Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 24. Nov. 2015 - AN 14 K 15.50328

bei uns veröffentlicht am24.11.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt.

2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Klägerinnen sind georgische Staatsangehörige und reisten nach eigenen Angaben am 16. Januar 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie stellten am 10. März 2015 Asylanträge. Nach den Erkenntnissen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - ...-Treffer - lagen Anhaltspunkte vor für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO).

Am 23. April 2015 richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an Frankreich. Die französischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 6. Mai 2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gem. Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2015 wurden die Asylanträge der Klägerinnen als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) und die Abschiebung nach Frankreich angeordnet (Ziffer 2). Der Bescheid wurde den Klägerinnen am 13. Juli 2015 zugestellt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen hat mit Schriftsatz vom 24. Juli 2015 Klage gegen den Bescheid vom 7. Juli 2015 erhoben.

Nach Ablauf der Überstellungsfrist am 6. November 2015 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. November 2015 den Bescheid vom 7. Juli 2015 aufgehoben und der insoweit zu erwartenden Erledigungserklärung vorab zugestimmt. Im vorliegenden Fall habe der Bescheid insgesamt aufgehoben werden können, da lediglich ein Visatreffer vorliege und die Kläger im Mitgliedstaat keine Asylverfahren betrieben hätten. Die Kosten seien den Klägerinnen aufzuerlegen, da der Bescheid bis zum Ablauf der Überstellungsfrist rechtmäßig gewesen sei.

Die Klägerinnen ließen mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 17. November 2015 mitteilen, dass im Hinblick auf das Schreiben der Beklagten vom 11. November 2015 die Hauptsache für erledigt erklärt werde. Die außergerichtlichen Kosten seien der Beklagten aufzuerlegen, da bis zum Ablauf der Überstellungsfrist jedenfalls die Ziffer 2) des Bescheids rechtswidrig gewesen sei.

II.

Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten ist das Klageverfahren beendet und deshalb in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Es entspricht in der Regel der Billigkeit, demjenigen Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung voraussichtlich unterlegen wäre.

Nach summarischer Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache entspricht es vorliegend billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens den Klägerinnen aufzuerlegen.

Es kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte dem Begehren der Klägerinnen durch die Aufhebung des Bescheids vom 7. Juli 2015 entsprochen hat, um sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen zu begeben. Denn das Bundesamt hat auf die konkrete Durchführung der Überstellung keinen Einfluss. Mit der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids hat die Beklagte lediglich dem Ablauf der Überstellungsfrist Rechnung getragen und damit die eigene Entscheidung an die aktuelle Sachlage (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) angepasst.

Die Klage wäre voraussichtlich in der Sache ohne Erfolg geblieben, weil der Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2015 bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses (Ablauf der Überstellungsfrist am 6. November 2015) - rechtmäßig war. Die Beklagte hat die Asylanträge der Klägerinnen zu Recht - gestützt auf § 34a Abs. 1 AsylG i. V. m. § 27a AsylG in Verbindung mit der Dublin-III-VO - als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung der Klägerinnen nach Frankreich angeordnet.

Das gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 21.12.2011, Rechtssache: RS: C-411/10 und C-493/10, juris). Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn dieser zuständige Mitgliedsstaat sogenannte „systemische Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufweist, so dass die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gefahr für Asylbewerber bestünde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Asylbewerber der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U.v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, juris).

In Bezug auf Frankreich ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass den Klägerinnen im Falle ihrer Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung drohen würde. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen, die eine Abschiebung nach Frankreich generell unzulässig machen würden, tatsächlich vorliegen (vgl. VG Ansbach, B.v. 8.9.2015 - AN 14 S 15.50359 - juris; VG München, B.v. 16.3.2015 - M 12 S 15.50026 - juris Rn. 28; VG Augsburg, B.v 12.1.2015 - Au 7 S 14.50364 - juris; VG Bremen, B.v. 4.8.2014 - 1 V 798/14 - juris Rn.15 ff; VG Düsseldorf, B.v. 24.7.2014 - 13 L 1502/14.A - juris).

Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerinnen war auch die in Ziffer 2) des streitgegenständlichen Bescheids angeordnete Abschiebung nach Frankreich rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen lagen hier vor Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Dublin III-VO vor.

