Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 29. Juli 2015 - AN 11 S 15.50223

bei uns veröffentlicht am29.07.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien in Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30. April 2015 wird angeordnet.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Az.: AN 11 K 15.50224) gegen die in Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30. April 2015 angeordnete Abschiebung nach Bulgarien.

Der durch Reisepass der Arabischen Republik Syrien ausgewiesene Antragsteller ist am ...1986 geboren, arabischer Volkszugehöriger und moslemisch-sunnitischen Glaubens. Er stellte am 12. Januar 2015 in Deutschland einen Asylantrag und gab an, am 10. Oktober 2014 nach Deutschland eingereist zu sein. Ausweislich der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 12. Januar 2015 in ... wohnte er vor seiner Ausreise aus Syrien in ..., ...-..., im Umland von .... Seine Eltern lebten noch dort, auch sein Bruder und seine Großfamilie lebten noch in Syrien. Er habe am Gymnasium sein Abitur gemacht und als Handwerker gearbeitet.

Mit Schreiben vom 11. November 2014 wurde der Reisepass des Antragstellers im Original von der Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern an das Bundesamt übersandt. Kopien des Reisepasses finden sich in der Bundesamtsakte (Bl. 40 bis 44).

Das Bundesamt stellte aufgrund eines Eurodac-Treffers am 16. Januar 2015 ein Übernahmeersuchen an Bulgarien, da der Antragsteller bereits am 21. Januar 2014 in Bulgarien Asyl beantragt habe. An vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen wurde der Reisepass genannt, unter Bemerkungen wurde ausgeführt, dass Deutschland keine Nachweise habe, dass der Antragsteller das Gebiet der Mitgliedsstaaten für mehr als drei Monate verlassen habe. Falls Bulgarien keine dementsprechenden Beweise vorlege, werde Bulgarien als zuständiger Mitgliedsstaat betrachtet.

Mit einem nicht datierten Schreiben, das ausweislich des streitgegenständlichen Bescheides vom 30. Januar 2015 stammte, nahm Bulgarien das Übernahmeersuchen an unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 604/213.

Der Antragsteller erklärte in dem am 10. März 2015 in ... durchgeführten persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens, dass er ca. am 7. September 2014 Syrien mit dem Auto Richtung Libanon verlassen habe. Im Libanon habe er sich zwei Tage aufgehalten. Von dort sei er nach Algerien geflogen, dort habe er sich drei Tage aufgehalten. Von Algerien sei er über Tunesien mit dem Auto illegal nach ... (Libyen) gefahren. In ... habe er sich bis zum 3. Oktober 2014 aufgehalten. Von dort aus sei er mit einem Fischerboot nach Italien gereist. Sie seien von der italienischen Küstenwache gerettet und in die Stadt ... gebracht worden. Von dort aus sei er weiter nach ... gereist. Von ... aus sei er mit dem Zug nach ... gefahren. Von ... aus sei er nach Deutschland gereist. Im Zug bei ... sei er von der Polizei aufgegriffen, erkennungsdienstlich behandelt und weiter nach ... geschickt worden, um dort Asylantrag zu stellen. Vor dieser Ausreise sei er am 26. September 2013 aus Syrien mit dem Auto ausgereist und in den Libanon gefahren. Dort habe er sich ca. zwei Wochen aufgehalten. Von dort aus sei er mit dem Flugzeug nach ... geflogen. Dort sei er zwei Tage gewesen. Dann sei er mit dem Auto und zu Fuß nach Bulgarien eingeschleust worden. Im Wald sei er von der Polizei aufgegriffen und am vierten Tag erkennungsdienstlich behandelt worden. Bei der Polizei hätten sie ihm seinen Reisepass und seinen Personalausweis abgenommen. Danach sei er nach ... umverteilt worden. Nach einem Monat in der Gemeinschaftsunterkunft habe er eine Wohnung in ... gemietet. Er sei zu den Behörden gegangen, um seinen Reisepass und seinen Personalausweis zu holen, damit er diesen bekomme, habe er noch einmal erkennungsdienstlich behandelt werden müssen. Nachdem er seine Papiere zurückbekommen habe, sei er über die Türkei in den Libanon geflogen. Von dort aus sei er mit dem Auto nach Syrien gefahren. In Syrien sei er im Juli 2014 angekommen. Auf die Frage, ob er Dokumente habe, die die Einreise, den Aufenthalt oder das Verlassen des Gebietes der Dublin-Mitgliedsstaaten nachwiesen, gab der Antragsteller an, dass er eine Bestätigung von den bulgarischen Behörden habe. Auf die Frage nach Staaten, in die er nicht überstellt werden wolle, nannte der Antragsteller Bulgarien, da es dort keine Sicherheit gebe, man werde dort ausgegrenzt. Es gebe keine Arbeit und man könne nicht studieren.

