Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 13. Okt. 2016 - 2 K 2398/14
Tenor
Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 00.00.0000 verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für den Besuch der privaten I. -Schule in N. im Schuljahr 2014/15 ab dem 1. September 2014 bis zum Ende des Schuljahrs 2014/15 in Höhe von monatlich 1.400 € zu bewilligen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für den Besuch der privaten I. -Schule, einer staatlich anerkannten Ergänzungsschule, in N. für das Schuljahr 2014/15 in Höhe von 1.400,‑ € monatlich.
3Zusammen mit seiner 1996 geborenen Schwester lebt der Kläger bei seiner Mutter, die von dem Kindesvater seit 2005 getrennt lebt. Der Kläger ist Autist und seine Entwicklungsverzögerung sowie Förderbedarf zeigten sich bereits im frühen Kindesalter. Die ärztliche Stellungnahme der M. -Klinik W. vom 26. November 2012 enthält die Diagnose:
4‑ atypischer Autismus (ICD‑10: F 84.1)
5‑ Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung vom gemischten Typ
6‑ Artikulationsstörung (ICD‑10: F 80.0)
7‑ überdurchschnittliche intellektuelle Gesamtbefähigung bei inhomogenem Intelligenzprofil.
8Dem psychischen Befund ist u.a. zu entnehmen, dass der Kläger nur verminderten Blickkontakt aufnimmt, in seiner Mimik und Interaktion deutlich eingeschränkt ist und seine Stimmungslage euthym bis indifferent wirkt bzw. kaum schwingungsfähig ist. Es bestehen zudem deutliche Artikulationsstörungen, d.h. die Sprache ist verwaschen und teils schwer verständlich. Ferner wurde eine deutlich verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit festgestellt. Darüber hinaus bestünden deutliche Hinweise auf ein Asperger-Syndrom mit leichter Verbesserung im Vergleich zu den Voruntersuchungen.
9Der Kläger wurde 2005 an der Grundschule X. -N1. eingeschult und wechselte zum zweiten Schuljahr an die Grundschule X. -B. . Während der Grundschulzeit erhielt er bereits sonderpädagogische Förderung mit dem Förderschwerpunkt "emotionale und soziale Entwicklung". Nach der Schulformempfehlung der Grundschule vom Januar 2009 war der Kläger für den Besuch einer Real- und Gesamtschule geeignet und eines Gymnasiums eingeschränkt geeignet. Der Kläger sei aufgrund seiner schnellen Auffassungsgabe, seines logischen Denkvermögens sowie seiner besonderen Interessen und Kenntnisse in Teilbereichen der Naturwissenschaften trotz seiner nur befriedigenden Leistung bedingt für das Gymnasium geeignet. Eine erfolgreiche Schullaufbahn könne jedoch nur mit umfassender Betreuung durch einen Integrationshelfer gewährleistet werden. Der Kläger wechselte im August 2009 auf das N2. -L. -Gymnasium in X. , welches erneut ein AO-SF-Verfahren einleitete. Mit Bescheid vom Mai 2011 wurde erneut der Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt "emotionale und soziale Entwicklung" festgestellt. Der Kläger wurde ausweislich des Überweisungszeugnisses vom Juli 2011 nach dem sechsten Schuljahr nicht versetzt und wechselte im September 2011 an die H3. (H2. ) X. , die er bis zum Ende des 9. Schuljahrs (2013/14) besuchte und mit dem Hauptschulabschluss abschloss. Die sonderpädagogische Förderung wurde auch an der H2. X. fortgeführt.
10Der Beklagte gewährte dem Kläger bereits seit August 2007 Eingliederungshilfe nach § 35a des Sozialgesetzbuches VIII. Buch (SGB VIII) in Form eines Schulbegleiters/Integrationshelfers und zwar durchgehend bis zum Ende des Schuljahrs 2013/14 sowie einer Autismus-Therapie, die der Kläger ab August 2008 aufnehmen konnte und bis zum November 2014 fortführte. Den Protokollen über die geführten Hilfeplangespräche lässt sich entnehmen, dass die Schulsituationen insgesamt schwierig waren, insbesondere im Hinblick auf die Kontakte zu den Mitschülern. Seine Leistungsbereitschaft war schwankend, wobei der Kläger als sehr intelligent eingestuft wurde, aber Vermeidungsstrategien entwickelt habe.
11Nachdem der Kläger bereits im Jahr 2012 Schwierigkeiten im sozialen Kontakt gegenüber Mädchen hatte und es zu Vorfällen in dem Gebrauch der sozialen Netzwerke kam ("Schmäh-Mails"), kam es im ersten Halbjahr des 9. Schuljahres (2013/14) seitens des Klägers wiederholt zu massiven verbalen Grenzüberschreitungen gegenüber Mitschülern und Lehrern, die zu wiederholten Unterrichtsausschlüssen, Interventionsgesprächen, Klassenkonferenzen und Reflektionsgesprächen zur Aufarbeitung der Situationen führten. Im März 2014 eskalierte das Verhalten des Klägers zudem durch verbale und körperlich aggressive Tätlichkeiten gegenüber seinem Integrationshelfer. In der Folge wurde für den Kläger durch das pädagogische Team der H2. X. in Absprache mit der Mutter des Klägers und dem Sonderpädagogen/Autismusfachberater Michael Dohmen eine außerschulische Betreuung des Klägers auf dem Schulbauernhof der K. -L1. -Schule (K1. -L2. -S, einer Förderschule) für zwei Wochen organisiert. Das pädagogische Team der H2. wurde um einen weiteren Sonderpädagogen erweitert und ein "Einzel-Coaching" für den Kläger initiiert sowie eine Beratung durch den Sonderpädagogen E. durchgeführt. Für den Kläger wurde ein strukturierter Rückkehrplan zur weiteren Teilnahme am Unterricht an der H2. X. erstellt, der mit dem Kläger und seiner Mutter Ende März 2014 besprochen wurde. In der Folgezeit kam es jedoch erneut zu massiven und wiederholten Beleidigungen seitens des Klägers gegenüber Mitschülern und auch tätlichen Angriffen. Die Teilnahme an einem Berufsanfängerseminar musste trotz klarer Vorgaben für den Kläger am dritten Tag abgebrochen werden.
12Am 20. Mai 2014 führten die Schulleitung und Lehrkräfte der H2. X. ein pädagogisches Gespräch mit der Mutter des Klägers, in dem unter anderem die Vorfälle, die Unterrichtsausschlüsse mit Reflektionsgesprächen und die bisherigen Maßnahmen nach dem "Einzel-Coaching-Plan" erläutert und mögliche schulische Perspektiven bzw. ein Schulwechsel besprochen wurden. In der Folgezeit wurde der Kläger jedoch wegen respektlosen und massiv provozierenden Verhaltens mit grenzüberschreitender Annäherung gegenüber seinem Integrationshelfer erneut vom Unterricht ausgeschlossen.
13Die Mutter des Klägers erörterte am 26. Mai 2014 mit dem zuständigen Mitarbeiter des Jugendamtes die schulischen Probleme des Klägers sowie einen beabsichtigten Schulwechsel. Sie beantragte unter dem 26. Juni 2014 (Eingang per Fax am 27. Juni) Eingliederungshilfe für den Kläger durch Übernahme der Kosten für die private I. -Schule ab dem Schuljahr 2014/15. Der Kläger könne aufgrund seiner Behinderung ab dem nächsten Schuljahr nicht mehr an der H2. X. beschult werden. Dazu lägen bereits die Stellungnahmen der Schulleitung und des Schulamtes vor. Sie beziehe sich auf die bisher geführten Gespräche und die bereits vorliegenden Unterlagen. Die Beschulung an der I. -Schule sei erforderlich, weil der Kläger im Rahmen des bestehenden allgemeinen Schulsystems nicht weiter beschult werden könne. Während des Schulbesuchs an der I. -Schule sei die Hinzuziehung eines Integrationshelfers nicht mehr erforderlich. Auch der sonderpädagogische Förderungsbedarf könne insoweit ausgesetzt werden. Sie beabsichtige, den Kläger in der nächsten Woche an der I. -Schule anzumelden, da ansonsten aufgrund der bevorstehenden Schulferien eine weitere Beschulung nicht möglich sei. Der Vater des Klägers werde seine Zustimmung nachreichen.
14Die H2. X. stellte mit Schreiben vom Juni 2014 und der Stellungnahme des Sonderpädagogen vom 29. Mai 2014 ("Sonderpädagogische Hypothesen") die Entwicklung des Klägers im Schuljahr 2013/14 dar und führte aus, dass trotz des enormen Aufwandes und der Bündelung zahlreicher pädagogischer Ressourcen keine Entspannung der Situation zu erkennen sei. Es komme weiterhin zu massiven provozierenden Verhaltensweisen und deutlichen Grenzüberschreitungen. Zu diesem Schreiben der Schule vom Juni 2014 existiert noch eine zweite Fassung, die damit endet, dass aus Sicht der Schule der Punkt erreicht sei, an dem in diesem System keine weiteren Ressourcen vorhanden seien, die eine Erfolg versprechende Beschulung ermöglichen könnten. Der Sonderpädagoge - Herr H. – legte in seinem Bericht unter anderem dar, dass sich das pädagogische Team mit den ihnen möglichen pädagogischen Interventionen in den Rahmenbedingungen einer allgemeinen Schule im Grenzbereich dessen befänden, was überhaupt für den Kläger in einem solchen System zu leisten sei. Es sei dringend notwendig, für den Kläger ein adäquates anderes Fördersetting möglich zu machen, in dem er seine Ressourcen weiter positiv entwickeln könne.
15Das Schulamt des Kreises I1. führte gegenüber dem Jugendamt des Beklagten unter dem 12. Juni 2014 aus, dass nach Auskunft der Schule mit der Mutter des Klägers mehrere Möglichkeiten der weiteren Beschulung besprochen worden seien, unter anderem der Wechsel zu einer anderen Schule (I. -Privatschule, W1. -Haus in B1. ). Die Mutter des Klägers habe um eine Stellungnahme gebeten, um ihr Anliegen zu einem Schulwechsel zu unterstreichen. Es werde um Prüfung in eigener Zuständigkeit gebeten. Dabei werde darauf hingewiesen, dass die Schule der Mutter Möglichkeiten der weiteren Beschulung an der H2. X. aufgezeigt habe. Da der Kläger sonderpädagogischen Förderbedarf habe, könne ihm auch ein Platz an der L2. . -L1. -Schule angeboten werden.
16Nachdem ebenfalls der Kindesvater dem Hilfeantrag am 17. Juli 2014 zugestimmt hatte, gab der Beklagte unter dem 22. Juli 2014 Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags im Hinblick auf die von dem Schulamt dargelegten Möglichkeiten einer weiteren Beschulung.
17Die Mutter des Klägers führte unter dem 31. August 2014 dazu aus, dass die Darstellung des Schulamtes nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspräche. Ihr Bestreben sei es gewesen, dass der Kläger bis zum Schulabschluss die H2. X. besuche. Dafür habe er alle in Betracht kommende Unterstützung (Integrationshelfer, Sonderförderung, Autismus-Therapie sowie Nachhilfe) erhalten. Im Übrigen habe sie Beratungen durch den Autismus-Therapeuten sowie durch das Jugendamt in Anspruch genommen und darüber hinaus den Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgesucht, der eine medikamentöse Behandlung empfohlen habe, die auch erfolgt sei. Sie habe alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um eine weitere Beschulung zu ermöglichen. Im Laufe des Schuljahres hätten mehrere Gespräche mit den Lehrkräften der H2. X. stattgefunden und ihr sei erklärt worden, dass man "mit dem Latein am Ende sei" und eine weitere Beschulung an der H2. X. nicht mehr vorstellbar sei. Am 20. Mai 2014 sei ihr schließlich mitgeteilt worden, dass eine weitere Beschulung an der H2. X. nicht mehr tragbar sei. Als Alternative sei die I. -Privatschule oder das W1. -Haus in B1. dringlich empfohlen worden, welche sie sodann kontaktiert habe. Im W1. -Haus B1. sei eine Beschulung nur mit einer Internatsunterbringung möglich, die von dem Kläger aber abgelehnt werde. Auch der zuständige Mitarbeiter des Jugendamtes sei der Auffassung, dass das Internat keine geeignete Alternative für den Kläger sei, da die Hauptprobleme im schulischen und weniger im privaten bzw. familiären Bereich lägen. Nach mehrfachen Gesprächen mit dem Leiter der I. -Schule habe sie die Überzeugung gewonnen, dass dort junge Menschen mit Autismus und ADHS bestmöglich beschult werden können und dies auch für den Kläger mit seinem atypischen Autismus und der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung vom gemischten Typ die richtige Schule sei. Der Schulwechsel sei nicht von ihr gewünscht worden. Die H2. X. habe jedoch dargelegt, dass sie nicht mehr über die Erfahrung und Kapazitäten verfüge, um eine weitere und angemessene Beschulung für den Kläger zu gewährleisten. Eine weitere Perspektive für eine Beschulung an der H2. X. sei ihr nicht aufgezeigt worden. Zudem sei von den dortigen Lehrkräften eine Beschulung an der Förderschule für den Kläger und dessen persönliche und schulische Entwicklung als nicht förderlich angesehen worden; diese Auffassung werde ferner von dem Sonderpädagogen und Fachberater Herrn E. , der zugleich Lehrer der K1. -L2. -S sei, geteilt.
18Der Kläger besucht seit dem Schuljahr 2014/15 die I. -Schule. Der Schulvertrag wurde mit den Eltern am 20. August 2014 mit Vertragsbeginn zum 01. August 2014 abgeschlossen und enthält als Zusatzvereinbarung ein Sonderkündigungsrecht zum Ende eines jeden Monats im Hinblick auf die beantragte Jugendhilfe und das schwebende Verfahren.
19Die Mutter des Klägers legte dem Beklagten eine weitere Stellungnahme der Schulleiterin der H2. X. vom 16. September 2014 vor, in der diese unter anderem die notwendige wöchentliche Betreuung des Klägers im Anschluss an den Aufenthalt auf dem Bauernhof darlegte und ausführte, dass die hohe Betreuung und alle Maßnahmen letztendlich dazu geführt hätten, dass der Kläger an der Schule einen Hauptschulabschluss nach Klasse 9 erreichen konnte und es zu keiner weiteren Klassen-Teilkonferenz gekommen sei. Der Kläger habe leider nicht zu einem Abschluss mit Qualifikation gebracht werden können, obwohl dies nach Einschätzung aller Kollegen bei anderem Sozial- und Arbeitsverhalten hätte erreicht werden können. Die hohe Betreuung, die sie in die Arbeit mit dem Kläger investiert hätten, sei nur temporär möglich gewesen. Diese notwendige Betreuung, die weit über dem liege, was an zusätzlicher Betreuung veranschlagt worden sei, hätten sie in dieser Form in diesem Schuljahr nicht noch einmal anbieten können.
20Der Beklagte holte eine weitere Stellungnahme des Schulamtes vom 31. Oktober 2014 zu den Ausführungen der Mutter des Klägers im Anhörungsverfahren ein. Danach nahm das Schulamt Bezug auf E-Mails der Schulleitung der H2. X. vom 11. und 12. Juni 2014, die den Hinweis enthalten hätten, dass dem Kläger Perspektiven zur weiteren Beschulung aufgezeigt worden seien und u.a. auch der Besuch des Berufskollegs in Erkelenz angesprochen worden sei. Seitens der Mutter des Klägers sei um eine Stellungnahme des Schulamtes gebeten worden, um einen Schulwechsel zu unterstreichen. Die Schule habe der Mutter des Klägers weitere Möglichkeiten zur Beschulung an der H2. X. aufgezeigt. Weiterhin könne eine Beschulung an einer entsprechenden Förderschule angeboten werden. Dieser Hinweis erfolge grundsätzlich. Der Stellungnahme des Sonderpädagogen könne entnommen werden, dass der Kläger bereits das Schulbauernhofprojekt der K1. -L2. -S besucht habe. Diese Beschulungsmöglichkeiten würden weiterbestehen. Zudem habe die K1. -L2. -S große Erfahrung im Umgang mit schwerwiegenden Verhaltensproblematiken.
21Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 00.00.0000 den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Privatbeschulung ab. Zwar lägen die Anspruchsvoraussetzungen auf Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII aufgrund der autistischen Störung des Klägers vor, aber es bestehe eine vorrangige Leistungsverpflichtung der Schule gemäß § 10 SGB VIII. Unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 4 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG NRW) sei davon auszugehen, dass das öffentliche Schulsystem in der Lage sei, auch den Kläger angemessen zu fördern. Dazu seien Stellungnahmen des Schulamtes des Kreises I1. eingeholt worden, wonach seitens der H2. X. dem Kläger weitere Beschulungsmöglichkeiten an der dortigen Schule aufgezeigt worden seien. Ferner könne dem Kläger im Hinblick auf seinen sonderpädagogischen Förderbedarf auch ein Beschulungsplatz an der K1. -L2. -S in H1. angeboten werden. Das Schulamt sei den Ausführungen zu einer nicht mehr möglichen weiteren Beschulung an der H2. X. nochmals mit Stellungnahme vom 31. Oktober 2014 entgegengetreten und habe seine bisherigen Ausführungen zu einer weiteren möglichen Beschulung aufrechterhalten. Zwar lägen zwei verschiedene Versionen des Schreibens der Schule aus Juni 2014 vor, es sei jedoch im Hinblick auf die Stellungnahme des Schulamtes vom 31. Oktober 2014 davon auszugehen, dass sich zumindest die Schulleitung der H2. X. der Beurteilung des Schulamtes anschließe. Ebenfalls habe der Sonderpädagoge in seiner Stellungnahme vom Mai 2014 auf kleine Fortschritte und Entspannung des hochbelasteten schulischen Systems hingewiesen. Die vorliegenden Unterlagen und Stellungnahmen der pädagogischen Fachkräfte ließen den Schluss zu, dass die Beschulung des Klägers im öffentlichen Schulsystem weiter möglich gewesen wäre. Jedenfalls seien zum Zeitpunkt der Anmeldung an der I. -Privatschule noch nicht alle im öffentlichen Schulsystem entwickelten und angebotenen Maßnahmen zur Förderung des Sohnes ausgeschöpft worden.
22Der Kläger schloss in der Folgezeit das 10. Schuljahr (2014/15) erfolgreich mit dem Erwerb eines mittleren Schulabschlusses (Fachoberschulreife) ohne Qualifikationsnachweis ab und wurde von der I. -Schule in die Oberstufe aufgenommen. Nach erneuter Antragstellung des Kläger auf Übernahme der Kosten für die Fortsetzung des Schulbesuchs an der I. -Schule leitete der Beklagte ein Hilfeplanverfahren ein und bewilligte dem Kläger Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme der Privatbeschulung für das Schuljahr 2015/16 und auch für das erste Schulhalbjahr 2016/17.
23Der Kläger hat am 00.00.0000 Klage erhoben und sein bisheriges Vorbringen weiter vertieft. Der Schulwechsel sei erst auf Grund des Gesprächs seiner Mutter mit der H2. X. im Mai 2014 eingeleitet worden und die Anmeldung erst mit dem Schulbeginn erfolgt, nachdem eine rechtzeitige Entscheidung des Beklagten nicht mehr habe erwartet werden können. Die Selbstbeschaffung sei zulässig gewesen, da ihm ein weiteres Zuwarten und ein späterer Wechsel während des Schuljahrs nicht zumutbar gewesen wären. Der Beklagte sei über die gesamte schulische Situation in Kenntnis gesetzt worden und habe keine konkreten Beschulungsangebote aufgezeigt. Die Lehrkräfte der H2. X. hätten eindeutig und unmissverständlich dargelegt, dass eine weitere Beschulung nicht mehr tragbar gewesen wäre. Es seien keine Perspektiven für einen Verbleib an der Schule aufgezeigt, sondern vielmehr ein dringender Schulwechsel angeraten und dabei ausdrücklich auf die I. -Schule und W1. -Haus in B1. hingewiesen worden. Für eine weitere Beschulung sei eine kleine Klassengröße und Lehrkräfte mit Autismuserfahrung als erforderlich angesehen worden. Die K1. -L2. -S sei gar nicht angesprochen worden. Es bestehe im Übrigen seit mehreren Jahren Kontakt zu dem Sonderpädagogen E. , der bisher immer der Auffassung vertreten habe, dass die K1. -L2. -S nicht die geeignete Schule für ihn sei.
24Der Kläger legte ergänzend ein psychologisches Gutachten der Dipl.-Psychologin C. /Bundesagentur für Arbeit vom 9. September 2014 zur Einschätzung realisierbarer Schul- und Berufsabschlüsse des Klägers sowie die von der Schulleiterin der H2. X. an das Schulamt übersandten E-Mails vom 11./12. Juni 2014 vor.
25Der Kläger beantragt,
26den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 00.00.0000 zu verpflichten, ihm Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Schulkosten für den Besuch der I. -Schule in N. während des Schuljahrs 2014/2015 ab dem 1. September 2014 zu bewilligen.
27Der Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Die selbstbeschaffte Privatbeschulung sei nicht alternativlos gewesen, da weitere Beschulungsmöglichkeiten im öffentlichen Schulsystem bestanden hätten. Seitens des Beklagten habe keine Veranlassung bestanden, an den Angaben des Schulamtes zu zweifeln. Die Entscheidung über die Beschulung liege letztlich nicht bei der jeweiligen Schule, sondern bei der Schulaufsicht, die eine Beschulung außerhalb des öffentlichen Schulsystems nicht für erforderlich gehalten habe. Insoweit habe für ihn, den Beklagten, kein Handlungsbedarf bestanden.
30Die Bewilligung der Eingliederungshilfe ab dem Schuljahr 2015/16 sei auf Grund der neu entstandenen Beschulungs- bzw. Ausbildungssituation des Klägers nach Erreichen der Fachoberschulreife erfolgt und lasse keinen Rückschluss für die begehrte Eingliederungshilfe im Schuljahr 2014/15 zu.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
32E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
33Die Klage ist zulässig und begründet.
34Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 00.00.0000 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit er den Zeitraum ab dem 1. September 2014 bis zum Ende des Schuljahres 2014/15 betrifft, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat für diesen Zeitraum einen Anspruch auf Übernahme des im Zusammenhang mit dem Besuch der I. -Schule in N. zu leistenden Schulgeldes in Höhe von 1.400 € monatlich.
35Soweit Leistungsberechtigte sich - wie im vorliegenden Fall - eine Leistung, die grundsätzlich im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe gewährt werden kann, ohne vorherige Entscheidung bzw. Mitwirkung des Jugendamtes - vgl. § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII - selbst beschafft haben, besteht eine Verpflichtung zur Erstattung der dadurch entstandenen Kosten bzw. Aufwendungen nur unter den in § 36a Abs. 3 SGB VIII geregelten Voraussetzungen,
36vgl. eingehend zur entsprechenden höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung bereits vor Einführung des § 36a Abs. 3 SGB VIII: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 - und vom 20. Juni 2008 - 12 A 739/06-, jeweils juris und m.w.Nw..
37Ein Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen gegen den öffentlichen Jugendhilfeträger besteht danach nur, wenn
381. der Leistungsberechtigte den öffentlichen Jugendhilfeträger vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat,
392. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und
403. die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des öffentlichen Jugendhilfeträgers über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.
41Die Mutter des Klägers hat den Beklagte zunächst rechtzeitig i.S. der Ziffer 1 der Vorschrift über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt. Das "Inkenntnissetzen" umfasst dabei grundsätzlich auch die Beantragung der begehrten Jugendhilfeleistung, wobei allerdings keine besondere Form vorgeschrieben ist und dieser Antrag auch durch schlüssiges Verhalten gestellt werden kann. Der Antrag muss jedoch so rechtzeitig gestellt werden, dass dem Jugendhilfeträger eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen möglich ist,
42vgl. dazu etwa OVG NRW, Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 - mit Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 11. August 2005 - 5 C 18/04 -, jeweils juris.
43In der Rechtsprechung ist ferner anerkannt, dass auch in Fällen einer ursprünglich unzulässigen Selbstbeschaffung bei Jugendhilfemaßnahmen, die zeitabschnittsweise geleistet werden können, eine Kostenübernahme für einen späteren Zeitpunkt in Betracht kommt, wenn die Selbstbeschaffung nachträglich zulässig geworden ist,
44vgl. dazu etwa: OVG NRW, Urteile vom 16. November 2015 - 1639/14 -, juris Rz. 84-87, vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 - und Beschlüsse vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, vom 22. März 2006 - 12 A 806/03 - und vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, jeweils juris.
45Bezogen auf den in dem - in der mündlichen Verhandlung klargestellten - Klageantrag genannten Leistungszeitpunkt ab dem 1. September 2014 ist die vorliegende Antragstellung als rechtzeitig anzusehen. Zwar beantragte die Mutter des Klägers schriftlich zunächst allein am 27. Juni 2014 - der Kindesvater sodann am 17. Juli 2014 - die Kostenübernahme für den Privatschulbesuch und nahm der Kläger bereits am 20. August 2014 den Besuch der I. -Schule - unter gleichzeitigem Abschluss des Schulvertrages mit Beginn des Schuljahres 2014/15 zum 1. August 2014 - auf. Die Kammer sieht jedoch trotz der damals anstehenden Ferienzeit jedenfalls den Zeitraum bis zum 1. September 2014 als ausreichenden Entscheidungszeitraum zur Klärung der konkreten schulischen Bedarfslage des Klägers und der insoweit zur Verfügung stehenden schulischen Möglichkeiten an. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Beklagte keine umfangreichen Feststellungen mehr zu den Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 SGB VIII treffen musste, da er bereits seit 2007 Eingliederungshilfe für den Kläger erbrachte und regelmäßige Hilfeplangespräche stattfanden. Zudem hatte die Mutter des Klägers bereits am 26. Mai 2014 - nach dem Gespräch mit der Schule am 20. Mai 2014 - mit dem zuständigen Mitarbeiter des Jugendamtes die schulische Situation des Klägers an der H2. X. erörtert und diesen über die Vorfälle und Gespräche mit der Schule in Kenntnis gesetzt. Dabei wurde u.a. über eine beabsichtigte Privatbeschulung zum Beginn des Schuljahres 2014/15 und die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme im Rahmen der Eingliederungshilfe gesprochen. Trotz der am 7. Juli 2014 beginnenden Ferienzeit wäre bis zum tatsächlichen Schulbeginn am 20. August 2014 noch ein Hilfeplangespräch zu einem möglichen Hilfsmittel "Privatschule" möglich gewesen. Vor dem Hintergrund, dass der Schulvertrag ebenfalls erst am 20. August 2014 geschlossen wurde und ausdrücklich ein monatliches Sonderkündigungsrecht vorsah, ist die Selbstbeschaffung ab dem 1. September 2014 nicht als unzulässig anzusehen.
