Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 12. Dez. 2014 - 2 K 1477/13.A
Tenor
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziffern 2 - 4 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. April 2013 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 des Asylverfahrensgesetzes zuzuerkennen.
Die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Beklagte zu 3/4 und der Kläger zu 1/4.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d :
2Der seinen Angaben zufolge am 00.00.1984 in V. /Nigeria geborene Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger, ledig, Angehöriger des Volkes der Ibo und katholischer Christ. Er traf am 00.00.2011 auf dem G. Flughafen von M. kommend an und gab sich bei der Dokumentensichtung durch die Bundespolizei als Asylsuchender zu erkennen. Er habe in Nigeria von einem Schleuser einen nigerianischen Pass mit einem niederländischen Visum erworben. Von G. habe er nach Paris und anschließend in die Niederlande fahren wollen.
3Bei seiner Befragung durch die Bundespolizei am 2. Juni 2011 führte der Kläger aus:
4Er habe sein Heimatland zusammen mit seinem Lebensgefährten ‑ Herrn L. P. ‑ verlassen, weil sie dort wegen ihrer Homosexualität verfolgt worden seien. Er habe im Jahr 2005 seine Schule abgeschlossen und mit seinem Freund anschließend eine Ausbildung zum Verkäufer gemacht. Am 27. Juni 2007 habe er zusammen mit seinem Lebensgefährten ein I. -Geschäft in P1. eröffnet. Nachdem das Geschäft zunächst sehr gut gelaufen sei, hätten die Leute gemerkt, dass sie homosexuell und ein Paar seien. Es seien keine Kunden mehr gekommen und sie seien bedroht worden. Am 10. Oktober 2009 hätten Leute ihren Laden in Brand gesteckt. Sie seien geschlagen worden und hätten auch Brandwunden am Körper davongetragen. Seine Mutter sei daraufhin an einem Herzinfarkt gestorben. Er sei mit seinem Freund nach V. zurückgegangen und am 10. Januar 2010 hätten sie ein neues Geschäft in P2. eröffnet. Auch dieses Geschäft sei gut gelaufen. Es seien aber andere Händler aus P1. nach P2. gekommen, hätten sie wiedererkannt und verbreitet, dass sie homosexuell seien. Sie seien bedroht und mit Steinen und Flaschen beworfen worden. Er sei am Kopf getroffen worden und habe auch eine Wunde davongetragen. Am 17. April 2011 seien junge Leute in ihr Geschäft gekommen und hätten sie geschlagen. Sie hätten ihnen eine Frist von drei Tagen gesetzt, um zu bekennen, dass sie nicht homosexuell seien. Sie seien mit dem Tode bedroht worden. Der Vater seines Freundes habe ihnen dann geraten, zu der Tante des Freundes nach M. zu fahren. Am 19. April 2011 seien sie heimlich nach M. gefahren und der Vater seines Freundes habe das Geschäft verkauft. Damit hätten sie die Reise finanziert. Als letzte Anschrift gab der Kläger No. 00 L1. S. , V. , J. T. , an.
5Der Kläger stellte am 8. Juni 2011 einen Asylantrag, den er bei seiner Anhörung am gleichen Tag vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) wie folgt begründete:
6Er habe bis 2007 unter der Anschrift No. 00 L1. S. , V. , J. T. , gewohnt. In P2. habe er in der X. S. mit seinem Freund bis zu seiner Abreise nach M. gewohnt. Sein Geschäft sei in 00, U. S. in P2. gewesen. Sein Vater heiße B. P3. und seine Mutter B1. P3. . Sein Vater sei Schreiner mit einer eigenen Schreinerei und lebe noch in Nigeria, seine Mutter sei bereits verstorben. In Nigeria lebe noch ein 1996 geborener jüngerer Bruder.
7Er habe von 1993 bis 2005 die Schule bis zur Sekundarstufe in V. besucht. Anschließend habe er von 2005 bis 2007 eine Ausbildung als Verkäufer in einem U1. -Geschäft zusammen mit seinem Freund gemacht. Er habe seinen Freund schon während seiner Schulzeit kennengelernt, sich aber erst in ihn während der Ausbildungszeit verliebt. Seinen Eltern habe er seine Homosexualität nach Beendigung seiner Ausbildung und Eröffnung des Geschäftes mit seinem Freund erzählt. Sein Vater sei entsetzt gewesen und habe ihn rausgeschmissen. Auch seine Mutter sei zu ihm gekommen und habe ihn mehrfach nach seinen Gründen befragt.
8In P1. habe er gemeinsam mit seinem Freund ein Appartement in einem Appartementhaus mit insgesamt vier Appartements bewohnt. Mitte des Jahres 2009 hätten Leute festgestellt, dass sie homosexuell seien. Man habe sie nicht gemeinsam mit Frauen gesehen, man habe sie gemeinsam in der Stadt und am Strand gesehen und sie seien auch gemeinsam zur Kirche gegangen. Von dem Vorsitzenden des Bezirks (Stadtverordnung) seien sie auch gewarnt worden, wenn sie nicht damit aufhören würden. Im Oktober 2009 seien dann zirka zehn bis fünfzehn Jugendliche in ihr Geschäft gekommen, hätten sie aus dem Geschäft gezerrt und sie vor dem Geschäft zusammengeschlagen. Anschließend sei der Laden in Brand gesteckt worden. Er habe davon auch eine Brandwunde am Unterschenkel und an der Schulter zurückbehalten. Sie seien dann zum Haus der Eltern seines Freundes gefahren und anschließend zur Polizei gebracht worden. Die Polizei habe aber gesagt, dass man nichts tun könnte, weil es kein Gesetz in Nigeria zum Schutz von Homosexuellen gebe. Es sei ihnen geraten worden, ihr Verhalten zu unterlassen. Eine ärztliche Behandlung sei ihm mangels eines Polizeiberichtes nicht möglich gewesen. Er habe sich in einer Apotheke seine Wunden versorgen lassen. Bei der Polizei habe es sich um die örtliche Polizei von V. gehandelt. Diese hätte keine Maßnahmen gegen sie wegen der Homosexualität unternommen. Auch sein Freund sei zusammengeschlagen worden und habe an der Hand eine Verletzung gehabt. Später seien sie zu seinen Eltern gegangen und seine Mutter habe noch in der gleichen Nacht einen Herzinfarkt erlitten.
9Am 00. Januar 2010 hätten sie dann ein neues Geschäft in P2. eröffnet. Mitte August 2010 seien dann Leute aus P1. gekommen und hätten in P2. erzählt, warum sie aus P1. vertrieben worden seien. Von den Nachbarn ihres Geschäftes seien sie verdächtigt worden, homosexuell zu sein. Man habe angefangen, sie zu beleidigen und zu bedrohen. Sie hätten auch auf der Straße Probleme gehabt, so sei etwa mit Steinen nach ihnen geworfen worden und er habe dabei auch im Februar 2011 eine Wunde am Kopf erlitten.
10Am 00 April 2011 seien gegen 15.20 Uhr viele Jugendliche vor ihr Geschäft gekommen, hätten getrommelt und Musik gemacht. Anschließend seien sie in den Laden gekommen und hätten Gegenstände zerstört. Ihnen sei eine Frist von drei Tagen ‑ bis zum 00. April 2011 ‑ gesetzt worden, um in der Stadthalle ein öffentliches Bekenntnis abzugeben, dass sie nicht homosexuell seien. Sie seien zugleich mit dem Tod bedroht worden. Er und sein Partner seien daraufhin zu dessen Vater gegangen und dieser habe ihnen geraten, zu seiner Schwester nach M. zu gehen. Er habe zu keinen anderen Homosexuellen Kontakt gehabt als zu seinem Freund.
11Mit Bescheid vom 22. April 2013 ‑ zugestellt am 24. April 2013 ‑ lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen. Ferner stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorlägen und forderte den Kläger unter Fristsetzung zur Ausreise auf. Ihm wurde für den Fall der Nichtausreise die Abschiebung nach Nigeria angedroht.
12Der Kläger hat am 2. Mai 2013 Klage erhoben und ergänzend ausgeführt, dass er noch nie Kontakt zum weiblichen Geschlecht gehabt habe. Bereits während der Schulzeit habe er seinen jetzigen Partner kennengelernt. Mit ihm habe er die gesamte Zeit in und außerhalb der Schule verbracht. Aus dieser Freundschaft habe sich dann später während der gemeinsamen Ausbildung eine Liebesbeziehung entwickelt. Die homosexuelle Partnerschaft hätten sie auch nicht in der Öffentlichkeit verborgen. Es sei aber nicht so gewesen, dass sie ihre Neigung über die Maßen hinaus nach außen kundgetan hätten. Aufgrund der gesellschaftlichen Ächtung sei ihnen die eigene Gefährdung bewusst gewesen. Trotzdem hätte ihre Umgebung aus ihrem Verhalten Rückschlüsse auf ihre Homosexualität gezogen.
13Auch in Deutschland würden sie ihre Beziehung weiter fortführen, allerdings unter dem Erschwernis der räumlichen Distanz ihrer beiden Wohnsitze. Zwischen den genannten Verfolgungshandlungen bestünde ein innerer Zusammenhang und eine einheitliche Verfolgungsgeschichte, die ihren Ausgang im Jahr 2009 in P1. genommen habe. Dort seien er und sein Partner von Jugendlichen zusammengeschlagen worden und ihr Geschäft in Brand gesetzt worden. Diese Verfolgung sei ursächlich für ihre Flucht nach P2. , wo sie im Jahr 2010 ein neues Geschäft eröffnet hätten, gewesen. Auch dort seien sie wiederum Opfer sexuell motivierter Übergriffe geworden. Sie seien beleidigt, mit dem Tod bedroht und auf der Straße mit Steinen beworfen worden. Seine Angaben stünden auch nicht im Widerspruch zu denjenigen seines Lebensgefährten. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Aussage von Herrn P. nicht korrekt übersetzt worden sei. Dieser habe bei seiner Anhörung nicht von "Beauftragten des Stadtbezirks gesprochen", sondern von Personen, die von einem "Eze" geschickt worden seien. Dabei handele es sich in der Ibo-Sprache um ein Synonym für "King", gleichbedeutend mit "Traditional Ruler". Danach, ob die von diesem Eze geschickten Personen jung oder alt gewesen seien, sei dieser gar nicht befragt worden. Der Lebensgefährte habe im Übrigen lediglich aus Äußerungen der angreifenden Personen, sie seien bereits früher gewarnt worden, geschlossen, dass es sich um Personen, die von diesem Eze geschickt worden seien, gehandelt habe. Der Kläger habe demgegenüber nur das äußerliche Geschehen wahrgenommen und keine Rückschlüsse erläutert. Im Übrigen existiere keine inländische Fluchtalternative etwa im Großraum M. für den Kläger und seinen Partner.
14Nach Zurücknahme seines Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigter beantragt der Kläger,
15die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 22. April 2013 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes zuzuerkennen,
16hilfsweise,
17ihm subsidiären Schutz nach § 4 Asylverfahrensgesetz zuzuerkennen,
18äußerst hilfsweise,
19festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.
20Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
23Der Rechtsstreit ist auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen worden. Diese hat in der mündlichen Verhandlung den Kläger zu seinen Asylgründen angehört und den Lebensgefährten des Klägers, Herrn L. P. , der ein eigenes Asylklageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen unter dem Aktenzeichen 9 AK 2639/13.A führt, als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Zeugenvernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der hierzu überreichten Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der zuständigen Ausländerbehörde sowie auf die Gerichtsakte des Verfahrens des VG Gelsenkirchen (9 AK 2639/13.A). Ferner wird verwiesen auf die mit der Ladung übersandte Liste der Auskünfte, Stellungnahmen und Gutachten über die Lage in Nigeria (sog. Erkenntnisliste).
25Entscheidungsgründe:
26Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten zur mündlichen Verhandlung über den Rechtsstreit entscheiden, da die Beteiligten darauf mit der Ladung hingewiesen worden sind, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
27Soweit der Kläger die Klage betreffend seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter i. S. von Art. 16 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zurückgenommen hat, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
28Der noch hinsichtlich der Ziffern 2 bis 4 angefochtene Ablehnungsbescheid des Bundesamtes vom 22. April 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.
29Der Kläger hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG -) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG.
30Die während des Klageverfahrens zum 1. Dezember 2013 in Kraft getretenen Rechtsänderungen im Asylverfahrensgesetz auf Grund des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personenmit Anrecht auf subsidiären Schutz für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - sog. Qualifikationsrichtlinie - vom 13. Dezember 2011) vom 28. August 2013 (BGBl. I, 3474) haben keine Änderung des Streitgegenstandes oder des maßgeblichen Prüfprogrammes hinsichtlich des Flüchtlingsstatus, dessen Voraussetzungen nunmehr in §§ 3 - 3e AsylVfG (vormals § 60 Abs. 1 AufenthG a.F. i.V.m. der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - der sog. Qualifikationsrichtlinie a.F. -) geregelt sind, als auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (vormals subsidiärer unionsrechtliche Abschiebungsschutz bzw. Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F. - letzteres i.V.m. Art. 15 c Qualifikationsrichtlinie a.F.) zur Folge,
31vgl. etwa auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 22. Januar 2014 - 9 A 2564/10.A -, juris.
32Gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling nach Abs. 1 der Vorschrift ist. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
33Der Anwendungsbereich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vormals § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG a.F.) ist weitestgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts in Art. 16 a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), bei dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat,
34vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u.a. -, NVwZ 1990, 151; bereits zu § 51 Abs. 1 AuslG: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18. Februar 2002 – 9 C 59/91 -, DVBl. 1992 S. 843.
35Darüber hinaus umfasst der Flüchtlingsschutz – nach Maßgabe des § 28 Abs. 1 a AsylVfG – auch selbst geschaffene Nachfluchtgründe sowie gemäß § 3 c Nr. 3 AsylVfG eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, etwa in Bürgerkriegssituationen, in denen es an staatlichen Strukturen fehlt. Nach § 3 c Nr. 1 und 2 AsylVfG kann die Verfolgung ausgehen von dem Staat oder Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Ferner stellt § 3 b Abs. 1 Nr.4 AsylVfG klar, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen kann, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft.
36Hinsichtlich des Prognosemaßstabes ist bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft – wie auch bei der des subsidiären Flüchtlingsschutzes – der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Der sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit für den Fall einer Vorverfolgung im Heimatland hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung mehr,
37vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2013 - 10 C 23/12 -, vom 1. März 2012 - 10 C 7/11 -, vom 7. September 2010 – 10 C 11/09 -, juris Rz. 14 f., vom 27. April 2010 – 10 C 4/09 – und - 10 C 5/09 -, jeweils juris; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063706.A -, juris Rz. 35 ff.
38Maßgeblich ist insoweit Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie RL 2011/95/EU, wonach die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zur erleiden. Die Vorschrift privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten durch eine Beweiserleichterung nämlich durch eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dabei ist unter einer eine Vorverfolgung begründenden unmittelbar drohenden Verfolgung eine bei der Ausreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung zu verstehen,
39vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.1993 - 9 C 45/52 -, juris.
40Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann allerdings widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen,
41vgl. bereits zur gleichlautenden Regelung in Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie a.F. - RL 2004/83/EG -: BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2012 - 10 B 17/12 - (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a. Abdulla-), Urteile vom 7. September 2010 – 10 C 11/09 -, vom 27. April 2010 – 10 C 4/09 – und - 10 C 5/09 -; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063706.A -, jeweils juris.
42Die solchen früheren Handlungen oder Bedrohungen nach dieser Vorschrift zukommende Beweiskraft ist unter der sich aus Art. 9 Abs. 3 Qualifikationsrichtlinie RL 2011/95/EU ergebenden Voraussetzung zu berücksichtigen, dass diese Handlungen oder Bedrohungen eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen, den der Betreffende für seinen Antrag auf Schutz geltend macht,
43vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2012 - 10 B 17/12 - (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a. Abdulla-).
44Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie RL 2011/95/EU bezieht,
45vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4/09 -; OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2010 - 9 A 3642/06.A -, jeweils juris.
46Aus den in Art. 4 Qualifikationsrichtlinie RL 2011/95/EU geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden,
47vgl. zu Art. 16 a GG: BVerwG: Beschlüsse vom 21. Juli 1989 – 9 B 239/89 -, InfAuslR 1989, 349, vom 26. Oktober 1989 – 9 B 405/89 – InfAuslR 1990, 38 und vom 3. August 1990 – 9 B 45/90 -, InfAuslR 1990, 344.
48Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben sind die Voraussetzungen für eine Flüchtlingszuerkennung nach § 3 Abs. 1 AsylVfG erfüllt.
49Das Gericht ist nach Durchführung der mündlichen Verhandlung zunächst davon überzeugt, dass der Kläger homosexuell ist und deshalb zu einer sozialen Gruppe i.S. von § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG gehört. Auf Grund des in der mündlichen Verhandlung gewonnen persönlichen Eindrucks von dem Kläger und seines Lebensgefährten - dem Zeugen L. P. - ist das Gericht von deren Homosexualität überzeugt. Der Kläger und auch der Zeuge haben insoweit übereinstimmend und überzeugend ihre homosexuelle Beziehung geschildert und die Fragen des Gerichts etwa zu ihrer Schulzeit, Pubertät, Erkennen der Homosexualität und ihrem "Coming-out",
50vgl. dazu auch die von dem UNHCR für bedeutsam gehaltenen Anhaltspunkte: Guidelines on international protection No. 9, Rz. 62, 63,
51nachvollziehbar und plausibel beantwortet. Beide haben insoweit glaubhaft dargelegt, dass sie schon während ihrer Schulzeit auf der Sekundärschule sehr eng miteinander befreundet gewesen seien und sich für Mädchen nicht interessiert hätten. Ihnen sei allerdings zu diesem Zeitpunkt ihre homosexuelle Neigung noch gar nicht bewusst gewesen, da sie auch von ihren Eltern dazu angehalten worden seien, keine Beziehung zu einem Mädchen einzugehen. Erst im frühen Erwachsenenalter und zwar während ihrer gemeinsamen Ausbildung seien sie sich ihren Gefühlen für einander bewusst geworden und hätten ihre Liebesbeziehung begonnen. Beide konnten dem Gericht gegenüber auch überzeugend darlegen, dass sie erstmals während ihrer Ausbildung an einem Abend in ihrem gemeinsamen Zimmer über Gefühle füreinander gesprochen und sich auch körperlich angenähert bzw. sexuelle Handlungen ausgetauscht hätten. Beide haben ferner übereinstimmend dargelegt, dass sie ihren Familien nach Beendigung ihrer Ausbildung ihre Homosexualität verbunden mit dem Entschluss, gemeinsam ein Geschäft zu eröffnen und eine gemeinsame Wohnung zu beziehen, offenbart hätten. In beiden Familien seien die Väter über diese Nachricht sehr aufgebracht gewesen, wobei der Kläger von seinem Vater auch aus dem Haus verwiesen worden sei und nur durch das Einwirken der Mutter und deren Hinweis auf das jugendliche Alter wieder hätte beruhigt werden können. Der Kläger und der Zeuge haben ferner überzeugend dargelegt, dass sie in der Folgezeit dennoch in Nigeria gemeinsam eine Wohnung - auch nach ihrem erneuten Umzug in Jahr 2010 - bewohnt und ihre homosexuelle Beziehung fortgeführt hätten, die von der Öffentlichkeit/Nachbarschaft jedoch bemerkt worden sei. Ihre Beziehung bestehe auch noch nach ihrer Ausreise in Deutschland weiterhin fort. Ein Zusammenleben in Deutschland ist zwar derzeit auf Grund der räumlichen Trennung nicht möglich, aber neben telefonischen Kontakten besuche der Zeuge den Kläger einmal im Monat, wobei sie sich dann bei einem Freund in N. aufhalten könnten. Soweit der Kläger und der Zeuge auf Nachfrage des Gerichts übereinstimmend ausgeführt haben, dass sie weder in Nigeria noch in Deutschland Kontakte zu anderen homosexuellen Männern bzw. zur homosexuellen Szene gehabt hätten, begründet dies keine Zweifel an der gewonnen Überzeugung des Gerichts. Vielmehr hat das Gericht den Eindruck gewonnen, dass zwischen dem Kläger und dem Zeugen eine enge und innige Beziehung besteht. So hat insbesondere Kläger auf Nachfrage ausgeführt, dass er in Deutschland einmal einen Mann kennengelernt habe, der ihn zu einem "Gay Club" mitgenommen habe, er diesem aber direkt gesagt haben, dass er kein Interesse an einer anderen Beziehung habe.
52Homosexuelle bilden ferner in Nigeria eine soziale Gruppe i.S. des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemeinsam haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird; als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet. Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter. Diese gesetzlichen Vorgaben entsprechen auch dem europäischen Recht, wie es Niederschlag in Art. 10 Abs. 1 lit. d der Qualifikationsrichtlinie RL 2011/95/EU (zuvor auch in Qualifikationsrichtlinie a.F. - 2004-) gefunden hat.
53Nach der Rechtsprechung des EuGH
54vgl. Urteil vom 7. November 2013 in den verbundenen Rechtssachen C‑199/12 bis C‑201/12; dazu auch Nora Markard, EuGH zur sexuellen Orientierung als Fluchtgrund, Asylmagazin 2013, S. 402 ff.; ferner Hruschka/Löhr, Das Konventionsmerkmal "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" und seine Anwendung in Deutschland, NVwZ 2009, 206,
55ist Art. 10 Abs. 1 lit. d der Qualifikationsrichtlinie a.F. (RL 2004/83/EG) dahin auszulegen, dass das Bestehen strafrechtlicher Bestimmungen, die spezifisch Homosexuelle betreffen, die Feststellung erlaubt, dass diese Personen als eine bestimmte soziale Gruppe anzusehen sind. Zwar stelle allein der Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher noch keine Verfolgungshandlung i.S. d. Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 lit. c der Qualifikationsrichtlinie a.F. (vgl. auch § 3 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG) dar. Seien hingegen homosexuelle Handlungen mit Freiheitsstrafen bedroht und werden sie im Herkunftsland, das eine entsprechende strafrechtliche Regelung erlassen hat, auch tatsächlich verhängt, so ist dies als unverhältnismäßige diskriminierende Bestrafung zu betrachten und stellt somit eine Verfolgungshandlung dar. Nicht beanstandet hat der EuGH die Regelung, dass vom Geltungsbereich der Richtlinie die homosexuellen Handlungen ausgeschlossen sind, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedsstaaten strafbar sind. Andererseits können bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die zuständigen Behörden nicht erwarten, dass der Schutzsuchende seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.
56Ausgehend davon, dass die Homosexualität als eine für die Identität einer Person so bedeutsames Merkmal darstellt, dass sie nicht zu einem Verzicht darauf gezwungen werden sollte, erlaubt ferner das Bestehen strafrechtlicher Bestimmung in Nigeria, die spezifisch Homosexuelle betreffen, die Feststellung, dass diese Personen eine deutlich abgegrenzte Gruppe bilden, die von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Nach den vorliegenden Erkenntnissen, sind homosexuelle Handlungen jeglicher Art in Nigeria sowohl nach säkularem Recht (mit zeitiger Freiheitsstrafe - bei vollzogenem Verkehr mit einer Freiheitsstrafe bis zu 14 Jahren) als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Im Januar 2014 hat der Präsident Nigerias - Goodluck Jonathan - ein weiteres Gesetz mit dem Namen "Same Sex Marriage (Prohibition) Bill" unterzeichnet. Bis zu vierzehn Jahren Haft droht Homosexuellen, wenn sie einen (verbotenen) Ehevertrag oder eine (verbotene) zivilrechtlich eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingehen. Personen, die an einer solchen Zeremonie teilnehmen oder sie unterstützen, drohen zehn Jahre Haft. Wer öffentlich die Liebesbeziehung zu einem Menschen gleichen Geschlechts "direkt oder indirekt zeigt", muss für bis zu zehn Jahre ins Gefängnis.
57vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes (AA) vom 28. August 2013, 6 und 15; Bundesamt (BAMF), Briefing Notes vom 20. Januar 2014; Deutsche Welle vom 14. Januar 2014: "Nigeria führt hohe Haftstrafen für Homosexuelle ein"; BBC News vom 15. Januar 2015: "Nigeria: Islamic court tries gay suspects in Bauchi"; Human Rights Watch vom 16. Januar 2014: Nigeria: "Anti-LGBT Law Threatens Basic Rights".
58Die jetzige Verschärfung der Strafgesetze war schon 2011 in einer ersten Version im Gesetzgebungsverfahren vom Senat gebilligt worden,
59vgl. hierzu Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 24. Oktober 2012, Nigeria: Homosexualität sowie amnesty international (ai), Auskünfte vom 9. und 15. November 2012, jeweils mit weiteren Nachweisen; AA, Auskunft an VGH BW vom 15. November 2012 sowie auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. März 2013 ‑ A 9 1873/12 -, juris, insbesondere Rz. 93 ff.
60Im Mai 2013 wurde dieses Gesetz dann in der veränderten Fassung auch vom Repräsentantenhaus einstimmig verabschiedet, die jetzt vom Staatspräsidenten unterzeichnet wurde.
61Hiervon ausgehend droht dem Kläger bereits von staatlicher Seite mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung in Form einer unverhältnismäßigen und diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung i.S. von § 3 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG. Denn bereits das bloße Zusammenleben, das gemeinsame öffentliche Erscheinen als gleichgeschlechtliches Paar und die Zusammenarbeit mit seinem Partner - Umstände, die der Kläger und der Zeuge nach ihren glaubhaften Angaben bereits in Nigeria vor ihrer Ausreise praktiziert haben und dort nicht unbemerkt geblieben sind - stehen danach unter Strafe (vgl. Nr. 5 Abs. 2 der Same Sex Marriage (Prohibition) Bill, 2011). Insoweit ist ferner zu berücksichtigen, dass nach der oben genannten Entscheidung des EuGH nicht von dem Asylbewerber erwartet werden kann, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung ausübt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.
62Auch wenn derzeit noch keine eingehenden Erkenntnisse über die Anwendung dieses Gesetzes in Nigeria vorliegen, so wurde doch seit den nigerianischen Presseberichten über das Inkrafttreten des Gesetzes bereits über Verhaftungen in den nördlichen Bundesstaaten und Bestrafungen durch ein Scharia-Gericht berichtet,
63vgl. BAMF, Briefing Notes vom 20. Januar 2014; Deutsche Welle vom 14. Januar 2014: "Nigeria führt hohe Haftstrafen für Homosexuelle ein"; BBC News vom 15. Januar 2015: "Nigeria: Islamic court tries gay suspects in Bauchi"; Human Rights Watch vom 16. Januar 2014: Nigeria: "Anti-LGBT Law Threatens Basic Rights"; Taz, vom 17. Januar 2014 "Hatz auf schwule Sündenböcke, Nigeria".
64Bereits nach der bisherigen Erkenntnislage mussten Homosexuelle, deren Veranlagung öffentlich bemerkt wurde, in Nigeria damit rechnen, dass die Freiheitsstrafen im Einzelfall verhängt werden. Zwar versuchen Homosexuelle aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und der weit verbreiteten Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen. Deshalb werden strafrechtliche Verfolgungen einvernehmlicher homosexueller Handlungen selten bekannt. Gleichwohl werden solche Strafen verhängt.
65Vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. März 2013 ‑ A 9 S 1873712 -, juris, Rz. 58 ff, 96 ff. m.w.Nw. zur Auskunftslage.
66Hinzukommt nunmehr, dass nach der Verschärfung der Gesetzeslage auch das Zusammenleben homosexueller Paare unter Strafe steht und Personen, die davon erfahren, dass Homosexuelle zusammenleben und dies nicht den Behörden mitteilen, künftig ebenfalls mit einer bis zu fünfjährigen Haftstrafe rechnen müssen. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass das Zusammenleben homosexueller Paare den Behörden vermehrt angezeigt wird, um nicht selbst bestraft zu werden. Bei diesem gesetzlichen Rahmen und der bereits bisherigen gerichtlichen Praxis handelt es sich bei der Verfolgung einer homosexuellen Ausrichtung um eine unverhältnismäßige, diskriminierende Bestrafung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger und der Zeuge übereinstimmend nicht von einer staatlichen Verfolgung vor ihrer Ausreise berichtet haben und diese auch nicht nach ihrer versuchten Anzeigenerstattung bei der Polizei im Jahr 2009 eingeleitet worden ist; denn die Gesetzesverschärfung ist erst im Jahr 2014 in Kraft getreten.
67Das Gericht geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger in Nigeria wegen seiner Homosexualität eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure i.S. von § 3 c Nr. 3 AsylVfG droht, ohne dass ihm von dem nigerianischen Staat ausreichend Schutz i.S. von § 3 d AsylVfG geboten wird. Der Kläger war insoweit bereits vorverfolgt bzw. von einer Verfolgung unmittelbar bedroht i.S. von Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie RL 2011/95/EU. Das Gericht hat auf Grund der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Homosexuellen in Nigeria durch nichtstaatliche Akteure Verfolgungshandlungen i.S. von § 3 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG erlitten hat. Der Kläger und der Zeuge haben insoweit glaubhaft dargelegt, dass sie erstmals am 00.00.2009 in der Mittagszeit in ihrem Geschäft in P1. von einer Gruppe von ca. 15 Jugendlichen überfallen worden sind, nachdem sie bereits ca. zwei Monate vorher von dem traditionellen Stammesführer/König der Ibo in P1. - dem dortigen "Eze" - einbestellt und aufgefordert worden waren, ihre Beziehung zu beenden. Der Kläger und der Zeuge wurden dabei aus dem Geschäft herausgeholt und geschlagen. Gleichzeitig wurde das Geschäft in Brand gesetzt und beide erlitten Brandverletzungen und konnten dann fliehen. Die später in V. aufgesuchte Polizei hat keine Anzeige bzw. Aussagen des Klägers und des Zeugen entgegen genommen, sondern ihnen geraten, die Beziehung zu beenden. Nachdem der Kläger und der Zeuge im 00.2010 ein neues Geschäft in P2. eröffnet haben, wurden sie erneut am 00.00.2011 nachmittags von einer ca. 30 Personen großen Gruppe in ihrem Geschäft aufgesucht, die laut trommelten, mit ihren Namen Lieder sangen und in ihrem Geschäft Gegenstände zerstörten. Sie bedrohten den Kläger und den Zeugen und setzten ihnen eine Frist von drei Tagen, um öffentlich die Aufgabe ihrer Beziehung zu bekennen, andernfalls würden sie getötet.