In der Bundesamtsakte (Bl. 88-90) befindet sich ein vom 21. Mai 2014 datierender Beschluss der Staatlichen Flüchtlingsagentur beim Ministerrat der Republik Bulgarien im Original und in deutscher Übersetzung, ausweislich dessen der Antragsteller am 21. Januar 2014 einen Asylantrag gestellt habe. Dieser habe einen am 9. Mai 2014 eingegangenen Antrag gestellt, mit dem er auf das Asylverfahren verzichte und die Rückkehr in sein Herkunftsland wünsche. In dem Beschluss wurde das Asylverfahren gegen den Antragsteller eingestellt, der Antragsteller könne nach Syrien zurückkehren. Zugestellt sei der Beschluss am 21. Mai 2014 worden.

Mit Bescheid vom 30. April 2015 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an (Ziffer 2). In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig sei, da Bulgarien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 c Dublin-III-Verordnung für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Auch die Einwände im persönlichen Gespräch, dass es in Bulgarien keine Sicherheit und Arbeit gebe, man dort ausgegrenzt werde und man nicht studieren könne, könnten nicht dazu führen. Der Bescheid wurde dem Antragsteller ausweislich der in der Bundesamtsakte befindlichen Kopie der Postzustellungsurkunde am 21. Mai 2015 zugestellt.

Mit am 28. Mai 2015 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Telefax seines Bevollmächtigten ließ der Antragsteller gegen den genannten Bundesamtsbescheid Klage erheben (Az.: AN 11 K 15.50224), über die noch nicht entschieden wurde, und stellte gleichzeitig den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Abschiebungsanordnung schon deshalb rechtswidrig sei, weil sich der Kläger nach seiner Asylablehnung in Bulgarien am 21. Mai 2014, wie er auch in seiner Anhörung zum Reiseweg am 10. März 2015 angegeben habe, länger als drei Monate außerhalb des Gebietes der Dublin-Vertragsstaaten befunden habe. Er sei wenige Tage nach dem Erhalt des Bescheides zum 21. Mai 2014 aus Bulgarien über die Türkei und den Libanon nach Syrien zurückgekehrt. Dazu habe er sich seinen syrischen Reisepass zurückgeben lassen. Am 7. September 2014 sei er von Syrien wieder in den Libanon ausgereist, wo er zwei Tage gewesen sei, von dort sei er nach Algerien geflogen und dann nach Tunesien gefahren, um über das Mittelmeer nach Italien auszureisen. Diese Angaben des Antragstellers (auf Bl. 84 der Bundesamtsakte) würden bestätigt durch die Eintragungen im Reisepass des Antragstellers, den er den Behörden übergeben habe. Demnach habe er sich von Ende Mai bis zur Einreise nach Italien im September 2014, also mehr als drei Monate, außerhalb des Gebietes der Dublin-Staaten aufgehalten. Wie das Bundesamt bei dieser Sachlage dazu komme, den bulgarischen Behörden mitzuteilen, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller das Gebiet der Mitgliedsstaaten für mehr als drei Monate verlassen habe, sei unerklärlich. Angesichts der durch die Passeinträge bestätigten Fluchtgeschichte hätte sich eine Anfrage bei den italienischen oder auch den französischen Behörden angeboten, auf das alte Asylverfahren in Bulgarien könne wegen Fristablauf nicht zurückgegriffen werden. Deutschland sei zur Übernahme des Verfahrens verpflichtet, weil die Fristen für die Anbietung bei den italienischen und französischen Behörden inzwischen abgelaufen seien. Jedenfalls sei die Abschiebungsanordnung nach Bulgarien rechtswidrig, weil Bulgarien für das Asylverfahren nicht mehr zuständig sei. Deutschland sei auch verpflichtet, gegenüber den bulgarischen Behörden wahrheitsgemäße Angaben über den Zwischenaufenthalt des Klägers außerhalb der Dublin-Staaten zu machen. Bulgarien sei jedenfalls gemäß Art. 20 Abs. 5 Satz 2 Dublin-III-VO wegen des nachgewiesenen Aufenthalts des Antragstellers für mehr als drei Monate außerhalb des Dublin-Bereichs für das Asylverfahren nicht mehr zuständig.