46In dem hier maßgeblichen Zeitraum haben ferner i.S.v. § 36a Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII die Voraussetzungen für die Gewährung einer Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII vorgelegen. Dem Kläger stand insoweit ein Anspruch auf eine Hilfegewährung zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung nach § 35a Abs. 1 und 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII und § 12 Nr. 2 der Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglHVO) in Form der Übernahme der Kosten für die Beschulung an der I. -Schule zu.
47Nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben Kinder und Jugendliche einen Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
481. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und
492. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt wird oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
50Bei gleichzeitigem Vorliegen beider Voraussetzungen geht das Gesetz von einer sog. "seelischen Behinderung" aus, wobei es ausreicht, wenn der Betroffene von einer "seelischen Behinderung" bedroht ist. Dies ist der Fall, wenn eine Teilhabebeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII.
51Nach dem vorliegenden - den Anforderungen des § 35a Abs. 1a SGB VIII genügenden - ärztlichen bzw. jugendpsychiatrischen Stellungnahmen der M. -Klinik W. vom 26. November 2012 lag bei dem Kläger im maßgeblichen Zeitraum eine seelische Störung vor. Dies ergibt sich aus den dort ausgewiesenen Diagnosen eines atypischen Autismus (ICD‑10: F 84.1) mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung vom gemischten Typ und einer Artikulationsstörung (ICD‑10: F 80.0).
52Unter Berücksichtigung dieser fachärztlichen Stellungnahme sowie den vorliegenden Schilderungen der Mutter des Klägers und den vorliegenden schulischen Berichten lag ferner im maßgeblichen Zeitraum eine - durch die seelische Störung hervorgerufene - Teilhabebeeinträchtigung des Klägers vor. Davon ist im i.S.v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII auszugehen, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt und eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt,
53vgl. dazu eingehend: BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18/04 - und vom 26. November 1998 - 5 C 38/97 -, jeweils juris sowie OVG NRW, Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, m.w.Nw., juris.
54Auf Grund der diagnostizierten seelischen Störung bestanden tiefgreifende Probleme des Klägers, sich in den für sein Alter maßgeblichen Lebensbereichen - wie etwa Schule, Familie, außerschulische Sozialkontakte - zu integrieren. Das Vorliegen einer seelischen Behinderung wird auch seitens des Beklagten bereits seit Aufnahme der Jugendhilfemaßnahmen im Jahr 2007 als gegeben angesehen.
55Der Besuch der I. -Schule stellte sich ferner als erforderliche und geeignete Maßnahme der Eingliederungshilfe dar.
56Dabei ist von der damaligen Perspektive des leistungsberechtigten Klägers bzw. seiner Eltern auszugehen. Auch bei der Selbstbeschaffung einer aus fachlichen Gründen abgelehnten Leistung ist zu prüfen, ob der vom Jugendamt aufgestellte Hilfeplan verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst und fachlich vertretbar ist. Diese Prüfung erstreckt sich dabei nicht auf eine reine Ergebniskontrolle, sondern umfasst auch die Begründung und rechtliche Bewertung des streitgegenständlichen Bescheides. Diese müssen für den Betroffenen nachvollziehbar sein, damit er entscheiden kann, ob in der gegebenen Situation eine Selbstbeschaffung gerechtfertigt ist. Hat das Jugendamt die begehrte Hilfe aus im vorgenannten Sinne vertretbaren Erwägungen abgelehnt, besteht weder ein Anspruch des Betroffenen auf die begehrte Eingliederungshilfeleistung noch auf den Ersatz von Aufwendungen für eine selbst beschaffte Hilfe. Hat demgegenüber das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, können an dessen Stelle die Betroffenen den sonst der Behörde zustehenden, nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Sie sind insoweit gezwungen, eine eigene Entscheidung über eine angemessene Lösung für die vorhandene Belastungssituation zu treffen, mit der Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr etwa im Nachhinein nicht mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet gehalten,
57vgl. dazu eingehend und m.w.Nw. zur Rspr. d. BVerwG: OVG NRW, Urteil vom 22. August 2014 - 12 A 3019/11 -, juris Rz. 58f..
58Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich das von dem Beklagten eingeleitete Verwaltungsverfahren als nicht ausreichend und die mit Bescheid vom 00.00.0000 gegebene Begründung als nicht tragfähig für die erfolgte Ablehnung der Hilfe. Die sich nach den vorliegenden fachärztlichen sowie schulischen Berichten und Stellungnahmen aufdrängende Bedarfslage des Klägers zum Beginn des Schuljahrs 2014/15 wurde nur unzureichend erfasst und abgearbeitet.
59Bereits den damaligen ausführlichen Stellungnahmen der mit dem Kläger befassten Lehrkräfte sowie der Schulleitung der H2. X. von Mai und Juni 2014 konnte entnommen werden, dass die Möglichkeit einer weiteren Beschulung des Klägers an dieser Schule bzw. in einer Regelklasse wegen seines Fehlverhaltens insbesondere seines aggressiven und tätlichen Verhaltens gegenüber Mitschülern, Lehrern und auch dem Integrationshelfer nicht mehr als gegeben angesehen wurde. Insbesondere legte die Schule dar, dass die von ihr für den Kläger eingeleiteten zahlreichen Einzelmaßnahmen nicht zu einer Änderung des klägerischen Verhaltens bzw. Verbesserung der schulischen Situation geführt hätten und die im hohen Maße erforderliche intensive Zuwendung bzw. Einzelbetreuung des Klägers nicht mehr weiter fortgeführt werden könne. Dies bestätigte die Schulleiterin noch einmal mit Schreiben vom 16. September 2014, wonach nur auf Grund dieser notwendigen hohen Betreuung überhaupt noch eine Beschulung und ein Erreichen des Hauptschulabschlusses nach Klasse 9 möglich gewesen sei, diese jedoch nicht mehr im Schuljahr 2014/15 hätte fortgesetzt werden können. Ebenfalls wies der Sonderpädagoge der Schule (Herr H. ) in seiner Stellungnahme vom 29. Mai 2014 darauf hin, dass bereits der Grenzbereich des schulischen Leistungsvermögen erreicht worden sei und es dringend notwendig sei, für den Kläger ein anderes passendes Fördersetting zu ermöglichen. Dem entsprechen insoweit auch die Angaben der Mutter des Klägers, wonach ihr im Gespräch mit den Lehrkräften der H2. X. am 20. Mai 2014 ein Schulwechsel des Klägers als dringend erforderlich dargelegt worden sei.
60Vor diesem Hintergrund ist das eingeleitete Verwaltungsverfahren als nicht ausreichend anzusehen. Dem Verwaltungsvorgang kann insoweit lediglich entnommen werden, dass sich der Beklagte nach Eingang der bereits von der Mutter veranlassten Stellungnahmen der Schule und des Schulamtes und nach ihrer Anhörung im Oktober 2014 erneut an das Schulamt wandte mit der Bitte um eine weitere Stellungnahme. Der Beklagte leitete jedoch kein Hilfeplanverfahren ein, um der sich angesichts der Stellungnahme des Schulamtes vom 12. Juni 2014 nach Auffassung des Gerichts aufdrängenden Frage, ob (überhaupt) und (ggfs.) welche Art von Regelschulplatz der konkret geltend gemachten Bedarfslage des Klägers gerecht wird, weiter nachzugehen. Er führte weder ein Hilfeplangespräch mit der Mutter des Klägers noch beteiligte er die bisher mit dem Kläger befassten Lehrkräfte bzw. Sonderpädagogen der H2. X. . Dazu bestand vorliegend nach Auffassung der Kammer Veranlassung, da sich der Stellungnahme des Schulamtes vom 12. Juni 2014 lediglich entnehmen ließ, dass der Mutter des Klägers Möglichkeiten einer weiteren Beschulung an der H2. X. aufgezeigt worden seien und dies im Widerspruch zu den dem Beklagten vorliegenden Angaben der Schule selbst und derjenigen der Mutter des Klägers stand. Darüber hinaus sind gerade die Stellungnahmen der bisherigen Lehrkräfte bzw. Sonderpädagogen ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Würdigung der schulischen Belastungs- bzw. Bedarfssituation eines Kindes bzw. Jugendlichen, da sie einen unmittelbaren pädagogischen Eindruck vermitteln. Ferner lag es aus Sicht der Kammer auch nahe, den im Klageverfahren als "Autismusbeauftragten" benannten Sonderpädagogen E. , der auch gleichzeitig Lehrer an der K1. -L2. -S war bzw. ist und zu dem sowohl die Lehrkräfte der H2. X. als auch die Mutter des Klägers bereits mehrfach in der Vergangenheit Kontakt aufgenommen hatten, in ein Hilfeplangespräch bzw. Hilfeplanverfahren einzubeziehen. Schließlich drängte sich auch eine Einbeziehung des von dem Beklagten bereits im Rahmen der Eingliederungshilfe eingesetzten und selbst betroffenen Integrationshelfers des Klägers auf.
61Soweit sich der Beklagte in seiner ablehnenden Begründung unter Hinweis auf den Nachranggrundsatz in § 10 SGB VIII sowie den Bildungs- und Erziehungsauftrag der öffentlichen Schulen in § 2 Abs. 4 SchulG NRW auf die Stellungnahmen des Schulamtes bezieht, die die Möglichkeit einer weiteren Beschulung im öffentlichen Schulsystem aufgezeigt hätten, ist dies nicht als ausreichend anzusehen. Die von dem Beklagten im Klageverfahren vertretene Auffassung, dass für ihn angesichts dieser Stellungnahmen kein Handlungsbedarf bestand, da die Entscheidung, ob eine Beschulung im öffentlichen Schulsystem möglich sei, der Schulverwaltung obliege und keine Veranlassung bestand, die Angaben der Schulaufsicht anzuzweifeln, trägt im vorliegenden Fall die Ablehnung nicht.
62Ein Anspruch des Klägers war nicht wegen des Nachrangs der Jugendhilfe ausgeschlossen.
63Der Grundsatz des Nachrangs ist in § 10 Abs. 1 SGB VIII verankert, wonach Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen durch dieses Buch nicht berührt werden. Es genügt für die Nachrangigkeit der Jugendhilfe allerdings nicht, dass eine anderweitige Verpflichtung überhaupt besteht, diese muss vielmehr auch rechtzeitig realisierbar und nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten sein. Insoweit hat die höchstrichterliche Rechtsprechung,
64vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 5 C 21/11 -, a.a.O., m.w. Nw. zur Rspr. d. BVerwG,
65einen vorrangigen Anspruch gegen die Schulverwaltung nur angenommen, soweit und solange die Schule tatsächlich Hilfe gewährt oder der Betroffene den Anspruch auf Hilfeleistung gegen die Schulverwaltung rechtzeitig verwirklichen kann.
66Nach der gefestigten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen muss sich ein Antragsteller nur dann auf das öffentliche Schulsystem verweisen lassen, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auch zur Verfügung steht, d.h. präsent ist,
67vgl. etwa: OVG NRW, Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 - und Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris jeweils m.w.Nw..
68Damit ist zunächst der bloße Hinweis des Beklagten auf den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen nach § 2 Abs. 4 und 5 SchulG NRW zur individuellen Förderung und inklusiven Bildung und der damit der Schulverwaltung obliegenden Aufgabe, eine angemessene Beschulung entweder durch Wahl einer geeigneten Schule oder durch eine in pädagogischer Hinsicht angemessene personelle Ausstattung der zugewiesenen Schule zur Verfügung zu stellen, nicht ausreichend. Denn die Verpflichtung des öffentlichen Schulsystems, auch förderintensive Kinder und Jugendliche angemessen zu beschulen, entbindet die Jugendhilfe für sich genommen nicht von ihrer umfassenden Hilfe- und Steuerungsverantwortung. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung darf insbesondere die Auseinandersetzung um den Nachrang der Jugendhilfe und den Vorrang des Schulwesens nicht auf dem Rücken des betroffenen Kindes/Jugendlichen ausgetragen werden,
69vgl. auch: OVG NRW, Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 12 A 1350/14 -, wonach auf die rechtliche Verpflichtung eines Schulträgers nicht ankommt, (Beschluss über die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG Düsseldorf vom 29. April 2014 - 19 L2. 469/14), juris, m.w.Nw. zur Rspr..
70Ferner ist der Verweis des Beklagten auf die vom dem Schulamt angegebene weitere Beschulungsmöglichkeiten an der H2. X. oder an der Förderschule - der K1. -L2. -S - vorliegend fachlich nicht vertretbar bzw. stellte keine angemessene Bewältigung des konkreten Hilfebedarfs dar. Weder dem Ablehnungsbescheid noch dem Verwaltungsvorgang kann entnommen werden, dass an der H2. X. - weiterhin eine den damals besonderen - autismusgeprägten - schulischen Bedarf des Klägers deckende Hilfe für das kommende Schuljahr zur Verfügung stand. Für eine weitere Beschulung an der H2. X. lagen auf Grund der oben aufgeführten eindeutigen Stellungnahmen der Lehrkräfte bzw. Schulleitung gerade gegenteilige Anhaltspunkte vor. Der Hinweis des Schulamtes auf die seitens der Schulleitung gegenüber der Mutter des Klägers aufgezeigten Perspektiven für eine weitere Beschulung an der H2. X. , wie sie den E-Mails der Schule vom 11. und 12. Juni 2016 an das Schulamt entnommen werden können, war nicht geeignet, diese Anhaltspunkte zu entkräften. Nach diesen - durch die Mutter des Klägers vorgelegten - E-Mails der Schule handelte es sich nach Auffassung des Gerichts bei den dort angeführten Wechsel des Klägers in die Klasse 10 B der Schule oder Wiederholung der Klasse 9 nicht um ein Aufzeigen von Möglichkeiten im Sinne einer "Bleibeperspektive", sondern vielmehr um ein Aufzeigen dessen, was dem Kläger und der Schule bei Fortsetzung des bisherigen Verhaltens in einem nächsten Schuljahr bevorsteht. Die Schulleiterin verwies ausdrücklich auf die eingebrochene Zusammenarbeit des Klägers mit dem Integrationshelfer, die anstehenden Teilkonferenzen und zu beschließenden Ordnungsmaßnahmen oder die Beantragung eines Förderortwechsels. Sie prognostizierte damit keine bedarfsgerechte Beschulung, sondern ein "Scheitern" der Beschulung des Klägers im kommenden Schuljahr. Sie brachte - wie auch in ihren anderen Stellungnahmen - eindeutig zum Ausdruck, dass seitens der Schule ein Schulwechsel unbedingt erforderlich sei und gewünscht werde.
71Soweit der Beklagte demgegenüber darauf verweist, dass es sich letztlich um einen zwischen der einzelnen Schule und der Schulaufsicht zu klärenden Sachverhalt handele und für ihn maßgeblich - allein - die Angaben der Schulaufsicht seien, kann dem für den vorliegenden Sachverhalt nicht gefolgt werden. Denn von dem Beklagten ist in eigener Zuständigkeit der von dem Kläger ihm gegenüber geltend gemachte jugendhilferechtliche Hilfebedarf im Bereich schulische Eingliederung zu prüfen (worum im Übrigen auch das Schulamt in seiner Stellungnahme gebeten hat). Dies umfasst im Einzelfall auch die Frage, ob die seitens der Schulverwaltung mitgeteilten Beschulungsmöglichkeiten im öffentlichen Schulsystem geeignet erscheinen, den konkreten schulischen Eingliederungsbedarf tatsächlich zu decken, etwa im Hinblick auf eine konkret erforderliche geringe Klassengröße, besondere Unterrichtsbedingungen/Förderungen, hohe Einzelbetreuung, etc.. Dies stellt entgegen der Auffassung des Beklagten auch keinen Eingriff in die der Schulverwaltung obliegenden Aufgaben dar, denn es handelt sich um die allein dem Beklagten obliegende Prüfung, ob es sich insoweit um eine Beschulung handelt, die den geltend gemachten jugendhilferechtlichen Bedarf abdeckt, d.h. bedarfsgerecht ist. Der gegebenenfalls unter Beteiligung der Schulaufsichtsbehörden zu führende Nachweis einer vorhandenen bedarfsdeckenden Hilfe im öffentlichen Schulsystem durch Aufzeigen einer konkreten Alternative zum Privatschulbesuch obliegt dem Jugendamt,
72vgl. etwa: OVG NRW, Urteil vom 16. November 2015 - 12 A 1639/14 -, juris Rz. 107 ff, 112 m.w.Nw. zur Rspr.
73Mit dem alleinigen Hinweis auf eine nach Mitteilung des Schulamtes zur Verfügung stehende Beschulungsmöglichkeit im öffentlichen Schulsystem ist der Nachweis einer konkreten Alternative zum Privatschulbesuch vorliegend - noch - nicht erbracht worden. Der Verweis auf das öffentliche Schulsystem ist insbesondere dann nicht ausreichend, wenn gerade die aufgezeigte Schule - wie vorliegend - einen Schulwechsel für erforderlich gehalten und angestoßen hat. Dem steht schließlich angesichts der sich zum Mai 2014 zuspitzenden schulischen Situation auch nicht der Hinweis des Beklagten auf einen Bericht der H2. X. vom 14. (12.) Februar 2014 an den Beklagten bzgl. der weiteren Notwendigkeit des Einsatzes eines Integrationshelfers zur Ermöglichung einer weiteren Beschulung des Klägers an der H2. entgegen, da die Schule gerade zum damaligen Zeitraum zahlreiche Einzelmaßnahmen zur Bewältigung der Situation eingeleitet hatte bzw. durchführte. Im Übrigen weist die Schule in diesem Bericht bereits auf den zum damaligen Zeitpunkt "massiven Unterstützungsbedarf" des Klägers hin.
74Schließlich stellte auch der Verweis des Beklagten auf eine Beschulungsmöglichkeit an einer Förderschule mit Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung - hier: der K1. -L2. -S - kein konkret bedarfsdeckendes Angebot dar.
75Zum einen kann dem Ablehnungsbescheid schon nicht entnommen werden, ob tatsächlich für den Kläger ein Platz im Schuljahr 2014/15 für das 10. Schuljahr vorhanden war, denn nach der ergänzenden Stellungnahme des Schulamtes vom 31. Oktober 2014 erfolgt ein derartiger Hinweis "grundsätzlich", soweit sonderpädagogischer Förderbedarf besteht. Zum anderen lag zwar eine schulrechtliche Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderbedarf des Klägers mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung vor, jedoch keine Entscheidung über eine Förderschule als Förderort. Vielmehr war zum damaligen Zeitpunkt Förderort die H2. X. im Anschluss an den Wechsel des Klägers von dem N2. -L. -Gymnasium (so noch Bescheid der C1. L3. vom 00.00.0000) und ein Förderortwechsel hätte erst beantragt werden müssen (vgl. oben genannte E-Mail der Schule vom 11./12. Juni 2014 an das Schulamt). Darüber hinaus lässt sich weder dem Ablehnungsbescheid noch dem Verwaltungsvorgang entnehmen, dass die genannte Förderschule geeignet gewesen wäre, dem Kläger eine im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglVO angemessene Schulbildung zu vermitteln. Angemessen ist eine Schulbildung dann, wenn der Hilfeempfänger nach seinen Fähigkeiten und Leistungen erwarten lässt, dass er das damit angestrebte Bildungsziel erreichen wird, d.h. es besteht ein Anspruch auf die Ermöglichung einer der dem individuellen Potential des Betreffenden entsprechenden Bildung,
76vgl. etwa: OVG NRW, Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris Rz. 88 m.w.Nw. zur Rspr.
77Vor dem Hintergrund, dass etwa in der fachärztlichen Stellungnahme vom 26. November 2012 eine überdurchschnittliche intellektuelle Gesamtbefähigung des Klägers bei inhomogenen Intelligenzprofil festgestellt wurde, dass dementsprechend den Hilfeplanprotokollen des Jugendamtes eine Einstufung des Klägers als sehr intelligent zu entnehmen ist und sich dies ebenfalls in den schulischen Berichten und u.a. in der Schulformempfehlung der Grundschule (Realschule und eingeschränkt Gymnasium) wiederspiegelt, erweist sich der schlichte Hinweis auf eine bestehende Förderschulmöglichkeit als nicht ausreichend. Eine konkrete Auseinandersetzung mit dem von dem Kläger angestrebten Bildungsziel, nämlich das Erreichen eines Realschulabschlusses oder eines Hauptschulabschlusses mit Qualifikation, das auch nach Einschätzung der Lehrkräfte der H2. X. auf Grund des Potentials des Klägers hätte erreicht werden können (und ebenfalls durch das von dem Kläger vorgelegte psychologische Gutachten der Dipl.-Psychologign C. vom 9. September 2014 bestätigt wird), ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus hat die Mutter des Klägers - bisher unwidersprochen - darauf hingewiesen, dass eine Beschulung an der Förderschule bisher überhaupt nicht im Raum gestanden habe und ihr weder von der H2. -X. noch von dem dortigen Sonderpädagogen Herrn E. für den Kläger vorgeschlagen worden bzw. diese als angemessen angesehen worden sei. Wie bereits oben dargelegt, war seitens des Beklagten kein Hilfeplanverfahren eingeleitet worden und weder eine Rücksprache mit der K1. -L2. -S oder dem dort tätigen Sonderpädagogen Herrn E. erfolgt. Allein die Hinweise auf die Erfahrungen der Schule im Umgang mit schwerwiegenden Verhaltensproblematiken und auf den zweiwöchigen Aufenthalt des Klägers im dortigen Bauernhofprojekt sind nicht ausreichend, um die Geeignetheit und Angemessenheit einer dortigen Beschulung zu begründen. Letztere war im Übrigen lediglich als eine "Auszeitmaßnahme" der H2. X. für den Kläger eingerichtet worden, um danach erneut die unterbrochene Beschulung aufzunehmen.
78Ausgehend von der danach maßgeblichen ex-ante Perspektive des leistungsberechtigten Klägers – bzw. seiner Eltern – stellt sich die Entscheidung für die Aufnahme bzw. Fortführung der Beschulung an der Privatschule als fachlich vertretbar dar. Die I. -Schule N. ist eine staatlich anerkannte Ergänzungsschule zur Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss, die mittlere Reife und das Abitur. Sie wendet sich mit ihrem Schulkonzept, kleinen Klassengrößen und einem Lehrer-Schüler-Verhältnis von 1:4 und hoher individueller Förderung u.a. gerade an Schülerinnen und Schüler mit Autismus, ADS, ADHS, usw. Durch kleinere Lerngruppen und individuellere Betreuung durch das überschaubare Kollegium der Schule konnte und kann den oben beschriebenen Schwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten des Klägers in angemessener Form begegnet werden. Eine Beschulung an der I. -Schule oder dem W1. -Haus in B1. war im Übrigen der Mutter des Klägers durch die Lehrkräfte der H2. X. empfohlen worden. Die Entscheidung für die I. -Schule erfolgte erst nachdem die Mutter des Klägers beide Schulen aufgesucht, dort Gespräche mit der Schulleitung geführt hatte und der Kläger sich gegen den in B1. erforderlichen Internatsaufenthalt ausgesprochen habe. Die Geeignetheit der I. -Schule wird zudem von dem Beklagten nicht angezweifelt, der im Übrigen seit dem Schuljahr 2015/16 auf Grund der neuen Beschulungssituation des Klägers nach Erreichen der Fachoberschulreife die Beschulungskosten trägt.
79Die Bedarfsdeckung duldete ferner keinen weiteren zeitlichen Aufschub i.S.v. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII. Dem Kläger war angesichts des Schulbeginns am 20. August 2014 nicht zumutbar, die Bedarfsdeckung – etwa durch Verbleib an der H2. X. - bis zur Entscheidung des Beklagten bzw. den Abschluss eines Rechtsschutzverfahrens hinauszuschieben. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass für den Kläger mit dem 10. Schuljahr ein Abschlussjahr mit Prüfungen anstand und ein Schulwechsel während des Halbjahrs bzw. nach einem Halbjahr angesichts der Prüfungsvorbereitungen und seelischen Behinderung des Klägers nicht zumutbar war.
80Dem Kläger steht schließlich bis zum Ende des Schuljahres 2014/15 ein Anspruch auf Übernahme der ihm bzw. seinen Eltern entstandenen Aufwendungen in Höhe des vereinbarten Schulgeldes von 1.400 € monatlich zu.
81Der Erstattungsanspruch des § 36a Abs. 3 SGB VIII orientiert sich an den zivilrechtlichen Vorschriften zum Aufwandersatz im Auftragsverhältnis bzw. der Geschäftsführung ohne Auftrag, wie er in den Rechtsgedanken des § 683 Satz 1 i.V.m. § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zum Ausdruck kommt. Danach sind als „erforderliche Aufwendungen“ diejenigen Aufwendungen anzusehen, welche dem Kläger bzw. dessen Eltern nach ihrem subjektiven vernünftigem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich halten durften,
82vgl. dazu eingehend: OVG NRW, Urteile vom 25. April 2012 – 12 A 659/11 -, Rz. 96 ff, vom 28. Juni 2012 – 12 A 2374/11 -, Rz. 57 ff; sowie daran festhaltend: Beschluss vom 2. November 2015 – 12 A 567/15 -, S. 3 und 4 BA; Kunkel/Pattar in Kunkel, LPK-SGB VIII, 5. Auflg. 2014, § 36a Rz. 16; Stähr in Hauck/Nofz, SGB VIII, Stand: Juni 2015, § 36a Rz. 43ff.
83Darunter fallen die Kosten, die tatsächlich durch den Leistungsberechtigten für eine private Beschulung aufgewandt werden, wie etwa das vorliegend regelmäßig gezahlte Schulgeld.
84Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 und § 188 Satz 2 VwGO.
85Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 13. Okt. 2016 - 2 K 2398/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 13. Okt. 2016 - 2 K 2398/14
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Aachen Urteil, 13. Okt. 2016 - 2 K 2398/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Juli 2010 dazu verpflichtet, die Kosten des Besuchs der Privatschule E. durch die Klägerin in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 zu übernehmen.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 1999 geborene Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten ihrer Beschulung auf der Privatschule E. in X. für die Schuljahre 2010/2011 und 2011/2012 durch die Beklagte.