68Trotz einiger Ungereimtheiten insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen des Zeugen, waren die Schilderungen des Klägers und des Zeugen im Wesentlichen in sich stimmig und im Einklang mit dem bisherigen Vorbringen. Soweit der Zeuge vor dem Bundesamt bzgl. des Vorfalls am 00.00.2011 von "Beauftragten der Stadtbezirks" gesprochen hat, die in ihr Geschäft gekommen seien, hat er schon im Klageverfahren und erneut in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass er bereits vor dem Bundesamt von Personen gesprochen habe, die von dem "Eze" geschickt worden seien. Er hat ferner glaubhaft dargelegt, dass er vermutet habe, dass diese Personen von dem "Eze" aus P2. geschickt worden seien, da sie ja bereits einmal von einem "Eze" gewarnt worden seien und ihnen zudem eine "offizielle" Frist für ein öffentliches Bekenntnis gesetzt worden sei. Auch im Übrigen ist das Vorbringen des Klägers und des Zeugen im Wesentlichen übereinstimmend etwa zu ihrer gemeinsamen Schul- und Ausbildungszeit, ihren Wohnorten und Wohnungen oder zu den Geldmitteln für die erste und die zweite Geschäftseröffnung.
69Das Gericht geht danach davon aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Ausreise auch unmittelbar von Verfolgung bedroht war. Entgegen der Auffassung des Bundesamtes kann bei dieser Beurteilung nicht das Ereignis aus dem Jahr 2009 wegen eines fehlenden nahen zeitlichen Zusammenhangs zur Ausreise als nicht flüchtlingsschutzrelevant angesehen werden. Denn bereits dieser Vorfall hatte seinen Grund in der Homosexualität des Klägers bzw. in der gleichgeschlechtlichen Beziehung zu dem Zeugen und wurde durch nichtstaatliche Akteure verübt. Es besteht insoweit ein innerer Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen und insoweit auch mit der Flucht des Klägers. Diese fand mit Blick auf die bzw. unter dem Druck der schon einmal im Jahr 2009 erlittenen und sich im Jahr 2011 wiederholenden Verfolgungshandlung und einer damit verbundenen Androhung weiterer Verfolgungshandlungen statt. Dem Kläger stand und steht auch kein ausreichender staatlicher Schutz zur Verfügung, da die Polizei nach seinen glaubhaften Angaben eine Anzeige gar nicht entgegen genommen hat, was für das Gericht auch angesichts der bereits damals bestehenden Gesetzeslage und der in der nigerianischen Gesellschaft weitverbreiteten Vorbehalte und Vorurteile nachvollziehbar ist. So sind nach der derzeitigen Erkenntnislage Homosexuelle nach wie vor Diskriminierung und Anfeindungen in der Gesellschaft ausgesetzt. Korruption ist in Nigeria bei der Polizei weit verbreitet, die im Übrigen durch niedrige Besoldung, schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet ist; Gelderpressungen an Straßensperrungen sind an der Tagesordnung. Die Polizeiführung versucht nur in geringem Maße gegenzusteuern,
70vgl. AA, Lagebericht Nigeria vom 28. August 2013, S. 17, 10; Auskunft an VGH Baden-Württemberg vom 15. November 2012; ai, Auskunft an VGH Baden-Württemberg vom 9. November 2012.
71Diese Situation wird durch die oben bereits dargelegte Gesetzesänderung im Jahr 2014 noch einmal verschärft.
72Vor diesem Hintergrund kann vermutet werden, dass sich die frühere Verfolgung bei einer Rückkehr des Klägers nach Nigeria wiederholen wird. Diese Vermutung wird auch nicht durch stichhaltige Gründe widerlegt, die einer tatrichterlichen Würdigung im Rahmen der freien Beweiswürdigung obliegt. Unter Auswertung der Erkenntnisquellen und unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers in der mündlichen Verhandlung liegen nach tatrichterlicher Würdigung keine stichhaltigen Gründe vor, die darauf schließen lassen, dass sich die frühere Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr nach Nigeria nicht mehr wiederholen würde. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass derzeit für den Kläger eine interne Schutzmöglichkeit i.S. von § 3 e AsylVfG besteht. Nach der derzeitigen Erkenntnislage ist nicht ersichtlich, dass in größeren Städten oder urbanen Zentren Homosexualität eher toleriert wird. Dem steht zum einen die bereits oben ausgeführte Gesetzesänderung auch im Hinblick auf Personen, die von homosexuellen Beziehungen Kenntnisse haben, entgegen. Zum anderen lässt sich den Erkenntnisquellen entnehmen, dass hinsichtlich der Verfolgungsgefahr kein signifikanter Unterschied mehr zwischen größeren Städten und dem übrigen Land besteht, wenn eine Homosexualität bekannt wird,
73vgl. SFH vom 24. Oktober 2012, Nigeria: Homosexualität sowie ai, Auskünfte vom 9. und 15. November 2012, jeweils mit weiteren Nachweisen; AA, Auskunft an VGH BW vom 15. November 2012.
74Nach diesen Ausführungen war Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides aufzuheben und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
75Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes war ebenfalls aufzuheben, da die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die negativen Feststellungen zu den Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG gegenstandslos werden lässt,
76vgl. bereits zur alten Rechtslage: BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2002 ‑ 1 C 17/01 -.
77Im Übrigen fehlt es auch an der nach § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG erforderlichen Ermessensausübung des Bundesamtes, da das Bundesamt sich zu einer Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten verpflichtet gesehen hat, weil es die Voraussetzung für Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verneint hat.
78Die in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides enthalten Abschiebungsandrohung ist insgesamt rechtswidrig, weil mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung gemäß § 34 Abs1 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG nicht gegeben sind.
79Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2 und § 154 Abs. 1 VwGO; das Verfahren ist gemäß § 83 b AsylVfG gerichtskostenfrei.
80Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig voll-streckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die nach eigenen Angaben am 8. April 1993 in Dohola (arabisch: al-Qadsiya), Provinz Ninive (Ninewa), geborene Klägerin ist irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit und gehört der Glaubensgemeinschaft der Yeziden an.
3Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. März 2010 stellte sie einen Asylantrag, zu dessen Begründung diese ausführten: Die Klägerin sei am 30. Januar 2010 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Als Yezidin sei sie in ihrer Herkunftsprovinz Ninive (Hauptstadt: Mosul) einer Verfolgung durch gläubige Muslime, die zur Vertreibung und Ermordung von Yeziden und Christen aufriefen, ausgesetzt. Zu ihrer Religion könne sie sich nicht öffentlich bekennen. Bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 7. April 2010 trug die Klägerin ferner vor: Bis zu ihrer Ausreise habe sie mit ihren Eltern, Brüdern und Schwestern in Dohola, Kreis Sindjar (auch: Sindschar; kurdisch: Shingal), gewohnt, wo sie auch sechs Jahre die Schule besucht habe. In den letzten etwa zwei Jahren habe es häufiger Anschläge auf Yeziden gegeben; bei der Explosion einer Autobombe in Sinun seien Verwandte verletzt worden. Um nicht in Gefahr einer Entführung zu geraten, habe sie die Schule vor vier Jahren verlassen. Muslimische Jungen hätten yezidische Mädchen angesprochen und dadurch erreichen wollen, dass diese ihren guten Ruf verlieren.
4Durch Bescheid vom 5. Mai 2010 lehnte das Bundesamt (1.) den Asylantrag der Klägerin als unbegründet ab und stellte fest, dass (2.) die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und (3.) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Ferner forderte es (4.) die Klägerin zur Ausreise aus dem Bundesgebiet binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. ‑ für den Fall der Klageerhebung - nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens auf und drohte ihr die Abschiebung in den Irak an.
5Die Klägerin hat am 18. Mai 2010 Klage erhoben und zu deren Begründung geltend gemacht: Yeziden seien in ihrem Herkunftsgebiet, dem Sindjar, der Gefahr einer Gruppenverfolgung ausgesetzt. Die von ihr bei der Anhörung geschilderte Furcht vor Entführung sei begründet; denn die Entführung yezidischer Mädchen werde von Islamisten als Mittel der Islamisierung eingesetzt. Zu ihrer yezidischen Religion könne sie sich nicht bekennen, ohne mit der Gefahr von Übergriffen auf ihr Leben rechnen zu müssen.
6Die Klägerin hat beantragt,
7den Bescheid des Bundesamtes vom 5. Mai 2010 bezüglich der Ziffern 2 bis 4 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,
8hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben sind,
9hilfsweise für den Fall, dass sie nicht als Flüchtling anerkannt wird, zum Beweis der Tatsache, dass yezidische Mädchen der Gefahr einer Zwangsislamisierung und Übergriffen seitens der muslimischen Bevölkerung ausgesetzt sind, ein Sachverständigengutachten einzuholen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2010 abgewiesen: Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin eine Zwangsislamisierung gedroht hätte, ergäben sich aus ihrem Vortrag nicht. Ihr drohe bei einer Rückkehr in den Irak auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur yezidischen Glaubensgemeinschaft keine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG durch nichtstaatliche Akteure. Die Annahme einer derartigen Gruppenverfolgung setze eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, die hier nicht vorliege. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG.
13Durch Beschluss vom 7. April 2011 hat der Senat die Berufung zugelassen, soweit die Klägerin einen Anspruch auf die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Irak geltend macht. Im Übrigen ist der Zulassungsantrag abgelehnt worden.
14Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor: Unter Berücksichtigung der hohen Dunkelziffer von gewaltsamen Übergriffen auf Yeziden durch Muslime und der alltäglichen Diskriminierungen liege eine Verfolgungsdichte vor, die die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertige. Zudem sei zu berücksichtigen, dass sich Yeziden durch Abschottung schützen, indem sie insbesondere ihre besonders gesicherten Dörfer kaum noch verließen; dadurch sei aber eine ausreichende Lebensgrundlage nicht mehr gewährleistet. Auch das religiöse Existenzminimum sei für Yeziden im Irak nicht gewährleistet. Sie - die Klägerin - könne sich im Irak unmöglich öffentlich zu ihrem Glauben als Yezidin bekennen, ohne mit Übergriffen auf ihr Leben rechnen zu müssen. Für sie als unverheiratete junge Yezidin würde eine Rückkehr in den Irak eine außergewöhnliche Härte darstellen, weil sie ohne den Schutz durch die Familie mit großer Wahrscheinlichkeit Opfer eines Gewaltübergriffs würde. Zumindest wäre ihre Bewegungsfreiheit gänzlich eingeschränkt.
15Die Klägerin beantragt,
16das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes vom 5. Mai 2010 zu verpflichten, ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie erwidert: Die in der Berufungsbegründung angenommene Rückkehrsituation als alleinstehende junge Frau werde sich für die Klägerin angesichts der bei der Anhörung gemachten Angaben, wonach sich eine große Zahl von Familienmitgliedern am Heimatort aufhielten, nicht ergeben.
20Der Senat hat Beweis erhoben über die Situation der Yeziden im Sindjar durch ergänzende Vernehmung der Gutachterin des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien (EZKS), Frau T. , zu deren im Verfahren 9 A 2561/10.A eingeholten und in das vorliegende Verfahren eingeführten Gutachten vom 16. September 2013. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe
23Die nur hinsichtlich des auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 2 des Bescheides des Bundesamtes) zugelassene und insoweit auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
24Maßgeblich ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage. Das ist hier die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) am 1. Dezember 2013 maßgebliche Fassung des Aufenthalts- und des Asylverfahrensgesetzes.
25Die während des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen Rechtsänderungen, die im Zusammenhang mit der am 21. Dezember 2013 abgelaufenen Umsetzungsfrist der Richtlinie 2011/95/EU,
26vgl. Art. 39 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung), ABl. L 337 vom 20. Dezember 2011, S. 9,
27stehen, haben nicht zur Folge, dass sich der infolge der nur auf die Flüchtlingsanerkennung beschränkten Zulassung der Berufung hier maßgebliche Streitgegenstand geändert oder erweitert hätte.
28Das Prüfprogramm ist sowohl hinsichtlich des im vorliegenden Berufungsverfahren allein streitbefangenen Flüchtlingsstatus, dessen Voraussetzungen nunmehr in den §§ 3 bis 3e AsylVfG geregelt sind, als auch - ungeachtet der geänderten Terminologie - hinsichtlich des jetzt in § 4 AsylVfG geregelten subsidiären Schutzes in der Sache im Wesentlichen unverändert geblieben.
29Vgl. im Einzelnen Münch, Zur Änderung der Qualifikationsrichtlinie, Beilage zum ASYLMAGAZIN 7-8/2013, 7 ff.
30Das gilt hinsichtlich der am 1. Dezember 2013 in Kraft getretenen Gesetzesänderung auch insoweit, als das bisherige Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG durch den nunmehr in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG geregelten Anspruch auf subsidiären Schutz wegen ernsthafter individueller Gefahren für die Zivilbevölkerung im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ersetzt worden ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entsprachen - in der vom Bundesverwaltungsgericht in Anlehnung an die maßgeblichen unionsrechtlichen Grundlagen (vgl. Art. 15 Buchst. c) der Richtlinie 2004/83/EG und gleichlautend in der neugefassten Richtlinie 2011/95/EU) geklärten Auslegung -,
31vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, juris Rn. 17 und 36, BVerwGE 131, 198, wonach insbesondere das Merkmal der Bedrohung "infolge willkürlicher Gewalt" sinngemäß auch bisher schon in der nationalen Umsetzungsvorschrift enthalten war,
32ohne materielle Änderungen der jetzigen Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG. Davon ausgehend stellt sich die Frage, ob ein neuer Streitgegenstand infolge einer Gesetzesänderung während des gerichtlichen Verfahrens angewachsen sein könnte,
33zur grundsätzlichen Möglichkeit eines solchen Anwachsens eines neuen Streitgegenstands vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360,
34hier nicht. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass Flüchtlingsstatus und subsidiärer Schutz Teilelemente des internationalen Schutzes sind und im Verwaltungsverfahren nicht unabhängig voneinander beantragt werden können (§ 13 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Einer Einstufung als prozessual unabhängige Streitgegenstände steht das nicht entgegen.
35Dies vorausgeschickt hat das Verwaltungsgericht den hier noch streitbefangenen Teil der Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Nr. 2 des Bescheides des Bundesamtes vom 5. Mai 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG.
36I. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GK) -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - zur Definition diese Begriffe vgl. § 3b Abs. 1 AsylVfG - außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
37Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG gelten zunächst Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), ferner Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG). § 3a Abs. 2 AsylVfG nennt als mögliche Verfolgungshandlungen beispielhaft u.a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden.
38Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylVfG zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von §§ 3 Abs. 1 und 3b AsylVfG und der Verfolgungshandlung bzw. den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
39Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, NVwZ 2013, 936, juris Rn. 19.
41Wenn der Antragsteller frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkt für die Begründetheit seiner Furcht geltend macht, dass sich die Verfolgung im Falle der Rückkehr in das Heimatland wiederholen werde, kommt ihm - auch wenn dies anders als nach bisheriger Gesetzeslage (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG a.F. i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG) nicht mehr ausdrücklich geregelt ist - die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zugute. Die solchen früheren Handlungen oder Bedrohungen nach dieser Vorschrift zukommende Beweiskraft ist von den zuständigen Behörden unter der sich aus Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU ergebenden Voraussetzung zu berücksichtigen, dass diese Handlungen oder Bedrohungen eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen, den der Betreffende für seinen Antrag auf Schutz geltend macht.
42Zur gleichlautenden Regelung in Art. 4 Abs. 4, Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2012 - 10 B 17.12 -, Buchholz 451.902 EurAuslR Nr. 62, juris Rn. 5, im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - Slg. 2010, I-1493 Rn. 93.
43Die Gefahr einer den Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus begründenden Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Betroffenen selbst gerichteten Maßnahmen (Einzelfallverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines flüchtlingsschutzrelevanten Merkmals verfolgt werden, das der Betreffende mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (sog. Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt grundsätzlich eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus. Der Feststellung dicht und eng gestreuter Verfolgungsschläge bedarf es allerdings nicht, wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm bestehen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht. Bei der Prüfung einer Gruppenverfolgung sind die zahlenmäßigen Grundlagen der gebotenen Relationsbetrachtung zur Verfolgungsdichte nicht mit quasi naturwissenschaftlicher Genauigkeit feststellen. Es genügt, die ungefähre Größenordnung der Verfolgungsschläge zu ermitteln und sie in Beziehung zur Gesamtgruppe der von Verfolgung Betroffenen zu setzen. Dabei darf bei unübersichtlicher Tatsachenlage und nur bruchstückhaften Informationen aus einem Krisengebiet auch aus einer Vielzahl vorliegender Einzelinformationen eine zusammenfassende Bewertung des ungefähren Umfangs der asylerheblichen Verfolgungsschläge und der Größe der verfolgten Gruppe vorgenommen werden, wobei gegebenenfalls auch eine Dunkelziffer nicht bekannter Übergriffe einzubeziehen ist.
44Vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200, 204, und vom 21. April 2009 - 10 C 11.08 -, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 39.
45An diesen Anforderungen ist unter Geltung der unionsrechtlichen Vorgaben festzuhalten.
46Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2010 - 10 B 18.09 -, juris Rn. 2 f.
47Sie gelten auch für den Fall, dass die Verfolgung nicht von dem Staat, sondern von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht. Nach § 3c AsylVfG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, oder (3.) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
48II. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.
491. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass staatliche irakische Behörden die Klägerin vor ihrer Ausreise verfolgt haben könnten oder nunmehr im Falle ihrer Rückkehr verfolgen werden.
502. Auch für eine an individuelle, in der Person der Klägerin liegende Umstände anknüpfende Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ist nichts ersichtlich.
51Individuell sie betreffende Verfolgungshandlungen, die sich in der Zeit vor ihrer Ausreise zugetragen haben und Anlass für die Flucht waren, hat die Klägerin nicht geschildert. Derartige Umstände sind derzeit auch für den Fall einer Rückkehr in den Irak nicht ersichtlich.
523. Die Klägerin ist ferner nicht in Anknüpfung an ihre yezidische Religionszugehörigkeit von einer Gruppenverfolgung bedroht.
53a) Die irakische Verfassung bestimmt zwar in ihrem Art. 2 den Islam zur Staatsreligion, garantiert aber zugleich die Religionsfreiheit insbesondere für Yeziden. Eine Diskriminierung oder Verfolgung religiöser Minderheiten durch staatliche Stellen findet generell nicht statt. Von einem staatlichen Verfolgungsprogramm kann keine Rede sein.
54Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Oktober 2013, S. 11 f.
55Allerdings ist der Staat nicht in der Lage, den Schutz von Minderheiten vor Übergriffen und Anschlägen nichtstaatlicher Akteure zu gewährleisten.
56Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Oktober 2013, S. 12.
57Daher ist die allgemeine Sicherheitslage im Irak - mit Ausnahme der Region Kurdistan-Irak und mit Einschränkungen des Südirak - ausweislich der dem Gericht vorliegenden Berichte immer noch schlecht. Sie hatte sich seit 2007 von Jahr zu Jahr verbessert; das Auswärtige Amt geht auf der Grundlage des von der Organisation "Iraq Body Count" erfassten Datenmaterials von einer Abnahme der sicherheitsrelevanten Vorfälle zwischen 2007 und 2012 um ca. 80 % aus. Im Zuge der sunnitisch-schiitischen Konflikte hat sich die Sicherheitslage aber seit 2013 wieder deutlich verschlechtert. Schwerpunkte terroristischer Aktivitäten, die sich seit dem Truppenabzug der USA Ende 2011 nicht mehr gegen Mitglieder der Koalition richten und von Aufständischen ausgehen, sondern überwiegend der sunnitischen Al-Qaida und der Organisation "Islamischer Staat Irak" zugerechnet werden, sind Bagdad, der Zentralirak sowie die Städte Kirkuk und Mosul, die Provinzhauptstadt von Ninive, der Herkunftsprovinz der Klägerin. In den sog. umstrittenen Gebieten der Provinzen Diyala, Ta'mim, Salahaddin und Ninive, die infolge der Arabisierungspolitik des Baath-Regimes de jure nicht (mehr) zur Region Kurdistan-Irak gehören, von der Kurdischen Regionalregierung (KRG) aber als zu ihr gehörig beansprucht und von den kurdischen Sicherheitsorganisationen geschützt werden, ist die Lage von starken Spannungen der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, insbesondere Araber, Turkmenen und Kurden, zu denen regelmäßig auch die Yeziden gezählt werden, geprägt.
58Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Oktober 2013, S. 5 f.
59Insbesondere Angehörige der yezidischen Minderheit gehören zu den Personengruppen, deren religionsbezogene Schutzgesuche nach den Empfehlungen des UNHCR,
60UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus dem Irak von Mai 2012,
61in Bezug auf den Anspruch auf internationalen Flüchtlingsschutz einzelfallbezogen sehr genau zu prüfen sind.
62Terroristische Anschläge der im Zusammenhang mit der allgemeinen Sicherheitslage erfassten Art können aber nicht ohne weiteres als gezielte Verfolgungsmaßnahmen auf Grund der Religionszugehörigkeit der betroffenen Opfer angesehen werden. Allgemeine Gefahren dieser Art sind vielmehr lediglich bei der Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG (vormals: § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) bzw. im Rahmen des im nationalen Recht geregelten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG (bislang § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) zu berücksichtigen. Beides ist hier aber nicht Streitgegenstand.
63b) Die über die Gefährdungs- und Verfolgungssituation speziell der yezidischen Religionszugehörigen vorliegenden und in diesem Verfahren ergänzend ermittelten Erkenntnisse rechtfertigen nicht die Annahme, dass die Klägerin vor ihrer Ausreise oder nunmehr im Falle einer Rückkehr in den Irak allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure bedroht war bzw. ist. Die nach den oben genannten Maßstäben für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte ist weder landesweit noch in Bezug auf die yezidischen Stammsiedlungsgebiete, darunter die Herkunftsregion der Klägerin, Sindjar, gegeben. Das hat der Senat hinsichtlich des ebenfalls in der Provinz Ninive gelegenen Distrikts Scheichan,
64Beschlüsse vom 22. November 2010 - 9 A 3287/07.A -, juris Rn. 37, und vom 28. März 2011- 9 A 2563/10.A -, juris Rn. 7,
65und der zur Provinz Ninive gehörenden Subdistrikte Alqosh und Al Fayda des Disktrikts Til Kef,
66Beschluss vom 30. März 2011 - 9 A 567/11.A -, juris Rn. 8,
67bereits entschieden. Trotz der im Vergleich zu den genannten yezidischen Siedlungsgebieten schwierigeren Situation gilt für die Region Sindjar im Ergebnis ebenfalls, dass eine die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigende Verfolgungsdichte nicht vorliegt.
68So auch. OVG Saarl., Urteil vom 16. September 2011 - 3 A 446/09 -, juris Rn. 165; vgl. auch Nds. OVG, Urteil vom 8. Februar 2012 - 13 LB 50/09 -, juris Rn. 41, m.w.N.; Bay.VGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 13a ZB 10.30444 -, juris, und vom 12. September 2011 - 13a ZB 11.30280 -, juris.
69Die Anzahl der Verfolgungsmaßnahmen i.S.d. § 3a Abs. 1 AsylVfG ist im Verhältnis zur Gesamtgröße der betroffenen Bevölkerungsgruppe nicht so hoch, dass daraus eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit für jeden Gruppenzugehörigen folgt.
70aa) Yeziden siedeln im Irak vor allem im nördlichen Irak in der zwischen der KRG und der irakischen Zentralregierung umstrittenen Provinz Ninive um die Städte Sindjar und Scheichan sowie in der Provinz Dohuk (auch: Dahuk, kurdisch: Duhok). Die Zahl der Yeziden im Irak soll nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes von der Gruppe selbst mit 450.000 bis 500.000 angegeben werden,
71Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Oktober 2013, vgl. auch die im Verfahren 9 A 2561/10.A mit Schriftsatz der Klägervertreter vom 8. November 2013 eingereichte, im Internet abrufbare Stellungnahme des Herrn Ali Sido Rasho "Yezidis Face Danger in Iraq" (http:://rashoali.blogspot.de /2012/03/yezidis-face-danger-in-iraq.html),
72und wird - allerdings, ohne dass die dem zugrunde liegenden Erkenntnisse näher mitgeteilt werden - teils mit etwa 200.000 geschätzt.
73Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28. November 2010 unter II. 2.4. (5).
74Das Europäische Zentrum für kurdische Studien (EZKS) ging im Jahr 2011 von etwa 300.000 bis 400.000 Personen aus.
75Vgl. Auskunft des EZKS vom 20. November 2011 an das VG Düsseldorf.
76Diese Zahl erscheint aus derzeitiger Sicht plausibel, weil sie – zumindest teilweise – auf konkreten Bevölkerungsdaten beruht und sich im Zuge der Beantwortung der vom Senat eingeholten weiteren Auskunft vom 16. September 2013 bestätigt hat. In dieser Auskunft geht das EZKS davon aus, dass sich die damals geschätzte Zahl unter Berücksichtigung einer Bevölkerungswachstumsrate von 2,5 % erhöht hat, und ermittelt nunmehr bei einer Auswertung der nach den Angaben der kurdischen Verwaltung ausgegebenen Lebensmittelkarten eine Zahl von etwas über 290.000 Yeziden allein im Sindjar. Diese Zahl lässt sich mit der Anzahl der 13 Zentraldörfer, in denen die yezidische Bevölkerung des Sindjar fast ausschließlich lebt, und deren durchschnittlicher Einwohnerzahl von ca. 20.000 ohne weiteres in Einklang bringen. Auch das Auswärtige Amt geht in seiner Kurzstellungnahme vom 24. April 2013 an den Senat nunmehr von ca. 300.000 Yeziden im Sindjar aus.
77bb) Dieser Bevölkerungszahl sind die in Anknüpfung an ihre religiöse bzw. ethnische Zugehörigkeit zu dieser Bevölkerungsgruppe gegen Yeziden gerichteten Verfolgungsmaßnahmen gegenüberzustellen. Zu den relevanten Verfolgungsmaßnahmen können neben anschlagsbedingten Tötungen und Verletzungen sowie Entführungen, sofern sich eine Anknüpfung an die Religion feststellen lässt, auch sonstige, in ihrer Kumulation gleichgewichtige Maßnahmen i.S.d. § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG zählen. In Betracht kommen dabei grundsätzlich insbesondere auch Eingriffe in die Religionsfreiheit. Dies vorausgeschickt stellt sich die Lage der Yeziden im Sindjar wie folgt dar:
78(1) Yeziden sind wie alle Bewohner des Irak von der allgemein problematischen Sicherheitslage mit Entführungen, Plünderungen, Zerstörungen, Sprengstoff- und Bombenangriffen betroffen. Darüber hinaus sind sie - wie auch andere religiöse Minderheiten - seit dem Sturz des Saddam-Regimes gezielten Übergriffen von radikalen Islamisten ausgesetzt. Dabei wirkt sich zu Ungunsten der Sicherheitslage wie auch der ökonomischen Lage aus, dass der Distrikt - anders als etwa Scheichan und Alqosh - nicht direkt an die de jure kurdisch verwalteten - durchweg sichereren und ökonomisch besser aufgestellten - Gebiete angrenzt. Die 13 sog. Zentraldörfer wie auch Dohola, das Heimatdorf der Klägerin, liegen vielmehr inmitten und in unmittelbarer Nähe arabischer Dörfer, in denen unter Saddam Hussein loyale arabische Stämme angesiedelt wurden. Zudem hat Al-Qaida in dem Bereich einen erheblichen Einfluss.
79Vgl. EZKS, Auskünfte vom 17. Februar 2010 an das VG München, S. 13, und vom 20. November 2011 an das VG Düsseldorf, S. 6.
80Im Jahr 2005 wurde über mehrere Dutzend Mordfälle an Yeziden vor allem in den Städten Tal Afar und Sindjar berichtet. Täter sollen Muslime gewesen sein, die Yeziden für ihr nicht den Regeln des Korans entsprechendes Verhalten hätten „bestrafen“ wollen. Am 15. Februar 2007 kam es in der Stadt Scheichan (Ain Sifni) zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen muslimischen Kurden und Yeziden, bei denen religiöse Zentren der Yeziden, Privathäuser und Geschäfte niedergebrannt wurden. In Mosul wurde am 24. April 2007 ein mit yezidischen Arbeitern besetzter Bus von islamistischen Terroristen überfallen und alle 24 Insassen wurden ermordet.
81Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12. August 2009, S. 22.
82Zu dem bislang schlimmsten Angriff gegenüber Zivilisten kam es am 14. August 2007, als vier mit Sprengstoff beladene Lkw in den am Rande des Sindjar gelegenen Zentraldörfern Gir Azair (arabisch: al-Khataniya) und Siba Sheik Khidri (arabisch: al-Jazirah) im Subdistrikt al-Khataniya, der bis 1977 zum Sindjar gehörte, explodierten; über 320 yezidische Dorfbewohner starben, zwischen 530 und 700 weitere wurden verletzt, 400 Häuser wurden zerstört.