Der Antragsteller beantragt im Klageverfahren (AN 11 K 15.50224):

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. April 2015 wird aufgehoben.

Der Antragsteller beantragt im vorliegenden Verfahren,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 2 des Bescheides anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt im vorliegenden Verfahren die

Ablehnung des Antrages.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung. Im Klageverfahren beantragt sie Klageabweisung.

Auf den Seiten des Reisepasses des Antragstellers befinden sich ausweislich der in den Bundesamtsakten befindlichen Kopien mehrere Ein- und Ausreisestempel. Ob es sich jeweils um einen Ein- oder einen Ausreisestempel handelt, ist aufgrund der vergleichsweise schlechten Lesbarkeit der Kopien nicht feststellbar. So findet sich auf Seite 7 des Reisepasses ein Stempel der Libanesischen Republik (S.G.DU LIBAN) vom 6. September 2014. Daneben findet sich ebenfalls ein libanesischer Stempel auf der gleichen Seite vom 9. September 2014. Auf Seite 13 des Reisepasses finden sich wiederum libanesische Stempel vom 9. Juni 2014 und (wohl; insoweit unleserlich) vom 25. Juni 2014. Weitere Stempel, deren genauere Zuordnung aufgrund der schlechten Lesbarkeit und der arabischen Schriftzeichen auf der Grundlage der Kopien nicht möglich ist, datieren vom 10. September 2014 (Seite 6 des Reisepasses) und vom 9. September 2014 (Seite 21). Auf Seite 17 des Reisepasses findet sich ein Stempel in kyrillischer Schrift, auf dem das Datum des 2. Juni 2014 sich befindet.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die den Antragsteller betreffenden Bundesamtsakten Bezug genommen.

II.

Für die Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG der Einzelrichter zuständig.

Der Antrag ist zulässig. Er ist als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter dem Az. AN 11 K 15.50224 geführten Anfechtungsklage gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes vom 30. April 2015 (Abschiebungsanordnung nach Bulgarien) statthaft. Auch die Antragsfrist nach § 34 a Abs. 2 AsylVfG von einer Woche ist vorliegend eingehalten, da der Bescheid am 21. Mai 2015 ausweislich der Postzustellungsurkunde durch Niederlegung zugestellt wurde, der vorliegende Antrag am 28. Mai 2015 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen ist. Aus diesem Grund besteht für den Antrag auch das notwendige Rechtsschutzbedürfnis, da die ebenfalls am 28. Mai 2015 erhobene Hauptsacheklage damit auch die Klagefrist nach § 74 AsylVfG einhält, mithin also keine Bestandskraft eingetreten ist.

Der Antrag ist auch begründet. Er richtet sich einerseits mit der Bundesrepublik Deutschland gegen den richtigen Antragsgegner, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog. Daneben hat das Gericht in dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige Abwägungsentscheidung zu treffen, bei der es das Interesse der Antragsgegnerin an der Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides gegen das Interesse des Antragstellers an dessen Aussetzung gegeneinander abwägt. Zu berücksichtigen sind dabei neben einer Entscheidung des Gesetzgebers für den ausnahmsweisen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage, wie hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG erfolgt, auch die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren, die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren summarisch aufgrund der vorliegenden Erkenntnismittel zu überprüfen sind. Diese Abwägungsentscheidung ergibt im vorliegenden Fall, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.

Die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides verfügte Abschiebung nach Bulgarien findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 a Abs. 1 AsylVfG. Voraussetzung dafür ist, dass für die Durchführung des Asylverfahrens ein anderer Mitgliedsstaat der EU nach § 27 a AsylVfG zuständig ist. Welcher Staat für das Asylverfahren eines Drittstaatsangehörigen zuständig ist, bestimmt sich im Falle des Asylantrags des Antragstellers nach der Verordnung (EU) Nr. 604/213 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin-III-VO, ABl. 2013, L. 180/31). Hier hat zwar Bulgarien gegenüber der Bundesrepublik Deutschland seine Zuständigkeit und seine Bereitschaft zur Rückübernahme des Antragstellers erklärt. Es bestehen jedoch seitens des Gerichts erhebliche Bedenken, ob es sich bei Bulgarien tatsächlich um den nach der Dublin-III-VO zuständigen Mitgliedsstaat handelt. Dies folgt letztlich aus der Bestimmung des Art. 19 Abs. 2 der Dublin-III-VO. Danach erlöschen die in Art. 18 der Dublin-III-VO normierten Übernahmepflichten, wenn der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat. Nach dem 2. UA des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO ist ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsatzes 1, also mithin nach drei Monaten Abwesenheit, gestellter Antrag als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats auslöse.