3Die Klägerin besuchte ab dem Jahr 2002 eine Kindertagesstätte und erhielt bereits vorschulisch eine ergotherapeutische und logopädische Behandlung, nachdem ein Sprachentwicklungsrückstand und Wahrnehmungsstörungen diagnostiziert worden waren. Zum Schuljahr 2005/2006 wurde die Klägerin auf der T. schule X. , einer städtischen Gemeinschaftsgrundschule, eingeschult. Dort wiederholte sie die 1. Klasse. Einhergehend mit der Diagnose eines unterlagernden Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms wurde die Klägerin ab dem Jahr 2007 durch Frau Dr. C. E1. , Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Psychotherapeutin in X. , verhaltenstherapeutisch und medikamentös behandelt. Ebenfalls ab dem Jahr 2007 nahm die Klägerin eine lerntherapeutische Behandlung in der Praxis J. E. in X. wahr.
4Ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten vom 21. Dezember 2009 erkundigte sich die Mutter der Klägerin am 10. Dezember 2009 nach Fördermöglichkeiten für die Klägerin, da diese in der Schule Probleme wegen einer Dyskalkulie und eines ADS habe, woraufhin ein Hausbesuch am 17. Dezember 2009 vereinbart worden sei. Aus dem Vermerk geht weiter hervor, dass die Klägerin von ihren Eltern umfassend versorgt und intensiv gefördert werde. Sie zeige sich im Gespräch aufgeschlossen und freundlich und besuche derzeit die 4. Klasse der GGS T. schule. Die Klägerin berichte, sie gehe gerne zur Schule, habe dort aber keine Freunde und werde auch nicht zu Geburtstagen eingeladen. Sie spiele in der Pause Fangen mit anderen Kindern. Das Fach Sport möge sie besonders gerne, Mathematik dagegen nicht. Sie fahre alleine zur Schule mit einem Roller. Sie sei bereits einmal mit ihrer Klasse zu einer Klassenfahrt gefahren und freue sich auf die nächste. Nachmittags spiele sie mit ihrem Bruder oder nehme am Vereinstraining (Schwimmen und Leichtathletik) teil. Die Eltern hätten sich dahingehend geäußert, dass die Entwicklung der Klägerin bedingt durch eine Sprachentwicklungsverzögerung, eine Störung der Körperwahrnehmung und Entzündungen der Ohren, die zeitweise das Hörvermögen eingeschränkt hätten, problematisch verlaufen sei. Sie habe Ergo- und Sprachtherapie erhalten und werde lerntherapeutisch behandelt. Ihre guten Leistungen seien nur durch das Zusammenwirken von intensiver häuslicher, schulischer und lerntherapeutischer Unterstützung entstanden. Sie zeige sich sehr lernmotiviert und ehrgeizig und habe eine uneingeschränkte Empfehlung zum Besuch einer Real- oder Gesamtschule erhalten. Sorge bereite allerdings ihre Tendenz zum sozialen Rückzug. In der Kinderarztpraxis E1. seien Dyskalkulie und ADS diagnostiziert worden. Es sei zu befürchten, dass die Klägerin mit dem Besuch einer weiterführenden Regelschule wegen der großen Klassenverbände und mangelnder individueller Förderung überfordert sei und keinen angemessen Schulabschluss erreichen könne.
5Am 21. Dezember 2009 fand eine „Einzelberatung/weiterführende Schulen“ an der T. schule statt, bei der die Klassenlehrerin der Klägerin, Frau D. T. , mit deren Eltern das in der Grundschule gezeigte Arbeits- und Sozialverhalten sowie die erkennbare Leistungsfähigkeit und -bereitschaft besprach. Aus der zugehörigen Niederschrift geht hervor, dass die Klassenlehrerin „nach heutigem Stand der Erkenntnisse den Besuch einer Realschule oder einer Gesamtschule“ empfehle. Unter „besondere Bemerkungen“ ist weiter festgehalten: „M. sollte eine Realschule besuchen, die auf die besonderen Bedürfnisse von M. Rücksicht nimmt!“.
6Unter dem 1. Februar 2010 beantragten die Eltern der Klägerin die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Die Klägerin solle ab der 5. Klasse die Privatschule E. besuchen, da sie dort optimale Bedingungen vorfände, um einen angemessenen Schulabschluss zu erreichen, ohne durch ihre Teilleistungsstörungen und die damit verbundenen seelischen Probleme benachteiligt zu sein. Schon seit früher Kindheit habe sie Probleme, dauerhafte Kontakte zu anderen Kindern zu knüpfen, weil sie auch durch eine Sprachentwicklungsverzögerung belastet sei. Daraus habe sich eine tiefe Verunsicherung entwickelt, die sich in der Schulzeit verstärkt habe, da sie in ihrem Lernverhalten durch eine Dyskal-kulie und ADHS beeinträchtigt sei. Auch wenn durch diverse Therapien eine gewisse Besserung eingetreten sei, neige sie dazu, sich bei Kritik abgelehnt zu fühlen, so dass sie sich in der Schule oft zurückziehe. Sie sei wenig selbstbewusst und befürchte immer, dass man über sie und ihre Probleme spreche und sie den Anforderungen nicht genügen könne. Jedoch sei sie sehr lernwillig und könne einige Defizite mit viel Fleiß ausgleichen. Es sei zu befürchten, dass sie in einer staatlichen Realschule mit großen Klassen und fehlender individueller Zugehens-weise der Lehrer nicht zu einem angemessenen Schulabschluss gelangen könne. Dem Antrag waren ein Zwischenbericht über die lerntherapeutische Behandlung und die Schulzeugnisse der Klägerin beigefügt.
7In ihrem auf den 29. Januar 2010 datierten schulischen Gutachten wies die damalige Klassenlehrerin der Klägerin, Frau D. T. , darauf hin, dass sich die Klägerin von Anfang an ihren Lehrerinnen gegenüber sehr aufgeschlossen gezeigt und sich gegenüber ihren Mitschülern freundlich verhalten habe. Sie habe allerdings bisher keinen altersangemessenen Kontakt zu ihren Mitschülern aufgebaut. Es sei ihr bei Gruppenarbeiten nur sehr bedingt gelungen, eigene Ideen einzubringen. Auf dem Schulhof habe sie sich entweder alleine beschäftigt oder mit sehr viel jüngeren Kindern gespielt. Um Konflikte zu lösen, habe sie stets die unterstützende Hilfe durch ihre Lehrerinnen benötigt. Sie sei in der Lage, Gelerntes sicher anzuwenden, und könne gut etwas auswendig lernen. Jedoch falle es ihr schwer, neues Wissen in vorhandene Strukturen einzubinden. Oft scheitere sie an der Art und Weise der Aufgabenstellung, die sie nicht verstehe. Wenn man mit ihr die eigentliche Aufgabe bespreche und mit ihr Beispiele durchgehe, so sei sie in der Lage, die Aufgaben sicher zu lösen. Allerdings gelinge ihr der Transfer auf ähnliche Aufgaben nur bedingt. Zum einen sei sie auf eine sehr intensive Zuwendung ihrer Lehrerinnen und zum anderen auf eine umfassende außerschulische Förderung ihrer Eltern und einer Therapeutin angewiesen. Sie benötige eine durchgängige individuelle Zuwendung und Hilfe, durch die sie ohne Zeitdruck an klar strukturierte, überschaubare und individuell differenzierte Aufgaben herangehen könne. Auch nach der Grundschule sei es wichtig, dass sie schulisch und außerschulisch weiterhin intensiv gefördert werde.
8In ihrem ärztlichen Attest vom 10. März 2010 führte die Kinder- und Jugendärztin und Kinder- und Jugendtherapeutin Dr. C. E1. u. a. aus, dass die Klägerin in allen schulischen und leistungsbezogenen Anforderungen auf Unterstützung durch Lehrer, Eltern oder Lerntherapeutin angewiesen sei. Die geringsten Herausforderungen oder Schwierigkeiten ließen sie ansonsten resignieren und sie sei dann nicht mehr in der Lage, sich konstruktiv mit dem Problem auseinander zu setzen. Sie habe trotz aller Unterstützung nur ein sehr geringes Selbstwertgefühl. Die Klägerin benötige auf der weiterführenden Schule eine kleine Gruppe, in der eine gezielte persönliche Ansprache und Unterstützung möglich sei. In einer Regelschulform würde sie „untergehen“. In diesem Sinne drohe eine seelische Behinderung im Sinne von § 35a SGB VIII.
9Das Schulamt für den S. -F. -Kreis nahm unter dem 5. Juli 2010 dahingehend Stellung, dass aus schulfachlicher Sicht keine Beschulung an einer Privatschule notwendig sei, da die Klägerin die Schulformempfehlung „Real-oder Gesamtschule“ erhalten habe. Falls es dennoch zu Problemen in der weiterführenden Schule komme, sei dort die Einleitung eines AO-SF-Verfahrens angezeigt.
10Nach Durchführung einer Hilfeplankonferenz lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule mit Bescheid vom 28. Juli 2010 ab. Zur Begleitung und Unterstützung des Übergangs auf eine weiterführende Schule bewilligte sie im Umfang von 40 Fachleistungsstunden eine Dyskalkulietherapie. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule nur im Ausnahmefall möglich sei, wenn alle staatlichen schulischen Fördermaßnahmen nicht ausreichten, um eine angemessene Schulbildung zu ermöglichen. Aus dem gewonnenen Gesamtbild gemäß den Berichten von Eltern und Schule sowie dem medizinischen Gutachten ergebe sich, dass die Klägerin in ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben infolge der Teilleistungs- und Aufmerksamkeitsstörung nicht so massiv beeinträchtigt sei, dass eine Beschulung im staatlichen Regelschulsystem nicht möglich sei, zumal sie in ihrer bisherigen Schullaufbahn auf einer Regelschule beständig befriedigende Leistungen auch im Fach Mathematik gezeigt habe. Durch intensive Unterstützung ihrer Eltern sei die Klägerin sozial eingebunden und werde medizinisch/verhaltenstherapeutisch begleitet. Nach Vorgabe der Schulaufsichtsbehörde erscheine es zur Abwendung der von Eltern und Gutachterin befürchteten Schulschwierigkeiten ausreichend, wenn die Klägerin mit ihrem Wechsel auf eine Real- oder Gesamtschule weiterhin konsequent häuslich begleitet werde und eine Dyskalkulietherapie stattfinde; bei dem Schulwechsel sei die Fachstelle für AD(H)S zu beteiligen mit der Option, bei auftretenden Lernproblemen den weiteren Förderbedarf abzuklären. Selbstwertproblematik und emotionale Instabilität erforderten eine individuelle Behandlung im Rahmen des Leistungskatalogs der Krankenversicherung. Ergänzend stehe die Schul- und Erziehungsberatung zur Verfügung.
11Die Klägerin, die seit dem Schuljahr 2010/2011 die Privatschule E. besucht, hat am 19. August 2010 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Sie gehöre unstreitig zum Kreis der Eingliederungsberechtigten nach § 35a SGB VIII. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei auch der Besuch einer Privatschule zur Sicherstellung des Erwerbs einer angemessenen Schulbildung erforderlich. Dem ärztlichen Attest der Frau Dr. E1. vom 10. März 2010 sowie den Stellungnahmen der Klassenlehrerin und der Therapeutin J. E. könne entnommen werden, dass sie, die Klägerin, in allen schulischen und leistungsbezogenen Anforderungen immer auf Unterstützung durch Lehrer, Eltern oder Lerntherapeuten angewiesen sein werde. Die geringsten Herausforderungen oder Schwierigkeiten ließen sie ansonsten resignieren und sie sei dann nicht mehr in der Lage, sich mit den Problemen konstruktiv auseinander zu setzen. Ihr Selbstwertgefühl sei gering. Aufgrund der erwähnten Stellungnahmen sei auch der Besuch der Privatschule E. erforderlich, um ihrem Behinderungsbild gerecht zu werden und ihr eine angemessene Schulbildung zu ermöglichen. Der Verweis auf das staatliche Regelschulsystem führe hier nicht weiter, da nicht ersichtlich sei, dass sie an der Regelschule unter Berücksichtigung ihrer Beeinträchtigungen angemessen gefördert werden könne.
12Die Klägerin hat beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Juli 2010 zu verpflichten, die Kosten des Besuchs der Privatschule E. durch die Klägerin in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 zu übernehmen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat vorgetragen: Entgegen der Auffassung der Klägerin sei im vorliegenden Fall eine Beschulung an einer Regelschule geeignet, um eine angemessene Schulausbildung zu gewährleisten. Die B. -F1. -Realschule in X. sei z. B. in der Lage, der Klägerin die nötigen Rahmenbedingungen zum Erreichen eines angemessenen Schulabschlusses zu verschaffen. Die Beschulung von Kindern mit ADHS sei im Alltag an Regelschulen nichts Außergewöhnliches und werde mit gutem Erfolg durchgeführt. Im Zusammenwirken der Eltern, der Lehrkräfte der Schule, des Jugendamtes, der Bezirksregierung und ggf. weiterer Fachkräfte sei die Ausarbeitung eines individuellen Förderkonzeptes für die Klägerin möglich. Nach den Angaben der Schulleiterin der B. -F1. -Real-schule verfüge die Schule über drei zertifizierte Beratungslehrer, die im Rahmen von umfangreichen Fortbildungsmaßnahmen in Bezug auf individuelle und nachhaltige Förderung von Schülerinnen und Schülern mit ADHS-Problematik geschult seien. Des Weiteren unterhalte die Schule ein enges und gut funktionierendes Netzwerk zu Sonderpädagogen und anderen externen Stellen wie Ge-sundheitsamt, Kompetenznetzwerken und Elterngruppen. Dies zeige, dass an dieser Schule mit der Problematik ernsthaft umgegangen werde. Ein individuelles Förderkonzept der Klägerin habe mangels Mitwirkung ihrer Eltern bislang nicht realisiert werden können. Eine Prognose dahingehend, dass die Klägerin an der Regelschule keinen adäquaten Abschluss erreichen könne, sei nicht tragfähig.
17Mit dem angefochtenen Urteil vom 10. November 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
18Ob die Klägerin zum Personenkreis der nach § 35a SGB VIII Berechtigten zu zählen sei, könne dahingestellt bleiben. Denn die Beschulung auf einer Privatschule sei jedenfalls nicht zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung erforderlich. Die Beklagte könne sich insoweit auf den Vorrang der Beschulung im öffentlichen Schulwesen berufen. Im Hinblick auf die schulischen Leistungen, welche die Klägerin auf der Grundschule gezeigt habe, und die hierauf basierende Empfehlung für den Besuch einer weiterführenden Schule könne auch unter Berücksichtigung der bei der Klägerin vorliegenden Teilleistungsstörungen nicht davon ausgegangen werden, dass es für sie unmöglich sei, eine weiterführende Regelschule zu besuchen, sofern sie - wie bisher - familiär und außerschulisch gefördert werde. Die Eignung der von der Beklagten vorgeschlagenen B. -F1. -Realschule sei von Klägerseite lediglich pauschal bestritten worden. Darüber hinaus habe es den Eltern der Klägerin frei gestanden, die Möglichkeiten der individuellen Förderung an anderen öffentlichen Schulen abzuklären, gegebenenfalls auch mit Hilfe des AD(H)S-Netzwerkes bei der Bezirksregierung L. . Die frühzeitige Festlegung auf den Besuch einer Privatschule könne nicht dazu führen, dass der gesetzliche Vorrang der Förderung im staatlichen Schulsystem auf Kosten der Eingliederungshilfe umgangen werde. Die im Verwaltungsverfahren eingeholten ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen der Klassenlehrerin und Therapeutin böten keine hinreichende Grundlage dafür, dass die Klägerin im öffentlichen Schulsystem nicht gefördert werden könne. Die Entscheidung der Beklagten, zunächst auf den Besuch einer öffentlichen Regelschule zu verweisen und insoweit zur Vermeidung oder Abmilderung von Umstellungsschwierigkeiten eine (Dyskalkulie-)Therapie zu bewilligen, die gegebenenfalls den Bedürfnissen der Klägerin entsprechend hätte umgestellt werden können, sei vor diesem Hintergrund nachvollziehbar und fachlich nicht zu beanstanden.
19Mit Beschluss vom 25. Oktober 2012 hat der Senat die Berufung der Klägerin wegen des Vorliegens des Zulassungsgrundes der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen vor:
21Das angefochtene Urteil widerspreche den Bestimmungen des § 36 Abs. 2 SGB VIII über das Hilfeplanverfahren. Ob bei ihr, der Klägerin, die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe vorlägen, könne nicht offen bleiben. Bereits bei der Antragstellung hätten ihre Eltern auf die bestehende Teilhabebeeinträchtigung hingewiesen. Aufgrund der Kontaktschwierigkeiten, der tiefen Verunsicherung, die sich entwickelt habe, und des mangelnden Selbstbewusstseins sei zu befürchten, dass sie in einer öffentlichen Realschule mit großen Klassen und fehlender individueller Zugangsweise der Lehrer nicht zu einem angemessenen Schulabschluss kommen könne. Die behandelnde Kinder- und Jugendpsychiaterin, Frau Dr. E1. , habe das Vorliegen einer seelischen Störung gegenüber dem Jugendamt der Beklagten bestätigt. Das Jugendamt habe indes, obwohl die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe nach seiner Einschätzung vorgelegen hätten, keine Ermittlung der geeigneten Hilfeart vorgenommen. Anfragen der Beklagten an schulische Stellen seien nicht zielführend beantwortet worden. Soweit die Einleitung eines AO-SF-Verfahrens angesprochen worden sei, habe die Grundschule dazu keinen Anlass gesehen. Daran sei der Jugendhilfeträger gebunden. Die Bestimmung einer Schule für soziale und emotionale Entwicklung als Förderort wäre im vorliegenden Fall auch unzulässig, da dort nur nach den Lehrplänen der Hauptschule unterrichtet werde. Erst nach Klageerhebung habe die Beklagte auf die B. -F1. -Realschule verwiesen. Nachfragen bei der Beklagten, ob diese Schule die Rahmenbedingungen für eine Beschulung unter Berücksichtigung ihrer, der Klägerin, Beeinträchtigungen biete, hätten jedoch keinen Aufschluss gebracht. Das Verwaltungsgericht habe insoweit keine Sachaufklärung betrieben. Wenn keine geeignete Beschulung im öffentlichen Schulwesen zur Verfügung stehe, liege ein Fall des Systemversagens vor. In einem solchen Fall sei das Jugendamt verpflichtet, im Rahmen des § 35a SGB VIII auch Kosten für den Besuch einer Privatschule zu übernehmen. Auf den Vorrang des öffentlichen Schulsystems könne sich die Beklagte nur berufen, wenn die von ihr benannte Schule konkret eine Beschulungsmöglichkeit unter Berücksichtigung der Beeinträchtigungen der Klägerin darstellen würde. Das sei hinsichtlich der B. -F1. -Realschule in X. nicht aufgeklärt. Die Beklagte begnüge sich mit allgemeinen Ausführungen. Ihre, der Klägerin, Eltern hätten sich seinerzeit dazu entschlossen, sie die erste Klasse wiederholen zu lassen, weil sich herausgestellt habe, dass sie in der Schule vollständig isoliert gewesen sei. Sie sei dann in die Klasse von Frau T. gekommen, die für die Ausbildung der Referendare an der Schule zuständig gewesen sei. Frau T. sei im Unterricht über den kompletten Zeitraum ihres, der Klägerin, weiteren Besuchs der Grundschule jeweils durch einen (wechselnden) Referendar bzw. eine Referendarin unterstützt worden. In der Klasse seien maximal 23 Schüler gewesen. Auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Erörterungstermin habe die Zeugin Dr. E1. eindrucksvoll die seit Jahren bestehende seelische Störung und die im schulischen Bereich bestehende Teilhabebeeinträchtigung bestätigt und dargelegt, dass sie, die Klägerin, einer intensiven Begleitung im Rahmen von kleinen Lerngruppen bedürfe. Bei Besuch einer Regelschule habe die Befürchtung im Raum gestanden, dass sie zum Mobbingopfer werden würde. Die Einschätzung der Zeugin, sie, die Klägerin, würde an einer Regelschule untergehen, beruhe darauf, dass dort die Rahmenbedingungen fehlten, welche sie aufgrund ihrer tief greifenden Entwicklungsstörungen für eine erfolgreiche Beschulung benötige. Nach der Aussage der Zeugin E. sei die Eignung der Beschulung auf der Privatschule E. als Maßnahme der Eingliederungshilfe in ihrem Fall bewiesen. Die Angaben der Zeugin C1. zu den Klassenstärken an der B. -F1. -Realschule seien falsch, was sich den Informationen der Stadtelternpflegschaft X. entnehmen lasse. Es seien auch Fälle bekannt, in denen Kindern mit entsprechender Beeinträchtigung ein Nachteilsausgleich seitens der Realschule verwehrt worden sei. Speziell ausgebildete Pädagogen mit lerntherapeutischer Fachausbildung habe die Realschule zu keiner Zeit beschäftigt. Soweit die Zeugin C1. angegeben habe, die Schüler an ihrer Schule seien nicht in herausgehobener Weise „schwierig“ und von einem „sozialen Brennpunkt“ könne keine Rede sein, treffe dies nicht zu. Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Beklagten hätten mindestens bis 2012 einen Ordnungs-, Kontroll- und Sicherheitsdienst auf dem Gelände des Schulzentrums und damit auch der Realschule wahrgenommen. Die Zeugin C1. habe gerade nicht bestätigt, dass an ihrer Schule vergleichbare Möglichkeiten der individuellen Begleitung von Schülern bestünden, wie sie während des Grundschulbesuchs der Klägerin gegeben gewesen seien. Dort sei die damalige Klasse 4b mit 21 Schülern sehr klein gewesen; in der Klasse hätten jeweils die Klassenlehrerin oder ein Fachlehrer sowie zusätzlich zwei Integrationshelferinnen und eine Lehramtsanwärterin gearbeitet, so dass ein Großteil der Unterrichtsstunden doppelt bzw. teilweise sogar dreifach besetzt gewesen sei. Nach alldem stelle die B. -F1. -Realschule keine geeignete Beschulungsmöglichkeit für sie, die Klägerin, dar. Soweit sich die Beklagte auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts berufen habe, wonach der „Kernbereich der pädagogischen Aufgabe der Schule“ nicht Gegenstand einer Leistung der Eingliederungshilfe sein könne, sei diese Rechtsprechung hier nicht einschlägig und widerspreche auch der ständigen verwaltungsgerichtlichen Judikatur. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das Hilfeplanverfahren nicht fachlich fehlerfrei abgeschlossen worden. Die bewilligte Dyskalkulietherapie betreffe nur einen kleinen Ausschnitt aus dem komplexen Hilfebedarf, der sich bereits aus der ärztlichen Stellungnahme der Frau Dr. E1. vom 10. März 2010 ergeben habe. Eine inhaltliche Aussage der Schulverwaltung zu der Frage, ob unter diesen Voraussetzungen einer Beschulung der Klägerin auf einer öffentlichen Schule möglich sei, sei nicht herbeigeführt worden.
22Die Klägerin beantragt,
23das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Juli 2010 zu verpflichten, die Kosten des Besuchs der Privatschule E. durch die Klägerin in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 zu übernehmen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie trägt im Wesentlichen vor:
27Die Unterstellung, es gebe keine individuelle Zugehensweise von Lehrern an öffentlichen Schulen, sei haltlos. Jeder Lehrer sei verpflichtet, seinen Schülern eine den Fähigkeiten entsprechende Förderung anzubieten. Das Jugendamt entscheide in eigener Verantwortung über die Eignung einer Hilfe und deren Notwendigkeit. Wenn es vorrangig verpflichtete Leistungserbringer gebe, sei das Jugendamt nicht zuständig. Auch im Falle der Durchführung eines AO-SF-Verfahrens verbleibe die Entscheidung über den Förderort bei den Eltern. Der Besuch einer Schule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sei für die Klägerin weder indiziert noch jemals vorgeschlagen worden. Der Vorwurf über die verspätete Mitteilung eines Platzes an der Realschule sei unbegründet. Der Antrag auf Eingliederungshilfe entbinde die Eltern nicht von ihrer allgemeinen Verpflichtung, Informationsveranstaltungen weiterführender Schulen und sonstige Informationsquellen zu nutzen, um eine geeignete Schule für ihr Kind zu finden. Schüler mit Teilleistungsstörungen und ADHS würden seit jeher an Regelschulen beschult, so dass insoweit umfangreiche Erfahrungen bestünden. Nachdem die Klägerin über einen Zeitraum von fünf Jahren erfolgreich eine Regelschule besucht habe, lägen keine Hinweise auf ein zwangsläufiges Scheitern an einer weiterführenden Regelschule vor. Mit einer pauschalen Ablehnung der örtlichen Realschule sei ein Systemversagen nicht zu begründen. Die Beweisaufnahme im gerichtlichen Erörterungstermin habe die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestätigt. Die Vernehmung der Ärztin Dr. E1. habe keine neuen Erkenntnisse gebracht. Ihre Aussagen zu Teilhabebeeinträchtigungen seien wenig professionell und von Vorurteilen geprägt. Ohne belegbare Anhaltspunkte sei sie davon ausgegangen, dass die Klägerin an einer Regelschule zum Mobbingopfer würde. Unergiebig sei auch die Vernehmung der Zeugin E. verlaufen. Die Eignung ihrer Privatschule als Teilhabeleistung stehe nicht im Streit; hier gehe es vielmehr darum, ob diese Leistung auch erforderlich sei. Zur Frage einer Teilhabebeeinträchtigung der Klägerin an einer öffentlichen Schule habe die Zeugin allein angegeben, dass die Klägerin eine Regelschule allein aufgrund der Größe als erschreckend wahrnehme. Die von der Zeugin benannten Vorteile der Privatschule gehörten zu dem, was in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als „Kernbereich der pädagogischen Aufgabe der Schule“ bezeichnet werden müsse. Daher sei schon fragwürdig, ob es sich bei dem Angebot der Privatschule überhaupt um Teilhabeleistungen im Sinne von § 35a SGB VIII handele. Soweit die Zeugin die relative Überschaubarkeit der Privatschule als entscheidenden Vorteil benannt habe, sei dies lediglich eine Rahmenbedingung. Die Zeugin C1. habe belegt, dass die B. -F1. -Realschule mit der Beschulung von Kindern mit Teilleistungsschwächen vertraut und geübt sei. Der Sorge des Mobbings werde kompetent begegnet. Zu keiner Zeit hätten sich die Eltern der Klägerin nach konkreten bedarfsgerechten Möglichkeiten der Beschulung ihrer Tochter an dieser Regelschule erkundigt. Sie hätten vielmehr schon lange vor dem anstehenden Wechsel auf eine weiterführende Schule beschlossen, dass der Besuch einer Privatschule alternativlos sei. Selbstverständlich könne eine geeignete Förderung von Kindern mit Beeinträchtigungen im schulischen Bereich von einer Regelschule geleistet werden, so auch von der B. -F1. -Realschule. Soweit der Zeugin C1. von Klägerseite eine Falschaussage unterstellt worden sei, solle dies aus Gründen der Sachlichkeit nicht weiter kommentiert werden, zumal der Vorwurf ohnehin belanglos sei. Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit einer Maßnahme der Eingliederungshilfe stehe dem Jugendhilfeträger ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliege. Nach den hierbei zugrunde zu legenden Maßstäben habe die Beklagte auf den Antrag der Klägerin hin die erforderlichen und gesetzlich gebotenen Schritte in angemessener Weise umgesetzt. Sie habe Stellungnahmen der Grundschule, der behandelnden Ärztin und des Schulamtes eingeholt. Auf der Grundlage der vorliegenden Informationen sei dann der Antrag im Rahmen einer Hilfeplankonferenz abgelehnt worden, da nicht erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin an einer Regelschule nicht weiterhin erfolgreich beschult werden könne. Wären weitere Hilfen erforderlich geworden, damit die Klägerin eine Regelschule mit Erfolg besuchen könne, so wären diese zur Verfügung gestellt worden. Dies sei zum Zeitpunkt vor der Schulaufnahme jedoch nicht absehbar gewesen.