83Vgl. EZKS, Auskünfte vom 26. Mai 2008 an das Verwaltungsgericht Köln und vom 17. Februar 2010 an das VG München; mit leicht abweichenden Angaben (15. August statt 14. August 2007): Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17. Januar 2013, Seite 19.
84Bei einem Anschlag auf ein Café/Teehaus in Sindjar kamen am 13. August 2009 mindestens 21 Personen - vor allem yezidische Jugendliche und junge Männer - ums Leben; 32 weitere wurden verletzt.
85Vgl. Auskunft des EZKS vom 17. Februar 2010 an das VG München und Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28. November 2010, S. 27 (wonach sich der Vorfall am 18. August 2009 ereignet haben soll).
86Eine Fluchtwelle - sei es innerhalb des Irak in die de jure kurdischen Gebiete, sei es ins Ausland - haben diese und weitere Anschläge auf Yeziden nicht ausgelöst. Neben dem naheliegenden wirtschaftlichen Grund, dass sich viele Yeziden eine Flucht kaum leisten können, ist dies auch darauf zurückzuführen, dass die Regierung der kurdisch verwalteten Gebiete nach den Anschlägen vom 14. August 2007 zusätzliche Polizeikräfte eingesetzt hat, um die yezidische Bevölkerung zu schützen und logistische Hilfe zu leisten. Als Reaktion auf den Angriff vom 13. August 2009 veranlassten kurdische Peschmerga bzw. die jeweiligen Dorfbewohner die Sicherung einiger Zentraldörfer durch Sandbarrieren.
87EZKS, Auskunft vom 17. Februar 2010 an das VG München.
88Inzwischen sind alle yezidischen Zentraldörfer im Sindjar mit Mauern umgeben. Es gibt jeweils einen Eingang, der besonders kontrolliert wird. Seit 2009, als bei dem Anschlag auf ein Café in der Stadt Sindjar 21 Personen getötet und zahlreiche weitere verletzt wurden, ist es im Sindjar zu keinem großen Anschlag mehr gekommen. Die Straßen zwischen den Zentraldörfern und zu den größeren Städten werden auf Initiative der KRG von Peschmerga (kurdisch kontrollierte Armeeeinheiten), Asaisch (kurdischer Geheimdienst), Polizei und irakischer Armee durch ein engmaschiges Kontroll- und Sicherheitssystem, das beispielsweise auf der ca. 200 km langen Straßenverbindung zwischen den Städten Sindjar und Dohuk 127 Checkpoints umfasst, gesichert.
89Vgl. EZKS, Auskunft vom 20. November 2011 an das VG Düsseldorf.
90Auch wenn sich die Sicherheitslage insgesamt langsam, aber stetig verbessert, ist es auch in den vergangenen Jahren zu Gewalt gegen Yeziden gekommen. So berichtete das EZKS,
91Auskunft vom 20. November 2011 an das VG Düsseldorf,
92in Bezug auf den Zeitraum von Sommer 2009 bis August 2011 - ausdrücklich ohne Anspruch auf Vollständigkeit - von 11 getöteten Yeziden und diversen Entführungen, die sich vor allem an der Straße nach Mosul ereignet haben. Nach der im vorliegenden Verfahren eingeholten Auskunft des EZKS, die auf Befragungen örtlicher, kraft Amtes bzw. beruflicher oder gesellschaftlicher Stellung gut informierter Ansprechpartner (Behörden und Funktionäre der kurdischen Verwaltung sowie ein im Sindjar lebender Journalist) beruht, ist es auch in den vergangenen Jahren noch zu einigen Tötungen von im Sindjar ansässigen Yeziden gekommen. Von 2011 bis zum Abschluss des Berichts im Jahr 2013 kamen 28 Personen durch Erschießen oder Autobomben zu Tode, ganz überwiegend, nämlich 22, in Mosul, das von den Gutachtern als "No-Go-Area" für Yeziden eingeschätzt wird. Unter den Getöteten waren 22 yezidische Soldaten und 6 Zivilpersonen. Nur 3 (Zivil-)Personen kamen im Sindjar selbst bzw. in Orten zu Tode, die traditionell zum Sindjar gerechnet werden, auch wenn sie verwaltungsmäßig derzeit nicht dazu gehören.
93EZKS, Auskunft an das OVG NRW vom 16. September 2013.
94Die Befragung der Gutachterin des EZKS in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat ergeben, dass wenig für eine gravierende, das vorstehend beschriebene Gesamtbild der Gefährdungslage durchgreifend in Frage stellende Dunkelziffer spricht, wenngleich weder das vom EZKS auf der Grundlage von Angaben der kurdischen Verwaltung erstellte Zahlenmaterial noch die von den Klägervertretern in dem am selben Tag verhandelten Verfahren 9 A 2561/10.A vorgelegte Auflistung des Herrn Ali Sido Rasho Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Bereinigt um unterschiedliche Erfassungskriterien - yezidische Religionszugehörigkeit bei Herrn Rasho bzw. Herkunft aus dem Sindjar in der Auskunft des EZKS - liegen die aufgelisteten Vorfälle hinsichtlich der absoluten Zahlen und erst recht in der Tendenz nicht auseinander, obwohl die Quellen - persönliche Kontakte zu yezidischen Großfamilien einerseits und Verwaltungsauskünfte andererseits - sehr unterschiedlich sind. Es bleibt die übereinstimmende Erkenntnis, dass aus dem Sindjar stammende Yeziden am häufigsten bei Fahrten nach Mosul Gefahren für Leib, Leben und Freiheit ausgesetzt sind.
95Anhaltspunkte für relevante Einschränkungen der Religionsfreiheit liegen hingegen nicht vor. Innerhalb der - wie beschrieben - geschützten Zentraldörfer, in denen die yezidische Bevölkerung unter sich lebt, ist die Religionsausübung im privaten und öffentlichen Bereich,
96zum nach Unionsrecht maßgeblichen Schutzbereich der Religionsfreiheit vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012 - C-71/11 und C-99/11 -, NVwZ 2012, 1612; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, NVwZ 2013, 936,
97ungestört möglich. Yezidische religiöse Stätten werden geschützt; während religiöser Zeremonien sind Sicherheitskräfte anwesend.
98Vgl. EZKS, Auskünfte vom 20. November 2011 an das VG Düsseldorf und vom 16. September 2013 an das OVG NRW.
99Die für viele Yeziden aus religiösen Gründen wichtige Pilgerfahrt nach Lalisch (auch: Lalesh) ist grundsätzlich möglich. Der Ort befindet sich im de facto kurdisch verwalteten Bereich des Nord-Irak und die dorthin führenden Straßen sind - wie beschrieben - effektiv gesichert. Dass Yeziden sich dort in der letzten Zeit vorsichtshalber bei öffentlichkeitswirksamen Zeremonien zurückhalten, lässt keinen hinreichend gewichtigen Eingriff in die Religionsfreiheit erkennen. Der Pilgerort ist jedenfalls bislang nicht Ziel von Angriffen geworden; es fehlt angesichts der im kurdischen Verwaltungsbereich insgesamt deutlich besseren Sicherheitslage auch an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass Angriffe auf Pilger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Das macht auch die Klägerin nicht geltend.
100Auch Kontakte zwischen der Bevölkerung der einzelnen Zentraldörfer sind - nicht nur, aber auch, soweit sie aus religiösen Gründen gesucht werden - möglich, da die Straßen durch massiven Einsatz von Sicherheitskräften gesichert werden. Die Sicherheitsmaßnahmen in Form zahlreicher Checkpoints bewaffneter Kräfte sind zwar effektiv, machen die Fahrten durch arabisches Gebiet aber zugleich zeitaufwändig und belastend.
101Vgl. EZKS, Auskünfte vom 20. November 2011 an das VG Düsseldorf und vom 16. September 2013 an das OVG NRW.
102Als problematisch stellt sich insbesondere die Erledigung behördlicher Angelegenheiten dar: Behördengänge in der de jure zuständigen Provinzhauptstadt Mosul sind - wie auch die vorstehend genannten Opferzahlen belegen - mit erheblichen Risiken verbunden. Im Zuge ihrer zahlreichen auf Schutz und Unterstützung der von ihr als kurdisch angesehenen yezidischen Bevölkerung gerichteten Maßnahmen hat die KRG es auch ermöglicht, dass etliche behördliche Angelegenheiten in der in Kurdistan-Irak gelegenen und deshalb vergleichsweise sicheren Provinzhauptstadt Dohuk erledigt werden konnten. Es war und ist auch weiterhin möglich, in bestimmten Verwaltungsangelegenheiten Unterlagen in der Stadt Sindjar abzugeben und die Angelegenheiten von Mittelsmännern erledigen zu lassen. Hiervon sind aufgrund einer inzwischen auch im Sindjar umgesetzten Rechtsänderung seit Mitte 2013 allerdings bestimmte Angelegenheiten ausgenommen: die Ausstellung von Pässen, die Registrierung von Kraftfahrzeugen und die Ausstellung von Führerscheinen. Hierfür ist nunmehr die persönliche Anwesenheit in Mosul erforderlich. Die Ausstellung von Staatsangehörigkeitsurkunden, die die Bewohner des Sindjar insbesondere für die Inanspruchnahme von Sozialleistungen benötigen, lässt sich hingegen weiterhin von Sindjar aus regeln.
103Vgl. EZKS, Auskunft vom 16. September 2013 an das OVG NRW.
104Unbefriedigend ist darüber hinaus vor allem auch die wirtschaftliche Lage in den yezidischen Zentraldörfern des Sindjar. Arbeitsplätze sind rar, wenngleich die Arbeitslosenquote in den zurückliegenden Jahren aufgrund hoher Investitionen der KRG in die Verwaltung und insbesondere in Schulen (von etwa 70 % auf 50 %) gesunken ist. Da die Landwirtschaft - sei es aufgrund in den letzten Jahren auftretender Trockenheit,
105so das Auswärtige Amt in seiner Kurzstellungnahme vom 24. April 2013 an das OVG NRW,
106sei es aufgrund der Sicherheitslage oder wegen der ohnehin durch die KRG sichergestellten Lebensmittelversorgung - als Erwerbsgrundlage keine nennenswerte Rolle spielt, arbeiten viele Yeziden in einfachen Beschäftigungsverhältnissen in der nahe gelegenen Provinz Dohuk, und zwar - wie die Gutachterin T. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat - vor allem in dem bei Muslimen wenig angesehenen Dienstleistungssektor und in der in den kurdischen Provinzen boomenden Baubranche. Tätigkeiten als Händler sind für Yeziden angesichts der Sicherheitslage nicht angezeigt. Immerhin erhalten behinderte Yeziden - aktuell rund 8.500 sind davon betroffen - eine von der KRG finanzierte monatliche Rente von 400 US-Dollar.
107Die KRG investiert auch erheblich in die bislang dürftige Infrastruktur: Wasser wird bislang noch mit Tankwagen in die Dörfer gebracht; bis 2016 plant die KRG allerdings, alle Zentraldörfer an die Wasserversorgung anzuschließen. Inzwischen gibt es in allen Zentraldörfern Schulen (bis zum Abitur) und Gesundheitsstationen. Sindjar-Stadt und Sinun verfügen über Krankenhäuser; spezialisierte Behandlungen sind aber nur in Dohuk und - für Yeziden wohl eher theoretisch - in Mosul möglich.
108Vgl. EZKS, Auskunft vom 16. September 2013 an das OVG NRW.
109Die trotz aller Verbesserungen nach wie vor insgesamt bedrückenden Lebensbedingungen dürften dazu beitragen, dass die Gutachter auch von einer im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland um den Faktor 2,5 erhöhten Selbstmordrate berichten.
110Vgl. EZKS, Auskunft vom 16. September 2013 an das OVG NRW.
111(2) Die vorstehend beschriebenen tatsächlichen Erkenntnisse über die Lage der Yeziden im Sindjar begründen nicht die Annahme einer die Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung erfüllenden Verfolgungsdichte.
112Das gilt zunächst für die Anzahl der im Zusammenhang mit der yezidischen Gruppenzugehörigkeit stehenden gewaltsamen Übergriffe auf Yeziden. Anders als bei Bomben- oder vergleichbaren Anschlägen an Orten, an denen sich für gewöhnlich viele Yeziden aufhalten und bei denen sich deshalb aufdrängt, dass die Anschläge auf die Angehörigen der yezidischen Bevölkerungsgruppe als solche zielen, lassen sich die Motive für einzelne Anschläge, wie sie sich in den zurückliegenden Jahren ereignet haben, nicht sicher feststellen, zumal die Täter regelmäßig nicht ermittelt werden. Andererseits muss trotz der religionsbedingt relativ engen persönlichen Bindungen innerhalb der yezidischen Gemeinschaft und der deshalb mutmaßlich guten Informationslage der von den Mitarbeitern des EZKS für die Erstellung der vorliegenden Auskünfte befragten Persönlichkeiten (Journalist, Mitarbeiter des Lalisch-Zentrums und der yezidische Bürgermeister von Sindjar),
113vgl. EZKS, Auskünfte vom 20. November 2011 an das VG Düsseldorf und vom 16. September 2013 an das OVG NRW,
114eine gewisse Dunkelziffer von nicht bekannt gewordenen gewaltsamen Übergriffen gegen Yeziden in Rechnung gestellt werden.
115Selbst ausgehend von der vom Senat als plausibel erachteten - deutlich unter den Angaben des Auswärtigen Amtes liegenden - Bevölkerungszahl von etwa 290.000 Yeziden im Sindjar besteht für diese Gruppe keine beachtliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“, allein wegen ihrer Religionszugehörigkeit Opfer eines gewaltsamen Übergriffs zu werden. Auch wenn man bei großzügigster Betrachtung alle in den vorliegenden Auskünften aufgeführten Tötungen von Yeziden (etwa 15 pro Jahr) als religionsbezogen wertet, obwohl das bei den in Mosul getöteten Soldaten, die in aller Regel nicht ohne weiteres aufgrund äußerlicher Merkmale als Yeziden zu erkennen gewesen sein dürften, eher fernliegt, und darüber hinaus - trotz fehlender Anhaltspunkte für die Annahme einer solch hohen Zahl - eine Dunkelziffer von 1:3 annimmt, lag die statistische Wahrscheinlichkeit, als Yezide im Sindjar aufgrund der Religionszugehörigkeit Opfer einer gewaltsamen Tötung oder Verletzung zu werden, in den zurückliegenden Jahren bei 1:5.000 oder 0,02 %.
116Vgl. zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.): BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 11.10 -, juris Rn. 20, wo sogar eine statistische Wahrscheinlichkeit von ca. 0,1 % oder 1:1.000 nicht als beachtliche Wahrscheinlichkeit angesehen wurde.
117Danach würde selbst eine Erhöhung der Opferzahlen, etwa im Hinblick auf unterstellte religiöse Anknüpfungspunkte für Entführungen, um den Faktor 5 bei statistischer Betrachtung - selbst bei einer etwaigen, sich nach derzeitigem Erkenntnisstand aber nicht abzeichnenden Korrektur der Bevölkerungszahl - keine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit für jeden einzelnen Gruppenzugehörigen begründen.
118Ausgehend davon kann auch für die Zeit vor der Ausreise der Klägerin eine hinreichende Verfolgungsdichte nicht angenommen werden.
119Im Rahmen der hier neben der Analyse des statistischen Zahlenmaterials gebotenen zusammenfassenden Bewertung ist zu berücksichtigen, dass die im Sindjar inzwischen bei statistischer Betrachtung erreichte Sicherheit mit einem erheblichen Verzicht der yezidischen Bevölkerung auf Mobilität und damit einhergehend einem teilweisen Verzicht auf Möglichkeiten zur Verbesserung des Lebensstandards einhergeht. Die vorliegenden Erkenntnisse lassen allerdings nicht die Würdigung zu, dass die Sicherheit in einem solchen Maße durch eine unter dem Druck der angespannten Sicherheitslage erfolgte Selbstbeschränkung „erkauft“ ist, dass die unerfreulichen Lebensbedingungen als eine einer Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gleichkommende Rechtsgutverletzung anzusehen und als kumulierende Maßnahmen nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG als Verfolgungshandlung zu werten sind.
120In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass Yeziden aufgrund ihrer religiösen Vorschriften, die nähere private Beziehungen (Ehe/Familie) zu Andersgläubigen und auch zu Angehörigen anderer yezidischer Kasten grundsätzlich nicht zulassen, vorzugsweise unter sich oder jedenfalls in nahem Kontakt zu ihren jeweiligen Stämmen bzw. (Groß-)Familien leben. Die eingeschlossene Lebenssituation in den gut bewachten Zentraldörfern wird sicherlich als belastend empfunden. Aufgrund der Größe der sog. Zentraldörfer von um die 20.000 Einwohner kann aber von einem Ausschluss von gesellschaftlichen Kontakten oder einer völligen Isolation keine Rede sein, zumal auch eine Kommunikation nach außen per (Mobil-)Telefon gewährleistet ist. Schulbesuch bis zum Abitur ist möglich. Sogar Stipendien für ein Studium in Irakisch-Kurdistan, das mit konkreten Aussichten auf eine anschließende berufliche Anstellung verbunden ist, werden finanziert. Die Belastungen durch ein - trotz des nachhaltigen Engagements der wirtschaftlich besser als die Zentralregierung dastehenden KRG - noch dürftiges infrastrukturelles Angebot in vielen Bereichen (wie Trinkwasser- und Krankenversorgung) und hohe Arbeitslosigkeit teilen die Bewohner yezidischer Zentraldörfer mit weiten Teilen der irakischen Bevölkerung. Sie treffen sie nicht allein oder auch nur maßgeblich aufgrund ihrer yezidischen Religionszugehörigkeit. Das gilt auch in Bezug auf die Krankenversorgung. Mit Ärzten angemessen ausgestattete Krankenhäuser sind für die irakische (Land-)Bevölkerung auch sonst nicht stets erreichbar. Dass die Finanzierung der Behandlung bei schweren Erkrankungen nicht durchweg sichergestellt ist, betrifft grundsätzlich auch Nicht-Yeziden. Deren Situation wird zwar dadurch erschwert, dass sie, anders als Yeziden im de jure kurdischen Bereich, nur eingeschränkt bzw. unter größeren Belastungen zu einem in Betracht kommenden Krankenhaus reisen können. Die Zahl der hiervon konkret Betroffenen ist aber wiederum nicht so groß, dass daraus, sofern es sich überhaupt um als kumulierende Verfolgungshandlungen zu wertende Maßnahmen handeln sollte, auf eine hinreichende Verfolgungsdichte zu schließen sein könnte.
121Im Falle der von der KRG als Kurden angesehenen Yeziden werden die Auswirkungen der schlechten ökonomischen Lage, anders als im Zentral- oder im Südirak, zudem teilweise durch Maßnahmen der KRG gemildert, die in den umstrittenen Gebieten ein Interesse daran hat, die Lebensbedingungen der kurdischen Bevölkerung so weit zu verbessern, dass diese dort wohnen bleibt und gerade nicht in die de jure kurdischen Gebiete zieht. Anhaltspunkte dafür, dass die KRG den Yeziden im Sindjar künftig den Schutz entziehen und die weitere Unterstützung versagen könnte, sind nicht ersichtlich.
122Die Selbstmordrate ist im internationalen Vergleich zwar hoch, erreicht aber noch keinen absoluten Spitzenwert. Zudem kann nicht angenommen werden, dass die schlechte ökonomische Lage und die Sicherheitslage die allein maßgebliche Ursache für die Selbstmorde darstellen. Vorbehaltlich dessen, dass die Gründe für einen Selbstmord naturgemäß nur selten sicher aufzuklären sind, spricht der Umstand, dass unter den so zu Tode gekommenen Yeziden zahlreiche junge Frauen zwischen 18 und 23 Jahren sind, nach Einschätzung örtlicher Stellen dafür, dass häufig persönliche, vor allem kulturell bedingte Konflikte in Zusammenhang mit Liebesbeziehungen bzw. Eheschließungen eine Rolle spielen.
123IOM-IRAQ Special Report "Increased Incidents of Suicide Among Yazidis in Sinjar, Ninewa" von Juli 2011.
124Auch in Ansehung der bezogen auf den Gesamtirak im Jahr 2013 wiederum verschlechterten Sicherheitslage liegen keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass sich die Lage in absehbarer Zeit in relevantem Ausmaß verschlechtern könnte. Konkrete Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch sonst aus Medienberichten ersichtlich; auch die in der mündlichen Verhandlung ergänzend befragte Gutachterin des EZKS hatte keine darauf weisenden Informationen. Insbesondere spricht derzeit nichts dafür, dass der Konflikt im benachbarten Syrien zu einer vermehrten Aktivität islamistischer Gruppen im Sindjar führt.
125Die Gefährdung bei der Erledigung von behördlichen Angelegenheiten in Mosul - statt wie bislang in Sindjar oder in Dohuk - ist allerdings grundsätzlich ernst zu nehmen. Das vorliegende Zahlenmaterial belegt aber schon nicht, dass Zivilisten, die zu diesem Zweck nach Mosul fahren, tatsächlich mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Schaden kommen. Unabhängig davon sind die Verwaltungsangelegenheiten, die eine persönliche Vorsprache in Mosul erfordern, auch begrenzt und betreffen keineswegs jeden yezidischen Dorfbewohner. Denn gerade in Anbetracht der Lebensumstände, die die Anschaffung eines eigenen Pkw häufig weder nötig noch finanzierbar erscheinen lassen, ist keineswegs ersichtlich, dass eine Vielzahl von Yeziden Führerscheine und Kfz-Zulassungen beantragen werden, zumal es Sammeltaxis und Minibusse gibt. Das für die Beantragung von Sozialleistungen, auf die weite Teile der yezidischen Bevölkerung angewiesen sind, erforderliche Dokument ist unstreitig nicht der Pass, sondern der Staatsangehörigkeitsausweis, zu dessen Beantragung und Verlängerung es aber keiner persönlichen Anwesenheit in Mosul bedarf.
126Individuell gefahrerhöhende, die Person der Klägerin betreffende Merkmale, wie sie nach der Erkenntnislage wohl für yezidische Soldaten und möglicherweise (aber statistisch nicht belegt) auch für Geistliche, die kraft ihrer Stellung häufiger reisen müssen, anzunehmen sein könnten, sind hier nicht ersichtlich. Derartige gefahrerhöhende Umstände ergeben sich nicht daraus, dass es sich bei der Klägerin um eine junge, unverheiratete Frau handelt. Zwar sind Frauen nach den vorliegenden Auskünften im privaten wie im öffentlichen Bereich im Irak täglich in Gefahr, Opfer von Gewalt zu werden. Bezogen auf den kurdisch verwalteten Nordirak herrscht eine auch und gerade hinsichtlich der Rolle von Frauen äußerst konservative Gesellschaft vor. Dementsprechend spitzt sich die Situation insbesondere für alleinlebende yezidische - ebenso für christliche - Frauen in einem überwiegend muslimischen Umfeld erheblich zu.
127Vgl. zur insoweit vergleichbaren Situation von Frauen in Scheichan: OVG NRW, Beschluss vom 22. November 2010 - 9 A 3287/07.A -, juris Rn. 82 m.w.N.
128Nach den Angaben der Gutachterin des EZKS, Frau T. , in der mündlichen Verhandlung liegen indessen keine brauchbaren Statistiken vor, die Auskunft über spezifische Gefährdungen von Frauen, beispielsweise in Form von sexueller Gewalt oder Entführungen, geben könnten. Diesbezügliche Daten ließen sich nach ihrer Einschätzung auch nicht beschaffen. Der Umstand, dass Männer schon aufgrund der typischerweise vorzufindenden familieninternen Rollenverteilung und der in yezidischen Familien verbreiteten Moralvorstellungen zumeist mobiler sind, spricht allerdings dafür, dass sie statistisch eher Gefahr laufen entführt zu werden. Anhaltspunkte für die Annahme, dass Frauen in erheblichem Maße Opfer von Entführungen mit dem Ziel einer zwangsweisen Islamisierung werden, ergeben sich aus den vorliegenden Erkenntnissen nicht.
129Wie die Gefährdungssituation alleinstehender yezidischer Frauen letztlich zu bewerten ist,
130vgl. dazu etwa VG Bremen, Urteil vom 18. April 2013 - 5 K 1615/10.A -, juris Rn. 36 ff.,
131bedarf hier indessen keiner Klärung. Denn entgegen ihrem Vortrag im Berufungsverfahren kann nicht unterstellt werden, dass die Klägerin bei einer Rückkehr in ihre Heimatregion ohne den Schutz ihrer Familie leben müsste. Bereits nach ihren eigenen Angaben leben zahlreiche Familienangehörige weiterhin an ihrem Heimatort. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sie nicht dorthin zurückkehren und wiederum unter den zuvor geschilderten, allerdings keine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsrechts darstellenden Bedingungen im Familienverband leben könnte. Damit einhergehende Beschränkungen ihrer privaten und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten würden nicht maßgeblich auf drohenden Verfolgungsmaßnahmen nichtstaatlicher Akteure, sondern auf den religiös geprägten Ansichten ihrer Herkunftsfamilie beruhen.
132Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
133Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tatbestand
- 1
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Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf ihrer Flüchtlingsanerkennung.
- 2
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Die 1967 geborene Klägerin ist togoische Staatsangehörige. Sie reiste 1998 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Mit Bescheid vom 28. Mai 1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - den Asylantrag ab. Im Klageverfahren verpflichtete das Verwaltungsgericht das Bundesamt, hinsichtlich der Klägerin das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG) festzustellen. Das Bundesamt kam dieser Verpflichtung im Juni 2004 nach.
- 3
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Anfang 2008 leitete das Bundesamt wegen der in Togo zwischenzeitlich eingetretenen politischen Veränderungen ein Widerrufsverfahren ein. Nach Anhörung widerrief es mit Bescheid vom 28. Februar 2008 die Flüchtlingsanerkennung der Klägerin. Von einer Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG wurde abgesehen, da der Widerruf aus Gründen der Statusbereinigung erfolge. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Schwerin mit Urteil vom 26. August 2008 abgewiesen.
- 4
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Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Beschluss vom 9. März 2011 die erstinstanzliche Entscheidung geändert und den Bescheid des Bundesamts aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Widerrufsvoraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG lägen nicht vor. Die maßgeblichen Verhältnisse in Togo hätten sich nicht so verändert, dass bei einer Rückkehr eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen sei.
- 5
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Die Beklagte erstrebt mit der Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Zur Begründung macht sie geltend, das Berufungsgericht habe seiner Verfolgungsprognose einen falschen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt.
- 6
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Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. Das Erfordernis der hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung entspreche im Widerrufsverfahren bei Vorverfolgten dem Beweislastmaßstab aus Art. 14 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Selbst wenn das Berufungsgericht von einem fehlerhaften Maßstab ausgegangen sein sollte, beruhe die Entscheidung zumindest nicht auf diesem Fehler, da es keinen Sachverhalt festgestellt habe, der einen Widerruf rechtfertigen würde. Hilfsweise beantragt sie die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Beschluss des Berufungsgerichts beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Widerruf der Flüchtlingsanerkennung mit einer Begründung verneint, die mit Blick auf den seiner Verfolgungsprognose zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeitsmaßstab mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG nicht zu vereinbaren ist (1.). Die Berufungsentscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO) (2.). Der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedarf es nicht (3.). Mangels der für eine abschließende Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Das Verfahren ist daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (4.).
- 8
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1. Bei dem Widerruf der Flüchtlingsanerkennung, der im vorliegenden Fall formell nicht zu beanstanden ist (s.a. Urteil vom 29. September 2011 - BVerwG 10 C 24.10 - juris Rn. 11 ff.), ist für die Verfolgungsprognose auf den Maßstab der beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit abzustellen, den das Berufungsgericht verfehlt hat.
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1.1 Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG sind daher unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren (vgl. Urteile vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - BVerwGE 139, 109
und vom 1. Juni 2011 - BVerwG 10 C 25.10 - InfAuslR 2011, 408 ; zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen).
- 10
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Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.
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Die unionsrechtlichen Vorgaben für ein Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 2. März 2010 (Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - NVwZ 2010, 505) weiter konkretisiert. Danach muss die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend sein, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Eine erhebliche Veränderung der der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände setzt voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland deutlich und wesentlich geändert haben. Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72 ff.; zur Erheblichkeit und Dauerhaftigkeit vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 20 und 24 m.w.N.).
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Veränderungen im Heimatland sind nur dann hinreichend erheblich und dauerhaft, wenn sie dazu führen, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Die Prüfung einer derartigen Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland ist mithin untrennbar mit einer individuellen Verfolgungsprognose verbunden. Diese hat nach Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 21 ff.), kann wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft seit Umsetzung der in Art. 11 und 14 Abs. 2 dieser Richtlinie enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der früheren, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht festgehalten werden. Der Richtlinie 2004/83/EG ist ein solches materiellrechtliches Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose fremd. Sie verfolgt vielmehr unter Zugrundelegung eines einheitlichen Prognosemaßstabs für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 und der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie zum Ausdruck kommt. Demzufolge gilt beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose nunmehr ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich auch das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 84 ff., 98 f.).
