Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 31. März 2016 - 3/15

bei uns veröffentlicht am31.03.2016

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Antragstellerin zu 1. ihren Antrag insgesamt zurückgenommen hat und die Antragsteller zu 2. bis 6. den Antrag insoweit zurückgenommen haben, als er sich gegen die Antragsgegnerin zu 2. gerichtet hat.

Auf den Antrag der Antragsteller zu 2. bis 6. wird festgestellt, dass der Antragsgegner zu 1. mit seiner unter dem 22. Juli 2015 verfügten Ablehnung ihres Verlangens, ihnen einen Besuch der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Nostorf-Horst zu ermöglichen, allgemeine, diesen Antragstellern aus ihrem Abgeordnetenstatus nach Art. 22 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 40 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern zustehende Selbstinformations- und Kontrollrechte verletzt hat.

Die Entscheidung ergeht kostenfrei. Der Antragsgegner zu 1. hat den Antragstellern zu 2. bis 6. die Hälfte ihrer jeweiligen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Gegenstandswert für die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller wird auf insgesamt 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

A.

1

Unter dem 06. Juli 2015 richtete der Geschäftsführer der NPD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern „im Namen der NPD-Landtagsfraktion" an das Ministerium für Inneres und Sport das Ersuchen, für die Fraktion (fünf bis sechs Personen) einen Besuch der Erstaufnahmeeinrichtung in Horst (Besichtigung der Wohneinheiten, der Sozialräume und der Küche, Gespräche mit Angestellten und Flüchtlingen bzw. Asylbewerbern) zu ermöglichen; es werde um Terminangebote in der sogenannten Sommerpause gebeten. Nachdem das Ministerium für Inneres und Sport mit Schreiben vom 22. Juli 2015 dieses Ersuchen abgelehnt hatte, machten die Antragsteller am 03. August 2015 das vorliegende Organstreitverfahren wegen Verletzung parlamentarischer Kontrollrechte gegen den Minister für Inneres und Sport (Antragsgegner zu 1.) und die Landesregierung (Antragsgegnerin zu 2.) anhängig und begehrten zugleich einstweiligen Rechtsschutz (LVerfG 4/15 e.A.).

2

Mit Beschluss vom 27. August 2015 hat das Gericht im Verfahren LVerfG 4/15 e.A. unter Ablehnung des Antrags im Übrigen im Rahmen einer einstweiligen Anordnung festgestellt, dass der Antragsgegner zu 1. allgemeine, den Antragstellern zu 2. bis 6. aus ihrem Abgeordnetenstatus nach Art. 22 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 40 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern - LV - zustehende Selbstinformations- und Kontrollrechte dadurch verletzt hat, dass er bei seiner Entscheidung vom 22. Juli 2015 über ihr Verlangen, ihnen einen Besuch der Aufnahmeeinrichtung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Nostorf-Horst zu ermöglichen, das Gewicht der das Begehren der Antragsteller verfassungsrechtlich tragenden Aspekte verkannt hat, indem er im Rahmen dieser Entscheidung eine eigene Bewertung der Notwendigkeit eines solchen Besuchs vorgenommen und für die Ablehnung zu Lasten der Antragsteller ausschlaggebend an deren inhaltliche Positionen auf einem bestimmten Gebiet der politischen Auseinandersetzung angeknüpft hat; zugleich wurde dem Antragsgegner zu 1. aufgegeben, innerhalb angemessener Frist nach Zustellung dieses Beschlusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nach Maßgabe der Gründe erneut über das Begehren der Antragsteller zu 2. bis 6. zu entscheiden.

3

Daraufhin hat der Antragsgegner zu 1. den Antragstellern zu 2. bis 6. am 28. September 2015 den Besuch der Erstaufnahmeeinrichtung in Nostorf-Horst ermöglicht. Modalitäten des Ablaufs waren ihnen zuvor unter Bezugnahme auf den Beschluss des Gerichts vom 27. August 2015 mit Schreiben vom 18. September 2015 mitgeteilt worden.

4

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 08. Oktober 2015 hat die Antragstellerin zu 1. ihren Antrag insgesamt und haben die Antragsteller zu 2. bis 6. ihren Antrag insoweit zurückgenommen, als er sich gegen die Antragsgegnerin zu 2. gerichtet hat.

5

Ihren gegen den Antragsgegner zu 1. gerichteten Antrag haben die Antragsteller zu 2. bis 6. aufrechterhalten. Zur Begründung machen sie geltend, die Weigerung des Antragsgegners zu 1., ihnen den begehrten Zugang zur Erstaufnahmeeinrichtung zu gewähren, sei rechtswidrig und habe sie in ihren parlamentarischen Informations- und Kontrollrechten aus Art. 22 Abs. 1, Art. 25, Art. 39, Art. 40 LV verletzt. Dies könne im Organstreitverfahren nach Art. 53 Nr. 1 LV i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1, §§ 36 ff. LVerfGG - dessen Voraussetzungen hier gegeben seien - festgestellt werden.

6

Die ihnen von Verfassungs wegen zustehenden parlamentarischen Informations- und Kontrollbefugnisse, denen ein besonderes Gewicht zukomme, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung gehe, erstreckten sich nicht nur auf das reine Fragerecht im engeren Sinne, sondern auch auf jede andere Form der Informationsgewinnung, soweit sie für die Wahrnehmung des parlamentarischen Kontrollauftrags gegenüber der Regierung erforderlich sei und sofern die Regierung die begehrten Informationen ohne unverhältnismäßigen Aufwand bereitzustellen vermöge. Auch ohne Ausformulierung in der Verfassung ergäben diese sich jedenfalls aus verfassungsrechtlichem Gewohnheitsrecht.

7

Ihrem Informationsverlangen, sich angesichts der derzeitigen Asyl- und Flüchtlingssituation einen persönlichen Eindruck von den Zuständen in der Einrichtung zu verschaffen und dort sowohl mit Angestellten als auch mit Bewohnern zu sprechen, könnten im konkreten Fall weder berechtigte Belange des staatlichen Geheimschutzes noch der Schutz individueller Rechte Dritter oder Belange der Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Regierung entgegengehalten werden; die im Schreiben vom 22. Juli 2015 angeführten Gründe könnten die Ablehnung nicht tragen. Weder sei auch nur ansatzweise erkennbar, inwiefern die Anwesenheit von fünf Parlamentariern Leben, Gesundheit und Sicherheit der Bewohner oder des Objekts selbst sollte gefährden können. Sollten sich Flüchtlingsorganisationen durch den Besuch provoziert fühlen und deswegen gewalttätige Proteste gegen den Besuch der Antragsteller zu befürchten sein, müssten sich notwendige Gefahrenabwehrmaßnahmen wie versammlungsrechtliche Auflagen bis hin zu Verboten gegen diese als Störer und nicht gegen sie, die Antragsteller, richten. Für das Vorliegen eines polizeilichen Notstandes sei schon gar nichts ersichtlich. Die Absicht, eine „spannungsfreien Atmosphäre" zu gewährleisten, könne die Unterbindung parlamentarischer Tätigkeiten nicht rechtfertigen; es sei das Wesen einer Demokratie, dass auch gegensätzliche Ansichten diskutiert werden könnten. Auch wiege ihr parlamentarisches Informationsinteresse schwerer als die Befindlichkeiten der Bewohner der Einrichtung. Der Antragsgegner zu 1. habe die Ablehnung des geplanten Besuchs auf keinen Fall mit den politischen Positionen der Antragsteller begründen dürfen, was er aber ausschließlich getan habe.

8

Die persönliche Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten und das direkte Gespräch mit den beteiligten Akteuren sei für sie unabdingbar, um die Arbeit der Landesregierung bzw. der ihr nachgeordneten Behörden auf dem Gebiet der Flüchtlings- und Asylpolitik verlässlich einschätzen und die Notwendigkeit weiterer parlamentarischer Initiativen abschätzen und konkretisieren zu können. Es stellten sich in der aktuellen Situation zahlreiche politische Fragen, die sie sofort - insbesondere auch durch parlamentarische Initiativen - aufgreifen wollten, z.B. zur Aufrechterhaltung der Verwaltungsvereinbarung mit der Hansestadt Hamburg.

9

Die Antragsteller zu 2. bis 6. beantragen nunmehr sinngemäß,

10

festzustellen, dass der Antragsgegner zu 1. die parlamentarischen Kontrollrechte der Antragsteller zu 2. bis 6. (Art. 22 Abs. 1, Art. 25, Art. 39, Art. 40 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern) dadurch verletzt hat, dass er es mit Schreiben vom 22. Juli 2015 abgelehnt hat, den Antragstellern einen persönlichen Besuch der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Nostorf-Horst zu ermöglichen.

11

Der Antragsgegner zu 1., der sich im Eilverfahren nicht geäußert hatte, ist der Auffassung, dass das Verfahren in der Hauptsache faktisch erledigt sei, nachdem er den Antragstellern zu 2. bis 6. am 28. September 2015 einen Besuch in der Erstaufnahmeeinrichtung in Nostorf-Horst unter den vom Gericht in seinem Beschluss vom 27. August 2015 getroffenen Maßgaben ermöglicht habe. Die näheren Einzelheiten hierzu habe man entsprechend den Ausführungen des Gerichts vorab dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller mit Schreiben vom 02. September 2015 und dem Geschäftsführer der NPD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern mit Schreiben vom 18. September 2015 mitgeteilt.

12

Die Antragsgegnerin zu 2. hat nach Rücknahme der gegen sie gerichteten Anträge ebenso auf eine Stellungnahme verzichtet wie der nach § 38 Abs. 2 LVerfGG am Verfahren beteiligte Landtag.

13

Alle Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

B.

14

Nachdem die Beteiligten gemäß § 21 Abs. 1, letzter HS LVerfGG übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, konnte das Gericht durch Beschluss entscheiden (§ 21 Abs. 2 LVerfGG).

15

Soweit - ersichtlich orientiert an den Ausführungen des Gerichts in seinem Beschluss vom 27. August 2015 im Verfahren LVerfG 4/15 e.A. - die Antragstellerin zu 1. ihren Antrag insgesamt und die Antragsteller zu 2. bis 6. ihre Anträge insoweit zurückgenommen haben, als sie gegen die Antragsgegnerin zu 2. gerichtet waren, war das Verfahren nach § 13 LVerfGG i.V.m. den einschlägigen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - über eine Klagerücknahme (§ 92 VwGO) einzustellen.

16

Der Antrag der Antragsteller zu 2. bis 6. gegen den Antragsgegner zu 1. kann im Organstreitverfahren zulässigerweise weiterhin verfolgt werden (I.) und hat in der Sache Erfolg (II.).

I.

17

Die Voraussetzungen für ein Organstreitverfahren nach Art. 53 Nr. 1 LV, § 11 Abs. 1 Nr. 1, §§ 36 ff. des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern - LVerfGG - sind gegeben (1.). Entgegen der Auffassung des Antragsgegners zu 1. hat sich das Verfahren auch nicht deswegen erledigt, weil den Antragstellern zu 2. bis 6. in der Zwischenzeit am 28. September 2015 ein Besuch in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Nostorf-Horst ermöglicht worden ist (2.).

18

1. Nach den genannten Vorschriften entscheidet das Landesverfassungsgericht über die Auslegung der Verfassung aus Anlass einer Streitigkeit über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans oder anderer Beteiligter, die durch die Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtages mit eigenen Rechten ausgestattet sind.

19

Sowohl die Antragsteller zu 2. bis 6. als Mitglieder des Landtages Mecklenburg-Vorpommern (Art. 22 und Art. 24 LV) als auch der Antragsgegner zu 1. als Minister und damit Teil des obersten Landesorgans Landesregierung (Art. 46 LV) erfüllen diese Voraussetzungen (Classen in: Classen/Litten/Wallerath, LVerf M-V, 2. Aufl. 2015, Art. 53 Rn. 8). Die unter dem 22. Juli 2015 verfügte Versagung des Antragsgegners zu 1. gegenüber den Antragstellern zu 2. bis 6., in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Landtages Mecklenburg-Vorpommern die Aufnahmeeinrichtung in Nostorf-Horst zu besuchen, stellt eine Maßnahme und damit einen im Organstreitverfahren im Sinne des § 37 Abs. 1 LVerfGG tauglichen Angriffsgegenstand dar. Der Eingang der Antragsschrift beim Landesverfassungsgericht am 07. August 2015 wahrt die maßgebliche Frist des § 37 Abs. 3 LVerfGG. Indem sich die Antragsteller zu 2. bis 6. auf die ihnen aus der Landesverfassung - insbesondere genannt haben sie Art. 22 Abs. 1, Art. 25, Art. 39 und Art. 40 LV - erwachsenden parlamentarischen Informations- und Kontrollrechte berufen, sind Fragen nach dem Umfang dieser Rechte und ihrem Gewicht im verfassungsrechtlich geprägten Verhältnis zu der eigenverantwortlichen Handlungsbefugnis eines Landesministers (§ 46 Abs. 2 LV) aufgeworfen und ist die Möglichkeit einer Verletzung oder unmittelbaren Gefährdung von durch die Landesverfassung übertragenen Rechten und Pflichten angesprochen.

20

2. Das Verfahren hat sich weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen erledigt, insbesondere auch nicht deswegen, weil den Antragstellern zu 2. bis 6. in der Zwischenzeit am 28. September 2015 ein Besuch in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Nostorf-Horst ermöglicht worden ist.

21

Allein aufgrund des Erlasses einer einstweiligen Anordnung (Beschl. v. 27.08.2015 - LVerfG 4/15 e.A.) ist eine Erledigung des vorliegenden Hauptsacheverfahrens nicht eingetreten. Zum einen bestehen verfahrensrechtliche Unterschiede zwischen Hauptsache und der auf ein summarisches Verfahren beschränkten einstweiligen Anordnung (vgl. Lechner/Zuck, BVerfGG, 7. Aufl. 2015, § 32 Rn. 14), die gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 LVerfGG ohne mündliche Verhandlung ergehen und zudem - jedenfalls theoretisch - bei weiterem Erkenntnisgewinn jederzeit wieder abgeändert werden kann (vgl. Umbach in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 32 Rn. 365). Auch ist der Verfahrensgegenstand der einstweiligen Anordnung ein anderer als im Hauptsacheverfahren, weil (nur) eine vorläufige Regelung erreicht werden soll (vgl. Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 1320 m.w.N.), die je nach den Besonderheiten des Einzelfalls inhaltlich nicht identisch mit der Entscheidung im Hauptsacheverfahren sein muss (Graßhof in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 32 Rn. 167; siehe etwas BVerfGE 129, 284; BVerfGE 82, 353) und im Einzelfall sogar über das im Hauptsacheverfahren zu Erreichende hinausgehen kann (Graßhof, a.a.O., § 32 Rn. 165 f.). Besonders augenfällig wird dies bei der vorliegenden Verfahrenskonstellation, wie ein Vergleich von Antrag und vollständigem Tenor im Beschluss vom 27. August 2015 (LVerfG 4/15 e.A.) mit Antrag und Tenor im vorliegenden Verfahren belegt.

22

Auch von einer Erledigung wegen einer - endgültigen - Vorwegnahme der Hauptsache durch die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bzw. die tatsächliche Durchführung eines Besuchs in der Aufnahmeeinrichtung am 28. September 2015 kann nicht ausgegangen werden. Ein solcher Fall könnte dann anzunehmen sein, wenn die Vorwegnahme tatsächlich in dem Sinne endgültig wäre, dass dem Antragsteller die im Hauptsacheverfahren begehrte Rechtsposition bereits im Anordnungsverfahren uneingeschränkt und unentziehbar eingeräumt worden ist (vgl. Finkelnburg/Dombert/ Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 177 m.w.N.). Dem stehen hier schon Sinn und Zweck und die besondere Rechtsstruktur eines verfassungsrechtlichen Organstreitverfahrens entgegen. Bei diesem Verfahren reicht für die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses ein objektives Interesse an der Klärung der öffentlichrechtlichen Streitigkeit aus (so BVerfGE 121, 135, 152 m.w.N. und in Auseinandersetzung mit Meinungen im Schrifttum, die in stärkerem Maße ein „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“ verlangen) und kann ein solches beispielsweise bereits im Hinblick auf die Möglichkeit der Wiederkehr einer vergleichbaren Situation fortbestehen (vgl. Umbach, a.a.O., vor §§ 17 ff. Rn. 48 und §§ 63, 64 Rn. 172 m.w.N.). Ein solches Verfahren ist nicht allein auf die Durchsetzung bestimmter Rechte, sondern im Interesse künftigen Rechtsfriedens auch auf die objektive Klärung der aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen gerichtet (vgl. Nds StGH, Urt. v. 06.11.2015 - StGH 1 bis 3/13 -, S. 11 der UA unter Hinweis auf Nds StGH, Urt. v. 22.10.2012 - StGH 1/12 -, juris Rn 50 m.w.N. zum Nachholen einer zuvor abgelehnten Auskunftserteilung).

23

Wiederholungsgefahr und Klarstellungsinteresse sind hier nicht entfallen. Angesichts der vorliegenden Verfahrenskonstellation und der anhaltenden Zuwanderungsproblematik kann das Anliegen der Antragsteller auch vom Tatsächlichen her nicht als zeitlich einmaliger Fall vor dem Ende der Sommerpause des Landtages im Jahr 2015 angesehen werden. Vielmehr dürfte die Aussage im Ersuchen vom 06. Juli 2015, wonach „um Terminangebote in der sogenannten Sommerpause“ gebeten wurde, nach ihrem objektiven Erklärungswert lediglich dahin zu verstehen sein, dass der Besuch jedenfalls zeitnah stattfinden sollte und sich dieser Zeitraum („Sommerpause“) terminlich als besonders günstig erweise. Ihr kann weder ein Aussagegehalt dahin zugemessen werden, dass mit einem einzigen Besuch dem Anliegen dauerhaft Rechnung getragen wäre, noch dahin, dass dieser Besuch zwingend nur in der Sommerpause stattfinden könnte.