Nach Überzeugung des Gerichts liegt hier jedoch kein Fall des vonseiten des Bevollmächtigten des Antragstellers ins Spiel gebrachten Art. 20 Abs. 5 UA 2 der Dublin-III-VO vor, da Bulgarien vorliegend das Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland unter Bezugnahme auf Art. 18 der Dublin-III-VO akzeptiert hat, und nicht nach Art. 20 Abs. 5 UA 1. Daher ist nach dem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren maßgeblichen Maßstab einer summarischen Prüfung nicht davon auszugehen, dass die Übernahme nach Art. 20 Abs. 5 Dublin-III-Verordnung, also aufgrund einer durch den Antragsteller erfolgten Antragsrücknahme während des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens in Bulgarien, auszugehen. Entsprechende Hinweise, dass der Antragsteller seinen Asylantrag in Bulgarien zurücknahm, noch während Bulgarien prüfte, ob es überhaupt nach der Dublin-III-VO der zuständige Mitgliedsstaat ist, lassen sich schließlich auch nicht dem bulgarischen Einstellungsbeschluss vom 21. Mai 2014 (Bl. 89/90 der Bundesamtsakte) entnehmen.

Nach Auswertung der Kopien des Reisepasses des Antragstellers steht zur Überzeugung des Gerichtes unter Berücksichtigung des im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes maßgeblichen summarischen Prüfungsmaßstabs fest, dass der Antragsteller sich 2014 tatsächlich mehr als drei Monate außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aufgehalten hat. Denn ausweislich des Einstellungsbeschlusses der Staatlichen Flüchtlingsagentur beim Ministerrat Bulgariens vom 21. Mai 2014 erklärte der Antragsteller mit einem am 9. Mai 2014 bei der Flüchtlingsagentur eingegangenem Schreiben, dass er auf das Asylverfahren verzichte. Nach seinen Angaben beim Bundesamt flog er, nachdem er seine Papiere zurückbekommen hatte, über die Türkei in den Libanon. Auf Seite 13 seines Reisepasses findet sich dementsprechend auch ein wohl vom Libanon stammender Einreisestempel mit dem Datum 9. Juni 2014. Dies deckt sich mit den Angaben des Antragstellers. Ein weiterer, sich mit den Angaben des Antragstellers zu seiner erneuten Ausreise aus Syrien deckender Stempel des Libanons findet sich auf Seite 7 des Reisepasses und datiert vom 9. September 2014. Dieser deckt sich mit den Angaben des Antragstellers beim Bundesamt, am 7. September 2014 Syrien mit dem Auto in Richtung Libanon verlassen zu haben, sich dort zwei Tage aufgehalten zu haben und von dort nach Algerien ausgeflogen zu sein. Zuvor findet sich auf Seite 7 des Reisepasses bereits ein weiterer Stempel des Libanon, der vom 6. September 2014 datiert. Dieser deckt sich mit der Angabe zur Einreise aus Syrien nach Libanon. Ebenfalls vom 9. September 2014 und damit vom gleichen Tag, wie der Stempel, der nach den Angaben des Antragstellers die Ausreise aus dem Libanon dokumentiert, stammt ein auf Seite 21 des Reisepasses befindlicher, in der Kopie nicht leserlicher Stempel. Nach summarischer Prüfung könnte dieser die vom Antragsteller vorgetragene Einreise nach Algerien dokumentieren. Genaueres wird im Hauptsacheverfahren zu überprüfen sein. Dokumentiert ist damit eine Abwesenheit aus den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vom 9. Juni bis zum 9. September 2014. Zusammen mit dem weiteren Reiseweg nach den Angaben des Antragstellers (dreitägiger Aufenthalt in Algerien, Weiterreise illegal mit dem Auto über Tunesien nach ..., Libyen, dort Aufenthalt bis 3. Oktober 2014, anschießend über das Mittelmeer nach Italien) ergibt sich eine Abwesenheit von mehr als drei Monaten. Die Tatbestandsvoraussetzungen für das Entfallen der Zuständigkeit Bulgariens nach Art 19 Abs. 2 Dublin-III-VO liegen damit aller Voraussicht nach vor.

Nach alledem ist maßgeblich für die Erfolgsaussicht der Klage in der Hauptsache, ob der Antragsteller als Asylantragsteller sich auf diese Bestimmung der Dublin-III-VO berufen kann, mithin, ob er durch die Nichteinhaltung des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in eigenen Rechten verletzt ist. Insoweit betrachtet das Gericht die Erfolgsaussichten jedenfalls als offen.