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Die Frage, ob die Mitgliedstaaten von diesem Prognosemaßstab in Widerrufsverfahren nach Art. 3 der Richtlinie zugunsten des Betroffenen abweichen können, bedarf vorliegend keiner Entscheidung und braucht folglich nicht, wie von der Klägerin beantragt, dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt zu werden. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 bei der Flüchtlingsanerkennung an der bisherigen Anwendung unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe nach nationalem Recht festhalten wollte. Vielmehr belegt gerade der neu eingefügte § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, demzufolge für die Feststellung einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ergänzend anzuwenden ist, dass der Gesetzgeber sich bei der Flüchtlingsanerkennung - abweichend von der bisherigen nationalen Rechtslage - den beweisrechtlichen Ansatz der Richtlinie 2004/83/EG zu eigen gemacht hat. Damit hat er auch ein - nach Umsetzung der Richtlinie ohnehin nicht zu vermeidendes - Auseinanderfallen der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Asyl nach Art. 16a GG einerseits und für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft andererseits bewusst in Kauf genommen.
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1.2 Das Berufungsgericht hat vorliegend eine solche erhebliche und dauerhafte Veränderung der Verhältnisse im Herkunftsland auf der Grundlage einer fehlerhaften Verfolgungsprognose verneint. Denn es hat seiner Verfolgungsprognose nicht den Maßstab der beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit, sondern den der hinreichenden Verfolgungssicherheit zugrunde gelegt (BA S. 4). Dies bekräftigt im Übrigen auch der Hinweis des Berufungsgerichts, dass es im Jahr 2008 in einem Anerkennungsverfahren bei Anwendung eines anderen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs zu einem anderen Ergebnis gelangt sei (BA S. 6).
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1.3. Die Berufungsentscheidung beruht - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch auf dieser Verletzung des § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG. Mit den vom Bundesamt zum Anlass für eine Überprüfung der Flüchtlingsanerkennung genommenen politischen Änderungen in Togo (hier: insbesondere der Tod des früheren Präsidenten Eyadema im Februar 2005 und der von seinem Sohn im April 2006 eingeleitete strukturierte Dialog mit der Opposition) ist nach der Anerkennung der Klägerin eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in ihrem Heimatland eingetreten. Das Berufungsgericht hatte daher zu prüfen, ob es sich hierbei um eine hinreichend erhebliche und dauerhafte Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG handelt, weil sich eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben hat, so dass keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung mehr besteht (Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 20, 23). Seine Bewertung, dass die bisherigen Machtstrukturen des früheren Regimes Eyadema sich nicht wesentlich verändert hätten, beruht demgegenüber auf einer Verfolgungsprognose, der ein rechtlich unzutreffender Maßstab zugrunde liegt. Sie enthält keine Aussage zur Wesentlichkeit der Veränderungen in Bezug auf den anzuwendenden Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
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2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zu den asylerheblichen Verhältnissen in Togo erlauben dem Senat keine eigene Verfolgungsprognose auf der Grundlage des zutreffenden Prognosemaßstabes. Auch im Falle der gerichtlichen Anfechtung eines Widerrufs ist es grundsätzlich Aufgabe des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz, die Verhältnisse im Herkunftsland auf der Grundlage einer Gesamtschau zu würdigen und mit Blick auf die Umstände, die der Flüchtlingsanerkennung zugrunde lagen, eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Gefahrenprognose zu erstellen. Anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 7. Juli 2011 (BVerwG 10 C 26.10 - juris Rn. 18; zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen) entschiedenen Fall tragen die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen vorliegend auch nicht ausnahmsweise den Schluss, dass bei Zugrundelegung der unionsrechtlichen Vorgaben die Veränderungen in Togo nicht so erheblich sind, dass sie den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung der Klägerin rechtfertigen. Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, wie sich die in Togo nach dem Tod Eyademas eingetretenen Änderungen der politischen Verhältnisse konkret in Ansehung der in der Person der Klägerin liegenden Umstände und Verhältnisse auswirken, sondern sich mit einer allgemeinen Bewertung der asylrelevanten Lage in Togo begnügt. Seine zusammenfassende Bewertung, die Menschenrechtslage werde weiterhin als ernst bewertet, die Reformen des Justizapparats schienen noch keine greifbaren Ergebnisse gebracht zu haben und die bisherigen Machtstrukturen hätten sich nicht wesentlich geändert, beschränkt sich im Kern auf eine Ergebnismitteilung, ohne die zugrunde liegenden Tatsachen für eine Neubewertung anhand des zutreffenden Prognosemaßstabs hinreichend differenziert aufzubereiten. Sie stützt sich zudem im Wesentlichen auf Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte, die fast alle aus der Zeit vor der Klärung der unionsrechtlichen Anforderungen an das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft durch den Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 2. März 2010 (a.a.O.) stammen und ihrer Gefahrenprognose ebenfalls den falschen Maßstab der hinreichenden Verfolgungssicherheit zugrunde legen. Damit fehlt es an hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen für eine - auf den Fall der Klägerin bezogene - individuelle Verfolgungsprognose. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen daher nicht den Schluss, dass der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung (März 2011) bei einer Rückkehr weiterhin wegen ihrer früheren politischen Aktivitäten gegen das Regime Eyadema oder aus anderen, an ihre politische Überzeugung anknüpfenden Gründen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht. Der Berufungsentscheidung kann auch nicht entnommen werden, dass es bei Anwendung des richtigen Maßstabs zu einem "non liquet" und damit der Notwendigkeit einer Beweislastentscheidung gekommen wäre.
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3. Der - von der Klägerin hilfsweise beantragten - Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedarf es schon deshalb nicht, weil der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen nicht abschließend entscheiden kann. Dessen ungeachtet wirft die Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG im vorliegenden Verfahren auch keine Zweifelsfragen auf. Dem Wortlaut der Richtlinie ist zu entnehmen, dass ihr für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft materiell ein einheitlicher Prognosemaßstab zugrunde liegt und sie statt unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe - mit Art. 14 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 4 - einen beweisrechtlichen Ansatz verfolgt. Hiervon geht auch der EuGH in seinem Urteil vom 2. März 2010 (a.a.O.) aus. Zugleich hat er in dieser Entscheidung geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Flüchtlingsanerkennung nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie erlischt. Dabei differenziert er zwischen den Umständen, aufgrund derer der Betroffene als Flüchtling anerkannt wurde, und anderen Umständen, aufgrund derer er entweder aus dem gleichen oder aus einem anderen (Verfolgungs-)Grund begründete Furcht vor Verfolgung hat. Ob die Umstände, auf denen die Anerkennung beruht, weggefallen sind, beurteilt sich ausschließlich nach Art. 11 der Richtlinie. Gleiches gilt regelmäßig auch für andere Umstände, mit denen sich der Betroffene auf eine Verfolgung aus demselben Verfolgungsgrund beruft. Dabei liegt die Beweislast nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie bei der Behörde. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie findet beim Erlöschen hingegen regelmäßig nur bei anderen Umständen Anwendung, bei denen sich der Betroffene auf einen anderen Verfolgungsgrund beruft (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 95 ff.).
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4. Unter Beachtung dieser Vorgaben wird das Berufungsgericht in dem neuen Berufungsverfahren prüfen müssen, ob sich die Verhältnisse in Togo inzwischen so erheblich und nicht nur vorübergehend geändert haben, dass für die Klägerin bei einer Rückkehr keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung mehr besteht. Hierzu bedarf es auf der Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnisquellen einer umfassenden Würdigung der aktuellen tatsächlichen Verhältnisse in Togo mit Blick auf die Umstände, die der Flüchtlingsanerkennung der Klägerin zugrunde lagen, und darauf aufbauend einer individuellen Verfolgungsprognose. In diesem Zusammenhang wird sich das Berufungsgericht auch mit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte zur Lage in Togo auseinanderzusetzen haben. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es für einen Widerruf der Flüchtlingsanerkennung grundsätzlich unerheblich ist, ob der Betroffene sein Heimatland unverfolgt oder - wie die Klägerin nach den Feststellungen im Anerkennungsverfahren - vorverfolgt verlassen hat. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG kommt in diesen Fällen regelmäßig nicht zur Anwendung. Die Prüfung, ob die Umstände, die zur Anerkennung geführt haben, nachträglich weggefallen sind, richtet sich vielmehr nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie. Bei der Erstellung der Verfolgungsprognose wird das Berufungsgericht schließlich auch der Behauptung der Beklagten im Beschwerdeverfahren nachzugehen haben, dass der Vorsitzende der CAR, für deren Jugendorganisation sich die Klägerin nach ihren Angaben im Anerkennungsverfahren in Togo vor ihrer Ausreise u.a. politisch betätigt hat, ab September 2006 Premierminister von Togo gewesen sei.
Tatbestand
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Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, erstrebt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.
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Der 1976 in der Türkei geborene Kläger reiste im Dezember 1990 nach Deutschland ein und beantragte Asyl, weil ihm wegen Unterstützung der PKK in der Türkei politische Verfolgung drohe. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts Köln erkannte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - den Kläger im Juli 1995 als Asylberechtigten an und stellte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 bezüglich der Türkei fest (Flüchtlingsschutz). In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es, der Kläger habe die Türkei wegen drohender politischer Verfolgung verlassen (Vorfluchtgrund). Er habe glaubhaft dargelegt, dass er in den Verdacht geraten sei, Sympathisant der PKK zu sein. Als solchem habe ihm jedenfalls ein polizeiliches Ermittlungsverfahren und asylrechtlich erhebliche Haft und Folter gedroht. In der Türkei werde insbesondere im Polizeigewahrsam systematisch gefoltert.
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Nachdem der Kläger im Dezember 2000 wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und zugleich die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden war, widerrief das Bundesamt mit Bescheid vom 11. Oktober 2005 die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung des Klägers, weil er den Ausschlusstatbestand des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erfüllt habe, und stellte ferner fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen. Eine konkrete Gefahr für den Kläger, bei einer Rückkehr in die Türkei der Folter oder anderen menschenrechtswidrigen Maßnahmen unterzogen zu werden, sei nicht ersichtlich. Gegen die Strafverfolgung in der Türkei bestünden inzwischen - nach der Strafrechtsreform - keine durchgreifenden rechtsstaatlichen Bedenken. Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln seien keine Fälle mehr bekannt geworden, in denen abgelehnte Asylbewerber in Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt worden seien.
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Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen den Widerrufsbescheid stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat dagegen den Widerrufsbescheid als rechtmäßig bestätigt und die Klage insgesamt, also auch hinsichtlich des Hilfsbegehrens auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, abgewiesen. Zur Begründung hat es insoweit ausgeführt, die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG sei zwar - anders als die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - nicht durch den Ausschlussgrund nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG ausgeschlossen. Die Voraussetzungen dieser Abschiebungsverbote lägen aber nicht vor. Insoweit komme es nicht darauf an, ob der Kläger vor seiner Ausreise bereits von Vorverfolgung betroffen gewesen sei, da allein der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit maßgeblich sei. Das Verwaltungsgericht habe seinerzeit bei der Zuerkennung des Asyls und der Flüchtlingsanerkennung angenommen, dem Kläger drohe im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens wegen Unterstützung der PKK asylrechtlich erhebliche Haft und Folter. Hinsichtlich der asylrechtlich erheblichen Haft bestehe jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt keine Gefährdung mehr, die auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG führe. Für die Annahme, dass dem Kläger die Gefahr der Folter auch heute noch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe, bestünden keine Anhaltspunkte. Der Kläger sei bei seiner Ausreise erst 14 Jahre alt gewesen, seine Tätigkeit habe sich damals darauf beschränkt, als Freiheitskämpfer verkleidete türkische Soldaten mit Lebensmitteln zu versorgen in der Annahme, es handele sich tatsächlich um Freiheitskämpfer. Mittlerweile lägen diese Geschehnisse fast 18 Jahre zurück. Zwar würden abgeschobene Personen von der türkischen Grenzpolizei einer Routinekontrolle unterzogen, die eine Abgleichung des Fahndungsregisters nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalte. Nur dann, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergäben, dass der Einreisende als Mitglied oder Unterstützer der PKK bzw. einer Nachfolgeorganisation nahestehe oder schon vor der Ausreise ein Separatismusverdacht gegen ihn bestanden habe, müsse er mit einer intensiveren Befragung durch die Sicherheitsbehörden, unter Umständen auch mit menschenrechtswidriger Behandlung rechnen. Nach Lage der Dinge bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Kläger in der Türkei gefahndet werde. Ebenso wenig sei es beachtlich wahrscheinlich, dass er in der Türkei heute noch wegen Unterstützung der PKK individuell registriert sei, so dass erst recht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für Folter oder eine menschenrechtswidrige Behandlung zu verneinen sei.
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Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Senat die Revision hinsichtlich des Hilfsbegehrens auf Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG, die dem subsidiären Schutz nach der Richtlinie 2004/83/EG zuzuordnen sind, zugelassen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Widerrufs der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung sowie hinsichtlich des Nichtvorliegens von sonstigen nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, hat der Senat die Beschwerde zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt zur Begründung seiner Revision im Wesentlichen vor, das Berufungsgericht habe bei der Prüfung der unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote - hier: des Verbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG wegen konkreter Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung - zu Unrecht den Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit angewandt. Da er vorverfolgt ausgereist sei, komme ihm gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG auch im Rahmen dieser Abschiebungsverbote die Regelung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG - sog. Qualifikationsrichtlinie - zugute. Danach indiziere ein einmal erlittener Eingriff, der die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG erfülle, eine weiterhin bestehende Gefährdung des Betroffenen. Diese Indizwirkung entfalle erst, wenn sich zwischenzeitlich die Bedingungen im Heimatland grundsätzlich geändert hätten. Eine solche Veränderung sei aber nach überwiegender Rechtsprechung in der Türkei bislang nicht erkennbar. In seinem, des Klägers, Fall sei daher ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG festzustellen.
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Die Beklagte ist - ähnlich wie der Kläger - der Auffassung, dass auch bei den unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverboten, von denen hier allein das nach § 60 Abs. 2 AufenthG in Betracht komme, die Wiederholungsvermutung nach Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu gelten habe, wenn der Ausländer vor seiner Ausreise bereits in gleicher Weise verfolgt oder von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht gewesen sei. Gleichwohl könne die Revision keinen Erfolg haben, weil eine Vorverfolgung des Klägers, zumal in Gestalt der Folter, nicht festgestellt worden sei und nach den Ausführungen des Berufungsgerichts auch mehr als fernliege. Abgesehen davon sprächen angesichts der Tatsache, dass seit der allenfalls untergeordneten Unterstützung der PKK durch den damals 14-jährigen Kläger inzwischen 18 Jahre vergangen seien, auch stichhaltige Gründe dagegen, dass er heute noch einer ähnlichen Gefahr wie zur Zeit seiner Ausreise ausgesetzt wäre.
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Der Vertreter des Bundesinteresses meint, das Berufungsgericht habe bei der Gefahrenprognose im Rahmen von § 60 Abs. 2 AufenthG zwar zutreffend den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde gelegt, es habe aber rechtsfehlerhaft die Nachweiserleichterung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie unberücksichtigt gelassen. Seine nur unter dem Blickwinkel der beachtlichen Wahrscheinlichkeit getroffenen Feststellungen reichten nicht aus, um das Eingreifen der Nachweiserleichterung abschließend zu beurteilen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint hat, ohne zu prüfen, ob dem Kläger gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU vom 30. September 2004 Nr. L 304 S. 12, ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) - sog. Qualifikationsrichtlinie - zugutekommt (1.). Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil selbst nicht abschließend entscheiden kann, ob bei dem Kläger ein solches Abschiebungsverbot hinsichtlich der Türkei vorliegt (2.), ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines der unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. a bis c der Richtlinie 2004/83/EG). Hinsichtlich des Widerrufs der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung und hinsichtlich der ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote nach nationalem Recht (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) ist das Berufungsurteil nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig geworden. Von den unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverboten kommt vorliegend nur das Abschiebungsverbot wegen drohender Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung nach § 60 Abs. 2 AufenthG (entsprechend Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG) in Betracht.
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Für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens des Klägers, das auf Feststellung eines solchen Abschiebungsverbots zielt, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz am 29. Juli 2008 abzustellen. Deshalb sind die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) anzuwenden, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten und die Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - berücksichtigen.
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Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden (zur Entstehungsgeschichte und Auslegung dieses durch das Richtlinienumsetzungsgesetz in Umsetzung von Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG neu formulierten Abschiebungsverbots vgl. Urteil des Senats vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, Rn. 15 ff.).
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a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG nicht deshalb ausscheidet, weil der Kläger den Ausschlussgrund des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erfüllt hat. Denn dieser Ausschlussgrund gilt nach dem eindeutigen Wortlaut nur für das flüchtlingsrechtliche Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG, nicht hingegen für die sonstigen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Auch die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/83/EG für den subsidiären Schutz in Art. 17 Abs. 1 Buchst. d einen vergleichbaren Ausschlussgrund vorsieht, führt nicht dazu, dass die den Voraussetzungen des Art. 15 der Richtlinie entsprechenden Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG dem Kläger nicht zuerkannt werden könnten. Denn der deutsche Gesetzgeber hat die unionsrechtlichen Vorschriften zum subsidiären Schutz im Aufenthaltsgesetz insoweit "überschießend" umgesetzt, als er die in Art. 15 der Richtlinie enthaltenen Varianten des ernsthaften Schadens in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und die Ausschlussgründe nach Art. 17 der Richtlinie erst auf nachgelagerter Ebene als Versagungsgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG normiert hat (vgl. das bereits zitierte Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - a.a.O. Rn. 16). Die Verwirklichung von Ausschlussgründen nach Art. 17 der Richtlinie steht deshalb der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG nicht entgegen.
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b) Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG hat das Berufungsgericht bei der Prognose, ob für den Kläger in der Türkei die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, zu Recht den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde gelegt. Der für den Ausländer günstigere sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit, der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht für Fälle der Vorverfolgung entwickelt und auf den Flüchtlingsschutz übertragen worden ist, war und ist im Rahmen des subsidiären Abschiebungsschutzes nicht anzuwenden. Dieser herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab hat auch in die Richtlinie 2004/83/EG keinen Eingang gefunden, sondern ist durch die Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ersetzt worden, die sowohl für den Flüchtlingsschutz als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie gilt. Diese Nachweiserleichterung ist nach der vom deutschen Gesetzgeber getroffenen Regelung in § 60 Abs. 11 AufenthG auch im Rahmen der unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG anzuwenden. Als Prognosemaßstab gilt daher für diese Abschiebungsverbote - ebenso wie für die sonstigen rein nationalen Abschiebungsverbote - allein der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (zum Vorstehenden insgesamt wiederum Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - a.a.O. Rn. 18 bis 23 m.w.N.). Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe im Rahmen von § 60 Abs. 2 AufenthG den falschen Wahrscheinlichkeitsmaßstab angewandt, ist daher unbegründet.
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c) Zu Recht bemängelt die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG die Regelung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG nicht berücksichtigt hat. Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind. Geht es um die Anwendung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie bei der Feststellung eines unionsrechtlich vorgezeichneten subsidiären Abschiebungsverbots, greift die Vermutung nach dieser Vorschrift ein, wenn der Antragsteller vor seiner Ausreise aus dem Heimatland einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie erlitten hat oder unmittelbar von einem solchen Schaden bedroht war (Vorschädigung; vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, Rn. 27). Eine Vorverfolgung im flüchtlingsrechtlichen Sinne reicht für das Eingreifen der Vermutung im Rahmen des subsidiären Schutzes daher nur dann aus, wenn in ihr zugleich ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie liegt, etwa wenn die Verfolgungsmaßnahme in Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht. Außerdem setzt die Vermutung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie, dass der Antragsteller "erneut von einem solchen Schaden bedroht wird", einen inneren Zusammenhang zwischen der Vorschädigung und dem befürchteten künftigen Schaden voraus (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - a.a.O. Rn. 31).
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Ob die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugunsten des Klägers eingreift, hat das Berufungsgericht, das weder diese Vorschrift noch § 60 Abs. 11 AufenthG in den Urteilsgründen erwähnt hat, ersichtlich nicht geprüft. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, da das Berufungsgericht selbst ausführt (UA S. 21), dass das Verwaltungsgericht Köln bei der Zuerkennung von Asyl und Flüchtlingsschutz an den Kläger im Urteil vom 19. März 1995 einen Vorfluchtgrund angenommen habe, weil der Kläger vor seiner Ausreise mit der Einleitung eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens zu rechnen gehabt habe und ihm in diesem Rahmen nicht nur asylerhebliche Haft, sondern auch Folter gedroht habe. Dies wird vom Berufungsgericht bei seinen weiteren Ausführungen, weil aus seiner Sicht rechtlich unerheblich, auch nicht in Frage gestellt. Da in einer drohenden Folter zugleich auch ein ernsthafter Schaden im Sinne von Art. 15 Buchst. b der Richtlinie läge, könnte die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugunsten des Klägers eingreifen, es sei denn, dass stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er erneut von einem solchen Schaden bedroht ist. Dies hat das Berufungsgericht nicht geprüft und festgestellt. Indem es gleichwohl das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint hat, hat es deshalb Bundesrecht verletzt.
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2. Die Berufungsentscheidung erweist sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Den Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht entnommen werden, dass es - ungeachtet der fehlerhaften Rechtsgrundlage - jedenfalls der Sache nach Umstände festgestellt hat, die ein Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugunsten des Klägers ausschließen. Dass es, wie die Beklagte meint, schon an einer Vorverfolgung und damit auch an einer Vorschädigung im Sinne dieser Vorschrift fehlen würde, lasst sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts, das eine dem Kläger im Zeitpunkt der Ausreise drohende Folter zumindest unterstellt, keinesfalls herleiten. Auch für die Annahme, dass stichhaltige Gründe vorliegen, die die Vermutung der Wiederholung des Schadenseintritts widerlegen könnten, fehlt es an ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen. Das Berufungsgericht hat seine gesamten Ausführungen zur Gefahrenprognose hierzu ersichtlich im Rahmen der Prüfung einer auch heute noch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Folter oder menschenrechtswidrigen Behandlung gemacht und diese unter Würdigung der Auskunftslage über die Behandlung abgeschobener türkischer Staatsangehöriger und im Hinblick darauf verneint, dass der Kläger bei der Ausreise erst 14 Jahre alt gewesen sei, mittlerweile 18 Jahre vergangen seien und die Tätigkeit des Klägers sich darauf beschränkt habe, vermeintliche Freiheitskämpfer der PKK - in Wahrheit verkleidete Soldaten - mit Lebensmitteln zu versorgen. Diese allein unter dem Blickwinkel der beachtlichen Wahrscheinlichkeit getroffenen Feststellungen können vom Revisionsgericht nicht als Feststellung stichhaltiger, gegen eine Schadenswiederholung sprechende Gründe unter dem Blickwinkel von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie uminterpretiert werden. Dies käme allenfalls in Betracht, wenn das Berufungsgericht die Gefahrenprognose nach dem herabgestuften Maßstab der hinreichenden Sicherheit vorgenommen und die Gefahr einer Folter oder sonstigen menschenrechtswidrigen Behandlung oder Bestrafung nach diesem Maßstab verneint hätte, wobei allerdings auch dann zu beachten wäre, dass im Einzelfall eine Beurteilung nach dem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu einem anderen Ergebnis führen kann als die Anwendung von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - a.a.O. Rn. 23 und Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 10 B 20.10 - juris Rn. 5).
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Ebenso wenig reichen die bisherigen Feststellungen im Berufungsurteil aus, um das Vorliegen eines Abschiebungsverbots zugunsten des Klägers zu bejahen. Es bedarf deshalb in jedem Fall einer neuen tatrichterlichen Prüfung und Würdigung im Hinblick auf Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie, so dass das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.
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3. Das Oberverwaltungsgericht wird in dem weiteren Berufungsverfahren unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie erneut prüfen müssen, ob für den Kläger die konkrete Gefahr besteht, dass er in der Türkei der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen wird. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Frage, ob der Kläger vor seiner Ausreise im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie unmittelbar von einem ernsthaften Schaden bedroht war - die Alternative eines bereits erlittenen ernsthaften Schadens dürfte nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht in Betracht kommen -, nicht an die Feststellungen des Verwaltungsgerichts, das seinerzeit den Asyl- und Flüchtlingsschutz zugesprochen hat, gebunden ist, sondern es sich auch insoweit eine eigene tatrichterliche Überzeugung gemäß § 108 Abs. 1 VwGO bilden muss. Dies schließt es allerdings nicht aus, dass das Berufungsgericht sich die dortigen Feststellungen nach entsprechender Prüfung zu eigen macht. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände im Rahmen der tatsächlichen Feststellung, ob die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie widerlegt ist, kann das Berufungsgericht im Übrigen auch der Tatsache Bedeutung beimessen, dass die Türkei als Abschiebezielstaat ein Vertragsstaat der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl II 1952 S. 685) - EMRK - ist, der sich verpflichtet hat, die darin garantierten Rechte und Grundsätze zu achten (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - a.a.O. Leitsatz 2 und Rn. 29).
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Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Wegen des Kostenanteils, der auf den bereits abschließend rechtskräftig entschiedenen Teil des Verfahrens entfällt, wird auf die Kostenentscheidung und deren Begründung im Beschluss des Senats über die Nichtzulassungsbeschwerde vom 29. Juni 2009 - BVerwG 10 B 60.08 - verwiesen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren nur noch um die Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie).
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Der 1972 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit. Er stammt aus der südöstlich von Kabul gelegenen Provinz Paktia. Im Februar 2001 reiste er nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, er habe Afghanistan verlassen, um sich einer erzwungenen Rekrutierung durch die Taliban zu entziehen.
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Im Juli 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - im Folgenden: Bundesamt - den Antrag auf Asyl- und Flüchtlingsanerkennung ab und verneinte das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG, stellte aber fest, dass zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hinsichtlich Afghanistans besteht. Zur Begründung führte es aus, die vom Kläger geschilderte Rekrutierung durch die Taliban könne nicht zur Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung führen, da sie nicht an asylerhebliche Merkmale anknüpfe. Sie begründe jedoch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Zwangsrekrutierungen junger Männer durch die Taliban oder die Nordallianz seien im ganzen Land üblich und drohten auch dem Kläger bei einer Rückkehr. Wenn der Kläger in die Armee gepresst und praktisch unvorbereitet in den heftig geführten Kämpfen eingesetzt werde, bestehe akute Gefahr für Leib und Leben.
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Im Februar 2006 leitete das Bundesamt hinsichtlich des zuerkannten Abschiebungshindernisses ein Widerrufsverfahren ein, weil durch den Sturz der Taliban die Gefahr der Zwangsrekrutierung für den Kläger entfallen sei. Im Rahmen der Anhörung machte dieser geltend, bei ihm lägen nach wie vor individuelle Gründe für die Gewährung von Abschiebungsschutz vor. Sein Heimatdorf in der Provinz Paktia liege nahe der pakistanischen Grenze. Dort sei auch gegenwärtig eines der Hauptoperationsgebiete der Taliban. Für ihn bestehe die Gefahr einer Bestrafung durch die Taliban, weil er sich seinerzeit der Zwangsrekrutierung entzogen habe. Auch die Gefahr der Zwangsrekrutierung bestehe weiterhin. Er wisse von keinen in Afghanistan lebenden Verwandten mehr, die ihm Schutz oder Hilfe geben könnten. Sein Heimatdorf sei bombardiert und das Familienhaus zerstört worden. Seine dort lebende Verwandtschaft solle dabei ums Leben gekommen sein. Seine Ehefrau sei mit den Kindern nach Pakistan geflohen und habe dort in einem Dorf gelebt, das im Oktober 2005 durch ein Erdbeben zerstört worden sei. Seitdem habe er von ihnen kein Lebenszeichen mehr erhalten. Zudem träten bei ihm seit seiner Kindheit drei- bis viermal monatlich epileptische Anfälle auf, die sowohl ärztliche Behandlung als auch teure Medikamente erforderten. Außerdem leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
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Mit Bescheid vom 29. Mai 2006 widerrief das Bundesamt gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG den zuerkannten Abschiebungsschutz und stellte fest, dass sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 6 AufenthG ebenfalls nicht vorliegen. Zumindest im Raum Kabul sei die Sicherheits- und Versorgungslage nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Im Hinblick auf die persönliche Lebenssituation des Klägers als alleinstehender männlicher Erwachsener sei davon auszugehen, dass er im Kabuler Raum eine vergleichsweise stabile Existenzgrundlage finden werde. Er gehöre nicht zu den Personen, die aufgrund ihrer individuellen Situation besonders schutzbedürftig seien. Auch seine epileptischen Anfälle könnten in Kabul ebenso wie seine posttraumatische Belastungsstörung behandelt werden.
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Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im September 2007 abgewiesen. Der Widerruf sei zu Recht erfolgt, weil im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Abschiebungsverbot nach der jetzt maßgeblichen Nachfolgevorschrift zu § 53 Abs. 6 AuslG, dem § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nicht bestehe. Auch das in Umsetzung von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie nunmehr neu eingeführte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liege im Falle des Klägers nicht vor. Ebenso wenig bestünden sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes brauche der Kläger eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban nicht mehr zu befürchten. Dass in der Provinz Paktia die Taliban wieder erstarkt und aktiv seien, sei unerheblich, weil der Kläger sich im Raum Kabul niederlassen könne. Dort sei auch eine Behandlung seiner Erkrankungen möglich. Für den Großraum Kabul könne ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führe, nicht angenommen werden.