24

Die Notwendigkeit weiterer Informationsbesuche in entsprechenden Einrichtungen ist aus Sicht der Antragsteller nicht auszuschließen, abgesehen davon, dass die aufgeworfenen Fragen zu Informationsbesuchen von Abgeordneten bei nachgeordneten Landesbehörden und den in diesem Zusammenhang ihnen gegenüber möglichen Vorgaben und Einschränkungen unabhängig davon, um welche Einrichtungen es im Einzelnen geht, grundsätzliche Bedeutung haben dürfte. Dem allem trägt der Beschluss vom 27. August 2015 auch durch die Formulierung Rechnung, dass „mit dieser im Eilverfahren erlassenen Anordnung ausnahmsweise die Hauptsache in gewisser Weise vorweggenommen wird“. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner zu 1. in diesem Fall und auch für die Zukunft die von den Antragstellern zu 2. bis 6. geltend gemachten Informations- und Kontrollrechte im vollen von diesen beanspruchten Umfang anerkannt hätte, sind jedenfalls nicht ersichtlich.

II.

25

In der Sache hat der Antrag der Antragsteller zu 2. bis 6. entsprechend den nachfolgend dargestellten Maßgaben Erfolg.

26

Dem Antragsgegner zu 1. oblag und obliegt in Anwendung des in Art. 46 LV verankerten Ressortprinzips die Entscheidung über den Zugang zur Aufnahmeeinrichtung in Nostorf-Horst. Die mit Schreiben vom 22. Juli 2015 den Antragstellern zu 2. bis 6. übermittelte Entscheidung über ihr Verlangen, ihnen einen Besuch der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Nostorf-Horst zu ermöglichen, kann nur dahin verstanden werden, dass einem solchen Besuch der Antragsteller zu 2. bis 6. dauerhaft die im einzelnen aufgeführten Gründe entgegenstehen.

27

Mit der diese Entscheidung tragenden Begründung hat der Antragsgegner zu 1. allgemeine, den Antragstellern zu 2. bis 6. aus ihrem Abgeordnetenstatus nach Art. 22 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 40 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern zustehende Selbstinformations- und Kontrollrechte verletzt, weil er das Gewicht der das Begehren der Antragsteller verfassungsrechtlich tragenden Aspekte verkannt hat, indem er im Rahmen der getroffenen Entscheidung eine eigene Bewertung der Notwendigkeit eines solchen Besuchs vorgenommen und für die Ablehnung zu Lasten der Antragsteller ausschlaggebend an deren inhaltliche Positionen auf einem bestimmten Gebiet der politischen Auseinandersetzung angeknüpft hat.

28

Das Gericht hält an seiner bereits im Beschluss vom 27. August 2015 vertretenen Auffassung fest, dass sich aus der in der Aufgabenzuweisung der Landesverfassung an das Verfassungsorgan Landtag u.a. enthaltenen Befugnis zur „Kontrolle der Tätigkeit der Regierung und der Landesverwaltung“ (Art. 20 Abs. 1 Satz 3 LV) und zur „Behandlung öffentlicher Angelegenheiten“ (Art. 20 Abs. 1 Satz 4 LV) allgemein in Verbindung mit dem generellen Status eines Mitglieds des Landtages (Art. 22 Abs. 1 und 2 LV) und dessen im Einzelnen gegenüber der Exekutive statuierten Rechten (Art. 39, Art. 40 LV) im Grundsatz auch ein verfassungsunmittelbares (Selbst)Informationsgewinnungsrecht ergibt, das nachgeordnete Einrichtungen des Landes und den Zugang zu diesen einschließt. Da der Gesetzgeber bisher von der in Art. 40 Abs. 4 LV eingeräumten Möglichkeit, das Nähere zu den Informationsrechten und -pflichten in einem Ausführungsgesetz zu regeln, keinen Gebrach gemacht hat (Litten in: Classen/Litten/Wallerath, LVerf M-V, 2.Aufl. 2015, Art. 40 Rn. 57; zu bisher vergeblichen Anläufen für ein Parlamentsinformationsgesetz siehe Wiegand-Hoffmeister in: Classen/Litten/Wallerath, a.a.O., Art. 39 Rn. 5), müssen sich die Antragsteller zur Durchsetzung entsprechender Rechte auch nicht auf den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten verweisen lassen (zur Abgrenzung der verfassungsrechtlichen von der einfachgesetzlichen Prüfungsebene vgl. etwa LVerfG, Beschl. v. 24.05.2012 - LVerfG 15/11-).

29

Bestätigt sieht sich das Gericht in dieser Auffassung durch eine seit Jahrzehnten unbestritten geübte parlamentarische Praxis, in deren Rahmen auch Besuche von Abgeordneten unmittelbar bei Landesbehörden unabhängig von einer ausdrücklichen Verankerung in der Landesverfassung üblich sind und ein Recht der Abgeordneten dazu von niemandem in Frage gestellt wird; dies gilt, wie nicht zuletzt die in das vorliegende Verfahren eingebrachten Beispiele zeigen, auch in Mecklenburg-Vorpommern. Nur ganz vereinzelt und dann in einer besonderen Verfahrenskonstellation sind mit einer solchen Praxis zusammenhängende Streitfragen Gegenstand von gerichtlichen Entscheidungen geworden (siehe etwa BbgVerfG, Urt. v. 28.07.2008 - VfBbg 53/06 -, LVerfGE 19, 65, zum Recht eines Landtagsabgeordneten, mit Gefangenen einer Justizvollzugsanstalt zusammenzutreffen).

30

Der Umstand, dass nur einzelne Landesverfassungen ausdrücklich nähere Regelungen zu einem solchen unmittelbaren Zugangsrecht zu Behörden und Dienststellen des Landes enthalten, sei es zugunsten jedes einzelnen Abgeordneten (so Art. 56 Abs. 3 Satz 1 BbgVerf - ausführlich hierzu siehe Kirschniok-Schmidt, Das Informationsrecht des Abgeordneten nach der Brandenburgischen Landesverfassung, S.131 ff., 174 ff.), sei es zumindest als Recht einer qualifizierten Ausschussminderheit (so etwa Art. 53 Abs. 3 Satz 1 LVerf LSA, Art. 24 Abs. 2 Satz 1 NdsVerf), erlaubt deswegen nicht den Schluss, dass diese Ausprägung des Selbstinformationsanspruchs der Abgeordneten zwingend einer ausdrücklichen Aufnahme in die Verfassung bedürfte. Vielmehr erachtet das Gericht solche Regelungen (lediglich) als Ausdruck und Bestätigung dafür, dass auch dieses Zugangsrecht nicht grenzenlos gewährt ist, sondern - wie jeweils die Frage-, Auskunfts- und Aktenvorlagerechte - unter bestimmten Umständen eingeschränkt werden darf bis hin zur gänzlichen Ablehnung (siehe etwa Art. 40 Abs. 3 LV). So verleiht das lediglich im Sinne eines ungehinderten Zutritts zu einer Behörde oder Dienststelle zu verstehende Zugangsrecht nicht zugleich zwingend das Recht, auch mit jedem Bediensteten ungehindert sprechen zu können, denn auch ein solches Gespräch kann bereits eine Auskunftserteilung darstellen, über deren Umfang der Leiter der Stelle oder der Minister zu entscheiden hat (Lieber, in: Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Art. 56 Anm. 3; Kirschniok- Schmidt, a.a.O., S. 175 f.). Es muss auch nicht unverzüglich und nicht vollständig gewährt werden (Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 54 Rn 5). Einschränkungen könnten unter verschiedensten Aspekten gerechtfertigt oder gar nach einer Güterabwägung notwendig sein. Eine solche Abwägung muss jedoch den hohen verfassungsrechtlichen Rang der Abgeordnetenrechte berücksichtigen und darf zudem den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzen.

31

Es ist somit - wie das Gericht bereits in seinem Beschluss vom 27. August 2015 (LVerfG 4/15 e.A.) ausgeführt hat - keinesfalls ausgeschlossen, dass der für die Entscheidung zuständige Antragsgegner zu 1. berechtigt ist, weitere Gesichtspunkte in seine Abwägung einzubeziehen und die näheren Einzelheiten eines Besuchs in der Erstaufnahmeeinrichtung festzulegen. So wäre er etwa, um den im Schreiben vom 22. Juli 2015 mit Blick auf das Grundgesetz zutreffend formulierten Schutzverpflichtungen gegenüber den Bewohnern der Aufnahmeeinrichtung und deren Persönlichkeitsrechten sowie Sicherheitsbedürfnissen, die sich aus der politischen Orientierung der Antragsteller ergeben können, angemessen Rechnung zu tragen, entgegen der Auffassung der Antragsteller berechtigt, Vorgaben beispielsweise zu Tag, Dauer und Ablauf des Besuchs oder auch zu räumlichen Beschränkungen (z.B. Wahrung der Abgrenzung zwischen Aufnahmeeinrichtung des Landes und Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge) zu machen; auch dürften sonstige Auflagen angeordnet werden, wenn der gebotene Schutz von Rechten und Interessen Dritter überwiegt (z.B. Ablehnung von Filmaufnahmen).

32

Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben halten die seitens des Antragsgegners zu 1. in seinem Ablehnungsschreiben vom 22. Juli 2015 aufgeführten Gründe, mit denen den Antragstellern zu 2. bis 6. der Zugang zu der Aufnahmeeinrichtung in Nostorf-Horst im Ergebnis generell versagt worden ist, nicht stand. Darin wird zwar zunächst verbal dem Grunde nach das Gewicht des in der Verfassung verankerten Informationsanspruchs jedes Abgeordneten auch in der Gestalt eines Selbstinformationsrechts durch Besuche bei Landesbehörden und -einrichtungen anerkannt. Mit der Argumentation, die schließlich zur Ablehnung geführt hat, wird dann jedoch ein Anspruch der Antragsteller zu 2. bis 6. auf Zugang zu der Aufnahmeeinrichtung des Landes in Nostorf-Horst im Ergebnis losgelöst vom Einzelfall letztlich dauerhaft allein wegen der von ihnen inhaltlich vertretenen politischen Auffassungen ausgeschlossen. Dies ist mit dem Status eines gewählten Abgeordneten ebenso wenig vereinbar wie eine parlamentarische Ordnungsmaßnahme, die vorrangig an eine Interpretation der Rede eines Abgeordneten ausgehend von einer ihm unterstellten Gesinnung anknüpft (vgl. LVerfG M-V, Urt. v. 25.06.2015 - LVerfG 9/14 -, juris).

33

Auf tatsächliche Umstände, die im Lichte der Verfassung im konkreten Einzelfall eine Einschränkung des Informationsrechts bis hin zur gänzlichen Versagung hätten rechtfertigen können, war die Ablehnung des gewünschten Besuchs in der Aufnahmeeinrichtung gegenüber den Antragstellern zu 2. bis 6. nicht gestützt. Nur solche wären aber gegebenenfalls geeignet, Landtagsabgeordneten ein Erkenntnismittel zu entziehen, das sie für ihre in formeller Hinsicht verfassungsrechtlich legitimierte politische Arbeit als Landtagsabgeordnete für erforderlich halten.

C.

34

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Bei der nach § 34 Abs. 2 LVerfGG zu treffenden Entscheidung über eine Auslagenerstattung ist hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. berücksichtigt, dass diese ihren Antrag insgesamt zurückgenommen hat, sodass kein Anlass für eine Auslagenerstattung zu ihren Gunsten besteht. Da die Antragsteller zu 2. bis 6. ihren gegen die Antragsgegnerin zu 2.gerichteten Antrag ebenfalls zurückgenommen haben, ihr gegen den Antragsgegner zu 1. gerichteter Antrag jedoch Erfolg hat, ordnet das Gericht zu ihren Gunsten die Erstattung der Hälfte der ihnen jeweils entstandenen notwendigen Auslagen durch den Antragsgegner zu 1. an.

35

Den Gegenstandswert bewertet das Gericht auf der Grundlage des § 37 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände (Bedeutung der Sache sowie Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit) sowie nicht zuletzt mit Blick auf die Parallelität der geltend gemachten Ansprüche nach billigem Ermessen antragsgemäß mit einem Betrag von insgesamt 20.000 Euro.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


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Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht Urteil, 27. Jan. 2017 - LVerfG 4/15

bei uns veröffentlicht am 27.01.2017

Tenor § 3 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, § 4 Absatz 1 Satz 1, § 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 und § 9 Absatz 1 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein vom 10. Dezember 2014 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 473)

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Tenor

§ 3 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, § 4 Absatz 1 Satz 1, § 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 und § 9 Absatz 1 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein vom 10. Dezember 2014 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 473) sind mit Artikel 57 Absatz 1 der Landesverfassung unvereinbar. Dies gilt auch für die nachfolgenden Änderungen.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die verfassungswidrige Rechtslage spätestens bis zum 31. Dezember 2020 durch eine Neuregelung zu beseitigen. Bis dahin bleiben die vorgenannten Bestimmungen weiter anwendbar.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerinnen wenden sich gegen verschiedene Vorschriften des als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 10. Dezember 2014 (GVOBl S. 473) verkündeten Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein (Finanzausgleichsgesetz – FAG –; im Folgenden: FAG 2014). Nach Maßgabe dieses Gesetzes stellt das Land den Gemeinden, Kreisen und Ämtern im übergemeindlichen Finanzausgleich Finanzmittel zur Ergänzung ihrer eigenen Einnahmekraft zur Verfügung.

I.

2

1. In Schleswig-Holstein fallen den Gemeinden, Kreisen und Ämtern, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, die durch die Erfüllung ihrer Aufgaben entstehenden Ausgaben oder Aufwendungen und Auszahlungen zur Last (§ 1 Abs. 2 FAG 2014). Da deren hieraus resultierender Finanzbedarf nicht allein durch ihre Einbeziehung in das System der vertikalen Steuerertragsaufteilung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 bis 8 des Grundgesetzes (GG) gleichmäßig gedeckt werden kann, muss ihre Finanzkraft durch finanzielle Zuweisungen ergänzt werden. Die Gemeinden, Kreise und Ämter erhalten vor diesem Hintergrund vom Land Finanzzuweisungen zur Ergänzung ihrer eigenen Einnahmen oder Erträge und Einzahlungen im Wege des kommunalen Finanzausgleichs. Insoweit regelt die Landesverfassung (LV):

Artikel 57

Kommunaler Finanzausgleich

(1) Um die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen, stellt das Land im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfügung, durch die eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gewährleistet wird.

(2) Werden die Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet, so sind dabei Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führen diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände, so ist dafür ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.

Artikel 54

Kommunale Selbstverwaltung

(1) Die Gemeinden sind berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen.

(2) Die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit die gleichen Rechte und Pflichten.

(3) Das Land sichert durch seine Aufsicht die Durchführung der Gesetze. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(4) Durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung können die Gemeinden und Gemeindeverbände zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden.

3

2. Das zum Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle gemachte Gesetz zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 10. Dezember 2014 stellt eine Neukonzeption des kommunalen Finanzausgleichs dar. Im August 2012 begann insoweit ein umfangreicher Prozess zur grundlegenden Reform des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, der maßgeblich im Beirat für den kommunalen Finanzausgleich (vgl. § 36 FAG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung vom 7. März 2011, GVOBl S. 76; jetzt § 29 FAG 2014) sowie in einer unterhalb des Beirats gegründeten Arbeitsgruppe „Kommunaler Finanzausgleich“ stattfand und an dem Vertreterinnen und Vertreter des Innenministeriums, des Finanzministeriums, der kommunalen Landesverbände und – mit Gaststatus – des Landesrechnungshofs teilnahmen. Allein zwischen Ende August 2012 und Ende November 2013 fanden insgesamt 24 Sitzungen der Arbeitsgruppe und sieben Sitzungen des Beirats statt. Im Zuge der Vorbereitung des Reformprozesses holte das Innenministerium zudem ein Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW) zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein ein. Gegenstand des Gutachtens war die sachgerechte prozentuale Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die verschiedenen kommunalen Aufgabenträger

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 1).

Dieses Gutachten wurde im November 2013 hinsichtlich mehrerer im Beratungsprozess entstandener Fragestellungen erweitert

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Ergänzende gutachterliche Stellungnahme zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, November 2013).

4

Im Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 4. März 2014 heißt es dazu unter anderem:

A. Problem

Der kommunale Finanzausgleich bedarf einer gründlichen Überprüfung und Neuordnung. (…) Der kommunale Finanzausgleich ist (…) ein historisch gewachsenes System. Eingeführt 1955, wurde er 1970 grundlegend verändert und das Gesetz neu gefasst. Seitdem hat es unzählige weitere Änderungen gegeben. Typischerweise wird das Finanzausgleichsgesetz, das FAG 2014, jedes Jahr geändert. Viele der Anpassungen der letzten Jahre und Jahrzehnte hatten kleinere Auswirkungen, manche auch sehr große. Immer aber wurden lediglich eine oder mehrere einzelne Stellschrauben des komplexen Regelwerks betrachtet und verändert. Offen blieb daher zuletzt, ob die Finanzausstattung der einzelnen Kommunen noch in geeigneter Weise der kommunalen Wirklichkeit folgte. Eine vertiefte Betrachtung war geboten, ob der kommunale Finanzausgleich insgesamt noch schlüssig und zeitgemäß ist. Dringend erforderlich war deshalb eine umfassende Gesamtschau. Zum Beispiel war zu untersuchen, ob das Verhältnis der Gemeindeaufgaben zu den Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte noch angemessen berücksichtigt wird. Auch die Maßstäbe für die Mittelverteilung innerhalb dieser großen Blöcke gehörten auf den Prüfstand. (…)

B. Lösung

Der kommunale Finanzausgleich wird gründlich, umfassend, sachgerecht und nach intensivem und langem Dialog mit der kommunalen Familie neu geordnet. Er wird transparent, effizient und besser erklär- und nachvollziehbar. Das bietet die Chance, bei vielen Kommunen eine höhere Akzeptanz zu finden. Die großen Städte wie auch der ländliche Raum mit seinen vielen kleineren Gemeinden werden gestärkt. (…) (Landtags-Drucksache 18/1659, S. 2 ff.).

5

Der Gesetzentwurf wurde nach erster Lesung federführend dem Innen- und Rechtsausschuss sowie mitberatend dem Finanzausschuss überwiesen. Im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren gingen zahlreiche Stellungnahmen ein, es wurden schriftliche und mündliche Anhörungen durchgeführt, eine Vielzahl von Änderungsanträgen bearbeitet sowie ein Ergänzungsgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung hinsichtlich der Teilschlüsselmassenbildung

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Aktualisierung der Teilschlüsselmassen im Rahmen der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, Oktober 2014)

eingeholt. Durch nicht datierten Vermerk des Innenministeriums wurde zudem der Soziallastenfaktor nach § 9 Abs. 4 FAG 2014-Entwurf neu ermittelt

(https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/K/kommunales/nzen/Downloads​/FAG/​.?__blob=&v=1),

was letztlich ebenfalls Eingang in den Gesetzestext fand.

