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| Die Entscheidung erfolgt durch den Vorsitzenden als Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG). Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war; denn hierauf wurde sie in der Ladung hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO). |
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| Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 03.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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| 1. Es kann offenbleiben, ob der Vortrag des Klägers zutrifft, er habe die Niederlande im November 2013 mit einem falschen Pass verlassen, sei nach Somalia zurückgekehrt und habe sich bei einem Imam in einer Moschee in Mogadischu bis 28.07.2014 aufgehalten; an diesem Tag habe er Mogadischu auf dem Luftwege verlassen und sei nach Frankfurt geflogen. |
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| Dieser Vortrag kann von vornherein keine subjektive Rechtsverletzung des Klägers begründen. Zwar erlöschen gemäß Artikel 19 Abs. 2 Dublin III-VO die Wiederaufnahmepflichten nach Artikel 18 Abs. 1, wenn der zuständige Mitgliedsstaat nachweisen kann, dass der Asylantragsteller, um dessen Wiederaufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten für mindestens drei Monaten verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedsstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels. Diese Vorschrift dient jedoch allein der objektiven Klärung der Zuständigkeit. Sie begründet - wie auch andere Zuständigkeitsvorschriften - kein subjektives Recht darauf, dass ein Asylverfahren in einem bestimmten Mitgliedsstaat durchgeführt wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.08.2013 - 12 S 675/13 - InfAuslR 2014, 29; Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293). Entgegen der Auffassung des Klägers gilt dies nicht nur für die Dublin II-VO, sondern gleichermaßen auch für die Dublin III-VO (a.A. VG Ansbach, Beschluss vom 29.07.2015 - AN 11 S 15.50223 - juris). Auch die Dublin III-Verordnung räumt dem Einzelnen nach der Rechtsprechung der Kammer kein subjektives Recht darauf ein, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird. Ein Asylsuchender hat lediglich ein subjektives Recht auf zeitnahe inhaltliche Prüfung eines Asylgesuchs (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 28.08.2015 - A 1 K 2078/14 - juris). |
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| 2. Es besteht keine Verpflichtung der Beklagten, das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung auszuüben. |
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| Eine solche Verpflichtung würde voraussetzen, dass systemische Mängel im Asylsystem des betreffenden Landes bestehen, aus denen sich eine konkrete, beachtlich wahrscheinliche Gefahr ergeben könnte, dass der Asylbewerber bei einer Rückkehr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta, Art. 3 EMRK ausgesetzt sein könnte (vgl. allg. zu diesen Kriterien: EuGH, Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12 - NVwZ 2014, 208; BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - und Beschluss vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293). |
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| Dies ist jedoch nicht der Fall. Systemische Mängel im Asylsystem der Niederlande in diesem Sinne bestehen nicht (ebenso: VG Minden, Urteil vom 11.12.2015 - 10 K 2696/15.A -; VG Augsburg, Beschluss vom 29.10.2014 - Au 14.50263 -; VG Köln, Urteil vom 21.04.2015 - 14 K 344/15.A -; VG Magdeburg, Beschluss vom 09.06.2015 - 9 B 514/15 - jeweils juris; VG Regensburg, Beschluss vom 26.03.2014 - RN 5 S 14.30303 - BeckRS 2014, 50217; a.A. VG Darmstadt, Beschluss vom 07.05.2014 - 4 L 597/14.DA.A -). |
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| a) Unbestritten genügt das eigentliche Asylverfahren in den Niederlanden grundsätzlich den Anforderungen der Richtlinie 2013/33/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie) zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen. Es erfüllt die dort geregelten rechtsstaatlichen Mindeststandards (ausführl.: VG Regensburg, Beschluss vom 26.03.2014 - RN 5 S 14.30303 - BeckRS 2014, 50217; allg.: AIDA, Country Report: The Netherlands, November 2015). |