Gegen die Möglichkeit eines Asylantragstellers, sich auf die Einhaltung des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO zu berufen, spricht einerseits der Wortlaut der Bestimmung, der das Erlöschen der Pflichten nach Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO daran knüpft, dass der zuständige Mitgliedsstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat. Diese Formulierung deutet darauf hin, dass es sich bei der Bestimmung um eine Einwendung handeln könnte, die der ersuchte Mitgliedsstaat gegenüber dem ersuchenden Mitgliedsstaat vorbringen kann, und wofür ihn dementsprechend auch die Nachweispflicht trifft. Verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung besteht zu dieser Frage soweit ersichtlich nur äußerst vereinzelt. So hat das VG Gelsenkirchen in mehreren Entscheidungen vom Ende des Jahres 2014 (Urteile v. 25.11.2014, Az.: 6a K 3817/14.A, 6a K 3256/14.A u. Beschlüsse v. 4.9.2014, Az.: 6a L 1096/14.A u. v. 21.10.2014, 6a L 1283/14.A, jeweils juris) ausgeführt, dass jedenfalls Überwiegendes dafür spreche, dass Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO kein subjektives Recht im Sinne eines Anspruchs des Betroffenen darauf begründe, dass sein Asylverfahren im richtigen, d. h. im zuständigen Mitgliedsstaat durchgeführt werde (U. v. 25.11.2014, 6a K 3817/14.A, juris, Rn. 22 ff.). Zur Begründung bezieht sich das VG Gelsenkirchen im Wesentlichen auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Dezember 2013 (Az.: C 394/12 - Abdullahi), der ausgeführt habe, dass ein Asylbewerber im Rahmen des Dublin-Systems seiner Rücküberstellung nur damit entgegentreten könne, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber geltend mache, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU ausgesetzt zu werden. Es spreche alles dafür, dass die Vorschrift im Übrigen allein der objektiven Klärung der Zuständigkeit von Mitgliedsstaaten für Asylverfahren diene (VG Gelsenkirchen a. a. O., Rn. 26). In ähnlicher Weise hat auch die soweit ersichtlich einhellige obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, ob Asylbewerber sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist nach den Dublin-Verordnungen berufen könnten, unter Bezugnahme auf das gleiche Urteil des EuGH eindeutig mit nein geantwortet (vgl. statt aller nur OVG Schleswig-Holstein, B. v. 24.2.2015, 2 LA 15/15, juris).

Für die Möglichkeit, dass sich auch ein Asylantragsteller auf die Einhaltung von Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO berufen kann und mithin bei Verletzung dieser Bestimmung auch eine Verletzung des Asylantragstellers in eigenen Rechten vorliegt, spricht dagegen, dass der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Verfahren „Abdullahi“ die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. 2003, L 50/1; sog. Dublin-II-VO) zugrunde lag und nicht die im vorliegenden Verfahren maßgebliche Dublin-III-VO. Beide Verordnungen unterscheiden sich nämlich in nicht unerheblicher und möglicherweise im vorliegenden Fall streitentscheidender Weise. So ist in die Dublin-III-VO zunächst als neuer, im Rahmen der Dublin-II-VO noch nicht auffindbarer Erwägungspunkt der 19. Erwägungsgrund aufgenommen. Dieser lautet wie folgt:

„Um einen wirksamen Schutz der Rechte der Betroffenen zu gewährleisten, sollten im Einklang, insbesondere mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Rechtsgarantien und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Überstellungsentscheidungen festgeschrieben werden. Um die Einhaltung des Völkerrechts sicherzustellen, sollte ein wirksamer Rechtsbehelf gegen diese Entscheidungen sowohl die Prüfung der Anwendung dieser Verordnung als auch die Prüfung der Rechts- und Sachlage in dem Mitgliedsstaat umfassen, in den der Antragsteller überstellt wird.“