6

Die beiden Ausschüsse schlossen die Beratung in gemeinsamer Sitzung am 5. November 2014 ab und empfahlen dem Landtag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU, FDP und PIRATEN, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der aus der Drucksache 18/2399 ersichtlichen Fassung anzunehmen. Der Landtag nahm den Gesetzentwurf in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung in seiner Sitzung vom 13. November 2014 mit 35 zu 33 Stimmen an. Das Gesetz wurde am 10. Dezember 2014 ausgefertigt, im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 30. Dezember 2014 veröffentlicht und trat am 1. Januar 2015 in Kraft. Zur Umsetzung des Gesetzes folgte für das Haushaltsjahr 2015 unter dem 22. Januar 2015 und für das Haushaltsjahr 2016 unter dem 18. Januar 2016 ein entsprechender Erlass des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten.

7

Im Rahmen des vorliegenden verfassungsgerichtlichen Verfahrens hat die Landesregierung zuletzt ein Gutachten des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln (FiFo) zur Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins vom 23. Mai 2016 eingeholt

(Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins, 23. Mai 2016).

8

3. Die für das Verfahren bedeutsamen Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes 2014 lauten in der Fassung vom 10. Dezember 2014 im Zusammenhang:

§ 3

Finanzausgleichsmasse

(1) Das Land stellt für die in § 4 bezeichneten Zuweisungen jährlich eine Finanzausgleichsmasse in Höhe von 17,83 % (Verbundsatz) der Verbundgrundlagen nach Absatz 2 zur Verfügung. Der Verbundsatz wird angepasst, wenn sich das Belastungsverhältnis zwischen dem Land einerseits und den Gemeinden, Kreisen und Ämtern andererseits wesentlich verändert. In den Jahren 2015 bis 2018 wird die Finanzausgleichsmasse für die Konsolidierungshilfen nach § 11 jährlich um 15 Millionen Euro erhöht. Zudem wird die Finanzausgleichsmasse um 11,5 Millionen Euro für die Zuweisungen für Infrastrukturlasten nach § 15 Absatz 4 erhöht.

(2) Die Verbundgrundlagen umfassen

1. das dem Land zustehende Aufkommen aus der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer (Artikel 106 Absatz 3 und Artikel 107 Absatz 1 des Grundgesetzes) unter Berücksichtigung der Zuweisungen des Landes nach § 25 Absatz 1 und § 26 Absatz 1,

2. das Aufkommen aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Grunderwerbsteuer, der Biersteuer und der Rennwett- und Lotteriesteuern mit Ausnahme der Totalisatorsteuer (Landessteuern nach Artikel 106 Absatz 2 des Grundgesetzes),

3. den dem Land zustehenden Kompensationsbetrag für die Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund (Artikel 106b des Grundgesetzes),

4. die Einnahmen des Landes aus den Ergänzungszuweisungen des Bundes (Artikel 107 Absatz 2 Satz 3 des Grundgesetzes),

5. die Einnahmen des Landes aus den Zuweisungen im Länderfinanzausgleich (Artikel 107 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes).

Hat das Land im Länderfinanzausgleich Zahlungen zu leisten, ermäßigen sich die Verbundgrundlagen um diesen Betrag.

(3) Die Finanzausgleichsmasse wird für jedes Haushaltsjahr nach den Ansätzen im Landeshaushaltsplan festgesetzt. Eine Änderung der Ansätze durch Nachtragshaushaltspläne wird für den Finanzausgleich des laufenden Haushaltsjahres nicht berücksichtigt.

(4) Ein Unterschied zwischen den Ansätzen im ursprünglichen Landeshaushaltsplan und den Ist-Einnahmen wird spätestens bei der Finanzausgleichsmasse des nächsten Haushaltsjahres berücksichtigt, das dem Zeitpunkt der Feststellung der Ist-Einnahmen folgt. Bei einem Doppelhaushalt erfolgt die Berücksichtigung des Unterschiedes spätestens bei der Finanzausgleichsmasse des übernächsten Haushaltsjahres.

§ 4

Verwendung der Finanzausgleichsmasse

(1) Die Finanzausgleichsmasse wird, soweit sie nicht für Zuweisungen nach Absatz 2 benötigt wird, verwendet für

1. Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft nach den §§ 5 bis 7 sowie eine Finanzzuweisung an die Gemeinde Helgoland nach § 8 mit einem Anteil von 35,11 %,

2. Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten nach § 9 mit einem Anteil von 49,33 %,

3. Schlüsselzuweisungen an die Zentralen Orte zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben nach § 10 mit einem Anteil von 15,56 %.

Die erste Regelüberprüfung der Aufteilung findet vor dem Finanzausgleichsjahr 2016 statt. Sie wird auf dem Referenzzeitraum der Jahre 2010 bis 2013 basieren. Die weiteren Regelüberprüfungen sollen spätestens alle vier Jahre stattfinden. Dabei wird der entsprechende Referenzzeitraum zugrunde gelegt.

(2) Aus der Finanzausgleichsmasse werden jährlich bereitgestellt für

1. die Konsolidierungshilfen nach § 11

60,0 Millionen Euro in den Jahren 2015 bis 2018,

2. die Fehlbetragszuweisungen nach § 12

30,0 Millionen Euro in den Jahren 2015 bis 2018 sowie

50,0 Millionen Euro ab dem Jahr 2019,

3. die Sonderbedarfszuweisungen nach § 13

5,0 Millionen Euro,

4. die Zuweisungen für Theater und Orchester nach § 14

37,809 Millionen Euro im Jahr 2015,

38,376 Millionen Euro im Jahr 2016,

38,952 Millionen Euro im Jahr 2017 sowie

39,536 Millionen Euro im Jahr 2018,

5. a) die Zuweisungen für Straßenbau nach § 15 Absätze 1 bis 3

24,0 Millionen Euro,

b) die Zuweisungen für Infrastrukturlasten nach § 15 Absatz 4

11,5 Millionen Euro,

6. die Zuweisungen zur Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen nach § 16

5,353 Millionen Euro,

7. die Zuweisungen zur Förderung des Büchereiwesens nach § 17

7,423 Millionen Euro im Jahr 2015,

7,534 Millionen Euro im Jahr 2016,

7,647 Millionen Euro im Jahr 2017 sowie

7,762 Millionen Euro im Jahr 2018,

8. die Zuweisungen zur Förderung von Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen nach § 18

70,0 Millionen Euro

(Vorwegabzüge). Werden für Vorwegabzüge bereitgestellte Mittel nicht benötigt, sind sie im Folgejahr den Mitteln nach Absatz 1 zuzuführen, sofern im Einzelfall nichts Abweichendes bestimmt wird.

§ 5

Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft

(1) Jede Gemeinde erhält eine Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft (Gemeindeschlüsselzuweisung), wenn ihre Steuerkraftmesszahl (§ 7) hinter ihrer Ausgangsmesszahl (§ 6) zurückbleibt.

(2) Die Gemeindeschlüsselzuweisung beträgt 70 % der Differenz zwischen Ausgangsmesszahl und Steuerkraftmesszahl (Schlüsselzahl).

(3) Erreicht die Summe aus Gemeindeschlüsselzuweisung und Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde nicht 80 % der Ausgangsmesszahl, wird die Gemeindeschlüsselzuweisung um den Differenzbetrag erhöht (Mindestgarantie). Erreicht die Summe aus Gemeindeschlüsselzuweisung, Erhöhung auf die Mindestgarantie und Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde nicht 85 % der Ausgangsmesszahl, wird die Gemeindeschlüsselzuweisung um 70 % des Differenzbetrages erhöht.

(4) Eine Gemeinde,

1. in die eine oder mehrere Gemeinden eingegliedert werden (Eingemeindung),

2. die durch Zusammenschluss mehrerer Gemeinden entsteht (Vereinigung) oder

3. in die Teile einer aufgeteilten Gemeinde eingehen (Auflösung),

erhält in den drei Finanzausgleichsjahren nach der Gebietsänderung abweichend von Absatz 1 und 2 eine Gemeindeschlüsselzuweisung in Höhe der Summe der Gemeindeschlüsselzuweisungen, die die beteiligten Gemeinden bei getrennter Betrachtung auf Basis der Steuerkraftmesszahlen und der Einwohnerzahlen (§30) im Jahr der Gebietsänderung erhalten hätten, sofern dies für die neugebildete Gemeinde im jeweiligen Finanzausgleichsjahr günstiger ist. Im Falle einer Auflösung wird die Steuerkraftmesszahl der aufgeteilten Gemeinde anteilig nach der übergegangenen Einwohnerzahl zum Zeitpunkt der Gebietsänderung berücksichtigt. Erfolgt die Gebietsänderung zum 1. Januar eines Jahres, gilt die Regelung nach Satz 1 für das Finanzausgleichsjahr der Änderung und die beiden folgenden Finanzausgleichsjahre.

§ 7

Ermittlung der Steuerkraftmesszahl

(1) Die Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde wird ermittelt, indem die Steuerkraftzahlen der Grundsteuern, der Gewerbesteuer, des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer, des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer und der Zuweisung des Landes an die Gemeinden nach § 25 zusammengezählt werden.

(2) Als Steuerkraftzahlen werden angesetzt

1. bei der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sowie bei der Grundsteuer von den Grundstücken die Messbeträge, multipliziert mit 92 % des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes für die Grundsteuer von den Grundstücken, der für den kreisangehörigen Bereich im vergangenen Jahr ermittelt wurde, mindestens jedoch 260 %,

2. bei der Gewerbesteuer die Messbeträge, multipliziert mit 92 % des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes für die Gewerbesteuer, der für den kreisangehörigen Bereich im vergangenen Jahr ermittelt wurde, mindestens jedoch 310 %, vermindert um den für die Ermittlung der Gewerbesteuerumlage maßgeblichen Prozentsatz, der im vorvergangenen Jahr Anwendung gefunden hat,

3. bei dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer das Ist-Aufkommen im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres,

4. bei dem Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer das Ist-Aufkommen im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres,

5. bei der Zuweisung des Landes an die Gemeinden nach § 25 der Zuweisungsbetrag für den Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres.

Der Faktor, der sich aus der anteiligen Berücksichtigung des gewogenen Durchschnitts des Hebesatzes nach Satz 1 Nummer 1 und 2 ergibt, wird auf einen vollen Prozentsatz abgerundet.

(3) Als Messbeträge werden die Messbeträge der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die Messbeträge der Grundsteuer von den Grundstücken und die Messbeträge der Gewerbesteuer angesetzt, die sich ergeben, wenn das Ist-Aufkommen dieser Steuern im Zeitraum vom 1. Juli des vorvergangenen Jahres bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres durch den Hebesatz des vergangenen Jahres für diese Steuern geteilt wird.

(4) Lassen sich Messbeträge nach Absatz 3 für eine Steuer nicht feststellen, weil eine Gemeinde sie nicht erhoben hat, kann das für Inneres zuständige Ministerium die Steuerkraftzahl festsetzen. Sie ist für jede Steuer nach dem Landesdurchschnitt je Einwohnerin oder Einwohner der kreisangehörigen Gemeinden im vergangenen Finanzausgleichsjahr zu bemessen.

(5) Werden in einer Verbandssatzung oder in einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung nach den §§ 5 und 18 des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Februar 2003 (GVOBl. Schl.-H. S. 122), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22. Februar 2013 (GVOBl. Schl.-H. S. 72), Bestimmungen über die Aufteilung des Grundsteueraufkommens oder des Gewerbesteueraufkommens getroffen, können diese bei der Ermittlung der Steuerkraftmesszahl berücksichtigt werden, wenn sie mindestens für die Dauer von fünf Jahren gelten.

§ 9

Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte

zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten

(1) Jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt erhält eine Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten, wenn die Umlagekraftmesszahl nach Absatz 3 vermindert um die Soziallastenmesszahl nach Absatz 4 (integrierte Messzahl) hinter der Ausgangsmesszahl nach Absatz 2 zurückbleibt. Die Schlüsselzuweisung zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten beträgt 85 % der Differenz zwischen der Ausgangsmesszahl und der integrierten Messzahl (Schlüsselzahl).

(2) Die Ausgangsmesszahl wird ermittelt, indem die Einwohnerzahl der Gemeinden des Kreises oder der kreisfreien Stadt (§ 30) mit einem einheitlichen Grundbetrag vervielfältigt wird. Dieser für die Kreise und kreisfreien Städte einheitliche Grundbetrag ist durch das für Inneres zuständige Ministerium jährlich so festzusetzen, dass der Betrag nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 für Schlüsselzuweisungen verwendet wird.

(3) Die Umlagekraftmesszahl des Kreises oder der kreisfreien Stadt wird ermittelt, indem die Umlagegrundlagen mit dem gewogenen Durchschnitt der Umlagesätze für die Kreisumlage (§ 31 Absatz 3) des vorvergangenen Jahres vervielfältigt werden. Die Umlagegrundlagen des Kreises ergeben sich aus der Summe der für die kreisangehörigen Gemeinden ermittelten Steuerkraftmesszahlen (§ 7) zuzüglich ihrer Gemeindeschlüsselzuweisungen (§ 5) und abzüglich ihrer Zahlungen in die Finanzausgleichsumlage (§ 21). Die Umlagegrundlagen der kreisfreien Stadt ergeben sich aus ihrer Steuerkraftmesszahl zuzüglich ihrer Gemeindeschlüsselzuweisung und abzüglich ihrer Zahlungen in die Finanzausgleichsumlage.

(4) Die Soziallastenmesszahl des Kreises oder der kreisfreien Stadt wird ermittelt, indem die Anzahl der Personen, die im Durchschnitt des vorvergangenen Jahres im Gebiet des Kreises oder der kreisfreien Stadt in Bedarfsgemeinschaften nach dem zweiten Buch des Sozialgesetzbuches lebten (§ 31 Absatz 4), mit 3.411 Euro vervielfältigt wird.

§ 10

Schlüsselzuweisungen an die Zentralen Orte zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben

(1) Zentrale Orte erhalten Schlüsselzuweisungen für die Wahrnehmung von Aufgaben für die Einwohnerinnen und Einwohner ihres Verflechtungsbereichs. Übergemeindliche Aufgaben sind in den Zentralen Orten zu erfüllen.

(2) Zentrale Orte im Sinne dieses Gesetzes sind die Gemeinden, die durch die Verordnung nach § 24 Absatz 3 des Landesplanungsgesetzes vom 27. Januar 2014 (GVOBl. Schl.-H. S. 8) als Zentrale Orte und Stadtrandkerne, soweit letztere nicht Ortsteil eines Zentralen Ortes sind, festgelegt sind. Maßgebend für die Zahlung der Zuweisungen an die Zentralen Orte sind die Verhältnisse am 1. Januar des Finanzausgleichsjahres.

(3) Von den nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bereitgestellten Mitteln werden verwendet für Zuweisungen an

1. die Oberzentren 56,3 %

2. die anderen Zentralen Orte 43,7 %.

(4) Die Mittel nach Absatz 3 Nummer 1 werden auf die Oberzentren im Verhältnis ihrer Einwohnerzahlen (§ 30 Absatz 1) aufgeteilt.

(5) Die Mittel nach Absatz 3 Nummer 2 werden so auf die anderen Zentralen Orte verteilt, dass die Zuweisung für

1. ein Mittelzentrum im Verdichtungsraum und ein Unterzentrum mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums 60,0 %,

2. ein Unterzentrum und einen Stadtrandkern I. Ordnung mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums 30,0 %,

3. einen ländlichen Zentralort und einen Stadtrandkern I. Ordnung 15,0 %,

4. einen Stadtrandkern II. Ordnung 7,5 %

der Zuweisung für ein Mittelzentrum beträgt, das nicht im Verdichtungsraum liegt.

(6) Sind Gemeinden nach der Verordnung nach § 24 Absatz 3 des Landesplanungsgesetzes vom 27. Januar 2014 (GVOBl. Schl.-H. S. 8) gemeinsam als Zentraler Ort oder Stadtrandkern eingestuft, wird die Zuweisung auf die Gemeinden aufgeteilt. Gehören die Gemeinden einem Kreis an und unterliegen der Kommunalaufsicht der Landrätin oder des Landrats, entscheidet diese oder dieser über die Aufteilung der Zuweisung. In allen anderen Fällen entscheidet das für Inneres zuständige Ministerium.

(7) Gemeinsame Zentrale Orte oder Stadtrandkerne nach Absatz 6 erhalten nach erfolgter gemeinsamer Einstufung in den drei folgenden Finanzausgleichsjahren eine Zuweisung mindestens in Höhe des Betrages, die den beteiligten Gemeinden ohne gemeinsame Einstufung zugestanden hätte. Absatz 6 gilt entsprechend.

(8) Zentrale Orte und Stadtrandkerne nach Absatz 2 oder 6 erhalten nach erfolgter Abstufung in den drei folgenden Finanzausgleichsjahren eine Zuweisung mindestens in Höhe des Betrages, die der Gemeinde oder den beteiligten Gemeinden ohne Abstufung zugestanden hätte. Dies gilt entsprechend

1. für den Wegfall von Einstufungen,

2. bei einer Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde (Eingemeindung),

3. bei einem Zusammenschluss einer oder mehrerer Gemeinden zu einer neuen Gemeinde (Vereinigung).

In den Fällen von Nummer 2 und 3 erhält der jeweilige Rechtsnachfolger die Zuweisung.

§ 14

Zuweisungen für Theater und Orchester

(1) Die Landeshauptstadt Kiel, die Hansestadt Lübeck und die Gemeinden und Kreise, die an der Schleswig-Holsteinischen Landestheater und Sinfonieorchester GmbH beteiligt sind, erhalten aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bereitgestellten Mitteln Zuweisungen zu den Betriebskosten oder zu den Finanzierungsanteilen an den Betriebskosten der Theater und Orchester.

(2) Über die Bewilligung der Zuweisungen entscheidet das für Kultur zuständige Ministerium.

§ 15

Zuweisungen für Straßenbau und weitere Infrastrukturlasten

(1) Von den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5a bereitgestellten Mitteln erhalten die kreisangehörigen Gemeinden als Träger der Straßenbaulast für Gemeindestraßen Zuweisungen in Höhe von 3,6 Millionen Euro für die Unterhaltung und Instandsetzung sowie den Um- und Ausbau von Gemeindestraßen. Die Zuweisungen fließen den Kreisen schlüsselmäßig zu. Den Verteilungsschlüssel bestimmt das für Verkehr zuständige Ministerium. Die Landesverbände der Gemeinden und Kreise sind vorher zu hören. Die Verwendung der Zuweisungen kann auf die Unterhaltung und Instandsetzung sowie den Um- und Ausbau von Gemeindeverbindungsstraßen beschränkt werden. Die Kreise entscheiden über die Verteilung der Zuweisungen an die Gemeinden.