Insbesondere war nicht von einem inlandsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 6 Abs. 1, 2 GG bzw. Art. 8 EMRK auszugehen. Zwar verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 GG enthaltene Wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die jeweils zuständige Behörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die bestehenden familiären Bindungen des den Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 11.08.2015 - 10 C 15.1446 - juris)

Im vorliegenden Fall fehlt es allerdings schon daran, dass sich die Person, zu der familiäre Bindungen der Klägerinnen bestehen (Ehemann bzw. Vater) nach dem Inhalt der Behördenakten und auch dem Vortrag der Klägerinnen berechtigterweise im Bundesgebiet aufhält. Nach übereinstimmenden Angaben der Klägerin zu 1) sowie der Ausländerbehörde befindet sich der Ehemann der Klägerin zu 1) derzeit in Haft in der Bundesrepublik Deutschland (JVA ...) und hat von dort aus erst am 30. September 2015 einen Asylantrag gestellt.

Darüber hinaus ist nach Aktenlage auch deshalb nicht von unter dem Schutz der Artikel 6 GG bzw. Artikel 8 EMRK stehenden familiären Beziehungen zwischen der Klägerin zu 1) und ihrem Ehegatten bzw. der Klägerin zu 2) und ihrem Vater auszugehen, da derartige Beziehungen von den Klägerinnen in keinster Weise vorgetragen wurden und angesichts der Inhaftierung des Ehemannes bzw. Vaters in der JVA ... auch unrealistisch erscheinen. Gegen schutzwürdige familiäre Beziehungen spricht vorliegend auch, dass der Ehegatte der Klägerin zu 1) seinen Asylantrag nicht gemeinsam mit den Klägerinnen gestellt hat, sondern erst aus der Haft heraus am 30. September 2015 und damit nach Erlass des Bescheids vom 7. Juli 2015.

Schließlich ist - selbst wenn man zugunsten der Klägerinnen unterstellte, dass eine unter den Schutz von Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK fallende Bindung besteht - nicht ersichtlich, dass ihnen eine vorübergehende Trennung von Ehemann bzw. Vater unzumutbar gewesen wäre.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Abschiebung der Klägerinnen nach Frankreich in Ziffer 2) des streitgegenständlichen Bescheids zur Durchsetzung der Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO vorab und getrennt angeordnet hat.

Nach Ablauf der Überstellungsfrist hat die Beklagte angemessen und rechtzeitig im Sinne einer unverzüglichen Abhilfe bzw. eines Anerkenntnisses gemäß § 156 VwGO in analoger Anwendung reagiert. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerinnen entscheidend an der Erledigung mitgewirkt haben.

Nach alledem entspricht es vorliegend billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens den Klägerinnen aufzuerlegen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG)

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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

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(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 156


Hat der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben, so fallen dem Kläger die Prozeßkosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

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Tenor Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T.     aus L.       werden abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1Gründe:

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihr drohende Über-stellung nach Frankreich im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.

Die Antragstellerin ist eigenen Angaben zufolge eine Asylbewerberin mit ungeklärter Staatsangehörigkeit und Zugehörigkeit dem Volke der Roma. Sie reiste am 22. Juli 2014 ins Bundesgebiet ein und stellte am 21. August 2014 einen Asylantrag. Sie gab an, ihre Heimat Kosovo seit langem verlassen zu haben. Vor drei Jahren sei sie mit einem serbischen Pass nach Frankreich geflüchtet. In Frankreich habe sie bereits zweimal Asyl beantragt. Zweimal sei der Asylantrag nicht anerkannt worden. Das erste Mal habe man sie in den Kosovo zurückgeschickt, jetzt sei sie nach Deutschland geflohen. Sie sei zusammen mit ihrem Mann ..., geb. im Jahr ..., nach Deutschland geflohen (Bl. 23 ff. der Behördenakte).

Es ergab sich ein EURODAC-Treffer für Frankreich (...; Bl. 54 der Behördenakte), wonach die Antragstellerin dort einen Asylantrag gestellt hat.

Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 29. September 2014 (Bl. 50 der Behördenakte) hat das französische Innenministerium mit Schreiben vom 8. Oktober 2014 der Rücknahme der Antragstellerin zugestimmt (Bl. 65 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom .... November 2014 teilte die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit, die am ... geborene Tochter des Lebensgefährten der Antragstellerin lebe mit Mann und Kindern mit festem Aufenthaltsrecht in Deutschland. Beim Lebensgefährten sei auch Antrag auf humanitären Selbsteintritt gestellt worden.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2014 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig abgelehnt wird (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Frankreich an (Nr. 2; Bl. 83 der Behördenakte).

Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Frankreich aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig sei. Die französischen Behörden hätten ihre Zustimmung zur Rücknahme der Antragstellerin erteilt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III - VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Am .... Januar 2015 erhob die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage (M 12 K 15.50025) und stellte gleichzeitig

Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Die Klage und der Eilantrag wurden im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Lebensgefährte habe im Bundesgebiet enge Verwandte. So lebe die Tochter mit Ehemann und vier Kindern im Bundesgebiet.

Die Antragsgegnerin stellte

keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids anzuordnen, ist zwar zulässig (§ 34a Abs. 2 AsylVfG), jedoch nicht begründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse der Antragstellerin regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier, B.v. 18.9.2013 – 5 L 1234/13.TR – juris; VG Göttingen, B.v. 9.12.2013 – 2 B 869/13 – juris, Rn. 16). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Nach der hier gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage der Antragstellerin nach derzeitiger Einschätzung aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird, denn der streitgegenständliche Bescheid begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union Frankreich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Anwendbar ist die Dublin-III-VO, s. Art. 49 Dublin-III-VO. Der Asylantrag wurde am 21. August 2014, das Gesuch um Wiederaufnahme der Antragstellerin am 29. September 2014 gestellt (Bl. 50 der Behördenakte).

Frankreich hat mit Schreiben vom 8. Oktober 2014 seine Zuständigkeit bejaht und der Wiederaufnahme der Antragstellerin zugestimmt (Bl. 65 der Behördenakte).

Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, trotz der Zuständigkeit Frankreichs den Asylantrag der Antragstellerin selbst inhaltlich zu prüfen.

Die Prüfpflicht der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich auch nicht aus Art. 10 Dublin III-VO. Danach ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, wenn ein Familienangehöriger in diesem Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht entschieden ist. Familienangehöriger ist danach der Ehegatte der Antragstellerin; ein nicht verheirateter Partner ist nur dann Familienangehöriger, wenn mit ihm eine dauerhafte Beziehung geführt wird und nach dem Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare ausländerrechtlich vergleichbar behandelt werden wie verheiratete Paare, Art. 2 g Spiegelstrich 1 Dublin III-VO.

Vorliegend wurde im Rahmen des Eilverfahrens nur vorgetragen, Herr ... sei „Lebensgefährte“ der Antragstellerin. Es wurde nicht vorgetragen, dass und seit wann die Antragstellerin mit ihm eine dauerhafte Beziehung führt. Darüber hinaus werden im Bundesgebiet nach dem Recht und den Gepflogenheiten nicht verheiratete Paare ausländerrechtlich nur dann vergleichbar behandelt wie verheiratete Paare, wenn es sich um eine Lebenspartnerschaft im Sinne des Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft vom 16. 2. 2001 (LPartG) handelt, § 27 Abs. 2 AufenthG. Soweit danach ein Rechtsanspruch von Ehegatten besteht, sind auch die Lebenspartner im Sinne des § 27 Abs. 2 AufenthG zum Nachzug berechtigt. Nach ausländischem Recht geschlossene Lebenspartnerschaften fallen unter den Begriff der „Lebenspartnerschaft“, wenn die Partnerschaft durch einen staatlichen Akt anerkannt ist und sie in ihrer Ausgestaltung der deutschen Lebenspartnerschaft im Wesentlichen entspricht. Vorliegend liegt eine eingetragene Lebenspartnerschaft nach deutschem Recht (LPartG) schon deshalb nicht vor, weil es sich nicht um eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft handelt, § 1 Abs. 1 LPartG. Aus „Verlöbnissen“ oder sonstigen Partnerschaften, die nicht staatlich registriert und anerkannt sind, können ausländerrechtlich keine Ansprüche abgeleitet werden. Die im Bundesgebiet lebende erwachsene Tochter und die vier Enkelkinder des Lebensgefährten sind ebenfalls keine Familienangehörigen der Antragstellerin im Sinne von Art. 2 g Dublin III-VO. Die Voraussetzungen des Art 10 i.V.m. Art. 2 g Spiegelstrich 1 Dublin III-VO liegen im Fall der Antragstellerin daher nicht vor.

Die Auslegung der Dublin-III-Verordnung, die wie die Dublin-II-VO „einen der Bausteine des von der Europäischen Union errichteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bildet“, und die sich daraus ergebenden Rechte der Asylbewerber sind durch neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geklärt (EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S. u.a., C-411/10 und C-493/10 – Slg. 2011, I-13905; EuGH, U.v. 14.11.2013 – Puid, C-4/11 – NVwZ 2014, 129, mit Anm. Thym, NVwZ 2014, 130; EuGH, U.v. 10.12.2013 – Abdullahi, C-394/12 – juris).