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| b) Es ist auch nicht erkennbar, dass die in den Niederlanden praktizierte Haftpraxis einen systemischen Mangel der Aufnahmebedingungen begründen könnte (ebenso: VG Minden, Urteil vom 11.12.2015 - 10 K 2696/15.A - juris). Eine mögliche Abschiebungshaft zur Sicherstellung der Ausreise nach einem abgeschlossenen Asylverfahren begründet als solche keinen derartigen Mangel. Soweit in Einzelfällen unverhältnismäßige Inhaftierungen vorgenommen worden sein sollten, begründet dies noch keinen systematischen, also strukturell bedingten Mangel, denn in den Niederlanden ist ein ausreichender und effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet (ebd.). Dies zeigt sich gerade im Falle des Klägers, der wohl zur Vorbereitung einer Ausreise oder Abschiebung in Haft genommen worden ist. Auf sein Rechtsmittel hin hat der „Raad van State“ mit Beschluss vom 28.05.2015 seiner Berufung gegen ein Urteil des erstinstanzlichen Gerichts Den Haag vom 24.04.2015 stattgegeben, die verhängten freiheitsentziehenden Maßnahmen aufgehoben und ihm eine Haftentschädigung zugesprochen. Dies belegt, dass die rechtsstaatliche Kontrolle in den Niederlanden gewährleistet ist und ausreichender Rechtsschutz gegen im Einzelfall unverhältnismäßige Inhaftierungen erreicht werden kann. |
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| c) Systemische Mängel des Aufnahmeverfahrens ergeben sich ferner auch nicht daraus, dass endgültig abgelehnte Asylbewerber in den Niederlanden nach dem Vortrag des Klägers keinerlei staatliche Unterstützung mehr erhalten. |
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| aa) Art. 3 EMRK kann nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er aus sich heraus die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. - NVwZ 2011, 413 Rn. 249). Etwas anderes gilt aber, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293). |
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| Der Kläger fällt als endgültig abgelehnter Asylbewerber jedoch nicht in den Anwendungsbereich der Aufnahmerichtlinie. Soweit Art. 17 die allgemeinen Bestimmungen zu materiellen Leistungen im Rahmen der Aufnahme und zu medizinischen Versorgung regelt, beschränkt sich der Anwendungsbereich auf „Antragsteller ab Stellung des Antrags auf internationalen Schutz im Rahmen der Aufnahme“ (Abs. 1). Ein „Antragsteller“ ist nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchst. b jedoch nur ein solcher Drittstaatsangehörige oder Staatenloser, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Aufnahmerichtlinie. Sie bezweckt die unionsweite Gleichbehandlung von Antragstellern in allen Phasen und in allen Arten von Verfahren, die Anträge auf internationalen Schutz betreffen (Erwägungsgrund 8). Die Lebensverhältnisse endgültig abgelehnter Asylsuchender betreffen demgegenüber nicht mehr das asylrechtliche Verfahren im eigentlichen Sinn, sondern ausschließlich noch den materiellen Status von Ausreisepflichtigen. |
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| Ergibt sich mithin aus der Aufnahmerichtlinie keine Erhöhung des menschenrechtlichen Standards für endgültig abgelehnte und daher ausreisepflichtigen Asylbewerber, bleibt es bei der oben zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach Art. 3 EMRK für sich allein genommen keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Versorgung mit einer Wohnung oder zur Gewährung finanzieller Leistungen beinhaltet (i.Erg. ähnl.: VG Minden, Urteil vom 11.12.2015 - 10 K 2696/15.A -; VG Augsburg, Beschluss vom 29.10.2014 - Au 14.50263 -; zu Belgien: VG Düsseldorf, Beschluss vom 26.02.2014 - 13 L 171/14.A - alle juris). |
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| bb) Unabhängig davon haben Asylbewerber, die nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs die Niederlande aufgrund von Umständen nicht verlassen können, die sie nicht zu vertreten haben, nach dem in das Verfahren eingeführten Internetauftritt des niederländischen „Immigration and Naturalisation Service“ die Möglichkeit, dort einen Aufenthaltstitel zu erhalten, wenn sie bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten mitwirken. Damit haben sie zugleich grundsätzlich die Möglichkeit, eine etwa drohende Obdachlosigkeit und die Einstellung der Nahrungsmittelversorgung abzuwenden (ebenso VG Minden, Urteil vom 11.12.2015 - 10 K 2696/15.A - juris). |