(2) Von den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5a bereitgestellten Mitteln erhalten ferner

1. die Kreise und kreisfreien Städte als Träger der Straßenbaulast für Kreisstraßen

3.400 Euro,

2. die Gemeinden als Träger der Straßenbaulast für Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen

4.900 Euro

für die Unterhaltung und Instandsetzung je Kilometer dieser Straßen oder Ortsdurchfahrten. Falls die Mittel von den Trägern der Straßenbaulast nicht in vollem Umfang für Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden, können sie für den Bau und Ausbau des unter den Nummern 1 und 2 genannten Straßennetzes verwandt werden.

(3) Die verbleibenden Mittel nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5a werden verwendet für

1. den Bau und Ausbau der in Absatz 2 genannten Straßen,

2. Deckenbaumaßnahmen der in Absatz 2 genannten Straßen,

3. den Bau und Ausbau von Gemeindestraßen, soweit sie nach § 2 Nummer 1 des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes Schleswig-Holstein vom 15. Dezember 2006 (GVOBI. Schi.-H. S. 358) gefördert werden, sowie von anderen verkehrswichtigen kommunalen Straßenbaumaßnahmen,

4. Maßnahmen des ruhenden Verkehrs, soweit sie nach § 2 Nummer 3 und 4 des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes Schleswig-Holstein vom 15. Dezember 2006 (GVOBI. Schi.-H. S. 358) gefördert werden, sowie

5. Kreuzungsmaßnahmen nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. März 1971 (BGBI. I S. 337), zuletzt geändert durch Artikel 281 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBI. I S. 2407), soweit Gemeinden und Kreise als Baulastträger der kreuzenden Straße Kostenanteile zu tragen haben.

Die Mittel werden den Trägern der Straßenbaulast auf Antrag bis zur Höhe von 85 % ihrer tatsächlichen Aufwendungen gewährt; andere Zuweisungen aus öffentlichen Haushalten, die nicht in diesem Gesetz geregelt sind, sind auf die Höchstgrenze anzurechnen. Über die Höhe der Zuweisungen entscheidet das für·Verkehr zuständige Ministerium.

(4) Von den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5b bereitgestellten Mitteln erhalten die Kreise und kreisfreien Städte Zuweisungen für Maßnahmen in den Bereichen Straßenerhaltung, ÖPNV einschließlich Barrierefreiheit und Breitbandförderung in Abstimmung mit der Breitbandförderung des Landes. Die Aufteilung der Mittel erfolgt nach der Länge des jeweiligen Kreisstraßennetzes im jeweils vorvergangenen Jahr als Grundlage der Berechnung der Zuweisungen nach Absatz 2.

§ 16

Zuweisungen zur Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen

(1) Die Kreise und kreisfreien Städte erhalten aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 bereitgestellten Mitteln Zuweisungen zur Förderung

1. von Personal-, Sach- und Mietkosten von Frauenhäusern,

2. der regionalen Koordination des Kooperations- und Interventionskonzeptes bei häuslicher Gewalt sowie

3. von Frauenberatungsstellen.

(2) Statt der Mietkosten nach Absatz 1 Nummer 1 können für Kredite zur Finanzierung von Gebäuden für Frauenhäuser die tatsächlich gezahlten Zinsen und Tilgungen in vergleichbarer Höhe berücksichtigt werden.

(3) Zwischen dem Land und den jeweiligen Kreisen und kreisfreien Städten kann in Vereinbarungen geregelt werden, dass das Land die Zuweisungen nach Absatz 1 mit Wirkung für die Kommunen leistet und ihre Verwendung prüft.

(4) Über die Bewilligung der Zuweisungen entscheidet das für Soziales zuständige Ministerium.

§ 17

Zuweisungen zur Förderung des Büchereiwesens

(1) Die Gemeinden, Kreise und Ämter, die Mitglieder des Büchereivereins Schleswig-Holstein sind, erhalten aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 bereitgestellten Mitteln Zuweisungen zur Förderung des Büchereiwesens.

(2) Über die Bewilligung der Zuweisungen entscheidet das für Kultur zuständige Ministerium.

§ 18

Zuweisungen zur Förderung von Kindertageseinrichtungen und Tagespflegesteilen

(1) Die Kreise und kreisfreien Städte erhalten aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 8 bereitgestellten Mitteln Zuweisungen zur Betreuung und Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen nach § 25 Absatz 1 des Kindertagesstättengesetzes vom 12. Dezember 1991 (GVOBI. Schl.-H. S. 651 ), zuletzt geändert durch Artikel 2 Nummer 13 des Gesetzes vom 12. November 2014 (GVOBI. Schl.-H. S. 328), und in Tagespflegesteilen nach § 30 des Kindertagesstättengesetzes.

(2) Über die Bewilligung der Zuweisungen entscheidet das für Soziales zuständige Ministerium. Bei der Verteilung an die einzelnen Kreise und kreisfreien Städte berücksichtigt es insbesondere die Zahl der betreuten Kinder vom vollendeten dritten Lebensjahr in Kindertageseinrichtungen und öffentlich geförderter Kindertagespflege, die Dauer der Betreuung sowie den Anteil der Kinder aus überwiegend nicht deutschsprechenden Familien im vergangenen Jahr.

(3) Die Kreise und kreisfreien Städte können den Anteil der Zuweisung für die Betreuung von Schulkindern sowohl an Träger von Kindertageseinrichtungen (Horte) als auch an Träger von Betreuungsangeboten an Schulen mit Primarstufe und von offenen Ganztagsschulen weiterleiten.

9

4. Bereits vor Eingang des verfahrensgegenständlichen Antrags wurde durch das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2015 vom 17. Juni 2015 (GVOBl S. 163) § 3 Abs. 2 Nr. 1 FAG für das Jahr 2015 dahingehend modifiziert, dass bei den Verbundgrundlagen auch die vom Bund zur Entlastung von Ländern und Kommunen im Zusammenhang mit der Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und Gesundheitsversorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern bereit gestellten Mittel zu berücksichtigen sind.

10

Eine weitere Änderung erfuhr das Gesetz durch das Haushaltsbegleitgesetz 2016 vom 16. Dezember 2015 (GVOBl S. 500), mit dem die Finanzausgleichsmasse um Einzelbeträge für die Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen erhöht (§ 3 Abs. 1 Satz 5 FAG 2014), die zunächst nur für 2015 erfolgte Modifizierung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 FAG 2014 endgültig in das Finanzausgleichsgesetz übernommen sowie § 4 FAG 2014 in mehrfacher Hinsicht abgeändert wurden. Alle vorgenannten Änderungen wurden von den Antragstellerinnen nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

11

5. Das Finanzausgleichsystem des FAG 2014 besteht im Grundsatz aus drei zentralen Elementen: die Bestimmung des insgesamt aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellten Betrages, das heißt der sogenannten Finanzausgleichsmasse, in § 3 FAG 2014 (sogenanntevertikale Dimension des Finanzausgleichs), die nicht zweckgebundene Verteilung eines Großteils der Finanzausgleichsmasse auf die verschiedenen kommunalen Körperschaften über § 4 Abs. 1, §§ 5 bis 10 FAG 2014 (sogenanntehorizontale Dimension) sowie die zweckgebundene Verteilung eines geringeren Betrages nach § 4 Abs. 2, §§ 11 ff. FAG 2014 (sogenannte paternalistische Dimension).

12

a) § 3 FAG 2014 steuert denvertikalen Finanzausgleich über die Bildung der Finanzausgleichsmasse. Die Effektivität des kommunalen Finanzkraftausgleichs wird vor allem durch die Höhe der als Verteilungsmasse insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzausgleichsmasse bestimmt, da ein hohes Finanzausgleichsvolumen insgesamt gesehen zu einer Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung führt. Die Höhe der Finanzausgleichsmasse ist dabei determiniert durch die in § 3 Abs. 2 FAG 2014 vorgegebenen Verbundgrundlagen und den in § 3 Abs. 1 FAG 2014 vorgegebenen Verbundsatz von 17,83 %. Nach § 3 Abs. 3 FAG 2014 wird die Finanzausgleichsmasse für jedes Haushaltsjahr im Landeshaushaltsplan festgesetzt. Mit Haushaltsgesetz 2015 vom 11. Dezember 2014 (GVOBl S. 440) hat der Landtag die Finanzausgleichsmasse im Rahmen des Haushalts des Landes für das Haushaltsjahr 2015 auf 1.526.587.900 Euro festgesetzt sowie mit Haushaltsgesetz 2016 vom 16. Dezember 2015 (GVOBl S. 474) für das Jahr 2016 auf 1.505.620.800 Euro.

13

b) § 4 FAG 2014 definiert in seinem Absatz 2 die für diepaternalistische Dimension des Finanzausgleichs zur Verfügung stehenden Teilbeträge und steuert in seinem Absatz 1 zentral die Binnenaufteilung der Finanzausgleichsmasse im horizontalen Finanzausgleich.

14

Dabei wird in § 4 Abs. 2 FAG 2014 festgelegt, welche absoluten Beträge jährlich zweckgebunden für Konsolidierungshilfen, Fehlbetragszuweisungen, Theater und Orchester, Straßenbau und Infrastrukturlasten, Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen, für die Förderung des Büchereiwesens sowie für Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen zu verwenden sind. Die individuelle Verteilung der Vorwegabzugsbeträge nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 erfolgt nach §§ 11 ff. FAG 2014. Diese Vorwegabzüge – die im Jahr 2015 ungefähr 10 % der Finanzausgleichsmasse ausmachten – werden von der Finanzausgleichsmasse subtrahiert. Nur die verbleibende Differenz wird sodann zweckungebunden auf die kommunalen Körperschaften verteilt.

15

Für die Verteilung der nicht nach Absatz 2 verteilten Mittel werden gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 drei sogenannte Teilschlüsselmassen gebildet. Nach der hier verfahrensgegenständlichen Fassung des Finanzausgleichsgesetzes wurden 35,11 % als „Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich unterschiedlicher Steuerkraft“ (Nr. 1), 49,33 % als „Schlüsselzuweisung an die Kreise und kreisfreien Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten“ (Nr. 2) und 15,56 % als Schlüsselzuweisung „an die zentralen Orte zum Ausgleich übergemeindlicher Aufgaben“ (Nr. 3) verteilt. Das Gesetz folgt dabei dem sogenannten „Zwei-Ebenen-Modell“, nach dem keine spezifischen Teilschlüsselmassen für Körperschaften, sondern für Aufgabenträger gebildet werden. In der Konsequenz erhalten insbesondere kreisfreie Städte Zuweisungen aus allen drei genannten Teilschlüsselmassen, da sie sowohl Gemeindeaufgaben als auch Kreisaufgaben sowie zentralörtliche Aufgaben wahrnehmen.

16

Nach Abzug der Zweckzuweisungen gemäß § 4 Abs. 2 FAG 2014 verblieben im Jahr 2015 für zweckungebundene Schlüsselzuweisungen 1.275.502,90 Euro, welche entsprechend den Schlüsselzuweisungssätzen des § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 für Gemeinden in Höhe von 447.829.100 Euro, für Kreise und kreisfreie Städte in Höhe von 629.205.600 Euro und für übergemeindliche Aufgaben in Höhe von 198.468.200 Euro eingeplant wurden.

17

c) Ob und in welcher Höhe individuelle Gemeinden, Kreise oder kreisfreie Städte Schlüsselzuweisungen aus den derart festgestellten zweckungebundenen Teilschlüsselmassen erhalten, ergibt sich für Gebietskörperschaften mit Gemeindeaufgaben aus §§ 5 bis 8 FAG 2014 (aa), für Gebietskörperschaften mit Kreisaufgaben aus § 9 i.V.m. § 7 FAG 2014 (bb) und für Gebietskörperschaften mit zentralörtlichen Funktionen aus § 10 FAG 2014 (cc). Die individuelle Verteilung der Vorwegabzugsbeträge nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 richtet sich nach §§ 11 ff. FAG 2014.

18

aa) Die Verteilung der Teilschlüsselmasse für Gemeindeaufgaben erfolgt nach Maßgabe der §§ 5 ff. FAG 2014. Hiernach wird einer Steuerkraftmesszahl (§ 7 FAG 2014) eine Ausgangsmesszahl (§ 6 FAG 2014) gegenübergestellt. Die Höhe der jeweiligen Zuweisung beträgt dann im Grundsatz 70 % des Differenzbetrages (§ 5 Abs. 2 FAG 2014).

19

Der Steuerkraftmesszahl kommt in dieser Gleichung die Aufgabe zu, die Ertragskraft der Gemeinde abzubilden. Um zu verhindern, dass Gemeinden bewusst einen niedrigen und damit in der regionalen Konkurrenz niederlassungsfördernden Grund- beziehungsweise Gewerbesteuerhebesatz festlegen und die Steuereinbußen über den Kommunalfinanzausgleich kompensieren, wird bei der Festlegung der Steuerkraftmesszahlen nicht auf die jeweils tatsächlichen Steuereinnahmen abgestellt, sondern auf den in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 im Einzelnen definierten durchschnittlichen Hebesatz. Grundlage für die Bemessung der Schlüsselzuweisung ist damit nicht das tatsächliche Steueraufkommen, sondern ein fiktives Steuerausschöpfungspotential („Hebesatzanspannungspotential“). Datengrund-lage bei der Ermittlung dieses Durchschnitts sind die für den kreisangehörigen Bereich landesweit ermittelten Hebesätze des Vorjahres.

20

Die Ausgangsmesszahl ergibt sich aus der Multiplikation der jeweiligen Einwohnerzahl mit einem Grundbetrag nach § 6 FAG 2014. Dieser wird jährlich neu festgesetzt, und zwar so, dass die Teilschlüsselmasse für Gemeindeaufgaben insgesamt stets vollständig ausgeschöpft und an die Zuweisungsempfänger verteilt wird. Die Höhe des Grundbetrages ist damit keine selbständige Größe, sondern wie in einem System kommunizierender Röhren abhängig von den übrigen Parametern. Ist beispielsweise die Teilschlüsselmasse schlecht dotiert, reduziert sich entsprechend der Grundbetrag. Ist die Teilschlüsselmasse hingegen gut dotiert, erhöht sich der Grundbetrag.

21

bb) Auch die Zuteilung von Schlüsselzuweisungen aus der Teilmasse für Kreisaufgaben wird nach § 9 FAG 2014 anhand von mehreren Messzahlen ermittelt: der Umlagekraftmesszahl, der aus den Parametern Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und Vervielfältigungsfaktor in Höhe von 3.411 Euro zusammengesetzten Soziallastenmesszahl, der aus den Parametern Einwohnerzahl und Grundbetrag zusammengesetzten Ausgangsmesszahl sowie ergänzend dem Erstattungsschlüssel in Höhe von 85 %. In einer rechnerischen Formel lässt sich der dem Gesetz zu entnehmende Mechanismus wie folgt darstellen:

Schlüsselzuweisung =

[(Einwohnerzahl x Grundbetrag) = Ausgangsmesszahl

(Umlagekraftmesszahl – nach SGB II x 3.411 Euro> = Soziallastenmesszahl)] x 0,85

22

Der Umlagekraftmesszahl kommt dabei die Aufgabe zu, die Ertragskraft der jeweils betroffenen Körperschaft abzubilden. Sie ergibt sich für die kreisfreien Städte maßgeblich aus deren jeweiligen Steuerkraftmesszahlen (§ 9 Abs. 3 Satz 3 FAG 2014), für die Kreise aus dem Produkt von Umlagegrundlagen und durchschnittlichen Umlagesätzen (§ 9 Abs. 3 Satz 1 FAG 2014). Die Umlagegrundlagen ergeben sich wiederum aus den Steuerkraftmesszahlen der kreisangehörigen Gemeinden (§ 9 Abs. 3 Satz 2 FAG 2014).

23

Der Soziallastenmesszahl kommt die Aufgabe zu, die Belastung der jeweiligen Körperschaft mit soziallastenbedingten Kosten abzubilden. § 9 Abs. 4 FAG 2014 definiert die Soziallastenmesszahl insoweit als Multiplikation der Zahl der in Bedarfsgemeinschaften von Grundsicherung für Arbeitsuchende lebenden Personen im Kreis-/ Stadtgebiet mit einem festgeschriebenen Betrag von 3.411 Euro (im Folgenden: Vervielfältigungsfaktor). Der Vervielfältigungsfaktor wurde aus dem Quotienten der durchschnittlichen Zuschussbedarfe für Soziallasten in den Jahren 2009 bis 2012 in den kommunalen Haushalten (778.051.902 Euro) und der durchschnittlichen Zahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften im selben Betrachtungszeitraum (228.121,23) errechnet (vgl. ministerieller Vermerk, oben 2., Rn. 6).

24

Die Ausgangsmesszahl ergibt sich – wie bei den Gemeindeaufgaben – aus der Multiplikation der jeweiligen Einwohnerzahl mit einem Grundbetrag. Dieser Grundbetrag für die Berechnung der Zuweisungen nach § 9 FAG 2014 wird jährlich neu festgesetzt, und zwar ebenfalls so, dass die Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben insgesamt stets vollständig ausgeschöpft und an die Zuweisungsempfänger verteilt wird. Die Höhe dieses Grundbetrages ist damit ebenfalls keine selbständige Größe, sondern vollständig abhängig von den übrigen Parametern.

25

cc) Die Verteilung der Schlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben ist in § 10 FAG 2014 geregelt. Hiernach folgt die Einstufung der Gemeinden als „Zentrale Orte“ im Sinne des Finanzausgleichsgesetzes dem Landesplanungsrecht, namentlich der Verordnung nach § 24 Abs. 3 des Landesplanungsgesetzes vom 27. Februar 2014 (GVOBl S. 8). 56,3 % der Teilschlüsselmasse werden gemäß § 10 Abs. 3 FAG 2014 an die derart definierten Oberzentren vergeben, wobei die Mittel zwischen diesen nach Maßgabe der Einwohnerzahl aufgeteilt werden (§ 10 Abs. 3 FAG 2014). Die verbleibenden 43,7 % der Teilschlüsselmasse sind für die übrigen Zentralorte bestimmt und werden nach § 10 Abs. 5 FAG 2014 quotenmäßig mit absteigendem Umfang an die verschiedenen Zentralorte verteilt, beginnend bei den Mittelzentren außerhalb von Verdichtungsräumen bis hinab zu den Stadtrandkernen II. Ordnung. § 10 Abs. 6 bis 8 FAG 2014 enthalten weitere Spezialregelungen, insbesondere für Gemeinsame Zentrale Orte.