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich, – ähnlich wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (siehe BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – BVerfGE 94, 49) – auf die Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten (ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten) die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden, und der Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist, ferner dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 75, 78; vgl. dazu: Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406). Auf der Grundlage dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Dublin-II-Verordnung und die Dublin-III-Verordnung erlassen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78, 79; U.v. 10.12.2013, a.a.O., Rn. 52, 53).

Aus diesen Gründen kann nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedsstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedsstaaten zur Beachtung der Dublin-III-Verordnung berühren und deren Pflicht vereiteln, einen Asylbewerber an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 82, 84, 85). Fehlleistungen im Einzelfall stellen diese Vertrauensgrundlage ebenso wie das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage.

Die Mitgliedstaaten dürfen einen Asylbewerber nur dann nicht an den zuständigen Mitgliedsstaat überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 94, 106; U.v. 10.12. 2013, a.a.O., Rn. 60, 62; U.v. 14.11.2013. a.a.O., Rn. 30).

In Bezug auf Frankreich ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass der Antragstellerin im Falle ihrer Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass in Frankreich systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen (vgl. VG Augsburg, B.v. 12. 1. 2015 – Au 7 S 14.50364 – juris; VG Bayreuth, U.v. 18. 12. 2014 – B 3 K 14.50103 – juris; VG Bremen B.v. 4. 8. 2014 – 1 V 798/14 – juris; VG Dresden, B.v. 13.11.2014 – A 2 L 1278/14 – juris; VG Gelsenkirchen, B.v. 10. 9. 2014 – 7a L 1301/14.A – juris; VG Ansbach, B.v. 29. 7. 2014 – AN 4 S 14.50055 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 24. 7. 2014 – 13 L 1502/14.A – juris).

Frankreich gilt außerdem als sicherer Drittstaat i.S. des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylVfG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs- und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist – bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat – etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, U.v. 14.5. 1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – BVerfGE 94, 49).

Die Sonderfälle in diesem Sinn entsprechen inhaltlich den systemischen Mängeln, die zu einer Gefahr für unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylsuchenden führen, im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Solche Sonderfälle liegen, wie oben dargestellt, im Falle Frankreichs nicht vor.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der am ... 1984 geborene Antragsteller, ein Staatsangehöriger von Nigeria, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der Abschiebung nach Frankreich.

Der Antragsteller reiste nach eigenen Angaben am 11. August 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 20. August 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einen Asylantrag.

Nach den Erkenntnissen des Bundesamtes war dem Antragsteller am 10. Juli 2014 von der französischen Botschaft in Nigeria ein vom 2. August 2014 bis zum 27. August 2014 gültiges Schengen-Visum (Kurzaufenthaltsvisum) erteilt worden.

Am 20. August 2014 fand beim Bundesamt das „persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats zur Durchführung des Asylverfahrens“ statt. Der Antragsteller gab u. a. an, ihm sei von der französischen Botschaft in Nigeria ein zehn Tage gültiges Visum ausgestellt worden. Am 2. August 2014 sei er von Nigeria aus über Paris nach München geflogen. Sein Ziel sei von Anfang an Deutschland gewesen. In Frankreich sei er nicht geblieben, da er denke, er könne die deutsche Sprache schneller erlernen als die französische.

Am 20. Oktober 2014 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Übernahmeersuchen an die französischen Behörden. Diese erklärten mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO).

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2014 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Frankreich an (Ziffer 2).

Dieser Bescheid sowie eine Kopie des Bescheids, adressiert an die Bevollmächtigte des Antragstellers, wurden am 22. Dezember 2014 zur Post gegeben.

Am 29. Dezember 2014 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamts vom 17. Dezember 2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Asylantrag des Antragstellers zulässig sei und in Deutschland materiell behandelt werde. Zudem sei festzustellen, dass der Antragsteller in Deutschland asylberechtigt sei, hilfsweise, dass bei ihm Abschiebungshindernisse nach § 60 AufenthG vorliegen.

Die Klage wird bei Gericht unter dem Aktenzeichen Au 7 K 14.50363 geführt.

Zugleich wurde im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17. Dezember 2014, zugestellt am 29. Dezember 2014, anzuordnen.

Eine ausführliche Begründung von Klage und Eilantrag wurde angekündigt, ging aber bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung nicht bei Gericht ein.

Das Bundesamt legte am 7. Januar 2015 die Behördenakte vor.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige, insbesondere auch fristgemäß (vgl. § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg.

Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 2014 erweist sich nach derzeitiger Aktenlage als rechtmäßig. Nach der im vorliegenden Eilverfahren durchzuführenden Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, die sich maßgeblich - aber nicht ausschließlich - an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert, fällt die Interessenabwägung zugunsten der Antragsgegnerin aus, denn die Abschiebungsanordnung nach Frankreich erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht nach Auffassung des Gerichts fest, dass die Abschiebung nach Frankreich im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG durchgeführt werden kann.

Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnung ist § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet die Antragsgegnerin die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) an, wenn der Ausländer in diesen Staat abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. § 34 a AsylVfG macht insoweit den Erlass der Abschiebungsanordnung davon abhängig, dass die Abschiebung rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

1. Letzteres hängt in erster Linie von der Übernahmebereitschaft desjenigen Drittstaates ab, in den abgeschoben werden soll (OVG NRW, U.v. 30.9.1996 - 25 A 790/96.a - juris).

Die Frage, welcher Staat für das Asylverfahren des Antragstellers zuständig ist, bestimmt sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), da sowohl der Asylantrag als auch das an Frankreich gerichtete Aufnahmeersuchen Deutschlands nach dem 1. Januar 2014, dem gemäß Artikel 49 Unterabsatz 1 Satz 1 Dublin III-VO für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Dublin-III VO maßgeblichen Zeitpunkt, gestellt wurden.

a) Dem Antragsteller wurde vor der Stellung seines Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland von den französischen Behörden ein Visum erteilt.

Die französischen Behörden haben das Wiederaufnahmegesuch der Bundesrepublik Deutschland vom 20. Oktober 2014 (Bl. 43 bis 50 der Bundesamtsakte) zur Übernahme des Asylverfahrens mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 (Bl. 62 der Bundesamtsakte) gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO akzeptiert, so dass die Abschiebung tatsächlich möglich ist.

b) Die Abschiebung des Antragstellers nach Frankreich ist auch rechtlich zulässig. Es sind nach der gegenwärtigen Auskunftslage keine Umstände für einen Ausnahmefall erkennbar, die es hier gebieten würden, einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Überstellung des Antragstellers nach Frankreich zu gewähren.

Es ist nichts dafür ersichtlich oder vom Antragsteller vorgetragen, dass die Zuständigkeit Frankreichs nach Maßgabe der Artikel 19 ff. Dublin III-VO wieder erloschen oder auf Deutschland übergegangen ist.

Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht nicht. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen - wie die der bisherigen Dublin II-VO - zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander.

Die Antragsgegnerin ist aber auch nicht - unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO zugunsten des Antragstellers - nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gehindert, diesen nach Frankreich zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EuGRCharta) mit sich bringen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 21.12.2011 - C 411/10 u. a. EuGHE 2011, I-13905, Rn. 80 ff., 94; - juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, S. 413) der Fall wäre, liegen nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EuGRCharta bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können (EuGH, U.v. 21.12.2011 - C 411/10 u. a. - juris, Rn. 94).

Gemessen hieran ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass der Antragsteller Gefahr liefe, nach der Rücküberstellung nach Frankreich einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EuGRCharta bzw. im Sinne von Art. 3 EMRK zu unterfallen. Für entsprechende Mängel in Bezug auf Frankreich sieht das Gericht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken keine Anhaltspunkte. Vielmehr belegen die aktuell vorliegenden Erkenntnisse über die Situation von Asylbewerbern in Frankreich insgesamt, dass die Aufnahmebedingungen dort im Allgemeinen den grund- und menschenrechtlichen Standards genügen (Vgl. ebenso zuletzt etwa VG Gelsenkirchen, B.v. 10.9.2014 - 7a L 1301/14.A -; VG Bremen, B.v. 4.8.2014 - 1 V 798/14 -; VG Ansbach, B.v. 29.7. 2014 - AN 4 S 14.50055 -; VG Düsseldorf, B.v. 24.7.2014 -13 L 1502/14.A -; VG München, GB.v. 12.5.2014 - M 21 K 14.30320 -, jeweils zitiert nach juris.)

Gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 17. Dezember 2014 und insbesondere auch gegen die der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG bestehen - vor diesem Hintergrund - keine Bedenken. Es sind weder zielstaatsbezogene noch in der Person des Antragstellers liegende, also inlandsbezogene, Abschiebungshindernisse ersichtlich.