Anders als in der Entscheidung des EuGH im Verfahren „Abdullahi“ in der zwischen Bestimmungen der Dublin-II-VO, auf die sich ein Asylbewerber berufen kann, und den übrigen Bestimmungen differenziert wird, findet sich eine derartige Differenzierung in dem genannten Erwägungsgrund gerade nicht. Im Gegenteil soll nach dem Erwägungsgrund der wirksame Rechtsbehelf allgemein die „Prüfung der Anwendung dieser Verordnung“ umfassen. Eine derartige Überprüfung im gerichtlichen Verfahren wird aber unmöglich, wenn, wenn auch nur nach nationalem deutschen Recht, eine Bestimmung wie die des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO von vornherein mangels möglicher Verletzung des Asylbewerbers in eigenen Rechten der gerichtlichen Überprüfung entzogen wird. Eine Differenzierung zwischen einzelnen Bestimmungen in der Dublin-III-VO, auf die sich ein Asylbewerber berufen kann und anderen Bestimmungen, findet sich auch nicht in dem den 19. Erwägungsgrund umsetzenden Artikel 27 der Dublin-III-VO. Auch in dessen Abs. 1 findet sich allein die Regelung, dass der Antragsteller ein Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch ein Gericht habe. Aufgrund dieser Änderungen von der Dublin-II- zur Dublin-III-VO bestehen aus der Sicht des Gerichtes gute Gründe für die Annahme, dass sich ein Asylantragsteller wie der Antragsteller im vorliegenden Verfahren auf die Einhaltung des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO berufen kann. Wie bereits erwähnt, sieht das Gericht die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren daher als offen an.

Angesichts dieser offenen Erfolgsaussichten geht die vom Gericht zu treffende Abwägungsentscheidung auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmung des § 75 AsylVfG vorliegend zugunsten des Interesses des Antragstellers auf Aussetzung der Entscheidung aus. Dies ergibt sich letztlich aus dem vom Bevollmächtigten des Antragstellers erhobenen Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Bundesamts. Denn Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO ist so formuliert, dass dem ersuchten Mitgliedsstaat letztlich eine Beweislast hinsichtlich der Abwesenheit aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten trifft. Über Mittel und Wege, dieser nachzukommen, wird der ersuchte Mitgliedsstaat aber regelmäßig nicht verfügen: Der Asylantragsteller wird sich regelmäßig im ersuchenden Mitgliedsstaat aufhalten. Einen Nachweis hinsichtlich des Aufenthalts desselben wird der ersuchte Mitgliedsstaat allenfalls, was das Datum der Ausreise aus seinem Hoheitsgebiet angeht, treffen können. Wo der Asylantragsteller sich ab diesem Zeitpunkt aufgehalten hat, darüber werden beim ersuchten Mitgliedsstaat keinerlei Dokumente vorliegen. Als einzig denkbares Mittel für die Erbringung dieses Nachweises ist daher (im Falle einer legalen Reise bzw. eines legalen Reiseweges) der Reisepass des Asylantragstellers mit entsprechenden Ein- und Ausreisestempeln denkbar. Um dem ersuchten Mitgliedsstaat also die Möglichkeit eines Nachweises im Sinne des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO zu ermöglichen, müsste also der ersuchende Mitgliedsstaat diesem etwaige Kenntnisse über den Aufenthalt des Asylantragstellers und die entsprechenden Dokumente zur Verfügung stellen. Andernfalls vereitelt er dem ersuchten Mitgliedsstaat die Möglichkeit, sich auf Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO zu berufen. Ob dem Aufnahmegesuch des Bundesamts Kopien des Reisepasses des Antragstellers beigefügt wurden, lässt sich der vorgelegten Bundesamtsakte nicht entnehmen. Dies kann letztendlich aber auch offen bleiben, da den Bemerkungen (entgegen der objektiven Sachlage) die Feststellung zu entnehmen ist, dass Deutschland keine Nachweise habe, dass der Antragsteller das Gebiet der Mitgliedsstaaten für mehr als drei Monate verlassen habe. Tatsächlich lagen derartige Erkenntnisse aber aufgrund der Eintragungen im Reisepass des Antragstellers vor. Nachdem das Bundesamt im Übernahmeersuchen damit wahrheitswidrig entsprechende Hinweise verneint hat, geht die Abwägungsentscheidung des Gerichts angesichts der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache dahin, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hier überwiegt. Die aufschiebende Wirkung war daher wie erfolgt anzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.

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in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Klage ist zu richten

1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,
2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.

(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer, Einzelrichter - vom 3. November 2014 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) nicht vorliegt.

2

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum die Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.

3

Nach diesen Maßstäben kommt der aufgeworfenen Frage,

4

ob ein Asylbewerber sich gegen eine Überstellung in einen Drittstaat darauf berufen darf, dass Deutschland die Überstellungsfrist gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin-II-VO bzw. Art. 29 Abs. 3 Dublin-III-VO versäumt hat,

5

keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage bedarf bereits deshalb nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren, weil sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres - verneinend - beantworten lässt.