II.

26

1. Die Antragstellerinnen beantragen,

§ 2 Abs. 2, § 3, § 4, § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 2, § 9, § 10, §§ 14 bis 18 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein vom 10. Dezember 2014 (FAG 2014), verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom 10. Dezember 2014 (GVOBl S. 473), wegen Verstoßes gegen Art. 54 und 57 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein für nichtig zu erklären.

27

2. Zur Begründung ihrer Anträge stellen die Antragstellerinnen zunächst die aus ihrer Sicht maßgeblichen verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs dar und führen sodann hieran anknüpfend zur Verfassungswidrigkeit des Finanzausgleichsgesetzes in vertikaler sowie horizontaler Hinsicht aus.

28

a) Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Maßstäbe meinen die Antragstellerinnen – nach einleitenden Ausführungen zu Art. 28 Abs. 2 und Art. 106 GG –, dass den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften ein Anspruch auf „angemessene Finanzausstattung“ zustehe. Dieser beinhalte in seinem Kernbereich einen subjektiven Anspruch jeder einzelnen kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft auf „finanzielle Mindestausstattung“. Dieser Mindestausstattungsanspruch stelle eine absolute, unantastbare und abwägungsfeste Untergrenze der kommunalen Finanzausstattung dar. Er sei verletzt, wenn den Kommunen nur noch die Wahrnehmung der pflichtigen Aufwendungen möglich sei, ohne ihnen einen Bereich eigenbestimmter Mittelverwendung zu belassen. Dieser Anspruch stehe nicht unter einem Leistungsfähigkeitsvorbehalt des Landes. Soweit das Land nicht in der Lage sei, den Mindestanspruch zu gewährleisten, könne es – anders als die Kommunen – die finanziellen Lasten der kommunalen Ebene durch Verringerung von Aufgaben oder Herabsetzung von Standards mildern.

29

Darüber hinausgehend gebiete die kommunale Selbstverwaltungsgarantie in ihrem Randbereich, die Kommunen in angemessenem Umfang an den Einnahmen des Landes zu beteiligen. Angesprochen sei hiermit das Gebot der Verteilungssymmetrie. Nur hinsichtlich dieses Randbereichs greife der Leistungsfähigkeitsvorbehalt des Art. 57 Abs. 1 LV. Das Gebot der Verteilungssymmetrie gebiete insbesondere eine umfassende Erhebung von Einnahmen und Ausgaben beider staatlicher Ebenen sowie eine wertende Korrektur der so ermittelten Ergebnisse.

30

Aus Art. 54 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 1 LV folge eine mehrfache Begrenzung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit bei der Normierung des kommunalen Finanzausgleichs. Zum einen ergebe sich eine Pflicht des Gesetzgebers, die Angemessenheit der zur Verfügung gestellten Mittel anhand der wahrgenommenen Aufgaben zu ermitteln. Des Weiteren setze das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung der Ausgestaltungsfreiheit objektive Grenzen. Erforderlich sei insbesondere eine willkürfreie Aufteilung der zur Verfügung gestellten Mittel nach einheitlichen und sachlich vertretbaren Maßstäben. Ergänzt werde dies durch das Gebot der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit. Zudem träfen den Gesetzgeber prozedurale Pflichten, insbesondere die Pflicht zur umfassenden und transparenten Tatsachenermittlung unter Einbeziehung finanzwissenschaftlichen Sachverstandes. Der Gesetzgeber müsse die Aufgabenbelastung und die Finanzkraft der Kommunen sowie – im Randbereich – die finanzielle Leistungskraft des Landes berücksichtigen und die sich ergebenden Belange gegeneinander abwägen. Dabei müsse er zwischen dem Bedarf für Pflichtaufgaben einerseits und für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben andererseits differenzieren. Jedenfalls für die pflichtigen Selbstverwaltungs-aufgaben müsse der Bedarf realitätsgerecht ermittelt werden. Für die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben könne hingegen ein angemessener zusätzlicher Betrag vorgesehen werden.

31

b) Nach diesen Maßstäben genüge die Bestimmung der Finanzausgleichsmasse in § 3 Abs. 1 FAG 2014 nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Es fehle bereits grundlegend an einer finanzwissenschaftlichen Ergründung der Auskömmlichkeit der zur Verfügung gestellten Mittel. Soweit in dem vorbereitenden Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung für die verschiedenen Gruppen der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften Zuschussbedarfe erhoben worden seien, entspreche dies den Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung nicht. Ermittelt worden seien nur die getätigten Ausgaben ohne Berücksichtigung von unterlassenen Investitionen oder unwirtschaftlichen Ausgaben. Zudem habe das Gutachten nur die horizontale Verteilung zum Gegenstand gehabt. Auch seien die so ermittelten Ausgaben in keiner Weise den Aufgaben oder finanziellen Mitteln des Landes gegenübergestellt worden. Die Gesetzesbegründung sei ebenfalls unzureichend und teilweise widersprüchlich, etwa indem dort zwar die dramatische Entwicklung der Finanzen zumindest einiger kommunaler Selbstverwaltungskörperschaften angesprochen werde, nicht aber die nötigen Konsequenzen, nämlich eine Anhebung der Finanzausgleichsleistungen, gezogen würden. Schließlich differenzierten weder die Gesetzesbegründung noch das zugrunde liegende Gutachten zwischen freiwilligen und pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben.

32

Das in § 4 FAG 2014 angelegte Verhältnis von Zweck- zu Schlüsselzuweisungen verstoße gleichfalls gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen. Für das Jahr 2015 seien (basierend auf der Steuerschätzung vom November 2013) etwa 10 % der Verbundmasse über Zweckzuweisungen gebunden. Hierdurch – sowie durch die reine Anzahl der zweckgebundenen Zuweisungstatbestände – würden die Kommunen im Übermaß in ihrem Selbstverwaltungsrecht beeinträchtigt. Das Ausmaß der Beeinträchtigung steige dabei durch den Umstand an, dass regelmäßig Komplementärmittel der kommunalen Finanzhoheit entzogen würden.

33

c) Die in vertikaler Hinsicht bestehenden Verfahrensmängel schlügen auf die horizontale Verteilung der Finanzausgleichsmasse in § 4 Abs. 1 FAG 2014 durch. Die Verteilung der Finanzausgleichsmasse auf die drei Schlüsselmassen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 sei aber auch in sich fehlerhaft. Dem in dem Gesetzentwurf unterstellten Finanzbedarf der Kommunen liege ausdrücklich eine rein ausgabenbasierte und keine aufgabenorientierte Erhebung zugrunde, obwohl die tatsächlichen Ausgaben kein geeigneter Indikator für den objektiven Bedarf seien. Des Weiteren habe die gesetzgeberische Vorgehensweise nach dem Zwei-Säulen-Modell eine Abschichtung der Haushalte der kreisfreien Städte nach gemeindlichen Aufgaben und Kreisaufgaben erforderlich gemacht; es existiere jedoch keine abschließende Zuordnung einzelner Aufgaben zur Kreis- oder Gemeindeebene. Zudem unterschieden sich Gemeindeaufgaben in großen Gemeinden hinsichtlich Qualität und Quantität von denen im ländlichen Raum.

34

Zu § 10 FAG 2014 habe es ebenfalls keine Erhebung der tatsächlichen Aufgaben der Zentralen Orte gegeben. Das zugrunde liegende Gutachten greife wiederum nur auf Ausgaben und Zuschussbedarfe zurück. Die planerische Einordnung eines bestimmten Raumes sage wenig über den Bestand der tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben aus. Zudem würden die so definierten Kategorien vom Gesetzgeber selbst nicht durchgehalten, etwa wenn die Kosten der Schülerbeförderung ausgeklammert würden. Das Beispiel der Krankenhäuser zeige, dass eine klare Abgrenzung zwischen zentralörtlichen Aufgaben und Kreisaufgaben schwierig sei. Denkbare positive Auswirkungen einzelner Aufgaben würden nicht berücksichtigt.

35

Die Zusammenfassung von Kreisen und kreisfreien Städten in einer Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben verletze das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung, weil diese Teilschlüsselmasse nach Kriterien verteilt werde, welche die kreisfreien Städte strukturell bevorzugten. Während die kreisfreien Städte durch die Berücksichtigung von Soziallasten privilegiert würden, werde der kostentreibende Faktor Fläche zugunsten der Kreise nicht berücksichtigt. Vielmehr habe es der Gesetzgeber ausdrücklich abgelehnt, flächeninduzierte Bedarfe in den Blick zu nehmen. Die Unvergleichbarkeit der Aufgabenerfüllung von Kreisen einerseits und kreisfreien Städten andererseits mache eine derartige Erhebung jedoch erforderlich.

36

Die Systematik und Gewichtung des Soziallastenansatzes des § 9 Abs. 1 FAG 2014 verstoße gleichfalls gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot. Durch die gewählte Ausgestaltung würden die Soziallasten stets vollständig befriedigt, während alle anderen Bedarfe lediglich in Höhe von 85 % Berücksichtigung fänden. Zudem liege ein Systembruch vor, da mit den Soziallasten ein einzelnes ausgabenbezogenes Element bereits auf der Ebene der Einnahmen berücksichtigt werde. Insgesamt komme den Soziallasten durch die gewählte Ausgestaltung eine überproportionale Bedeutung für die innere Verteilung zu, da eine unterschiedliche Wertigkeit zwar verschiedener, aber allesamt pflichtiger Aufgaben zugrunde gelegt werde.

37

Bei den Vorgaben für die Ermittlung verschiedener Messzahlen habe der Gesetzgeber mehrfach gegen das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung verstoßen:

38

So benachteilige die in § 9 Abs. 3 FAG 2014 enthaltene Definition der Umlagekraftmesszahl die Kreise faktisch, indem sie die Städte „arm rechne“. Die Finanzkraft der Kreise und kreisfreien Städte werde nach § 9 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 7 Abs. 2 FAG 2014 maßgeblich von den auf 92 % nivellierten Grundsteuer- beziehungsweise Gewerbesteuermessbeträgen mitbestimmt. Die Ergebnisse entsprächen im Falle der Kreise weitgehend den tatsächlichen Einnahmen der Kreise. Die Einnahmen der Städte seien jedoch zu deren Gunsten unrealistisch schwach gewichtet. Denn die Hebesätze der kreisfreien Städte seien üblicherweise höher als die Hebesätze im kreisangehörigen Raum, so dass es durch die gewählte Methodik bewusst zu einer Unterbewertung der tatsächlichen Steuereinnahmen der kreisfreien Städte komme.

39

Zudem werde bei der Bildung der durchschnittlichen Hebesätze nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 nicht zwischen ländlichen und abgelegenen Räumen einerseits und zentralen, insbesondere städtischen Räumen andererseits differenziert. Hierdurch würden die kreisfreien Städte mit ihren hohen Hebesätzen bevorzugt. Der sich aus der Spreizung zwischen Nivellierung und Realität ergebende Effekt werde dabei durch die zu niedrige Ansetzung der Mindesthebesätze noch verstärkt. Eine weitere Benachteiligung der kreisangehörigen Gemeinden ergebe sich in diesem Zusammenhang schließlich aus den Vorgaben zur Bestimmung des maßgeblichen Durchschnitts der Hebesätze. Dieser Durchschnitt werde allein auf der Basis der Hebesätze der kreisangehörigen Gemeinden – und damit unter Ausblendung der (regelmäßig höheren) Hebesätze der kreisfreien Städte – gebildet. Dies begünstige erneut die kreisfreien Städte, deren tatsächlich höheres Steueraufkommen in der Folge teilweise unberücksichtigt bleibe.

40

Weiterhin liege eine Ungleichbehandlung der Gemeinde- und Kreisaufgaben bezogen auf die Ausgleichsquoten nach § 5 Abs. 2 beziehungsweise § 9 Abs. 1 Satz 2 FAG 2014 vor. Während bei den Gemeindeaufgaben nur ein Differenzausgleich in Höhe von 70 % erfolge (§ 5 Abs. 2 FAG 2014), betrage der Ausgleich bei den Kreisaufgaben 85 % (§ 9 Abs. 1 FAG 2014).

41

Die hinter den Positionen in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 (Theater und Orchester), Nr. 6 (Frauenhäuser) und Nr. 7 (Büchereien) FAG 2014 stehenden Bedarfe seien zugunsten der Zentralen Orte „doppelt“ berücksichtigt. Durch die dementsprechende Verringerung der für Schlüsselzuweisungen zur Verfügung stehenden Beträge wirke sich dies zulasten der übrigen Körperschaften aus.

42

Bezogen auf das Gebot der Systemgerechtigkeit rügen die Antragstellerinnen zwei Verletzungen:

43

Ein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit liege zum einen darin, dass die Aufteilung der Schlüsselmassen zwar grundsätzlich basierend auf den Zuschussbedarfen der Jahre 2009 bis 2011 berechnet worden sei. Abweichend hiervon seien die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außer Betracht gelassen worden, da diese ab 2014 vollständig vom Bund übernommen würden. Demgegenüber seien vergleichbare künftige Entlastungen auf anderer Ebene unberücksichtigt geblieben, etwa die Entlastung der Gemeinden beim Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten für unter Dreijährige. Ebenso seien feststehende Mehrbelastungen im Tarif der öffentlich Beschäftigten außer Betracht geblieben.

44

Zum anderen bevorzuge die Abschaffung der bisherigen Umlage nach § 4 des Ausführungsgesetzes zum Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches systemwidrig die kreisfreien Städte. Denn der Wegfall der Umlage werde zwar durch eine entsprechende Erhöhung des Schlüsselzuweisungsbetrages für Kreisaufgaben „kompensiert“. An dieser Schlüsselzuweisungsgruppe (und damit auch an der Erhöhung) partizipierten aber auch die kreisfreien Städte, obwohl bei diesen zuvor keine Umlage existierte, deren Wegfall zu kompensieren sein könnte.

III.

45

1. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat von einer Stellungnahme abgesehen.

46

2. Nach Auffassung der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung sind die von den Antragstellerinnen angegriffenen Regelungen verfassungskonform.

47

a) Art. 57 Abs. 1 LV sei als Gebot der Verteilungsgerechtigkeit und Verteilungssymmetrie zu verstehen, so dass es auf das ausgewogene Verhältnis der möglichst weitgehend aufgabenangemessenen Finanzausstattung des Landes und der Kommunen ankomme. Die Grunddaten der finanziellen Entwicklung beider Ebenen müssten – soweit vergleichbar – in etwa parallel verlaufen. Dies schließe ein, dass in Situationen finanzieller Restriktionen auch das Land Spar- und Konsolidierungsanstrengungen unternehmen müsse. Von der Leistungsfähigkeit des Landes losgelöste, „absolute“ Rechtspositionen der Kommunen seien hiermit unvereinbar.

48

Bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs seien zudem das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sowie das Gebot der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit zu beachten. Grundsätzlich stehe es dem Gesetzgeber frei, von einem selbst gesetzten System mit hinreichenden Gründen abzuweichen. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle sei insoweit auf eine Evidenzkontrolle begrenzt.

49

Verfahrensbezogene Pflichten träfen den Gesetzgeber im Übrigen bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs nicht. Insbesondere sei er weder verpflichtet, „wissenschaftlich“ vorzugehen, noch müsse er begründen, warum er ein Gesetz mit einem bestimmten Inhalt erlassen habe.

50

b) Gemessen an diesen Maßstäben sei das angegriffene Gesetz nicht zu beanstanden.

51

aa) Der Gesetzgeber habe die teilweise neue Technik der Verteilung der Finanzausgleichsmasse ausführlich beschrieben. Grundlage hierfür sei eine detaillierte und genaue Ermittlung der kommunalen Aufgaben und Ausgaben über einen für prognostische Betrachtungen ausreichend langen Zeitraum gewesen. Eine stärker aufgabenbezogene Betrachtung könne schon aufgrund des Wortlauts des Art. 57 Abs. 1 LV nicht verlangt werden. In die Bestimmung der erforderlichen Ausgaben flössen zudem derart viele Gestaltungs-, Ermessens- und Einschätzungsfaktoren ein, dass lediglich plausible, rational nachvollziehbare Erwägungen gefordert seien. Da es verschiedene Methoden der Bedarfserhebung gebe, stehe dem Gesetzgeber insoweit ein Spielraum zu. Der Gefahr, zu großzügiges Finanzgebaren unkritisch als Bedarf zu übernehmen beziehungsweise den Bedarf wegen finanzieller Engpässe zu niedrig anzusetzen, sei das Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung durch Durchschnittswerte aus den Daten einer Vielzahl von Kommunen und durch eine intensive Quer- und Längsschnittbetrachtung der Ist-Zuschussbedarfe je Einwohner begegnet.

52

bb) Dementsprechend stehe die in § 3 FAG 2014 zum Ausdruck kommende vertikale Finanzverteilung im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben.

53

Sowohl die Einnahmenentwicklung als auch die Auskömmlichkeit der kommunalen Finanzausstattung seien ermittelt und begründet worden. Ergänzend sei darauf zu verweisen, dass der bis 2014 negative Finanzierungssaldo des Landes im Jahr 2015 +256 Millionen Euro betragen habe, während sich der Finanzierungssaldo der Gemeinden und Gemeindeverbände seit 2011 stetig von -40 Euro/ Einwohner auf -8 Euro/ Einwohner verbessert habe. Der Befund der vertikal auskömmlichen Dotierung des Finanzausgleichs werde außerdem durch das im Verfassungsgerichtsverfahren eingeholte Gutachten des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln vom 23. Mai 2016 (zur „Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins“) belegt.

54

Es liege im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, den vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleichs nach dem Verbundquotenmodell zu organisieren. Im Übrigen werde diese Methode in den Folgejahren – verglichen mit der vorherigen Rechtslage – zu erhöhten Einnahmen der Kommunen führen.