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Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 11. Dezember 2008 das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2006 aufgehoben, soweit die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG widerrufen worden ist, und das Bundesamt verpflichtet, in Bezug auf Afghanistan das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG festzustellen. Für den Kläger lägen in Bezug auf Afghanistan die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor. Dabei sei nach der zwischenzeitlichen Rechtsänderung durch Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28. August 2007 aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes vorrangig auf das neu eingefügte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG abzustellen. Die Voraussetzungen für ein solches Abschiebungsverbot lägen vor. In der Heimatregion des Klägers, der Provinz Paktia, herrsche derzeit ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Form von Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zwischen der afghanischen Regierungsarmee/ISAF/NATO einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt erfordere keine landesweite Konfliktsituation, sondern liege schon dann vor, wenn seine Voraussetzungen nur in einem Teil des Staatsgebietes erfüllt seien. Die Provinz Paktia liege im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel und werde von Hilfsorganisationen und ausländischen Militärs inzwischen als eine der gefährlichsten Gegenden der Welt beschrieben. Die Taliban gewönnen im gesamten Südosten Afghanistans wieder an Stärke und betrachteten Paktia als Rückzugs- und Transitraum. Der Gouverneur der Provinz sei am 10. September 2006 von den Taliban ermordet worden, die während der Beerdigung noch ein Selbstmordattentat verübt hätten. Die Infiltration der Guerilla über die nahe pakistanische Grenze habe rapide zugenommen. In diesem paschtunisch geprägten Gebiet fänden vermehrt Überfälle und Selbstmordattentate der "Fundis der Neo-Taliban" statt. Der Verwaltungsgerichtshof stützt sich dabei auf ein Gutachten von Dr. D. vom Dezember 2006, einen Bericht von Amnesty International vom Januar 2007 sowie den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom März 2008 über den Anstieg gewaltsamer Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte im Süden und Südosten Afghanistans.
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Von diesem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt gingen für eine Vielzahl von Zivilpersonen Gefahren aus, die sich in der Person des Klägers im Falle seiner Rückkehr so verdichten würden, dass sie für ihn als Angehörigen der Zivilbevölkerung eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Form von Bestrafung und/oder Zwangsrekrutierung durch die Taliban begründen würden, zumal zu seinen Gunsten im Sinne einer Beweislastumkehr der herabgemilderte Prognosemaßstab gemäß Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie heranzuziehen sei: Es sei nämlich davon auszugehen, dass der Kläger im Februar 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung und/oder Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf geflüchtet sei. Die Schilderung des Klägers decke sich mit der Beschreibung der Zwangsrekrutierungspraktiken der Taliban in den Erkenntnismitteln des Bundesamts. Deshalb könne seinen Angaben auch nach Auffassung des Senats geglaubt werden. Es sprächen keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass er bei einer Rückkehr wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder einer Zwangsrekrutierung durch die mit großem Rückhalt der dortigen Bevölkerung agierenden Taliban bedroht würde. Da die dem Kläger infolge des bewaffneten Konflikts drohende Gefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den für seine Ausreise maßgeblichen Gründen stehe, sei die Anwendung der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt.
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Der Kläger könne schließlich nicht auf einen internen Schutz in einem anderen Teil Afghanistans verwiesen werden. Denn in anderen Landesteilen, insbesondere in dem wohl allein hier infrage kommenden Bereich der Hauptstadt Kabul, könne der aus der ländlichen Provinz stammende, ungelernte, kranke und seit knapp acht Jahren in Deutschland lebende Kläger angesichts der angespannten Arbeitsmarktsituation und der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage sein Existenzminimum nicht sichern. Er verfüge in Kabul über keinerlei familiäres oder soziales Netzwerk oder über Ortskenntnisse. Zu den allgemeinen schwierigen Lebensbedingungen komme hinzu, dass er wegen seiner nachgewiesenen Epilepsie-Erkrankung zusätzlich gesundheitlich gefährdet und deshalb auch nur als sehr eingeschränkt arbeitsfähig anzusehen sei. In diesem Fall seien daher auch nach den vom Senat bisher zu Grunde gelegten strengen Maßstäben sogar die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach nationalem Recht in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch deshalb sei der angefochtene Widerrufsbescheid aufzuheben.
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Die Beklagte wendet sich mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision nicht gegen die Aufhebung des Widerrufs des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur noch gegen die Verpflichtung zur zusätzlichen Feststellung eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Sie macht geltend, es sei bereits fraglich, ob der Verwaltungsgerichtshof ordnungsgemäß nach den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts festgestellt habe. Jedenfalls habe er keine hinreichend nachvollziehbaren Feststellungen dazu getroffen, warum gerade der Kläger aufgrund dieses Konflikts in eine Gefahr für Leib oder Leben geraten solle. Es sei weder festgestellt noch ersichtlich, dass der Kläger etwa einer Personengruppe angehöre, die aufgrund ihrer Stellung und Funktion besonderen Verfolgungsrisiken seitens fanatischer Islamisten ausgesetzt sein könnte. Er gehöre auch keiner religiösen oder ethnischen Minderheit an. Er sei vielmehr ein einfacher Bauer, der Afghanistan wegen seiner damaligen Befürchtung, zwangsrekrutiert zu werden, schon vor über acht Jahren verlassen habe. Dass genau diese Gefahr heute noch bestehen solle, nachdem der Kläger mit 36 Jahren zwar noch im wehrfähigen Alter, aber nach allen Feststellungen ein kranker Mann sei, sei nicht nachvollziehbar. Die Anwendung von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie sei rechtsfehlerhaft, weil die frühere und die etwaige künftige Gefahr nicht gleichartig seien. Von einer derartig hohen Gefahr, dass jedenfalls in der Provinz Paktia praktisch jeder überall und jederzeit einer Gefahr für Leib oder gar Leben ausgesetzt wäre, könne nach den Darstellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht gesprochen werden. Außerdem rügt die Beklagte in der Revisionsverhandlung zusätzlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Verwaltungsgerichtshof. Dieser habe über das erst in der Berufungsverhandlung vom Hilfsantrag zum Hauptantrag aufgewertete Begehren auf Feststellung des neuen gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden, ohne der in der Berufungsverhandlung nicht anwesenden Beklagten Gelegenheit zum Tatsachen- und Rechtsvortrag hierzu zu geben.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und ist der Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof habe zwar zutreffend einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Süden und Osten Afghanistans angenommen, er habe aber keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, dass dem Kläger eine individuelle erhebliche Gefahr infolge willkürlicher Gewalt drohe. Er habe insoweit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie rechtsfehlerhaft angewandt. Insbesondere habe er nicht geprüft, ob stichhaltige Gründe dagegen sprächen, dass der Kläger heute noch eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban zu befürchten hätte. Hierzu hätte aber unter anderem angesichts des Alters und des Gesundheitszustandes des Klägers sowie der veränderten politischen Verhältnisse in Afghanistan Anlass bestanden. Das Berufungsgericht habe auch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu den allgemeinen Konfliktgefahren wie etwa den Auswirkungen von Kampfhandlungen, Minen oder Bombardierungen für die Zivilbevölkerung im Herkunftsgebiet des Klägers getroffen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten, die sich nicht gegen die Aufhebung des Widerrufsbescheides durch das Berufungsgericht, sondern nur gegen die zusätzliche Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG richtet, ist begründet. Zwar ist die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge unzulässig (1.), die Rüge der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat indes Erfolg (2.). Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung bejaht, die mit Bundesrecht nicht in vollem Umfang vereinbar ist. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht, wie nach § 139 Abs. 3 VwGO erforderlich, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist geltend gemacht worden ist. Die Einhaltung dieser Frist war entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Im Übrigen fehlt es an der schlüssigen Darlegung der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn die Beklagte zeigt nicht auf, welches entscheidungserhebliche Vorbringen ihr durch die Heraufstufung des bisherigen Hilfsantrags des Klägers zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zum (weiteren) Hauptantrag in der Berufungsverhandlung abgeschnitten worden ist. Ihre Einwände gegenüber dem Begehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hätte sie schon angesichts des entsprechenden Hilfsantrags vorbringen können und müssen.
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2. Die Revision rügt dagegen zu Recht, dass die Berufungsentscheidung, soweit sie sich auf das Verpflichtungsbegehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bezieht, mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.
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a) Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof allerdings davon ausgegangen, dass der (weitere) Hauptantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zulässig ist. Zwar hat die Beklagte in der angefochtenen Widerrufsentscheidung vom 29. Mai 2006 nur das Vorliegen der seinerzeit geltenden ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 3 bis 6 AufenthG a.F. verneint. Dies hindert aber nicht, die mit Wirkung vom 28. August 2007 in das Aufenthaltsgesetz aufgenommenen neuen unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG, auf die sich der Kläger von Anfang an auch berufen hat, in das vorliegende gerichtliche Verfahren einzubeziehen. Diese Abschiebungsverbote beruhen auf Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - und sind durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz - in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden. Sie bilden nach der Rechtsprechung des Senats einen eigenständigen, vorrangig vor den verbleibenden nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. Urteile vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 9 und vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 ff.). Ob und unter welchen Voraussetzungen dieser neue Streitgegenstand - ebenso wie in asylrechtlichen Antragsverfahren - auch in Widerrufsfällen hinsichtlich des subsidiären Schutzes nach § 73 Abs. 3 AsylVfG mit Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes am 28. August 2007 im gerichtlichen Verfahren kraft Gesetzes angewachsen ist, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls dann, wenn das Bundesamt in dem Widerrufsbescheid - wie hier - über sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote sachlich entschieden hat, kann der Kläger die neuen, auf der Richtlinie beruhende subsidiären Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtliche Verfahren einbeziehen. Insoweit bedarf es nicht eines erneuten Antrags beim Bundesamt und der Durchführung eines vorherigen Verwaltungsverfahrens. Damit wird auch der den Asylprozess beherrschenden Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime Rechnung getragen, nach der am Ende eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich geklärt sein soll, ob und welchen (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsschutz der Kläger zu diesem Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) genießt.
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Der Zulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entgegen, dass das Berufungsgericht dem ersten Hauptantrag des Klägers (auf Aufhebung des Widerrufs der Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots) entsprochen hat und damit zu Gunsten des Klägers weiterhin ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht (jetzt nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) besteht. Denn ebenso wie der Ausländer im Antragsverfahren verlangen kann, dass vorrangig über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden wird, und die Feststellung eines nachrangigen Abschiebungsverbots nach nationalem Recht einer solchen Entscheidung nicht entgegensteht, kann er auch im Widerrufsverfahren eine Klärung seiner vorrangigen Ansprüche in Bezug auf die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote erstreiten. Er muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass ihm bereits ein nachrangiges Abschiebungsverbot nach nationalem Recht zusteht. Der Kläger konnte daher sein Begehren auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots neben seinem Antrag auf Aufhebung des Widerrufsbescheides in zulässiger Weise zum Gegenstand eines (weiteren) Hauptantrags machen.
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Das danach zulässige Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist auch nicht deshalb unzulässig geworden, weil das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer solchen Feststellung im Lauf des Revisionsverfahrens entfallen wäre. Zwar ist dem Kläger - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach rechtskräftig gewordener Aufhebung des Widerrufs des Abschiebungsverbots nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990/§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das Berufungsurteil inzwischen von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt worden. Dies führt indes nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses an der Zuerkennung eines unionsrechtlich begründeten subsidiären Abschiebungsverbots. Denn die mit dem subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie verbundenen Rechte erschöpfen sich nicht in der Erteilung einer (befristeten) Aufenthaltserlaubnis, sondern können sich auch sonst in vielfältiger Weise zu Gunsten des Klägers auswirken (vgl. Art. 20 ff. der Richtlinie). Zudem würde es dem Sinn und Zweck der Richtlinie, die von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Art. 18 der Richtlinie) ausgeht, widersprechen, wenn dem Kläger mit Rücksicht auf einen nach nationalem Recht erteilten befristeten Aufenthaltstitel eine Entscheidung über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots versagt würde.
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b) Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Bezug auf Afghanistan vorliegen, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz teilweise geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17, 36 und vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 11) und ist in diesem Sinne auszulegen.
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Das Berufungsgericht hat zwar das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers zutreffend bejaht (aa). Seine Auffassung, dass der Kläger im Rahmen dieses Konflikts einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, ist aber mit den rechtlichen Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht in vollem Umfang vereinbar. Insbesondere reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht für die Annahme aus, dass dem Kläger wegen eines vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugute kommt (bb). Außerdem fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass die Situation in der Herkunftsregion des Klägers durch einen so hohen Grad willkürlicher Gewalt gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre oder zumindest der Kläger als Zivilperson aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände in dieser Weise individuell bedroht wäre (cc).
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aa) Bei der Prüfung des Vorliegens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist der Verwaltungsgerichtshof von den im Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) entwickelten Grundsätzen ausgegangen und hat den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht ausgelegt, insbesondere in den vier Genfer Konventionen vom 12. August 1949 einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - hier einschlägig: Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - Zusatzprotokoll II - ZP II - (BGBl 1990 II S. 1550 <1637>). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. An diesem Ansatz hält der Senat auch angesichts des inzwischen ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji, ABl EU 2009, Nr. C 90, 4) fest, das sich mit diesem Tatbestandsmerkmal nicht näher befasst hat. Auch soweit die Gerichte des Vereinigten Königreichs in ihrer neueren Rechtsprechung eine eigenständige Auslegung der Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein nach dessen Sinn und Zweck befürworten (Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620), gibt dies aus Sicht des Senats keinen Anlass, bei der Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts von dem bisherigen Ansatz abzurücken.
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Der Ansatz des Senats sieht, wie sich aus den Ausführungen im Urteil vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) im Einzelnen ergibt, keineswegs eine bedingungslose Übernahme der Anforderungen des Art. 1 ZP II vor, sondern zielt auf eine Orientierung an diesen Kriterien, wobei daneben oder ergänzend auch die Auslegung dieses Begriffs im Völkerstrafrecht berücksichtigt werden kann (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 23). Die Orientierung am humanitären Völkerrecht bedeutet danach, dass einerseits - am unteren Rand der Skala - Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gelten (Art. 1 Abs. 2 ZP II) und andererseits - am oberen Rand der Skala - jedenfalls dann ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die Kriterien des Art. 1 Abs. 1 ZP II erfüllt sind, d.h. wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll (ZP II) anzuwenden vermögen. Für zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegende Konflikte ist die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht von vornherein ausgeschlossen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Wie der Senat ausdrücklich hervorgehoben hat, findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht sind, entgegensteht. Mit Blick auf diesen Zweck setzt nach Auffassung des Senats das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZP II; im Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 22 noch offengelassen). Vielmehr kann es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben muss. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Vorliegen eines dieser Merkmale bei der Gesamtwürdigung nicht als Indiz für die Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts von Bedeutung sein kann.
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Zusammenfassend betrachtet ist damit dem von der neueren britischen Rechtsprechung betonten Anliegen, die unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes nach der Qualifikationsrichtlinie andererseits zu beachten, hinreichend Rechnung getragen, ohne dass das Merkmal des bewaffneten Konflikts völlig losgelöst vom bisherigen Verständnis desselben Begriffs im humanitären Völkerrecht interpretiert und damit konturenlos und - entgegen dem Wortlaut der Vorschrift - praktisch entbehrlich würde.
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Gemessen an diesen Kriterien reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers, der Provinz Paktia, aus. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil finden im Osten und Süden Afghanistans zwischen den Truppen der ISAF/NATO und der afghanischen Armee einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits bürgerkriegsähnliche bewaffnete Auseinandersetzungen statt. Dies betreffe auch die im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel gelegene Provinz Paktia. Auch diese Region werde von den zunehmenden Kämpfen gegen die Taliban erfasst, deren Angriffe kriegsähnliche Dimensionen annähmen. Dies entspreche auch dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, wonach seit Frühjahr 2007 vor allem im Süden und Osten des Landes ein Anstieg der gewaltsamen Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte zu verzeichnen sei (UA S. 19 ff.). Diese Feststellungen sind jedenfalls mit Blick auf den Bericht des Auswärtigen Amtes noch ausreichend aktuell, um den Schluss auf einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Herkunftsregion des Klägers zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung zu rechtfertigen. Dass der Verwaltungsgerichtshof zum Organisationsgrad der Taliban keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat, ist nach den oben dargestellten Auslegungsmaßstäben unschädlich, da angesichts der festgestellten militärischen Stärke und "Erfolge" der Taliban in Teilen Afghanistans keine Zweifel am Vorliegen eines ausreichend intensiven und dauerhaften bewaffneten Konflikts bestehen. Vom Vorliegen eines nichtinternationalen bewaffneten Konflikts im Sinne des Völkerstrafrechts geht im Übrigen auch der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof für die Auseinandersetzungen zwischen den aufständischen Taliban und der afghanischen Regierung sowie der ISAF in Afghanistan aus (Presseerklärung vom 19. April 2010 Nr. 8/2010; vgl. hierzu auch Ambos, NJW 2010, 1725).
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bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger bei einer Rückkehr als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben (einschließlich körperlicher Unversehrtheit) infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat dies unter Anwendung der Beweiserleichterung nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie bejaht. Es ist davon ausgegangen, dass der Kläger 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung oder/und Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf in der Provinz Paktia geflüchtet ist und keine stichhaltigen Gründe dagegensprechen, dass er bei einer Rückkehr dorthin wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder jedenfalls wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der paschtunischen Männer im wehrfähigen Alter von einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban bedroht würde. Da die den Kläger infolge des bewaffneten Konflikts bedrohende Leib- und Lebensgefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den zu seiner Ausreise führenden Gründen stehe, sei die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt (UA S. 23 f.). Die so begründete Anwendung der Beweiserleichterung im Rahmen des subsidiären Schutzes ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
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(1) Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen gesetzlichen Vermutung gilt sowohl für den Flüchtlingsschutz als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie (vgl. auch § 60 Abs. 11 AufenthG). Sie setzt für den subsidiären Schutz voraus, dass der Antragsteller im Herkunftsstaat bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war (Vorschädigung). Was unter einem ernsthaften Schaden im Sinne der Richtlinie zu verstehen ist, ist in Art. 15 Buchst. a bis c der Richtlinie definiert.
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Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigen schon nicht den Schluss, dass der Kläger vor seiner Ausreise unmittelbar von einem ernsthaften Schaden in diesem Sinne bedroht war und damit die Voraussetzungen für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie überhaupt vorliegen. Dass der Kläger als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Art. 15 Buchst. c der Richtlinie) ausgesetzt war, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Insofern fehlt es für den Zeitraum vor der Ausreise des Klägers sowohl an Feststellungen zum Vorliegen eines bewaffneten Konflikts in der Heimatprovinz des Klägers als auch an jeglichen Feststellungen zum Niveau willkürlicher Gewalt und ihren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Ferner fehlt es an Feststellungen zum Bestehen einer Gefahr für Leib oder Leben des Klägers als Zivilperson.
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Auch wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass der vor der Ausreise erlittene oder unmittelbar drohende Schaden nicht notwendig ein solcher im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie sein muss, sondern auch ein Schaden nach den anderen Alternativen dieser Vorschrift sein kann - jedenfalls sofern ein innerer Zusammenhang mit dem aktuell drohenden Schaden besteht - , reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines dem Kläger vor der Ausreise unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens nach den anderen Alternativen des Art. 15 der Richtlinie nicht aus. Der Sache nach käme vorliegend nur ein Schaden im Sinne von Art. 15 Buchst. b der Richtlinie, also eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, wegen der vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen, im Jahr 2001 drohenden Zwangsrekrutierung des Klägers seitens der Taliban oder einer damit zusammenhängenden Bestrafung in Betracht. Die Feststellungen im Berufungsurteil über die Umstände der Zwangsrekrutierung reichen indes für die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK nicht aus. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger damals eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban drohte, und hat auch die näheren Umstände einer derartigen Rekrutierung (willkürlich, nach Gutdünken, ohne Rechtsgrundlage, Abtransport ohne Umstände in Militärfahrzeugen) festgestellt (UA S. 23), er hat aber keine Ausführungen dazu gemacht, dass und inwiefern darin oder in einer eventuellen Bestrafung im Falle der Verweigerung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu sehen ist. Die Zwangsrekrutierung zum Kriegsdienst stellt als solche ebenso wie die Tötung oder Verletzung im Krieg nicht ohne Weiteres eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in diesem Sinne dar. Zur Art und Weise einer Bestrafung enthält das Urteil ebenfalls keinerlei Feststellungen. Auch die Bezugnahme des Verwaltungsgerichtshofs auf die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990 durch den bestandskräftig gewordenen Bescheid des Bundesamts vom 18. Juli 2001 genügt insoweit nicht. Dieser betraf nicht die Zuerkennung von Abschiebungsschutz wegen Verletzung von Art. 3 EMRK (damals nach § 53 Abs. 4 AuslG 1990), sondern von nationalem subsidiären Abschiebungsschutz wegen sonstiger Gefahren. Dabei wurde auf die akute Gefahr für Leib und Leben durch den unvorbereiteten Einsatz in der Armee bei heftig geführten Kämpfen abgestellt und damit auf eine Gefahr, die als solche keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellt.
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Da es an ausreichenden Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger vor der Ausreise von einem ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie unmittelbar bedroht war, besteht schon keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Anwendung der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie. Auf die Frage des Zusammenhangs zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem aktuell drohenden Schaden sowie auf die Frage, ob stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Kläger erneut von einem solchen Schaden bedroht wird, kommt es daher nicht mehr an.
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Der Senat bemerkt allerdings, dass für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie nicht nur im Rahmen des Flüchtlingsschutzes sondern auch im Rahmen des subsidiären Schutzes erforderlich ist, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auch auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (vgl. auch Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - Rn. 21 zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie erstreckt. Dabei erscheint es nicht ausgeschlossen, dass etwa ein erlittener Eingriff in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 15 Buchst. b der Richtlinie durch eine der Konfliktparteien eines später entstandenen bewaffneten Konflikts, sofern nicht ohnehin eine Schutzgewährung nach dieser Alternative des Art. 15 der Richtlinie geboten ist, auch als ernsthafter Hinweis auf einen persönlichen gefahrerhöhenden Umstand im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie angesehen werden kann, der geeignet ist, schon bei einem nicht extrem hohen Niveau willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts eine erhebliche individuelle Bedrohung der betroffenen Zivilperson an Leib oder Leben anzunehmen. Dagegen dürfte sich die Vermutungswirkung insoweit nicht etwa auf das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts oder auf ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt gegen die Zivilbevölkerung erstrecken (vgl. hierzu unten (2)).
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(2) Für die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre. Das in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie genannte Merkmal der Bedrohung "infolge willkürlicher Gewalt" ist auch in der nationalen Umsetzungsvorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sinngemäß enthalten (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 36). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji a.a.O.) das Erfordernis einer ernsthaften individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie dahingehend ausgelegt, dass es sich auf schädigende Eingriffe beziehe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richteten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der Richtlinie ausgesetzt zu sein (Rn. 35). Mit Blick auf den 26. Erwägungsgrund und die Systematik des Art. 15 der Richtlinie bleibe dies allerdings einer außergewöhnlichen Situation vorbehalten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sei, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre (Rn. 36, 37). Dies sei dahin zu präzisieren, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei (Rn. 39).
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Aus diesem Verständnis der Vorschrift, das nach Auffassung des Senats der Sache nach den Ausführungen in seinem Urteil vom 24. Juni 2008 entspricht (vgl. Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 15), folgt, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Senats auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Insoweit können auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (vgl. Beschluss vom 7. August 2008 - BVerwG 10 B 39.08 - juris Rn. 4 unter Hinweis auf das Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 35; ebenso das britische AIT, Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22./23. Juli 2009, Afghanistan CG <2009> UKAIT 00044, Rn. 124 ff.).
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Hierbei ist nach den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 (Elgafaji) davon auszugehen, dass nicht nur solche Gewaltakte zu berücksichtigen sind, die die Regeln des humanitären Völkerrechts verletzen (vgl. zu dieser Auffassung auch Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 37), sondern auch andere Gewaltakte, die nicht zielgerichtet gegen bestimmte Personen oder Personengruppen, sondern wahllos ausgeübt werden und sich auf Zivilpersonen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 34). Angesichts der Auslegung des Begriffs der willkürlichen Gewalt durch den Gerichtshof, aber auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Schutzgewährung nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie kann dieser Vorschrift eine Beschränkung auf gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßenden Gewaltakte, zu denen etwa unvorhersehbare Kollateralschäden nicht zählen würden, nicht entnommen werden (so auch die neuere britische Rechtsprechung, Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620).
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Den vorgenannten Anforderungen an die Feststellung des Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. der Gefahrendichte genügt das Berufungsurteil nicht. So fehlt es schon an der zumindest annähernd ermittelten Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt lebenden Zivilpersonen. Auch die Feststellungen zur Größenordnung der zivilen Opfer sind nur kursorisch und beziehen sich auf einen länger zurückliegenden Zeitpunkt (UA S. 20). Auch deshalb kann die Berufungsentscheidung insoweit keinen Bestand haben.
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3. Eine abschließende Entscheidung des Senats auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist weder zu Gunsten noch zu Lasten des Klägers möglich. Insbesondere reichen, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, die Feststellungen des Berufungsgerichts über das Niveau willkürlicher Gewalt in der Herkunftsregion des Klägers in keinem Fall aus, um unabhängig von einer etwaigen zusätzlichen Bedrohung aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände eine individuelle Betroffenheit des Klägers im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein aufgrund seiner Anwesenheit in diesem Gebiet zu bejahen.
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Das Verfahren ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der erneuten Prüfung wird es gegebenenfalls auch die Gelegenheit haben, auf die von der Revision und dem Vertreter des Bundesinteresses in den Vordergrund gestellte Frage einzugehen, ob die inzwischen bekannt gewordene Erkrankung des Klägers an Epilepsie und sein aktueller Gesundheitszustand der Gefahr einer Zwangsrekrutierung entgegensteht.
Tatbestand
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Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.
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Der 1972 geborene Kläger wurde im November 2004 in M. aufgegriffen und beantragte daraufhin Asyl. Zur Begründung gab der Kläger an, er habe sich am bewaffneten Kampf der PKK beteiligt. Im Juni 1991 sei er festgenommen und einen Monat lang von türkischen Sicherheitskräften unter Folter verhört worden. Nach seiner Verurteilung zu zwölfeinhalb Jahren Haft sei er bis Dezember 2000 weiter im Gefängnis gewesen und dann vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Anschließend habe er sich erneut der PKK angeschlossen. Später habe er an deren politischer Linie gezweifelt und sich im Juli 2004 von der PKK getrennt. In der Türkei sei sein Leben trotz des Reuegesetzes gefährdet gewesen, da er keinen Wehrdienst abgeleistet und deswegen gesucht worden sei. Zudem hätten die Sicherheitskräfte erfahren, dass er sich nach seiner Entlassung aus der Haft wieder der PKK angeschlossen habe.
- 3
-
Der Kläger hat dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) unter anderem die Kopie eines Urteils des Staatssicherheitsgerichts D. vom 24. Januar 1992 übergeben, wonach er u.a. wegen "Mitgliedschaft in der illegalen Organisation PKK" gemäß § 168/2 tStGB zu einer Haftstrafe von 12 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist. Das Auswärtige Amt bestätigte die Echtheit der Urkunden und teilte mit, dass nach dem Kläger in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der PKK gefahndet werde. Sein Bruder habe ausgesagt, dass der Kläger sich nach der Entlassung aus der Strafhaft wieder der PKK angeschlossen habe. Außerdem sei bekannt, dass er sich in einem Ausbildungscamp im Iran aufgehalten habe. Würde er wegen Mitgliedschaft in der PKK zu einer Haftstrafe verurteilt, würde zusätzlich die auf Bewährung ausgesetzte Reststrafe vollstreckt werden.
- 4
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Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Der Asylantrag sei gemäß § 30 Abs. 4 AsylVfG offensichtlich unbegründet, da der Kläger eine schwere nichtpolitische Straftat begangen und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt habe. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor.
- 5
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Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter nicht weiter verfolgt. Mit Urteil vom 22. November 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtet. Im Berufungsverfahren hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, der Kläger sei im Bundesgebiet für die Nachfolgeorganisation der PKK, den KONGRA-GEL aktiv und habe im Januar 2005 an einer Aktivistenversammlung in N. teilgenommen. Er habe im Jahr 2006 als Leiter des KONGRA-GEL in Offenbach fungiert und ab diesem Zeitpunkt eine Kontrollfunktion innerhalb des KONGRA-GEL in A. ausgeübt. Der Kläger hat das bestritten.
- 6
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Mit Urteil vom 21. Oktober 2008 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger nach Rückkehr in die Türkei gemäß § 314 Abs. 2 tStGB 2005 zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests widerrufen würde. Auch wenn dies politische Verfolgung darstellen sollte, stünde § 3 Abs. 2 AsylVfG der Flüchtlingsanerkennung entgegen. Die terroristischen Taten der PKK seien als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen, stellten schwere nichtpolitische Straftaten dar und stünden in Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen. Der Kläger habe sich daran zumindest "in sonstiger Weise" beteiligt. Selbst wenn für das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 3 Abs. 2 AsylVfG von dem Ausländer weiterhin eine Gefahr ausgehen müsse, sei das beim Kläger der Fall. Denn er habe sich weder äußerlich von der PKK abgewandt noch innerlich von seiner früheren Verstrickung in den Terror gelöst. Dahinstehen könne, ob § 3 Abs. 2 AsylVfG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetze, denn der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung bedeute keine unbillige Härte für den Kläger.