28Der Berichterstatter des Senats hat Frau Dr. C. E1. als sachverständige Zeugin sowie Frau J. E. , die Leiterin der Privatschule E. , und Frau L1. C1. , die Leiterin der B. -F1. -Realschule in X. , als Zeuginnen vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Vernehmungen wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 27. März 2014 verwiesen. Ferner ist eine - unter dem 26. Mai 2014 abgegebene - dienstliche Stellungnahme der Leiterin der T. -schule und früheren Klassenlehrerin der Klägerin, Frau D. T. , eingeholt worden.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
31Das Gericht kann nach §§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
32Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Verpflichtungsklage der Klägerin ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 ist, soweit mit ihm die Übernahme der Kosten für den Privatschulbesuch abgelehnt wurde, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Kosten des Besuchs der Privatschule E. in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 nach § 36a Abs. 3 SGB VIII übernimmt.
33Haben Leistungsberechtigte sich - wie hier - eine Leistung, die grundsätzlich im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe gewährt werden kann, ohne Mitwirkung und Zustimmung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bereits von Dritten selbst beschafft, so führt eine solche Selbstbeschaffung schon nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats nicht zum ersatzlosen Wegfall des Primäranspruchs auf Hilfe durch das Jugendamt. Vielmehr ist anerkannt, dass der Träger der Jugendhilfe (sekundär) zur Erstattung von Kosten bzw. Aufwendungen für bereits anderweitig durchgeführte Maßnahmen verpflichtet sein kann.
34Vgl. auch zu Folgendem: OVG NRW, Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 548, juris, und vom 20. Juni 2008 - 12 A 739/06 -, jeweils m. w. N.
35Der (sekundäre) Anspruch auf Erstattung der Kosten bzw. Aufwendungen ist in derselben Weise vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Hilfetatbestands abhängig wie die primäre Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Hilfegewährung.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, FEVS 55, 86, juris, m. w. N. insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, und Beschluss vom 18. August 2004 - 12 A 1174/01 -, juris; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 11. August 2005 - 5 C 18/04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
37Allerdings ist der Hilfesuchende nur dann zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung berechtigt, wenn er hierauf zur effektiven Durchsetzung eines bestehenden Jugendhilfeanspruchs angewiesen ist, weil der öffentliche Jugendhilfeträger sie nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat, das für die Leistungsgewährung vorgesehene System also versagt hat. Ein solches „Systemversagen“ liegt vor, wenn die Leistung vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht erbracht wird, obwohl der Hilfesuchende die Leistungserbringung durch eine rechtzeitige Antragstellung und seine hinreichende Mitwirkung ermöglicht hat und auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vorliegen. In einer solchen Situation darf sich der Leistungsberechtigte die Leistung selbst beschaffen, wenn es ihm wegen der Dringlichkeit seines Bedarfs nicht zuzumuten ist, die Bedarfsdeckung aufzuschieben.
38Vgl. den Senatsbeschluss vom 18. August 2004 - 12 A 1174/01 -, a. a. O., m. w. N.
39Diese Grundsätze sind als § 36a Abs. 3 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK - vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) zum 1. Oktober 2005 ausdrücklich normiert worden,
40so schon OVG NRW, Urteil vom 4. Februar 2009 - 12 A 255/08 -, m. w. N.
41Nach § 36a Abs. 3 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für Hilfen, die abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft wurden, nur verpflichtet,
421. wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1),
432. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und
443. die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3).
45Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
46Die Klägerin kann für sich in Anspruch nehmen, die Beklagte über den Hilfebedarf rechtzeitig i. S. v. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII in Kenntnis gesetzt zu haben. Das „Inkenntnissetzen“ umfasst grundsätzlich auch eine Beantragung der begehrten Jugendhilfeleistungen, wobei für einen solchen Antrag keine besondere Form vorgeschrieben ist und er auch in der Form schlüssigen Verhaltens gestellt werden kann.
47Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 5 B 43.10 -, JAmt 2011, 274, juris, mit Hinweis auf Beschluss vom 22. Mai 2008 - 5 B 130.07 -, JAmt 2008, 600, juris.
48Der Antrag muss dabei so rechtzeitig gestellt werden, dass der Jugendhilfeträger zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
50Das Jugendhilferecht ist nämlich kein Recht der reinen Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen, sondern verpflichtet den Träger der Jugendhilfe zur partnerschaftlichen Hilfe. Nur so kann der Jugendhilfeträger seiner Gesamtverantwortung i. S. d. § 97 Abs. 1 SGB VIII und seiner Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2, 3 SGB VIII gerecht werden.
51In diesem Sinne ist der auf den 1. Februar 2010 datierte Antrag, dem alle wesentlichen schulischen, medizinischen und therapeutischen Unterlagen beigefügt waren, offenkundig rechtzeitig angebracht worden. Wie aus der Eingangsbestätigung hervorgeht, lag der Antrag der Beklagten am 4. Februar 2010 vor. Der mehr als fünf Monate umfassende Zeitraum bis zum Beginn der Sommerferien am 15. Juli 2010 war ausreichend bemessen, um bei straffer Verfahrensführung noch vor Anfang des Schuljahres 2010/2011 eine Entscheidung über den Antrag zu treffen.
52In dem hier maßgeblichen Zeitraum haben auch i. S. d. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe nach § 35a SGB VIII vorgelegen. Der Senat sieht es mit der im Nachhinein noch erreichbaren Sicherheit für die hier streitgegenständlichen Schuljahre 2010/2011 und 2011/2012 als gegeben an, dass die Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i. V. m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung an der Privatschule E. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen hat.
53Insoweit setzt § 35a Abs. 1 SGB VIII voraus, dass
541. die seelische Gesundheit des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für seinen Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
552. daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
56Bei kumulativen Vorliegen beider Voraussetzungen geht das Gesetz von einer „seelischen Behinderung“ aus (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei es ausreicht, wenn der Betreffende von einer solchen Behinderung bedroht ist.
57Eine seelische Störung i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII ist der Klägerin schon mit der fachärztlichen Stellungnahme der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. E1. vom 10. März 2010 bescheinigt worden. Darin wurde der Klägerin eine tief greifende Entwicklungsstörung attestiert, darüber hinaus eine komplexe Wahrnehmungsstörung sowie eine Dyskalkulie als Teilleistungsstörung und schließlich eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Gegen die - von der Beklagten auch nicht in Frage gestellte - Richtigkeit dieser Diagnosen, derer Herleitung und Auswirkungen in einem Begleitschreiben näher beschrieben wurden, und die die Ärztin bei ihrer Vernehmung als sachverständige Zeugin im Wesentlichen deckungsgleich bestätigt hat, bestehen keine Bedenken.
58Unter Berücksichtigung aller vorliegenden schulischen und medizinischen bzw. therapeutischen Erkenntnisse und der plausiblen Angaben der Eltern ist gleichfalls von einer - durch die seelische Erkrankung hervorgerufenen - Teilhabebeeinträchtigung der Klägerin auszugehen.
59Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
60Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris; vom 28. September 2000 - 5 C 29.99 -, BVerwGE 112, 98, juris; vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1799/08 -, NVwZ-RR 2010, 59, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -, juris, m. w. N.
61Erforderlich ist daher, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
62Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2007 - 12 A 457/06 -, vom 12. November 2008 - 12 A 2551/08 -, vom 29. Mai 2008 - 12 A 3841/06 -, juris, vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 - und vom 13. August 2010 - 12 A 1237/09 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris.
63Während die Beurteilung, ob die seelische Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, regelmäßig Aufgabe von Ärzten oder Psychotherapeuten ist, fällt die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit zunächst in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
64Vgl. etwa Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 35a Rn. 33, m. w. N.
65Die Feststellung der Beeinträchtigung nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII ist deshalb auch nicht Ziel der Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII. Dem insoweit vielmehr allein entscheidungsbefugten zuständigen Jugendamt - und damit auch dem Gericht im Überprüfungsfall - ist es allerdings unbenommen, vor der abschließenden Beurteilung des Vorliegens der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen und der Entscheidung über die Rechtsfolge ärztliche/psychotherapeutische oder andere fachliche Stellungnahmen einzuholen und auf diese Weise zu einer Entscheidung in fachlichem Zusammenwirken von ärztlichen/psychotherapeutischen und sozialpädagogischen Fachkräften unter der Federführung des Jugendamtes zu kommen.
66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 -, m. w. N.
67Dessen eingedenk hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass bei der Klägerin eine - von der Beklagten mit ihrem Bescheid vom 28. Juli 2010 auch dem Grunde nach anerkannte - Teilhabebeeinträchtigung vorgelegen hat, weil ihre soziale Funktionstüchtigkeit vor allem infolge eines Entwicklungsrückstandes nachhaltig eingeschränkt war. Aus der fachärztlichen Stellungnahme vom 10. März 2010 geht hervor, dass die Klägerin bereits im Kindergarten Schwierigkeiten hatte, sich in die Gruppe zu integrieren, sie mit zunehmendem Alter ihre eigenen Schwächen umso deutlicher wahrnahm und ihr Selbstwertgefühl trotz aller Unterstützung nur sehr gering ist. Zu den festgestellten Entwicklungsverzögerungen hat Frau Dr. E1. bei ihrer Vernehmung als sachverständige Zeugin ergänzend ausgeführt, dass die Klägerin, wenn auch körperlich altersgemäß entwickelt, im emotionalen Bereich „noch viel kindlicher“ wirke. Dieser Befund wird auch durch das schulische Gutachten vom 29. Januar 2010 bestätigt. Darin führte die Klassenlehrerin aus, die Klägerin habe „bislang keinen altersangemessenen Kontakt“ zu ihren Mitschülern aufgebaut; auf dem Schulhof beschäftige sie sich „entweder alleine oder … mit sehr viel jüngeren Kindern“. Die Problematik der „Selbstentwertung“ hat die Zeugin E. bei ihrer Vernehmung ebenfalls bestätigt. Dass sich bei der Klägerin aufgrund ihrer Entwicklungsverzögerung eine „tiefe Verunsicherung“ entwickelt hat, sie dazu neigt, sich „abgelehnt zu fühlen“ und sich „in der Schule oft zurückzieht“, hatten die Eltern schon in ihrem Antrag vom 1. Februar 2010 ausgeführt; diese Beschreibung der Beeinträchtigungen der Klägerin deckt sich mit den ärztlichen und schulischen Erkenntnissen.
68Der Besuch der Privatschule E. stellt sich auch als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Dabei folgt aus den Grundsätzen zum Systemversagen, dass die Erforderlichkeit und Eignung der selbstbeschafften Maßnahme hier aus der damaligen Perspektive der leistungsberechtigten Klägerin zu beurteilen ist.
69Denn auch bei der Selbstbeschaffung einer aus fachlichen Gründen abgelehnten bzw. vom Hilfeplan ausgeschlossenen Leistung ist im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zunächst zu prüfen, ob der vom Jugendamt aufgestellte Hilfeplan (bzw. das Hilfekonzept) verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst und fachlich vertretbar ist. Diese Prüfung erstreckt sich dabei nicht auf eine reine Ergebniskontrolle, sondern erfasst auch die von der Behörde - maßgeblich ist die letzte Behördenentscheidung - gegebene Begründung. Denn diese muss für den Betroffenen nachvollziehbar sein, um ihn in die Lage zu versetzen, mittels einer Prognose selbst darüber zu entscheiden, ob eine Selbstbeschaffung (dennoch) gerechtfertigt ist. Hat das Jugendamt die begehrte Hilfe aus im vorgenannten Sinne vertretbaren Erwägungen abgelehnt, besteht weder ein Anspruch des Betroffenen auf die begehrte Eingliederungshilfeleistung noch auf den Ersatz von Aufwendungen für eine selbst beschaffte Hilfe. Der Regelung des § 36a Abs. 3 SGB VIII liegt in dem Sinne der Gedanke des Systemversagens zugrunde, dass die selbst beschaffte Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt worden sein muss. Hat demgegenüber das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, können an dessen Stelle die Betroffenen den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation sind sie - obgleich ihnen der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung des § 36a Abs. 3 SGB VIII eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen. Weil nun ihnen die Entscheidung aufgebürdet ist, eine angemessene Lösung für eine Belastungssituation zu treffen, hat dies zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr etwa im Nachhinein nicht mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet gehalten.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris; zum Systemversagen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, JAmt 2014, 41, juris.
71Ausgehend von diesen Maßstäben ist zunächst festzustellen, dass die Beklagte die Grenzen fachlicher Vertretbarkeit bei ihrer Hilfeplanung überschritten hat, weil ihr Hilfekonzept, das dem Bescheid vom 28. Juli 2010 zugrunde lag, keine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthielt. Denn es drängte sich auf, dass die jugendhilferechtliche Bedarfslage der Klägerin, wie sie insbesondere bereits aus dem schulischen Gutachten vom 29. Januar 2010 und der fachärztlichen Stellungnahme vom 10. März 2010 ersichtlich war, hiermit nur unzureichend erfasst und abgearbeitet wurde.
72Die frühere Klassenlehrerin der Klägerin, Frau T. , hatte in ihrem Gutachten u. a. ausgeführt, dass die Klägerin „auf eine sehr intensive Zuwendung ihrer Lehrerinnen … angewiesen“ sei; sie brauche „eine durchgängige individuelle Zuwendung und Hilfe, durch die sie ohne Zeitdruck an klar strukturierte, überschaubare und individuell differenzierte Aufgaben herangehen kann“; auch nach der Grundschule sei es „wichtig, dass M. schulisch und außerschulisch weiterhin intensiv gefördert wird“.
73Die behandelnde Kinderärztin und -therapeutin, Frau Dr. E1. , hatte in ihrer Stellungnahme u. a. darauf hingewiesen, dass die Klägerin „in allen schulischen und leistungsbezogenen Anforderungen … immer auf Unterstützung durch Lehrer, Eltern oder Lerntherapeuten angewiesen“ sei; auf einer weiterführenden Schule werde sie „eine kleine Gruppe brauchen, in der eine gezielte persönliche Ansprache und Unterstützung möglich sind“; „in einer Regelschulform würde das Mädchen 'untergehen'“.
74Ungeachtet der Frage, ob eine hinreichende Grundlage für die letztgenannte Prognose der Fachärztin bestand, musste die Beklagte nach den ansonsten im Wesentlichen übereinstimmenden, vorstehend zitierten Aussagen von Frau T. und Frau Dr. E1. , die jeweils auf mehrjährigen Erfahrungen im Umgang mit der Klägerin beruhten und gegen deren Richtigkeit die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfeplanung auch nichts Substantielles eingewandt hatte, davon ausgehen, dass die Klägerin im schulischen Anforderungsbereich einer ausgesprochen intensiven Unterstützung und Begleitung durch das Lehrpersonal bedarf, um ihrem Potential entsprechend mit Erfolg beschult werden zu können. Vor diesem Hintergrund konnte sich die Beklagte in der Begründung ihres Bescheides vom 28. Juli 2010 nicht darauf zurückziehen, dass die Klägerin „in ihrer bisherigen Schullaufbahn auf einer Regelschule beständig befriedigende Leistungen auch im Fach Mathematik gezeigt hat“. Denn die Beklagte hätte als naheliegend in ihre Erwägungen einbeziehen müssen, dass dieser schulische Erfolg maßgeblich auf Rahmenbedingungen beruhte (wie hier: geringe Klassenstärke, mehrere Lehr- und Betreuungskräfte im Unterricht), deren Fortbestand an einer weiterführenden staatlichen Regelschule nicht als gesichert angesehen werden konnte. Das in der fachärztlichen Stellungnahme angesprochene Erfordernis einer „kleinen Gruppe“ findet sich in der Bescheidbegründung lediglich im Sachverhalt wieder; eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Aspekt blieb die Beklagte schuldig. Die gebotene Befassung mit der Frage, ob die üblichen Klassenstärken an den staatlichen Real- oder Gesamtschulen einer erfolgreichen Beschulung der Klägerin entgegenstehen, wurde auch nicht durch den Verweis auf die Stellungnahme des Schulamtes des S. -F. -Kreises vom 5. Juli 2010 ersetzt, das „nach eingehender Prüfung keine Notwendigkeit für eine Beschulung auf einer Privatschule“ sehe. Denn auch diese - ohnehin nur kurz gehaltene - Stellungnahme geht nicht auf die in Rede stehende Frage ein. Allein der Hinweis des Schulamtes darauf, dass die „Einleitung eines AO-SF-Verfahrens angezeigt“ sei, „falls es dennoch zu Problemen in der weiterführenden Schule kommen sollte“, greift im gegebenen Zusammenhang zu kurz. Abgesehen davon, dass auf die Inanspruchnahme sonderpädagogischer Förderung nur verwiesen werden kann, wenn eine diesbezügliche wirksame schulrechtliche Entscheidung über einen sonderpädagogischen Förderbedarf vorliegt,
75vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris, m. w. N.,
76hat die Beklagte auch nicht ansatzweise dargelegt, dass die Klägerin aus den in § 19 Abs. 1 SchulG NRW, § 3 Abs. 1 AO-SF (jeweils in der im Zeitpunkt der Bescheidung maßgeblichen Fassung) genannten Gründen nicht am Unterricht einer allgemeinen Schule teilnehmen könne. Die Beklagte trägt vielmehr selbst vor, dass der Besuch einer Schule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung für die Klägerin „weder indiziert noch jemals vorgeschlagen“ worden sei, ohne allerdings im Hilfeplanverfahren dargelegt zu haben, dass die alternativ dann nur in Betracht kommende sonderpädagogische Förderung in der allgemeinen Schule in den hier streitgegenständlichen Schuljahren bereits an den in Betracht kommenden weiterführenden Regelschulen installiert war; so hat die Zeugin C1. etwa bei ihrer Vernehmung am 27. März 2014 angegeben, dass Gemeinsamer Unterricht an der B. -F1. -Realschule erst seit dem laufenden Schuljahr stattfinde. Ebenso wenig hat die Beklagte bei ihrer Hilfeplanung aufgezeigt, dass eine sonderpädagogische Förderung an einer weiterführenden Regelschule - unterstellt, es läge ein entsprechender Förderbedarf vor und eine solche Förderung würde auch angeboten - dem spezifischen Beeinträchtigungsprofil der Klägerin auch im Rahmen einer „normalen“ Klassenstärke gerecht werden würde.
77Kommt es für die Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe mithin auf die ex-ante-Betrachtung der leistungsberechtigten Klägerin an, erschien es aus deren Perspektive - bzw. letztlich aus dem Blickwinkel der sie gesetzlich vertretenden Eltern - ohne Weiteres fachlich vertretbar, sich für eine weitere Beschulung auf der Privatschule E. zu entscheiden. Dass diese Bildungseinrichtung geeignet ist, der Klägerin auch in Ansehung ihres spezifischen Beeinträchtigungsprofils eine adäquate Schulbildung zu vermitteln, stand und steht außer Frage und wird im Nachhinein durch die vorliegenden Zeugnisse aus der 5. bis 8. Klasse bestätigt. Die seinerzeit getroffene Entscheidung erwies sich auch nicht unter dem Erforderlichkeitsaspekt als unvertretbar. Nach den vorliegenden Erfahrungen und fachlichen Erkenntnissen, die sich vor allem in dem schulischen Gutachten vom 29. Januar 2010 und der ärztlichen Stellungnahme vom 10. März 2010 widerspiegelten, mussten die Eltern der Klägerin mit der konkreten Gefahr rechnen, dass ihre Tochter auf einer weiterführenden staatlichen Schule nicht angemessen beschult werden könne und die ohnehin bestehende Teilhabebeeinträchtigung sich erheblich verschlimmern werde. In dieser Situation war ihnen nicht zuzumuten, die Klägerin - gleichsam zu „Versuchszwecken“ - dennoch auf einer Regelschule anzumelden, zumal es der Beklagten, wie dargelegt, im Hilfeplanverfahren nicht gelungen war, eine dem Beeinträchtigungsbild der Klägerin angemessen Rechnung tragende Perspektive für eine erfolgreiche Beschulung im öffentlichen Schulwesen aufzuzeigen.
78Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach die Übernahme von Schulgeld für eine private Ersatzschule als eine vom Kernbereich der pädagogischen Arbeit umfasste Leistung keine im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu erbringende Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII ist,
79vgl. BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 10/11 R -, BSGE 112, 196, juris,
80steht dem Kostenübernahmeanspruch der Klägerin nicht entgegen, auch wenn § 35a Abs. 3 SGB VIII u. a. auf § 54 SGB XII verweist. Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf den Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe, die zu dem - nach Auffassung des Senats unhaltbaren - Ergebnis führen würde, dass Privatschulkosten durch den Träger der Jugendhilfe in keinem Fall zu übernehmen sind, also auch dann nicht, wenn im Einzelfall davon auszugehen ist, dass eine bedarfsdeckende Hilfe im öffentlichen Schulwesen nicht zu erhalten ist, kommt aufgrund der folgenden Erwägungen nicht in Betracht:
81Zunächst ist aus dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, § 12 EinglVO nicht abzuleiten, dass „Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung“ nur die Schulbildung begleitende bzw. unterstützende Leistungen sind, wie vom Bundessozialgericht angenommen.
82Vgl. hierzu neben der vorstehend zitierten Entscheidung auch BSG, Urteil vom 22. März 2012 -B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301, juris.
83Der Begriff der „Hilfen“ ist zielorientiert und daher umfassend zu verstehen. Er ist nicht auf Maßnahmen limitiert, die an eine anderweitig gewährleistete Schulbildung angelehnt sind. Dabei ergibt sich aus § 12 EinglVO nichts anderes. Dementsprechend hatte das Bundesverwaltungsgericht schon zum seinerzeit noch geltenden § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG festgestellt, dass die hiernach möglichen Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung „nicht auf solche untergeordneter oder flankierender Art beschränkt“ sind und auch solche Hilfen umfassen, die dem behinderten Menschen „Zugang zu einer angemessenen Schulbildung“ ermöglichen.
84Vgl. Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 20.04 -,BVerwGE 123, 316, juris.
85Die auf der Annahme eines Verhältnisses der Spezialität beruhende Argumentation des Bundessozialgerichts lässt sich aber vor allem deshalb nicht fruchtbar machen, weil bei der hier in Rede stehenden jugendhilferechtlichen Fallgestaltung das Verständnis des § 10 Abs. 1 SGB VIII im Vordergrund steht, wonach die „Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, … durch dieses Buch nicht berührt“ werden. Diese Regelung beschreibt aber nach allgemeiner Auffassung ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis.
86Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 5 C 7.09 -, BVerwGE 137, 85, juris; OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2012 - 12 B 1018/12 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. April 2009 - 12 CE 09.686 -, juris; NdsOVG, Urteil vom 27. April 2005 - 4 LC 343/04 -, JAmt 2005, 360, juris; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 10 Rn. 20 ff.; Schellhorn, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 10 Rn. 6 ff., Meysen, in: FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 10 Rn. 2 ff.
87Von diesem Verständnis geht auch die Begründung zum Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) aus, mit dem die „Schulen“ erstmals ausdrückliche Erwähnung in § 10 Abs. 1 SGB VIII gefunden haben, indem sie darauf abstellt, dass die „Leistungen der Schulträger vorrangig gegenüber Leistungen der Sozialhilfe zu erbringen sind“.
88Vgl. BT-Drs. 15/5616, S. 25.
89In seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht,
90vgl. Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris,
91unter Bezugnahme auf den in § 10 Abs. 1 SGB VIII verankerten Grundsatz des Nachrangs bzw. der Subsidiarität der Jugendhilfe erneut betont, dass dieses Prinzip nur greift, wenn nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten ist. Auf den Ansatz des Bundessozialgerichts, schulische Förderleistungen könnten einen Anspruch auf jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe im Wege der Spezialität ausschließen, wenn der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer in der Schule betroffen wäre, hat sich das Bundesverwaltungsgericht nur insofern gestützt, als es geprüft hat, ob die in jenem Verfahren streitgegenständliche Schulbegleitung mit der pädagogischen Arbeit der Lehrer konfligiert. Ein solcher Konflikt setzt aber ein Nebeneinander von Beschulung (im öffentlichen Schulwesen) und Eingliederungshilfemaßnahme voraus; daran fehlt es indes, wenn die Eingliederungshilfe allein auf die Ermöglichung der Beschulung an einer Privatschule zielt.
92Schließlich ist auch davon auszugehen, dass die Deckung des Bedarfs i. S. v. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII keinen zeitlichen Aufschub mehr geduldet hat. Mit Blick auf den absehbar anstehenden Wechsel auf eine weiterführende Schule war es der Klägerin angesichts ihrer festgestellten Beeinträchtigungslage und der drohenden Gefahr einer Verfestigung und Verschlimmerung nicht zuzumuten, sich zunächst auf eine weitere Beschulung an einer Regelschule einzulassen, nachdem die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfeplanung nicht aufzuzeigen vermochte hatte, dass dieser Weg zu einer adäquaten Bedarfsdeckung führt.