55

Verfassungsrechtlich unproblematisch sei die Zusammensetzung der Finanzausgleichsmasse aus ungebundenen Schlüssel- und (gebundenen) Zweckzuweisungen; hierbei handele es sich um eine geläufige Regelungstechnik des kommunalen Finanzausgleichs. Zudem seien die Zuweisungstatbestände begrenzt und mit einer Höhe von 10 % ebenso unbedenklich wie die Kombination von Festbeträgen und prozentual festgelegten Beträgen.

56

cc) Bei der Ermittlung der in § 4 FAG 2014 enthaltenen Verteilungsquoten habe sich der Gesetzgeber gestützt auf das umfangreiche Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung ein umfassendes Bild über die Einnahmen- und aufgabenbezogene Ausgabensituation der Kommunen verschafft. Die Grundentscheidung des § 4 FAG für das Zwei-Ebenen-Modell sei nicht zu beanstanden und würde auch in anderen Bundesländern (Baden-Württemberg, Brandenburg, Niedersachsen und Thüringen) praktiziert. Durch diese Vorgehensweise würden Ausgabenbedarfe bei einzelnen Aufgaben verortet und hierdurch Vergleichbarkeit hergestellt. Der Einwand der Unvergleichbarkeit von Gemeindeaufgaben im ländlichen und im städtischen Raum sei ohne Grundlage. Das Gutachten habe sich mit der Abgrenzung und Bewertung der in § 4 FAG 2014 vorgesehenen zentralörtlichen Aufgaben ausführlich befasst; die von ihm herangezogenen Kriterien für die Zentralörtlichkeit einer Aufgabe entsprächen anerkannten finanzwissenschaftlichen Grundsätzen. Die Bewertung des Bedarfs für zentralörtliche Aufgaben sei ebenfalls gutachterlich fundiert und plausibel begründet.

57

In der Herausnahme der Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aus den Daten zur Ermittlung der durchschnittlichen Finanzbedarfe liege kein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit, da bei diesen – anders als bei den anderen von den Antragstellerinnen angeführten künftigen Änderungen – festgestanden habe, dass der Bund ab 2014 diese Kosten übernehmen werde.

58

Durch die Berücksichtigung der wegfallenden Kosten der Unterkunft der Arbeitsuchenden (§ 22 Abs. 1 und 7 SGB II) bei der Ermittlung der Quoten des § 4 FAG 2014 sei erstmals überhaupt Systemgerechtigkeit zwischen den Kreisen und den kreisfreien Städten hergestellt worden. Denn zuvor hätten die kreisfreien Städte die Kosten allein getragen, während die Kreise über die Umlage anteilig Rückgriff bei den Gemeinden hätten nehmen können. Die Gemeinden würden gleichfalls nicht benachteiligt, da die Verringerung der gemeindlichen Teilschlüsselmasse geringer ausfalle als die Ersparnis der Gemeinden durch Wegfall der Kreisumlage.

59

Die nach §§ 14, 16 f. FAG 2014 berücksichtigten Aufgaben seien nicht „doppelt“ bedacht worden, wie sich aus dem Ergänzungsgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus November 2013, dort Seite 6 ergebe.

60

dd) Im Hinblick auf § 5 Abs. 2 FAG 2014 und die im Vergleich zu § 9 Abs. 1 Satz 2 FAG 2014 unterschiedlichen Ausgleichswerte finde keine Ungleich-, sondern eine Gleichbehandlung der einzelnen Kommunen bei der Ermittlung der Schlüsselzuweisungen aus derselben,aufgabenbezogenen Teilschlüsselmasse statt. Auch wenn es verfassungsrechtlich keine unterschiedliche Wertigkeit der verschiedenen Aufgaben gebe, sei der Gesetzgeber nicht gehindert, mit Blick auf verschiedene Aufgaben unterschiedliche Ausgleichswerte vorzusehen, zumal dann, wenn bestimmte Aufgaben relativ oder absolut besondere Belastungen verursachten.

61

ee) Fiktive Hebesätze wie in § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 würden in allen Finanzausgleichssystemen verwendet. Eine Verpflichtung, differenziert gewogene Hebesätze in Anlehnung an die Größe der Gemeinden oder an andere Kriterien
– etwa an den Standort oder die Lage – zu bestimmen, bestehe nicht. Denn es gebe derzeit kein kohärentes Theoriedesign zur Abbildung nachweisbarer Hebesatzpotentiale. Die angesetzten fiktiven Mindesthebesätze (260 beziehungsweise 310 %) seien in der Höhe nicht zu beanstanden. Sie lägen deutlich unter den tatsächlichen Durchschnittssätzen.

62

Die kreisfreien Städte würden weder durch die Datengrundlagen noch durch den angesetzten Faktor gegenüber den Kreisen „relativ arm“ gerechnet, da die Ermittlung der Schlüsselzuweisungen nicht an kommunale Gruppen, sondern an Aufgaben anknüpfe. Im Übrigen hätten die kreisfreien Städte höhere Soziallasten zu tragen.

63

ff) Die Einführung des Soziallastenindikators in § 9 FAG 2014 sei sowohl dem Grundsatz nach als auch in der konkreten Ausgestaltung verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Ermittlung der aus Finanzkraft und Soziallastenmesszahl bestehenden integrierten Messzahl stelle eine besondere Technik zur Ermittlung der Belastung aus den sozialen Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte dar und liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Es sei im Finanzausgleichssystem nicht unüblich, bereits auf der Finanzkraftseite Faktoren für Finanzbedarfe zu berücksichtigen. Zudem würden dabei alle Kommunen gleich behandelt und es sei sowohl eine Nivellierung als auch eine Vertauschung der Finanzkraftreihenfolge ausgeschlossen.

64

Das Fehlen eines Flächenansatzes korrespondiere schlüssig mit dem Verzicht auf eine sogenannte Einwohnerwertung. Der Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, – behauptete – Kosten der Agglomeration nicht zu berücksichtigen, so dass er auch – behauptete – Kosten der Deglomeration unberücksichtigt lassen könne. Der Gesamtmechanismus sei so weniger streitanfällig und kompliziert, ohne an Genauigkeit einzubüßen. Aufgrund welcher konkreten Umstände bei der Erfüllung der jeweiligen Aufgabe aus dem Verhältnis von Einwohnerzahl und Fläche überproportional hohe Kosten entstehen könnten, erschließe sich im Übrigen nicht.

65

Nicht zu überzeugen vermöge die Übertragung der Kritik an § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 auf das Verhältnis von Kreisen zu kreisfreien Städten. Die Antragstellerinnen könnten nicht zu Recht behaupten, dass bei der Berechnung der Umlagekraftmesszahlen die kreisfreien Städte „arm gerechnet“ würden, während die Einkommenssituation der Kreise realitätsnah abgebildet werde. Denn bei der Umlagekraft der Kreise würden die Steuereinnahmen der kreisangehörigen Gemeinden nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 berücksichtigt. Im Übrigen müssten sich die kreisfreien Städte nach § 9 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 eine Kreisumlage anrechnen lassen, die sie gar nicht erzielten.

66

3. Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag, der Städteverband Schleswig-Holstein und der Schleswig-Holsteinische Landkreistag haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

67

a) Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag rügt, dass der Finanzausgleich insgesamt nicht auskömmlich dotiert sei, obwohl bereits während des Gesetzgebungsverfahrens eindeutige Indizien für die mangelhafte Finanzausstattung der Kommunen vorgelegen hätten und er ausdrücklich um Prüfung gebeten habe.

68

Leidtragende der Reform seien im Ergebnis in besonderem Maße die Gemeinden mit einer besonders geringen Steuerkraft von weniger als 500 Euro pro Einwohner. Die Erhöhung der Nivellierungssätze in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 habe zu einer weiteren Benachteiligung der kreisangehörigen Gemeinden zugunsten der Kreise geführt.

69

Soweit es um die Verteilung der Schlüsselzuweisungen für Gemeindeaufgaben gehe, sei bei der horizontalen Verteilung eine vertiefte Befassung mit gemeindlichen Aufgaben verfassungsrechtlich nicht geschuldet. Die Verteilung anhand der Parameter Steuerkraft und Einwohnerzahl habe sich bewährt. Es sei zulässig, bei der Aufteilung der Teilschlüsselmassen Zuschussbedarfe durch eine typisierende Betrachtung der Ausgaben zu ermitteln, da die Kommunen über das Ob (bei freiwilligen Aufgaben) und das Wie der Aufgabenerfüllung selbst entscheiden dürften.

70

Problematisch sei hingegen der gewählte Verteilungsmechanismus für die Teilmasse für zentralörtliche Aufgaben. Hier sei es bei der Ausgestaltung des § 10 FAG 2014 zu einer Beeinflussung des Ergebnisses durch das Ausgabeverhalten einzelner Kommunen gekommen. Zudem würden die Theater der kreisfreien Städte über eine Kombination von Vorwegabzug und Zuweisungen für zentralörtliche Aufgaben doppelt finanziert. Die Zuschussbedarfe für Berufsschulen seien unvertretbar gewichtet. Ferner seien die einheitlichen Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 FAG 2014 zu kritisieren. Demgegenüber sei die Nichtberücksichtigung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung geboten gewesen, um nicht bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes offensichtlich unzutreffende Daten zugrunde gelegt zu haben. Eine derart sicher absehbare Kostenentlastung habe es bei keinem anderen Aufgabenbereich von vergleichbarem Gewicht gegeben.

71

b) Der Städteverband Schleswig-Holstein hebt in seiner Stellungnahme hervor, dass die Kommunen in Schleswig-Holstein seit Jahren strukturell unterfinanziert seien. Die Finanzprobleme konzentrierten sich bei den kreisfreien Städten, auf die allein knapp 2/3 aller aufgelaufenen Defizite entfielen, obwohl sie nur rund 22 % der Gesamtbevölkerung stellten. Den kreisfreien Städten fehle weitgehend die Möglichkeit zur Eigenfinanzierung. Daneben zeige sich, dass viele Städte im kreisangehörigen Raum strukturell unterfinanziert seien. Besondere Disparitäten ergäben sich in Bezug auf die Möglichkeit zur Eigenfinanzierung Zentraler Orte im ländlichen Raum. Im Gegensatz hierzu zeige sich bei den Kreisen eine weitgehend stabile Haushaltsentwicklung. Der Finanzausgleich könne nicht einmal eine Mindestfinanzausstattung sicherstellen, die alle Städte und Gemeinden in die Lage versetze, ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen, ohne weitere Defizite aufzubauen.

72

Der Verfassung sei ein solcher Anspruch auf Mindestausstattung zu entnehmen, bei dem die Finanzkraft des Landes unerheblich sei. Erst jenseits dieses Kernbereichs spiele die Leistungsfähigkeit des Landes eine Rolle. Das Beispiel der Krankenhausfinanzierung zeige, dass ein bereits auf den Mindestausstattungsanspruch durchschlagender Leistungsfähigkeitsvorbehalt mit den Aufgaben- und Ausgabenverpflichtungen unvereinbar sei. Im Übrigen habe das Land im Jahr 2015 einen Überschuss von 187 Millionen Euro erwirtschaftet, während die Kommunen per Saldo mit einem Defizit von 22,3 Millionen Euro abgeschlossen hätten. Bereits dies indiziere einen Verstoß gegen die kommunale Mindestfinanzierungsgarantie.

73

Bezogen auf den horizontalen Finanzausgleich sei jedoch kein Verstoß gegen das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung oder der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit festzustellen. Aufgrund des sehr heterogenen Aufgabenbestandes der verschiedenen Kommunen bedürfe es eines politischen Einschätzungsspielraumes. Vor diesem Hintergrund sei gerade bei der Regelung über den Soziallastenausgleich und beim Gewicht der paternalistischen Dimension des Finanzausgleichs ein Verfassungsverstoß nicht zu erkennen. Im Übrigen sei das Verfahren „vorbildhaft geführt“ worden. Insbesondere sei die Neubemessung der Teilschlüsselmassen in § 4 FAG 2014 ebenso wie die Nichteinbeziehung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung positiv zu bewerten. Dass Zuschussbedarfe für Theater und Orchester doppelt angerechnet worden seien, sei nicht zu erkennen. Nur teilweise überzeuge hingegen der gewählte Zentrale-Orte-Ansatz in § 10 FAG 2014; insoweit wäre es vorteilhafter gewesen, den Status Quo vor der Reform beizubehalten.

74

c) Der Schleswig-Holsteinische Landkreistag beanstandet, dass das der Neukonzeption des Finanzausgleichs zugrunde liegende Gutachten ausschließlich von Ausgaben und nicht von Aufgaben ausgehe. Auf diesem Wege seien verhaltensgeprägte Werte und nicht objektivierte, notwendige Aufwendungen für Aufgaben Ausgangspunkt aller Überlegungen. Es hätte einer Bestandsaufnahme der tatsächlichen Kosten und ihrer Objektivierung durch ein anerkanntes Statistikverfahren bedurft. Derartige Verfahren seien verfügbar, etwa das Standardkostenmodell, ein Benchmarking, die Regressionsanalyse oder die Korridorbereinigung.

75

Unzulässig sei die Ausgestaltung der Schlüsselzuweisungen an Kreise und kreisfreie Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten nach § 9 FAG 2014. Im Prinzip werde so der typisierte Aufwand in Form der Ausgangsmesszahl mit der typisierten Finanzkraft in Form der Umlagekraftmesszahl beziehungsweise der Steuerkraftmesszahl verglichen. Durch den Abzug des typisierten Sozialaufwandes von der Ertragsseite – und nicht von der Aufwandsseite – werde dieses System durchbrochen. In der Folge werde dem vollen Aufwand in Form der Ausgangsmesszahl ein künstlich und damit systemwidrig und willkürlich verringerter Ertrag gegenübergestellt. Dadurch erhielten die Soziallasten ein doppeltes Gewicht.

76

Zu weiteren Verzerrungen führe der Umstand, dass die Ausgangsmesszahl und die Steuerkraftmesszahl nicht nach gleichen Kriterien bestimmt würden. Denn über die fiktiven Hebesätze nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 würden die Einnahmemöglichkeiten der kreisfreien Städte nur zu 73,32 %, die der Kreise aber zu 100 % angerechnet. Der einheitliche Nivellierungssatz sowohl für kreisfreie Städte als auch kreisangehörige Gemeinden trotz sehr unterschiedlicher tatsächlicher Steuerkraft führe im Ergebnis zu einer unterschiedlichen Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmekraft. Damit verstoße der Gesetzgeber gegen das Gleichbehandlungsgebot.

77

Zuletzt zeigten die Zahlen der Vierteljahresstatistik 2015, dass der ländliche Raum benachteiligt werde, indem er von der an sich positiven Entwicklung weniger profitiert habe als der städtische Raum. Die kreisfreien Städte hätten sich bei gleichzeitiger Rückführung der Kassenkredite um 10,6 % nur mit 3 % am Kreditmarkt neu verschulden müssen. Der ländliche Raum habe hingegen 10,8 % an neuen Kreditmarktmitteln bei gleichzeitiger Rückführung der Kassenkredite um 12,4 % benötigt.

B.

78

Der Antrag ist zulässig (I.), aber nur teilweise begründet (II.).

I.

79

Der Antrag ist gemäß Art. 51 Abs. 2 Nr. 2 LV i.V.m. § 3 Nr. 2, §§ 39 ff. Landesverfassungsgerichtsgesetz (LVerfGG) zulässig.

80

Für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags ist es ohne Belang, dass das verfahrensgegenständliche Finanzausgleichsgesetz zwischenzeitlich in Teilbereichen abgeändert wurde. Zwar führen die Änderungen dazu, dass das Gericht nunmehr in Teilen über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes entscheidet, welches zum Zeitpunkt der Entscheidung so nicht mehr wirksam ist. Maßgeblich ist insoweit allerdings, ob trotz Teiländerung ein objektives Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Fragen bestehen bleibt

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 - 2 BvF 1/94 -, BVerfGE 100, 249 ff., Juris Rn. 36; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsGVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 55).

81

Ein derartiges objektives Interesse ist im Kontext von Normen eines Finanzausgleichsgesetzes dann anzunehmen, wenn – wie hier – der Regelungsgehalt des angegriffenen Gesetzes lediglich leicht modifiziert wird, die Grundkonzeption jedoch für die nachfolgenden Fassungen gleich bleibt

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff., Juris Rn. 78; für Verfassungsbeschwerden: VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Mai 2006 - VfGBbg 39/04 -, BeckRS 2006, 23349. Im Ergebnis ebenso: VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007
- Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 170).

So verhält es sich hier. Die geänderten Vorschriften der § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 4 FAG 2014 lassen die angegriffene Grundkonzeption des Finanzausgleichs-gesetzes unberührt.

II.

82

Der Antrag ist nur teilweise begründet. Die zulässigerweise angegriffenen Vorschriften der § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 9 Abs. 1 FAG 2014 sind verfassungswidrig. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.

83

1. Bedenken hinsichtlich der formellen Verfassungsmäßigkeit des angegriffenen Gesetzes bestehen nicht. Verfahrensfehler im Gesetzgebungsprozess sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

84

Dies gilt auch für die die Beteiligung der kommunalen Ebene im Gesetzgebungsverfahren. Andere Verfassungsgerichte haben den jeweils einschlägigen Landesverfassungen zwar formelle Beteiligungsrechte entnommen

(StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 90 ff.; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris
Rn. 213; a.A.: LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2006 - LVerfG 1/05 -, LVerfGE 17, 297 ff., Juris Rn. 126; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 02/05 -, NdsMBl 2008, ff., Juris Rn. 70; offen gelassen: StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 173).

85

Für eine entsprechende Auslegung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein bestehen allerdings keine Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Verfassungsreform vom 2. Dezember 2014 (GVOBl 344), in deren Rahmen keine Beteiligungsrechte aufgenommen wurden. Ferner ist zumindest fraglich, ob das Argument der vorgenannten Verfassungsgerichtshöfe, es sei unmöglich, auf anderem Wege einen Schutz der finanziellen Ausstattungsansprüche zu gewährleisten, (noch) greift. Denn in einer ganzen Reihe von Bundesländern (insbesondere Hessen, Niedersachsen, Thüringen) wurden mittlerweile von den jeweiligen Verfassungsgerichten praktikable Vorgaben für die gesetzgeberische Entscheidungsfindung und die Sachverhaltsermittlung eingefordert und in der Folge hierzu Modelle der Umsetzung entwickelt. Die Einführung der in § 29 FAG 2014 vorgesehenen, umfassenden kommunalen Beteiligungsrechte („Beirat für den kommunalen Finanzausgleich“) stellt sich vor diesem Hintergrund als autonome gesetzgeberische Entscheidung dar; von Verfassungs wegen erforderlich sind derartige Beteiligungsrechte nicht.