- 7
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Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Die Todesstrafe sei in der Türkei vollständig abgeschafft. Wegen der dem Kläger in der Türkei drohenden langjährigen Haftstrafe sei ausgeschlossen, dass er im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt sei. Ein Abschiebungsverbot ergebe sich auch nicht aus § 60 Abs. 2 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Zwar greife zugunsten des Klägers, der im Anschluss an seine Festnahme im Juni 1991 Folter erlitten habe, die Beweiserleichterung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Dennoch sprächen aufgrund der Angaben des Auswärtigen Amtes sowie türkischer Menschenrechtsorganisationen stichhaltige Gründe dagegen, dass er bis zum Abschluss des Strafverfahrens Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten habe. Misshandlungen durch türkische Sicherheitskräfte lägen ganz überwiegend Fälle zugrunde, in denen sich der Betroffene nicht offiziell in Gewahrsam befunden habe; das wäre beim Kläger jedoch der Fall. Angesichts bereits vorhandener Beweise bestünde auch keine Notwendigkeit, durch Folter ein Geständnis zu erzwingen. Schließlich lebten in seiner Heimat zahlreiche Personen, die sich seiner annehmen und ihm bereits bei seiner Ankunft anwaltlichen Beistand verschaffen könnten. Zudem würden die PKK oder andere prokurdische Organisationen das Schicksal des Klägers verfolgen und etwaige Übergriffe auf seine Person publik machen. Ein Schutz durch "Herstellen von Öffentlichkeit" lasse sich zwar nicht während der gesamten Dauer der Strafhaft gewährleisten. Aber auch für diese Zeitspanne sprächen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger, der in einem Gefängnis des Typs F untergebracht würde, Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein würde, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen könnten. Dahinstehen könne, ob das auch für unter dieser Schwelle liegende Maßnahmen gelte, denn derartige Umstände stünden einer Abschiebung des Klägers in die Türkei als Unterzeichnerstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 3 EMRK stehe bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat dessen eigene Verantwortung für die Einhaltung der Konventionsrechte im Vordergrund. Eine Mitverantwortung des abschiebenden Landes bestehe nur, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohten und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht rechtzeitig zu erreichen sei. Diese Voraussetzungen lägen angesichts der Verhältnisse in der Türkei nicht vor. Da sich Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG an Art. 3 EMRK orientiere, beanspruchten diese Grundsätze auch im Rahmen des § 60 Abs. 2 AufenthG Geltung. Stünden im Herkunftsland ausreichende und effektive Möglichkeiten zur Abwehr drohender Gefahren zur Verfügung, benötige der Betreffende keinen internationalen Schutz. Auch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG greife nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision - beschränkt auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 AufenthG - zugelassen.
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Mit der Revision rügt der Kläger vor allem eine Verletzung des § 60 Abs. 2 AufenthG. Das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Quellen selektiv ausgewertet und zu Lasten des Klägers ohne Aufklärung unterstellt, dass seine Familie einen Rechtsanwalt besorgen könne und die Nachfolgeorganisationen der PKK für ihn Öffentlichkeitsarbeit machen würden. Angesichts der umfassenden Geltung des Art. 3 EMRK reiche die Erkenntnislage nicht aus, um ein Abschiebungshindernis auszuschließen. Insofern werde auch eine Gehörsverletzung gerügt, denn wenn das Gericht zu erkennen gegeben hätte, dass es aus tatsächlichen Gründen für den Kläger keine Gefahr einer Misshandlung sehe, hätte der Kläger dazu weiter vorgetragen und Beweisanträge gestellt. Schließlich sei die Auslegung der in Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgründe ungeklärt.
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Innerhalb der bis einschließlich 4. Juni 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist ist der Begründungsschriftsatz nicht vollständig per Fax eingegangen. Die Bevollmächtigte des Klägers hat Wiedereinsetzung beantragt und zur Begründung Probleme bei der Faxübertragung geltend gemacht.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Berufungsgerichts seien einer Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Nicht ersichtlich sei, warum der Kläger angesichts der tatsächlichen Würdigung des Berufungsgerichts nicht den Schutz seines Heimatlandes durch Anrufung türkischer Gerichte bzw. eine Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Anspruch nehmen könne.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision hat Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), da er bei der Prüfung des in § 60 Abs. 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbots diejenigen erniedrigenden Behandlungsmaßnahmen übergangen hat, die keine irreparablen oder sonst schweren körperlichen und seelischen Folgen hinterlassen. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend selbst entscheiden. Daher ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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1. Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, da seine Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Diese durfte nach mehreren nur teilweise erfolgreichen Versuchen einer Faxübertragung infolge der fernmündlich erteilten unrichtigen Auskunft des Gerichtspförtners, es seien alle Seiten angekommen, davon ausgehen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz innerhalb der Frist vollständig eingegangen sei.
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2. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Revisionszulassung auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen Streitgegenstand bzw. selbständigen Streitgegenstandsteil (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198
). Die Revisionszulassung kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (vgl. Urteil vom 1. April 1976 - BVerwG 2 C 39.73 - BVerwGE 50, 292 <295>; BGH, Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 2/04 - NJW-RR 2007, 182 <183>).
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Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens, das auf Feststellung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zielt, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz am 15. Oktober 2008 abzustellen. Deshalb sind die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) von Bedeutung, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten und die Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - berücksichtigen.
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3. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ergänzten Abschiebungsverbot, das bereits in § 53 Abs. 1 AuslG 1990 und § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685 - EMRK) enthalten war, wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM(2001) 510 endgültig S. 6, 30).
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Die Vorschriften zum subsidiären Schutz sind im Aufenthaltsgesetz insoweit "überschießend" umgesetzt worden, als die in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Varianten des ernsthaften Schadens in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet worden sind. Denn die in Art. 17 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausschlussgründe greifen nach nationalem Recht gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erst auf einer nachgelagerten Ebene als Versagungsgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Daher kommt es entgegen der Annahme der Revision auf die Interpretation der Ausschlussgründe gemäß Art. 17 der Richtlinie im vorliegenden Fall nicht an.
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Bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG ist der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83 S. 389 - GR-Charta) als verbindlicher Teil des primären Unionsrechts (Art. 6 Abs. 1 EUV) zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Die Vorschrift gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch diese Bestimmung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen.
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a) Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Prüfung des § 60 Abs. 2 AufenthG in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Kläger vor seiner Ausreise in der Türkei gefoltert worden ist. Dennoch hat das Berufungsgericht seiner Prognose den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht den sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinreichender Sicherheit zugrunde gelegt. Es hat aber zugunsten des Klägers die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltene Beweiserleichterung angewendet (UA Rn. 90). Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
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Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
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Diese Vorschrift greift sowohl bei der Entscheidung über die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz für einen Vorverfolgten (bzw. von Verfolgung unmittelbar Bedrohten) als auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes zugunsten desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. davon unmittelbar bedroht war. In beiden Varianten des internationalen Schutzes privilegiert sie den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Das ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind.
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Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 - BVerfGE 54, 341 <360 f.>; dem folgend Urteil vom 31. März 1981 - BVerwG 9 C 237.80 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27; stRspr). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97 <101 ff.>), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (Urteil vom 27. April 1982 - BVerwG 9 C 308.81 - BVerwGE 65, 250 <252>). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - a.a.O. S. 99). Diese zum Asylgrundrecht entwickelte Rechtsprechung (zusammenfassend Urteile vom 25. September 1984 - BVerwG 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169 <170 f.> und vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>) wurde auf den Flüchtlingsschutz (Abschiebungsschutz aus politischen Gründen) gemäß § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (Urteil vom 3. November 1992 - BVerwG 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 150 <154 f.>), nicht jedoch auf die Abschiebungsverbote des § 53 AuslG 1990 übertragen (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <330> zu § 53 Abs. 6 AuslG und vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 134.95 - InfAuslR 1996, 289 zu § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK).
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Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4: Zum einen wird ihr Anwendungsbereich über den Flüchtlingsschutz hinaus auf alle Tatbestände des unionsrechtlich geregelten subsidiären Schutzes ausgeweitet. Sie erfasst demzufolge auch das im vorliegenden Fall zu prüfende Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG. Zum anderen bleibt der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 84 ff. zum Widerruf der Flüchtlingsanerkennung). Der in dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330
); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 stRspr).
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Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 92 ff.). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. Rn. 128 m.w.N.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG kann im Einzelfall selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde. Dieser Maßstab hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung (mehr).
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b) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger während der Strafhaft erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein wird, den Maßstab des § 60 Abs. 2 AufenthG auf diejenigen tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen verengt, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen können, zur Verursachung bleibender Schäden geeignet oder aus sonstigen Gründen als gravierend anzusehen sind (UA Rn. 106). Erniedrigende Behandlungsmaßnahmen im Sinne des Art. 3 EMRK, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen, hat es bei der Prognoseerstellung ausdrücklich nicht geprüft (UA Rn. 111). Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof die eigene Verantwortung der Türkei als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention betont und daraus gefolgert, dass sich der Kläger darauf verweisen lassen müsse, seine Rechte gegen diese Arten von Konventionsverletzungen in der Türkei und von der Türkei aus selbst zu verfolgen (UA Rn. 112). Diese Annahme verletzt Bundesrecht.
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Die Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG hat sich nach den unionsrechtlichen Vorgaben - wie oben bereits ausgeführt - an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK zu orientieren. Dieser betont in seinen Entscheidungen zur Verantwortlichkeit eines Vertragsstaates für die mittelbaren Folgen einer Abschiebung, wenn dem Betroffenen im Zielstaat Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, immer wieder den absoluten und ausnahmslosen Schutz des Art. 3 EMRK (EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering - NJW 1990, 2183
; vom 15. November 1996 - Nr. 70/1995/576/662, Chahal - NVwZ 1997, 1093 und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. ). Damit erweist es sich als unvereinbar, den Schutzbereich des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG zu verengen, und bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat der Konvention erniedrigende Behandlungsmaßnahmen von vornherein auszunehmen, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen. Sonst käme Rechtsschutz durch türkische Gerichte oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu spät und könnte eine bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht ungeschehen machen. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG gilt mithin uneingeschränkt auch bei der Abschiebung in einen Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention.
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Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich für seine Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 (nunmehr: § 60 Abs. 5 AufenthG) i.V.m. Art. 3 EMRK. Der damals für die Feststellung von Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt zuständige 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat entschieden, dass eine Mitverantwortung des abschiebenden Vertragsstaates, den menschenrechtlichen Mindeststandard in einem anderen Signatarstaat als Zielstaat der Abschiebung zu wahren, nur dann besteht, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist (Urteil vom 7. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 <277>). Dieser Rechtssatz schränkt jedoch nicht den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ein. Vielmehr werden - insbesondere mit Blick auf die von dem damaligen Kläger angeführten Haftbedingungen in der Türkei - nur Maßnahmen erfasst, die erst durch Zeitablauf oder Wiederholung in den Tatbestand einer erniedrigenden Behandlung und damit den Schutzbereich des Art. 3 EMRK hineinwachsen. Nur in derartigen Fällen kann der Betroffene auf Rechtsschutz im Abschiebezielstaat oder durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen werden.
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4. Das Berufungsgericht hat die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG geprüft und aus tatsächlichen Gründen abgelehnt (UA Rn. 86 f.). Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.
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5. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder zugunsten noch zulasten des Klägers abschließend entscheiden. Die Sache ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Damit bedarf es keiner Entscheidung über die Gehörsrüge. Der Senat bemerkt aber dazu, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung verstoßen hat. Denn grundsätzlich ist ein Gericht nicht verpflichtet, die abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (Beschlüsse vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 und vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52; stRspr). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. Urteil vom 10. April 1991 - BVerwG 8 C 106.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235). Dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich, da der Kläger selbst in der Berufungsbegründung zur Gefahr der Folter in der Türkei vorgetragen hatte.
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Der Verwaltungsgerichtshof wird in dem neuen Berufungsverfahren die Prognose, ob die konkrete Gefahr besteht, dass der Kläger in der Türkei der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird, auf aktueller tatsächlicher Grundlage erneut stellen müssen. Dabei besteht auch Gelegenheit, dem Vorbringen des Klägers weiter nachzugehen, dass die ihn belastende Aussage seines Bruders die Gefahr von Folter nicht ausschließe. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände im Rahmen der tatsächlichen Feststellung, ob die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG widerlegt ist, kann das Berufungsgericht auch der Tatsache Bedeutung beimessen, dass die Türkei als Abschiebezielstaat ein Vertragsstaat der Konvention ist, der sich verpflichtet hat, die darin garantierten Rechte und Grundsätze zu achten. Die Berücksichtigung dieses Umstands im Rahmen der Prognose entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (Entscheidungen vom 7. Oktober 2004 - Nr. 33743/03, Dragan - NVwZ 2005, 1043 <1045> und vom 15. Dezember 2009 - Nr. 43212/05, Kaplan -
) und ist durch Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG mit dem darin enthaltenen Kriterium ausreichender Schutzgewährleistung abgedeckt.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren nur noch um die Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie).
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Der 1972 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit. Er stammt aus der südöstlich von Kabul gelegenen Provinz Paktia. Im Februar 2001 reiste er nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, er habe Afghanistan verlassen, um sich einer erzwungenen Rekrutierung durch die Taliban zu entziehen.
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Im Juli 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - im Folgenden: Bundesamt - den Antrag auf Asyl- und Flüchtlingsanerkennung ab und verneinte das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG, stellte aber fest, dass zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hinsichtlich Afghanistans besteht. Zur Begründung führte es aus, die vom Kläger geschilderte Rekrutierung durch die Taliban könne nicht zur Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung führen, da sie nicht an asylerhebliche Merkmale anknüpfe. Sie begründe jedoch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Zwangsrekrutierungen junger Männer durch die Taliban oder die Nordallianz seien im ganzen Land üblich und drohten auch dem Kläger bei einer Rückkehr. Wenn der Kläger in die Armee gepresst und praktisch unvorbereitet in den heftig geführten Kämpfen eingesetzt werde, bestehe akute Gefahr für Leib und Leben.
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Im Februar 2006 leitete das Bundesamt hinsichtlich des zuerkannten Abschiebungshindernisses ein Widerrufsverfahren ein, weil durch den Sturz der Taliban die Gefahr der Zwangsrekrutierung für den Kläger entfallen sei. Im Rahmen der Anhörung machte dieser geltend, bei ihm lägen nach wie vor individuelle Gründe für die Gewährung von Abschiebungsschutz vor. Sein Heimatdorf in der Provinz Paktia liege nahe der pakistanischen Grenze. Dort sei auch gegenwärtig eines der Hauptoperationsgebiete der Taliban. Für ihn bestehe die Gefahr einer Bestrafung durch die Taliban, weil er sich seinerzeit der Zwangsrekrutierung entzogen habe. Auch die Gefahr der Zwangsrekrutierung bestehe weiterhin. Er wisse von keinen in Afghanistan lebenden Verwandten mehr, die ihm Schutz oder Hilfe geben könnten. Sein Heimatdorf sei bombardiert und das Familienhaus zerstört worden. Seine dort lebende Verwandtschaft solle dabei ums Leben gekommen sein. Seine Ehefrau sei mit den Kindern nach Pakistan geflohen und habe dort in einem Dorf gelebt, das im Oktober 2005 durch ein Erdbeben zerstört worden sei. Seitdem habe er von ihnen kein Lebenszeichen mehr erhalten. Zudem träten bei ihm seit seiner Kindheit drei- bis viermal monatlich epileptische Anfälle auf, die sowohl ärztliche Behandlung als auch teure Medikamente erforderten. Außerdem leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
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Mit Bescheid vom 29. Mai 2006 widerrief das Bundesamt gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG den zuerkannten Abschiebungsschutz und stellte fest, dass sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 6 AufenthG ebenfalls nicht vorliegen. Zumindest im Raum Kabul sei die Sicherheits- und Versorgungslage nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Im Hinblick auf die persönliche Lebenssituation des Klägers als alleinstehender männlicher Erwachsener sei davon auszugehen, dass er im Kabuler Raum eine vergleichsweise stabile Existenzgrundlage finden werde. Er gehöre nicht zu den Personen, die aufgrund ihrer individuellen Situation besonders schutzbedürftig seien. Auch seine epileptischen Anfälle könnten in Kabul ebenso wie seine posttraumatische Belastungsstörung behandelt werden.
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Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im September 2007 abgewiesen. Der Widerruf sei zu Recht erfolgt, weil im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Abschiebungsverbot nach der jetzt maßgeblichen Nachfolgevorschrift zu § 53 Abs. 6 AuslG, dem § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nicht bestehe. Auch das in Umsetzung von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie nunmehr neu eingeführte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liege im Falle des Klägers nicht vor. Ebenso wenig bestünden sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes brauche der Kläger eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban nicht mehr zu befürchten. Dass in der Provinz Paktia die Taliban wieder erstarkt und aktiv seien, sei unerheblich, weil der Kläger sich im Raum Kabul niederlassen könne. Dort sei auch eine Behandlung seiner Erkrankungen möglich. Für den Großraum Kabul könne ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führe, nicht angenommen werden.
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Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 11. Dezember 2008 das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2006 aufgehoben, soweit die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG widerrufen worden ist, und das Bundesamt verpflichtet, in Bezug auf Afghanistan das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG festzustellen. Für den Kläger lägen in Bezug auf Afghanistan die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor. Dabei sei nach der zwischenzeitlichen Rechtsänderung durch Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28. August 2007 aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes vorrangig auf das neu eingefügte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG abzustellen. Die Voraussetzungen für ein solches Abschiebungsverbot lägen vor. In der Heimatregion des Klägers, der Provinz Paktia, herrsche derzeit ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Form von Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zwischen der afghanischen Regierungsarmee/ISAF/NATO einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt erfordere keine landesweite Konfliktsituation, sondern liege schon dann vor, wenn seine Voraussetzungen nur in einem Teil des Staatsgebietes erfüllt seien. Die Provinz Paktia liege im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel und werde von Hilfsorganisationen und ausländischen Militärs inzwischen als eine der gefährlichsten Gegenden der Welt beschrieben. Die Taliban gewönnen im gesamten Südosten Afghanistans wieder an Stärke und betrachteten Paktia als Rückzugs- und Transitraum. Der Gouverneur der Provinz sei am 10. September 2006 von den Taliban ermordet worden, die während der Beerdigung noch ein Selbstmordattentat verübt hätten. Die Infiltration der Guerilla über die nahe pakistanische Grenze habe rapide zugenommen. In diesem paschtunisch geprägten Gebiet fänden vermehrt Überfälle und Selbstmordattentate der "Fundis der Neo-Taliban" statt. Der Verwaltungsgerichtshof stützt sich dabei auf ein Gutachten von Dr. D. vom Dezember 2006, einen Bericht von Amnesty International vom Januar 2007 sowie den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom März 2008 über den Anstieg gewaltsamer Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte im Süden und Südosten Afghanistans.
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Von diesem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt gingen für eine Vielzahl von Zivilpersonen Gefahren aus, die sich in der Person des Klägers im Falle seiner Rückkehr so verdichten würden, dass sie für ihn als Angehörigen der Zivilbevölkerung eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Form von Bestrafung und/oder Zwangsrekrutierung durch die Taliban begründen würden, zumal zu seinen Gunsten im Sinne einer Beweislastumkehr der herabgemilderte Prognosemaßstab gemäß Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie heranzuziehen sei: Es sei nämlich davon auszugehen, dass der Kläger im Februar 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung und/oder Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf geflüchtet sei. Die Schilderung des Klägers decke sich mit der Beschreibung der Zwangsrekrutierungspraktiken der Taliban in den Erkenntnismitteln des Bundesamts. Deshalb könne seinen Angaben auch nach Auffassung des Senats geglaubt werden. Es sprächen keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass er bei einer Rückkehr wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder einer Zwangsrekrutierung durch die mit großem Rückhalt der dortigen Bevölkerung agierenden Taliban bedroht würde. Da die dem Kläger infolge des bewaffneten Konflikts drohende Gefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den für seine Ausreise maßgeblichen Gründen stehe, sei die Anwendung der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt.
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Der Kläger könne schließlich nicht auf einen internen Schutz in einem anderen Teil Afghanistans verwiesen werden. Denn in anderen Landesteilen, insbesondere in dem wohl allein hier infrage kommenden Bereich der Hauptstadt Kabul, könne der aus der ländlichen Provinz stammende, ungelernte, kranke und seit knapp acht Jahren in Deutschland lebende Kläger angesichts der angespannten Arbeitsmarktsituation und der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage sein Existenzminimum nicht sichern. Er verfüge in Kabul über keinerlei familiäres oder soziales Netzwerk oder über Ortskenntnisse. Zu den allgemeinen schwierigen Lebensbedingungen komme hinzu, dass er wegen seiner nachgewiesenen Epilepsie-Erkrankung zusätzlich gesundheitlich gefährdet und deshalb auch nur als sehr eingeschränkt arbeitsfähig anzusehen sei. In diesem Fall seien daher auch nach den vom Senat bisher zu Grunde gelegten strengen Maßstäben sogar die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach nationalem Recht in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch deshalb sei der angefochtene Widerrufsbescheid aufzuheben.
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Die Beklagte wendet sich mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision nicht gegen die Aufhebung des Widerrufs des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur noch gegen die Verpflichtung zur zusätzlichen Feststellung eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Sie macht geltend, es sei bereits fraglich, ob der Verwaltungsgerichtshof ordnungsgemäß nach den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts festgestellt habe. Jedenfalls habe er keine hinreichend nachvollziehbaren Feststellungen dazu getroffen, warum gerade der Kläger aufgrund dieses Konflikts in eine Gefahr für Leib oder Leben geraten solle. Es sei weder festgestellt noch ersichtlich, dass der Kläger etwa einer Personengruppe angehöre, die aufgrund ihrer Stellung und Funktion besonderen Verfolgungsrisiken seitens fanatischer Islamisten ausgesetzt sein könnte. Er gehöre auch keiner religiösen oder ethnischen Minderheit an. Er sei vielmehr ein einfacher Bauer, der Afghanistan wegen seiner damaligen Befürchtung, zwangsrekrutiert zu werden, schon vor über acht Jahren verlassen habe. Dass genau diese Gefahr heute noch bestehen solle, nachdem der Kläger mit 36 Jahren zwar noch im wehrfähigen Alter, aber nach allen Feststellungen ein kranker Mann sei, sei nicht nachvollziehbar. Die Anwendung von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie sei rechtsfehlerhaft, weil die frühere und die etwaige künftige Gefahr nicht gleichartig seien. Von einer derartig hohen Gefahr, dass jedenfalls in der Provinz Paktia praktisch jeder überall und jederzeit einer Gefahr für Leib oder gar Leben ausgesetzt wäre, könne nach den Darstellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht gesprochen werden. Außerdem rügt die Beklagte in der Revisionsverhandlung zusätzlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Verwaltungsgerichtshof. Dieser habe über das erst in der Berufungsverhandlung vom Hilfsantrag zum Hauptantrag aufgewertete Begehren auf Feststellung des neuen gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden, ohne der in der Berufungsverhandlung nicht anwesenden Beklagten Gelegenheit zum Tatsachen- und Rechtsvortrag hierzu zu geben.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und ist der Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof habe zwar zutreffend einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Süden und Osten Afghanistans angenommen, er habe aber keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, dass dem Kläger eine individuelle erhebliche Gefahr infolge willkürlicher Gewalt drohe. Er habe insoweit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie rechtsfehlerhaft angewandt. Insbesondere habe er nicht geprüft, ob stichhaltige Gründe dagegen sprächen, dass der Kläger heute noch eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban zu befürchten hätte. Hierzu hätte aber unter anderem angesichts des Alters und des Gesundheitszustandes des Klägers sowie der veränderten politischen Verhältnisse in Afghanistan Anlass bestanden. Das Berufungsgericht habe auch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu den allgemeinen Konfliktgefahren wie etwa den Auswirkungen von Kampfhandlungen, Minen oder Bombardierungen für die Zivilbevölkerung im Herkunftsgebiet des Klägers getroffen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten, die sich nicht gegen die Aufhebung des Widerrufsbescheides durch das Berufungsgericht, sondern nur gegen die zusätzliche Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG richtet, ist begründet. Zwar ist die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge unzulässig (1.), die Rüge der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat indes Erfolg (2.). Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung bejaht, die mit Bundesrecht nicht in vollem Umfang vereinbar ist. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht, wie nach § 139 Abs. 3 VwGO erforderlich, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist geltend gemacht worden ist. Die Einhaltung dieser Frist war entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Im Übrigen fehlt es an der schlüssigen Darlegung der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn die Beklagte zeigt nicht auf, welches entscheidungserhebliche Vorbringen ihr durch die Heraufstufung des bisherigen Hilfsantrags des Klägers zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zum (weiteren) Hauptantrag in der Berufungsverhandlung abgeschnitten worden ist. Ihre Einwände gegenüber dem Begehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hätte sie schon angesichts des entsprechenden Hilfsantrags vorbringen können und müssen.
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2. Die Revision rügt dagegen zu Recht, dass die Berufungsentscheidung, soweit sie sich auf das Verpflichtungsbegehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bezieht, mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.
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a) Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof allerdings davon ausgegangen, dass der (weitere) Hauptantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zulässig ist. Zwar hat die Beklagte in der angefochtenen Widerrufsentscheidung vom 29. Mai 2006 nur das Vorliegen der seinerzeit geltenden ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 3 bis 6 AufenthG a.F. verneint. Dies hindert aber nicht, die mit Wirkung vom 28. August 2007 in das Aufenthaltsgesetz aufgenommenen neuen unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG, auf die sich der Kläger von Anfang an auch berufen hat, in das vorliegende gerichtliche Verfahren einzubeziehen. Diese Abschiebungsverbote beruhen auf Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - und sind durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz - in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden. Sie bilden nach der Rechtsprechung des Senats einen eigenständigen, vorrangig vor den verbleibenden nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. Urteile vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 9 und vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 ff.). Ob und unter welchen Voraussetzungen dieser neue Streitgegenstand - ebenso wie in asylrechtlichen Antragsverfahren - auch in Widerrufsfällen hinsichtlich des subsidiären Schutzes nach § 73 Abs. 3 AsylVfG mit Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes am 28. August 2007 im gerichtlichen Verfahren kraft Gesetzes angewachsen ist, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls dann, wenn das Bundesamt in dem Widerrufsbescheid - wie hier - über sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote sachlich entschieden hat, kann der Kläger die neuen, auf der Richtlinie beruhende subsidiären Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtliche Verfahren einbeziehen. Insoweit bedarf es nicht eines erneuten Antrags beim Bundesamt und der Durchführung eines vorherigen Verwaltungsverfahrens. Damit wird auch der den Asylprozess beherrschenden Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime Rechnung getragen, nach der am Ende eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich geklärt sein soll, ob und welchen (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsschutz der Kläger zu diesem Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) genießt.
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Der Zulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entgegen, dass das Berufungsgericht dem ersten Hauptantrag des Klägers (auf Aufhebung des Widerrufs der Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots) entsprochen hat und damit zu Gunsten des Klägers weiterhin ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht (jetzt nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) besteht. Denn ebenso wie der Ausländer im Antragsverfahren verlangen kann, dass vorrangig über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden wird, und die Feststellung eines nachrangigen Abschiebungsverbots nach nationalem Recht einer solchen Entscheidung nicht entgegensteht, kann er auch im Widerrufsverfahren eine Klärung seiner vorrangigen Ansprüche in Bezug auf die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote erstreiten. Er muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass ihm bereits ein nachrangiges Abschiebungsverbot nach nationalem Recht zusteht. Der Kläger konnte daher sein Begehren auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots neben seinem Antrag auf Aufhebung des Widerrufsbescheides in zulässiger Weise zum Gegenstand eines (weiteren) Hauptantrags machen.
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Das danach zulässige Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist auch nicht deshalb unzulässig geworden, weil das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer solchen Feststellung im Lauf des Revisionsverfahrens entfallen wäre. Zwar ist dem Kläger - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach rechtskräftig gewordener Aufhebung des Widerrufs des Abschiebungsverbots nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990/§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das Berufungsurteil inzwischen von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt worden. Dies führt indes nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses an der Zuerkennung eines unionsrechtlich begründeten subsidiären Abschiebungsverbots. Denn die mit dem subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie verbundenen Rechte erschöpfen sich nicht in der Erteilung einer (befristeten) Aufenthaltserlaubnis, sondern können sich auch sonst in vielfältiger Weise zu Gunsten des Klägers auswirken (vgl. Art. 20 ff. der Richtlinie). Zudem würde es dem Sinn und Zweck der Richtlinie, die von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Art. 18 der Richtlinie) ausgeht, widersprechen, wenn dem Kläger mit Rücksicht auf einen nach nationalem Recht erteilten befristeten Aufenthaltstitel eine Entscheidung über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots versagt würde.
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b) Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Bezug auf Afghanistan vorliegen, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz teilweise geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17, 36 und vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 11) und ist in diesem Sinne auszulegen.
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Das Berufungsgericht hat zwar das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers zutreffend bejaht (aa). Seine Auffassung, dass der Kläger im Rahmen dieses Konflikts einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, ist aber mit den rechtlichen Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht in vollem Umfang vereinbar. Insbesondere reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht für die Annahme aus, dass dem Kläger wegen eines vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugute kommt (bb). Außerdem fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass die Situation in der Herkunftsregion des Klägers durch einen so hohen Grad willkürlicher Gewalt gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre oder zumindest der Kläger als Zivilperson aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände in dieser Weise individuell bedroht wäre (cc).
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aa) Bei der Prüfung des Vorliegens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist der Verwaltungsgerichtshof von den im Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) entwickelten Grundsätzen ausgegangen und hat den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht ausgelegt, insbesondere in den vier Genfer Konventionen vom 12. August 1949 einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - hier einschlägig: Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - Zusatzprotokoll II - ZP II - (BGBl 1990 II S. 1550 <1637>). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. An diesem Ansatz hält der Senat auch angesichts des inzwischen ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji, ABl EU 2009, Nr. C 90, 4) fest, das sich mit diesem Tatbestandsmerkmal nicht näher befasst hat. Auch soweit die Gerichte des Vereinigten Königreichs in ihrer neueren Rechtsprechung eine eigenständige Auslegung der Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein nach dessen Sinn und Zweck befürworten (Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620), gibt dies aus Sicht des Senats keinen Anlass, bei der Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts von dem bisherigen Ansatz abzurücken.
