das Vorliegen der Voraussetzungen eines Dienstunfalles geführt werden kann",

"ob das Ergebnis des histologischen Befundes (Feststellung, dass keine degenerativen Veränderungen im Sehnengewebe vorlagen) ausreichend ist für die Bejahung der Voraussetzungen eines Dienstunfalles bei einer Achillessehnenruptur",

"ob bei einem histologischen Befund (d. h. keine Erkennbarkeit von degenerativen Vorschäden) bei einer Ruptur dies zumindest zu einer Beweislastumkehr für die Beurteilung der Voraussetzungen eines Dienstunfalles führt",

"ob und in wie weit selbst bei Vorliegen von degenerativen Veränderungen der Achillessehne das Vorliegen der Voraussetzungen eines Dienstunfalles bejaht werden können" und

"ob und in wie weit selbst bei degenerativen Veränderungen der Achillessehne die Voraussetzungen eines Dienstunfalles gegeben sind, sofern diejenige Person sich die Verletzung bei einer im täglichen Leben nicht vorkommenden schulspezifischen Tätigkeit zuzog".

4

Insoweit verweist die Beschwerde auch auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 30. Januar 1991 - 4 S 2438/90 -, das sogar bei unstreitiger degenerativer Veränderung der Achillessehne einen Dienstunfall anerkannt habe, weil die degenerative Vorschädigung an der Achillessehne nicht über einen gewöhnlichen altersbedingten Verschleiß hinausgereicht habe.

5

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

6

Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen sind keine Rechtsfragen in diesem Sinne, sondern beziehen sich allenfalls auf die den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindende Tatsachen- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts im Einzelfall. Soweit sie dahin zu verstehen sein sollten, ob das Hinzutreten einer dienstunfallunabhängigen Mitursache zu einer fortbestehenden dienstunfallbedingten Mitursache den Kausalzusammenhang zwischen dem Dienstunfall und dem dadurch ausgelösten Körperschaden ausschließt, bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sich die Frage anhand der vorliegenden Rechtsprechung beantworten lässt. in derartigen Fällen ist der Dienstunfall dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) hingewirkt hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt (vgl. Urteile vom 20. April 1967 - BVerwG 2 C 118.64 - BVerwGE 26, 332 <333>, vom 10. Juli 1968 - BVerwG 6 C 65.65 - Buchholz 232 § 186 BBG Nr. 6, vom 30. Juni 1988 - BVerwG 2 C 77.86 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 6 und vom 1. März 2007 - BVerwG 2 A 9.04 - Schütz BeamtR ES/C II 3.5 Nr. 16).

7

Die Frage, ob der Verwaltungsgerichtshof die genannten Grundsätze zur wesentlich mitwirkenden Teilursache auf den konkreten Fall zutreffend angewendet hat, ist keine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. im Übrigen ist das Berufungsgericht von der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur wesentlichen (Mit-)Ursache ausgegangen. Es hat den Achillessehnenriss nicht als Dienstunfallfolge angesehen, weil das Unfallereignis nicht ursächlich im Sinne des Dienstunfallrechts war, sondern eine so genannte „Gelegenheitsursache" darstellte (vgl. Beschluss vom 8. März 2004 - BVerwG 2 B 54.03 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 13 S. 4 m.w.N.). Das Berufungsgericht ist den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen gefolgt und hat angenommen, dass das Unfallereignis den Achillessehnenabriss zwar ausgelöst habe. Es stelle aber nur eine - rechtlich unbeachtliche - Gelegenheitsursache dar. Der eingetretene Körperschaden stehe nur in einer mehr oder minder zufälligen Beziehung zum Dienst, weil eine vorhandene persönliche Disposition so leicht ansprechbar gewesen sei, dass nicht nur das Unfallereignis, sondern jedes andere, alltäglich vorkommende Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte. Da diese Feststellungen nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden sind, wären sie für den Senat in einem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend.

8

Der Hinweis der Beschwerde auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. Januar 1991 - 4 S 2438/90 - (juris), wonach nur bei einem außergewöhnlichen altersbedingten Verschleiß der Achillessehne im Bereich der Rissstelle unter Berücksichtigung der Tätigkeit des Klägers als Sportlehrer eine wesentliche Mitursache des Unfallgeschehens ausgeschlossen werden könne, kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht bereits mit Urteil vom 18. April 2002 - BVerwG 2 C 22. 01 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 12 = juris Rn. 11) entschieden, dass die dieser Entscheidung zugrundeliegende Rechtsauffassung die Bedeutung des im Dienstunfallrechts maßgebenden Ursachenbegriffs verkennt. Dieser soll zu einer dem Schutzbereich der Dienstunfallfürsorge entsprechenden sachgerechten Risikoverteilung führen. Der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (vgl. bereits Urteil vom 20. Mai 1958 - BVerwG 6 C 360.56 - BVerwGE 7, 48 <49 f.>). Reißt eine vorgeschädigte Achillessehne bei einem Unfall, so ist der zusätzliche Körperschaden dem individuellen Lebensschicksal des Beamten und damit seinem Risikobereich zuzurechnen, wenn die schadhafte Sehne jederzeit auch außerhalb des Dienstes bei einer im Alltag vorkommenden Belastung hätte reißen können.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht für das Beschwerdeverfahren auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 bis 3 GKG.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach

AN 1 K 14.00134

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 15. März 2016

1. Kammer

Sachgebiets-Nr.: 1334

Hauptpunkte: Dienstunfallrecht; Folgeschäden; Tatbestandswirkung einer zu Unrecht erfolgten Dienstunfallanerkennung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Freistaat ...,

vertreten durch Landesamt für Finanzen, Dienststelle R., B.-str. ..., R.

- Beklagter -

wegen Dienstunfallanerkennung

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 1. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter ... und durch die ehrenamtliche Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. März 2016 am 15. März 2016 folgendes Urteil:

1. Der Bescheid des Landesamts für Finanzen - Dienststelle R. - vom 2. Januar 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III bis IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin als weitere Folge des als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses vom 22. August 2004 anzuerkennen.

3. Die Bescheide des Landesamts für Finanzen - Dienststelle R. - vom 9. April 2013 bezüglich Kostenerstattung in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 werden aufgehoben.

4. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand:

Die am ... geborene Klägerin war ... des Landes Nordrhein-Westfalen und steht seit dem 1. Mai 2005 als Polizeibeamtin im Dienste des Beklagten. Seit dem 1. Februar 2013 ist sie als Kriminalkommissarin (BesGr. A 9) beim Kriminalfachdezernat 4, ..., tätig, ihre vorherige Dienststelle im Amt einer ... (BesGr. A 9) war die Polizeiinspektion ...

Während ihrer Tätigkeit als Polizeibeamtin des Landes Nordrhein-Westfalen verletzte sich die Klägerin am 10. November 1998 bei einem dienstlich angeordneten Fußballspiel.

Nach ihren Angaben im Formblatt „Unfallmeldung“ vom 24. November 1998 sei sie aus der Laufbewegung mit dem linken Bein stehen geblieben und habe sich nach rechts gedreht, dabei sei der Unterschenkel stehen geblieben, so dass das Knie verdreht worden sei; das Knie sei instabil geworden und sie sei zu Fall gekommen.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1999 erkannte das Polizeipräsidium ... das Ereignis als Dienstunfall mit den folgenden Dienstunfallfolgen an:

„Frische vordere Kreuzbandruptur links, traumatische Außenmeniskusläsion links“.

Aufgrund einer polizeiärztlichen Untersuchung der Klägerin am 21. Februar 2000 stellte das Polizeipräsidium ... in einem Schreiben vom 12. Mai 2000 als noch bestehende Dienstunfallfolge eine „geringe Muskelatrophie des linken Beins bei Zustand nach Kreuzbandplastik und Außenmeniskusresektion“ fest; eine Erwerbsminderung bestehe nicht, eine Nachuntersuchung sei nicht erforderlich.

Infolge einer Untersuchung der Klägerin am 3. August 2004 kam der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei zu dem Ergebnis, die Klägerin sei uneingeschränkt polizeivollzugsdienstfähig (Gesundheitszeugnis vom 4.8.2004).

Am 22. August 2004 verletzte sich die Klägerin bei einem privaten Fußballspiel mit Freundinnen erneut.

Nach ihren Angaben vom 17. November 2004 im Formblatt „Unfallmeldung“ habe sie sich beim Versuch, einen der Luft befindlichen, auf sie zufliegenden Fußball als Flankenball zu schießen, den linken Unter- und Oberschenkel verdreht.

Nach Auffassung des Polizeiärztlichen Dienstes Nordrhein-Westfalen im Schreiben vom 9. November 2004 handelt es sich bei diesen von der Klägerin als Dienstunfallfolgen geltend gemachten Verletzungen um eindeutig auf den Dienstunfall vom 10. November 1998 zurückzuführende Folgeschäden.

Mit Bescheid vom 20. November 2004 erkannte das Polizeipräsidium ... das Unfallereignis vom 22. August 2004 als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links an.

Aufgrund einer erneuten Untersuchung der Klägerin am 14. Mai 2008 (nach Durchführung zweier intraartikulärer Eingriffe im linken Kniegelenk) gelangte der ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei zu dem Ergebnis, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Untersuchung voll polizeidienstfähig, die dienstunfallbedingten Körperschäden seien als ausgeheilt anzusehen

(Gesundheitszeugnis vom 16.5.2008).

Mit Schreiben vom 7. Februar 2012 und vom 9. Februar 2012 beantragte die Klägerin die Erstattung von Behandlungskosten in Höhe von 1.374,32 Euro aus Anlass der Dienstunfälle vom 10. November 1998 und vom 22. August 2004.

Im Einzelnen handelt es sich um

- Rechnung der Dr. ..., ..., vom 29. Dezember 2011 für eine Magnetresonanztomographie (wohl) des linken Knies der Klägerin am 6. Dezember 2011 in Höhe von 420,78 Euro

- Rechnung der Praxis für Krankengymnastik und Sportphysiotherapie ... und ..., ..., für 10 ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlungen im Dezember 2011 und im Januar 2012 in Höhe von 195,00 Euro

- Rechnung der Dres. ... und ..., ..., vom 3. Februar 2012 für orthopädische Behandlungen im November und Dezember 2012 in Höhe von 758,54 Euro.

Mit Schreiben vom 7. März 2012 ohne Rechtsbehelfsbelehrung, erstattete das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - der Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.374,32 Euro unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das Ereignis vom 10. November 1998 nicht als Dienstunfall anerkannt werden könne oder die Aufwendungen nicht dienstunfallbedingt, nicht notwendig oder nicht angemessen seien.

Mit Schreiben vom 9. März 2012 beantragte die Klägerin unter Berufung auf ein Schreiben der Dres. med. ..., ..., vom 29. Februar 2012 sinngemäß, eine posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere durch den Dienstunfall vom 10. November 1998 verursachte Körperschäden anzuerkennen. Die die Klägerin behandelten Ärzte meinten, im Gefolge der Kreuzbandverletzung im Jahre 1998 sei eine gewisse Restinstabilität des Kniegelenks zurückgeblieben; hieraus hätten sich nach allgemeinen medizinischen Kenntnissen in aller Regel die genannten Körperschäden entwickelt; es bestünde folglich ein Zusammenhang zwischen den Dienstunfall vom 10. November 1998 und dem jetzigen Folgezustand.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2012 lehnte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - die Anerkennung einer posttraumatischen Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere, durch den Dienstunfall vom 10. November 1998 verursachte Körperschäden ab. Die Ablehnung wurde mit dem Ablauf der zehnjährigen Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 2 BeamtVG, § 45 Abs. 2 BeamtVG begründet.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 18. Juni 2012 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 begründeten ihre Bevollmächtigten den Widerspruch und stellten ausdrücklich den Antrag, die bei der Klägerin derzeit bestehenden Beschwerden am linken Knie als Folgen des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen.

Mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 25. September 2012 wies das Landesamt für Finanzen, Dienststelle R., den Widerspruch der Klägerin zurück.

In den Gründen wird unter anderem folgendes ausgeführt:

Soweit sich die Widerspruchsbegründung gegen die Nichtberücksichtigung des Unfalls vom 22. August 2004 richte, sei dies nicht Gegenstand des Ablehnungsbescheids. Der Ablehnungsbescheid betreffe ausschließlich die Geltendmachung eines weiteren Knieschadens am linken Knie aufgrund des Unfalls vom 10. November 1998. Dies ergebe sich sowohl aus dem Betreff als auch aus der Begründung des Bescheides. Gegen die Ablehnung der Erweiterung der Körperschäden am linken Knie als Folge des Unfalles vom 10. November 1998 wende sich der Widerspruch nicht. Das Widerspruchschreiben sei vielmehr als Antrag auf Erweiterung der Folgen des Unfalls vom 22. August 2004 auszulegen.

Um über den Antrag, die derzeit bestehenden Beschwerden der Klägerin am linken Knie als Folgen des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen, entscheiden zu können, holte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - ein Fachorthopädisches Gutachten ein.

Das von Dr. med. ..., Arzt für Orthopädie- und Unfallchirurgie, Rheumatologie; Arzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation, ..., am 6. Dezember 2012 erstellte Fachorthopädische Gutachten kam aufgrund einer Auswertung der übersandten Dienstunfallakten, einer Befragung und Untersuchung der Klägerin am 27. November 2012 sowie einer Auswertung von durch die Klägerin übergebenen medizinischen Unterlagen zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:

Am 22. August 2004 hätten eine komplette Ruptur der im Jahr 1999 eingesetzten vorderen Kreuzbandplastik am linken Kniegelenk, eine Innenbandzerrung sowie ein Hämarthros vorgelegen; die begleitend festgestellte Kontusion mit Ödembildung insbesondere des lateralen Femurs habe bereits am 23. Juni 2004 vorgelegen; aufgrund der erheblichen degenerativen Vorschädigung des Kreuzbandimplantats sei es am 22. August 2004 durch ein für eine vordere Kreuzbandruptur untypisches Ereignis zu der kompletten Zerreißung des vorderen Kreuzbandtransplantats gekommen; die Degeneration und die Reruptur seien als Folgen des Dienstunfalls am 10. November 1998 zu werten; ohne die Kreuzbandtransplantation und ohne Degeneration des Kreuzbandtransplantats wäre das Ereignis vom 22. August 2004 nicht geeignet gewesen, eine traumatische Verletzung eines vorderen Kreuzbands bzw. eines vorderen Kreuzbandtransplantats hervorzurufen; durch das Ereignis vom 22. August 2004 sei der degenerative Schaden des Kreuzbandtransplantats lediglich zutage getreten.

Bereits mit Schreiben vom 30. November 2012 hatte die Klägerin unter anderem die Erstattung von Kosten in Höhe von 37,54 Euro beantragt, die ihr Dres. med. ..., ..., mit Rechnung vom 1. August 2012 für eine eingehende Beratung am 24. Juli 2012 und einen ausführlichen Befundbericht in Rechnung gestellt hatten.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 erstattete das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - der Klägerin den genannten Betrag unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das Ereignis vom 22. August 2004 nicht als Dienstunfall anerkannt werden könne oder die Aufwendungen nicht dienstunfallbedingt, nicht notwendig oder nicht angemessen seien.

Mit Bescheid vom 2. Januar 2013 lehnte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - die Anerkennung einer posttraumatischen Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere, durch den Dienstunfall vom 22. August 2004 verursachte Körperschäden ab.

Mit Bescheid vom 9. April 2013 forderte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R., gestützt auf das Gutachten vom 6. Dezember 2012 die mit Schreiben vom 7. März 2012 geleisteten vorläufigen Zahlungen (1.374,32 Euro) in Höhe von 953,54 Euro zurück. Hierbei wurde die Rechnung vom 29. Dezember 2011 (MRT) in Höhe von 420,78 Euro als Ausschlussuntersuchung im Rahmen der Dienstunfallfürsorge übernommen.

Mit gesondertem weiterem Bescheid vom 9. April 2013 forderte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - die mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 geleistete vorläufige Zahlung in Höhe von 37,54 Euro zurück.

Mit Schreiben vom 16. April 2013 trugen die Bevollmächtigten der Klägerin vor, weder sie noch die Klägerin hätten den Bescheid vom 2. Januar 2013 erhalten.