93Als „erforderliche Aufwendungen“, welche die Beklagte nach alldem gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII für die selbst beschaffte Hilfe in den streitgegenständlichen Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 zu übernehmen verpflichtet ist, sind in Anwendung des Rechtsgedankens des § 683 Satz 1 i. V. m. § 670 BGB diejenigen Aufwendungen anzusehen, welche die Eltern der Klägerin nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich halten durften.
94Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 548, juris, und Beschluss vom 28. Juni 2012 - 12 A 2374/11 -, juris.
95Darunter fallen namentlich das monatlich an die Privatschule zu zahlende Schulgeld sowie eine etwaig geleistete Aufnahmegebühr; steuerliche Vorteile sind in Abzug zu bringen.
96Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
97Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 67 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
98Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Namentlich fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die sich auch nicht aus der vorstehend thematisierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Ausschluss von Privatschulkosten aus dem Leistungskatalog der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe ergibt. Dass diese Rechtsprechung auf den Bereich des Jugendhilferechts nicht übertragbar ist, folgt - wie dargelegt - insbesondere aus dem Verständnis des § 10 Abs. 1 SGB VIII als Vorrang-Nachrang-Regelung, das in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt ist.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger begehrt vom beklagten Landkreis als Träger der Jugendhilfe den Ersatz der Kosten für eine selbst beschaffte Schulbegleitung im Schuljahr 2008/2009.
- 2
-
Der 1999 geborene Kläger litt unter anderem an einer Aufmerksamkeitsstörung, einer Störung sozialer Funktionen, einer Sprachstörung, einer kombinierten Störung schulischer Fertigkeiten sowie motorischen Problemen. Er besuchte ab dem Schuljahr 2007/2008 ein Sonderpädagogisches Förderzentrum im Bereich des Beklagten. Dieser gewährte dem Kläger ab November 2007 Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten einer heilpädagogischen Einzelbehandlung.
- 3
-
Anfang August 2008 beantragte der Kläger die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für eine Schulbegleiterin. Dem Antrag waren eine Bescheinigung des Kinderzentrums München und eine Stellungnahme des Rektors des Sonderpädagogischen Förderzentrums beigefügt, in welchen der Einsatz eines individuellen Schulbegleiters in der Schule befürwortet wird.
- 4
-
Der Fachdienst des Jugendamts des Beklagten kam in einer Stellungnahme vom 24. September 2008 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein Integrationsrisiko in den Bereichen schulische Anpassung, Bewältigung von sozialen Situationen und sozialen Kompetenzen, allgemeine Selbständigkeit und Selbstwertproblematik, soziale Beziehung zu Familienangehörigen und Freizeitaktivitäten bestehe. Der Fachdienst schlug eine Fortführung der heilpädagogischen Einzelförderung mit zusätzlicher Kleingruppenarbeit und gegebenenfalls parallel eine ambulante Psychotherapie oder eine heilpädagogische Tagesstätte vor.
- 5
-
Mit Bescheid vom 1. Oktober 2008 lehnte der Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für eine Schulbegleitung mit der Begründung ab, es sei nicht Aufgabe der Jugendhilfe, die Kosten des pädagogischen und integrativen Bedarfs an Förderschulen zu decken. Die Notwendigkeit einer Unterstützung des Klägers im Schulalltag werde vom Fachdienst zwar bestätigt, jedoch sei hierfür vorrangig die Schule heranzuziehen.
- 6
-
Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Zur Begründung wurde im Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2008 ausgeführt, dass dem Jugendhilfeträger bei der Entscheidung über Notwendigkeit und Geeignetheit einer Hilfe ein Beurteilungsspielraum zustehe. Die Beurteilung des Jugendamtes, dass für den Kläger die Fortführung der heilpädagogischen Einzelförderung und ggf. Psychotherapie oder eine heilpädagogische Tagesstätte die geeignete und notwendige Eingliederungshilfemaßnahme darstelle, sei angemessen, fachlich vertretbar und nachvollziehbar.
- 7
-
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, dem Kläger die Kosten für die Schulbegleitung im Schuljahr 2008/2009 zu gewähren. Der Beurteilungsspielraum des Beklagten bei der Auswahl der im Einzelfall zu gewährenden Hilfe sei auf diese Maßnahme reduziert. Der durch die schulische Teilhabebeeinträchtigung ausgelöste Bedarf des Klägers könne trotz der sonderpädagogischen Ausrichtung der Förderschule von dieser nicht ausreichend abgedeckt werden.
- 8
-
Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die vom Kläger selbst beschaffte Hilfe eines Schulintegrationshelfers sei für sich genommen fachlich nicht geeignet gewesen. Die nach § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII - zu gewährende Eingliederungshilfe erfordere eine Hilfe, die dem Hilfebedarf des Behinderten in seiner Gesamtheit gerecht werde. Hier hätten sich die Eltern des Klägers lediglich für eine Schulbegleitung entschieden. Damit seien die übrigen von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereiche vernachlässigt und dem Kläger eine seinem gesamten Eingliederungsbedarf entsprechende Hilfe vorenthalten worden. Ein solches Vorgehen genüge auch nicht allgemeingültigen fachlichen Maßstäben, weil mögliche negative Wechselwirkungen einer Schulbegleitung - etwa im Bereich der Verselbständigung - mit dem im Übrigen bestehenden Hilfebedarf nicht berücksichtigt worden seien.
- 9
-
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 36a Abs. 3 und des § 35a SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII -.
- 10
-
Der Beklagte und die beteiligte Landesanwaltschaft verteidigen das angefochtene Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
- 11
-
Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht in Einklang (1). Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) (2). Weil der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (3).
- 12
-
1. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass nur dann ein Anspruch auf Eingliederungshilfe und dementsprechend auf Aufwendungsersatz für eine selbst beschaffte Maßnahme bestehen könne, wenn die Hilfemaßnahme auf die Deckung des Gesamtbedarfs ausgerichtet sei, ist mit § 35a SGB VIII nicht vereinbar.
- 13
-
Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, dass als Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der verauslagten Aufwendungen für eine Integrationshelferin § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII einschlägig ist. Nach dieser Vorschrift setzt ein Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für Hilfen, die - wie hier - vom Leistungsberechtigten abweichend von § 36a Abs. 1 und 2 SGB VIII selbst beschafft werden, ohne dass eine Entscheidung des Trägers der Jugendhilfe oder eine Zulassung durch diesen vorangegangen ist, voraus, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1), die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorgelegen haben (Nr. 2) und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3).
- 14
-
Die Beteiligten streiten zu Recht weder darüber, dass der Kläger den Beklagten mit seinem Anfang August 2008 gestellten Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Bereitstellung einer Schulbegleitung (Integrationshelfers) rechtzeitig (vgl. Urteil vom 11. August 2005 - BVerwG 5 C 18.04 - BVerwGE 124, 83 <86 ff.> = Buchholz 436.511 § 35a KJHG/SGB VIII Nr. 4 S. 10 ff.) vor Beginn des Zeitraums, für den die Übernahme der Aufwendungen beantragt wurde, von dem Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, noch darüber, dass - bei Vorliegen eines Leistungsanspruchs - die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat. Im Streit steht allein das Vorliegen der Voraussetzung des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, hier also die Frage, ob dem Kläger in dem in Rede stehenden Zeitraum ein Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form einer Schulbegleiterin aus § 35a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zustand. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof mit einer Begründung verneint, die rechtlich nicht trägt.
- 15
-
a) Dabei ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Anforderungen des § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII hier erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift haben Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht (Nr. 1) und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist (Nr. 2). Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigen dessen Annahme - die auch zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht -, dass die seelische Gesundheit des Klägers im streitigen Zeitraum von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abwich. Denn danach litt der Kläger unter anderem an einer Aufmerksamkeitsstörung, einer Störung sozialer Funktionen, einer Sprachstörung, einer kombinierten Störung schulischer Fertigkeiten sowie motorischen Problemen. Diese Abweichung führte dazu, dass die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt bzw. eine solche Beeinträchtigung zu erwarten war. So bestand nach der vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommenen Bewertung des Allgemeinen Sozialen Dienstes des Beklagten bei dem Kläger ein Integrationsrisiko in den Bereichen schulische Anpassung, allgemeine Selbständigkeit, Bewältigung von sozialen Situationen sowie sozialen Beziehungen zu Familienangehörigen und Freizeitaktivitäten.
- 16
-
b) Der Verwaltungsgerichtshof hat weiterhin im Ansatz auch zutreffend angenommen, dass die begehrte Maßnahme als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII einzuordnen ist, die geeignet und erforderlich sein muss, dem behinderten Menschen den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern.
- 17
-
Nach § 35a Abs. 3 SGB VIII richten sich Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie die Art der Leistungen nach § 53 Abs. 3 und 4 Satz 1 sowie den §§ 54, 56 und 57 SGB XII, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden. Dementsprechend erhalten nach § 35a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII seelisch behinderte Kinder Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu.
- 18
-
Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII kann auf § 12 der Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (EinglHVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Februar 1975 (BGBl I S. 433), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3022), zurückgegriffen werden. § 12 EinglHVO nennt zwar nur noch Maßnahmen zugunsten körperlich oder geistig behinderter Kinder und Jugendlicher. Die Regelung enthält jedoch eine allgemeine Konkretisierung des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII. Mit diesem Inhalt ist sie kraft der Verweisung des § 35a Abs. 3 SGB VIII auch für seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen entsprechend anwendbar (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 15. Juni 2011 - 7 A 10420/11 - JAmt 2011, 594 f. Rn. 39 f.; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Aufl. 2012, § 35a Rn. 22 m.w.N.).
- 19
-
Nach § 12 Nr. 1 EinglHVO gehören zu den Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII auch heilpädagogische und sonstige Maßnahmen, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Dies schließt alle Leistungen ein, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Eingliederung zu erreichen, d.h. die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mindern (vgl. Urteil vom 28. April 2005 - BVerwG 5 C 20.04 - BVerwGE 123, 316 <318>). Die Zurverfügungstellung einer Schulbegleitung bzw. Integrationshilfe fällt dabei unter den in § 12 Nr. 1 EinglHVO verwandten Begriff der "sonstige(n) Maßnahmen" zugunsten behinderter Kinder (Beschluss vom 2. September 2003 - BVerwG 5 B 259.02 - juris Rn. 15).
- 20
-
c) Der tragende Rechtsstandpunkt, mit dem der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe durch Bereitstellung einer Schulbegleiterin abgelehnt hat, nämlich der Satz, dass ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII und dementsprechend auf Aufwendungsersatz für eine selbst beschaffte Maßnahme (§ 36a Abs. 3 SGB VIII) nur bestehen könne, wenn diese Hilfe dem Hilfebedarf in seiner Gesamtheit gerecht werde (UA S. 13 Rn. 81 f.), hält aber einer Überprüfung nicht stand. Ein solcher Rechtssatz lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.
- 21
-
§ 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII trifft selbst keine Regelung darüber, wie ein Hilfebedarf zu decken ist, sondern knüpft (in Nr. 2 der Vorschrift) den Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine selbst beschaffte Hilfe insbesondere daran, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe nach einer anderen Bestimmung des Gesetzes - hier allein in Betracht kommend der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII - vorgelegen haben.
- 22
-
Aus der Regelung des § 35a SGB VIII kann der Rechtssatz, dass eine (selbst beschaffte) Hilfemaßnahme, um einen Anspruch auf Kostenübernahme nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII begründen zu können, den gesamten Eingliederungshilfebedarf abdecken muss, ebenfalls nicht abgeleitet werden. Dieser Satz findet weder im Wortlaut des § 35a SGB VIII oder den von dieser Norm in Bezug genommenen Vorschriften eine Verankerung, noch lässt er sich aus der Systematik oder aus dem Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe folgern.
- 23
-
Während der Wortlaut des § 35a SGB VIII noch offen ist, spricht die Systematik des Gesetzes in gewichtiger Weise dafür, dass Eingliederungshilfeleistungen auch darauf ausgerichtet sein dürfen, einen Teilbedarf zu decken. So greift § 35a Abs. 3 SGB VIII mit der Inbezugnahme auf § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII und damit die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung selbst einen Teilleistungsbereich heraus und geht davon aus, dass es Hilfen gibt, die gerade auf die Deckung dieses (Teil-) Bedarfs zugeschnitten sind. Die systematische Gesamtschau mit den weiteren von § 35a Abs. 3 SGB VIII in Bezug genommenen Leistungstatbeständen unterstützt dieses Ergebnis. Diese enthalten ebenfalls in der Regel - wie sich aus der jeweiligen Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt - beispielhafte Aufzählungen (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 26 Abs. 2 und 3 SGB IX, § 33 Abs. 2, 3 und 6 SGB IX), die ein offenes Leistungssystem normieren und jeweils darauf ausgerichtet sind, den Bedarf in bestimmten Bereichen zu decken (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 15.11 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
- 24
-
Dieses Auslegungsergebnis wird durch den Sinn und Zweck der Regelungen über die Eingliederungshilfe bestätigt. Aufgabe und Ziel der Eingliederungshilfe werden durch die über § 35a Abs. 3 SGB VIII entsprechend anwendbare Regelung des § 53 Abs. 3 SGB XII näher bestimmt. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es danach, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern.
- 25
-
Im Hinblick auf diese Zwecksetzung geht der Verwaltungsgerichtshof zwar im Ansatz richtig davon aus, dass der Jugendhilfeträger möglichst den gesamten Hilfebedarf abzudecken hat, der durch die seelische Behinderung hervorgerufen wird und deshalb alle von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereiche in den Blick zu nehmen hat. Hilfebedarfe in unterschiedlichen Lebensbereichen sollen dabei nach Möglichkeit einheitlich abgedeckt werden und etwa die Eingliederungshilfe mit der Erziehungshilfe kombiniert werden (vgl. § 35a Abs. 4 Satz 1 SGB VIII). Hilfeleistungen sind demnach so auszuwählen und aufeinander abzustimmen, dass sie den gesamten Bedarf so weit wie möglich erfassen. Denn aus dem (sozialhilferechtlichen) Bedarfsdeckungsgrundsatz, der im Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe in § 35a Abs. 2 SGB VIII (vgl. "Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall ... geleistet") verankert ist, folgt, dass grundsätzlich der gesamte im konkreten Einzelfall anzuerkennende Hilfebedarf seelisch behinderter oder von einer solchen Behinderung bedrohter Kinder oder Jugendlicher abzudecken ist (vgl. Urteile vom 18. Oktober 2012 a.a.O. und vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 6.11 - Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr. 6 Rn. 12 m.w.N.). Das erfordert, dass sich der Träger der öffentlichen Jugendhilfe bzw. im Fall der selbstbeschafften Hilfe der Leistungsberechtigte der Art und Form nach aller Leistungen und Hilfen bedienen kann, die zur Deckung des konkreten und individuellen eingliederungsrechtlichen Bedarfs geeignet und erforderlich sind (Urteil vom 18. Oktober 2012 a.a.O.).
- 26
-
Dies kann es jedoch gerade bedingen, dass der durch Teilhabebeeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen erzeugte Hilfebedarf nur durch verschiedene, auf den jeweiligen Bereich zugeschnittene Leistungen abgedeckt werden kann und muss, um die Aufgabe der Eingliederungshilfe zu erfüllen. Hilfebedarf in unterschiedlichen Bereichen kann es geboten erscheinen lassen, verschiedene Hilfeleistungen zu kombinieren oder durch mehrere Einzelleistungen den Gesamtbedarf des Hilfebedürftigen abzudecken. Um dem Ziel der Eingliederungshilfe nach möglichst umfassender Bedarfsdeckung in allen von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Bereichen gerecht zu werden, kann es, wenn nicht sogleich der Gesamtbedarf gedeckt werden kann, erforderlich sein, Hilfeleistungen zumindest und zunächst für diejenigen Teilbereiche zu erbringen, in denen dies möglich ist. Steht etwa eine bestimmte Hilfeleistung tatsächlich zeitweilig nicht zur Verfügung oder wird eine bestimmte Hilfe vom Hilfeempfänger oder dessen Erziehungsberechtigten (zeitweise) nicht angenommen, kann es gleichwohl geboten sein, die Hilfen zu gewähren, die den in anderen Teilbereichen bestehenden (akuten) Bedarf abdecken.
- 27
-
Etwas anderes kann - mit Blick auf den dargelegten Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe - dann anzunehmen sein, wenn die Gewährung der Hilfe für einen Teilbereich die Erreichung des Eingliederungszieles in anderen von der Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereichen erschweren oder vereiteln würde, es also zu Friktionen zwischen Hilfsmaßnahmen käme. Nachteilige Wechselwirkungen mit anderen Hilfeleistungen können die fachliche Geeignetheit einer (begehrten) Leistung für einen Teilleistungsbereich in Frage stellen. Dies ist eine Frage der fachlich sinnvollen Abstimmung verschiedener Hilfeleistungen aufeinander.
- 28
-
Dass der Gesamtbedarf durch eine bestimmte Hilfemaßnahme nicht gedeckt wird, schließt es mithin - entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs - nicht aus, dass sie geeignet und erforderlich sein kann, einen Teilbedarf zu decken und insoweit ein Anspruch auf Eingliederungshilfe besteht; es sei denn, die Gewährung der Hilfe für diesen Teilbedarf würde Hilfemaßnahmen für andere von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffene Lebensbereiche vereiteln oder konterkarieren.
- 29
-
2. Das Urteil des Verwaltungsgerichthofs erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs kann nicht der rechtliche Schluss gezogen werden, dass eine der (sonstigen) Voraussetzungen für die Übernahme der Aufwendungen für die Schulbegleitung nicht vorliegt und deshalb der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht besteht.
- 30
-
a) Der Anspruch des Klägers auf den Ersatz von Aufwendungen für die Schulbegleitung gemäß § 36a Abs. 3 SGB VIII scheidet nicht deshalb aus, weil der Beklagte - unter Berücksichtigung seines Einschätzungsspielraums - die begehrte Hilfe mit vertretbaren Erwägungen abgelehnt hat.
- 31
-
aa) Die gerichtliche Kontrolldichte ist aufgrund der aus § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII folgenden Steuerungsverantwortung des Jugendhilfeträgers beschränkt. Nach dieser Vorschrift trägt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird. Der Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass es nicht dem gesetzlichen Auftrag des Jugendhilfeträgers entspricht, nur "Zahlstelle" und nicht Leistungsträger zu sein. Das Jugendhilferecht zielt auf eine partnerschaftliche Hilfe unter Achtung familiärer Autonomie und auf kooperative pädagogische Entscheidungsprozesse. Nur wenn die Eltern bzw. der Hilfeempfänger grundsätzlich den Träger der Jugendhilfe von Anfang an in den Entscheidungsprozess einbeziehen, kann er seine aus § 36a Abs. 1, § 79 Abs. 1 SGB VIII folgende Gesamtverantwortung für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben und die Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII wahrnehmen (Beschluss vom 22. Mai 2008 - BVerwG 5 B 130.07 - JAmt 2008, 600).
- 32
-
Weil der Hilfeplan eine unverzichtbare Voraussetzung der Gewährung von Jugendhilfe bildet, ist es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit entscheidend, ob die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe auch ohne eine schriftliche Fixierung in einem Hilfeplan festgestellt werden kann. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des Kindes bzw. des Jugendlichen und mehrerer Fachkräfte handelt, welches nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten soll, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich dabei darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind (Urteil vom 24. Juni 1999 - BVerwG 5 C 24.98 - BVerwGE 109, 155 <167>).
- 33
-
Dementsprechend ist auch bei der Selbstbeschaffung einer aus fachlichen Gründen abgelehnten bzw. vom Hilfeplan ausgeschlossenen Leistung im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zu prüfen, ob der vom Jugendamt aufgestellte Hilfeplan (bzw. das Hilfekonzept) verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst und fachlich vertretbar ist. Diese Prüfung erstreckt sich dabei nicht auf eine reine Ergebniskontrolle, sondern erfasst auch die von der Behörde - maßgeblich ist die letzte Behördenentscheidung - gegebene Begründung. Denn diese muss für den Betroffenen nachvollziehbar sein, um ihn in die Lage zu versetzen, mittels einer Prognose selbst darüber zu entscheiden, ob eine Selbstbeschaffung (dennoch) gerechtfertigt ist. Hat das Jugendamt die begehrte Hilfe aus im vorgenannten Sinne vertretbaren Erwägungen abgelehnt, besteht weder ein Anspruch des Betroffenen auf die begehrte Eingliederungshilfeleistung noch auf den Ersatz von Aufwendungen für eine selbst beschaffte Hilfe. Der Regelung des § 36a Abs. 3 SGB VIII liegt in dem Sinne der Gedanke des Systemversagens zugrunde, dass die selbst beschaffte Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt worden sein muss (vgl. Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 6. Aufl. 2009, § 36a Rn. 4 m.w.N.).
- 34
-
Hat demgegenüber das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, können an dessen Stelle die Betroffenen den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation sind sie - obgleich ihnen der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung des § 36a Abs. 3 SGB VIII eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen. Weil nun ihnen die Entscheidung aufgebürdet ist, eine angemessene Lösung für eine Belastungssituation zu treffen, hat dies zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr etwa im Nachhinein nicht mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet gehalten (vgl. Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, a.a.O.; Kunkel, LPK-SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 36a Rn. 13 jeweils m.w.N.).
- 35
-
bb) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Maßstäbe lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte die begehrte Hilfeleistung in nicht zu beanstandender Weise verweigert hat. Im Bescheid des Beklagten vom 1. Oktober 2008 hat dieser die Ablehnung einer Schulbegleitung nicht mit fachlichen Erwägungen, sondern mit der - wie noch (sogleich unter 2. b) darzulegen sein wird - so nicht zutreffenden rechtlichen Erwägung begründet, dass hierfür die Förderschule allein zuständig sei. In der insoweit maßgeblichen letzten Behördenentscheidung, dem Widerspruchsbescheid, wird diese Begründung zwar ausgetauscht und auf die Stellungnahme des Fachdienstes des Jugendamts vom 24. September 2008 verwiesen, aus der sich die mangelnde fachliche Notwendigkeit einer Schulbegleitung ergebe. Allerdings wird gerade in dieser Stellungnahme bei dem Kläger ein "Integrationsrisiko" im Bereich der "schulischen Anpassung" ausgemacht und ein zusätzlicher Betreuungsbedarf nicht in Abrede gestellt. Für die Ablehnung der von den Erziehungsberechtigten des Klägers geforderten Schulbegleitung wird in der Stellungnahme weder ein nachvollziehbares fachliches noch ein durchgreifendes rechtliches Argument geliefert. Am Ende der Stellungnahme heißt es lediglich, dass eine Schulbegleitung nur im Falle einer Beschulung an einer Regelschule notwendig sei. Weil diese Aussage in ihrer Pauschalität weder rechtlich fundiert ist noch eine fachliche Begründung für die Verweigerung der Leistung darstellt, ist die Hilfeplanung der Beklagten jedenfalls im Hinblick auf den hier streitigen schulischen Betreuungsbedarf als defizitär anzusehen, so dass die Steuerungsverantwortung des Jugendamts der Aufwendungserstattung für die selbst beschaffte Hilfe hier nicht entgegensteht.
- 36
-
b) Das Urteil des Verwaltungsgerichthofs erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil - wie der Beklagte und der Beteiligte der Sache nach geltend gemacht haben - der Anspruch des Klägers auf Eingliederungshilfe in Gestalt einer Schulbegleitung wegen eines Vorrangs der schulischen Leistung ausscheide.
- 37
-
aa) Eine Spezialität in dem Sinne, dass eine schulische Förderleistung einschlägig ist, die einen Anspruch auf jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe ausschließen könnte, liegt nicht vor. Zwar käme eine die Eingliederungshilfe verdrängende, weil ausschließlich von der Schule - hier der Förderschule - zu erbringende Leistung in Betracht, wenn der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer in der Schule betroffen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 30/10 R - juris Rn. 21). Dieser Bereich ist jedoch unabhängig von seiner exakten Bestimmung (s. dazu BSG, Urteil vom 22. März 2012 a.a.O. Rn. 21 f.) hier nicht betroffen. Vielmehr ging es - wie sich auch aus den vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Stellungnahmen des Kinderzentrums sowie des Rektors des Sonderpädagogischen Förderzentrums schließen lässt - darum, dass die Schulbegleitung die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrer absichern und mit die Rahmenbedingungen dafür schaffen sollte, dem Kläger erst den erfolgreichen Besuch der Schule zu ermöglichen.
- 38
-
bb) Ein Anspruch des Klägers auf eine Schulbegleitung ist auch nicht wegen des Nachrangs der Jugendhilfe ausgeschlossen.
- 39
-
Nach § 10 Abs. 1 SGB VIII werden Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, durch dieses Buch nicht berührt. Darin ist der Grundsatz vom Nachrang der Jugendhilfe bzw. die allgemeine Subsidiarität jugendhilferechtlicher Leistungen gegenüber denen anderer Sozialleistungsträger und der Schulen verankert (vgl. Urteile vom 27. Mai 2010 - BVerwG 5 C 7.09 - BVerwGE 137, 85 <87> und vom 22. Februar 2007 - BVerwG 5 C 32.05 - Buchholz 436.511 § 35a KJHG/SGB VIII Nr. 5 Rn. 16). Dieser Grundsatz kommt auch in der Formulierung des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 SGB XII zum Ausdruck, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben. Es genügt aber für die Nachrangigkeit der Jugendhilfe nicht, dass eine anderweitige Verpflichtung überhaupt besteht. Vielmehr muss diese anderweitige Verpflichtung auch rechtzeitig realisierbar und nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten sein (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 8. September 2010 - 12 A 1326/10 - juris m.w.N.; Gutachten des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. vom 22. Januar 2012 - G 3/10, NDV 2012, 264; Vondung, in: Kunkel, LPK-SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 10 Rn. 7). In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht auch einen gegenüber der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe vorrangigen Anspruch gegen die Schulverwaltung nur angenommen, soweit und solange die Schule tatsächlich Hilfe gewährt oder der Betroffene den Anspruch auf Hilfeleistung gegen die Schulverwaltung rechtzeitig verwirklichen kann (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 13. Juni 2001 - BVerwG 5 B 105.00 juris Rn. 2; Urteil vom 23. November 1995 - BVerwG 5 C 13.94 - BVerwGE 100, 50 <54>).