Danach sind derzeit die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung nicht gegeben.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T.     aus L.       werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Duldung weiter verfolgt, ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (st. Rspr.; vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2015 - 10 C 14.895 - Rn. 11) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger voraussichtlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG wegen eines rechtlichen oder tatsächlichen Abschiebungshindernisses hat. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus der behaupteten Gefahr der Doppelbestrafung noch aus seiner Beziehung zu seinen Töchtern oder seiner Verlobten.

Ein rechtliches Abschiebungshindernis wegen eines bestehenden Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegt nicht vor. Mit Bescheiden vom 7. August 2012 und 21. April 2015 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge festgestellt, dass zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG beim Kläger nicht vorliegen. Die vom Kläger befürchtete Doppelbestrafung wegen der von ihm begangenen Drogendelikte besteht nach den Feststellungen des Bundesamtes nicht. Die Beklagte ist als Ausländerbehörde gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG an die Entscheidung des Bundesamtes oder des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG gebunden (BayVGH, B.v. 3.2.1015 - 10 C 14.1930 - juris Rn. 5).

Das Verlöbnis des Klägers vermittelt keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 AufenthG, da ein Eheschließungstermin weder feststeht noch bestimmbar ist (st. Rspr.; vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2012 - 10 CE 12.778 - juris Rn. 3; B.v. 11.3.2010 - 19 CE 10.365 - juris Rn. 3).

Eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG als vorübergehende Aussetzung der Abschiebung ist dem Kläger auch nicht im Hinblick auf Art. 8 EMRK, Art. 6 GG und Art. 24 Abs. 2 und 3 GRC zu erteilen.

Art. 8 EMRK begründet grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Die Behörden sind lediglich verpflichtet, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren private Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen.

Der Kläger kann sich nicht auf eine Verwurzelung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK berufen, denn eine solche kommt grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 26.10.2010 - 1 C 18.09 - juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 23.11.2010 - 10 B 09.731 - juris). Der Kläger hält sich bereits seit längerem nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Seit der Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch Bescheid vom 2. November 2009 war sein Aufenthalt nur noch geduldet.

Auch die Tatsache, dass der Kläger Vater dreier Töchter ist (eine Tochter mit deutscher Staatsangehörigkeit, zwei mit türkischer Staatsangehörigkeit), begründet kein rechtliches Abschiebungshindernis nach Art. 6 GG oder Art. 24 Abs. 2 und 3 GRC. Rechtliche Schutzwirkungen zugunsten eines Elternteils entfalten diese Vorschriften nur dann, wenn im konkreten Einzelfall eine tatsächliche Verbundenheit zwischen dem Elternteil und seinen Kindern besteht, die eine hinreichende Konstanz der Beziehung erwarten lässt und auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris Rn. 14). Dass eine solche Beziehung zu der Tochter mit deutscher Staatsangehörigkeit besteht, behauptet nicht einmal der Kläger. Diese Tochter hat der Kläger schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Er trägt insoweit lediglich vor, dass sich der Kontakt künftig auf gelegentliche Besuche bei den Pflegeltern, bei denen die Tochter lebt, beschränken soll. Zu seinen beiden Töchtern mit türkischer Staatsangehörigkeit, insbesondere zur 2011 geborenen Tochter A., hatte der Kläger nach den Angaben der Mutter der Kinder bis Anfang 2014 regelmäßigen Kontakt. Gegen eine Beziehung, die auch nicht eine zeitweilige Unterbrechung des Kontakts wegen der verfügten Ausweisung zulassen würde, spricht allerdings, dass der Kläger noch vor seiner Inhaftierung im Mai 2014 den Kontakt zu seinen Kindern abgebrochen und auch aus der Haft heraus nicht versucht hat, ggf. über das Jugendamt den Kontakt wieder aufzunehmen. Offensichtlich bestand auch von Seiten der Kinder nicht der Wunsch, den Kläger in der Haft zu besuchen. Der Kläger versucht zwar derzeit wieder eine familiäre Beziehung mit seinen beiden Töchtern aufzubauen. Gelegentliche Besuche für ein paar Stunden stellen aber noch keine Eltern-Kind-Beziehung dar, die nicht für eine bestimmte Zeitspanne unterbrochen werden könnte. Bis zur erneuten Kontaktaufnahme nach seiner Haftentlassung hatte der Kläger auch mehr als ein Jahr keinerlei Kontakt zu seinen Töchtern. Es ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, dass diese Unterbrechung dem Wohl der Kinder geschadet hätte.

Aus allen diesen Gründen war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Hat der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben, so fallen dem Kläger die Prozeßkosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.