Hierauf übersandte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - mit Schreiben vom 15. April 2013 und vom 17. April 2013 den Klägerbevollmächtigten den Bescheid vom 2. Januar 2013 einschließlich des Fachorthopädischen Gutachtens.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 23. April 2013 ließ die Klägerin gegen die Rückforderungsbescheide vom 9. April 2013 Widerspruch einlegen.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 29. April 2013 legte die Klägerin zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Begründung vom 8. Mai 2013 Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Januar 2013 ein.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2013 gewährte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R., der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2013, den Bevollmächtigten der Klägerin mit Einschreiben gegen Rückschein zugestellt am 23. Oktober 2013, wies das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - die Widersprüche der Klägerin vom 23. April 2013 gegen die Rückforderungsbescheide vom 9. April 2013 und den Widerspruch vom 29. April 2013 gegen die mit Bescheid vom 2. Januar 2013 abgelehnte Anerkennung weiterer Körperschäden als Folge des Dienstunfalls vom 22. August 2004 zurück.

Hierauf erhob die Klägerin mit einem am 19. November 2013 entsprechend der dem Widerspruchsbescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung beim Verwaltungsgericht R. eingegangenen Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten Klage mit den in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2016 dahingehend klargestellten Anträgen:

I.

Der Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2013 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 wird aufgehoben.

II.

Der Beklagte wird verpflichtet, die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere Folge des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen.

III.

Die Bescheide vom 9. April 2013 bezüglich Kostenerstattung in der Form des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 werden aufgehoben.

Des Weiteren beantragte die Klägerin, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Zur Klagebegründung wurde im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Der Beklagte lehne zu Unrecht die Anerkennung der posttraumatischen Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns als eine Folgeentwicklung zum Dienstunfall aus dem Jahre 2004 ab. Entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid seien die den Gegenstand des jetzigen Klageverfahrens bildenden geschilderten Unfallfolgen auf den Unfall aus dem Jahr 2004 zurückzuführen und entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht auf das Unfallereignis von 1998.

In seinem Attest vom 17. Juli 2012 komme der behandelnde Orthopäde Dr. med. ... zu dem Ergebnis:

„Zusammenfassend ist festzustellen, dass kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass im Gefolge der letzten Operation eine Restinstabilität verblieben ist, die das Auftreten der jetzigen Beschwerden verursacht hat. Auch ist festzustellen, dass für eine junge Frau das Ausmaß der Knorpelschäden mit einer Chondromalazie Grad III-IV weit über das altersübliche Maß hinausgeht und insofern eine unfallbedingte Verursachung wahrscheinlich ist.“

Demgegenüber gehe der Beklagte davon aus, dass die jetzigen Unfallfolgen nur auf den Dienstunfall von 1998 zurückzuführen seien und berufe sich diesbezüglich auf ein Gutachten des Dr. ... vom 6. Dezember 2012.

Der Beklagte ordne zu Unrecht die jetzt geltend gemachten Beschwerden dem Unfall aus 1998 zu. Die Klägerin sei am 25. Oktober 2005 untersucht worden. Bei dieser Untersuchung sei festgestellt worden, dass nach dem Untersuchungsergebnis vom 25. Oktober 2005 das linke Kniegelenk einen völlig unauffälligen Befund darstelle. Die dienstunfallbedingten Körperschäden seien - derzeit - ausgeheilt, eine Einschränkung der Dienstfähigkeit sei nicht gegeben. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe ebenfalls nicht.

Am 16. Mai 2008 sei laut Schreiben des Polizeipräsidiums Mittelfranken vom 27. Mai 2008 erneut festgestellt worden, dass die dienstunfallbedingten Körperschäden derzeit als ausgeheilt zu betrachten seien.

Wären sowohl die nunmehr geltend gemachten degenerativen Veränderungen als auch die Chondromalazie Grad III-IV bereits als Unfallfolgen des Dienstunfalls von 1998 aufgetreten,

wären sie sicherlich bei den Untersuchungen 2005 und 2008 festgestellt worden.

Demgegenüber überzeuge die Argumentation des Gutachters Dr. ... in seinem Gutachten vom 6. Dezember 2012 nicht. Zunächst unterstelle er, dass das unter dem 22. August 2004 geschilderte Ereignis aus gutachterlicher Sicht in der Regel nicht in der Lage sei, eine gesunde Kreuzbandstruktur, also auch ein gesundes vorderes Kreuzbandtransplantat im Sinne einer Ruptur zu verletzen. Dem sei jedoch nicht zuzustimmen.

Dem Dienstunfall vom 22. August 2004 habe folgender Sachverhalt zugrunde gelegen:

Bei einem Fußballspiel habe die Klägerin versucht, einen in der Luft befindlichen mit großer Kraft auf sie zufliegenden Fußball direkt zu schießen, um zu flanken. Dabei habe sie sich den linken Unter- und Oberschenkel in entgegengesetzter Richtung verdreht bis es „geknackt“ habe. Das geschilderte Ereignis sei entgegen den Ausführungen von Herrn Dr. ... durchaus in der Lage, eine gesunde Kreuzbandstruktur im Sinne einer Ruptur zu verletzen. Auch ein zunächst vorher nicht operiertes Kreuzband wäre bei einem Trauma der vorgeschilderten Art gerissen. Die nunmehr festgestellten degenerativen Veränderungen und Schäden am Innenmeniskushinterhorn stellten eine Folgeentwicklung des Dienstunfalls aus dem Jahr 2004 und nicht aus dem Jahr 1998 dar. Insofern habe der Beklagte zu Unrecht die haftungsausfüllende Kausalität unter Berufung auf Vorschäden abgelehnt.

Mit Beschluss vom 23. Januar 2014 erklärte sich das Verwaltungsgericht Regensburg für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Ansbach.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben des Landesamts für Finanzen - Dienststelle R. - vom 10. Februar 2014,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte er zusammengefasst folgendes aus:

Zur Begründetheit der Verpflichtungsklage:

Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO seien nicht erfüllt.

Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere Folge des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anerkenne. Zur Begründung werde auf den Bescheid vom 2. Januar 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2013 verwiesen.

In der Klage trage die Klägerin keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Argumente vor.

Zur Begründung des Klagebegehrens stützten sich die Klägerbevollmächtigten auf die Aussagen des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei in dessen Schreiben vom 16. Mai 2008 (Untersuchung am 14.5.2008), wonach die dienstunfallbedingten Körperschäden derzeit als ausgeheilt zu betrachten seien. Welche ärztlichen Dokumente dem Ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei bei der Untersuchung vorgelegen hätten und welche Untersuchungen dieser vorgenommen habe, sei nicht erkennbar. Nicht ersichtlich sei auch, welche dienstunfallbedingten Körperschäden gemeint seien. Zudem habe der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei aufgrund des Begutachtungszwecks (Nachuntersuchung aus Fürsorgegründen) keine Stellung zu irgendwelchen Ursachenzusammenhängen genommen.

Die Aussagen der Dres. ... in deren Schreiben vom 29. Februar 2012 und vom 17. Juli 2012 könnten das Klagebegehren ebenfalls nicht rechtfertigen. Im erstgenannten Schreiben hätten die Ärzte die Beschwerden der Klägerin im linken Knie ab Januar 2009 auf den Dienstunfall vom 10. November 1998 zurückgeführt. Im zweitgenannten Schreiben hätten sie gemeint, es bestünde kein vernünftiger Zweifel daran, dass im Gefolge der letzten Operation (!) eine Restinstabilität verblieben sei, die das Auftreten der jetzigen Beschwerden verursacht habe. Sie hätten also einmal das Ereignis vom 10. November 1998, das andere Mal die letzte Operation verantwortlich gemacht. Sie nähmen keine Stellung dazu, welches Ereignis im Sinne des Dienstunfallrechts die geltend gemachten Körperschäden verursacht habe. Insofern würden die genannten Äußerungen nicht weiterhelfen. Die Äußerungen ließen auch nicht erkennen, welche Ergebnisse bildgebender Verfahren die Ärzte bei ihren Aussagen heranzögen. Mit dem Mechanismus der Dienstunfälle vom 10. November 1998 und vom 22. August 2004 setzten sie sich nicht auseinander.

Die bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zu beachtenden Fragen habe dagegen der im Verwaltungsverfahren beauftragte Gutachter erörtert und beantwortet. Ihm hätten sämtliche ärztliche Aussagen zu allen Unfällen der Klägerin zur Verfügung gestanden. Er habe zum Geschehen am 22. August 2004 Stellung genommen und sei plausibel und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Schuss(versuch) der Klägerin mit dem linken Bein nicht geeignet gewesen sei, eine Reruptur des Kreuzbands zu verursachen. Der gegenteilige Vortrag der Klägerbevollmächtigten sei eine bloße Behauptung. Dem Gutachter hätten auch die Ergebnisse bildgebender Verfahren zur Verfügung gestanden. Dass der Gutachter nicht über die erforderliche sachdienlichen Sachkunde verfüge, dass er nicht unparteiisch sei, dass sein Gutachten von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgehe oder Mängel aufweise, die es unverwertbar machten (fachlich grobe, auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche, bessere Forschungsmittel eines anderen Sachverständigen; Veränderungen der vom Gutachter zu klärenden Fragen wegen neuen Sachvortrags der Beteiligten) werde von den Bevollmächtigten der Klägerin nicht vorgetragen.

Zur Begründetheit der Anfechtungsklage:

Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO seien nicht erfüllt, da, ausgehend von den Ausführungen zur Verpflichtungsklage, die Anfechtungsklage ebenfalls unbegründet sei.

Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2014 wiesen die Klägerbevollmächtigten noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass das Gutachten des Herrn Dr. med. ..., wie in der Klageschrift bereits ausgeführt, Mängel aufweise. Insbesondere sei die Unterstellung, dass das unter dem 22. August 2004 geschilderte Ereignis aus gutachterlicher Sicht in der Regel nicht in der Lage sei, eine gesunde Kreuzbandstruktur, also auch ein gesundes vorderes Kreuzbandtransplantat, im Sinne einer Ruptur zu verletzen, nicht nachvollziehbar. Ausgehend von dieser Unterstellung komme Herr Dr. ... nicht zu einer sachgerechten Wertung des Ursachenbeitrags des Unfalls vom 22. August 2004 sowie der anschließenden Operation. Diese werde als relevantes Unfallereignis von vornherein als unwesentlich abgelehnt. Insofern sei das Gutachten des Herrn Dr. ... nicht aussagekräftig, da es von vornherein unterstelle, dass der Unfall nicht geeignet gewesen sei, eine Kreuzbandruptur zu verursachen. Die Kreuzbandruptur als Folge des Unfalls vom 22. August 2004 sei jedoch bereits mit Schreiben des Polizeipräsidiums Mittelfranken vom 3. November 2005 festgestellt worden. Nunmehr sei die Frage zu beurteilen, ob die Gonarthrose als Folge des Unfalls vom 22. August 2004 zu bewerten sei.

In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass der zweite Unfall als rechtlich wesentliche Ursache nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass die jetzige Schädigung entfiele. Dies werde auch von Herrn Dr. ... auf Seite 37 seines Gutachtens, erster Absatz, bestätigt: „Aus gutachterlicher Sicht haben sowohl die erlittenen Dienstunfallereignisse vom 10. November 1998 und 22. August 2004 als auch die hierdurch erforderlich gewordenen operativen Maßnahmen an der Entstehung der Degeneration des linken Kniegelenks mitgewirkt“.

Auch insofern ergebe sich eine Widersprüchlichkeit des Gutachtens, da einerseits ausgeschlossen werde, dass der Dienstunfall überhaupt geeignet gewesen sei, eine Kreuzbandruptur zu verursachen. Andererseits werde das Ereignis vom 22. August 2004 als maßgeblich für die Entstehung der Degeneration des linken Kniegelenks betrachtet.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 bat das Gericht das Landesamt für Finanzen - Dienststelle Regensburg -, Herrn Dr. med. ... aufzufordern, das fachorthopädische Gutachten vom 6. Dezember 2012 dahingehend zu ergänzen und explizit dazu Stellung zu nehmen, ob bei der Klägerin eine posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV am linken Knie vorliege und diese durch das mit Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 22. November 2004 als Dienstunfall mit der Folge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links anerkannte Unfallereignis als wesentliche Ursache im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verursacht worden sei.

In seinem daraufhin erstatteten Ergänzungsgutachten vom 19. März 2015 kommt Dr. med. ... zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:

„Aus gutachterlicher Sicht… ist ein Ballschuss in der Regel nicht geeignet, eine gesunde vordere Kreuzbandstruktur im Sinne einer Komplettruptur zu alterieren. Zur Verursachung einer vorderen Kreuzbandruptur ist in der Regel ein fixierter Unterschenkel erforderlich, auf dem der Oberschenkel sozusagen vermehrt verdreht wird. Ein solcher Sachverhalt kann im Rahmen eines Ballschusses nicht glaubhaft gemacht werden, da sich das gesamte Bein (Ober-und Unterschenkel) sozusagen in der Luft befindet und eine Fixierung des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel nicht vorliegt. Auch durch das Eigengewicht des Balles kann eine solche Fixierung spekulativ nicht angenommen werden. Es liegt somit ein gänzlich anderes biomechanisches Geschehen zugrunde als bei der Drehung des Körpers auf einem fixierten Unterschenkel. Zudem ist das Gewicht eines Fußballs nicht in der Lage, beim Schuss eine dermaßen Fixierung des Unterschenkels gegen den Oberschenkel auslösen, als dass hierdurch eine so kräftige Struktur wie das vordere Kreuzband verletzt werden könnte, da es sich zudem bei einem in der Luft befindlichen Fußball um einen beweglichen Gegenstand handelt. Es darf aus gutachterlicher Sicht darauf hingewiesen werden, dass traumatische vordere Kreuzbandrupturen am Schussbein so gut wie unbekannt sind, da man ansonsten vernünftigerweise generell das Fußballspiel nicht mehr ausüben könnte bzw. dürfte, wenn selbst ein Fußballschuss zu einer vorderen Kreuzbandruptur führen könnte.

Explizit ist aus gutachterlicher Sicht nochmals auszuführen, dass bei der Klägerin eine posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III bis IV am Kniegelenk vorliegt, wobei

diese nicht durch das mit Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 22. November 2004 als Dienstunfall mit der Folge einer Ruptur der Kreuzfahrtplastik links anerkannte Unfallereignis als wesentliche Ursache im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verursacht wurde.“

Mit Schriftsatz vom 21. April 2015 nahmen die Klägerbevollmächtigten hierzu Stellung.

Im Übrigen verwiesen sie auf Blatt 16 der gutachtlichen Stellungnahme, wo explizit ausgeführt werde, dass anzunehmen sei, dass das Ereignis vom 22. August 2004 mit erneut erforderlicher operativer Maßnahme zu einer weiteren Beschleunigung der Degeneration geführt habe. Insofern stelle der Unfall eine wesentliche Ursache dar, die nicht hinweggedacht werden könne,

ohne dass der geschilderte Schaden, hier die Gonarthrose eingetreten sei. Diese Bewertung der Unfallursache gelte auch für den Fall, dass degenerative Körperschäden bereits vorher vorgelegen hätten. Der Unfall stelle insbesondere keine Gelegenheitsursache dar, sondern eine Bedingung, ohne die die vorliegende Gonarthrose nicht eingetreten wäre.

Mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom selben Tag ergangenen Beschluss vom 21. Juli 2015 wurde die Verhandlung zur weiteren Sachaufklärung vertagt.

Mit Beweisbeschluss vom 24. August 2015 erhob die Kammer Beweis zu der Frage, ob die posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin durch den Dienstunfall vom 22. August 2004 verursachte weitere Körperschäden darstellen, im Wege der Erstellung eines Gutachtens durch Herrn Dr. med. ...,...