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Der Ansatz des Senats sieht, wie sich aus den Ausführungen im Urteil vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) im Einzelnen ergibt, keineswegs eine bedingungslose Übernahme der Anforderungen des Art. 1 ZP II vor, sondern zielt auf eine Orientierung an diesen Kriterien, wobei daneben oder ergänzend auch die Auslegung dieses Begriffs im Völkerstrafrecht berücksichtigt werden kann (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 23). Die Orientierung am humanitären Völkerrecht bedeutet danach, dass einerseits - am unteren Rand der Skala - Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gelten (Art. 1 Abs. 2 ZP II) und andererseits - am oberen Rand der Skala - jedenfalls dann ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die Kriterien des Art. 1 Abs. 1 ZP II erfüllt sind, d.h. wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll (ZP II) anzuwenden vermögen. Für zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegende Konflikte ist die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht von vornherein ausgeschlossen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Wie der Senat ausdrücklich hervorgehoben hat, findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht sind, entgegensteht. Mit Blick auf diesen Zweck setzt nach Auffassung des Senats das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZP II; im Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 22 noch offengelassen). Vielmehr kann es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben muss. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Vorliegen eines dieser Merkmale bei der Gesamtwürdigung nicht als Indiz für die Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts von Bedeutung sein kann.
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Zusammenfassend betrachtet ist damit dem von der neueren britischen Rechtsprechung betonten Anliegen, die unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes nach der Qualifikationsrichtlinie andererseits zu beachten, hinreichend Rechnung getragen, ohne dass das Merkmal des bewaffneten Konflikts völlig losgelöst vom bisherigen Verständnis desselben Begriffs im humanitären Völkerrecht interpretiert und damit konturenlos und - entgegen dem Wortlaut der Vorschrift - praktisch entbehrlich würde.
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Gemessen an diesen Kriterien reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers, der Provinz Paktia, aus. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil finden im Osten und Süden Afghanistans zwischen den Truppen der ISAF/NATO und der afghanischen Armee einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits bürgerkriegsähnliche bewaffnete Auseinandersetzungen statt. Dies betreffe auch die im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel gelegene Provinz Paktia. Auch diese Region werde von den zunehmenden Kämpfen gegen die Taliban erfasst, deren Angriffe kriegsähnliche Dimensionen annähmen. Dies entspreche auch dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, wonach seit Frühjahr 2007 vor allem im Süden und Osten des Landes ein Anstieg der gewaltsamen Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte zu verzeichnen sei (UA S. 19 ff.). Diese Feststellungen sind jedenfalls mit Blick auf den Bericht des Auswärtigen Amtes noch ausreichend aktuell, um den Schluss auf einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Herkunftsregion des Klägers zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung zu rechtfertigen. Dass der Verwaltungsgerichtshof zum Organisationsgrad der Taliban keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat, ist nach den oben dargestellten Auslegungsmaßstäben unschädlich, da angesichts der festgestellten militärischen Stärke und "Erfolge" der Taliban in Teilen Afghanistans keine Zweifel am Vorliegen eines ausreichend intensiven und dauerhaften bewaffneten Konflikts bestehen. Vom Vorliegen eines nichtinternationalen bewaffneten Konflikts im Sinne des Völkerstrafrechts geht im Übrigen auch der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof für die Auseinandersetzungen zwischen den aufständischen Taliban und der afghanischen Regierung sowie der ISAF in Afghanistan aus (Presseerklärung vom 19. April 2010 Nr. 8/2010; vgl. hierzu auch Ambos, NJW 2010, 1725).
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bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger bei einer Rückkehr als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben (einschließlich körperlicher Unversehrtheit) infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat dies unter Anwendung der Beweiserleichterung nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie bejaht. Es ist davon ausgegangen, dass der Kläger 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung oder/und Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf in der Provinz Paktia geflüchtet ist und keine stichhaltigen Gründe dagegensprechen, dass er bei einer Rückkehr dorthin wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder jedenfalls wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der paschtunischen Männer im wehrfähigen Alter von einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban bedroht würde. Da die den Kläger infolge des bewaffneten Konflikts bedrohende Leib- und Lebensgefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den zu seiner Ausreise führenden Gründen stehe, sei die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt (UA S. 23 f.). Die so begründete Anwendung der Beweiserleichterung im Rahmen des subsidiären Schutzes ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
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(1) Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen gesetzlichen Vermutung gilt sowohl für den Flüchtlingsschutz als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie (vgl. auch § 60 Abs. 11 AufenthG). Sie setzt für den subsidiären Schutz voraus, dass der Antragsteller im Herkunftsstaat bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war (Vorschädigung). Was unter einem ernsthaften Schaden im Sinne der Richtlinie zu verstehen ist, ist in Art. 15 Buchst. a bis c der Richtlinie definiert.
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Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigen schon nicht den Schluss, dass der Kläger vor seiner Ausreise unmittelbar von einem ernsthaften Schaden in diesem Sinne bedroht war und damit die Voraussetzungen für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie überhaupt vorliegen. Dass der Kläger als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Art. 15 Buchst. c der Richtlinie) ausgesetzt war, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Insofern fehlt es für den Zeitraum vor der Ausreise des Klägers sowohl an Feststellungen zum Vorliegen eines bewaffneten Konflikts in der Heimatprovinz des Klägers als auch an jeglichen Feststellungen zum Niveau willkürlicher Gewalt und ihren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Ferner fehlt es an Feststellungen zum Bestehen einer Gefahr für Leib oder Leben des Klägers als Zivilperson.
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Auch wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass der vor der Ausreise erlittene oder unmittelbar drohende Schaden nicht notwendig ein solcher im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie sein muss, sondern auch ein Schaden nach den anderen Alternativen dieser Vorschrift sein kann - jedenfalls sofern ein innerer Zusammenhang mit dem aktuell drohenden Schaden besteht - , reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines dem Kläger vor der Ausreise unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens nach den anderen Alternativen des Art. 15 der Richtlinie nicht aus. Der Sache nach käme vorliegend nur ein Schaden im Sinne von Art. 15 Buchst. b der Richtlinie, also eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, wegen der vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen, im Jahr 2001 drohenden Zwangsrekrutierung des Klägers seitens der Taliban oder einer damit zusammenhängenden Bestrafung in Betracht. Die Feststellungen im Berufungsurteil über die Umstände der Zwangsrekrutierung reichen indes für die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK nicht aus. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger damals eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban drohte, und hat auch die näheren Umstände einer derartigen Rekrutierung (willkürlich, nach Gutdünken, ohne Rechtsgrundlage, Abtransport ohne Umstände in Militärfahrzeugen) festgestellt (UA S. 23), er hat aber keine Ausführungen dazu gemacht, dass und inwiefern darin oder in einer eventuellen Bestrafung im Falle der Verweigerung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu sehen ist. Die Zwangsrekrutierung zum Kriegsdienst stellt als solche ebenso wie die Tötung oder Verletzung im Krieg nicht ohne Weiteres eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in diesem Sinne dar. Zur Art und Weise einer Bestrafung enthält das Urteil ebenfalls keinerlei Feststellungen. Auch die Bezugnahme des Verwaltungsgerichtshofs auf die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990 durch den bestandskräftig gewordenen Bescheid des Bundesamts vom 18. Juli 2001 genügt insoweit nicht. Dieser betraf nicht die Zuerkennung von Abschiebungsschutz wegen Verletzung von Art. 3 EMRK (damals nach § 53 Abs. 4 AuslG 1990), sondern von nationalem subsidiären Abschiebungsschutz wegen sonstiger Gefahren. Dabei wurde auf die akute Gefahr für Leib und Leben durch den unvorbereiteten Einsatz in der Armee bei heftig geführten Kämpfen abgestellt und damit auf eine Gefahr, die als solche keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellt.
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Da es an ausreichenden Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger vor der Ausreise von einem ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie unmittelbar bedroht war, besteht schon keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Anwendung der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie. Auf die Frage des Zusammenhangs zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem aktuell drohenden Schaden sowie auf die Frage, ob stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Kläger erneut von einem solchen Schaden bedroht wird, kommt es daher nicht mehr an.
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Der Senat bemerkt allerdings, dass für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie nicht nur im Rahmen des Flüchtlingsschutzes sondern auch im Rahmen des subsidiären Schutzes erforderlich ist, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auch auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (vgl. auch Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - Rn. 21 zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie erstreckt. Dabei erscheint es nicht ausgeschlossen, dass etwa ein erlittener Eingriff in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 15 Buchst. b der Richtlinie durch eine der Konfliktparteien eines später entstandenen bewaffneten Konflikts, sofern nicht ohnehin eine Schutzgewährung nach dieser Alternative des Art. 15 der Richtlinie geboten ist, auch als ernsthafter Hinweis auf einen persönlichen gefahrerhöhenden Umstand im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie angesehen werden kann, der geeignet ist, schon bei einem nicht extrem hohen Niveau willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts eine erhebliche individuelle Bedrohung der betroffenen Zivilperson an Leib oder Leben anzunehmen. Dagegen dürfte sich die Vermutungswirkung insoweit nicht etwa auf das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts oder auf ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt gegen die Zivilbevölkerung erstrecken (vgl. hierzu unten (2)).
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(2) Für die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre. Das in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie genannte Merkmal der Bedrohung "infolge willkürlicher Gewalt" ist auch in der nationalen Umsetzungsvorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sinngemäß enthalten (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 36). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji a.a.O.) das Erfordernis einer ernsthaften individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie dahingehend ausgelegt, dass es sich auf schädigende Eingriffe beziehe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richteten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der Richtlinie ausgesetzt zu sein (Rn. 35). Mit Blick auf den 26. Erwägungsgrund und die Systematik des Art. 15 der Richtlinie bleibe dies allerdings einer außergewöhnlichen Situation vorbehalten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sei, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre (Rn. 36, 37). Dies sei dahin zu präzisieren, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei (Rn. 39).
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Aus diesem Verständnis der Vorschrift, das nach Auffassung des Senats der Sache nach den Ausführungen in seinem Urteil vom 24. Juni 2008 entspricht (vgl. Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 15), folgt, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Senats auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Insoweit können auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (vgl. Beschluss vom 7. August 2008 - BVerwG 10 B 39.08 - juris Rn. 4 unter Hinweis auf das Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 35; ebenso das britische AIT, Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22./23. Juli 2009, Afghanistan CG <2009> UKAIT 00044, Rn. 124 ff.).
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Hierbei ist nach den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 (Elgafaji) davon auszugehen, dass nicht nur solche Gewaltakte zu berücksichtigen sind, die die Regeln des humanitären Völkerrechts verletzen (vgl. zu dieser Auffassung auch Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 37), sondern auch andere Gewaltakte, die nicht zielgerichtet gegen bestimmte Personen oder Personengruppen, sondern wahllos ausgeübt werden und sich auf Zivilpersonen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 34). Angesichts der Auslegung des Begriffs der willkürlichen Gewalt durch den Gerichtshof, aber auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Schutzgewährung nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie kann dieser Vorschrift eine Beschränkung auf gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßenden Gewaltakte, zu denen etwa unvorhersehbare Kollateralschäden nicht zählen würden, nicht entnommen werden (so auch die neuere britische Rechtsprechung, Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620).
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Den vorgenannten Anforderungen an die Feststellung des Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. der Gefahrendichte genügt das Berufungsurteil nicht. So fehlt es schon an der zumindest annähernd ermittelten Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt lebenden Zivilpersonen. Auch die Feststellungen zur Größenordnung der zivilen Opfer sind nur kursorisch und beziehen sich auf einen länger zurückliegenden Zeitpunkt (UA S. 20). Auch deshalb kann die Berufungsentscheidung insoweit keinen Bestand haben.
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3. Eine abschließende Entscheidung des Senats auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist weder zu Gunsten noch zu Lasten des Klägers möglich. Insbesondere reichen, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, die Feststellungen des Berufungsgerichts über das Niveau willkürlicher Gewalt in der Herkunftsregion des Klägers in keinem Fall aus, um unabhängig von einer etwaigen zusätzlichen Bedrohung aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände eine individuelle Betroffenheit des Klägers im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein aufgrund seiner Anwesenheit in diesem Gebiet zu bejahen.
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Das Verfahren ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der erneuten Prüfung wird es gegebenenfalls auch die Gelegenheit haben, auf die von der Revision und dem Vertreter des Bundesinteresses in den Vordergrund gestellte Frage einzugehen, ob die inzwischen bekannt gewordene Erkrankung des Klägers an Epilepsie und sein aktueller Gesundheitszustand der Gefahr einer Zwangsrekrutierung entgegensteht.
Tatbestand
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Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.
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Der 1972 geborene Kläger wurde im November 2004 in M. aufgegriffen und beantragte daraufhin Asyl. Zur Begründung gab der Kläger an, er habe sich am bewaffneten Kampf der PKK beteiligt. Im Juni 1991 sei er festgenommen und einen Monat lang von türkischen Sicherheitskräften unter Folter verhört worden. Nach seiner Verurteilung zu zwölfeinhalb Jahren Haft sei er bis Dezember 2000 weiter im Gefängnis gewesen und dann vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Anschließend habe er sich erneut der PKK angeschlossen. Später habe er an deren politischer Linie gezweifelt und sich im Juli 2004 von der PKK getrennt. In der Türkei sei sein Leben trotz des Reuegesetzes gefährdet gewesen, da er keinen Wehrdienst abgeleistet und deswegen gesucht worden sei. Zudem hätten die Sicherheitskräfte erfahren, dass er sich nach seiner Entlassung aus der Haft wieder der PKK angeschlossen habe.
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Der Kläger hat dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) unter anderem die Kopie eines Urteils des Staatssicherheitsgerichts D. vom 24. Januar 1992 übergeben, wonach er u.a. wegen "Mitgliedschaft in der illegalen Organisation PKK" gemäß § 168/2 tStGB zu einer Haftstrafe von 12 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist. Das Auswärtige Amt bestätigte die Echtheit der Urkunden und teilte mit, dass nach dem Kläger in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der PKK gefahndet werde. Sein Bruder habe ausgesagt, dass der Kläger sich nach der Entlassung aus der Strafhaft wieder der PKK angeschlossen habe. Außerdem sei bekannt, dass er sich in einem Ausbildungscamp im Iran aufgehalten habe. Würde er wegen Mitgliedschaft in der PKK zu einer Haftstrafe verurteilt, würde zusätzlich die auf Bewährung ausgesetzte Reststrafe vollstreckt werden.
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Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Der Asylantrag sei gemäß § 30 Abs. 4 AsylVfG offensichtlich unbegründet, da der Kläger eine schwere nichtpolitische Straftat begangen und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt habe. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor.
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Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter nicht weiter verfolgt. Mit Urteil vom 22. November 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtet. Im Berufungsverfahren hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, der Kläger sei im Bundesgebiet für die Nachfolgeorganisation der PKK, den KONGRA-GEL aktiv und habe im Januar 2005 an einer Aktivistenversammlung in N. teilgenommen. Er habe im Jahr 2006 als Leiter des KONGRA-GEL in Offenbach fungiert und ab diesem Zeitpunkt eine Kontrollfunktion innerhalb des KONGRA-GEL in A. ausgeübt. Der Kläger hat das bestritten.
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Mit Urteil vom 21. Oktober 2008 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger nach Rückkehr in die Türkei gemäß § 314 Abs. 2 tStGB 2005 zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests widerrufen würde. Auch wenn dies politische Verfolgung darstellen sollte, stünde § 3 Abs. 2 AsylVfG der Flüchtlingsanerkennung entgegen. Die terroristischen Taten der PKK seien als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen, stellten schwere nichtpolitische Straftaten dar und stünden in Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen. Der Kläger habe sich daran zumindest "in sonstiger Weise" beteiligt. Selbst wenn für das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 3 Abs. 2 AsylVfG von dem Ausländer weiterhin eine Gefahr ausgehen müsse, sei das beim Kläger der Fall. Denn er habe sich weder äußerlich von der PKK abgewandt noch innerlich von seiner früheren Verstrickung in den Terror gelöst. Dahinstehen könne, ob § 3 Abs. 2 AsylVfG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetze, denn der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung bedeute keine unbillige Härte für den Kläger.
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Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Die Todesstrafe sei in der Türkei vollständig abgeschafft. Wegen der dem Kläger in der Türkei drohenden langjährigen Haftstrafe sei ausgeschlossen, dass er im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt sei. Ein Abschiebungsverbot ergebe sich auch nicht aus § 60 Abs. 2 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Zwar greife zugunsten des Klägers, der im Anschluss an seine Festnahme im Juni 1991 Folter erlitten habe, die Beweiserleichterung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Dennoch sprächen aufgrund der Angaben des Auswärtigen Amtes sowie türkischer Menschenrechtsorganisationen stichhaltige Gründe dagegen, dass er bis zum Abschluss des Strafverfahrens Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten habe. Misshandlungen durch türkische Sicherheitskräfte lägen ganz überwiegend Fälle zugrunde, in denen sich der Betroffene nicht offiziell in Gewahrsam befunden habe; das wäre beim Kläger jedoch der Fall. Angesichts bereits vorhandener Beweise bestünde auch keine Notwendigkeit, durch Folter ein Geständnis zu erzwingen. Schließlich lebten in seiner Heimat zahlreiche Personen, die sich seiner annehmen und ihm bereits bei seiner Ankunft anwaltlichen Beistand verschaffen könnten. Zudem würden die PKK oder andere prokurdische Organisationen das Schicksal des Klägers verfolgen und etwaige Übergriffe auf seine Person publik machen. Ein Schutz durch "Herstellen von Öffentlichkeit" lasse sich zwar nicht während der gesamten Dauer der Strafhaft gewährleisten. Aber auch für diese Zeitspanne sprächen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger, der in einem Gefängnis des Typs F untergebracht würde, Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein würde, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen könnten. Dahinstehen könne, ob das auch für unter dieser Schwelle liegende Maßnahmen gelte, denn derartige Umstände stünden einer Abschiebung des Klägers in die Türkei als Unterzeichnerstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 3 EMRK stehe bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat dessen eigene Verantwortung für die Einhaltung der Konventionsrechte im Vordergrund. Eine Mitverantwortung des abschiebenden Landes bestehe nur, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohten und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht rechtzeitig zu erreichen sei. Diese Voraussetzungen lägen angesichts der Verhältnisse in der Türkei nicht vor. Da sich Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG an Art. 3 EMRK orientiere, beanspruchten diese Grundsätze auch im Rahmen des § 60 Abs. 2 AufenthG Geltung. Stünden im Herkunftsland ausreichende und effektive Möglichkeiten zur Abwehr drohender Gefahren zur Verfügung, benötige der Betreffende keinen internationalen Schutz. Auch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG greife nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision - beschränkt auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 AufenthG - zugelassen.
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Mit der Revision rügt der Kläger vor allem eine Verletzung des § 60 Abs. 2 AufenthG. Das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Quellen selektiv ausgewertet und zu Lasten des Klägers ohne Aufklärung unterstellt, dass seine Familie einen Rechtsanwalt besorgen könne und die Nachfolgeorganisationen der PKK für ihn Öffentlichkeitsarbeit machen würden. Angesichts der umfassenden Geltung des Art. 3 EMRK reiche die Erkenntnislage nicht aus, um ein Abschiebungshindernis auszuschließen. Insofern werde auch eine Gehörsverletzung gerügt, denn wenn das Gericht zu erkennen gegeben hätte, dass es aus tatsächlichen Gründen für den Kläger keine Gefahr einer Misshandlung sehe, hätte der Kläger dazu weiter vorgetragen und Beweisanträge gestellt. Schließlich sei die Auslegung der in Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgründe ungeklärt.
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Innerhalb der bis einschließlich 4. Juni 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist ist der Begründungsschriftsatz nicht vollständig per Fax eingegangen. Die Bevollmächtigte des Klägers hat Wiedereinsetzung beantragt und zur Begründung Probleme bei der Faxübertragung geltend gemacht.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Berufungsgerichts seien einer Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Nicht ersichtlich sei, warum der Kläger angesichts der tatsächlichen Würdigung des Berufungsgerichts nicht den Schutz seines Heimatlandes durch Anrufung türkischer Gerichte bzw. eine Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Anspruch nehmen könne.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision hat Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), da er bei der Prüfung des in § 60 Abs. 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbots diejenigen erniedrigenden Behandlungsmaßnahmen übergangen hat, die keine irreparablen oder sonst schweren körperlichen und seelischen Folgen hinterlassen. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend selbst entscheiden. Daher ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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1. Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, da seine Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Diese durfte nach mehreren nur teilweise erfolgreichen Versuchen einer Faxübertragung infolge der fernmündlich erteilten unrichtigen Auskunft des Gerichtspförtners, es seien alle Seiten angekommen, davon ausgehen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz innerhalb der Frist vollständig eingegangen sei.
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2. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Revisionszulassung auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen Streitgegenstand bzw. selbständigen Streitgegenstandsteil (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198
). Die Revisionszulassung kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (vgl. Urteil vom 1. April 1976 - BVerwG 2 C 39.73 - BVerwGE 50, 292 <295>; BGH, Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 2/04 - NJW-RR 2007, 182 <183>).
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Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens, das auf Feststellung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zielt, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz am 15. Oktober 2008 abzustellen. Deshalb sind die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) von Bedeutung, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten und die Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - berücksichtigen.
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3. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ergänzten Abschiebungsverbot, das bereits in § 53 Abs. 1 AuslG 1990 und § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685 - EMRK) enthalten war, wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM(2001) 510 endgültig S. 6, 30).
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Die Vorschriften zum subsidiären Schutz sind im Aufenthaltsgesetz insoweit "überschießend" umgesetzt worden, als die in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Varianten des ernsthaften Schadens in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet worden sind. Denn die in Art. 17 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausschlussgründe greifen nach nationalem Recht gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erst auf einer nachgelagerten Ebene als Versagungsgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Daher kommt es entgegen der Annahme der Revision auf die Interpretation der Ausschlussgründe gemäß Art. 17 der Richtlinie im vorliegenden Fall nicht an.
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Bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG ist der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83 S. 389 - GR-Charta) als verbindlicher Teil des primären Unionsrechts (Art. 6 Abs. 1 EUV) zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Die Vorschrift gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch diese Bestimmung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen.
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a) Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Prüfung des § 60 Abs. 2 AufenthG in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Kläger vor seiner Ausreise in der Türkei gefoltert worden ist. Dennoch hat das Berufungsgericht seiner Prognose den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht den sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinreichender Sicherheit zugrunde gelegt. Es hat aber zugunsten des Klägers die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltene Beweiserleichterung angewendet (UA Rn. 90). Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
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Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
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Diese Vorschrift greift sowohl bei der Entscheidung über die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz für einen Vorverfolgten (bzw. von Verfolgung unmittelbar Bedrohten) als auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes zugunsten desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. davon unmittelbar bedroht war. In beiden Varianten des internationalen Schutzes privilegiert sie den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Das ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind.
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Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 - BVerfGE 54, 341 <360 f.>; dem folgend Urteil vom 31. März 1981 - BVerwG 9 C 237.80 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27; stRspr). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97 <101 ff.>), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (Urteil vom 27. April 1982 - BVerwG 9 C 308.81 - BVerwGE 65, 250 <252>). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - a.a.O. S. 99). Diese zum Asylgrundrecht entwickelte Rechtsprechung (zusammenfassend Urteile vom 25. September 1984 - BVerwG 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169 <170 f.> und vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>) wurde auf den Flüchtlingsschutz (Abschiebungsschutz aus politischen Gründen) gemäß § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (Urteil vom 3. November 1992 - BVerwG 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 150 <154 f.>), nicht jedoch auf die Abschiebungsverbote des § 53 AuslG 1990 übertragen (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <330> zu § 53 Abs. 6 AuslG und vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 134.95 - InfAuslR 1996, 289 zu § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK).
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Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4: Zum einen wird ihr Anwendungsbereich über den Flüchtlingsschutz hinaus auf alle Tatbestände des unionsrechtlich geregelten subsidiären Schutzes ausgeweitet. Sie erfasst demzufolge auch das im vorliegenden Fall zu prüfende Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG. Zum anderen bleibt der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 84 ff. zum Widerruf der Flüchtlingsanerkennung). Der in dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330
); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 stRspr).
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Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 92 ff.). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. Rn. 128 m.w.N.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG kann im Einzelfall selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde. Dieser Maßstab hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung (mehr).
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b) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger während der Strafhaft erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein wird, den Maßstab des § 60 Abs. 2 AufenthG auf diejenigen tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen verengt, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen können, zur Verursachung bleibender Schäden geeignet oder aus sonstigen Gründen als gravierend anzusehen sind (UA Rn. 106). Erniedrigende Behandlungsmaßnahmen im Sinne des Art. 3 EMRK, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen, hat es bei der Prognoseerstellung ausdrücklich nicht geprüft (UA Rn. 111). Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof die eigene Verantwortung der Türkei als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention betont und daraus gefolgert, dass sich der Kläger darauf verweisen lassen müsse, seine Rechte gegen diese Arten von Konventionsverletzungen in der Türkei und von der Türkei aus selbst zu verfolgen (UA Rn. 112). Diese Annahme verletzt Bundesrecht.
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Die Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG hat sich nach den unionsrechtlichen Vorgaben - wie oben bereits ausgeführt - an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK zu orientieren. Dieser betont in seinen Entscheidungen zur Verantwortlichkeit eines Vertragsstaates für die mittelbaren Folgen einer Abschiebung, wenn dem Betroffenen im Zielstaat Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, immer wieder den absoluten und ausnahmslosen Schutz des Art. 3 EMRK (EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering - NJW 1990, 2183
; vom 15. November 1996 - Nr. 70/1995/576/662, Chahal - NVwZ 1997, 1093 und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. ). Damit erweist es sich als unvereinbar, den Schutzbereich des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG zu verengen, und bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat der Konvention erniedrigende Behandlungsmaßnahmen von vornherein auszunehmen, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen. Sonst käme Rechtsschutz durch türkische Gerichte oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu spät und könnte eine bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht ungeschehen machen. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG gilt mithin uneingeschränkt auch bei der Abschiebung in einen Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention.
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Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich für seine Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 (nunmehr: § 60 Abs. 5 AufenthG) i.V.m. Art. 3 EMRK. Der damals für die Feststellung von Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt zuständige 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat entschieden, dass eine Mitverantwortung des abschiebenden Vertragsstaates, den menschenrechtlichen Mindeststandard in einem anderen Signatarstaat als Zielstaat der Abschiebung zu wahren, nur dann besteht, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist (Urteil vom 7. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 <277>). Dieser Rechtssatz schränkt jedoch nicht den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ein. Vielmehr werden - insbesondere mit Blick auf die von dem damaligen Kläger angeführten Haftbedingungen in der Türkei - nur Maßnahmen erfasst, die erst durch Zeitablauf oder Wiederholung in den Tatbestand einer erniedrigenden Behandlung und damit den Schutzbereich des Art. 3 EMRK hineinwachsen. Nur in derartigen Fällen kann der Betroffene auf Rechtsschutz im Abschiebezielstaat oder durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen werden.
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4. Das Berufungsgericht hat die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG geprüft und aus tatsächlichen Gründen abgelehnt (UA Rn. 86 f.). Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.
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5. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder zugunsten noch zulasten des Klägers abschließend entscheiden. Die Sache ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Damit bedarf es keiner Entscheidung über die Gehörsrüge. Der Senat bemerkt aber dazu, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung verstoßen hat. Denn grundsätzlich ist ein Gericht nicht verpflichtet, die abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (Beschlüsse vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 und vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52; stRspr). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. Urteil vom 10. April 1991 - BVerwG 8 C 106.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235). Dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich, da der Kläger selbst in der Berufungsbegründung zur Gefahr der Folter in der Türkei vorgetragen hatte.
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Der Verwaltungsgerichtshof wird in dem neuen Berufungsverfahren die Prognose, ob die konkrete Gefahr besteht, dass der Kläger in der Türkei der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird, auf aktueller tatsächlicher Grundlage erneut stellen müssen. Dabei besteht auch Gelegenheit, dem Vorbringen des Klägers weiter nachzugehen, dass die ihn belastende Aussage seines Bruders die Gefahr von Folter nicht ausschließe. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände im Rahmen der tatsächlichen Feststellung, ob die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG widerlegt ist, kann das Berufungsgericht auch der Tatsache Bedeutung beimessen, dass die Türkei als Abschiebezielstaat ein Vertragsstaat der Konvention ist, der sich verpflichtet hat, die darin garantierten Rechte und Grundsätze zu achten. Die Berücksichtigung dieses Umstands im Rahmen der Prognose entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (Entscheidungen vom 7. Oktober 2004 - Nr. 33743/03, Dragan - NVwZ 2005, 1043 <1045> und vom 15. Dezember 2009 - Nr. 43212/05, Kaplan -
) und ist durch Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG mit dem darin enthaltenen Kriterium ausreichender Schutzgewährleistung abgedeckt.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren nur noch um die Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie).
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Der 1972 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit. Er stammt aus der südöstlich von Kabul gelegenen Provinz Paktia. Im Februar 2001 reiste er nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, er habe Afghanistan verlassen, um sich einer erzwungenen Rekrutierung durch die Taliban zu entziehen.