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| Insoweit trägt der Kläger zwar vor, dass er seine Mitwirkung angeboten habe, ihm gleichwohl aber ein Titel verweigert worden sei. Dies kann jedoch keinen systemischen Mangel begründen. Es gibt offenbar grundsätzlich eine zumutbare Möglichkeit, durch die Mitwirkung bei der Beschaffung von Heimreisepapieren zu einem Titel zu kommen und dadurch einen Anspruch auf staatliche Leistungen zu erwerben. Eine rechtswidrige Verwaltungspraxis im Einzelfall, wie sie der Kläger vorträgt, kann hingegen keinen systemischen Mangel darstellen. Der Kläger hat insoweit auch nicht angegeben, in den Niederlanden um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht zu haben. Ein systemischer Mangel läge aber erst dann vor, wenn es unter Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden zumutbaren Rechtsbehelfe keine Möglichkeit gäbe, rechtswidrige Einzelfallentscheidungen überprüfen und korrigieren zu lassen. |
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| cc) Auch unter besonderer Berücksichtigung der besonderen persönlichen Situation des Klägers ist die Beklagte nicht verpflichtet, im vorliegenden Fall von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. |
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| In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger in den Niederlanden die Möglichkeit wahrnehmen konnte, bei seinem Bruder und dessen Familie unterzukommen. Damit war er selbst also nicht unmittelbar von Obdachlosigkeit oder Verelendung betroffen. Diese Besonderheit des Einzelfalls kann zwar die Annahme eines systemischen Mangels nicht widerlegen, da auch diesbezüglich auf die allgemeinen, mithin typischen Verhältnisse abzustellen ist. Jedenfalls hier stellte die bereits vorgenommene Überstellung in die Niederlande aber deshalb von vornherein keinen Verstoß gegen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) dar. |
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| Selbst wenn man der Auffassung des Verwaltungsgerichts Darmstadt (Beschluss vom 07.05. 2014 - 4 L 597/14.DA.A -) folgen wollte, wonach Art. 1 Abs. 1 GG einer Abschiebung von Asylsuchenden in die Niederlande grundsätzlich entgegenstehe, da dort das Existenzminimum nicht gesichert sei und die Verelendung drohe, läge im Falle des Klägers aufgrund der in den Niederlanden gegebenen Unterstützung durch seine Familienangehörigen ein Ausnahmefall vor. Denn auch das Verwaltungsgericht Darmstadt betont in der zitierten Entscheidung, dass es Sache des Ausländers sei, alles in seiner Macht stehende zu tun, um sein Existenzminimum zu erhalten. Dazu gehört aber ohne Weiteres die Inanspruchnahme familiärer Hilfe, wenn diese wie hier zwar schwierig, letztlich aber doch möglich ist. |
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| Abgesehen davon gehört zu den zumutbaren Anstrengungen in diesem Sinn auch der Versuch, durch die Mitwirkung bei der Beschaffung von Heimreisepapieren zu einem Titel zu kommen und dadurch einen Anspruch auf staatliche Leistungen zu erwerben, und zwar einschließlich der Obliegenheit, im Falle einer Ablehnung durch die Behörden alle zur Verfügung stehenden zumutbaren Rechtsbehelfe auszuschöpfen (vgl. bereits oben unter 2. c) bb)). |
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| 3. Nach alledem ist auch die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (jetzt AsylG) gestützte Abschiebungsanordnung in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. |
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| Zwar hat das Bundesamt vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylG inzident auch zu prüfen, ob Abschiebungsverbote oder Duldungsgründe vorliegen, soweit ein entsprechender Sachverhalt vorgetragen oder sonst ersichtlich ist. Eine solche rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung liegt hier jedoch nicht vor. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen, insbesondere unter 2. c) cc), verwiesen werden. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden gem. § 83 b AsylG nicht erhoben. |
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