6

Die Kläger können kein subjektives Recht auf Einhaltung der Zuständigkeits- und Fristvorschriften der Dublin-II-Verordnung geltend machen; auf die hier nicht anwendbaren Vorschriften der Dublin-III-Verordnung kommt es nicht entscheidungserheblich an. Die Dublin-II-Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 ist trotz § 77 Abs. 1 AsylVfG und der zwischenzeitlich erlassenen Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin-III-Verordnung - auf den vorliegenden Fall weiterhin anzuwenden, weil nach Art. 49 Dublin-III-Verordnung die Neuregelung erst auf Anträge der Mitgliedstaaten auf Wiederaufnahme anzuwenden ist, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind.

7

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 - Abdullahi -, NVwZ 2014, 208, juris; vgl. auch Urteile vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, Slg 2011, I-13905-14033, juris Rn. 96 und vom 14. November 2013 - C-4/11, Puid - juris) ist davon auszugehen, dass sich die Kläger nicht auf die Versäumung von Fristen berufen können. Denn die Dublin-II-VO gewährt den Klägern keinen subjektiv einklagbaren Rechtsanspruch darauf, dass ihre Asylanträge in einem bestimmten Mitgliedsstaat geprüft werden, den sie für zuständig halten. Die jeweiligen Fristbestimmungen der Dublin-II-VO dienen hiernach ebenfalls allein einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zeitnahen Überstellung in diesen Staat im Verhältnis der Dublin-Staaten untereinander, ohne aber den Klägern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 - Rn. 10 ff., VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 - Rn. 59 und vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 - Rn. 25, Hessischer VGH, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -, OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 - jeweils juris, siehe auch Berlit, Anmerkung zu BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris PR-BVerwG 12.2014). Ein Asylantragsteller kann der Überstellung in den nach der Dublin-II- Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegen treten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. - Rn. 4, vom. 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, vom 21. Mai 2014 - 10 B 3110 B 31.14 - Rn. 4 und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, jeweils juris).

8

Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10. Dezember 2013 (- C-394/12 - „Abdullahi", a.a.O.) kann ein Asylantragsteller nach einem erfolgreichen Aufnahmeersuchen mit dem in Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten. Zwar sind diese Ausführungen des Gerichtshofes ausdrücklich nur im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zuständigkeit eines Mitgliedsstaats gemäß Kapitel III der Dublin II-Verordnung erfolgt. Aus ihren tragenden Erwägungen kann aber unmittelbar gefolgert werden, dass sich ein Asylantragsteller ebenfalls nicht mit Erfolg auf einen Zuständigkeitsübergang nach den im Kapitel V geregelten Art. 16 ff. Dublin II-VO berufen kann (ebenso Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 - juris Rn. 10).

9

Genauso wie die Vorschriften über die Bestimmung der Zuständigkeit im Kapitel III der Dublin-II-Verordnung keine subjektiven Rechte vermitteln, sondern als Organisationsvorschriften einer klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten dienen (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16), sollen auch die Vorschriften des Kapitel V der Verordnung - ebenfalls als Organisationsvorschriften - in erster Linie eine rasche Bestimmung des für die Prüfung zuständigen Mitgliedsstaates ermöglichen (Erwägungsgrund 4). Auch sie vermitteln Asylantragstellern keine subjektiven Rechte, sondern bei ihnen steht das Interesse im Vordergrund, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.

10

Dementsprechend führt der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a.a.O.) aus, dass der Unionsgesetzgeber diese Vorschriften erlassen hat, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping" zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (Rn. 53). Auch er sieht einen der Hauptzwecke der Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden (Rn. 59). Vorrangiges Ziel der Dublin-II-Verordnung insgesamt, und nicht nur der Zuständigkeitskriterien des Kapitels III, ist danach eine möglichst eindeutige Bestimmung des zuständiges Mitgliedstaates und in der Folge eine zeitnahe Prüfung des Asylantrages. Der Unionsgesetzgeber wollte einem Asylantragsteller mit der Dublin II-Verordnung (ebenso mit der Dublin III-Verordnung) aber keine weitergehende Rechtsposition einräumen, seinen Asylantrag in einem ganz bestimmten Mitgliedstaat, in dem er einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat, prüfen zu lassen.

11

Auch das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. - Rn. 4, vom. 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, vom 21. Mai 2014 - 10 B 3110 B 31.14 - Rn. 4 und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, jeweils juris) entnimmt der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, dass ein Asylantragsteller einer Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann. Auch nach seinem Verständnis dieser Rechtsprechung kann eine Berufung auf eine Verletzung von Verfahrens- und Fristenregelungen der Dublin-II-Verordnung der Klage eines Asylbewerbers demnach grundsätzlich nicht zum Erfolg verhelfen (so ausdrücklich Berlit, jurisPR- BVerwG 12/2014 Anm. 3, Buchst. B am Ende).