In seinem hierauf nach einer am 2. November 2015 durchgeführten Untersuchung der Klägerin erstellten Unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachten vom 4. November 2015 gelangt Dr. med. ... zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:

„Die im Jahre 2011 dokumentierte posttraumatisch Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Kniegelenk der Klägerin sind zwar nicht ausschließlich, aber teilweise auf den Dienstunfall vom 22. August 2004 zurückzuführen. Die bereits zum Zeitpunkt des Unfalls bestandene zunehmende Gonarthrose wurde durch das angegebene Ereignis richtungsweisend verstärkt.“

Auf Seite 22/23 des Gutachtens wird im Einzelnen folgendes ausgeführt:

„Hierzu ist festzustellen, dass das von der Klägerin geschilderte Unfallereignis ohne fixierende Komponente nicht geeignet gewesen wäre, ein gesundes vorderes Kreuzband zu zerreißen. Hier ist es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die vorbestehende Schwächung bzw. Schädigung des vorderen Kreuzbandtransplantates zu einer Rissbildung gekommen. Ohne die durch das Unfallereignis zum 10. November 1998 hervorgerufene vorbestehende Schadensanlage von Seiten des linken Kniegelenks wäre es durch das Unfallereignis vom 22. August 2004 alleine mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Ruptur der Kreuzbandersatzplastik gekommen. Ob und inwieweit es auch spontan zu einer Ruptur des vorderen Kreuzbandtransplantates im Verlaufe hätte kommen können, ist nicht eindeutig nachweisbar. Im Rahmen des Unfallereignisses vom 22. August 2004 kam es durchaus zu einer vermehrten Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk, die kernspintomographisch wie oben beschrieben eindeutig nachgewiesen werden kann. Dieses erneute Unfallereignis kann somit nicht als Gelegenheitsursache angesehen werden. Sicherlich ist die vorbestehende Schadensanlage aufgrund des Unfallereignisses vom 10. November 1998 hier bezüglich der Ruptur des vorderen Kreuzbandtransplantates und des Knorpelschadens im Bereich des lateralen Kompartimentes bei Z.n. Außenmeniskusteileresektion als mittelbare Teilursache anzusehen. Das Unfallereignis vom 22. August 2004 kann allerdings bezüglich der Unfallfolgen nicht hinweggedacht werden. Hier sind kernspintomographisch am 24. August 2004 eindeutige frische Veränderungen der knöchernen und ligamentären Strukturen nachzuweisen, die auf eine vermehrte Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk hinweisen. Somit ist in Bezug auf das Unfallereignis vom 22. August 2004 durchaus von einer rechtlichen wesentlichen Teilursache bezüglich der im weiteren Verlauf festgestellten Unfallfolgen am linken Kniegelenk auszugehen.“

Hierzu nahm der Beklagte mit Schreiben des Landesamts für Finanzen - Dienststelle Regensburg - vom 2. Dezember 2015 im Wesentlichen wie folgt Stellung:

Der Beklagte helfe dem Klagebegehren nicht ab.

Hinsichtlich der Ausführungen des gerichtlichen bestellten Sachverständigen auf Seite 27, 2. Absatz des Gutachtens stelle sich die Frage, welche Vorschäden sich am linken Knie am Unfalltag richtungsweisend verschlimmert hätten. Soweit der ohnehin am Unfalltag stark vorgeschädigte Kreuzbandersatz (Seite 26 oben des Gutachtens) gemeint sein sollte, sei die Ruptur operiert und damit in einen gegenüber dem Vorzustand besseren Zustand gebracht worden. Der Ersatz sei wohl bis heute weitgehend stabil (Seite 19, 2. Absatz, Seite 20 oben des Gutachtens).

Soweit es laut dem Gutachten neben der nicht näher bezeichneten richtungsweisenden Verschlechterung der Vorbefunde seinerzeit auch zu einer frischen Verletzung des Innenbands gekommen sein sollte, sei anzumerken:

Neben einer Ruptur des Kreuzbandersatzes seien bis zum Schreiben vom 11. Juli 2012 keine weiteren Körperschäden zum Ereignis am 22. August 2004 gemeldet oder sonst wie dem Dienstherrn bekannt geworden. Im Rahmen dieses Schreibens seien als weitere Körperschäden nur eine posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerative Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns gemeldet worden. Ein Innenbandschaden und andere Körperschäden seien somit weder zeitnah noch innerhalb der zehnjährigen Frist gemeldet worden.

Sehe man den zweiten Unfall nur als Folgeunfall an, so wie er bisher betrachtet worden sei, beginne die Frist zum Zeitpunkt des ersten Unfalls, also 1998. Die weitere Meldung aus dem Jahr 2012 wäre 14 Jahre später verfristet.

Letztendlich lasse das Gutachten Zweifel aufkommen, ob es sich überhaupt um einen sogenannten Folgeunfall handle. Der gerichtlich bestellte Sachverständige sage (Seite 27 des Gutachtens), der zweite Unfall sei als rechtlich wesentliche Teilursache nicht wegzudenken. Stelle das zweite Unfallereignis somit einen „eigenständigen“ Unfall und nicht nur eine Gelegenheitsursache, d. h. einen Folgeunfall (Seite 23 1. Absatz am Ende) dar, wäre die Anerkennung zu Unrecht erfolgt und zurückzunehmen. Das Fußballspiel habe in der Freizeit stattgefunden, nicht im Dienst. Die Reruptur sei nur deshalb als Folge anerkannt worden, weil man seinerzeit davon ausgegangen sei, dass es sich um einen Folgeunfall gehandelt habe. Sollte der gerichtlich bestellte Sachverständige weiterhin die Auffassung vertreten, dass dem Unfall eigenständige Bedeutung zukomme, wäre die Anerkennung zurückzunehmen und eine weitere „eigenständige“ Schädigung abzulehnen, da es an der Dienstbezogenheit des Ereignisses fehle.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige lege nicht dar, zu welchem Anteil die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III bis IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Kniegelenk auf den zweiten Unfall zurückzuführen seien. Letztendlich bleibe die Frage offen, ob nicht durch die Operation im Jahr 2004, indem die ohnehin stark vorgeschädigte Kreuzbandplastik ersetzt worden sei, ein schnellerer Verschleiß

eher gebremst als beschleunigt worden sei, ob sich nicht auch ohne das zweite Ereignis ein Knorpelverschleiß und eine Degeneration des Innenmeniskus eingestellt hätten, gegebenenfalls in welchem Zeitrahmen.

Hierzu ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 22. Dezember 2015 im Wesentlichen folgendes erwidern:

Die Ausführungen des Beklagten zu der Frage, ob es sich bei dem Unfall vom 22. August 2014 um einen Folgeunfall oder einen Unfall mit eigenständiger Bedeutung handle, seien für die Entscheidung über eine Entschädigung nicht relevant. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass die Behörde den vorbezeichneten Unfall vom 22. August 2004 mit Bescheid vom 20. November 2004 ohne Einschränkung als Dienstunfall i. S. d. § 31 BeamtVG anerkannt habe. Ausweislich der Unfallanzeige habe die Klägerin wahrheitsgemäß den Unfall angezeigt und auch darauf hingewiesen, dass es sich nicht um Dienstsport gehandelt habe. Sie habe weiterhin darauf hingewiesen, dass die Kernspinuntersuchung am 24. August 2004 einen frischen vorderen Kreuzbandplastikabriss und eine Verletzung (An- und/oder Abriss) des Innenbandes ergeben habe. Inwiefern der Beklagte unter Kenntnis aller Tatsachen für die Beurteilung des Dienstunfalls am 22. August 2004 nunmehr einen Grund für den Widerruf oder die Rücknahme des Verwaltungsakts finden wolle, sei nicht ersichtlich. Die Anerkennung als Dienstunfall sei bestandskräftig erfolgt und es ergäben sich auch aus dem Gutachten des Herrn Dr. ... keine Anhaltspunkte dafür, die Anerkennung als Dienstunfall nach 15 Jahren aufzuheben, zumal hier Vertrauensschutzgesichtspunkte der Klägerin zu berücksichtigen wären. Soweit der Beklagte rüge, dass im Gutachten des Herrn Dr. med. ... Ausführungen zu der Frage fehlten, welche Vorschäden sich am linken Knie am Unfalltag richtungsweisend verschlimmert hätten, werde auf Seite 26/27 des Gutachtens verwiesen. Dort sei ausdrücklich ausgeführt, dass die erneute Kreuzbandruptur und anschließende operative Versorgung zu einer zusätzlichen Schädigung des Gelenks und zur Zunahme der arthrotischen Veränderungen geführt habe. Die Vermutung, dass durch die neue Operation ein besserer Zustand hergestellt worden sei, sei insofern überhaupt nicht nachzuvollziehen. Bereits im Jahr 2004 und nicht erst mit Schreiben vom 11. Juli 2012 sei auf eine Verletzung des Innenbandes am linken Bein hingewiesen worden. Insofern werde auf die Unfallmeldung Bezug genommen, in der in Absatz 4 auch auf eine Verletzung (An- und/oder Abriss) des Innenbandes hingewiesen werde. Insofern seien die Ausführungen des Beklagten nicht zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Dienstunfallakte des Landesamts für Finanzen - Dienststelle Regensburg - und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die jeweilige Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen - Dienststelle Regensburg - vom 2. Januar 2013 sowie der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 14. Oktober 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Die Klägerin hat einen Rechtsanspruch darauf, dass der Beklagte die im Klageantrag geltend gemachten Körperschäden als weitere Folge des als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses vom 22. August 2004 anerkennt (hierzu nachfolgend unter I.).

Ebenso ist die mit den Bescheiden des Landesamtes für Finanzen - Dienststelle Regensburg - vom 9. April 2013 ausgesprochene Rückforderung gewährter Dienstunfallfürsorgeleistungen in Höhe von insgesamt 991,08 Euro in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), (hierzu nachfolgend unter II.).

I.

Die Voraussetzungen des Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG für die Anerkennung der von der Klägerin reklamierten weiteren Körperschäden (posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie) als Folge des als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses vom 22. August 2004 liegen vor.

Zwar wurde dieses Ereignis seitens des für die Klägerin als seinerzeitige Polizeibeamtin des Landes Nordrhein-Westfalen zuständigen Polizeipräsidiums ... mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. November 2004 zu Unrecht als Dienstunfall im Sinne des damals noch bundesweit anzuwendenden § 31 BeamtVG anerkannt. Denn nach dieser Vorschrift ist ebenso wie gemäß Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Das fälschlicherweise als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links anerkannte Unfallereignis trat jedoch unstreitig während eines privaten Fußballspiels der Klägerin mit Freundinnen, also gerade nicht im Dienst auf, so dass die Grundvoraussetzung für eine Anerkennung als Dienstunfall nicht gegeben war.

Gleichwohl ist das Gericht an den unrichtigen bestandskräftigen Anerkennungsbescheid des Polizeipräsidiums ... vom 20. November 2004 gebunden, da dieser zwar rechtswidrig aber mangels Offenkundigkeit eines besonders schwerwiegenden Fehlers nicht nichtig i. S. d. Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG, bzw. § 44 VwVfG NRW ist und infolgedessen eine Tatbestandswirkung entfaltet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 28.11.1986 - 8 C 122-125, 27.10.1998 - 1 C 19.97 und vom 24.10.2001 - 8 C 32/00) beschränkt sich die Verbindlichkeit von Verwaltungsakten gegenüber anderen Behörden und gegenüber Gerichten auf die Tatbestandswirkung. Diese hat zum Inhalt, dass die durch den Verwaltungsakt für einen bestimmten Rechtsbereich getroffene Regelung als gegeben hingenommen werden muss, mithin dass der Bescheid mit dem von ihm in Anspruch genommenen Inhalt von allen rechtsanwendenden Stellen (Behörden und Gerichten) zu beachten und ihren eigenen Entscheidungen zugrunde zu legen ist. Dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig, jedoch nicht nichtig ist (vgl. zur Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten im obigen Sinne auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, Rn. 18 zu § 43, Beck OK VwVfG/Schemmer, Rn. 28 zu § 43).

Hiervon ausgehend begann aufgrund der zwar rechtswidrigen, aber das Gericht aufgrund der Tatbestandswirkung des bestandskräftigen Bescheids des Polizeipräsidiums ... vom 20. November 2004 bindenden Anerkennung des privaten Unfallereignisses vom 22. August 2004 als Dienstunfall die zehnjährige Ausschlussfrist des Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG, bzw. § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG für die Gewährung von Dienstunfallfürsorge neu zu laufen, so dass der mit Widerspruchsschreiben vom 11. Juli 2012 gestellte Antrag, die bei der Klägerin derzeit bestehenden Beschwerden am linken Knie als Folgen des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen, noch innerhalb dieser Frist gestellt wurde.

Auch besteht zur Überzeugung der Kammer der erforderliche Ursachen- und Zurechnungszusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 22. August 2004 und den am linken Knie der Klägerin aufgetretenen weiteren Körperschäden (posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 1.3.2007 - 2 A 9/04; U. v. 28.4.2002 - 2 C 22/01, ZBR 2003, 140; B. v. 8.3.2004 - 2 B 54/03, Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 13; B. v. 29.12.1999 - 2 B 100/99; B. v. 20.2.1998 - 2 B 81/97) sind als Ursache im Rechtssinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend zum Erfolg mitgewirkt hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im Rechtssinne anzusehen ist, wenn sie nur annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolges hatte. Alle übrigen Bedingungen im natürlich-logischen Sinne scheiden als Ursachen im Rechtssinne aus.

Wesentliche Ursache im Dienstunfallrecht der Beamten kann hiernach auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder (und) beschleunigt, wenn diesem Ereignis nicht im Verhältnis zu anderen Bedingungen - zu denen auch die bei Eintritt des äußeren Ereignisses schon vorhandene krankhafte Veranlagung bzw. das anlagebedingte Leiden in dem bei Eintritt des Ereignisses bestehenden Stadium gehören - eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zukommt, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtungsweise allein als maßgeblich anzusehen sind.

Keine Ursachen im Rechtssinne sind deshalb so genannte Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte (BVerwG, B. v. 8.3.2004, a. a. O.).

Denn der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstunfallbedingten Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (BVerwG, B. v. 8.3.2004, a. a. O.).

Im Dienstunfallrecht gelten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich die allgemeinen Beweisgrundsätze. Für das Vorliegen eines Dienstunfalls sowie die dadurch verursachten Körperschäden ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“). Der Beamte trägt insoweit die (volle) materielle Beweislast. Lässt sich der Kausalzusammenhang zwischen Unfallgeschehen und Körperschaden trotz Ausschöpfung aller Mittel nicht klären, geht dies zulasten des Beamten (vgl. BVerwG, B. v. 23.10.2013 - 2 B 34/12 - juris Rn. 6; BayVGH, U. v. 30.1.2012 - 3 B 10.1015 - juris Rn. 28).

Etwaige Beweisschwierigkeiten vermögen eine abweichende mildere Beurteilung der Beweisanforderungen nicht zu rechtfertigen. Es gibt keinen Grundsatz des Inhalts, dass statt der „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ genügt, wenn der Beamte unverschuldet noch erforderliche Beweismittel nicht benennen kann und auch die Verwaltung oder das Gericht nicht in der Lage sind, die erforderlichen Beweismittel heranzuziehen. Dies gilt nach der Rechtsprechung selbst dann, wenn der Beamte den Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Körperschaden (nur) deshalb nicht nachweisen kann, weil nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft die Entstehung bestimmter Krankheiten noch nicht geklärt ist. Zur Beweiserleichterung führt insoweit allenfalls der Beweis des ersten Anscheins, der jedoch nur bei typischen Geschehensabläufen in Betracht kommt, in denen ein gewisser Tatbestand nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist und infolgedessen wegen des typischen Charakters des Geschehens die konkreten Umstände des Einzelfalls für die tatsächliche Beurteilung ohne Bedeutung sind (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, § 45 BeamtVG, Erl. 1.3; BVerwG, U. v. 28.4.2011, 2 C 55/09, DÖD 2011, 235 ff.; U. v. 22.10.1981; U. v. 23.5.1962, VI C 39.60, BVerwGE 14, 81 ff. = DVBl 1962, 717; BayVGH, B. v. 9.3.2001, 3 ZB 01.76; B. v. 7.6.2000, 3 B 96.1396; B. v. 27.8.1998, 3 ZB 98.568; OVG Münster, U. v. 10.12.2010, 1 A 669/07; B. v. 17.7.2012, 1 A 444/11; OVG Magdeburg, U. v. 13.9.2011, 1 L 94/11).

An diesen Grundsätzen gemessen können die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Körperschäden als kausal durch das als Dienstunfall anerkannte Unfallereignis vom 22. August 2004 verursacht angesehen werden.

Die Kammer hat zur Klärung der Frage, ob die posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin durch das als Dienstunfall vom 22. August 2004 anerkannte Unfallereignis verursachte weitere Körperschäden darstellen, Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet.

Das Gutachten wurde von Herrn Dr. med. ..., Facharzt für Chirurgie, spezielle Unfallchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Sozialmedizin und Sportmedizin, nach einer am 2. November 2015 durchgeführten Untersuchung der Klägerin am 4. November 2015 erstellt.