- 40
-
Gemessen an diesen Grundsätzen kann hier jedenfalls nicht angenommen werden, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Schulverwaltung auf Bereitstellung eines Integrationshelfers für den Besuch der Förderschule rechtzeitig hätte geltend machen oder durchsetzen können. Denn zu dieser Frage des nicht revisiblen Landesrechts hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Urteil vom 6. Juli 2005 (12 B 02.2188 - FEVS 57, 138 <139>) entschieden, dass behinderten Kindern nach bayerischem Landesrecht kein Anspruch gegen die Schulverwaltung auf Bereitstellung eines Integrationshelfers für den Besuch einer Förderschule zukommt.
- 41
-
3. Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs kann der Senat nicht abschließend über die Sache entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
- 42
-
Der Verwaltungsgerichtshof hat keine genügenden Feststellungen dazu getroffen, ob und inwieweit eine Schulbegleitung als einen Teilbedarf abdeckende Maßnahme geeignet und erforderlich ist, sondern sich - auf der Grundlage seiner Rechtsansicht konsequent - lediglich dazu verhalten, dass die dem Kläger vom Fachdienst des Beklagten angebotene Behandlung in einer heilpädagogischen Tagesstätte (ggf. in Kombination mit einer Psychotherapie) eine geeignete, weil ganzheitliche Hilfemaßnahme gewesen sei. Der Verwaltungsgerichtshof wird daher zu prüfen haben, ob - bei Zugrundelegung eines fachlichen Einschätzungsspielraums - die Erziehungsberechtigten des Klägers für den streitbefangenen Zeitraum eine Schulbegleitung für geeignet und erforderlich halten durften, um den Schulbesuch des Klägers am Förderzentrum zu ermöglichen oder zu erleichtern. Im Rahmen der Prüfung, ob die Entscheidung für die Selbstbeschaffung der Schulbegleitung im vorgenannten Sinne vertretbar und nachvollziehbar war, wird dabei zu berücksichtigen sein, ob die Bestellung einer Schulbegleitung im streitigen Zeitraum auf die vom Beklagten gewährte sonstige Hilfeleistung, nämlich auf die weitergeführte heilpädagogische Einzelförderung mit zwei Wochenstunden in einer heilpädagogischen Fachpraxis, eine deren Zielsetzung vereitelnde Wirkung gehabt hätte und dies für die Erziehungsberechtigten erkennbar war.
- 43
-
Dies führt zur Zurückverweisung der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Auf den vom Kläger gerügten Verfahrensmangel kommt es daher nicht mehr an.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird über die bereits im angegriffenen Urteil ausgesprochene Verpflichtung hinaus verpflichtet, die Kosten des Privatschulbesuchs des Klägers - bestehend aus Schulgeld, Fahrtkosten, Aufwendungen für Lernmittel sowie Klassenfahrten und -ausflüge - im Zeitraum vom 22. August 2012 bis zum Juli 2013 zu übernehmen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger zu 15 %, die Beklagte zu 85 %, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 10 %, die Beklagte zu 90 %. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für die Beschulung des Klägers auf der G. Q. O. .
3Bei dem im Februar 2000 geborenen Kläger wurde im Jahr 2004 die Diagnose ADHS gestellt. Im Jahr 2006 wurden u.a. ein Aspergersyndrom (ICD-10: F84.5) mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung sowie eine umschriebene motorische Entwicklungsstörung (ICD-10: F82) diagnostiziert. Im Jahr 2010 wurden zusätzlich Zwangsgedanken und -handlungen (ICD-10: F42.2) und eine chronische motorische oder vokale Ticstörung (ICD-10: F95.1) festgestellt. Von 2007 bis 2009 wurde der Kläger heilpädagogisch gefördert. Aufgrund eines Antrags nach § 35a SGB VIII wurde in einem Hilfeplan vom 4. November 2010 dem Kläger, der zu diesem Zeitpunkt im fünften Schuljahr war und die L. -T. -Schule (Förderschule Sprache) besuchte, ein Integrationshelfer ab dem 25. Oktober 2010 gewährt. Diese Hilfe wurde nach kurzer Zeit - am 5. November 2010 - eingestellt, da an diesem Tag ein Wechsel in die 5. Klasse der F. -L1. -Schule, Kompetenzzentrum für sonderpädagogische Förderung mit den Förderschwerpunkten Sprache, Lernen und emotionale und soziale Entwicklung stattfand.
4Vom 25. Januar 2012 bis zum 29. März 2012 wurde der Kläger stationär in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der S. L2. W. behandelt.
5Mit Schreiben vom 10. April 2012, bei der Beklagten eingegangen am 11. April 2012, beantragte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, die Übernahme der Kosten einer Privatschule. Beigefügt war ein Entlassungsbericht des Fachbereichs Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der S. L2. W. vom 26. März 2012, in dem als Diagnosen Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5), Hyperkinetische Störung Sozialverhalten (ICD-10: F90.1), Enuresis nichtorganisch (ICD-10: F98.0) sowie Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt (ICD-10: F42.2) genannt werden. Weiter heißt es:
6„Unseren Informationen und unserem klinischen Eindruck nach ist Q2. in seiner aktuellen Klasse kognitiv stark unterfordert. Er zeigte in unserer Klinikschule eine gute kognitive Leistungsfähigkeit und einen, in Anbetracht der restlichen Problematik erstaunlichen, Wissendurst und Wunsch nach mehr Anforderung. Die kognitive Unterforderung triggert Q1. generellen Drang andere Kinder zu drangsalieren und abzuwerten, zudem führt die Langeweile zu noch mehr Störverhalten. Wir empfehlen einen Schulrahmen mit möglichst kleinen Klassen, einer möglichst hohen Betreuungsdichte, einem geringen Stundenumfang, wenigen anderen auffälligen Schülern und einer stabilen Begleitung durch möglichst wenig Lehrerwechsel. Eine Betreuung durch ein gut geschultes, im Umgang mit stark auffälligen, sozialverhaltensgestörten und autistischen Kindern erfahrenes pädagogisches Team ist dringend anzuraten. Aktuell halten wir Q1. für nicht regelschulfähig.“
7Nach den Osterferien, d.h. ab dem 17. April 2012, hospitierte der Kläger in der 5. Klasse der G. Q. O. in L3. . Zum Mai 2012 erfolgte die Anmeldung des Klägers auf dieser Schule.
8Am 27. April 2012 überreichten die Eltern des Klägers persönlich eine Aufstellung des Schulgeldes der G. Q. O. , in der ein klassenstufenabhängiges Schulgeld von monatlich zwischen 700 und 875 € sowie eine einmalige Aufnahmegebühr in Höhe von 1.250 € aufgeführt waren.
9Mit Schreiben vom 30. April 2012 erinnerten die Eltern des Klägers an ihren Antrag vom 10. April 2012 und teilten - offenbar in Reaktion auf eine mündliche Anfrage während der Übergabe der Kostenaufstellung am 27. April 2012 - mit, dass sie sich nicht im Besitz der Unterlagen des AO-SF-Verfahrens befänden. Mit Schreiben vom 2. Mai 2012 wurden den Eltern des Klägers auszufüllende Formulare und Fragebögen übersandt. Ein ausgefüllter Formularantrag auf Leistungen nach § 35a SGB VIII ging am 9. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Der Schulbericht der F. -L1. -Schule vom 10. Mai 2012 ging am 15. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Hierin heißt es u.a.:
10„Q2. zeigt eine extrem hohe Ablenkbarkeit, Q1. ist in einer Lerngruppe von 11 Schülern, die sich aus ES und LE Schülern zusammensetzt, nur schwer zu fördern.
11(…)
12Q2. ist ein Einzelgänger, seine Kontaktaufnahme zu Mitschülern kommt selten an. Meist ist diese unangemessen, unangepasst. Sozialkontakte sind aufgrund Q2. Störung kaum möglich. Es entstehen regelmäßig Konflikte mit Mitschülern.
13(…)
14Q2. benötigt eine wirklich kleine Lerngruppe (4-5 Schüler) durchschnittlich intelligenter Schüler, um seiner Leistungsfähigkeit entsprechend gefördert zu werden. Größere Lerngruppen führen bei Q2. zu einer hohen Konflikt-Problematik, die der Entwicklung seiner schulischen Leistungen, aufgrund seines speziellen Störungsbildes, entgegen stehen. Sonderpädagogische Maßnahmen bei einem autistischen Störungsbild wie Asperger greifen am Kompetenzzentrum aufgrund der Gruppengröße und der Zusammensetzung der Lerngruppen nicht.“
15Unter dem 18. Mai 2012 bat die Sachbearbeiterin der zentralen Koordinierungsstelle § 35a SGB VIII (51/32) den zuständigen Sachbearbeiter im Bereich 51/30
16- Hilfen für junge Menschen und ihre Familien und Bezirkssozialarbeit - um Abgabe einer sozialpädagogischen Stellungnahme. Wohl kurz danach ging eine „Stellungnahme zur Einteilung nach dem multiaxialen Klassifikationsschema nach ICD“ der S. L2. W. , Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters vom 15. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Sie führte auf:
17„Achse I: klinisch psychiatrisches Syndrom
18Hyperkinetische Störung Sozialverhalten (ICD10: F90.1)
19Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt (ICD10: F42.2)
20Enuresis nichtorganisch (ICD10: F98.0)
21Achse II: Umschriebene Entwicklungsstörungen
22Asperger-Syndrom (ICD10: F84.5)
23Achse III: Intelligenzniveau
24Eine Testung mittels eines HAWIK ergab einen durchschnittlichen IQ von 102 IQ-Punkten. Die einzelnen Untertests ergaben
25- Sprachverständnis 107
26- Wahrnehmungsgebundenes logisches Denken 94
27- Verarbeitungsgeschwindigkeit 109
28- Arbeitsgedächtnis 99
29Achse IV: körperliche Symptomatik
30diverse Allergien (Frühblüher, Katzen, Hunde) und Asthma.
31Achse V: Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Umstände
32- 6.3 Ereignisse, die zur Herabsetzung der Selbstachtung führen
33- 8. Chronische zwischenmenschliche Belastung im Zusammenhang mit Schule oder Arbeit
34- 35
8.0 Streitbeziehungen mit Schülern/Mitarbeitern
- 36
8.1 Sündenbockzuweisung durch Lehrer/Ausbilder
- 37
8.2 Allgemeine Unruhe in der Schule bzw. Arbeitssituation
Achse VI: Globalbeurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus
39Tiefgreifende und schwerwiegende soziale Beeinträchtigung“
40Anlässlich eines Telefongesprächs am 15. Juni 2012 teilte der zuständige Sachbearbeiter der Mutter des Klägers mit, dass alle Antragsunterlagen vorlägen und nunmehr ein Hausbesuch zur Prüfung der Teilhabebeeinträchtigung stattfinden müsse, dessen Termin noch mitgeteilt werde. Aufgrund des hohen Arbeitsanfalls sei mit einer längeren Bearbeitungsdauer zu rechnen.
41Bei einem weiteren Telefongespräch am 6. Juli 2012 teilte die Mutter des Klägers telefonisch mit, dass der sonderpädagogische Förderbedarf für den Kläger aufgehoben worden sei und sie den Bescheid übermitteln werde.
42Mit Schreiben vom 12. Juli 2012, Eingang am selben Tag, überreichten die Eltern des Klägers den Bescheid vom 19. Juni 2012 über die Aufhebung des Förderbedarfs für den Kläger sowie drei Absagen von zwei Realschulen und einer Gesamtschule.
43Unter dem 16. Juli 2012 wandte sich die Beklagte an die Eltern des Klägers und forderte sie auf, sich mit den Absagen der Schulen an das Schulamt der Stadt L3. zu wenden und angesichts des Nachrangs der Jugendhilfe die Suche nach einer entsprechenden Schule fortzuführen. Unabhängig davon werde das Prüfungsverfahren, ob beim Kläger eine Teilhabebeeinträchtigung vorliege, weiter betrieben. Es werde um Vorlage einer Kopie des Antrags auf Beendigung der sonderpädagogischen Förderung gebeten. Die Eltern des Klägers teilten telefonisch am 2. August 2012 mit, dass sie keine Kopie dieses Antrags besäßen. Auf ein weiteres Schreiben vom 15. August 2012, dass der Antrag auf Beendigung der sonderpädagogischen Förderung benötigt werde, baten die Eltern des Klägers die Beklagte mit Schreiben vom 23. August 2012, sich selbst an das Schulamt zu wenden, und übersandten dem Schulamt eine Einverständniserklärung vom 26. August 2012. Mit Schreiben vom 27. August 2012 forderte das Jugendamt die Antragsunterlagen beim Schulamt an. Sie gingen am 29. August 2012 dort ein. Das Jugendamt wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 10. September 2012 an das Schulamt und bat, die vorrangigen Leistungen der Schule zu realisieren. Die Eltern des Klägers wurden mit Schreiben vom selben Tag aufgefordert, die Suche nach einer Schule für den Kläger fortzusetzen.
44Mitte Juli bis Anfang August 2012 befand sich der Kläger mit seiner Familie im Urlaub. Am 13. August 2012 wurde ein Hausbesuch für den 23. August 2012 vereinbart.
45Unter dem 20. September 2012 erstellte der zuständige Sozialpädagoge eine Sozialpädagogische Stellungnahme, in der er eine Teilhabebeeinträchtigung des Klägers in den Bereichen Familienbeziehungen, Umfeld/soziale Kontakte, Schule, Alltagsbewältigung/Selbstversorgung und Erholung und Freizeit feststellte. Die Voraussetzungen für eine Hilfegewährung nach § 35a SGB VIII lägen vor. Als geeignete Maßnahmen wurden nach der Beratung im Team der Zentralen Fachstelle am 20. September 2012 ein Integrationshelfer für den Fall einer Regelbeschulung und eine begleitende Autismustherapie erachtet. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 hörte die Beklagte den Kläger daraufhin zu einer beabsichtigten Ablehnung der Übernahme der Kosten für die G. Q. O. an. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 bat der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers um Akteneinsicht und übersandte am 6. November 2012 eine Vollmacht. Nach im November 2012 gewährter Akteneinsicht erinnerte die Beklagte unter dem 9. Januar 2012 an das Anhörungsschreiben vom 1. Oktober 2012 und setzte eine Frist zur Stellungnahme bis zum 30. Januar 2013. Am 5. Februar 2013 ging die Stellungnahme bei der Beklagten sein. Hierin wurde u.a. aufgeführt: Das sowohl von der F. -L1. -Schule als auch den S. L2. W. für den Kläger geforderte Lernumfeld finde sich in der G. Q. O. . Dort werde der Kläger aktuell in einer Klasse mit fünf weiteren Kindern unterrichtet. Die Schule habe betreut und betreue mehrere Kinder mit der Diagnose Asperger, so dass die Pädagogen dieser Schule mit den damit einhergehenden Anforderungen vertraut seien. Beigefügt war ein Abschlussbericht der S. L2. W. vom 27. August 2012, in dem die Aussagen zum Lernumfeld, die bereits im Kurzbericht vom 26. März 2012 enthalten waren, wiederholt wurden.
46Mit Bescheid vom 19. März 2013 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Freie Q. O. ab. Die Vermittlung einer Schulausbildung sei in erster Linie Aufgabe der staatlichen Schulverwaltung, die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII sei demgegenüber nachrangig. Von der Eingliederungshilfe seien nur unterstützende Hilfsmaßnahmen zum Schulbesuch, nicht jedoch die Schulkosten selbst umfasst. Kinder mit Autismus seien nach der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorrangig in die Regelschule zu integrieren. Es kämen verschiedene unterstützende Hilfsmaßnahmen in Betracht. Eine Prüfung hinsichtlich eines anderen Förderbedarfs als des Förderbedarfs Sprache sei nicht durchgeführt oder angestrebt worden. Bereits bei der Antragstellung am 10. April 2012 sei die Hospitation des Klägers auf der G. Q. O. ab dem 17. April 2012 vereinbart gewesen. Andere Fördermöglichkeiten innerhalb des staatlichen Schulsystems seien überhaupt nicht mehr in Erwägung gezogen worden und hätten nicht mehr hinreichend geklärt werden können. Die ärztliche Stellungnahme der S. L2. W. zur fehlenden Regelbeschulbarkeit des Klägers mache das vom Schulamt und Jugendamt durchzuführende Verfahren nicht obsolet; zudem sei nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang die Ärzte über die Fördermöglichkeiten des staatlichen Schulsystems unterrichtet seien. Zudem solle durch die Leistungen der Jugendhilfe nur eine angemessene, nicht die bestmögliche Schulbildung ermöglicht werden. Die G. Q. O. entspreche in ihrem Profil eher einer Regelschule. Sie unterscheide sich von einer solchen im Wesentlichen nur durch die geringere Anzahl von Schülern und andere pädagogische Konzepte. Über speziell ausgebildetes Personal zur Betreuung und Förderung von Kindern mit Autismusstörung verfüge die Schule nicht.
47Der Kläger hat am 23. April 2013 Klage erhoben, zu deren Begründung er ausgeführt hat: Die Beklagte habe ihm, dem Kläger, eine konkrete, individuell bedarfsgerechte Fördermöglichkeit nicht benennen können. Sie lasse völlig unberücksichtigt, dass er in einem Regelschulsetting nicht adäquat beschulbar sei. Es habe nicht zu seinen Pflichten gehört, den Nachweis zu führen, dass eine Beschulung im öffentlichen Schulsystem nicht möglich sei. Vielmehr sei die Prüfung dieser Voraussetzungen Aufgabe der Beklagten, die dieser aber nicht nachgekommen sei. Der Nachweis einer Beschulungsmöglichkeit im öffentlichen Schulwesen sei damit nicht geführt, so dass § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seinem Anspruch nicht entgegenstehe.
48An der F. -L1. -Schule sei er unterfordert gewesen, eine Hospitation an einer Gesamtschule habe aber wiederum bestätigt, dass er in großen Klassen nicht beschulbar sei. Die Beschulung auf der Q. sei ohne jede Einschränkung erfolgreich. Das Lehr- und Betreuungspersonal der G. Q. O. besuche regelmäßig Fortbildungen und habe reichhaltige Erfahrungen mit seelisch beeinträchtigten Kindern, insbesondere würden dort regelmäßig auch Kinder mit Asperger-Syndrom beschult. Zwar sei es richtig, dass der Antrag auf Leistungen nach § 35a SGB VIII seinerzeit kurzfristig gestellt worden sei. Allerdings seien er, der Kläger, sowie seine Problematik der Beklagten bekannt gewesen. Er habe unter seiner schulischen Situation und der Ausgrenzung gelitten, weshalb er zu Hause kaum noch zu führen gewesen sei. Eine Rückkehr in die schulische Situation, welche für seine psychische Dekompensation mitverantwortlich gewesen sei, sei ihm nach der Klinikentlassung nicht zumutbar gewesen.
49Seine Eltern hätten im Zeitraum von Mai 2012 bis Mai 2014 folgende Kosten aufgewandt:
50Aufnahmegebühr 1.250,00 €
51Schulgeld Mai 2012 bis Mai 2013 je 700 € 9.100,00 €
52Schulgeld Juni 2013 und Juli 2013 je 750 € 1.500,00 €
53Schulgeld August 2013 bis Mai 2014 je 825 € 8.250,00 €
54Schulbücher 483,90 €
55Deutsch-Lektüren 13,90 €
56Klassenausflüge/Klassenfahrten 635,00 €
57Schülerfahrtkosten (Differenz zu Schoko-Ticket) 305,85 €
58Gesamtaufwendungen = 21.538,65 €
59Zur Erstattung dieser Aufwendungen sei die Beklagte verpflichtet, weil er, der Kläger, sich diese Leistungen zulässigerweise selbst beschafft habe. Der Antrag auf Kostenübernahme sei bereits am 10. April 2012 gestellt worden. Überdies sei sein jugendhilferechtlicher Bedarf bereits seit dem nicht abgeschlossenen Verfahren auf Bewilligung eines Integrationshelfers, welches im Jahr 2010 beim Jugendamt anhängig gewesen sei, bekannt gewesen. Die Selbstbeschaffung habe auch keinen Aufschub geduldet, es habe eine dringliche Bedarfslage vorgelegen.
60Der Kläger hat beantragt,
61die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. März 2013 zu verpflichten, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten der Beschulung in der G. Schule O. für die Zeit von Mai 2012 bis zum 31. Mai 2014 zu bewilligen.
62Die Beklagte hat beantragt,
63die Klage abzuweisen.
64Zur Begründung hat sie auf den Nachrang der Jugendhilfe verwiesen. Die Eltern des Klägers hätten sich lediglich bei drei Regelschulen um eine Aufnahme des Klägers bemüht; im Gebiet der Beklagten gebe es aber eine Vielzahl von Schulen, bei denen sich die Eltern des Klägers hätten erkundigen müssen. Die Eltern des Klägers hätten stattdessen im Wege der nicht akzeptablen Selbstbeschaffung für Tatsachen gesorgt, indem sie den Kläger bereits im April 2012 in der streitbefangenen Privatschule hätten hospitieren lassen, was in eine regel- und planmäßige Unterrichtsteilnahme übergegangen sei.
65Mit Urteil vom 27. Mai 2014 hat das Verwaltungsgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten (Schulkosten und Fahrtkosten) der Beschulung in der G. Schule O. für die Zeit von August 2013 bis Mai 2014 zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
66Zwar könnten Leistungen nach § 35a SGB VIII grundsätzlich nicht für alle Zukunft erstritten werden, sondern nur zeitabschnittsweise, hier grundsätzlich nur für ein Schuljahr. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 19. März 2013 enthalte daher auch keine über das Schuljahr 2012/2013 hinausgehende Regelung. Der Kläger habe nach seinem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag aber für das Schuljahr 2013/2014 rechtzeitig einen neuen Antrag gestellt, so dass die Klage hinsichtlich dieses Schuljahres als Untätigkeitsklage zulässig sei.
67Die Klage sei allerdings nur teilweise begründet. Der Kläger habe für die Zeit von Mai 2012 bis Ende des Schuljahres 2012/2013 (Juli 2013), die in dem angegriffenen Bescheid geregelt sei, keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Dem geltend gemachten Anspruch stehe insoweit bereits die Vorschrift des § 36a SGB VIII entgegen. Für die Zeit von Mai 2012 bis Juli 2013 sei der Kläger nicht zur Selbstbeschaffung berechtigt gewesen. Den Eltern des Klägers sei es zuzumuten gewesen, die Deckung des Bedarfs über den Zeitpunkt der Antragstellung - 10. April 2012 - hinaus bis zum Abschluss der notwendigen Ermittlungen hinauszuschieben. Die Eltern des Klägers hätten die Hospitation und Aufnahme ihres Kindes auf der G. Q. O. nach den Osterferien 2012 bereits selbst durchgeführt, ohne dass die Beklagte Gelegenheit gehabt habe, über den Antrag vom 10. April 2012 in angemessener Zeit, wofür in der Regel drei bis vier Monate zuzubilligen seien, zu entscheiden. Daraus lasse sich schließen, dass die Eltern von vornherein auf eine Beschulung auf der G. Q. O. festgelegt gewesen seien und damit keine Grundlage für das erforderliche kooperative Zusammenwirken mit der Beklagten geschaffen hätten.
68Für die Zeit von Mai 2012 bis Juli 2012 sei die Beklagte bereits rechtlich an der begehrten Entscheidung gehindert gewesen. Denn ihr sei die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs durch Bescheid des Schulamtes vom 19. Juni 2012 erst am 12. Juli 2012 mitgeteilt worden. Während des Bestehens des sonderpädagogischen Förderbedarfs habe der Kläger eine allgemeine Schule, zu der auch die Freie Q. O. als Ganztagsschule gehöre, schulrechtlich nicht besuchen dürfen. Nachdem die Eltern die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs erst im Juli 2012 mitgeteilt hätten, hätten sie nicht damit rechnen können, dass es schon kurze Zeit später vor Beginn des neuen Schuljahres zu einer Entscheidung der Beklagten kommen würde. Dies habe zur Folge, dass aufgrund der abschnittsweisen Bewilligung für den gesamten Zeitraum des Schuljahres 2012/2013 der geltend gemachte Anspruch entfalle, denn die Prüffrist habe erst mit dem Monat August 2012 begonnen. Zu jenem Zeitpunkt sei die Hilfe schon beschafft gewesen. Es liege auch keine Ausnahme im Sinne von § 36a Abs. 3 SGB VIII vor. Die Deckung des Bedarfs sei vorliegend auch nach Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht unaufschiebbar gewesen. Den vorliegenden Stellungnahmen sei nicht zu entnehmen gewesen, dass ein Eilfall vorgelegen habe und der Schulwechsel sofort oder binnen weniger Tage habe erfolgen müssen.
69Soweit die Klage auch die Erstattung der Schulkosten betreffend das weitere Schuljahr 2013/2014 betreffe, lägen dagegen die Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII vor. Bezüglich dieses Schuljahres sei dem Kläger zuzubilligen, den Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Hilfebedarf rechtzeitig im Sinne von § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII in Kenntnis gesetzt zu haben. Auf eine unzulässige Selbstbeschaffung könne sich die Beklagte insoweit nicht mehr berufen. Trotz der aufgezeigten unzulässigen Selbstbeschaffung, die den geltend gemachten Anspruch für das Schuljahr 2012/2013 ausgeschlossen habe, komme ab dem sich anschließenden abtrennbaren Leistungsabschnitt, also mit Beginn des Schuljahres 2013/2014, eine Kostenübernahme in Betracht. In dem hier maßgeblichen Zeitraum hätten auch im Sinne des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe nach § 35a SGB VIII vorgelegen. Die Kammer sehe es als gegeben an, dass der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch im Schuljahr 2013/2014 auf Übernahme der Kosten für die Beschulung auf der G. Q. O. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen habe.
70Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a SGB VIII sei zwischen den Beteiligten nicht streitig und im Übrigen auch gegeben. Bei dem Kläger liege seit mehr als sechs Monaten eine Beeinträchtigung seiner seelischen Gesundheit vor. Aus den ärztlichen Stellungnahmen der S. L. W. , in der der Kläger mehrere Monate stationär behandelt worden sei, vom 26. März 2012 und 27. August 2012 ergebe sich, dass der Kläger im Sommer 2012 an einem Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5), an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (ICD-10: F90.1), an einer nichtorganischen Enuresis (ICD-10: F98.0) und an Zwangsgedanken und gemischten Zwangshandlungen (ICD-10: F42.2) gelitten habe. Die ärztlichen Berichte seien auf der Grundlage der geforderten ICD-Klas-sifikation ergangen und von dem Chefarzt der Abt.1, Dr. T1. C. , der Ltd. Oberärztin der Abt. 1, S1. , sowie der fallführenden Therapeutin und Dipl.-Psychologin I. und der Stationsärztin X. erstellt worden. Aufgrund der eingehend beschriebenen, umfangreichen Diagnosen gehe die Kammer davon aus, dass auch im Schuljahr 2013/2014 eine seelische Störung im Sinne der ICD vorlag, die nach Auffassung der Gutachter auch durch die damalige schulische Unterforderung entstanden sei. Hierdurch sei die Teilnahme des Klägers am Leben in der Gesellschaft im maßgeblichen Zeitraum zumindest bedroht gewesen. Zu beurteilen sei in diesem Zusammenhang die selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den zentralen Lebensbereichen Familie, Schule und sozialem Umfeld, wie etwa Freundeskreis und Sport. Die zuständige Fachkraft der Beklagten komme in der sozialpädagogischen Stellungnahme zur Teilhabebeeinträchtigung vom 20. September 2012 zu dem Ergebnis, dass die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gemeinschaft in den Bereichen Familienbeziehungen, Umfeld, Bildung/Ausbildung, Selbstversorgung/häusliches Leben, Erholung und Freizeit beeinträchtigt sei oder eine Beeinträchtigung zu erwarten sei. Die Kammer habe keinen Anlass, an diesen Feststellungen zu zweifeln. Der Besuch der G. Q. O. stelle sich auch für das Schuljahr 2013/2014 als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Inwieweit eine selbstbeschaffte Maßnahme nicht nur geeignet, sondern auch alternativlos sein müsse, könne dahinstehen, weil die Beklagte trotz ihrer prüfenden, beratenden und steuernden Aufgabe im Rahmen des kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses dem Kläger keine hinreichend konkrete und geeignete Alternative nachgewiesen habe. Namentlich auf das öffentliche Schulsystem müsse sich der Kläger in Anwendung des Nachranggrundsatzes aus § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dann verweisen lassen, wenn nach den konkreten Umstanden des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zur Verfügung stehe. Die Beklagte habe nicht konkret dargelegt, dass und an welchen öffentlichen Schulen die besonderen Unterrichtsbedingungen geboten würden, mit denen man der seelischen Erkrankung des Klägers hatte begegnen können. Sie habe nur allgemein auf das öffentliche Schulsystem und den möglichen Einsatz eines Integrationshelfers hingewiesen. Damit stelle sich die Fortsetzung der derzeitigen Beschulung als alternativlos dar, so dass die Beklagte sich auch nicht darauf berufen könne, dass der Besuch der G. Q. O. keine geeignete Maßnahme darstelle.
71Von den geltend gemachten Aufwendungen für die Zeit von August 2013 bis Mai 2014 seien allerdings nur die Schulkosten und Fahrtkosten zu übernehmen. Der Erstattungsanspruch nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sei am Aufwendungsersatz im zivilrechtlichen Auftragsverhältnis bzw. bei der Geschäftsführung ohne Auftrag orientiert, namentlich an § 683 BGB. Lege man dies zugrunde, umfasse der Erstattungsanspruch die Aufwendungen, die die Eltern nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich hätten halten dürfen. Das treffe für die Aufwendungen für die Schulkosten und Fahrtkosten zu, nicht aber für die Aufwendungen für Schulbücher, die Klassenausflüge und Klassenfahrten, die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Tätigung der Aufwendungen insbesondere im Hinblick auf die noch ungeklärte Kostenfrage und die grundsätzlich nachrangige Verpflichtung des Jugendhilfeträgers nicht übernommen werden brauchten, zumal die Kosten auch bei öffentlichen Schulen von den Eltern zu tragen seien.
72Mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 hat der Senat auf den Zulassungsantrag des Klägers die Berufung insoweit zugelassen, als es um die Übernahme der Beschulungskosten vom 22. August 2012 bis Juli 2013 geht. Im Übrigen hat er den Zulassungsantrag abgelehnt.
73Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor: Die Beklagte sei jedenfalls noch vor Schulbeginn im August 2012 in der Lage gewesen, sowohl die Anspruchsvoraussetzungen als auch die infrage kommenden Hilfemaßnahmen pflichtgemäß zu prüfen, weshalb er, der Kläger, ab Schuljahresbeginn zur Selbstbeschaffung berechtigt gewesen sei. Das Jugendamt habe schon seit vielen Jahren Kenntnis von seiner Bedarfslage besessen und noch im Jahr 2010 in einem Hilfeplanverfahren die Notwendigkeit einer Integrationshilfe anerkannt. Das Jugendamt habe auf reichhaltige Vorbefunde zurückgreifen können, so dass Anlass zu der Annahme bestehe, dass es für den streitgegenständlichen Antrag nicht unbedingt der Ausschöpfung eines Zeitraumes von drei Monaten bedurft habe, um eine Entscheidungsreife herzustellen. Seine Bedarfslage sei dadurch geprägt gewesen, dass er kurz vor der Hospitation an der G. Q. O. langfristig in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der S. L2. W. untergebracht gewesen sei, die ausweislich der vorliegenden Berichte infolge seiner kognitiven Unterforderung dringend einen Schulwechsel in eine Schule mit möglichst kleinen Klassen nahegelegt habe, was im Übrigen auch durch den Schulbericht bestätigt werde. Zudem habe die Existenz einer schulrechtlichen Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderbedarf nicht einer Entscheidung der Beklagten, sondern allenfalls einer Bewilligung entgegengestanden. Nichts habe das Jugendamt davon abgehalten, die übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach Antragstellung soweit zu prüfen, dass im Fall der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs eine zeitnahe Entscheidung möglich gewesen wäre. Gerade aufgrund der bestehenden Vorkenntnisse der Beklagten habe erwartet werden können, dass diese bereits ab Antragstellung am 10. April 2012 Aktivitäten zur Herbeiführung der Entscheidungsreife des Antrags entfalten würde. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte mit dem Schulbericht vom 10. Mai 2012 bereits darüber informiert worden sei, dass sonderpädagogische Maßnahmen nicht griffen, es also naheliegend gewesen sei, jugendhilfliche Lösungsansätze zu prüfen. Im Übrigen sei die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs Sprache nur pro forma erfolgt, weil man angenommen habe, dass die Förderschule für sprachliche Entwicklung, der man den Kläger dann zugewiesen habe, angesichts der dortigen Rahmenbedingungen - vergleichsweise kleine Klassen, Mitschüler mit uneingeschränkten kognitiven Fähigkeiten - auch zur Förderung des Klägers als Autisten geeignet gewesen seien. Dies erkläre auch die sofortige Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs auf Antrag der Eltern des Klägers.
74Die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Juli 2012 könne nicht zur Folge haben, dass für den gesamten Zeitraum des Schuljahres 2012/2013 der geltend gemachte Anspruch entfalle. Die Frist für die Prüfung des Antrags habe nicht erst im August 2012 begonnen. Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Eltern des Klägers hätten sich von vornherein auf eine Beschulung auf der G. Q. O. festgelegt und damit keine Grundlage für das erforderliche kooperative Zusammenwirken mit der Beklagten geschaffen, entbehre jeglicher Rechtfertigung. Dies zeige sich bereits darin, dass die Eltern des Klägers sogar mit Schreiben vom 1. Februar 2013 die ersatzweise durch die Beklagte angebotene Autismustherapie angenommen hätten. Nach den Erfahrungen im Jahr 2010 hätten die Eltern des Klägers zudem damit rechnen müssen, dass die Beklagte die Entscheidung zeitlich hinauszögern würde. Im Übrigen sei es ohne Belang, ob seine Eltern sich auf die Privatschule festgelegt hätten, denn jedenfalls habe das Jugendamt der beklagten keine Schule oder eine tragfähige Konzeption zur Deckung seiner, des Klägers, Bedarfslage vorgeschlagen.
75Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe ein Eilfall vorgelegen. In diesem Zusammenhang sei auf den Kurzbericht der S. L2. W. hinzuweisen, nach dem der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht für regelschulfähig gehalten worden sei. Daher habe die dringende Notwendigkeit bestanden, eine Lösung außerhalb des Regelschulsystems zu suchen. Angesichts dessen habe die Beklagte nicht mehrere Monate Zeit gehabt, um ein Konzept zu entwickeln; auch wäre der Einsatz eines Integrationshelfers keine denkbare Alternative gewesen, da die festgestellte Regelschul-Unfähigkeit eine solche Maßnahme sinnlos erscheinen lasse. Aus den Verwaltungsakten ergebe sich zudem, dass für die Beklagte bereits im Oktober 2012 ein Bewilligungsbescheid nicht mehr denkbar gewesen sei. Auch lasse die Begründung des Ablehnungsbescheides, die ausschließlich auf den Vorrang von Leistungen des öffentlichen Schulsystems abstelle, erkennen, dass eine Kostenübernahme zu einem Privatschulbesuch nicht zum Instrumentarium möglicher Jugendhilfeleistungen der Beklagten gehöre; diese Feststellung hätte aber bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt getroffen werden können.
76Es sei hervorzuheben, dass seine Eltern unmittelbar vor seiner Aufnahme in die S. L2. W. unter einem erheblichen Belastungsdruck gestanden hätten, da er, der Kläger, aufgrund seiner permanenten schulischen Unterforderungssituation einerseits und wegen der behinderungsspezifisch eingeschränkten emotionalen Kontrolle ein massives Aggressionspotential habe erkennen lassen, welches ihn schließlich selbst veranlasst habe, um seine stationäre Aufnahme zu bitten. Von daher sei für seine Eltern vollkommen klar gewesen, dass sofort nach seiner Entlassung eine schulische Alternative mit dem Ziel einer stärkeren intellektuellen Herausforderung habe gefunden werden müssen.
77Die angefochtene Entscheidung sei auch insoweit zu ändern als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen den Umfang des geltend gemachten Anspruchs auf Schulgeld und Fahrtkosten reduziere und eine Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für Schulbücher, Klassenausflüge und Klassenfahrten hingegen verneine. Bezüglich der Aufwendungen für Schulbücher sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, diese Kosten müssten auch die Eltern von Kindern an staatlichen Schulen tragen, unzutreffend. Gemäß § 96 SchulG bestehe grundsätzlich Lernmittelfreiheit unter Anrechnung eines Eigenanteils. Klassenausflüge und Klassenfahrten seien an der G. Q. O. ein untrennbarer Bestandteil des pädagogischen Konzeptes. An der Schule befinde sich eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern mit vergleichbaren Verhaltensstörungen und -auffälligkeiten. Die Schule habe eine erhebliche Integrationsaufgabe zu bewältigen, insbesondere wenn man berücksichtige, dass ein Schulwechsel an eine Privatschule häufig unterjährig erfolge. Angesichts dessen würden an der Privatschule die Klassenfahrten als wesentlicher Bestandteil der zu leistenden Integrationsaufgabe betrachtet und auch regelmäßig und häufiger durchgeführt als an öffentlichen Schulen. An einer Entscheidung hierüber sei der Senat nicht gehindert.
78Der Kläger beantragt,
79das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte auch zu verpflichten, die Kosten des Besuches der G. Q. O. - bestehend aus Schulgeld, Fahrtkosten, Aufwendungen für Lernmittel und Klassenausflüge und Klassenfahrten - im Schuljahr 2012/2013 zu übernehmen.
80Die Beklagte beantragt,
81die Berufung zurückzuweisen.
82Sie ist der Ansicht, dass die Berufung zu Unrecht zugelassen worden sei, weil das Zulassungsvorbringen unzureichend gewesen sei. Weiter trägt sie vor: Nachdem die Eltern des Klägers sich damit einverstanden erklärt hätten, dass die Beklagte die Unterlagen des AO-SF-Verfahrens direkt beim Schulamt anforderte, seien diese am 3. September 2012 bei der Beklagten eingegangen. Aus dem Kurzbericht der F. -L1. -Schule habe sich ergeben, dass der Kläger seit der Entlassung aus der Klinik in der G. Q. O. hospitierte. Es habe geheißen, dass er weiterhin eine kleine Lerngruppe und individuelle Förderung benötige. Ein Förderbedarf im Sinn des sonderpädagogischen Förderbedarfs „Sprache“ habe danach nicht mehr vorgelegen. Die Eltern des Klägers, so habe es geheißen, wünschten eine Aufhebung des Förderbedarfs, da sie einen Wechsel zur Privatschule beabsichtigten. Dies alles sei dem Jugendamt zuvor nicht bekannt gewesen. Aus den Unterlagen lasse sich schließen, dass die Eltern sich zugleich mit der Antragstellung auf die G. Q. O. unwiderruflich festgelegt hätten. Diesbezüglich hätten sie nicht mit offenen Karten gespielt. Entgegen der Auffassung des Senates sei es daher auf schulische Alternativvorschläge der Beklagten gar nicht angekommen. Im Übrigen habe der Kläger auf die Anhörung vom 1. Oktober 2012 erst mit anwaltlichem Schreiben vom 1. Februar 2013 reagiert. Eine Kostenübernahme für Schulbücher und Klassenfahrten komme nicht in Betracht. Dieses Begehren sei auch mit dem Zulassungsschriftsatz nicht geltend gemacht worden. Auch die Zulassung der Berufung verhalte sich hierzu nicht.
83Mit Bescheid vom 6. August 2014 hob die Beklagte den Ablehnungsbescheid vom 19. März 2013 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt: Gemäß dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf sei die Beklagte verpflichtet, für den Kläger unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19. März 2013 die Schul- und Fahrtkosten für die Beschulung an der G. Q. O. für den Zeitraum August 2013 bis Mai 2014 zu übernehmen. Nach Beratung in der Fachkonferenz vom 24. Juli 2014 würden die Schul- und Fahrtkosten bis zum 10. Juli 2016 übernommen. Die Kosten im Zeitraum August 2013 bis Juli 2014 würden erstattet.
84Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
85Entscheidungsgründe:
86Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Rüge der Beklagten, die Zulassung der Berufung sei zu Unrecht erfolgt, ist insoweit unerheblich, denn wegen der Bindung des Berufungsgerichts an die Berufungszulassung sind Zulässigkeit oder Begründetheit des Zulassungsantrags nicht Gegenstand der Prüfung im Berufungsverfahrens.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juli 1999 - 1 C 15.98 -, juris.
88Im hier nach dem Zulassungsbeschluss allein verfahrensgegenständlichen Zeitraum des Schuljahrs 2012/2013 - d.h. vom 22. August 2012 bis Juli 2013 - ist die Verpflichtungsklage des Klägers zulässig und begründet.
89Der Zulässigkeit der Klage steht dabei nicht entgegen, dass die Beklagte den ablehnenden Bescheid vom 19. März 2013 mit Bescheid vom 6. August 2014 aufgehoben hat. Das Klagebegehren hat sich damit nicht erledigt, da die Beklagte in dem Bescheid vom 6. August 2014 eine Kostenübernahme - in Reaktion auf das verwaltungsgerichtliche Urteil - erst für den hier nicht verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab August 2013 erklärt hat. Der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage steht auch nicht entgegen, dass nach der Aufhebung des Ablehnungsbescheides keine den Anspruch des Klägers für das Schuljahr 2012/2013 ablehnende Entscheidung der Beklagten vorliegt. Denn die Aufhebung des Ablehnungsbescheids ändert nichts am prozessualen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, der durch das Gericht zu prüfen ist.
90Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1985
91- 3 C 63.84 -, juris.
92Die Klage ist für den hier noch verfahrensgegenständlichen Zeitraum des Schul-jahres 2012/2013 auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der vom 22. August 2012 bis Juli 2013 entstandenen Kosten seiner Beschulung auf der G. Q. O. aus §§ 35a, 36a Abs. 3 SGB VIII.
93Haben Leistungsberechtigte sich - wie hier - eine Leistung, die grundsätzlich im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe gewährt werden kann, ohne Mitwirkung und Zustimmung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bereits von Dritten selbst beschafft, so führt eine solche Selbstbeschaffung schon nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats nicht zum ersatzlosen Wegfall des Primäranspruchs auf Hilfe durch das Jugendamt. Vielmehr ist anerkannt, dass der Träger der Jugendhilfe (sekundär) zur Erstattung von Kosten bzw. Aufwendungen für bereits anderweitig durchgeführte Maßnahmen verpflichtet sein kann.
94Vgl. auch zu Folgendem: OVG O. , Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 548, juris, und vom 20. Juni 2008 - 12 A 739/06 -, jeweils m.w.N.
95Der (sekundäre) Anspruch auf Erstattung der Kosten bzw. Aufwendungen ist in derselben Weise vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Hilfetatbestands abhängig wie die primäre Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Hilfegewährung.
96Vgl. OVG O. , Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, FEVS 55, 86, juris, m.w.N. insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, und Beschluss vom 18. August 2004 - 12 A 1174/01 -, juris; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 11. August 2005
97- 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
98Allerdings ist der Hilfesuchende nur dann zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung berechtigt, wenn er hierauf zur effektiven Durchsetzung eines bestehenden Jugendhilfeanspruchs angewiesen ist, weil der öffentliche Jugendhilfeträger sie nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat, das für die Leistungsgewährung vorgesehene System also versagt hat. Ein solches "Systemversagen" liegt vor, wenn die Leistung vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht erbracht wird, obwohl der Hilfesuchende die Leistungserbringung durch eine rechtzeitige Antragstellung und seine hinreichende Mitwirkung ermöglicht hat und auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vorliegen. In einer solchen Situation darf sich der Leistungsberechtigte die Leistung selbst beschaffen, wenn es ihm wegen der Dringlichkeit seines Bedarfs nicht zuzumuten ist, die Bedarfsdeckung aufzuschieben.
99Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. August 2004
100- 12 A 1174/01 – juris, m.w.N.
101Diese Grundsätze sind als § 36a Abs. 3 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK - vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) zum 1. Oktober 2005 ausdrücklich normiert worden,
102so schon OVG O. , Urteil vom 4. Februar 2009
103- 12 A 255/08 -, m.w.N.
104Nach § 36a Abs. 3 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für Hilfen, die abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft wurden, nur verpflichtet, 1. wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1), 2. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und 3. die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3).
105Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
106Zum einen hat der Kläger die Beklagte auch im Hinblick auf das Schuljahr 2012/2013 rechtzeitig von seinem Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt, § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII.
107Das „Inkenntnissetzen" umfasst grundsätzlich auch eine Beantragung der begehrten Jugendhilfeleistungen, wobei für einen solchen Antrag keine besondere Form vorgeschrieben ist und er auch in der Form schlüssigen Verhaltens gestellt werden kann.
108Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 5 B 43.10 -, JAmt 2011, 274, juris, mit Hinweis auf Beschluss vom 22. Mai 2008 - 5 B 130.07 -, JAmt 2008, 600, juris.
109Der Antrag muss dabei so rechtzeitig gestellt werden, dass der Jugendhilfeträger zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2005
111- 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
112Das Jugendhilferecht ist nämlich kein Recht der reinen Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen, sondern verpflichtet den Träger der Jugendhilfe zur partnerschaftlichen Hilfe. Nur so kann der Jugendhilfeträger seiner Gesamtverantwortung i.S.d. § 79 Abs. 1 SGB VIII und seiner Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2, 3 SGB VIII gerecht werden.
113Vgl. OVG O. , Urteil vom 22. August 2014
114- 12 A 3019/11 -, juris.
115In diesem Sinne ist der am 11. April 2012 bei der Beklagten eingegangene Antrag, der ausdrücklich auf die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Kostenübernahme für den Besuch einer Privatschule gerichtet war, rechtzeitig angebracht worden. Der Antrag verhielt sich bereits zur Ungeeignetheit der Förderschule; ihm war mit dem „Kurzbericht“ der S. L2. W. vom 26. März 2012 ein fachärztlicher Bericht i.S.v. § 35a Abs. 1a SGB VIII beigefügt, der die seelische Erkrankung des Klägers i.S.v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII beschrieb sowie Hinweise auf die Teilhabebeeinträchtigung des Klägers und Empfehlungen für seine adäquate Beschulung enthielt. Der Beklagten verblieb damit ausreichend Zeit, bis zum Beginn des neuen Schuljahres, gut vier Monate nach Antragseingang, die notwendigen eigenen Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII zu treffen und dem Kläger auf der Grundlage des sich ergebenden Gesamtbildes eine seinem Förderungsbedarf entsprechende Schule vorzuschlagen. Zwar musste das Jugendamt der Beklagten im Hinblick auf eine alternative Schule frühestens ab dem 6. Juli 2012 in den Entscheidungsprozess eintreten, als ihm von den Eltern die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs telefonisch mitgeteilt wurde. Dennoch ist nicht erkennbar, dass erst nach Kenntnis von der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs Veranlassung zur Prüfung der Voraussetzungen des § 35 SGB VII und zur Erarbeitung eines Hilfekonzepts bestanden hätte. Dass die bisherige Beschulung des Klägers keine angemessene Schulbildung darstellte, war der Beklagten spätestens nach Vorlage des Schulberichts vom 10. Mai 2012 am 15. Mai 2012 bekannt; angesichts dessen hätte bereits ab diesem Zeitpunkt Veranlassung bestanden, den konkreten Hilfebedarf und die konkreten Hilfsmöglichkeiten - etwa auch durch Nachfragen beim Schulamt - zu ermitteln. Nachdem den Eltern des Klägers bereits am 15. Juni 2012 mitgeteilt worden war, die Unterlagen seien vollständig und nunmehr sei ein Hausbesuch durchzuführen, wäre wohl auch angesichts des Familienurlaubs von Mitte Juli bis Anfang August noch ausreichend Zeit für einen Hausbesuch und die Prüfung der Teilhabebeeinträchtigung des Klägers bis zu Beginn des neuen Schuljahres gewesen. Dass bei derart zeitnaher Klärung - zumal der Hilfefall der Beklagten bekannt und die Problematik weitgehend geklärt war - dann nach Vorlage des Bescheides über die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs bei der gebotenen straffen Verfahrensführung keine Entscheidung innerhalb der noch verbleibenden sechs Wochen bis zum Beginn des Schuljahres hätte erfolgen können, ist nicht ersichtlich. Die Notwendigkeit zu zügiger Entscheidung musste sich der Beklagten auch bereits deshalb aufdrängen, weil nach der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs die bisherige Beschulung des Klägers auf der F. -L1. -Schule nicht mehr in Betracht kam und der sowohl im Bericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 als auch im Schulbericht vom 10. Mai 2012 aufgeführte Hilfebedarf des Klägers eine Beschulung im Regelschulsystem jedenfalls als äußerst problematisch erscheinen lassen musste.
116Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren vorträgt, ihr Jugendamt habe erst mit dem Eingang der Unterlagen aus dem AO-SF-Verfahren am 3. September 2012 erfahren, dass der Kläger seit der Entlassung aus der Klinik in der G. Q. O. hospitierte, er weiterhin eine kleine Lerngruppe und individuelle Förderung benötige und ein sonderpädagogischer Förderbedarf „Sprache“ nicht mehr vorgelegen habe, ist dies – ungeachtet des Umstandes, dass die Unterlagen des Schulamtes am 29. August 2012 bei der Beklagten eingingen - angesichts der zuvor durch den Kläger überreichten Informationen - des Berichts der S. L2. W. , des Berichts der F. -L1. -Schule und des Bescheides über die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs - sowie der Mitteilung vom 30. April 2012 über die Hospitation des Klägers an der G. Q. O. nicht nachvollziehbar; sollte es aufgrund der Bearbeitung durch verschiedene Stellen innerhalb des Jugendamtes zu Informationsverlusten gekommen sein, wäre dies jedenfalls der Beklagten anzulasten.
117Dass der Kläger sich - wie von der Beklagten angeführt - bereits mit der Hospitation ab dem 17. April 2012 und dem ab Mai 2012 stattfindenden regulären Schulbesuch auf die G. Q. O. festgelegt habe, steht der Annahme einer rechtzeitigen Antragstellung im Hinblick auf das am 22. August 2012 beginnende Schuljahr 2012/2013 nicht entgegen, da bei Jugendhilfemaßnahmen, die - wie im vorliegenden Fall - in zeitliche Abschnitte unterteilt werden können, auch im Falle einer ursprünglich unzulässigen Selbstbeschaffung ein Anspruch für einen nachfolgenden Zeitabschnitt in Betracht kommt, wenn die Selbstbeschaffung nachträglich zulässig geworden ist.
118Vgl. OVG O. , Urteile vom 25. April 2012
119- 12 A 659/11 -, juris, und vom 22. März 2006
120- 12 A 806/03 -, juris, m.w.N.; Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris.
121Auf eine unzulässige Selbstbeschaffung kann sich das Jugendamt für derartige Zeiträume nicht mehr berufen,
122vgl. OVG O. , Beschluss vom 21. Juni 2012
123- 12 A 2229/11 -, juris,
124denn diese führt lediglich dazu, dass für den davon betroffenen Zeitraum keine Kostenerstattung in Betracht kommt; sie hat indes nicht zur Konsequenz, dass der Anspruch auch für zukünftige Zeitabschnitte ausgeschlossen ist. Insoweit enthob auch eine etwaige Festlegung des Klägers auf die G. Q. O. die Beklagte nicht von der ihr nach dem SGB VIII obliegenden Verpflichtung zur zeitgerechten Überprüfung des Anspruchs des Klägers.
125Auch die weiteren Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII liegen vor. Zum einen ist die Anforderung des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII erfüllt. Der Senat sieht es mit der im Nachhinein noch erreichbaren Sicherheit für das hier streitgegenständliche Schuljahr 2012/2013 als gegeben an, dass der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung an der G. Q. O. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen hat.