12

Die Kläger machen geltend, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergebe, dass Asylantragsteller zwar keine Fristversäumnisse im Rahmen des (Wieder-)Aufnahmeersuchens geltend machen könnten - dies könne nur der ersuchte Staat - (Beschluss vom 21. Mai 2014 a.a.O.), ein Ablauf der Überstellungsfrist führe aber zu einem Zuständigkeitswechsel und dies könne der Flüchtling geltend machen. Im Beschluss vom 14. Juli 2014 (a.a.O.) habe das Bundesverwaltungsgericht durch den Begriff des zuständigen (statt des ersuchten) Mitgliedsstaats deutlich gemacht, dass der Asylantrag nur dann unzulässig sei, wenn ein anderer Mitgliedsstaat zuständig sei. Auch für den Gerichtshof der Europäischen Union sei in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a.a.O.) ausschlaggebend, dass der ersuchte Staat der Übernahme zugestimmt habe. Damit sei aber nichts dazu gesagt, dass nach Fristablauf die Zuständigkeit wieder auf den ersuchenden Staat übergehe und der Antragsteller dies geltend machen könne.

13

Der Senat vermag diesen Ausführungen der Kläger nicht zu folgen, solange Frankreich weiterhin bereit ist, ihre Asylanträge zu bearbeiten, da es keinen Anspruch der Kläger auf Prüfung ihrer Anträge durch einen (von ihnen) bestimmten Staat gibt. Dafür, dass Frankreich seine mit Schreiben vom 31. März 2014 erklärte Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger nach Fristablauf zurücknehmen und sich auf den Fristablauf berufen werde, gibt es weder Feststellungen des Verwaltungsgerichts - zum Zeitpunkt seiner Entscheidung war die Frist des Art. 19 Abs. 3 UAbs. 1, Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO noch nicht abgelaufen - noch wird von den Klägern behauptet oder gar dargelegt (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG), dass Frankreich wegen des Fristablaufs nicht mehr zur Aufnahme bereit wäre. Ob etwas anderes dann gilt, wenn feststeht, dass der ersuchte Mitgliedstaat - hier Frankreich - nicht mehr zur Aufnahme bereit ist (vgl. zu dieser Fallkonstellation VG Schleswig, Gerichtsbescheid vom 19. Februar - 5 A 374/14 -), bedarf hier schon deshalb keiner weiteren Erörterung. Diese Fallkonstellation ist auch nicht vorsorglich vom Senat in die Prüfung einzubeziehen. Sofern mit einem solchen Fall eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 41 Abs. 1 i.V.m. Art 51 Abs. 1 Satz 1 EUGrdRCh einherginge, hätten die Kläger einen Wiederaufgreifensanspruch (vgl. § 51 VwVfG; zur Notwendigkeit in einem solchen Fall ein Verfahren auf Wiederaufgreifen einzuleiten, vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14-juris Rn. 59juris).

14

Entgegenstehende Rechtsprechung anderer Obergerichte, die eine bundeseinheitliche Klärung erforderte, ist nicht ersichtlich. Mit dem Hinweis auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Juli 2014 -11 B 789/14.A - zeigen die Kläger letztlich keine abweichende Entscheidung auf, da dieser Beschluss schon keine (nähere) Begründung enthält. Damit bleibt unklar, auf welchen Überlegungen der Beschluss beruht, ob ihm eine Auseinandersetzung mit der dargelegten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vorausgegangen ist, und insbesondere, ob hier im Einzelfall neben dem Ablauf der Überstellungsfrist weitere Umstände hinzugekommen sind, aufgrund derer feststand, dass Italien nicht mehr zur Aufnahme bereit war. Ähnlich verhielte es sich mit der von den Klägern herangezogenen Entscheidung eines Einzelrichters beim österreichischen Bundesverwaltungsgericht, unterstellt mit dem Verweis auf derartige erstinstanzliche Entscheidungen könnte überhaupt eine Klärungsbedürftigkeit dargelegt werden.

15

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da dem Antrag auf Zulassung der Berufung nach dem Ausgeführten die hierfür gem. § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten abzusprechen sind.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG; Gründe für eine Abweichung (§ 30 Abs. 2 RVG) sind nicht vorgetragen oder sonst erkennbar.

17

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.