Der Gutachter kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass in Bezug auf das Unfallereignis vom 22. August 2004 durchaus von einer rechtlich wesentlichen Teilursache bezüglich der im weiteren Verlauf festgestellten Unfallfolgen am linken Kniegelenk der Klägerin auszugehen ist und diese Unfallereignis nicht als Gelegenheitsursache angesehen werden kann.

Das Gutachten ist geeignet, der Kammer die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderliche Sachkunde zu vermitteln (§ 98 VwGO, § 412 Abs. 1 ZPO). Es geht weder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, noch enthält es unauflösbare Widersprüche. Auch besteht kein Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters.

Der Beklagte hat das Gutachten nicht substantiiert in Frage zu stellen vermocht.

Nach alledem war der Klage, soweit sie sich auf die Verpflichtung des Beklagten, die posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV und die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin als weitere Folge des Dienstunfalls am 22. August 2004 anzuerkennen, richtet, stattzugeben.

II.

Auch die in den Bescheiden des Landesamts für Finanzen - Dienststelle Regensburg - vom

9. April 2013 ausgesprochene Rückforderung erstatteter Heilbehandlungskosten in Höhe von insgesamt 991,08 Euro erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Unfallfürsorge liegen vor.

Gemäß Art. 50 Abs. 1 BayBeamtVG umfasst das Heilverfahren u. a. die notwendige ärztliche und zahnärztliche Behandlung und die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie ergänzende Leistungen. Es können jedoch nur Heilbehandlungskosten erstattet werden, die sich auf die Behandlung von Dienstunfallfolgen beziehen. Dienstunfallunabhängige Leistungen können über Art. 50 Abs. 1 BeamtVG nicht erstattet werden (vgl. Ziffer 50.1.2 BayVV-Versorgung).

Die ursprünglich erstatteten und mit den streitgegenständlichen Bescheiden vom 9. April 2013 zurückgeforderten Kosten entstanden jedoch aufgrund einer krankengymnastischen und orthopädischen Behandlung der Klägerin wegen der als weitere (Dienstunfall-)Folgen des Unfallereignisses vom 22. August 2004 anzuerkennenden posttraumatischen Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin und stellen somit dienstunfallabhängige Leistungen dar.

Der Klage war deshalb auch, soweit sie sich gegen die Rückforderung bereits erstatteter Kosten richtet, stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren beruht auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, da der Klägerin nach ihrem persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden konnte, das Vorverfahren ohne rechtskundigen Rat alleine zu betreiben (vgl. Eyermann/Schmidt, VwGO, 11. Aufl., Rn. 13 zu § 162).

Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;

Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in

in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.991,08 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 und 3 GKG).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

(1) Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist. Zum Dienst gehören auch

1.
Dienstreisen und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort,
2.
die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen und
3.
Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst oder in dem ihm gleichstehenden Dienst, zu deren Übernahme der Beamte gemäß § 98 des Bundesbeamtengesetzes verpflichtet ist, oder Nebentätigkeiten, deren Wahrnehmung von ihm im Zusammenhang mit den Dienstgeschäften erwartet wird, sofern der Beamte hierbei nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist (§ 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch).

(2) Als Dienst gilt auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges zu und von der Dienststelle. Hat der Beamte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft, so gilt Satz 1 auch für den Weg zwischen der Familienwohnung und der Dienststelle. Der Zusammenhang mit dem Dienst gilt als nicht unterbrochen, wenn der Beamte

1.
von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und der Dienststelle in vertretbarem Umfang abweicht,
a)
um ein eigenes Kind, für das ihm dem Grunde nach Kindergeld zusteht, wegen seiner eigenen Berufstätigkeit oder der Berufstätigkeit seines Ehegatten in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen oder
b)
weil er mit anderen berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg zu und von der Dienststelle benutzt, oder
2.
in seiner Wohnung Dienst leistet und Wege zurücklegt, um ein Kind im Sinne des Satzes 3 Nummer 1 Buchstabe a in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen.
Ein Unfall, den der Verletzte bei Durchführung des Heilverfahrens (§ 33) oder auf einem hierzu notwendigen Wege erleidet, gilt als Folge eines Dienstunfalles.

(3) Erkrankt ein Beamter, der wegen der Art seiner dienstlichen Verrichtungen der Gefahr der Erkrankung an einer bestimmten Krankheit besonders ausgesetzt ist, an dieser Krankheit, so gilt die Erkrankung als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Die Erkrankung gilt jedoch stets als Dienstunfall, wenn sie durch gesundheitsschädigende Verhältnisse verursacht worden ist, denen der Beamte am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war. Als Krankheiten im Sinne des Satzes 1 kommen die in Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort bezeichneten Maßgaben in Betracht. Für die Feststellung einer Krankheit als Dienstunfall sind auch den Versicherungsschutz nach § 2, § 3 oder § 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch begründende Tätigkeiten zu berücksichtigen, wenn sie ihrer Art nach geeignet waren, die Krankheit zu verursachen, und die schädigende Einwirkung überwiegend durch dienstliche Verrichtungen nach Satz 1 verursacht worden ist.

(4) Dem durch Dienstunfall verursachten Körperschaden ist ein Körperschaden gleichzusetzen, den ein Beamter außerhalb seines Dienstes erleidet, wenn er im Hinblick auf sein pflichtgemäßes dienstliches Verhalten oder wegen seiner Eigenschaft als Beamter angegriffen wird. Gleichzuachten ist ferner ein Körperschaden, den ein Beamter im Ausland erleidet, wenn er bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen, denen er am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthaltes im Ausland besonders ausgesetzt war, angegriffen wird.

(5) Unfallfürsorge wie bei einem Dienstunfall kann auch gewährt werden, wenn ein Beamter, der zur Wahrnehmung einer Tätigkeit, die öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient, beurlaubt worden ist und in Ausübung dieser Tätigkeit einen Körperschaden erleidet.

(6) (weggefallen)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach

AN 1 K 14.00134

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 15. März 2016

1. Kammer

Sachgebiets-Nr.: 1334

Hauptpunkte: Dienstunfallrecht; Folgeschäden; Tatbestandswirkung einer zu Unrecht erfolgten Dienstunfallanerkennung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Freistaat ...,

vertreten durch Landesamt für Finanzen, Dienststelle R., B.-str. ..., R.

- Beklagter -

wegen Dienstunfallanerkennung

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 1. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter ... und durch die ehrenamtliche Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. März 2016 am 15. März 2016 folgendes Urteil:

1. Der Bescheid des Landesamts für Finanzen - Dienststelle R. - vom 2. Januar 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III bis IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin als weitere Folge des als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses vom 22. August 2004 anzuerkennen.

3. Die Bescheide des Landesamts für Finanzen - Dienststelle R. - vom 9. April 2013 bezüglich Kostenerstattung in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 werden aufgehoben.

4. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand:

Die am ... geborene Klägerin war ... des Landes Nordrhein-Westfalen und steht seit dem 1. Mai 2005 als Polizeibeamtin im Dienste des Beklagten. Seit dem 1. Februar 2013 ist sie als Kriminalkommissarin (BesGr. A 9) beim Kriminalfachdezernat 4, ..., tätig, ihre vorherige Dienststelle im Amt einer ... (BesGr. A 9) war die Polizeiinspektion ...

Während ihrer Tätigkeit als Polizeibeamtin des Landes Nordrhein-Westfalen verletzte sich die Klägerin am 10. November 1998 bei einem dienstlich angeordneten Fußballspiel.

Nach ihren Angaben im Formblatt „Unfallmeldung“ vom 24. November 1998 sei sie aus der Laufbewegung mit dem linken Bein stehen geblieben und habe sich nach rechts gedreht, dabei sei der Unterschenkel stehen geblieben, so dass das Knie verdreht worden sei; das Knie sei instabil geworden und sie sei zu Fall gekommen.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1999 erkannte das Polizeipräsidium ... das Ereignis als Dienstunfall mit den folgenden Dienstunfallfolgen an:

„Frische vordere Kreuzbandruptur links, traumatische Außenmeniskusläsion links“.

Aufgrund einer polizeiärztlichen Untersuchung der Klägerin am 21. Februar 2000 stellte das Polizeipräsidium ... in einem Schreiben vom 12. Mai 2000 als noch bestehende Dienstunfallfolge eine „geringe Muskelatrophie des linken Beins bei Zustand nach Kreuzbandplastik und Außenmeniskusresektion“ fest; eine Erwerbsminderung bestehe nicht, eine Nachuntersuchung sei nicht erforderlich.

Infolge einer Untersuchung der Klägerin am 3. August 2004 kam der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei zu dem Ergebnis, die Klägerin sei uneingeschränkt polizeivollzugsdienstfähig (Gesundheitszeugnis vom 4.8.2004).

Am 22. August 2004 verletzte sich die Klägerin bei einem privaten Fußballspiel mit Freundinnen erneut.

Nach ihren Angaben vom 17. November 2004 im Formblatt „Unfallmeldung“ habe sie sich beim Versuch, einen der Luft befindlichen, auf sie zufliegenden Fußball als Flankenball zu schießen, den linken Unter- und Oberschenkel verdreht.

Nach Auffassung des Polizeiärztlichen Dienstes Nordrhein-Westfalen im Schreiben vom 9. November 2004 handelt es sich bei diesen von der Klägerin als Dienstunfallfolgen geltend gemachten Verletzungen um eindeutig auf den Dienstunfall vom 10. November 1998 zurückzuführende Folgeschäden.

Mit Bescheid vom 20. November 2004 erkannte das Polizeipräsidium ... das Unfallereignis vom 22. August 2004 als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links an.

Aufgrund einer erneuten Untersuchung der Klägerin am 14. Mai 2008 (nach Durchführung zweier intraartikulärer Eingriffe im linken Kniegelenk) gelangte der ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei zu dem Ergebnis, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Untersuchung voll polizeidienstfähig, die dienstunfallbedingten Körperschäden seien als ausgeheilt anzusehen

(Gesundheitszeugnis vom 16.5.2008).

Mit Schreiben vom 7. Februar 2012 und vom 9. Februar 2012 beantragte die Klägerin die Erstattung von Behandlungskosten in Höhe von 1.374,32 Euro aus Anlass der Dienstunfälle vom 10. November 1998 und vom 22. August 2004.

Im Einzelnen handelt es sich um

- Rechnung der Dr. ..., ..., vom 29. Dezember 2011 für eine Magnetresonanztomographie (wohl) des linken Knies der Klägerin am 6. Dezember 2011 in Höhe von 420,78 Euro

- Rechnung der Praxis für Krankengymnastik und Sportphysiotherapie ... und ..., ..., für 10 ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlungen im Dezember 2011 und im Januar 2012 in Höhe von 195,00 Euro

- Rechnung der Dres. ... und ..., ..., vom 3. Februar 2012 für orthopädische Behandlungen im November und Dezember 2012 in Höhe von 758,54 Euro.

Mit Schreiben vom 7. März 2012 ohne Rechtsbehelfsbelehrung, erstattete das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - der Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.374,32 Euro unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das Ereignis vom 10. November 1998 nicht als Dienstunfall anerkannt werden könne oder die Aufwendungen nicht dienstunfallbedingt, nicht notwendig oder nicht angemessen seien.

Mit Schreiben vom 9. März 2012 beantragte die Klägerin unter Berufung auf ein Schreiben der Dres. med. ..., ..., vom 29. Februar 2012 sinngemäß, eine posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere durch den Dienstunfall vom 10. November 1998 verursachte Körperschäden anzuerkennen. Die die Klägerin behandelten Ärzte meinten, im Gefolge der Kreuzbandverletzung im Jahre 1998 sei eine gewisse Restinstabilität des Kniegelenks zurückgeblieben; hieraus hätten sich nach allgemeinen medizinischen Kenntnissen in aller Regel die genannten Körperschäden entwickelt; es bestünde folglich ein Zusammenhang zwischen den Dienstunfall vom 10. November 1998 und dem jetzigen Folgezustand.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2012 lehnte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - die Anerkennung einer posttraumatischen Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere, durch den Dienstunfall vom 10. November 1998 verursachte Körperschäden ab. Die Ablehnung wurde mit dem Ablauf der zehnjährigen Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 2 BeamtVG, § 45 Abs. 2 BeamtVG begründet.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 18. Juni 2012 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 begründeten ihre Bevollmächtigten den Widerspruch und stellten ausdrücklich den Antrag, die bei der Klägerin derzeit bestehenden Beschwerden am linken Knie als Folgen des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen.

Mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 25. September 2012 wies das Landesamt für Finanzen, Dienststelle R., den Widerspruch der Klägerin zurück.

In den Gründen wird unter anderem folgendes ausgeführt:

Soweit sich die Widerspruchsbegründung gegen die Nichtberücksichtigung des Unfalls vom 22. August 2004 richte, sei dies nicht Gegenstand des Ablehnungsbescheids. Der Ablehnungsbescheid betreffe ausschließlich die Geltendmachung eines weiteren Knieschadens am linken Knie aufgrund des Unfalls vom 10. November 1998. Dies ergebe sich sowohl aus dem Betreff als auch aus der Begründung des Bescheides. Gegen die Ablehnung der Erweiterung der Körperschäden am linken Knie als Folge des Unfalles vom 10. November 1998 wende sich der Widerspruch nicht. Das Widerspruchschreiben sei vielmehr als Antrag auf Erweiterung der Folgen des Unfalls vom 22. August 2004 auszulegen.

Um über den Antrag, die derzeit bestehenden Beschwerden der Klägerin am linken Knie als Folgen des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen, entscheiden zu können, holte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - ein Fachorthopädisches Gutachten ein.

Das von Dr. med. ..., Arzt für Orthopädie- und Unfallchirurgie, Rheumatologie; Arzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation, ..., am 6. Dezember 2012 erstellte Fachorthopädische Gutachten kam aufgrund einer Auswertung der übersandten Dienstunfallakten, einer Befragung und Untersuchung der Klägerin am 27. November 2012 sowie einer Auswertung von durch die Klägerin übergebenen medizinischen Unterlagen zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:

Am 22. August 2004 hätten eine komplette Ruptur der im Jahr 1999 eingesetzten vorderen Kreuzbandplastik am linken Kniegelenk, eine Innenbandzerrung sowie ein Hämarthros vorgelegen; die begleitend festgestellte Kontusion mit Ödembildung insbesondere des lateralen Femurs habe bereits am 23. Juni 2004 vorgelegen; aufgrund der erheblichen degenerativen Vorschädigung des Kreuzbandimplantats sei es am 22. August 2004 durch ein für eine vordere Kreuzbandruptur untypisches Ereignis zu der kompletten Zerreißung des vorderen Kreuzbandtransplantats gekommen; die Degeneration und die Reruptur seien als Folgen des Dienstunfalls am 10. November 1998 zu werten; ohne die Kreuzbandtransplantation und ohne Degeneration des Kreuzbandtransplantats wäre das Ereignis vom 22. August 2004 nicht geeignet gewesen, eine traumatische Verletzung eines vorderen Kreuzbands bzw. eines vorderen Kreuzbandtransplantats hervorzurufen; durch das Ereignis vom 22. August 2004 sei der degenerative Schaden des Kreuzbandtransplantats lediglich zutage getreten.

Bereits mit Schreiben vom 30. November 2012 hatte die Klägerin unter anderem die Erstattung von Kosten in Höhe von 37,54 Euro beantragt, die ihr Dres. med. ..., ..., mit Rechnung vom 1. August 2012 für eine eingehende Beratung am 24. Juli 2012 und einen ausführlichen Befundbericht in Rechnung gestellt hatten.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 erstattete das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - der Klägerin den genannten Betrag unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das Ereignis vom 22. August 2004 nicht als Dienstunfall anerkannt werden könne oder die Aufwendungen nicht dienstunfallbedingt, nicht notwendig oder nicht angemessen seien.

Mit Bescheid vom 2. Januar 2013 lehnte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - die Anerkennung einer posttraumatischen Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere, durch den Dienstunfall vom 22. August 2004 verursachte Körperschäden ab.

Mit Bescheid vom 9. April 2013 forderte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R., gestützt auf das Gutachten vom 6. Dezember 2012 die mit Schreiben vom 7. März 2012 geleisteten vorläufigen Zahlungen (1.374,32 Euro) in Höhe von 953,54 Euro zurück. Hierbei wurde die Rechnung vom 29. Dezember 2011 (MRT) in Höhe von 420,78 Euro als Ausschlussuntersuchung im Rahmen der Dienstunfallfürsorge übernommen.