86

2. Im Hinblick auf die materielle Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Bestimmungen ist zwischen den jeweils als verletzt gerügten Art. 57 Abs. 1 LV (a) und Art. 54 Abs. 1 LV (b) zu differenzieren. Die beiden Verfassungsnormen enthalten eigenständig nebeneinander bestehende Gewährleistungsgehalte.

87

a) Art. 57 Abs. 1 LV normiert umfassende Vorgaben für die Ausgestaltung des schleswig-holsteinischen kommunalen Finanzausgleichs. Dabei ist zwischen dessen Aussagegehalt zum vertikalen und zum horizontalen Finanzausgleich zu trennen. Art. 57 Abs. 1 LV normiert in vertikaler Hinsicht einen dynamischen, an die Höhe der allgemeinen Finanzausstattung des Landes gekoppelten kommunalen Anspruch auf angemessene Partizipation der kommunalen Ebene an der naturgemäß schwankenden Finanzausstattung des Landes (aa). Komplettiert wird dieser Anspruch auf angemessene Finanzausstattung im Hinblick auf die horizontale Verteilung der Finanzausgleichsmasse durch finanzausgleichs-spezifische Ausformungen insbesondere des allgemeinen Gleichbehandlungs-grundsatzes aus Art. 57 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 LV, Art. 3 Abs. 1 GG (bb). Hinzu kommen allgemeine Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten (cc).

88

aa) Bezogen auf die vertikale Dimension des Finanzausgleichs enthält Art. 57 Abs. 1 LV das Gebot der Verteilungssymmetrie zwischen der Landesebene und der kommunalen Ebene.

89

(1) Nach Art. 57 Abs. 1 LV stellt das Land im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfügung, durch die eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gewährleistet wird. Ziel soll dabei sein, die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen. Hieraus folgt, dass die Kommunen in angemessenem Umfang an den Einnahmen des Landes zu beteiligen sind. Art. 57 Abs. 1 LV nimmt damit das Verhältnis der Finanzausstattung des Landes zur Finanzausstattung der kommunalen Ebene in den Blick und normiert das Gebot der Verteilungssymmetrie zwischen beiden Ebenen. Er konkretisiert damit – als finanzverfassungsrechtliche Kehrseite der staatsorganisatorischen Zugehörigkeit der Kommunen zu den Ländern –

(BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 -, BVerfGE 86, 148 ff., Juris Rn. 272 f.)

die (Letzt-)Verantwortung des Landes für die Finanzausstattung der Kommunen.

90

Für ein derartiges, auf das Gebot der Verteilungssymmetrie fokussiertes, Verständnis spricht schon der Wortlaut mit seiner Gegenüberstellung von Leistungsfähigkeit der kommunalen Ebene einerseits und Leistungsfähigkeit des Landes andererseits. Bereits danach bestehen die Hauptfunktionen des kommunalen Finanzausgleichs darin, die Finanzmittel der Kommunen (vertikal) aufzustocken, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können (fiskalische Funktion), sowie die Finanzkraftunterschiede zwischen den Kommunen (horizontal) auszugleichen (redistributive Funktion). Ausdrücklich bestätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte der aktuellen Fassung des Art. 57 Abs. 1 LV. Den derzeitigen Wortlaut nahm der Schleswig-Holsteinische Landtag in 2. Lesung am 19. Mai 2010 an. Vorangegangen war ein entsprechender Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW. In diesem wurde zugleich die Begründung neu gefasst. Sie stellt nun ausdrücklich klar,

dass für den kommunalen Finanzausgleich auch der Grundsatz der Verteilungssymmetrie im Sinne einer Verteilungsgerechtigkeit zwischen dem Land sowie den Gemeinden und Gemeindeverbänden gilt (Landtags-Drucksache 17/546, S. 3 f.).

91

Das Gebot der Verteilungssymmetrie fordert eine gerechte und gleichmäßige Verteilung der im Land insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel auf die kommunale Ebene einerseits und die Landesebene andererseits. Dabei ist die Finanzausstattung beider Ebenen gleichermaßen in den Blick zu nehmen, so etwa der Umstand, dass das Land Schleswig-Holstein derzeit unverändert (neben Berlin, Bremen, dem Saarland, Sachsen-Anhalt) jährliche Finanzzuweisungen nach dem Konsolidierungshilfengesetz vom 10. August 2009 (BGBl I S. 2702, 2705) erhält und zu entsprechenden Konsolidierungsleistungen verpflichtet ist (§ 2 Konsolidierungshilfengesetz). Reichen die verfügbaren Mittel nicht aus, ist eine ausgewogene Aufteilung der Mangellage auf Land und Kommunen durch eine beiderseitige Reduzierung der zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Verfügung stehenden Mittel geboten

(vgl. für die Parallelbestimmungen anderer Flächenländer: StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl 2008, 488 ff., Juris Rn 68; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris
Rn. 49 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, LVerfGE 22, 547 ff., Juris Rn. 82 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, DVBl 2012, 432 ff., Juris Rn. 25; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris Rn. 92 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 53).

92

(2) Ausgangspunkt der weiteren verfassungsrechtlichen Auslegung des Art. 57 Abs. 1 LV in vertikaler Hinsicht ist der Umstand, dass die darin enthaltenen prägenden Begriffe der „Angemessenheit“ und der „Leistungsfähigkeit des Landes“ dem Gesetzgeber bei der Umsetzung des Symmetriegebots nach Art. 57 Abs. 1 LV in der vertikalen Dimension einen weiten Einschätzungsspielraum belassen. Verfassungsgerichtlich überprüfbar ist dementsprechend nur die Frage, ob der Gesetzgeber sich bei der gefundenen Regelung innerhalb seines weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes bewegt hat oder aber dessen – im Folgenden zu bestimmenden – Grenzen überschritten hat

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 125 ff.; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl 2008, 488 ff., Juris Rn 68; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011
- LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 47; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 112).

93

(a) Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung des vom Gesetzgeber für richtig befundenen Ergebnisses kommt nicht in Betracht (). Die verfassungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf die Wahrung von Verfahrens-, insbesondere Sachverhaltsermittlungs- und Abwägungspflichten ().

94

(aa) Eine Ergebniskontrolle, das heißt eine inhaltliche Überprüfung, ob die konkret festgesetzte Finanzausgleichsmasse der Höhe nach „angemessen“ oder (mit Blick auf den Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum) jedenfalls „eindeutig unangemessen“ ist, scheidet aus. Das Landesverfassungsgericht trägt damit dem Umstand Rechnung, dass das Ergebnis der Festlegung der Finanzausgleichsmasse zu einem großen Teil Ausdruck politischer Wertungen ist, die sich direkter gerichtlicher Überprüfung entziehen. Hinzu kommt, dass sich die „angemessene“ Ausstattung nicht durch konkret bestimmbare Maßstäbe, Parameter, Kennziffern, Beträge oder Quoten quasi objektiv-wissenschaftlich festlegen lässt. Die verfassungsgerichtlichen Kontrollmöglichkeiten stoßen schließlich bei Berücksichtigung des Erfordernisses schwieriger Prognosen über den Umfang von Einnahmen, Ausgaben und Aufgaben an ihre Funktionsgrenze

(vgl. StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 95; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris
Rn. 83 f.; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007
- Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 209 ff.; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl 2008, 488 ff., Juris Rn. 69; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 14 ff., Juris Rn. 83).

95

(bb) Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass jedwede verfassungsgerichtliche Kontrolle der vertikalen Ausgestaltung des Finanzausgleichs entfiele. Verfassungsrechtlich geboten und möglich ist jedenfalls eine gerichtliche Überprüfung, ob dem Gesetzgeber bei der Ermittlung der Grundlagen seiner Berechnungen, seinen Prognosen und seinen Wertungen Fehler unterlaufen sind, die mit den Gewährleistungen des Art. 57 Abs. 1 LV nicht zu vereinbaren sind. Dasselbe gilt für die Frage, ob der Gesetzgeber den maßgeblichen Sachverhalt vertretbar ermittelt hat

(vgl. VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007
- Vf. 15-VII-05 -, a.a.O., Juris Rn. 212 ff.; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, a.a.O., Juris Rn. 69; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, a.a.O., Juris Rn. 83; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 24/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 46 ff.).

96

Einer derartigen Konkretisierung der sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Anforderungen für das Verfahren der Ausgestaltung des vertikalen Finanzausgleichs stehen im Ergebnis nicht die verschiedentlich erhobenen Einwände gegen derartige Vorgaben für das „innere Gesetzgebungsverfahren“ entgegen, wie sie etwa vom ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts anlässlich seiner Entscheidung zum Asylbewerberleistungsgesetz oder aus der Rechtswissenschaft unter Verweis auf den politischen Charakter des Gesetzgebungsverfahrens geäußert wurden

(BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 -, BVerfGE 132, 134 ff., Juris Rn. 70 f; dabei in deutlicher Abgrenzung zur vorherigen Entscheidung desselben Senats vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 -, BVerfGE 125, 175 ff., Juris Rn. 143 f. und ebenfalls im Dissens zum zweiten Senat, der unverändert von der Möglichkeit ausgeht, dem Gesetzgeber aus spezifischen Bestimmungen des Grundgesetzes heraus Ermittlungs- und Begründungspflichten aufzuerlegen, so etwa in den Urteilen vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, BVerfGE 130, 263 ff., Juris Rn. 164 f. und vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, BVerfGE 139, 64 ff., Juris Rn. 129 f.; vgl. hierzu auch: Sanders/ Preisner, DÖV 2015, 761 <764 f.> m.w.N.; Roßmüller, Schutz der kommunalen Finanzausstattung durch Verfahren, 2009, S. 112 ff.).

97

Denn jedenfalls im Kontext des kommunalen Finanzausgleichsrechts lassen sich aus der Struktur und dem Inhalt der Finanzgarantien des Art. 57 Abs. 1 LV Vorgaben für das der Normierung des kommunalen Finanzausgleichsgesetzes vorausgehende Gesetzgebungsverfahren ableiten, welche dieses strukturieren und inhaltlich bestimmen. Hierdurch kann der gesetzgeberische Entscheidungsprozess gerichtlich nachgeprüft und somit letztlich eine gewisse verfassungsrechtliche Bindung der Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs sichergestellt werden

(vgl. VerfGH Thüringen, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 -, ThürVGRspr. 2006, 165 ff., Juris Rn. 155 ff.).

98

(b) Geprägt wird die verfahrensbezogene Kontrolle durch die verfassungsrechtlich vorgegebene Struktur des Art. 57 Abs. 1 LV (), durch weitere, sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebende Vorgaben an die im Gesetzgebungsverfahren erforderliche Sachverhaltsermittlung () sowie durch das dieses ergänzende Transparenzgebot ().

99

(aa) Aus dem Symmetriegebot folgt, dass vom Gesetzgeber zu fordern – und entsprechend vom Landesverfassungsgericht zu prüfen – ist, dass er sich im Zuge der Normierung des kommunalen Finanzausgleichs die Finanzausstattung sowohl der Landesebene als auch der kommunalen Ebene vor Augen hält und diese mit dem Ziel einer verteilungsgerechten Abwägungsentscheidung einander gegenüber stellt. Gefordert ist damit ein substantieller Ebenenvergleich. Ein solcher Ebenenvergleich erfordert zumindest, dass

- die Finanzkraft von Kommunen und Land,

- der Finanzbedarf von Kommunen und Land und

- die sich aus der gegebenenfalls bestehenden Differenz ergebende Finanzentwicklung der kommunalen Ebene und der Landesebene

für alle an dem Finanzverbund Beteiligten nachvollziehbar unter Beachtung der Gleichrangigkeit der Aufgaben von Land und Kommunen fachkundig analysiert, bewertet, gewichtet und zueinander in Beziehung gesetzt werden

(vgl. StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 84 ff., 95; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 217; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011
- VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 89, 118, 126; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 49 ff.).

100

Dabei gelten die vorgenannten Anforderungen für die – hier vorliegende – grundlegende Neuausrichtung des kommunalen Finanzausgleichs. Inwieweit die Anforderungen abzuschwächen sind, wenn ein den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechender Gesetzgebungsprozess bereits abgeschlossen ist und lediglich eine Fortschreibung erfolgt, kann in diesem Verfahren dahinstehen. Jedenfalls erforderlich ist dann, dass sich der Gesetzgeber mit erkennbaren Veränderungen der Finanzbedarfe von Land und Kommunen auseinandersetzt und erforderlichenfalls die Finanzmittelverteilung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Landes anpasst. Nur bei signifikanten Veränderungen sind erneute, gegebenenfalls auf die veränderten Faktoren beschränkte, Erhebungen nötig

(vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, a.a.O., Juris Rn. 49 ff.; VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff.; Juris Rn. 93).

101

(bb) In der Durchführung dieses Ebenenvergleiches kommt dem Gesetzgeber ein weiter methodischer Gestaltungsspielraum zu. Art. 57 Abs. 1 LV legt den Gesetzgeber nicht auf ein bestimmtes methodisches Vorgehen fest. Im Grundsatz steht es dem Gesetzgeber frei zu entscheiden, welche Methodik er wählt und wie er diese im Einzelnen ausgestaltet. Dies gilt umso mehr, als es keine wissenschaftlich unumstrittenen Ansätze für den Symmetrievergleich gibt. Das Landesverfassungsgericht überschritte seine Kompetenzen, wenn es dem Gesetzgeber insoweit methodische Vorgaben setzen würde. Es ist nicht seine Aufgabe, eine Auswahl aus den verschiedenen denkbaren Prüfansätzen (etwa Gegenüberstellung der Kommunalisierungsgrade von Ausgaben und Einnahmen, Vergleich der Deckungsquoten auf Landes- und Kommunalebene, vergleichende Betrachtung der Finanzierungssalden und der jeweiligen Verschuldungssituation, Vergleich mit der finanziellen Lage der Kommunen in anderen Bundesländern) vorzugeben

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 2/05 -, NdsMBl 2008, 488 ff., Juris Rn. 69 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, DVBl 2012, 432 ff., Juris Rn. 26; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014
- VerfGH 14/11 -, a.a.O., Juris Rn. 49 ff.; wohl ebenso: VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 125 ff.; Volkmann, DÖV 2001, 497 <502>).

102

Nicht zwingend ergibt sich aus Art. 57 Abs. 1 LV eine Verengung der Methodenfreiheit des Gesetzgebers auf bestimmte wissenschaftlich gestützte, „modellbasierte“ umfassende und empirische Bedarfsanalysen, wie sie von einigen Landesverfassungsgerichten mit dem Ziel einer umfassenden Ermittlung insbesondere des kommunalen Finanzbedarfs eingefordert wurden

(vgl. etwa VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 86).

103

Dieser Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum findet seine Grenzen in dem aus der Struktur des Art. 57 Abs. 1 LV zu entnehmenden Gebot eines zumindestbedarfsorientierten Vorgehens. Erforderlich ist, dass der Gesetzgeber sich mit der jeweils gewählten Methodik den tatsächlichen Bedarfen der zu vergleichenden Ebenen substantiell annähert. Der Gesetzgeber ist damit in der Pflicht sicherzustellen, dass der anzustellende Ebenenvergleich auf einer bedarfsorientierten Erfassung der einzelnen aufgezeigten Vergleichselemente beruht. Je mehr sich der Gesetzgeber in der Wahl seiner Methodik auf abstrakte Kennzahlen und Statistiken, welche auf dem reinen Ausgabeverhalten beruhen, stützen will, desto intensiver muss er sich jeweils die hiermit verbundenen Nachteile und Risiken des gewählten Ansatzes verdeutlichen und erkennbare Schritte unternehmen, um diese auf ein vertretbares Maß abzumildern. Will sich der Gesetzgeber maßgeblich auf solche statistischen Angaben beziehen, so muss sich aus der durchgeführten Gesamtanalyse ergeben, dass er sich im Rahmen des Möglichen bemüht hat, den Schritt von der unkritischen Betrachtung rein ausgabenbezogenen Datenmaterials zu einer gewichteten und bewerteten Analyse echter Bedarfe zu vollziehen

(vgl. StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 98; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 125 ff.; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 116 ff.; Schmitt, DÖV 2013, 452 <459>).

104

Nicht den Vorgaben des Art. 57 Abs. 1 LV entspricht damit ein Vorgehen, das sich allein auf die nur das tatsächliche Ausgabeverhalten der Kommunen und des Landes wiedergebenden (Kommunal-) Statistiken stützt, ohne zumindest kontrollierend Betrachtungen des tatsächlichen Bedarfs einzuführen. Denn der damit vollzogene Schluss von Ausgaben in der Vergangenheit auf tatsächliche Bedarfe auf kommunaler- beziehungsweise Landesseite ist regelmäßig zur adäquaten Erfassung der Bedarfe nicht hinreichend, und zwar in mehrfacher Hinsicht:

105

Erstens können auf dieser Datenbasis chronische Unterfinanzierungen bestimmter Bereiche aus dem Blick geraten. Exemplarisch genannt sei die Möglichkeit, dass zur angemessenen Aufgabenerfüllung an sich erforderliche Personalausgaben aufgrund unbesetzter Stellen gar nicht (mehr) anfallen und entsprechend nicht als Bedarfe in Erscheinung treten. Gleiches gilt, wenn Aufgaben aufgrund nicht vorhandener Mittel nur noch unzureichend oder gar nicht mehr wahrgenommen werden können.

106

Zweitens können durch eine so geartete Herangehensweise unwirtschaftliche Mehrausgaben faktisch als „Bedarf“ anerkannt werden, obwohl die entsprechenden Ausgaben (oft historisch gewachsene) Resultate unwirtschaftlicher Haushaltsführung und nicht tatsächlicher Bedarfe sind. Nicht zuletzt die Berichte des Landesrechnungshofs Schleswig-Holstein zeigen, dass bei einer reinen Betrachtung des Ausgabeverhaltens jedenfalls das Risiko besteht, mit Daten zu operieren, die mit der Ausgangsfrage nach echten Bedarfen nicht zwingend verbunden sind.

107

Drittens können Situationen nicht erkannt werden, in denen sich eine Ebene bei der Erfüllung einer Aufgabe ein wesentlich höheres qualitatives Niveau erlaubt als die andere Ebene für dieselbe Aufgabe oder vergleichbare Bereiche; für beide erscheinen die faktischen Ausgaben als nicht reflektierter, feststehender „Bedarf“ in der Statistik.

