Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 12. Aug. 2016 - 9 K 73/15
Gericht
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit i.H.v. 172,80 € in der Hauptsache erledigt ist.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 49,20 € nebst Prozesszinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 14. Januar 2015 von einem Betrag i.H.v. 222,- € sowie ab dem 17. November 2015 von einem Betrag i.H.v. 49,20 € zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Tochter W. des Beklagten besuchte im Schuljahr 2013/2014 die Klasse 9a der Städtischen M. -I. -Realschule.
3Die Elternpflegschaft dieser Klasse beschloss im September 2013, dass die Abschlussfahrt für die Klassenstufe 10 in der Zeit vom 15. bis zum 19. September 2014 stattfinden sollte. Am 24. September 2013 unterzeichnete der Beklagte die vorformulierte Einverständniserklärung. Des Weiteren unterzeichnete der Beklagte am 10. Dezember 2013 ein ebenfalls vorformuliertes Schreiben der Schule zum Abschluss einer Reiserücktrittskostenversicherung.
4Die Tochter des Klägers nahm an dieser Abschlussfahrt nicht teil, da sie am Ende des Schuljahres 2013/2014 nicht in die 10. Klasse versetzt worden war. Die von ihm bereits eingezahlten 352,- € wurden an den Beklagten zurücküberwiesen.
5Nach Stornierung der Reise für die Tochter des Beklagten stellte der Reiseveranstalter mit Schreiben vom 21. August 2014 eine Stornogebühr von 216,- € und die abgeschlossene Reiserücktrittskostenversicherung i.H.v. 6,- Euro in Rechnung. Zahlungsaufforderungen der Schule vom 25. August 2014 und 23. September 2014 sowie der Klägerin vom 2. Dezember 2014 blieben erfolglos.
6Die Klägerin hat am 13. Januar 2015 Klage gerichtet auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von insgesamt 222,- € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit erhoben. Sie hat unter dem 12. Januar 2016 die Klage in Höhe der im Kulanzwege von der Reiserücktrittskostenversicherung an sie geleisteten 172,80 € für erledigt erklärt.
7Sie macht im Wesentlichen geltend, mit der Kostenübernahmeerklärung habe der Beklagte mit ihr einen öffentlich-rechtlichen Vertrag abgeschlossen, aus dem er zur Zahlung der Stornierungskosten sowie der Kosten für die Reiserücktrittskostenversicherung verpflichtet sei.
8Die Klägerin beantragt nunmehr,
9in Höhe von 172,80 € die Erledigung des Rechtsstreites festzustellen, hilfsweise den Beklagten insoweit zu verurteilen, an sie 172,80 € zu zahlen, und den Beklagten zu verurteilen, an sie 49,20 € zu zahlen nebst Prozesszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 14. Januar 2015 von einem Betrag in Höhe von 222,‑ € sowie ab dem 17. November 2015 von einem Betrag in Höhe von 49,20 €.
10Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte.
12Entscheidungsgründe:
13Nach § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) steht das Nichterscheinen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung einer Entscheidung nicht entgegen, weil er zu diesem Termin mit dem Hinweis, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne diesen verhandelt und entschieden werden kann, geladen worden ist.
14Die Klage hat Erfolg.
15Dies gilt hinsichtlich des Feststellungsantrags mit Blick darauf, dass die Teilerledigungserklärung der Klägerin einseitig geblieben ist. Objektiv liegt in dem Umfang der Versicherungsleistung Erledigung vor. Unerheblich ist, ob die Klage insoweit zulässig und begründet war.
16Im übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
17Die Klägerin hat einen Zahlungsanspruch auf 49,20 € gegen den Beklagten aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne der §§ 54 ff. des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW).
18Der Wortlaut des § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG NRW steht der Anwendbarkeit dieser Bestimmungen nicht entgegen. Der dort beschriebene Anwendungsbereich umfasst nur das Verwaltungshandeln der Schulen in inneren, d.h. pädagogischen Angelegenheiten. Dazu zählt die Organisation einer Schulfahrt für den Schulträger, in dessen Aufgabenbereich sie fällt, nicht.
19Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 20. November 2015 - 19 A 1585/13 -, juris.
20Im übrigen sind sowohl das Schriftformerfordernis im Sinne des § 57 VwVfG NRW als auch der Grundsatz der Urkundeneinheitlichkeit aus § 62 Satz 2 VwVfG NRW i.V.m. § 126 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gewahrt. Hiervon ist ausnahmsweise auszugehen, wenn sich bei einem den Bürger einseitig verpflichtenden Verwaltungsvertrag beide Vertragserklärungen auf verschiedenen Schriftstücken befinden und die Zusammengehörigkeit der beiderseitigen Erklärungen ersichtlich ist.
21Vgl. OVG NRW, a.a.O.
22Diese Voraussetzungen liegen vor. Dies gilt zum einen mit Blick auf die schriftlichen Erklärungen des Beklagten vom 24. September 2013 sowie 10. Dezember 2013. Zum anderen ist nach den Ausführungen der Lehrerin in der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2016 davon auszugehen, dass sie mit ihrer Unterschrift den Eltern die erfolgte Buchung mitgeteilt hat. Unabhängig von einer unterschriebenen Erklärung der Schule im Nachgang zur schriftlichen Kostenübernahmeerklärung würde schon die Entgegennahme einer solchen durch die Schule ausreichen, weil diese damit hinreichend zum Ausdruck bringt, dass sie die Kostenübernahmeerklärung als verbindlich ansieht.
23Vgl. Verwaltungsgerichte Gelsenkirchen, Gerichtsbescheid vom 2. April 2007 - 4 K 3929/04 - und Berlin, Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2012 - 3 K 119.12 -, beide juris.
24Der Anspruch aus öffentlich-rechtlichem Vertrag umfasst auch die in dem Betrag von 49,20 € enthaltenen sechs Euro für die Reiserücktrittskostenversicherung, weil deren Abschluss bereits in der vom Beklagten unterschriebenen Einverständniserklärung vom 24. September 2013 empfohlen worden ist. Sofern dem nicht zu folgen wäre, ergäbe sich aufgrund der vom Beklagten unterschriebenen Erklärung vom 10. Dezember 2013 ein Aufwendungsanspruch nach § 670 BGB aufgrund eines Auftragsverhältnisses.
25Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus §§ 90 VwGO i.V.m. 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB analog.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
27Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 Alt. 1, 711 der Zivilprozessordnung.
moreResultsText
Annotations
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Dieses Gesetz gilt nicht für die Tätigkeit der Kirchen, der Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihrer Verbände und Einrichtungen.
(2) Dieses Gesetz gilt ferner nicht für
- 1.
Verfahren der Bundes- oder Landesfinanzbehörden nach der Abgabenordnung, - 2.
die Strafverfolgung, die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, die Rechtshilfe für das Ausland in Straf- und Zivilsachen und, unbeschadet des § 80 Abs. 4, für Maßnahmen des Richterdienstrechts, - 3.
Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und den bei diesem errichteten Schiedsstellen, - 4.
Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch, - 5.
das Recht des Lastenausgleichs, - 6.
das Recht der Wiedergutmachung.
(3) Für die Tätigkeit
- 1.
der Gerichtsverwaltungen und der Behörden der Justizverwaltung einschließlich der ihrer Aufsicht unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt dieses Gesetz nur, soweit die Tätigkeit der Nachprüfung durch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder durch die in verwaltungsrechtlichen Anwalts-, Patentanwalts- und Notarsachen zuständigen Gerichte unterliegt; - 2.
der Behörden bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen gelten nur die §§ 3a bis 13, 20 bis 27, 29 bis 38, 40 bis 52, 79, 80 und 96; - 3.
der Vertretungen des Bundes im Ausland gilt dieses Gesetz nicht.
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist schriftlich zu schließen, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist.
Soweit sich aus den §§ 54 bis 61 nichts Abweichendes ergibt, gelten die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes. Ergänzend gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.
Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.
Durch Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.