Mit gesondertem weiterem Bescheid vom 9. April 2013 forderte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - die mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 geleistete vorläufige Zahlung in Höhe von 37,54 Euro zurück.

Mit Schreiben vom 16. April 2013 trugen die Bevollmächtigten der Klägerin vor, weder sie noch die Klägerin hätten den Bescheid vom 2. Januar 2013 erhalten.

Hierauf übersandte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - mit Schreiben vom 15. April 2013 und vom 17. April 2013 den Klägerbevollmächtigten den Bescheid vom 2. Januar 2013 einschließlich des Fachorthopädischen Gutachtens.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 23. April 2013 ließ die Klägerin gegen die Rückforderungsbescheide vom 9. April 2013 Widerspruch einlegen.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 29. April 2013 legte die Klägerin zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Begründung vom 8. Mai 2013 Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Januar 2013 ein.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2013 gewährte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R., der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2013, den Bevollmächtigten der Klägerin mit Einschreiben gegen Rückschein zugestellt am 23. Oktober 2013, wies das Landesamt für Finanzen - Dienststelle R. - die Widersprüche der Klägerin vom 23. April 2013 gegen die Rückforderungsbescheide vom 9. April 2013 und den Widerspruch vom 29. April 2013 gegen die mit Bescheid vom 2. Januar 2013 abgelehnte Anerkennung weiterer Körperschäden als Folge des Dienstunfalls vom 22. August 2004 zurück.

Hierauf erhob die Klägerin mit einem am 19. November 2013 entsprechend der dem Widerspruchsbescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung beim Verwaltungsgericht R. eingegangenen Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten Klage mit den in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2016 dahingehend klargestellten Anträgen:

I.

Der Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2013 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 wird aufgehoben.

II.

Der Beklagte wird verpflichtet, die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere Folge des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen.

III.

Die Bescheide vom 9. April 2013 bezüglich Kostenerstattung in der Form des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 werden aufgehoben.

Des Weiteren beantragte die Klägerin, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Zur Klagebegründung wurde im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Der Beklagte lehne zu Unrecht die Anerkennung der posttraumatischen Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns als eine Folgeentwicklung zum Dienstunfall aus dem Jahre 2004 ab. Entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid seien die den Gegenstand des jetzigen Klageverfahrens bildenden geschilderten Unfallfolgen auf den Unfall aus dem Jahr 2004 zurückzuführen und entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht auf das Unfallereignis von 1998.

In seinem Attest vom 17. Juli 2012 komme der behandelnde Orthopäde Dr. med. ... zu dem Ergebnis:

„Zusammenfassend ist festzustellen, dass kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass im Gefolge der letzten Operation eine Restinstabilität verblieben ist, die das Auftreten der jetzigen Beschwerden verursacht hat. Auch ist festzustellen, dass für eine junge Frau das Ausmaß der Knorpelschäden mit einer Chondromalazie Grad III-IV weit über das altersübliche Maß hinausgeht und insofern eine unfallbedingte Verursachung wahrscheinlich ist.“

Demgegenüber gehe der Beklagte davon aus, dass die jetzigen Unfallfolgen nur auf den Dienstunfall von 1998 zurückzuführen seien und berufe sich diesbezüglich auf ein Gutachten des Dr. ... vom 6. Dezember 2012.

Der Beklagte ordne zu Unrecht die jetzt geltend gemachten Beschwerden dem Unfall aus 1998 zu. Die Klägerin sei am 25. Oktober 2005 untersucht worden. Bei dieser Untersuchung sei festgestellt worden, dass nach dem Untersuchungsergebnis vom 25. Oktober 2005 das linke Kniegelenk einen völlig unauffälligen Befund darstelle. Die dienstunfallbedingten Körperschäden seien - derzeit - ausgeheilt, eine Einschränkung der Dienstfähigkeit sei nicht gegeben. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe ebenfalls nicht.

Am 16. Mai 2008 sei laut Schreiben des Polizeipräsidiums Mittelfranken vom 27. Mai 2008 erneut festgestellt worden, dass die dienstunfallbedingten Körperschäden derzeit als ausgeheilt zu betrachten seien.

Wären sowohl die nunmehr geltend gemachten degenerativen Veränderungen als auch die Chondromalazie Grad III-IV bereits als Unfallfolgen des Dienstunfalls von 1998 aufgetreten,

wären sie sicherlich bei den Untersuchungen 2005 und 2008 festgestellt worden.

Demgegenüber überzeuge die Argumentation des Gutachters Dr. ... in seinem Gutachten vom 6. Dezember 2012 nicht. Zunächst unterstelle er, dass das unter dem 22. August 2004 geschilderte Ereignis aus gutachterlicher Sicht in der Regel nicht in der Lage sei, eine gesunde Kreuzbandstruktur, also auch ein gesundes vorderes Kreuzbandtransplantat im Sinne einer Ruptur zu verletzen. Dem sei jedoch nicht zuzustimmen.

Dem Dienstunfall vom 22. August 2004 habe folgender Sachverhalt zugrunde gelegen:

Bei einem Fußballspiel habe die Klägerin versucht, einen in der Luft befindlichen mit großer Kraft auf sie zufliegenden Fußball direkt zu schießen, um zu flanken. Dabei habe sie sich den linken Unter- und Oberschenkel in entgegengesetzter Richtung verdreht bis es „geknackt“ habe. Das geschilderte Ereignis sei entgegen den Ausführungen von Herrn Dr. ... durchaus in der Lage, eine gesunde Kreuzbandstruktur im Sinne einer Ruptur zu verletzen. Auch ein zunächst vorher nicht operiertes Kreuzband wäre bei einem Trauma der vorgeschilderten Art gerissen. Die nunmehr festgestellten degenerativen Veränderungen und Schäden am Innenmeniskushinterhorn stellten eine Folgeentwicklung des Dienstunfalls aus dem Jahr 2004 und nicht aus dem Jahr 1998 dar. Insofern habe der Beklagte zu Unrecht die haftungsausfüllende Kausalität unter Berufung auf Vorschäden abgelehnt.

Mit Beschluss vom 23. Januar 2014 erklärte sich das Verwaltungsgericht Regensburg für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Ansbach.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben des Landesamts für Finanzen - Dienststelle R. - vom 10. Februar 2014,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte er zusammengefasst folgendes aus:

Zur Begründetheit der Verpflichtungsklage:

Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO seien nicht erfüllt.

Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie als weitere Folge des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anerkenne. Zur Begründung werde auf den Bescheid vom 2. Januar 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2013 verwiesen.

In der Klage trage die Klägerin keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Argumente vor.

Zur Begründung des Klagebegehrens stützten sich die Klägerbevollmächtigten auf die Aussagen des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei in dessen Schreiben vom 16. Mai 2008 (Untersuchung am 14.5.2008), wonach die dienstunfallbedingten Körperschäden derzeit als ausgeheilt zu betrachten seien. Welche ärztlichen Dokumente dem Ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei bei der Untersuchung vorgelegen hätten und welche Untersuchungen dieser vorgenommen habe, sei nicht erkennbar. Nicht ersichtlich sei auch, welche dienstunfallbedingten Körperschäden gemeint seien. Zudem habe der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei aufgrund des Begutachtungszwecks (Nachuntersuchung aus Fürsorgegründen) keine Stellung zu irgendwelchen Ursachenzusammenhängen genommen.

Die Aussagen der Dres. ... in deren Schreiben vom 29. Februar 2012 und vom 17. Juli 2012 könnten das Klagebegehren ebenfalls nicht rechtfertigen. Im erstgenannten Schreiben hätten die Ärzte die Beschwerden der Klägerin im linken Knie ab Januar 2009 auf den Dienstunfall vom 10. November 1998 zurückgeführt. Im zweitgenannten Schreiben hätten sie gemeint, es bestünde kein vernünftiger Zweifel daran, dass im Gefolge der letzten Operation (!) eine Restinstabilität verblieben sei, die das Auftreten der jetzigen Beschwerden verursacht habe. Sie hätten also einmal das Ereignis vom 10. November 1998, das andere Mal die letzte Operation verantwortlich gemacht. Sie nähmen keine Stellung dazu, welches Ereignis im Sinne des Dienstunfallrechts die geltend gemachten Körperschäden verursacht habe. Insofern würden die genannten Äußerungen nicht weiterhelfen. Die Äußerungen ließen auch nicht erkennen, welche Ergebnisse bildgebender Verfahren die Ärzte bei ihren Aussagen heranzögen. Mit dem Mechanismus der Dienstunfälle vom 10. November 1998 und vom 22. August 2004 setzten sie sich nicht auseinander.

Die bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zu beachtenden Fragen habe dagegen der im Verwaltungsverfahren beauftragte Gutachter erörtert und beantwortet. Ihm hätten sämtliche ärztliche Aussagen zu allen Unfällen der Klägerin zur Verfügung gestanden. Er habe zum Geschehen am 22. August 2004 Stellung genommen und sei plausibel und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Schuss(versuch) der Klägerin mit dem linken Bein nicht geeignet gewesen sei, eine Reruptur des Kreuzbands zu verursachen. Der gegenteilige Vortrag der Klägerbevollmächtigten sei eine bloße Behauptung. Dem Gutachter hätten auch die Ergebnisse bildgebender Verfahren zur Verfügung gestanden. Dass der Gutachter nicht über die erforderliche sachdienlichen Sachkunde verfüge, dass er nicht unparteiisch sei, dass sein Gutachten von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgehe oder Mängel aufweise, die es unverwertbar machten (fachlich grobe, auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche, bessere Forschungsmittel eines anderen Sachverständigen; Veränderungen der vom Gutachter zu klärenden Fragen wegen neuen Sachvortrags der Beteiligten) werde von den Bevollmächtigten der Klägerin nicht vorgetragen.

Zur Begründetheit der Anfechtungsklage:

Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO seien nicht erfüllt, da, ausgehend von den Ausführungen zur Verpflichtungsklage, die Anfechtungsklage ebenfalls unbegründet sei.

Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2014 wiesen die Klägerbevollmächtigten noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass das Gutachten des Herrn Dr. med. ..., wie in der Klageschrift bereits ausgeführt, Mängel aufweise. Insbesondere sei die Unterstellung, dass das unter dem 22. August 2004 geschilderte Ereignis aus gutachterlicher Sicht in der Regel nicht in der Lage sei, eine gesunde Kreuzbandstruktur, also auch ein gesundes vorderes Kreuzbandtransplantat, im Sinne einer Ruptur zu verletzen, nicht nachvollziehbar. Ausgehend von dieser Unterstellung komme Herr Dr. ... nicht zu einer sachgerechten Wertung des Ursachenbeitrags des Unfalls vom 22. August 2004 sowie der anschließenden Operation. Diese werde als relevantes Unfallereignis von vornherein als unwesentlich abgelehnt. Insofern sei das Gutachten des Herrn Dr. ... nicht aussagekräftig, da es von vornherein unterstelle, dass der Unfall nicht geeignet gewesen sei, eine Kreuzbandruptur zu verursachen. Die Kreuzbandruptur als Folge des Unfalls vom 22. August 2004 sei jedoch bereits mit Schreiben des Polizeipräsidiums Mittelfranken vom 3. November 2005 festgestellt worden. Nunmehr sei die Frage zu beurteilen, ob die Gonarthrose als Folge des Unfalls vom 22. August 2004 zu bewerten sei.

In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass der zweite Unfall als rechtlich wesentliche Ursache nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass die jetzige Schädigung entfiele. Dies werde auch von Herrn Dr. ... auf Seite 37 seines Gutachtens, erster Absatz, bestätigt: „Aus gutachterlicher Sicht haben sowohl die erlittenen Dienstunfallereignisse vom 10. November 1998 und 22. August 2004 als auch die hierdurch erforderlich gewordenen operativen Maßnahmen an der Entstehung der Degeneration des linken Kniegelenks mitgewirkt“.

Auch insofern ergebe sich eine Widersprüchlichkeit des Gutachtens, da einerseits ausgeschlossen werde, dass der Dienstunfall überhaupt geeignet gewesen sei, eine Kreuzbandruptur zu verursachen. Andererseits werde das Ereignis vom 22. August 2004 als maßgeblich für die Entstehung der Degeneration des linken Kniegelenks betrachtet.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 bat das Gericht das Landesamt für Finanzen - Dienststelle Regensburg -, Herrn Dr. med. ... aufzufordern, das fachorthopädische Gutachten vom 6. Dezember 2012 dahingehend zu ergänzen und explizit dazu Stellung zu nehmen, ob bei der Klägerin eine posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV am linken Knie vorliege und diese durch das mit Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 22. November 2004 als Dienstunfall mit der Folge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links anerkannte Unfallereignis als wesentliche Ursache im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verursacht worden sei.

In seinem daraufhin erstatteten Ergänzungsgutachten vom 19. März 2015 kommt Dr. med. ... zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:

„Aus gutachterlicher Sicht… ist ein Ballschuss in der Regel nicht geeignet, eine gesunde vordere Kreuzbandstruktur im Sinne einer Komplettruptur zu alterieren. Zur Verursachung einer vorderen Kreuzbandruptur ist in der Regel ein fixierter Unterschenkel erforderlich, auf dem der Oberschenkel sozusagen vermehrt verdreht wird. Ein solcher Sachverhalt kann im Rahmen eines Ballschusses nicht glaubhaft gemacht werden, da sich das gesamte Bein (Ober-und Unterschenkel) sozusagen in der Luft befindet und eine Fixierung des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel nicht vorliegt. Auch durch das Eigengewicht des Balles kann eine solche Fixierung spekulativ nicht angenommen werden. Es liegt somit ein gänzlich anderes biomechanisches Geschehen zugrunde als bei der Drehung des Körpers auf einem fixierten Unterschenkel. Zudem ist das Gewicht eines Fußballs nicht in der Lage, beim Schuss eine dermaßen Fixierung des Unterschenkels gegen den Oberschenkel auslösen, als dass hierdurch eine so kräftige Struktur wie das vordere Kreuzband verletzt werden könnte, da es sich zudem bei einem in der Luft befindlichen Fußball um einen beweglichen Gegenstand handelt. Es darf aus gutachterlicher Sicht darauf hingewiesen werden, dass traumatische vordere Kreuzbandrupturen am Schussbein so gut wie unbekannt sind, da man ansonsten vernünftigerweise generell das Fußballspiel nicht mehr ausüben könnte bzw. dürfte, wenn selbst ein Fußballschuss zu einer vorderen Kreuzbandruptur führen könnte.

Explizit ist aus gutachterlicher Sicht nochmals auszuführen, dass bei der Klägerin eine posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III bis IV am Kniegelenk vorliegt, wobei

diese nicht durch das mit Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 22. November 2004 als Dienstunfall mit der Folge einer Ruptur der Kreuzfahrtplastik links anerkannte Unfallereignis als wesentliche Ursache im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verursacht wurde.“

Mit Schriftsatz vom 21. April 2015 nahmen die Klägerbevollmächtigten hierzu Stellung.

Im Übrigen verwiesen sie auf Blatt 16 der gutachtlichen Stellungnahme, wo explizit ausgeführt werde, dass anzunehmen sei, dass das Ereignis vom 22. August 2004 mit erneut erforderlicher operativer Maßnahme zu einer weiteren Beschleunigung der Degeneration geführt habe. Insofern stelle der Unfall eine wesentliche Ursache dar, die nicht hinweggedacht werden könne,

ohne dass der geschilderte Schaden, hier die Gonarthrose eingetreten sei. Diese Bewertung der Unfallursache gelte auch für den Fall, dass degenerative Körperschäden bereits vorher vorgelegen hätten. Der Unfall stelle insbesondere keine Gelegenheitsursache dar, sondern eine Bedingung, ohne die die vorliegende Gonarthrose nicht eingetreten wäre.

Mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom selben Tag ergangenen Beschluss vom 21. Juli 2015 wurde die Verhandlung zur weiteren Sachaufklärung vertagt.

Mit Beweisbeschluss vom 24. August 2015 erhob die Kammer Beweis zu der Frage, ob die posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin durch den Dienstunfall vom 22. August 2004 verursachte weitere Körperschäden darstellen, im Wege der Erstellung eines Gutachtens durch Herrn Dr. med. ...,...