126Zunächst gehört auch die Übernahme der Kosten einer Privatbeschulung zu den grundsätzlich nach § 35a SGB VIII möglichen Hilfemaßnahmen. Die von der Beklagten im ablehnenden Bescheid vom 19. März 2013 vertretene Ansicht, dass die Übernahme von Schulgeld für eine private Ersatzschule als eine vom Kernbereich der pädagogischen Arbeit umfasste Leistung keine im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu erbringende Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII ist,
127so BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 10/11 R -, BSGE 112, 196, juris,
128steht dem Kostenübernahmeanspruch des Klägers nicht entgegen, auch wenn § 35a Abs. 3 SGB VIII u.a. auf § 54 SGB XII verweist. Eine Übertragung dieser sozialgerichtlichen Rechtsprechung auf den Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe, die zu dem - nach Auffassung des Senats unhaltbaren - Ergebnis führen würde, dass Privatschulkosten durch den Träger der Jugendhilfe in keinem Fall zu übernehmen sind, also auch dann nicht, wenn im Einzelfall davon auszugehen ist, dass eine bedarfsdeckende Hilfe im öffentlichen Schulwesen nicht zu erhalten ist, kommt aufgrund der folgenden Erwägungen nicht in Betracht:
129Zunächst ist aus dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, § 12 EinglVO nicht abzuleiten, dass „Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung“ nur die Schulbildung begleitende bzw. unterstützende Leistungen sind, wie vom Bundessozialgericht angenommen.
130Vgl. hierzu neben der vorstehend zitierten Entscheidung auch BSG, Urteil vom 22. März 2012
131- B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301, juris.
132Der Begriff der „Hilfen“ ist zielorientiert und daher umfassend zu verstehen. Er ist nicht auf Maßnahmen limitiert, die an eine anderweitig gewährleistete Schulbildung angelehnt sind. Dabei ergibt sich aus § 12 EinglVO nichts anderes. Dementsprechend hatte das Bundesverwaltungsgericht schon zum seinerzeit noch geltenden § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG festgestellt, dass die hiernach möglichen Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung „nicht auf solche untergeordneter oder flankierender Art beschränkt“ sind und auch solche Hilfen umfassen, die dem behinderten Menschen „Zugang zu einer angemessenen Schulbildung“ ermöglichen.
133Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 20.04 -, BVerwGE 123, 316, juris.
134Die auf der Annahme eines Verhältnisses der Spezialität beruhende Argumentation des Bundessozialgerichts lässt sich aber vor allem deshalb nicht fruchtbar machen, weil bei der hier in Rede stehenden jugendhilferechtlichen Fallgestaltung das Verständnis des § 10 Abs. 1 SGB VIII im Vordergrund steht, wonach die „Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, … durch dieses Buch nicht berührt“ werden. Diese Regelung beschreibt aber nach allgemeiner Auffassung ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis.
135Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 5 C 7.09 -, BVerwGE 137, 85, juris; OVG O. , Beschluss vom 18. Oktober 2012 - 12 B 1018/12 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. April 2009 - 12 CE 09.686 -, juris; NdsOVG, Urteil vom 27. April 2005 - 4 LC 343/04 -, JAmt 2005, 360, juris; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 10 Rn. 20 ff.; Schellhorn, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 10 Rn. 6 ff., Meysen, in: Münder/Mey-sen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 10 Rn. 2 ff.
136Von diesem Verständnis geht auch die Begründung zum Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) aus, mit dem die „Schulen“ erstmals ausdrückliche Erwähnung in § 10 Abs. 1 SGB VIII gefunden haben, indem sie darauf abstellt, dass die „Leistungen der Schulträger vorrangig gegenüber Leistungen der Sozialhilfe zu erbringen sind“.
137Vgl. BT-Drs. 15/5616, S. 25.
138Dass die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule als Leistung der Eingliederungshilfe in der Form der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i.S.d. § 35a Abs. 3 des SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII in Betracht kommen kann, hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst als grundsätzlich geklärt angesehen. Es hat dazu ausgeführt, dass die Bereitstellung der räumlichen, sächlichen, personellen und finanziellen Mittel für die Erlangung einer angemessenen, den Besuch weiterführender Schulen einschließenden Schulbildung auch solcher Kinder und Jugendlicher, deren seelische Behinderung festgestellt ist oder die von einer solchen bedroht sind, grundsätzlich nicht dem Träger der Kinder- und Jugendhilfe, sondern dem Träger der Schulverwaltung obliege. Da die Schulgeldfreiheit in Verbindung mit der Schulpflicht eine Leistung der staatlichen Daseinsvorsorge darstelle und aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialgesetzbuches gefunden habe, sei grundsätzlich für einen gegen den Träger der Kinder- und Jugendhilfe gerichteten Rechtsanspruch auf Übernahme der für den Besuch einer Privatschule anfallenden Aufwendungen (Aufnahmebeitrag, Schulgeld etc.) kein Raum. Ausnahmen von diesem durch das Verhältnis der Spezialität geprägten Grundsatz seien nur für den Fall in Betracht zu nehmen, dass auch unter Einsatz unterstützender Maßnahmen keine Möglichkeit bestehe, den Hilfebedarf des jungen Menschen im Rahmen des öffentlichen Schulsystems zu decken, mithin diesem der Besuch einer öffentlichen Schule aus objektiven oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen unmöglich bzw. unzumutbar sei.
139Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2015
140- 5 B 61.14 -, juris.
141Eine derartige Ausnahmekonstellation lag im Fall des Klägers im Schuljahr 2012/2013 vor. Dabei ist unstreitig, dass auch in diesem Zeitraum die Voraus-setzungen des § 35a SGB VIII vorlagen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur seelischen Beeinträchtigung des Klägers und der hieraus resultierenden Teilhabebeeinträchtigung Bezug genommen werden; es erscheint ausgeschlossen, dass sich die Situation insoweit im Schuljar 2012/2013 wesentlich anders dargestellt hat als im Schuljahr 2013/2014, zu dem das Verwaltungsgericht seine Ausführungen gemacht hat.
142Der Besuch der G. Q. O. stellt sich im Schuljahr 2012/2013 auch als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Dabei folgt aus den Grundsätzen zum Systemversagen, dass die Erforderlichkeit und Eignung der selbstbeschafften Maßnahme hier aus der damaligen Perspektive des leistungsberechtigten Klägers zu beurteilen ist.
143Denn auch bei der Selbstbeschaffung einer aus fachlichen Gründen abgelehnten bzw. vom Hilfeplan ausgeschlossenen Leistung ist im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zunächst zu prüfen, ob der vom Jugendamt aufgestellte Hilfeplan (bzw. das Hilfekonzept) verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst und fachlich vertretbar ist. Diese Prüfung erstreckt sich dabei nicht auf eine reine Ergebniskontrolle, sondern erfasst auch die von der Behörde - maßgeblich ist die letzte Behördenentscheidung - gegebene Begründung. Denn diese muss für den Betroffenen nachvollziehbar sein, um ihn in die Lage zu versetzen, mittels einer Prognose selbst darüber zu entscheiden, ob eine Selbstbeschaffung (dennoch) gerechtfertigt ist. Hat das Jugendamt die begehrte Hilfe aus im vorgenannten Sinne vertretbaren Erwägungen abgelehnt, besteht weder ein Anspruch des Betroffenen auf die begehrte Eingliederungshilfeleistung noch auf den Ersatz von Aufwendungen für eine selbst beschaffte Hilfe. Der Regelung des § 36a Abs. 3 SGB VIII liegt in dem Sinne der Gedanke des Systemversagens zugrunde, dass die selbst beschaffte Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt worden sein muss. Hat demgegenüber das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, können an dessen Stelle die Betroffenen den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation sind sie - obgleich ihnen der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung des § 36a Abs. 3 SGB VIII eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen. Weil nun ihnen die Entscheidung aufgebürdet ist, eine angemessene Lösung für eine Belastungssituation zu treffen, hat dies zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr etwa im Nachhinein nicht mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet gehalten.
144Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
145- 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris; zum Systemversagen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, JAmt 2014, 41, juris.
146Ausgehend von diesen Maßstäben ist zunächst festzustellen, dass es bis zum Erlass des ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 19. März 2013 schon deshalb den Eltern des Klägers oblag, über die Eignung und Erforderlichkeit der selbstbeschafften Hilfe zu befinden, weil es an einer auf ihre Vertretbarkeit hin zu prüfenden Entscheidung des Jugendamtes von vornherein fehlte. Durch den Erlass des Bescheides vom 19. März 2013 ist keine erhebliche Änderung der Sachlage eingetreten. Die der Antragsablehnung zugrundeliegenden Erwägungen offenbaren eine Überschreitung der Grenzen fachlicher Vertretbarkeit, die das Jugendamt bei seiner Entscheidungsfindung zu beachten gehabt hätte.
147Das Jugendamt der Beklagten hat im Bescheid vom 19. März 2013 darauf verwiesen, dass die Vermittlung einer Schulbildung in erster Linie Aufgabe der staatlichen Schulverwaltung sei. Nach der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen seien Kinder mit Autismus vorrangig in die Regelschule zu integrieren. Der Förderbedarf behinderter Kinder könne auch in integrativen Lerngruppen im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts gedeckt werden. Es kämen verschiedene unterstützende Hilfemaßnahmen in Betracht, um einen durch die Behinderung bestehenden Nachteil auszugleichen. Durch ein AO-SF-Verfah-ren sei ein bestehender sonderpädagogischer Bedarf zu ermitteln und durch eine Schule mit geeignetem Förderschwerpunkt sei der bestehende Nachteil auszugleichen.
148Der damit erfolgte Verweis des Klägers auf das öffentliche Schulsystem war fachlich nicht vertretbar. Ein seelisch behindertes oder von einer solchen Behinderung bedrohtes Kind muss sich in Anwendung des Nachranggrundsatzes aus § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dann auf das öffentliche Schulsystem verweisen lassen, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auch zur Verfügung steht, d. h. präsent ist,
149vgl. OVG O. , Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris; Beschluss vom 19. September 2011 - 12 B 1040/11 -, juris; siehe auch HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris,
150beziehungsweise eine Verpflichtung des Schulsystems rechtzeitig realisierbar und nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten ist.
151Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
152- 5 C 21.11 -, juris.
153Der gegebenenfalls unter Beteiligung der Schulaufsichtsbehörden zu führende Nachweis einer solchen bedarfsdeckenden Hilfe im öffentlichen Schulsystem durch Aufzeigen einer konkreten Alternative zum Privatschulbesuch obliegt dem Jugendamt.
154Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris; Urteil vom 25. April 2012
155- 12 A 659/11 -, juris.
156Ein Eingriff in die Rechte der Eltern des hilfebedürftigen Kindes ist im Nachweis einer Schule, durch deren Besuch der jeweilige Hilfebedarf gedeckt werden kann, keinesfalls zu sehen.
157Den Nachweis einer solchen konkreten Alternative zum Privatschulbesuch hat die Beklagte allein durch den bloßen Verweis darauf, es kämen „verschiedene unterstützende Hilfemaßnahmen“ in Betracht, indes nicht erbracht. Sie hat dem Kläger im gesamten Verfahren keine öffentliche Schule nachgewiesen, auf der sein sowohl im Kurzbericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 als auch im Schulbericht vom 10. Mai 2012 beschriebener Bedarf an einem Unterricht in einer kleinen Klasse (5-6 Schüler) und hoher Betreuungsdichte hätte gedeckt werden können. Die Annahme, dieser Bedarf an einer Beschulung in einer kleinen Klasse könne bei Unterstützung durch einen Integrationshelfer auch durch den Besuch einer Regelschule mit normaler Klassenstärke gedeckt werden, ist angesichts des Fehlens jeden objektiven Anhaltspunktes für ihre Trag-fähigkeit fachlich nicht vertretbar.
158Auf den Besuch einer Förderschule konnte die Beklagte den Kläger bereits deshalb nicht verweisen, weil der Verweis auf eine Beschulung an einer öffentlichen Förderschule anstelle einer privaten Bildungseinrichtung nur in Betracht kommt, wenn eine diesbezügliche wirksame schulrechtliche Entscheidung über einen sonderpädagogischen Förderbedarf und den Förderort vorliegt, was hier nicht der Fall war.
159Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris, m.w.N.
160Davon abgesehen hat die F. -L1. -Schule einen Wechsel des Förderschwerpunktes im Mai 2012 offenbar nicht für notwendig erachtet. Anderenfalls wäre die Schulaufsichtsbehörde darüber zu unterrichten gewesen (vgl. § 18 Abs. 3 AO-SF).
161Kommt es für die Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe mithin auf die ex-ante-Betrachtung des leistungsberechtigten Klägers an, hier bezogen auf den Zeitpunkt vor Beginn des Schuljahres 2012/2013, erschien es aus dessen Perspektive - bzw. letztlich aus dem Blickwinkel der ihn gesetzlich vertretenden Eltern - ohne Weiteres fachlich vertretbar, sich für eine (weitere) Beschulung auf der G. Q. O. zu entscheiden. Dass diese Bildungseinrichtung geeignet ist, dem Kläger auch in Ansehung seines spezifischen Beeinträchtigungsprofils eine adäquate Schulbildung zu vermitteln, begegnet auch nicht deshalb Zweifeln, weil die G. Schule O. kein ausgewiesenes Konzept für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Erkrankungen aus dem Autismus-Spektrum besitzt, denn nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers haben die Lehrkräfte der Privatschule Erfahrungen mit Schülern mit Störungen aus dem Autismus-Spektrum und besuchen entsprechende Fortbildungen. Auch der Kurzbericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 riet lediglich zur Betreuung durch ein gut geschultes, im Umgang mit stark auffälligen, sozialverhaltensgestörten und autistischen Kindern erfahrenes pädagogisches Team, ohne ein auf autistische Störungen spezialisiertes Konzept für angeraten zu halten.
162Die seinerzeit getroffene Entscheidung erwies sich auch nicht unter dem Erfor-derlichkeitsaspekt als unvertretbar. Nach den fachlichen Erkenntnissen und vorliegenden Erfahrungen - insbesondere mit Blick auf die Schulwechsel des Klägers in der Vergangenheit - mussten die Eltern mit der konkreten Gefahr rechnen, dass ihr Sohn auf einer staatlichen Schule nicht angemessen beschult werden könne und die ohnehin bestehende Teilhabebeeinträchtigung sich erheblich verschlimmern würde. In dieser Situation war ihnen nicht zuzumuten, den Kläger erneut auf einer Regelschule anzumelden, zumal es der Beklagten, wie dargelegt, im Verwaltungsverfahren nicht gelungen war, eine tragfähig begründete Entscheidung zu treffen, und sich überdies abzeichnete, dass der im Mai 2012 aufgenommene Besuch der Q. erfolgreich verlief.
163Auch die Bestimmungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. II 2008 S. 1420) stehen der Kostenübernahme der Privatschulkosten durch die Beklagte nicht entgegen. Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Konvention erkennen die Vertragsstaaten das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung an. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen. Dabei stellen die Vertragsstaaten nach Art. 24 Abs. 2 der Konvention sicher, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden (a)), Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben (b)), angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden (c)), Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern (d)) und in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden (e)).
164Dieser Bestimmung lässt sich - unabhängig von der Frage ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit - keinesfalls ein Verbot entnehmen, einen behinderten Schüler auf einer Privatschule, an der behinderte und nichtbehinderte Kinder und Jugendliche gemeinsam unterrichtet werden, zu fördern, wenn und soweit das staatliche Schulsystem (noch) keine adäquate Förderung zur Verfügung stellt.
165Vgl. hierzu auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 18. März 2014 - J 1.460 Sch -, JAmt 2004, 253, wonach Art. 24 UN-Behindertenkonvention dazu führt, dass der Hilfebedürftige gegenüber dem Privatschulbesuch nicht auf den möglichen Besuch einer Förderschule verwiesen werden darf.
166Schließlich ist auch davon auszugehen, dass die Deckung des Bedarfs i.S.v. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII keinen zeitlichen Aufschub mehr geduldet hat. Mit Blick darauf, dass der sonderpädagogische Förderbedarf aufgehoben war, eine Beschulung des Klägers auf einer Förderschule damit nicht in Betracht kam, und angesichts der sowohl im Schulbericht vom 10. Mai 2012 als auch im Bericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 zum Ausdruck kommenden Bedarfslage des Klägers war es diesem nicht zuzumuten, sich zunächst auf eine weitere Beschulung an einer Regelschule einzulassen, nachdem die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfeplanung nicht aufzuzeigen vermochte hatte, dass dieser Weg zu einer adäquaten Bedarfsdeckung führte. Von einem unaufschiebbaren Bedarf ist nämlich regelmäßig gerade auch dann auszugehen, wenn der bei Kindern und Jugendlichen dauerhaft bestehende Bedarf an adäquater Bildungsvermittlung wegen drohenden Verlustes an Zeit, die nicht nachgeholt, sondern nur angehängt werden kann, nicht mehr oder nicht ausreichend gedeckt werden kann.
167Vgl. bereits Zulassungsbeschluss des Senates vom 30. Oktober 2014 - 12 A 1639/14 -, juris.
168Als „erforderliche Aufwendungen", welche die Beklagte nach alldem gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII für die selbst beschaffte Hilfe im hier allein streitgegenständlichen Schuljahr 2012/2013 zu übernehmen verpflichtet ist, sind in Anwendung des Rechtsgedankens des § 683 Satz 1 i. V. m. § 670 BGB diejenigen Aufwendungen anzusehen, welche die Eltern des Klägers nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich halten durften.
169Vgl. OVG O. , Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 48, juris, und vom 22. August 2014 - 12 A 3019/11 -, juris, sowie Beschluss vom 28. Juni 2012 - 12 A 2374/11 -, juris.
170Darunter fallen zunächst das monatlich an die Privatschule zu zahlende Schulgeld sowie die Fahrtkosten. Zudem zählen hierzu auch die Kosten für Schulbücher und Klassenfahrten und -ausflüge.
171Der Senat ist nicht deshalb daran gehindert, über den Umfang der für das Schuljahr 2012/2013 zu erstattenden Kosten zu entscheiden, weil das Verwaltungsgericht für das Schuljahr 2013/2014, das auch in dieser Hinsicht nicht mehr streitgegenständlich ist, entschieden hat, dass die Kosten für Schulbücher, Klassenfahrten und -ausflüge nicht von der Beklagten zu erstatten sind. Weder aus dem Zulassungsbeschluss noch aus dem Berufungsantrag des Klägers ist eine derartige Beschränkung zu entnehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger, soweit es den hier noch im Streit stehenden Zeitraum betrifft, am erstinstanzlich geltend gemachten Umfang des Kostenerstattungsanspruchs festhält, der sich nach der im Schriftsatz vom 20. Mai 2014 aufgeführten Kostenaufstellung ersichtlich auch auf die Aufwendungen für Lernmittel und Klassenfahrten und ‑ausflüge erstreckte.
172Die Kosten für Bücher und Klassenfahrten und -ausflüge sind auch von der Beklagten zu übernehmen. Es handelt sich insoweit um Aufwendungen die durch den Besuch einer bestimmten, aufgrund der Behinderung des Klägers für notwendig erachteten Einrichtung bedingt sind.
173Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1975 - V C 19.74 -, BVerwGE 48, 228, juris; VG München, Urteil vom 28. Januar 2004 - M 18 K 03.6555 -, juris.
174Diese Kosten entstehen nicht wie bei nichtbehinderten Schülern als notwendige Bedürfnisse des täglichen Lebens, sondern notwendigerweise durch die besonderen Verhältnisse der Behinderung. Dies gilt in besonderem Maße für die Kosten für Klassenfahrten und -ausflüge, die nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers wichtiger Bestandteil des pädagogischen Konzepts der Privatschule sind. Insoweit kommt es auf die hypothetische Kontrollüberlegung, ob derartige Kosten bei Besuch einer Regelschule ebenso entstehen würden, nicht an.
175Vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1975
176- V C 19.74 -, BVerwGE 48, 228, juris.
177Der Kläger durfte diese Aufwendungen auch für erforderlich halten; es ist nicht ersichtlich, wie er eine angemessene Schulbildung an der Privatschule ohne Schulbücher und Deutschlektüren hätte erhalten sollen. Dasselbe gilt angesichts der Verankerung der Veranstaltungen im pädagogischen Konzept der G. Schule O. auch für die schulischen Veranstaltungen in Form von Klassenfahrten und -ausflügen.
178Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenverteilung im zweitinstanzlichen Verfahren berücksichtigt dabei die unterschiedlichen Erfolgsquoten des Klägers im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
179Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
180Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, denn er ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
3Das Zulassungsvorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es vermag zum einen die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, das Hilfeplanverfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, nicht durchgreifend in Zweifel zu ziehen. Soweit die Beklagte die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts angreift, setzt sie sich nicht hinreichend mit der zentralen Annahme des Verwaltungs-gerichts auseinander, das Hilfeplanverfahren sei - unter anderem - deshalb nicht ord-nungsgemäß durchgeführt worden, weil die Beklagte es unterlassen habe, im Hilfeplanverfahren zu klären, ob der Kläger auch bei einer Klassenstärke von 27 Schülern erfolgreich beschult werden könne. Dass mit den Beteiligten die Frage der Klassenstärke im Hilfeplanverfahren besprochen worden ist, legt die Beklagte mit dem Zulas-sungsvorbringen nicht dar. Soweit sie ausführt, dass eine geringe Klassenstärke für eine erfolgreiche Beschulung des Klägers keinen notwendigen Aspekt darstelle, viel-mehr die Erfahrung der Schule mit Schülern mit Migrationshintergrund bedeutsamer sei, und damit implizit geltend macht, dass die Frage der Klassenstärke im Rahmen der Hilfeplanung nicht zu klären gewesen sei, setzt die Beklagte lediglich ihre Wertung an die Stelle der Wertung des Verwaltungsgerichts, ohne aufzuzeigen, dass das Gericht den ihm durch § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen,
4vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2014
5- 12 A 347/14 -, juris, m.w.N.,
6überschritten hat.
7Soweit die Beklagte das angegriffene Urteil auch deshalb für fehlerhaft hält, weil das Verwaltungsgericht nicht festgestellt habe, dass der Besuch der B. -D. -Schule aus Sicht des Klägers eine geeignete und erforderliche Hilfemaßnahme sei, geht das Vorbringen der Beklagten ins Leere, weil sich aus der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Klage nicht daran scheitere, dass der Besuch der Privatschule nach Einschätzung der Beklagten sich für den Kläger nicht als notwendig erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe darstelle, im Zusammenhang mit den nachfolgenden Ausführungen hinreichend deutlich ergibt, dass das Verwaltungsgericht angenommen hat, dass der Privatschulbesuch aus Sicht des Klägers eine geeignete und erforderliche Jugendhilfemaßnahme darstellte.
8Weiter trägt die Beklagte vor, sogar aus Sicht des Klägers habe sich der Privatschulbesuch nicht als erforderliche Hilfe dargestellt, weil Anhaltspunkte, die es aus Sicht der Eltern fachlich vertretbar erscheinen ließen, eine Beschulung im öffentlichen Schulsystem und bei einer Klassenstärke von 27 Schülern auszuschließen, nicht ersichtlich seien. Hiermit zeigt die Beklagte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bereits deshalb nicht auf, weil nach den unwidersprochenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts gerade nicht im dafür vorgesehenen Hilfeplanverfahren geklärt worden ist, ob der Kläger bei einer Klassenstärke von 27 Schülern erfolgreich beschult werden kann; warum die Eltern des Klägers angesichts der Empfehlung in der Stellungnahme des Psychotherapeuten L. vom 28. Juli 2012, „kleine Lerngruppen“ seien angezeigt, dennoch von einer Beschulbarkeit des Klägers auch bei einer Klassenstärke von 27 Schülern hätten ausgehen müssen, erschließt sich nicht.
9Soweit die Beklagte rügt, einem Anspruch auf Übernahme der Schulkosten stehe auch die Freiwilligkeit der Elternbeiträge entgegen, da die B. -D. -Schule wiederholt darauf hinweise, dass die Zahlung der Elternbeiträge freiwillig sei und es Möglichkeiten der Ermäßigung bzw. einer Anmeldung ohne Zahlungsverpflichtung gebe, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass die Eltern des Klägers die Entrichtung der Elternbeiträge nicht als zwingend aufgefasst hätten, womit das Verwaltungsgericht sich nicht auseinandergesetzt habe, legt sie ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils dar. Zunächst irrt die Beklagte, wenn sie offenbar annimmt, in den vom erkennenden Senat entschiedenen Verfahren 12 A 659/11 und 12 A 2229/11 sei durch die Gerichte jeweils gesondert festgestellt worden, dass der Schulleiter gegenüber den Eltern betont habe, dass die Schule auf die Entrichtung von Elternbeträgen angewiesen sei und insoweit Solidarität von den Eltern erwarte. Vielmehr zitiert der Senat im Beschluss vom 21. Juni 2012 im Verfahren 12 A 2229/11 unter den Randziffern 66 bis 83 (juris) seine Ausführungen aus dem Urteil vom 25. April 2012 im Verfahren 12 A 659/11 und nimmt dabei auch Bezug auf die dort eingeholten Auskünfte des Schulleiters. Bereits hieraus ergibt sich, dass im Regelfall von den zitierten Angaben des Schulleiters der Privatschule ausgegangen werden kann. Dass vorliegend besondere Umstände vorlagen, die Anlass geboten hätten, eine Abweichung von diesen üblichen Gegebenheiten im Einzelfall zu prüfen, zeigt die Beklagte nicht auf. Soweit sie hierzu unter Bezug auf einen ihrer Schriftsätze im erstinstanzlichen Verfahren vorbringt, dass sich im vorliegenden Einzelfall die Eltern des Klägers aufgrund einer Stundung eines Teilbetrages zu keinem Zeitpunkt zur Zahlung des gesamten Elternbeitrages verpflichtet gefühlt hätten, ist zum einen nicht ersichtlich, inwieweit eine Stundung, die gerade kein Absehen von einer Forderung beinhaltet, zu einer fehlenden Verpflichtung der Eltern des Klägers führen sollte; zum anderen setzt die Beklagte sich nicht mit den Ausführungen des Senats in den genannten Entscheidungen auseinander, dass Angaben des Schulleiters dazu, dass bei Eltern, die sich nicht dazu in der Lage sähen, den Elternhilfe-Beitrag komplett zu übernehmen, unter Hinweis auf die Freiwilligkeit des Abschlusses der gesonderten Vereinbarung versucht würde, im Hinblick auf die Höhe der monatlichen Leistungen eine Lösung zu finden, weder ein Abrücken von der vom Solidaritätsgedanken getragenen Erwartung, dass grundsätzlich jeder einen finanziellen Beitrag leisten solle, beinhalteten, noch auf die Fälle abzielten, in denen die Kostenübernahme durch den Jugendhilfeträger noch ungeklärt sei.
10Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris; Beschluss vom 21. Juni 2012 - 12 A 2229/11 -, juris.
11Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
12Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.