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Im Juli 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - im Folgenden: Bundesamt - den Antrag auf Asyl- und Flüchtlingsanerkennung ab und verneinte das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG, stellte aber fest, dass zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hinsichtlich Afghanistans besteht. Zur Begründung führte es aus, die vom Kläger geschilderte Rekrutierung durch die Taliban könne nicht zur Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung führen, da sie nicht an asylerhebliche Merkmale anknüpfe. Sie begründe jedoch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Zwangsrekrutierungen junger Männer durch die Taliban oder die Nordallianz seien im ganzen Land üblich und drohten auch dem Kläger bei einer Rückkehr. Wenn der Kläger in die Armee gepresst und praktisch unvorbereitet in den heftig geführten Kämpfen eingesetzt werde, bestehe akute Gefahr für Leib und Leben.
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Im Februar 2006 leitete das Bundesamt hinsichtlich des zuerkannten Abschiebungshindernisses ein Widerrufsverfahren ein, weil durch den Sturz der Taliban die Gefahr der Zwangsrekrutierung für den Kläger entfallen sei. Im Rahmen der Anhörung machte dieser geltend, bei ihm lägen nach wie vor individuelle Gründe für die Gewährung von Abschiebungsschutz vor. Sein Heimatdorf in der Provinz Paktia liege nahe der pakistanischen Grenze. Dort sei auch gegenwärtig eines der Hauptoperationsgebiete der Taliban. Für ihn bestehe die Gefahr einer Bestrafung durch die Taliban, weil er sich seinerzeit der Zwangsrekrutierung entzogen habe. Auch die Gefahr der Zwangsrekrutierung bestehe weiterhin. Er wisse von keinen in Afghanistan lebenden Verwandten mehr, die ihm Schutz oder Hilfe geben könnten. Sein Heimatdorf sei bombardiert und das Familienhaus zerstört worden. Seine dort lebende Verwandtschaft solle dabei ums Leben gekommen sein. Seine Ehefrau sei mit den Kindern nach Pakistan geflohen und habe dort in einem Dorf gelebt, das im Oktober 2005 durch ein Erdbeben zerstört worden sei. Seitdem habe er von ihnen kein Lebenszeichen mehr erhalten. Zudem träten bei ihm seit seiner Kindheit drei- bis viermal monatlich epileptische Anfälle auf, die sowohl ärztliche Behandlung als auch teure Medikamente erforderten. Außerdem leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
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Mit Bescheid vom 29. Mai 2006 widerrief das Bundesamt gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG den zuerkannten Abschiebungsschutz und stellte fest, dass sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 6 AufenthG ebenfalls nicht vorliegen. Zumindest im Raum Kabul sei die Sicherheits- und Versorgungslage nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Im Hinblick auf die persönliche Lebenssituation des Klägers als alleinstehender männlicher Erwachsener sei davon auszugehen, dass er im Kabuler Raum eine vergleichsweise stabile Existenzgrundlage finden werde. Er gehöre nicht zu den Personen, die aufgrund ihrer individuellen Situation besonders schutzbedürftig seien. Auch seine epileptischen Anfälle könnten in Kabul ebenso wie seine posttraumatische Belastungsstörung behandelt werden.
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Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im September 2007 abgewiesen. Der Widerruf sei zu Recht erfolgt, weil im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Abschiebungsverbot nach der jetzt maßgeblichen Nachfolgevorschrift zu § 53 Abs. 6 AuslG, dem § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nicht bestehe. Auch das in Umsetzung von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie nunmehr neu eingeführte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liege im Falle des Klägers nicht vor. Ebenso wenig bestünden sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes brauche der Kläger eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban nicht mehr zu befürchten. Dass in der Provinz Paktia die Taliban wieder erstarkt und aktiv seien, sei unerheblich, weil der Kläger sich im Raum Kabul niederlassen könne. Dort sei auch eine Behandlung seiner Erkrankungen möglich. Für den Großraum Kabul könne ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führe, nicht angenommen werden.
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Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 11. Dezember 2008 das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2006 aufgehoben, soweit die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG widerrufen worden ist, und das Bundesamt verpflichtet, in Bezug auf Afghanistan das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG festzustellen. Für den Kläger lägen in Bezug auf Afghanistan die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor. Dabei sei nach der zwischenzeitlichen Rechtsänderung durch Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28. August 2007 aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes vorrangig auf das neu eingefügte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG abzustellen. Die Voraussetzungen für ein solches Abschiebungsverbot lägen vor. In der Heimatregion des Klägers, der Provinz Paktia, herrsche derzeit ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Form von Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zwischen der afghanischen Regierungsarmee/ISAF/NATO einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt erfordere keine landesweite Konfliktsituation, sondern liege schon dann vor, wenn seine Voraussetzungen nur in einem Teil des Staatsgebietes erfüllt seien. Die Provinz Paktia liege im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel und werde von Hilfsorganisationen und ausländischen Militärs inzwischen als eine der gefährlichsten Gegenden der Welt beschrieben. Die Taliban gewönnen im gesamten Südosten Afghanistans wieder an Stärke und betrachteten Paktia als Rückzugs- und Transitraum. Der Gouverneur der Provinz sei am 10. September 2006 von den Taliban ermordet worden, die während der Beerdigung noch ein Selbstmordattentat verübt hätten. Die Infiltration der Guerilla über die nahe pakistanische Grenze habe rapide zugenommen. In diesem paschtunisch geprägten Gebiet fänden vermehrt Überfälle und Selbstmordattentate der "Fundis der Neo-Taliban" statt. Der Verwaltungsgerichtshof stützt sich dabei auf ein Gutachten von Dr. D. vom Dezember 2006, einen Bericht von Amnesty International vom Januar 2007 sowie den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom März 2008 über den Anstieg gewaltsamer Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte im Süden und Südosten Afghanistans.
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Von diesem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt gingen für eine Vielzahl von Zivilpersonen Gefahren aus, die sich in der Person des Klägers im Falle seiner Rückkehr so verdichten würden, dass sie für ihn als Angehörigen der Zivilbevölkerung eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Form von Bestrafung und/oder Zwangsrekrutierung durch die Taliban begründen würden, zumal zu seinen Gunsten im Sinne einer Beweislastumkehr der herabgemilderte Prognosemaßstab gemäß Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie heranzuziehen sei: Es sei nämlich davon auszugehen, dass der Kläger im Februar 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung und/oder Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf geflüchtet sei. Die Schilderung des Klägers decke sich mit der Beschreibung der Zwangsrekrutierungspraktiken der Taliban in den Erkenntnismitteln des Bundesamts. Deshalb könne seinen Angaben auch nach Auffassung des Senats geglaubt werden. Es sprächen keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass er bei einer Rückkehr wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder einer Zwangsrekrutierung durch die mit großem Rückhalt der dortigen Bevölkerung agierenden Taliban bedroht würde. Da die dem Kläger infolge des bewaffneten Konflikts drohende Gefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den für seine Ausreise maßgeblichen Gründen stehe, sei die Anwendung der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt.
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Der Kläger könne schließlich nicht auf einen internen Schutz in einem anderen Teil Afghanistans verwiesen werden. Denn in anderen Landesteilen, insbesondere in dem wohl allein hier infrage kommenden Bereich der Hauptstadt Kabul, könne der aus der ländlichen Provinz stammende, ungelernte, kranke und seit knapp acht Jahren in Deutschland lebende Kläger angesichts der angespannten Arbeitsmarktsituation und der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage sein Existenzminimum nicht sichern. Er verfüge in Kabul über keinerlei familiäres oder soziales Netzwerk oder über Ortskenntnisse. Zu den allgemeinen schwierigen Lebensbedingungen komme hinzu, dass er wegen seiner nachgewiesenen Epilepsie-Erkrankung zusätzlich gesundheitlich gefährdet und deshalb auch nur als sehr eingeschränkt arbeitsfähig anzusehen sei. In diesem Fall seien daher auch nach den vom Senat bisher zu Grunde gelegten strengen Maßstäben sogar die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach nationalem Recht in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch deshalb sei der angefochtene Widerrufsbescheid aufzuheben.
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Die Beklagte wendet sich mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision nicht gegen die Aufhebung des Widerrufs des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur noch gegen die Verpflichtung zur zusätzlichen Feststellung eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Sie macht geltend, es sei bereits fraglich, ob der Verwaltungsgerichtshof ordnungsgemäß nach den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts festgestellt habe. Jedenfalls habe er keine hinreichend nachvollziehbaren Feststellungen dazu getroffen, warum gerade der Kläger aufgrund dieses Konflikts in eine Gefahr für Leib oder Leben geraten solle. Es sei weder festgestellt noch ersichtlich, dass der Kläger etwa einer Personengruppe angehöre, die aufgrund ihrer Stellung und Funktion besonderen Verfolgungsrisiken seitens fanatischer Islamisten ausgesetzt sein könnte. Er gehöre auch keiner religiösen oder ethnischen Minderheit an. Er sei vielmehr ein einfacher Bauer, der Afghanistan wegen seiner damaligen Befürchtung, zwangsrekrutiert zu werden, schon vor über acht Jahren verlassen habe. Dass genau diese Gefahr heute noch bestehen solle, nachdem der Kläger mit 36 Jahren zwar noch im wehrfähigen Alter, aber nach allen Feststellungen ein kranker Mann sei, sei nicht nachvollziehbar. Die Anwendung von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie sei rechtsfehlerhaft, weil die frühere und die etwaige künftige Gefahr nicht gleichartig seien. Von einer derartig hohen Gefahr, dass jedenfalls in der Provinz Paktia praktisch jeder überall und jederzeit einer Gefahr für Leib oder gar Leben ausgesetzt wäre, könne nach den Darstellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht gesprochen werden. Außerdem rügt die Beklagte in der Revisionsverhandlung zusätzlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Verwaltungsgerichtshof. Dieser habe über das erst in der Berufungsverhandlung vom Hilfsantrag zum Hauptantrag aufgewertete Begehren auf Feststellung des neuen gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden, ohne der in der Berufungsverhandlung nicht anwesenden Beklagten Gelegenheit zum Tatsachen- und Rechtsvortrag hierzu zu geben.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und ist der Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof habe zwar zutreffend einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Süden und Osten Afghanistans angenommen, er habe aber keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, dass dem Kläger eine individuelle erhebliche Gefahr infolge willkürlicher Gewalt drohe. Er habe insoweit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie rechtsfehlerhaft angewandt. Insbesondere habe er nicht geprüft, ob stichhaltige Gründe dagegen sprächen, dass der Kläger heute noch eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban zu befürchten hätte. Hierzu hätte aber unter anderem angesichts des Alters und des Gesundheitszustandes des Klägers sowie der veränderten politischen Verhältnisse in Afghanistan Anlass bestanden. Das Berufungsgericht habe auch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu den allgemeinen Konfliktgefahren wie etwa den Auswirkungen von Kampfhandlungen, Minen oder Bombardierungen für die Zivilbevölkerung im Herkunftsgebiet des Klägers getroffen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten, die sich nicht gegen die Aufhebung des Widerrufsbescheides durch das Berufungsgericht, sondern nur gegen die zusätzliche Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG richtet, ist begründet. Zwar ist die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge unzulässig (1.), die Rüge der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat indes Erfolg (2.). Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung bejaht, die mit Bundesrecht nicht in vollem Umfang vereinbar ist. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht, wie nach § 139 Abs. 3 VwGO erforderlich, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist geltend gemacht worden ist. Die Einhaltung dieser Frist war entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Im Übrigen fehlt es an der schlüssigen Darlegung der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn die Beklagte zeigt nicht auf, welches entscheidungserhebliche Vorbringen ihr durch die Heraufstufung des bisherigen Hilfsantrags des Klägers zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zum (weiteren) Hauptantrag in der Berufungsverhandlung abgeschnitten worden ist. Ihre Einwände gegenüber dem Begehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hätte sie schon angesichts des entsprechenden Hilfsantrags vorbringen können und müssen.
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2. Die Revision rügt dagegen zu Recht, dass die Berufungsentscheidung, soweit sie sich auf das Verpflichtungsbegehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bezieht, mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.
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a) Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof allerdings davon ausgegangen, dass der (weitere) Hauptantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zulässig ist. Zwar hat die Beklagte in der angefochtenen Widerrufsentscheidung vom 29. Mai 2006 nur das Vorliegen der seinerzeit geltenden ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 3 bis 6 AufenthG a.F. verneint. Dies hindert aber nicht, die mit Wirkung vom 28. August 2007 in das Aufenthaltsgesetz aufgenommenen neuen unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG, auf die sich der Kläger von Anfang an auch berufen hat, in das vorliegende gerichtliche Verfahren einzubeziehen. Diese Abschiebungsverbote beruhen auf Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - und sind durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz - in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden. Sie bilden nach der Rechtsprechung des Senats einen eigenständigen, vorrangig vor den verbleibenden nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. Urteile vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 9 und vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 ff.). Ob und unter welchen Voraussetzungen dieser neue Streitgegenstand - ebenso wie in asylrechtlichen Antragsverfahren - auch in Widerrufsfällen hinsichtlich des subsidiären Schutzes nach § 73 Abs. 3 AsylVfG mit Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes am 28. August 2007 im gerichtlichen Verfahren kraft Gesetzes angewachsen ist, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls dann, wenn das Bundesamt in dem Widerrufsbescheid - wie hier - über sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote sachlich entschieden hat, kann der Kläger die neuen, auf der Richtlinie beruhende subsidiären Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtliche Verfahren einbeziehen. Insoweit bedarf es nicht eines erneuten Antrags beim Bundesamt und der Durchführung eines vorherigen Verwaltungsverfahrens. Damit wird auch der den Asylprozess beherrschenden Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime Rechnung getragen, nach der am Ende eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich geklärt sein soll, ob und welchen (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsschutz der Kläger zu diesem Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) genießt.
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Der Zulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entgegen, dass das Berufungsgericht dem ersten Hauptantrag des Klägers (auf Aufhebung des Widerrufs der Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots) entsprochen hat und damit zu Gunsten des Klägers weiterhin ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht (jetzt nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) besteht. Denn ebenso wie der Ausländer im Antragsverfahren verlangen kann, dass vorrangig über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden wird, und die Feststellung eines nachrangigen Abschiebungsverbots nach nationalem Recht einer solchen Entscheidung nicht entgegensteht, kann er auch im Widerrufsverfahren eine Klärung seiner vorrangigen Ansprüche in Bezug auf die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote erstreiten. Er muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass ihm bereits ein nachrangiges Abschiebungsverbot nach nationalem Recht zusteht. Der Kläger konnte daher sein Begehren auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots neben seinem Antrag auf Aufhebung des Widerrufsbescheides in zulässiger Weise zum Gegenstand eines (weiteren) Hauptantrags machen.
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Das danach zulässige Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist auch nicht deshalb unzulässig geworden, weil das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer solchen Feststellung im Lauf des Revisionsverfahrens entfallen wäre. Zwar ist dem Kläger - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach rechtskräftig gewordener Aufhebung des Widerrufs des Abschiebungsverbots nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990/§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das Berufungsurteil inzwischen von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt worden. Dies führt indes nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses an der Zuerkennung eines unionsrechtlich begründeten subsidiären Abschiebungsverbots. Denn die mit dem subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie verbundenen Rechte erschöpfen sich nicht in der Erteilung einer (befristeten) Aufenthaltserlaubnis, sondern können sich auch sonst in vielfältiger Weise zu Gunsten des Klägers auswirken (vgl. Art. 20 ff. der Richtlinie). Zudem würde es dem Sinn und Zweck der Richtlinie, die von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Art. 18 der Richtlinie) ausgeht, widersprechen, wenn dem Kläger mit Rücksicht auf einen nach nationalem Recht erteilten befristeten Aufenthaltstitel eine Entscheidung über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots versagt würde.
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b) Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Bezug auf Afghanistan vorliegen, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz teilweise geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17, 36 und vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 11) und ist in diesem Sinne auszulegen.
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Das Berufungsgericht hat zwar das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers zutreffend bejaht (aa). Seine Auffassung, dass der Kläger im Rahmen dieses Konflikts einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, ist aber mit den rechtlichen Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht in vollem Umfang vereinbar. Insbesondere reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht für die Annahme aus, dass dem Kläger wegen eines vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugute kommt (bb). Außerdem fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass die Situation in der Herkunftsregion des Klägers durch einen so hohen Grad willkürlicher Gewalt gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre oder zumindest der Kläger als Zivilperson aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände in dieser Weise individuell bedroht wäre (cc).
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aa) Bei der Prüfung des Vorliegens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist der Verwaltungsgerichtshof von den im Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) entwickelten Grundsätzen ausgegangen und hat den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht ausgelegt, insbesondere in den vier Genfer Konventionen vom 12. August 1949 einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - hier einschlägig: Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - Zusatzprotokoll II - ZP II - (BGBl 1990 II S. 1550 <1637>). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. An diesem Ansatz hält der Senat auch angesichts des inzwischen ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji, ABl EU 2009, Nr. C 90, 4) fest, das sich mit diesem Tatbestandsmerkmal nicht näher befasst hat. Auch soweit die Gerichte des Vereinigten Königreichs in ihrer neueren Rechtsprechung eine eigenständige Auslegung der Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein nach dessen Sinn und Zweck befürworten (Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620), gibt dies aus Sicht des Senats keinen Anlass, bei der Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts von dem bisherigen Ansatz abzurücken.
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Der Ansatz des Senats sieht, wie sich aus den Ausführungen im Urteil vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) im Einzelnen ergibt, keineswegs eine bedingungslose Übernahme der Anforderungen des Art. 1 ZP II vor, sondern zielt auf eine Orientierung an diesen Kriterien, wobei daneben oder ergänzend auch die Auslegung dieses Begriffs im Völkerstrafrecht berücksichtigt werden kann (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 23). Die Orientierung am humanitären Völkerrecht bedeutet danach, dass einerseits - am unteren Rand der Skala - Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gelten (Art. 1 Abs. 2 ZP II) und andererseits - am oberen Rand der Skala - jedenfalls dann ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die Kriterien des Art. 1 Abs. 1 ZP II erfüllt sind, d.h. wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll (ZP II) anzuwenden vermögen. Für zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegende Konflikte ist die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht von vornherein ausgeschlossen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Wie der Senat ausdrücklich hervorgehoben hat, findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht sind, entgegensteht. Mit Blick auf diesen Zweck setzt nach Auffassung des Senats das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZP II; im Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 22 noch offengelassen). Vielmehr kann es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben muss. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Vorliegen eines dieser Merkmale bei der Gesamtwürdigung nicht als Indiz für die Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts von Bedeutung sein kann.
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Zusammenfassend betrachtet ist damit dem von der neueren britischen Rechtsprechung betonten Anliegen, die unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes nach der Qualifikationsrichtlinie andererseits zu beachten, hinreichend Rechnung getragen, ohne dass das Merkmal des bewaffneten Konflikts völlig losgelöst vom bisherigen Verständnis desselben Begriffs im humanitären Völkerrecht interpretiert und damit konturenlos und - entgegen dem Wortlaut der Vorschrift - praktisch entbehrlich würde.
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Gemessen an diesen Kriterien reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers, der Provinz Paktia, aus. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil finden im Osten und Süden Afghanistans zwischen den Truppen der ISAF/NATO und der afghanischen Armee einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits bürgerkriegsähnliche bewaffnete Auseinandersetzungen statt. Dies betreffe auch die im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel gelegene Provinz Paktia. Auch diese Region werde von den zunehmenden Kämpfen gegen die Taliban erfasst, deren Angriffe kriegsähnliche Dimensionen annähmen. Dies entspreche auch dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, wonach seit Frühjahr 2007 vor allem im Süden und Osten des Landes ein Anstieg der gewaltsamen Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte zu verzeichnen sei (UA S. 19 ff.). Diese Feststellungen sind jedenfalls mit Blick auf den Bericht des Auswärtigen Amtes noch ausreichend aktuell, um den Schluss auf einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Herkunftsregion des Klägers zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung zu rechtfertigen. Dass der Verwaltungsgerichtshof zum Organisationsgrad der Taliban keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat, ist nach den oben dargestellten Auslegungsmaßstäben unschädlich, da angesichts der festgestellten militärischen Stärke und "Erfolge" der Taliban in Teilen Afghanistans keine Zweifel am Vorliegen eines ausreichend intensiven und dauerhaften bewaffneten Konflikts bestehen. Vom Vorliegen eines nichtinternationalen bewaffneten Konflikts im Sinne des Völkerstrafrechts geht im Übrigen auch der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof für die Auseinandersetzungen zwischen den aufständischen Taliban und der afghanischen Regierung sowie der ISAF in Afghanistan aus (Presseerklärung vom 19. April 2010 Nr. 8/2010; vgl. hierzu auch Ambos, NJW 2010, 1725).
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bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger bei einer Rückkehr als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben (einschließlich körperlicher Unversehrtheit) infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat dies unter Anwendung der Beweiserleichterung nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie bejaht. Es ist davon ausgegangen, dass der Kläger 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung oder/und Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf in der Provinz Paktia geflüchtet ist und keine stichhaltigen Gründe dagegensprechen, dass er bei einer Rückkehr dorthin wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder jedenfalls wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der paschtunischen Männer im wehrfähigen Alter von einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban bedroht würde. Da die den Kläger infolge des bewaffneten Konflikts bedrohende Leib- und Lebensgefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den zu seiner Ausreise führenden Gründen stehe, sei die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt (UA S. 23 f.). Die so begründete Anwendung der Beweiserleichterung im Rahmen des subsidiären Schutzes ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
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(1) Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen gesetzlichen Vermutung gilt sowohl für den Flüchtlingsschutz als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie (vgl. auch § 60 Abs. 11 AufenthG). Sie setzt für den subsidiären Schutz voraus, dass der Antragsteller im Herkunftsstaat bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war (Vorschädigung). Was unter einem ernsthaften Schaden im Sinne der Richtlinie zu verstehen ist, ist in Art. 15 Buchst. a bis c der Richtlinie definiert.
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Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigen schon nicht den Schluss, dass der Kläger vor seiner Ausreise unmittelbar von einem ernsthaften Schaden in diesem Sinne bedroht war und damit die Voraussetzungen für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie überhaupt vorliegen. Dass der Kläger als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Art. 15 Buchst. c der Richtlinie) ausgesetzt war, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Insofern fehlt es für den Zeitraum vor der Ausreise des Klägers sowohl an Feststellungen zum Vorliegen eines bewaffneten Konflikts in der Heimatprovinz des Klägers als auch an jeglichen Feststellungen zum Niveau willkürlicher Gewalt und ihren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Ferner fehlt es an Feststellungen zum Bestehen einer Gefahr für Leib oder Leben des Klägers als Zivilperson.
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Auch wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass der vor der Ausreise erlittene oder unmittelbar drohende Schaden nicht notwendig ein solcher im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie sein muss, sondern auch ein Schaden nach den anderen Alternativen dieser Vorschrift sein kann - jedenfalls sofern ein innerer Zusammenhang mit dem aktuell drohenden Schaden besteht - , reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines dem Kläger vor der Ausreise unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens nach den anderen Alternativen des Art. 15 der Richtlinie nicht aus. Der Sache nach käme vorliegend nur ein Schaden im Sinne von Art. 15 Buchst. b der Richtlinie, also eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, wegen der vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen, im Jahr 2001 drohenden Zwangsrekrutierung des Klägers seitens der Taliban oder einer damit zusammenhängenden Bestrafung in Betracht. Die Feststellungen im Berufungsurteil über die Umstände der Zwangsrekrutierung reichen indes für die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK nicht aus. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger damals eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban drohte, und hat auch die näheren Umstände einer derartigen Rekrutierung (willkürlich, nach Gutdünken, ohne Rechtsgrundlage, Abtransport ohne Umstände in Militärfahrzeugen) festgestellt (UA S. 23), er hat aber keine Ausführungen dazu gemacht, dass und inwiefern darin oder in einer eventuellen Bestrafung im Falle der Verweigerung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu sehen ist. Die Zwangsrekrutierung zum Kriegsdienst stellt als solche ebenso wie die Tötung oder Verletzung im Krieg nicht ohne Weiteres eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in diesem Sinne dar. Zur Art und Weise einer Bestrafung enthält das Urteil ebenfalls keinerlei Feststellungen. Auch die Bezugnahme des Verwaltungsgerichtshofs auf die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990 durch den bestandskräftig gewordenen Bescheid des Bundesamts vom 18. Juli 2001 genügt insoweit nicht. Dieser betraf nicht die Zuerkennung von Abschiebungsschutz wegen Verletzung von Art. 3 EMRK (damals nach § 53 Abs. 4 AuslG 1990), sondern von nationalem subsidiären Abschiebungsschutz wegen sonstiger Gefahren. Dabei wurde auf die akute Gefahr für Leib und Leben durch den unvorbereiteten Einsatz in der Armee bei heftig geführten Kämpfen abgestellt und damit auf eine Gefahr, die als solche keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellt.
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Da es an ausreichenden Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger vor der Ausreise von einem ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie unmittelbar bedroht war, besteht schon keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Anwendung der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie. Auf die Frage des Zusammenhangs zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem aktuell drohenden Schaden sowie auf die Frage, ob stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Kläger erneut von einem solchen Schaden bedroht wird, kommt es daher nicht mehr an.
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Der Senat bemerkt allerdings, dass für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie nicht nur im Rahmen des Flüchtlingsschutzes sondern auch im Rahmen des subsidiären Schutzes erforderlich ist, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auch auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (vgl. auch Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - Rn. 21 zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie erstreckt. Dabei erscheint es nicht ausgeschlossen, dass etwa ein erlittener Eingriff in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 15 Buchst. b der Richtlinie durch eine der Konfliktparteien eines später entstandenen bewaffneten Konflikts, sofern nicht ohnehin eine Schutzgewährung nach dieser Alternative des Art. 15 der Richtlinie geboten ist, auch als ernsthafter Hinweis auf einen persönlichen gefahrerhöhenden Umstand im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie angesehen werden kann, der geeignet ist, schon bei einem nicht extrem hohen Niveau willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts eine erhebliche individuelle Bedrohung der betroffenen Zivilperson an Leib oder Leben anzunehmen. Dagegen dürfte sich die Vermutungswirkung insoweit nicht etwa auf das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts oder auf ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt gegen die Zivilbevölkerung erstrecken (vgl. hierzu unten (2)).
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(2) Für die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre. Das in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie genannte Merkmal der Bedrohung "infolge willkürlicher Gewalt" ist auch in der nationalen Umsetzungsvorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sinngemäß enthalten (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 36). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji a.a.O.) das Erfordernis einer ernsthaften individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie dahingehend ausgelegt, dass es sich auf schädigende Eingriffe beziehe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richteten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der Richtlinie ausgesetzt zu sein (Rn. 35). Mit Blick auf den 26. Erwägungsgrund und die Systematik des Art. 15 der Richtlinie bleibe dies allerdings einer außergewöhnlichen Situation vorbehalten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sei, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre (Rn. 36, 37). Dies sei dahin zu präzisieren, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei (Rn. 39).
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Aus diesem Verständnis der Vorschrift, das nach Auffassung des Senats der Sache nach den Ausführungen in seinem Urteil vom 24. Juni 2008 entspricht (vgl. Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 15), folgt, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Senats auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Insoweit können auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (vgl. Beschluss vom 7. August 2008 - BVerwG 10 B 39.08 - juris Rn. 4 unter Hinweis auf das Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 35; ebenso das britische AIT, Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22./23. Juli 2009, Afghanistan CG <2009> UKAIT 00044, Rn. 124 ff.).
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Hierbei ist nach den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 (Elgafaji) davon auszugehen, dass nicht nur solche Gewaltakte zu berücksichtigen sind, die die Regeln des humanitären Völkerrechts verletzen (vgl. zu dieser Auffassung auch Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 37), sondern auch andere Gewaltakte, die nicht zielgerichtet gegen bestimmte Personen oder Personengruppen, sondern wahllos ausgeübt werden und sich auf Zivilpersonen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 34). Angesichts der Auslegung des Begriffs der willkürlichen Gewalt durch den Gerichtshof, aber auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Schutzgewährung nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie kann dieser Vorschrift eine Beschränkung auf gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßenden Gewaltakte, zu denen etwa unvorhersehbare Kollateralschäden nicht zählen würden, nicht entnommen werden (so auch die neuere britische Rechtsprechung, Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620).
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Den vorgenannten Anforderungen an die Feststellung des Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. der Gefahrendichte genügt das Berufungsurteil nicht. So fehlt es schon an der zumindest annähernd ermittelten Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt lebenden Zivilpersonen. Auch die Feststellungen zur Größenordnung der zivilen Opfer sind nur kursorisch und beziehen sich auf einen länger zurückliegenden Zeitpunkt (UA S. 20). Auch deshalb kann die Berufungsentscheidung insoweit keinen Bestand haben.
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3. Eine abschließende Entscheidung des Senats auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist weder zu Gunsten noch zu Lasten des Klägers möglich. Insbesondere reichen, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, die Feststellungen des Berufungsgerichts über das Niveau willkürlicher Gewalt in der Herkunftsregion des Klägers in keinem Fall aus, um unabhängig von einer etwaigen zusätzlichen Bedrohung aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände eine individuelle Betroffenheit des Klägers im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein aufgrund seiner Anwesenheit in diesem Gebiet zu bejahen.
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Das Verfahren ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der erneuten Prüfung wird es gegebenenfalls auch die Gelegenheit haben, auf die von der Revision und dem Vertreter des Bundesinteresses in den Vordergrund gestellte Frage einzugehen, ob die inzwischen bekannt gewordene Erkrankung des Klägers an Epilepsie und sein aktueller Gesundheitszustand der Gefahr einer Zwangsrekrutierung entgegensteht.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.