In seinem hierauf nach einer am 2. November 2015 durchgeführten Untersuchung der Klägerin erstellten Unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachten vom 4. November 2015 gelangt Dr. med. ... zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:

„Die im Jahre 2011 dokumentierte posttraumatisch Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Kniegelenk der Klägerin sind zwar nicht ausschließlich, aber teilweise auf den Dienstunfall vom 22. August 2004 zurückzuführen. Die bereits zum Zeitpunkt des Unfalls bestandene zunehmende Gonarthrose wurde durch das angegebene Ereignis richtungsweisend verstärkt.“

Auf Seite 22/23 des Gutachtens wird im Einzelnen folgendes ausgeführt:

„Hierzu ist festzustellen, dass das von der Klägerin geschilderte Unfallereignis ohne fixierende Komponente nicht geeignet gewesen wäre, ein gesundes vorderes Kreuzband zu zerreißen. Hier ist es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die vorbestehende Schwächung bzw. Schädigung des vorderen Kreuzbandtransplantates zu einer Rissbildung gekommen. Ohne die durch das Unfallereignis zum 10. November 1998 hervorgerufene vorbestehende Schadensanlage von Seiten des linken Kniegelenks wäre es durch das Unfallereignis vom 22. August 2004 alleine mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Ruptur der Kreuzbandersatzplastik gekommen. Ob und inwieweit es auch spontan zu einer Ruptur des vorderen Kreuzbandtransplantates im Verlaufe hätte kommen können, ist nicht eindeutig nachweisbar. Im Rahmen des Unfallereignisses vom 22. August 2004 kam es durchaus zu einer vermehrten Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk, die kernspintomographisch wie oben beschrieben eindeutig nachgewiesen werden kann. Dieses erneute Unfallereignis kann somit nicht als Gelegenheitsursache angesehen werden. Sicherlich ist die vorbestehende Schadensanlage aufgrund des Unfallereignisses vom 10. November 1998 hier bezüglich der Ruptur des vorderen Kreuzbandtransplantates und des Knorpelschadens im Bereich des lateralen Kompartimentes bei Z.n. Außenmeniskusteileresektion als mittelbare Teilursache anzusehen. Das Unfallereignis vom 22. August 2004 kann allerdings bezüglich der Unfallfolgen nicht hinweggedacht werden. Hier sind kernspintomographisch am 24. August 2004 eindeutige frische Veränderungen der knöchernen und ligamentären Strukturen nachzuweisen, die auf eine vermehrte Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk hinweisen. Somit ist in Bezug auf das Unfallereignis vom 22. August 2004 durchaus von einer rechtlichen wesentlichen Teilursache bezüglich der im weiteren Verlauf festgestellten Unfallfolgen am linken Kniegelenk auszugehen.“

Hierzu nahm der Beklagte mit Schreiben des Landesamts für Finanzen - Dienststelle Regensburg - vom 2. Dezember 2015 im Wesentlichen wie folgt Stellung:

Der Beklagte helfe dem Klagebegehren nicht ab.

Hinsichtlich der Ausführungen des gerichtlichen bestellten Sachverständigen auf Seite 27, 2. Absatz des Gutachtens stelle sich die Frage, welche Vorschäden sich am linken Knie am Unfalltag richtungsweisend verschlimmert hätten. Soweit der ohnehin am Unfalltag stark vorgeschädigte Kreuzbandersatz (Seite 26 oben des Gutachtens) gemeint sein sollte, sei die Ruptur operiert und damit in einen gegenüber dem Vorzustand besseren Zustand gebracht worden. Der Ersatz sei wohl bis heute weitgehend stabil (Seite 19, 2. Absatz, Seite 20 oben des Gutachtens).

Soweit es laut dem Gutachten neben der nicht näher bezeichneten richtungsweisenden Verschlechterung der Vorbefunde seinerzeit auch zu einer frischen Verletzung des Innenbands gekommen sein sollte, sei anzumerken:

Neben einer Ruptur des Kreuzbandersatzes seien bis zum Schreiben vom 11. Juli 2012 keine weiteren Körperschäden zum Ereignis am 22. August 2004 gemeldet oder sonst wie dem Dienstherrn bekannt geworden. Im Rahmen dieses Schreibens seien als weitere Körperschäden nur eine posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerative Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns gemeldet worden. Ein Innenbandschaden und andere Körperschäden seien somit weder zeitnah noch innerhalb der zehnjährigen Frist gemeldet worden.

Sehe man den zweiten Unfall nur als Folgeunfall an, so wie er bisher betrachtet worden sei, beginne die Frist zum Zeitpunkt des ersten Unfalls, also 1998. Die weitere Meldung aus dem Jahr 2012 wäre 14 Jahre später verfristet.

Letztendlich lasse das Gutachten Zweifel aufkommen, ob es sich überhaupt um einen sogenannten Folgeunfall handle. Der gerichtlich bestellte Sachverständige sage (Seite 27 des Gutachtens), der zweite Unfall sei als rechtlich wesentliche Teilursache nicht wegzudenken. Stelle das zweite Unfallereignis somit einen „eigenständigen“ Unfall und nicht nur eine Gelegenheitsursache, d. h. einen Folgeunfall (Seite 23 1. Absatz am Ende) dar, wäre die Anerkennung zu Unrecht erfolgt und zurückzunehmen. Das Fußballspiel habe in der Freizeit stattgefunden, nicht im Dienst. Die Reruptur sei nur deshalb als Folge anerkannt worden, weil man seinerzeit davon ausgegangen sei, dass es sich um einen Folgeunfall gehandelt habe. Sollte der gerichtlich bestellte Sachverständige weiterhin die Auffassung vertreten, dass dem Unfall eigenständige Bedeutung zukomme, wäre die Anerkennung zurückzunehmen und eine weitere „eigenständige“ Schädigung abzulehnen, da es an der Dienstbezogenheit des Ereignisses fehle.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige lege nicht dar, zu welchem Anteil die posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III bis IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Kniegelenk auf den zweiten Unfall zurückzuführen seien. Letztendlich bleibe die Frage offen, ob nicht durch die Operation im Jahr 2004, indem die ohnehin stark vorgeschädigte Kreuzbandplastik ersetzt worden sei, ein schnellerer Verschleiß

eher gebremst als beschleunigt worden sei, ob sich nicht auch ohne das zweite Ereignis ein Knorpelverschleiß und eine Degeneration des Innenmeniskus eingestellt hätten, gegebenenfalls in welchem Zeitrahmen.

Hierzu ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 22. Dezember 2015 im Wesentlichen folgendes erwidern:

Die Ausführungen des Beklagten zu der Frage, ob es sich bei dem Unfall vom 22. August 2014 um einen Folgeunfall oder einen Unfall mit eigenständiger Bedeutung handle, seien für die Entscheidung über eine Entschädigung nicht relevant. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass die Behörde den vorbezeichneten Unfall vom 22. August 2004 mit Bescheid vom 20. November 2004 ohne Einschränkung als Dienstunfall i. S. d. § 31 BeamtVG anerkannt habe. Ausweislich der Unfallanzeige habe die Klägerin wahrheitsgemäß den Unfall angezeigt und auch darauf hingewiesen, dass es sich nicht um Dienstsport gehandelt habe. Sie habe weiterhin darauf hingewiesen, dass die Kernspinuntersuchung am 24. August 2004 einen frischen vorderen Kreuzbandplastikabriss und eine Verletzung (An- und/oder Abriss) des Innenbandes ergeben habe. Inwiefern der Beklagte unter Kenntnis aller Tatsachen für die Beurteilung des Dienstunfalls am 22. August 2004 nunmehr einen Grund für den Widerruf oder die Rücknahme des Verwaltungsakts finden wolle, sei nicht ersichtlich. Die Anerkennung als Dienstunfall sei bestandskräftig erfolgt und es ergäben sich auch aus dem Gutachten des Herrn Dr. ... keine Anhaltspunkte dafür, die Anerkennung als Dienstunfall nach 15 Jahren aufzuheben, zumal hier Vertrauensschutzgesichtspunkte der Klägerin zu berücksichtigen wären. Soweit der Beklagte rüge, dass im Gutachten des Herrn Dr. med. ... Ausführungen zu der Frage fehlten, welche Vorschäden sich am linken Knie am Unfalltag richtungsweisend verschlimmert hätten, werde auf Seite 26/27 des Gutachtens verwiesen. Dort sei ausdrücklich ausgeführt, dass die erneute Kreuzbandruptur und anschließende operative Versorgung zu einer zusätzlichen Schädigung des Gelenks und zur Zunahme der arthrotischen Veränderungen geführt habe. Die Vermutung, dass durch die neue Operation ein besserer Zustand hergestellt worden sei, sei insofern überhaupt nicht nachzuvollziehen. Bereits im Jahr 2004 und nicht erst mit Schreiben vom 11. Juli 2012 sei auf eine Verletzung des Innenbandes am linken Bein hingewiesen worden. Insofern werde auf die Unfallmeldung Bezug genommen, in der in Absatz 4 auch auf eine Verletzung (An- und/oder Abriss) des Innenbandes hingewiesen werde. Insofern seien die Ausführungen des Beklagten nicht zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Dienstunfallakte des Landesamts für Finanzen - Dienststelle Regensburg - und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die jeweilige Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen - Dienststelle Regensburg - vom 2. Januar 2013 sowie der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 14. Oktober 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Die Klägerin hat einen Rechtsanspruch darauf, dass der Beklagte die im Klageantrag geltend gemachten Körperschäden als weitere Folge des als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses vom 22. August 2004 anerkennt (hierzu nachfolgend unter I.).

Ebenso ist die mit den Bescheiden des Landesamtes für Finanzen - Dienststelle Regensburg - vom 9. April 2013 ausgesprochene Rückforderung gewährter Dienstunfallfürsorgeleistungen in Höhe von insgesamt 991,08 Euro in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), (hierzu nachfolgend unter II.).

I.

Die Voraussetzungen des Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG für die Anerkennung der von der Klägerin reklamierten weiteren Körperschäden (posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie) als Folge des als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses vom 22. August 2004 liegen vor.

Zwar wurde dieses Ereignis seitens des für die Klägerin als seinerzeitige Polizeibeamtin des Landes Nordrhein-Westfalen zuständigen Polizeipräsidiums ... mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. November 2004 zu Unrecht als Dienstunfall im Sinne des damals noch bundesweit anzuwendenden § 31 BeamtVG anerkannt. Denn nach dieser Vorschrift ist ebenso wie gemäß Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Das fälschlicherweise als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer Ruptur der Kreuzbandplastik links anerkannte Unfallereignis trat jedoch unstreitig während eines privaten Fußballspiels der Klägerin mit Freundinnen, also gerade nicht im Dienst auf, so dass die Grundvoraussetzung für eine Anerkennung als Dienstunfall nicht gegeben war.

Gleichwohl ist das Gericht an den unrichtigen bestandskräftigen Anerkennungsbescheid des Polizeipräsidiums ... vom 20. November 2004 gebunden, da dieser zwar rechtswidrig aber mangels Offenkundigkeit eines besonders schwerwiegenden Fehlers nicht nichtig i. S. d. Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG, bzw. § 44 VwVfG NRW ist und infolgedessen eine Tatbestandswirkung entfaltet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 28.11.1986 - 8 C 122-125, 27.10.1998 - 1 C 19.97 und vom 24.10.2001 - 8 C 32/00) beschränkt sich die Verbindlichkeit von Verwaltungsakten gegenüber anderen Behörden und gegenüber Gerichten auf die Tatbestandswirkung. Diese hat zum Inhalt, dass die durch den Verwaltungsakt für einen bestimmten Rechtsbereich getroffene Regelung als gegeben hingenommen werden muss, mithin dass der Bescheid mit dem von ihm in Anspruch genommenen Inhalt von allen rechtsanwendenden Stellen (Behörden und Gerichten) zu beachten und ihren eigenen Entscheidungen zugrunde zu legen ist. Dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig, jedoch nicht nichtig ist (vgl. zur Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten im obigen Sinne auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, Rn. 18 zu § 43, Beck OK VwVfG/Schemmer, Rn. 28 zu § 43).

Hiervon ausgehend begann aufgrund der zwar rechtswidrigen, aber das Gericht aufgrund der Tatbestandswirkung des bestandskräftigen Bescheids des Polizeipräsidiums ... vom 20. November 2004 bindenden Anerkennung des privaten Unfallereignisses vom 22. August 2004 als Dienstunfall die zehnjährige Ausschlussfrist des Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG, bzw. § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG für die Gewährung von Dienstunfallfürsorge neu zu laufen, so dass der mit Widerspruchsschreiben vom 11. Juli 2012 gestellte Antrag, die bei der Klägerin derzeit bestehenden Beschwerden am linken Knie als Folgen des Dienstunfalls vom 22. August 2004 anzuerkennen, noch innerhalb dieser Frist gestellt wurde.

Auch besteht zur Überzeugung der Kammer der erforderliche Ursachen- und Zurechnungszusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 22. August 2004 und den am linken Knie der Klägerin aufgetretenen weiteren Körperschäden (posttraumatische Gonarthrose mit Knorpelschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 1.3.2007 - 2 A 9/04; U. v. 28.4.2002 - 2 C 22/01, ZBR 2003, 140; B. v. 8.3.2004 - 2 B 54/03, Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 13; B. v. 29.12.1999 - 2 B 100/99; B. v. 20.2.1998 - 2 B 81/97) sind als Ursache im Rechtssinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend zum Erfolg mitgewirkt hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im Rechtssinne anzusehen ist, wenn sie nur annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolges hatte. Alle übrigen Bedingungen im natürlich-logischen Sinne scheiden als Ursachen im Rechtssinne aus.

Wesentliche Ursache im Dienstunfallrecht der Beamten kann hiernach auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder (und) beschleunigt, wenn diesem Ereignis nicht im Verhältnis zu anderen Bedingungen - zu denen auch die bei Eintritt des äußeren Ereignisses schon vorhandene krankhafte Veranlagung bzw. das anlagebedingte Leiden in dem bei Eintritt des Ereignisses bestehenden Stadium gehören - eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zukommt, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtungsweise allein als maßgeblich anzusehen sind.

Keine Ursachen im Rechtssinne sind deshalb so genannte Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte (BVerwG, B. v. 8.3.2004, a. a. O.).

Denn der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstunfallbedingten Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (BVerwG, B. v. 8.3.2004, a. a. O.).

Im Dienstunfallrecht gelten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich die allgemeinen Beweisgrundsätze. Für das Vorliegen eines Dienstunfalls sowie die dadurch verursachten Körperschäden ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“). Der Beamte trägt insoweit die (volle) materielle Beweislast. Lässt sich der Kausalzusammenhang zwischen Unfallgeschehen und Körperschaden trotz Ausschöpfung aller Mittel nicht klären, geht dies zulasten des Beamten (vgl. BVerwG, B. v. 23.10.2013 - 2 B 34/12 - juris Rn. 6; BayVGH, U. v. 30.1.2012 - 3 B 10.1015 - juris Rn. 28).

Etwaige Beweisschwierigkeiten vermögen eine abweichende mildere Beurteilung der Beweisanforderungen nicht zu rechtfertigen. Es gibt keinen Grundsatz des Inhalts, dass statt der „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ genügt, wenn der Beamte unverschuldet noch erforderliche Beweismittel nicht benennen kann und auch die Verwaltung oder das Gericht nicht in der Lage sind, die erforderlichen Beweismittel heranzuziehen. Dies gilt nach der Rechtsprechung selbst dann, wenn der Beamte den Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Körperschaden (nur) deshalb nicht nachweisen kann, weil nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft die Entstehung bestimmter Krankheiten noch nicht geklärt ist. Zur Beweiserleichterung führt insoweit allenfalls der Beweis des ersten Anscheins, der jedoch nur bei typischen Geschehensabläufen in Betracht kommt, in denen ein gewisser Tatbestand nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist und infolgedessen wegen des typischen Charakters des Geschehens die konkreten Umstände des Einzelfalls für die tatsächliche Beurteilung ohne Bedeutung sind (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, § 45 BeamtVG, Erl. 1.3; BVerwG, U. v. 28.4.2011, 2 C 55/09, DÖD 2011, 235 ff.; U. v. 22.10.1981; U. v. 23.5.1962, VI C 39.60, BVerwGE 14, 81 ff. = DVBl 1962, 717; BayVGH, B. v. 9.3.2001, 3 ZB 01.76; B. v. 7.6.2000, 3 B 96.1396; B. v. 27.8.1998, 3 ZB 98.568; OVG Münster, U. v. 10.12.2010, 1 A 669/07; B. v. 17.7.2012, 1 A 444/11; OVG Magdeburg, U. v. 13.9.2011, 1 L 94/11).

An diesen Grundsätzen gemessen können die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Körperschäden als kausal durch das als Dienstunfall anerkannte Unfallereignis vom 22. August 2004 verursacht angesehen werden.

Die Kammer hat zur Klärung der Frage, ob die posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV sowie die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin durch das als Dienstunfall vom 22. August 2004 anerkannte Unfallereignis verursachte weitere Körperschäden darstellen, Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet.

Das Gutachten wurde von Herrn Dr. med. ..., Facharzt für Chirurgie, spezielle Unfallchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Sozialmedizin und Sportmedizin, nach einer am 2. November 2015 durchgeführten Untersuchung der Klägerin am 4. November 2015 erstellt.

Der Gutachter kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass in Bezug auf das Unfallereignis vom 22. August 2004 durchaus von einer rechtlich wesentlichen Teilursache bezüglich der im weiteren Verlauf festgestellten Unfallfolgen am linken Kniegelenk der Klägerin auszugehen ist und diese Unfallereignis nicht als Gelegenheitsursache angesehen werden kann.

Das Gutachten ist geeignet, der Kammer die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderliche Sachkunde zu vermitteln (§ 98 VwGO, § 412 Abs. 1 ZPO). Es geht weder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, noch enthält es unauflösbare Widersprüche. Auch besteht kein Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters.

Der Beklagte hat das Gutachten nicht substantiiert in Frage zu stellen vermocht.

Nach alledem war der Klage, soweit sie sich auf die Verpflichtung des Beklagten, die posttraumatische Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV und die degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin als weitere Folge des Dienstunfalls am 22. August 2004 anzuerkennen, richtet, stattzugeben.

II.

Auch die in den Bescheiden des Landesamts für Finanzen - Dienststelle Regensburg - vom

9. April 2013 ausgesprochene Rückforderung erstatteter Heilbehandlungskosten in Höhe von insgesamt 991,08 Euro erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Unfallfürsorge liegen vor.

Gemäß Art. 50 Abs. 1 BayBeamtVG umfasst das Heilverfahren u. a. die notwendige ärztliche und zahnärztliche Behandlung und die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie ergänzende Leistungen. Es können jedoch nur Heilbehandlungskosten erstattet werden, die sich auf die Behandlung von Dienstunfallfolgen beziehen. Dienstunfallunabhängige Leistungen können über Art. 50 Abs. 1 BeamtVG nicht erstattet werden (vgl. Ziffer 50.1.2 BayVV-Versorgung).

Die ursprünglich erstatteten und mit den streitgegenständlichen Bescheiden vom 9. April 2013 zurückgeforderten Kosten entstanden jedoch aufgrund einer krankengymnastischen und orthopädischen Behandlung der Klägerin wegen der als weitere (Dienstunfall-)Folgen des Unfallereignisses vom 22. August 2004 anzuerkennenden posttraumatischen Gonarthrose mit Körperschäden Grad III-IV und degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhorns am linken Knie der Klägerin und stellen somit dienstunfallabhängige Leistungen dar.

Der Klage war deshalb auch, soweit sie sich gegen die Rückforderung bereits erstatteter Kosten richtet, stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren beruht auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, da der Klägerin nach ihrem persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden konnte, das Vorverfahren ohne rechtskundigen Rat alleine zu betreiben (vgl. Eyermann/Schmidt, VwGO, 11. Aufl., Rn. 13 zu § 162).

Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;

Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in

in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.991,08 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 und 3 GKG).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5.7.2006 - 16 K 1403/05 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Rücknahme einer bestandskräftigen Ausweisungsverfügung.
Der Kläger, ein italienischer Staatsangehöriger, wurde am … 1970 in Deutschland geboren. Zwei Jahre der Grundschule verbrachte er in Italien, ansonsten hielt er sich bis zum Zeitpunkt seiner späteren Abschiebung in Deutschland auf, wo er einen Hauptschulabschluss erzielte. Nach Abbruch einer Lehre als Kfz-Mechaniker ging er bei mehreren Arbeitgebern kurzzeitigen Beschäftigungen nach. Wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, zuletzt auch wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und wegen Betrugs wurde der Kläger in den Jahren 1992 bis 1994 mehrfach zu Freiheitsstrafen von jeweils bis zu zehn Monaten ohne Bewährung verurteilt. Vom 30.1.1994 bis 23.8.1995 befand er sich in Haft. Danach arbeitete er vom 25.9.1995 bis zum 16.11.1995 bei einer Personal-Leasing-Firma. Am 1.5.1996 wurde er nach unbekannt abgemeldet. Anlässlich einer Polizeikontrolle am 24.10.1996 wurde als aktueller Wohnort des Klägers eine Adresse in Italien aufgenommen.
Im Juli 1989 hatte der Kläger eine italienische Staatsangehörige geheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 18.4.1996 geschieden. Für den im Mai 1990 geborenen Sohn Guiseppe erhielt die Mutter das alleinige Sorgerecht, dem Kläger wurde durch gerichtlichen Beschluss vom 25.2.1993 ein wöchentliches Umgangsrecht zugesprochen. Im Juni 1996 wurde eine Tochter des Klägers geboren, die Mutter dieses Kindes war seine derzeitige Lebensgefährtin, eine deutsche Staatsangehörige.
Der Kläger hatte am 13.7.1987 erstmalig die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt. Am 27.9.1988 wurde ihm eine Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt, die bis zum 19.5.1991 befristet war. Am 29.10.1991 und am 21.9.1995 beantragte er erneut die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Mit Verfügung vom 21.11.1996 wies die Beklagte den Kläger aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte seine Anträge vom 29.10.1991 und 21.9.1995 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab. Sie forderte ihn zur Ausreise bis spätestens 15.1.1997 auf und drohte ihm für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung nach Italien an.
Zur Begründung führte die Beklagte aus: Aufgrund der Straftaten des Klägers lägen die Voraussetzungen für eine Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG vor. Besonderer Ausweisungsschutz nach § 48 AuslG sei nicht gegeben. Ein Abweichen von der Regelausweisung sei nicht gerechtfertigt. Zwar habe sich der Kläger zeit seines Lebens fast ausschließlich in Deutschland aufgehalten. Es müsse aber berücksichtigt werden, dass er keiner geregelten Erwerbstätigkeit nachgehe. Er habe noch nie über einen längeren Zeitraum bei demselben Arbeitgeber gearbeitet. Die Sozialprognosen der Strafrichter seien negativ. Er sei drogenabhängig und habe bisher keinerlei Bemühungen unternommen, diese Abhängigkeit zu überwinden. Er habe sich in die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht integriert. Die Ausweisung sei aus spezialpräventiven Gründen nunmehr unumgänglich. Aufgrund des bisherigen Lebenslaufs sei mit hoher Wahrscheinlichkeit mit weiteren Straftaten zu rechnen. Zu den in Deutschland wohnenden Eltern und der geschiedenen Frau und seinem Sohn habe er offensichtlich keine sozialen Bindungen. Dies habe er durch sein Untertauchen deutlich zum Ausdruck gebracht. Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der italienischen Republik, dessen Eingreifen im Hinblick auf den geforderten fünfjährigen ordnungsgemäßen Aufenthalt zu seinen Gunsten unterstellt werde, dürfe er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Derartige Gründe lägen vor. Zumindest die zuletzt begangenen Taten (Betrug und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz) überschritten den Rahmen der sogenannten Alltagskriminalität. Weitere Schutzvorschriften wie Art. 3 Abs. 3 ENA oder § 12 Abs. 1 bis 4 AufenthG/ EWG böten keinen weitergehenden Schutz. Art. 8 EMRK sei nicht anwendbar, da ein Familienleben zwischen dem Kläger und seinem Sohn nicht stattfinde. Durch sein Untertauchen sei er nicht in der Lage, die sozialen Bindungen zu seinem Sohn aufrecht zu erhalten. Im übrigen seien die Vorschriften des AufenthaltsG/EWG auf ihn nicht mehr anwendbar. Er habe während seines Aufenthalts in Deutschland immer nur ganz kurzfristig gearbeitet. Seine Arbeitslosigkeit sei immer selbstverschuldet gewesen. Zur Zeit stehe er nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei wegen der Ausweisung abzulehnen. Ohnehin verfüge er auch nicht über die notwendigen Existenzmittel und könne ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe nicht leben.
Die Verfügung wurde öffentlich zugestellt, dem Kläger aber auch am 18.12.1996 anlässlich seiner Festnahme durch die Polizei ausgehändigt. Der Kläger legte gegen die Verfügung keinen Widerspruch ein.
Am 20.3.1997 wurde der Kläger nach Italien abgeschoben. In der Folgezeit kehrte er mehrfach nach Deutschland zurück. Er wurde insgesamt achtmal nach Italien abgeschoben und einmal an der Grenze zurückgewiesen. Während der zwischen den Abschiebungen liegenden Aufenthalte in Deutschland machte sich der Kläger erneut strafbar. Zuletzt wurde der Kläger mit rechtskräftigem Urteil vom 26.10.2004 wegen verbotener Einreise tateinheitlich begangen mit verbotenem Aufenthalt nach dem AuslG sowie wegen einer vorsätzlichen gefährlichen gemeinschaftlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt.
Am 25.1.2005 beantragte der Kläger aus der Strafhaft die Rücknahme der Ausweisung, hilfsweise die sofortige Befristung der Ausweisung. Mit Verfügung vom 20.6.2005 befristete die Beklagte die Ausweisungsverfügung vom 21.11.1996 sowie die Wirkung der Abschiebungen nachträglich auf den 1.1.2005.
10 
Die am 27.4.2005 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Untätigkeitsklage, mit der der Kläger beantragt hat,
11 
die Beklagte zu verpflichten, die Ausweisung des Klägers zurückzunehmen,
12 
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 5.7.2006 - 16 K 1403/05 -abgewiesen.
13 
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht folgendes ausgeführt: Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig, weil die Beklagte über den Antrag auf Rücknahme der Ausweisung bislang nicht entschieden habe, ohne dass hierfür ein zureichender Grund gegeben sei. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers sei aufgrund des geltend gemachten Rehabilitierungsinteresses gegeben. Die Klage sei aber unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG lägen nicht vor. Die Ausweisungsverfügung sei zwar unanfechtbar geworden, insbesondere sei sie mit der persönlichen Aushändigung an den Kläger am 18.12.1996 wirksam zugestellt worden. Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit, im Januar 1997, sei die Ausweisungsverfügung aber nicht rechtswidrig gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger weder als Unionsbürger noch als Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigt gewesen, so dass er auch ohne Ermessenserwägungen habe ausgewiesen werden dürfen. Die Schutzwirkungen des Art. 8 EMRK seien von der Beklagten berücksichtigt worden. Dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung eine Beziehung zu seiner heutigen Lebensgefährtin eingegangen und dass im Juni 1996 die erste gemeinsame Tochter geboren worden sei, stehe der Rechtmäßigkeit der Verfügung nicht entgegen. Der Beklagten sei dieser Umstand bereits nicht bekannt gewesen, da der Kläger ihn bei der Behörde nicht gemeldet und auch im Rahmen des Ausweisungsverfahrens nicht zur Kenntnis gebracht habe.
14 
Mit Beschluss vom 15.2.2007 - Zustellung an den Kläger am 22.2.2007 - hat der Senat die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zugelassen.
15 
Mit dem am 26.2.2007 eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz trägt der Kläger vor, die Ausweisung sei aus mehreren Gründen rechtswidrig. Er sei jedenfalls als Dienstleistungsempfänger in Deutschland freizügigkeitsberechtigt gewesen. Daher habe er nach der Rechtsprechung des EuGH nur aufgrund einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden dürfen. Außerdem sei er sowohl als Kind eines freizügigkeitsberechtigten Arbeitnehmers als auch als Arbeitnehmer selbst freizügigkeitsberechtigt gewesen. Die Ausweisung habe auch deshalb gegen Art. 8 EMRK verstoßen, weil sie nicht befristet gewesen sei. Er sei auch nicht gehalten gewesen, der Beklagten mitzuteilen, dass er mit seiner gegenwärtigen Freundin und der damals geborenen Tochter Lisa zusammenlebe. Zu der Ausweisung sei er mit Schreiben vom 14.3.1995 angehört worden. Vor der mehr als eineinhalb Jahre später verfügten Ausweisung habe er erneut angehört werden müssen. Bei der Rücknahme eines gemeinschaftswidrigen, nicht letztinstanzlich bestätigten Verwaltungsakts komme der Behörde auch kein Ermessen zu.
16 
Der Kläger beantragt - sachdienlich - zuletzt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5.7.2006 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihre Ausweisungsverfügung vom 21.11.1996 zurückzunehmen, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, ihre Ausweisungsverfügung vom 21.11.1996 zurückzunehmen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und nimmt auf dessen Begründung Bezug. Darüber hinaus führt sie aus, dass mangels Vollzugs der Ausweisung kein Rechtsschutzbedürfnis ersichtlich sei.
21 
Das Verfahren hat vom 21.5.2007 bis zum 21.1.2008 geruht. Nach der mündlichen Verhandlung am 28.5.2008 hat der Senat mit Beschluss vom 6.6.2008 die mündliche Verhandlung wegen der Frage der Passivlegitimation wiedereröffnet. Danach haben beide Beteiligte auf erneute mündliche Verhandlung verzichtet.
22 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten (3 Bände) vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart und des Berufungsverfahrens wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Der Senat entscheidet über die Berufung mit Zustimmung der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist zwar zulässig, jedoch in ihrem Haupt- und Hilfsantrag unbegründet, weil die Beklagte bereits seit Klageerhebung nicht passivlegitimiert ist (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
25 
1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht ein mangelndes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers entgegen. Zwar hat die Beklagte die Wirkungen der Ausweisung auf den 1.1.2005 befristet; ein Interesse an einer rückwirkenden Aufhebung einer Ausweisung seit ihrem Erlass ergibt sich jedoch daraus, dass zahlreiche Vorschriften an den ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt eines Ausländers positive Rechtsfolgen anknüpfen. Insoweit kann auf den in § 10 StAG geregelten Anspruch auf Einbürgerung oder auf die besonderen Ausweisungsweisungsschutz vermittelnde europarechtliche Bestimmung des Art. 28 Abs. 3a RL 2004/38/EG verwiesen werden (vgl. Urteile des Senats vom 7.12.2007 - 13 S 508/07 - und vom 28.6.2007 - 13 S 1045/07 -, VBlBW 2008, 68).
26 
2. Die Klage richtet sich jedoch nicht gegen den richtigen Beklagten. Nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist eine Klage gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft zu richten, deren Behörde den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Als Regelung der Passivlegitimation folgt aus dieser Vorschrift, dass eine Verpflichtungsklage gegen den zuständigen Rechtsträger zu richten ist, weil nur ihm gegenüber der geltend gemachte Anspruch bestehen kann (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Auflage , § 78 Rn. 16). Die beklagte Stadt ist jedoch sachlich nicht für die begehrte Rücknahme einer Ausweisung zuständig.
27 
Eine ausdrückliche Regelung der sachlichen Zuständigkeit für die Rücknahme einer Ausweisung enthält weder das Aufenthaltsgesetz noch die Verordnung der Landesregierung und des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Aufenthaltsgesetz und dem Asylverfahrensgesetz sowie über die Verteilung unerlaubt eingereister Ausländer (Aufenthalts- und Asyl-Zuständigkeits-verordnung - AAZuVO) vom 11.01.2005 (GBl. S. 93), zuletzt geändert mit Verordnung vom 4.10.2005 (GBl. 678). § 3 LVwVfG regelt nur die örtliche Zuständigkeit (vgl. Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 3 Rn. 8ff). Daher ist nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen für die Rücknahme die Behörde zuständig, die zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes sachlich zuständig wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.12.1999 - 7 C 42/98 -, BVerwGE 110, 226).
28 
Zum Zeitpunkt der Stellung des Rücknahmeantrags am 25.1.2005 und der Klageerhebung am 27.4.2005 war die beklagte Stadt für die Ausweisung des Klägers jedoch nicht mehr zuständig. Denn während dieses Zeitraums befand sich der Kläger in Strafhaft; nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO in der Fassung vom 11.1.2005 waren für die Ausweisung straffälliger Ausländer, die sich auf richterliche Anordnung in Strafhaft befinden, die Regierungspräsidien zuständig, wobei die Zuständigkeit auch nach Entlassung bis zu der Entscheidung über die Ausweisung bestehen blieb. Durch die Neuformulierung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO mit Wirkung vom 22.10.2005 (Änderungsverordnung vom 4.10.2005 - GBl. S. 678), wonach die Regierungspräsidien für die Ausweisung straffälliger Ausländer zuständig sind, wenn sich diese auf richterliche Anordnung in Strafhaft befinden oder befunden haben, ist keine Zuständigkeitsänderung eingetreten.
29 
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger bei Erlass der Ausweisungsverfügung vom 21.11.1996 nicht inhaftiert war. Denn für die Bestimmung der für die Rücknahme einer Ausweisung zuständigen Behörde kommt es darauf an, welche Behörde zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Sachlage für die Ausweisung zuständig wäre. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Koppelung der Rücknahmezuständigkeit an die aktuelle Zuständigkeit für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes. Dadurch soll eine Entscheidung durch die am besten geeignete Behörde gewährleistet werden; am besten geeignet für eine Rücknahmeentscheidung - bei der es maßgeblich um die Prüfung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und die Ausübung des Rücknahmeermessens unter Beachtung aller im Einzelfall relevanten Umstände geht - ist im Regelfall aber die Behörde, die gegenwärtig für den Erlass dieses Verwaltungsaktes zuständig wäre (vgl. BVerwG, a.a.O.). Wenn der Tatbestand der Zuständigkeitsregelung für den aufzuhebenden Verwaltungsakt an bestimmte tatsächliche Voraussetzungen anknüpft (wie bei § 10 AAZuVO), ist daher konsequenterweise auch auf das Vorliegen dieser Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung abzustellen.
30 
Einer „gemischten“ Zuständigkeitsbestimmung (Berücksichtigung der gegenwärtigen Rechts- aber der früheren Sachlage) steht zudem die Systematik der Aufhebungstatbestände in §§ 48 ff. LVwVfG entgegen. Diese unterscheiden sich in erster Linie nach dem Aufhebungsgrund und können daher kumulativ in Anspruch genommen werden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage 2008, § 48 Rn. 34). Das spricht für eine einheitliche Regelung der sachlichen Zuständigkeit. Für das Wiederaufgreifen des Verfahrens, das zu dem Erlass eines Zweitbescheids führen kann, muss sich nämlich die sachliche Zuständigkeit danach richten, ob die Behörde im Zeitpunkt des Wiederaufgreifens für Verwaltungsakte der in Frage stehenden Art sachlich zuständig ist (vgl. Kopp/ Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 22); maßgeblich ist also sowohl die gegenwärtige Rechts- als auch die gegenwärtige Sachlage. Gleiches gilt für den Widerruf nicht begünstigender Verwaltungsakte, bei dem zu prüfen ist, ob ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste (§ 49 Abs. 1 LVwVfG, vgl. auch Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Auflage 1995, S. 628). Im Interesse einer einheitlichen Aufhebungszuständigkeit ist daher auch bei der Bestimmung der für die Rücknahme zuständigen Behörde auf die gegenwärtige Sachlage abzustellen.
31 
Da sich die Klage von vornherein gegen die falsche Beklagte gerichtet hat, stellt sich nicht das Problem, welche Folgen ein Wechsel der sachlichen Zuständigkeit während des Klageverfahrens hat. Dem hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag des Klägers, mit dem er auf einen eventuellen Wechsel der sachlichen Zuständigkeit reagiert (vgl. hierzu Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 23.11.1993 - 11 UE 3130/90 -, juris), steht ebenfalls die fehlende Passivlegitimation der Beklagten entgegen.
32 
3. Zur Vermeidung weiteren Rechtsstreits weist der Senat darauf hin, dass dem Kläger nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ein Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über die Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 21.11.1996, nicht jedoch ein Rücknahmeanspruch zustehen dürfte.
33 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen vor. Denn die Ausweisung vom 21.11.1996 war zu dem maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, NVwZ 2008, 326) rechtswidrig. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sie entgegen der neuen Rechtsprechung des BVerwG (a.a.O.) als Regelausweisung ohne Ermessensausübung durch die Beklagte ergangen ist, obwohl hier durch Vorschriften der EMRK geschützte Belange des Klägers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falls geboten hätten. Wie jede Rechtsprechungsänderung besitzt diese neue Auslegung des Aufenthaltsgesetzes in dem Sinne eine Rückwirkung, dass sie nunmehr auch der rechtlichen Beurteilung eines in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts zugrunde zu legen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297).
34 
§ 48 Abs. 1 LVwVfG räumt dem Kläger aber lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Entscheidung über die Ausübung der Rücknahmebefugnis ein. Ein Rechtsanspruch auf Rücknahme kommt nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Behörde angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles auf Null reduziert wäre. Eine derartige Reduktion des Ermessens ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn die Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes „schlechthin unerträglich“ erscheint, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt (vgl. hierzu ausführlich Urteil des Senats vom 28.6.2007 - 13 S 1045/07 -, VBlBW 2008, 68 m.w.N. sowie die Senatsurteile vom 24.1.2007 - 13 S 451/07 -, VBlBW 2007, 392 und vom 7.12.2007 - 13 S 508/07 -; zur Verfassungsmäßigkeit dieser eingeschränkten Rücknahmepflicht siehe BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30.1.2008 - 1 BvR 943/07 -, NVwZ 2008, 550).
35 
Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich“, wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder das Gebot von Treu und Glauben erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 23.10.2007, a.a.O.). Dies ist hier weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Zudem wäre zu berücksichtigen, dass der Kläger die Ausweisung nicht angefochten hat und die Wirkungen der Ausweisung inzwischen auf den 1.1.2005 befristet worden sind.
36 
Darüber hinaus vermag die offensichtliche Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts, die sich zum Zeitpunkt des Erlasses beurteilt, die Annahme zu rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 6 C 32.06 -, NVwZ 2007, 709). Jedoch war die Ausweisungsverfügung wohl nicht offensichtlich rechtswidrig, da die Gesichtspunkte, die zur Rechtswidrigkeit führen oder führen könnten, jedenfalls bei Erlass der Ausweisung nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit erkennbar gewesen sein dürften (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 23.10.2007, a.a.O.).
37 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Anwendung des § 161 Abs. 3 VwGO als besondere Kostenregelung der Untätigkeitsklage kommt vorliegend nicht in Betracht, weil der Kläger das Verfahren fortgeführt hat, nachdem die Beklagte - auch ohne förmliche Bescheidung des Antrags -in der Klageerwiderung ihre für den Kläger negative Rechtsauffassung dargelegt hat (vgl. Urteil des Senats vom 18.1.2006 - 13 S 2220/05 -, VBlBW 2006, 200).
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen.
39 
Beschluss vom 28. Mai 2008
40 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
23 
Der Senat entscheidet über die Berufung mit Zustimmung der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist zwar zulässig, jedoch in ihrem Haupt- und Hilfsantrag unbegründet, weil die Beklagte bereits seit Klageerhebung nicht passivlegitimiert ist (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
25 
1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht ein mangelndes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers entgegen. Zwar hat die Beklagte die Wirkungen der Ausweisung auf den 1.1.2005 befristet; ein Interesse an einer rückwirkenden Aufhebung einer Ausweisung seit ihrem Erlass ergibt sich jedoch daraus, dass zahlreiche Vorschriften an den ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt eines Ausländers positive Rechtsfolgen anknüpfen. Insoweit kann auf den in § 10 StAG geregelten Anspruch auf Einbürgerung oder auf die besonderen Ausweisungsweisungsschutz vermittelnde europarechtliche Bestimmung des Art. 28 Abs. 3a RL 2004/38/EG verwiesen werden (vgl. Urteile des Senats vom 7.12.2007 - 13 S 508/07 - und vom 28.6.2007 - 13 S 1045/07 -, VBlBW 2008, 68).
26 
2. Die Klage richtet sich jedoch nicht gegen den richtigen Beklagten. Nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist eine Klage gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft zu richten, deren Behörde den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Als Regelung der Passivlegitimation folgt aus dieser Vorschrift, dass eine Verpflichtungsklage gegen den zuständigen Rechtsträger zu richten ist, weil nur ihm gegenüber der geltend gemachte Anspruch bestehen kann (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Auflage , § 78 Rn. 16). Die beklagte Stadt ist jedoch sachlich nicht für die begehrte Rücknahme einer Ausweisung zuständig.
27 
Eine ausdrückliche Regelung der sachlichen Zuständigkeit für die Rücknahme einer Ausweisung enthält weder das Aufenthaltsgesetz noch die Verordnung der Landesregierung und des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Aufenthaltsgesetz und dem Asylverfahrensgesetz sowie über die Verteilung unerlaubt eingereister Ausländer (Aufenthalts- und Asyl-Zuständigkeits-verordnung - AAZuVO) vom 11.01.2005 (GBl. S. 93), zuletzt geändert mit Verordnung vom 4.10.2005 (GBl. 678). § 3 LVwVfG regelt nur die örtliche Zuständigkeit (vgl. Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 3 Rn. 8ff). Daher ist nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen für die Rücknahme die Behörde zuständig, die zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes sachlich zuständig wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.12.1999 - 7 C 42/98 -, BVerwGE 110, 226).
28 
Zum Zeitpunkt der Stellung des Rücknahmeantrags am 25.1.2005 und der Klageerhebung am 27.4.2005 war die beklagte Stadt für die Ausweisung des Klägers jedoch nicht mehr zuständig. Denn während dieses Zeitraums befand sich der Kläger in Strafhaft; nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO in der Fassung vom 11.1.2005 waren für die Ausweisung straffälliger Ausländer, die sich auf richterliche Anordnung in Strafhaft befinden, die Regierungspräsidien zuständig, wobei die Zuständigkeit auch nach Entlassung bis zu der Entscheidung über die Ausweisung bestehen blieb. Durch die Neuformulierung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO mit Wirkung vom 22.10.2005 (Änderungsverordnung vom 4.10.2005 - GBl. S. 678), wonach die Regierungspräsidien für die Ausweisung straffälliger Ausländer zuständig sind, wenn sich diese auf richterliche Anordnung in Strafhaft befinden oder befunden haben, ist keine Zuständigkeitsänderung eingetreten.
29 
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger bei Erlass der Ausweisungsverfügung vom 21.11.1996 nicht inhaftiert war. Denn für die Bestimmung der für die Rücknahme einer Ausweisung zuständigen Behörde kommt es darauf an, welche Behörde zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Sachlage für die Ausweisung zuständig wäre. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Koppelung der Rücknahmezuständigkeit an die aktuelle Zuständigkeit für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes. Dadurch soll eine Entscheidung durch die am besten geeignete Behörde gewährleistet werden; am besten geeignet für eine Rücknahmeentscheidung - bei der es maßgeblich um die Prüfung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und die Ausübung des Rücknahmeermessens unter Beachtung aller im Einzelfall relevanten Umstände geht - ist im Regelfall aber die Behörde, die gegenwärtig für den Erlass dieses Verwaltungsaktes zuständig wäre (vgl. BVerwG, a.a.O.). Wenn der Tatbestand der Zuständigkeitsregelung für den aufzuhebenden Verwaltungsakt an bestimmte tatsächliche Voraussetzungen anknüpft (wie bei § 10 AAZuVO), ist daher konsequenterweise auch auf das Vorliegen dieser Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung abzustellen.
30 
Einer „gemischten“ Zuständigkeitsbestimmung (Berücksichtigung der gegenwärtigen Rechts- aber der früheren Sachlage) steht zudem die Systematik der Aufhebungstatbestände in §§ 48 ff. LVwVfG entgegen. Diese unterscheiden sich in erster Linie nach dem Aufhebungsgrund und können daher kumulativ in Anspruch genommen werden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage 2008, § 48 Rn. 34). Das spricht für eine einheitliche Regelung der sachlichen Zuständigkeit. Für das Wiederaufgreifen des Verfahrens, das zu dem Erlass eines Zweitbescheids führen kann, muss sich nämlich die sachliche Zuständigkeit danach richten, ob die Behörde im Zeitpunkt des Wiederaufgreifens für Verwaltungsakte der in Frage stehenden Art sachlich zuständig ist (vgl. Kopp/ Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 22); maßgeblich ist also sowohl die gegenwärtige Rechts- als auch die gegenwärtige Sachlage. Gleiches gilt für den Widerruf nicht begünstigender Verwaltungsakte, bei dem zu prüfen ist, ob ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste (§ 49 Abs. 1 LVwVfG, vgl. auch Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Auflage 1995, S. 628). Im Interesse einer einheitlichen Aufhebungszuständigkeit ist daher auch bei der Bestimmung der für die Rücknahme zuständigen Behörde auf die gegenwärtige Sachlage abzustellen.
31 
Da sich die Klage von vornherein gegen die falsche Beklagte gerichtet hat, stellt sich nicht das Problem, welche Folgen ein Wechsel der sachlichen Zuständigkeit während des Klageverfahrens hat. Dem hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag des Klägers, mit dem er auf einen eventuellen Wechsel der sachlichen Zuständigkeit reagiert (vgl. hierzu Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 23.11.1993 - 11 UE 3130/90 -, juris), steht ebenfalls die fehlende Passivlegitimation der Beklagten entgegen.
32 
3. Zur Vermeidung weiteren Rechtsstreits weist der Senat darauf hin, dass dem Kläger nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ein Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über die Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 21.11.1996, nicht jedoch ein Rücknahmeanspruch zustehen dürfte.
33 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen vor. Denn die Ausweisung vom 21.11.1996 war zu dem maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, NVwZ 2008, 326) rechtswidrig. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sie entgegen der neuen Rechtsprechung des BVerwG (a.a.O.) als Regelausweisung ohne Ermessensausübung durch die Beklagte ergangen ist, obwohl hier durch Vorschriften der EMRK geschützte Belange des Klägers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falls geboten hätten. Wie jede Rechtsprechungsänderung besitzt diese neue Auslegung des Aufenthaltsgesetzes in dem Sinne eine Rückwirkung, dass sie nunmehr auch der rechtlichen Beurteilung eines in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts zugrunde zu legen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297).
34 
§ 48 Abs. 1 LVwVfG räumt dem Kläger aber lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Entscheidung über die Ausübung der Rücknahmebefugnis ein. Ein Rechtsanspruch auf Rücknahme kommt nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Behörde angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles auf Null reduziert wäre. Eine derartige Reduktion des Ermessens ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn die Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes „schlechthin unerträglich“ erscheint, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt (vgl. hierzu ausführlich Urteil des Senats vom 28.6.2007 - 13 S 1045/07 -, VBlBW 2008, 68 m.w.N. sowie die Senatsurteile vom 24.1.2007 - 13 S 451/07 -, VBlBW 2007, 392 und vom 7.12.2007 - 13 S 508/07 -; zur Verfassungsmäßigkeit dieser eingeschränkten Rücknahmepflicht siehe BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30.1.2008 - 1 BvR 943/07 -, NVwZ 2008, 550).
35 
Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich“, wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder das Gebot von Treu und Glauben erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 23.10.2007, a.a.O.). Dies ist hier weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Zudem wäre zu berücksichtigen, dass der Kläger die Ausweisung nicht angefochten hat und die Wirkungen der Ausweisung inzwischen auf den 1.1.2005 befristet worden sind.
36 
Darüber hinaus vermag die offensichtliche Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts, die sich zum Zeitpunkt des Erlasses beurteilt, die Annahme zu rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 6 C 32.06 -, NVwZ 2007, 709). Jedoch war die Ausweisungsverfügung wohl nicht offensichtlich rechtswidrig, da die Gesichtspunkte, die zur Rechtswidrigkeit führen oder führen könnten, jedenfalls bei Erlass der Ausweisung nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit erkennbar gewesen sein dürften (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 23.10.2007, a.a.O.).
37 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Anwendung des § 161 Abs. 3 VwGO als besondere Kostenregelung der Untätigkeitsklage kommt vorliegend nicht in Betracht, weil der Kläger das Verfahren fortgeführt hat, nachdem die Beklagte - auch ohne förmliche Bescheidung des Antrags -in der Klageerwiderung ihre für den Kläger negative Rechtsauffassung dargelegt hat (vgl. Urteil des Senats vom 18.1.2006 - 13 S 2220/05 -, VBlBW 2006, 200).
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen.
39 
Beschluss vom 28. Mai 2008
40 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.