108

Die Verpflichtung zu ergänzenden Erhebungen bezieht sich allerdings nur auf Umstände, die durch die an sich zulässigerweise gewählte Herangehensweise eindeutig übergangen oder verkannt zu werden drohen. Maßgeblich für die Frage, ob ergänzender Ermittlungsbedarf besteht, ist, dass die gewählte Herangehensweise objektiv methodenbedingte Schwächen aufweist und dass diese Schwächen erheblichen Einfluss auf die Bildung der Gesamtmasse haben können. Besonderer Betrachtung bedürfen damit insbesondere offenkundige oder allgemein bekannte Defizite der jeweiligen Methodik. Ebenso kann sich aus Stellungnahmen einzelner Beteiligter im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens Bedarf für weitere Erhebungen ergeben, vorausgesetzt, durch diese wird eine objektive Schwäche der vom Gesetzgeber gewählten Herangehensweise substantiiert belegt.

109

Diese Anforderungen folgen aus dem Inhalt und der Struktur des Art. 57 Abs. 1 LV. Bereits im Wortlaut des Art. 57 Abs. 1 LV ist das Spannungsverhältnis zwischen der Möglichkeit einer rein ausgabenbasierten Symmetriebetrachtung und dem Erfordernis ergänzender,bedarfsorientierter Erwägungen angelegt. Einerseits stellt Art. 57 Abs. 1 LV ausdrücklich auf den Begriff „Ausgaben“ ab und knüpft hieran die Ausgleichspflicht des Landes. Andererseits verwendet Art. 57 Abs. 1 LV diesen Begriff nicht isoliert, sondern in Verbindung mit dem Zusatz der „unterschiedlichen Belastung mit Ausgaben“. Der Begriff der „Belastung“ verweist dabei auf tatsächliche Umstände außerhalb des reinen, subjektiven Ausgabeverhaltens – und somit auf die sich aus den zu erfüllenden Aufgaben objektiv ergebenden Lasten. In die gleiche Richtung weist der ebenfalls in Art. 57 Abs. 1 LV als maßgeblicher Leitgedanke verwandte Begriff der „angemessenen“ Finanzausstattung der Kommunen. Bezugspunkt des Begriffs der Angemessenheit ist länderübergreifend – wie hier – der bei den Kommunen anfallende Aufgabenbestand. „Angemessen“ bedeutet „aufgabenadäquat“

(von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 49 Rn. 8; vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff., Juris Rn. 83; VerfGH Thüringen, Urteil vom 21. Juni 2006 - VerfGH 28/03 - ThürVGRspr. 2006, 165 ff., Juris Rn. 134; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010 - Vf. 129-VIII-09 -, Juris Rn. 131; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 23; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012 - LVerfG 37/10 -, NordÖR 2012, 235 ff., Juris Rn. 97 ff.).

110

Für das Erfordernis einer zumindest bedarfsorientierten Ebenenanalyse sprechen zudem Sinn und Zweck derart verfassungsrechtlich fundierter Verfahrensvorgaben. Bezweckt werden soll einerseits eine gewisse Rationalität im Verfahren des Finanzausgleichs, andererseits eine Befriedung der mannigfaltigen vorstellbaren Konfliktlinien zwischen Land und Kommunen sowie unter den Kommunen selbst. Beides kann besser gelingen, wenn im Gesetzgebungsverfahren die tatsächlichen aufgabenbezogenen Bedarfe vor Ort in den Blick genommen werden und im weiteren Prozess Eingang in die vorzunehmende Abwägung finden

(vgl. VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 217).

111

Zuletzt ist der enge Regelungszusammenhang mit Art. 54 Abs. 1 LV und dem dort enthaltenen Anspruch auf Mindestausstattung (siehe sogleich b), Rn. 126 ff.) zu berücksichtigen. Zwar kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens offen gelassen werden, wie diese Verfassungsbestimmung praktisch anwendbar zu machen ist. Es bestehen allerdings gute Gründe dafür, dass auch im Rahmen des Art. 54 Abs. 1 LV eine bedarfsorientierte Sachverhaltserhebung erforderlich sein dürfte. Im Hinblick auf die dort normierte Mindestausstattung läge es jedenfalls nahe, eine Befassung mit den mindestens notwendigen Bedarfen vor Ort als verpflichtend anzusehen. Im Ländervergleich zeigt sich insoweit, dass all jene Landesverfassungsgerichte, die – wie hier – einen eigenständigen Mindestanspruch anerkennen, im Weiteren letztlich bedarfsorientierte Analysen als erforderlich erkannt haben

(vgl. StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 98; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris
Rn. 125 ff.; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010, - 129-VIII -09 -, Juris Rn. 114; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011
- VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 86; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris
Rn. 116 ff.; sowie wohl auch LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2006 - LVerfG 1/05 -, LVerfGE 17, 297 ff., Juris Rn. 149).

112

Soweit hingegen gegen das Erfordernis bedarfsorientierter Betrachtungen teilweise eingewandt wird beziehungsweise wurde, dass es de facto unmöglich sei, methodensicher einen objektiven Bedarf zu ermitteln

(vgl. z.B. Maas, Die verfassungsrechtliche Entfaltung kommunaler Finanzgarantien, 2004, S. 141 ff.; kritisch auch: Volkmann, DÖV 2001, 497 <500 ff.>; a.A.: Lange, DVBl 2015, 457 <459>),

dürfte dies durch die Praxis nicht bestätigt werden. Zum einen wurden mittlerweile in einigen Flächenländern in Reaktion auf die entsprechende Rechtsprechung der jeweiligen Landesverfassungsgerichte fundierte Betrachtungen tatsächlicher Bedarfe durchgeführt

(vgl. StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, a.a.O., Juris Rn. 116 ff. m.w.N., sowie jüngst Duve/ Neumeister, DÖV 2016, 848 <851 ff.>).

Zum anderen sind aufgabenbezogene Kostenanalysen im Kontext der sogenannten Konnexitätsbestimmungen (Art. 57 Abs. 2 LV) mittlerweile regelmäßig durchzuführen, soweit neue Aufgaben auf die kommunale Ebene übertragen werden. Aus diesem Zusammenhang sind daher praktisch erprobte Methoden der aufgabenbezogenen Kostenanalyse verfügbar

(Boettcher, DÖV 2013, 460 <463>: „Eine sachlich begründete und politisch willkürfreie Abschätzung des kommunalen Ausgabenbedarfes ist methodisch durchaus möglich“).

113

(cc) Mit diesen Anforderungen gehen weitere Anforderungen an die Transparenz des zu wahrenden Verfahrens einher. Die benannten gesetzgeberischen Verfahrensschritte müssen nicht nur tatsächlich stattgefunden haben, sondern in den Gesetzesmaterialien (zum Beispiel in der Gesetzesbegründung oder in den Ausschussprotokollen) Niederschlag gefunden haben. Den Gesetzgeber trifft insoweit eine Dokumentations- und Begründungspflicht. Er hat näher auszuweisen, also transparent werden zu lassen, nach welchen Grundsätzen er die für den kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung stehenden Mittel festgestellt hat beziehungsweise ob und wie er die ihm zustehenden Einschätzungs- und Gestaltungsspielräume gesehen und ausgefüllt hat. Denn erst dadurch werden Kommunen und Gericht überhaupt in die Lage versetzt, die Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu überprüfen

(vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, BVerfGE 139, 64 ff., Juris Rn. 129, 130; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, a.a.O., Juris Rn. 85; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, a.a.O., Juris Rn. 36; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, a.a.O., Juris Rn. 116 ff.).

114

bb) Für die horizontale Ebene des kommunalen Finanzausgleichs weist das in Art. 57 Abs. 1 LV enthaltene Gebot, „eine unterschiedliche Belastung“ der Kommunen „mit Ausgaben auszugleichen“, dem Gesetzgeber die Aufgabe der angemessenen Mittelverteilung innerhalb der kommunalen Ebene zu.

115

Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der hier verfahrensgegenständlichen Bestimmungen des horizontalen Finanzausgleichs – ebenfalls – ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zukommt. Das Verfassungsgericht hat insbesondere nicht zu prüfen, ob der Normgesetzgeber die „bestmögliche“ oder „gerechteste“ Lösung gewählt hat. In Respektierung der politischen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht zu prüfen, ob die Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Der Gesetzgeber darf innerhalb gewisser Grenzen im Rahmen der Gemeindefinanzierung ihm zweckmäßig Erscheinendes verfolgen

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, NdsVBl 2010, 236 ff., Juris Rn. 63; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010 - Vf. 129-VIII-09 -, Juris Rn. 110; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 50 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Mai 2016 - VGH N 22/15 -, KommJur 2016, 309 ff., Juris Rn. 54; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, NWVBl 2017, 23 ff., Juris Rn. 54).

116

Grenzen des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes ergeben sich allerdings aus dem Gebot interkommunaler Gleichbehandlung (<1>), dem – eng damit verknüpften – Gebot der Systemgerechtigkeit (<2>), dem Nivellierungs- beziehungsweise Übernivellierungsverbot (<3>) sowie dem Gebot der Aufgabengerechtigkeit (<4>).

117

(1) Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot und das Gebot der Systemgerechtigkeit stellen sich als direkte Ausprägung des im Rechtsstaatsprinzip verankerten objektiven Willkürverbots in Verbindung mit dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht dar

(vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 -, BVerfGE 83, 363 ff., Juris Rn. 99; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 - 8 C 11.97 -, BVerwGE 106, 280 ff., Juris Rn. 24; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 96; VerfGH Sachsen, Urteil vom 26. August 2010
- Vf. 129-VIII-09 -, Juris Rn. 111; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, NordÖR 2011, 391 ff., Juris Rn. 51; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 9/12 -, NVwZ-RR 2014, 707, Juris Rn. 34; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 2015 - VerfGH 24/12 -, NWVBl 2015, 336 ff., Juris Rn. 39).

118

Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob das rechtsstaatliche Willkürverbot und seine vorgenannten Ausprägungen im Kontext der Prüfung von Normen des horizontalen Finanzausgleichs in Art. 57 Abs. 1 LV aufgehen oder einen selbständigen verfassungsrechtlichen Maßstab bilden. Die zu diesen allgemeinen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen entwickelten Maßgaben sind jedenfalls als integrierte Bestandteile des Art. 57 Abs. 1 LV bei der Überprüfung der angegriffenen Regelungen heranzuziehen

(so ausführlich für den dortigen Verfassungsraum: StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 83 ff.).

119

Das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung verbietet es dem Gesetzgeber, bei der Finanzmittelverteilung bestimmte Gebietskörperschaften oder Gebietskörperschaftsgruppen sachwidrig zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot steht willkürlichen Ausgestaltungen des Verteilungssystems entgegen. Es ist verletzt, wenn für die getroffene Regelung jeder sachliche Grund fehlt. Nicht verletzt ist es hingegen, wenn sich der Gesetzgeber auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützen kann

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 83 ff.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, a.a.O., Juris Rn. 51 m.w.N.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 68; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, a.a.O.).

120

(2) Das Gebot der Systemgerechtigkeit erfordert, dass die vom Gesetzgeber gewählten Maßstäbe, nach denen der Finanzausgleich erfolgen soll, nicht in Widerspruch zueinander stehen und nicht ohne einleuchtenden Grund verlassen werden. Zwar obliegt es der Entscheidung des Gesetzgebers, nach welchem System er eine bestimmte Materie ordnen will. Weicht er vom selbst bestimmten System ab, kann das jedoch einen Gleichheitsverstoß indizieren

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, a.a.O., Juris Rn. 87 f.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Juni 2011 - LVerfG 10/10 -, a.a.O.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Mai 2016 - VGH N 22/15 -, KommJur 2016, 309 ff., Juris Rn. 56; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, a.a.O., Rn. 56; vgl. zum Gebot der Systemgerechtigkeit außerhalb von Verfahren zum kommunalen Finanzausgleich: BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86 -, BVerfGE 81, 156 ff., Juris Rn. 170; Beschlüsse vom 19. Oktober 1982 - 1 BvL 39/80 -, BVerfGE 61, 138 ff., Juris Rn. 37 und vom 6. November 1984 - 2 BvL 16/83 -, BVerfGE 68, 237 ff., Juris Rn. 41).

121

(3) Das Nivellierungs- beziehungsweise Übernivellierungsverbot besagt, dass der Finanzausgleich vorhandene Finanzkraftunterschiede der Kommunen durch die Gewährung von Landesmitteln mildern, sie aber nicht völlig abbauen soll. Erst recht darf die tatsächliche Finanzkraftreihenfolge der Kommunen durch den Ausgleich nicht umgekehrt werden

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 61 m.w.N., SchlHA 2012, 431 ff. = LVerfGE 23, 361 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 66).

122

(4) Entsprechend den Maßgaben zum vertikalen Finanzausgleich gilt auch für die Ausgestaltung des horizontalen Finanzausgleichs das Gebot der Aufgabengerechtigkeit

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2010 - StGH 1/08 -, NdsVBl 2010, 236 ff., Juris Rn. 79; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, a.a.O., Juris Rn. 79 ff.).

Dieser ist im Grundsatz ebenfalls aufgabenorientiert auszugestalten. Dies betrifft zunächst vorrangig die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse insgesamt auf die verschiedenen Teilschlüsselmassen. Wie im vertikalen Ausgleich steht es dem Gesetzgeber beim horizontalen Finanzausgleich frei, die dieser Verteilungsentscheidung zugrunde zu legende Methodik zu wählen. Er ist allerdings verpflichtet, diese auf eventuelle Schwächen zu überprüfen und hat – insbesondere im Falle einer rein ausgabenbasierten Herangehensweise – sicherzustellen, dass gegebenenfalls nicht adäquat erfasste Bedarfe berücksichtigt und gewichtet werden. Gefordert ist damit eine aufgabenorientierte Betrachtung auch bei der Bildung der Teilschlüsselmassen. Nicht zuletzt um überhaupt eine verfassungsgerichtliche Kontrolle der Entscheidungsfindung zu ermöglichen, müssen die gesetzgeberischen Erwägungen Eingang in die Gesetzesmaterialien finden.

123

Keine weiteren Anforderungen ergeben sich hingegen auf der Ebene der Aufteilung der Teilschlüsselmassen auf die einzelnen Zuweisungsempfänger. Eine derartige Vorgabe zur Feinsteuerung auf individueller Zuweisungsempfängerebene wäre mit der Zulässigkeit von Pauschalisierungen bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs unvereinbar. Das Gebot bedarfsorientierter Ausgestaltung verlangt keine aufgabenorientierte Betrachtung der Kostenbelastung jedes einzelnen Zuweisungsempfängers. Insoweit ist den Vorgaben des Art. 57 Abs. 1 LV Genüge getan, wenn der gebildete Zuweisungsmechanismus das Gebot der Gleichbehandlung und Systemgerechtigkeit sowie das Verbot der Nivellierung- beziehungsweise Übernivellierung beachtet und für sich dennoch ergebende Härtefälle einen besonderen Ausgleichsmechanismus vorsieht.

124

cc) Zuletzt unterliegt der Gesetzgeber einer Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht bei seiner Finanzausgleichsgesetzgebung. Erforderlich ist eine Überprüfung der Stimmigkeit des kommunalen Finanzierungssystems in angemessenen Abständen, unter besonderer Berücksichtigung eventueller Veränderungen der Aufgabenzuschnitte, der Aufgabenverteilung zwischen kommunaler Ebene und Landesebene sowie der für die Aufgabenerfüllung anfallenden Kosten. Der Gesetzgeber darf sich vor diesem Hintergrund nicht darauf beschränken, einmal festgesetzte Werte, Größenordnungen und Prozentzahlen in den folgenden Finanzausgleichsgesetzen fortzuschreiben, ohne sich erneut ihrer sachlichen Eignung zu vergewissern

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999
- VfBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff., Juris Rn. 93; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, GVBl Hessen 2013, 535 ff., Juris
Rn. 116 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016
- VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 57).

125

b) Der Regelungsgehalt des Art. 54 Abs. 1 LV beschränkt sich im Kontext des kommunalen Finanzausgleichs auf eine Betrachtung allein der kommunalen Finanzausstattung und dort auf das Verhältnis der für Pflichtaufgaben und für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung stehenden Mittel

(für ihren jeweiligen Verfassungsraum mit vergleichbarer Abgrenzung zwischen Anspruch auf angemessene Finanzausstattung im Land-Kommunen-Vergleich einerseits und Mindestanspruch andererseits: VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 116 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 82; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 98 ff.; wohl auch: StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 84 ff., 95; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 58, 83; zustimmend: Schmitt, DÖV 2013, 452 <455>; Henneke, DÖV 2013, 825, <834>; Duve/ Neumeister, DÖV 2016, 848 <849>).

126

Durch Art. 54 Abs. 1 LV wird die kommunale Mindestausstattung gewährleistet, mit der die Lebensfähigkeit jedenfalls der kommunalen Ebene als solcher garantiert ist. Den Kommunen müssen gemäß Art. 54 Abs. 1 LV Mittel in einem Umfang zur Verfügung stehen, die es ihnen ermöglichen, neben den Pflichtaufgaben noch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu erledigen

(von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 46 Rn. 11; vgl. zu Art. 28 Abs. 2 GG: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, BVerwGE 145, 378 ff., Juris Rn. 18 ff.; sowie zu den entsprechenden Bestimmungen anderer Bundesländer: StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, LVerfGE 10, 5 ff., Juris Rn. 86; VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 82 ff.; VerfGH Saarland, Urteil vom 13. März 2006 - LV 2/05 -, AS RP-SL 34, 1 ff., Juris Rn. 93; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 -, VerfGHE BY 60, 184 ff., Juris Rn. 203; StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008 - StGH 02/05 -, NdsVBl 2008, 152 ff., Juris Rn. 54 und 62; VerfGH Thüringen, Urteil vom 18. März 2010 - VerfGH 52/08 -, ThürVGRspr 2011, 153 ff., Juris Rn. 33 f.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Januar 2012 - LVerfG 33/10 -, Juris Rn. 101).

127

Hintergrund ist, dass das in Art. 54 Abs. 1 und 2 LV verbürgte Selbstverwaltungsrecht die sogenannte Finanzhoheit als ein Kernelement der kommunalen Selbstverwaltung umfasst. Diese garantiert die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens

(Urteil vom 3. September 2012 - LVerfG 1/12 - Rn. 34, SchlHA 2012, 431 ff. = LVerfGE 23, 361 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 36; aus der Literatur statt aller: Tettinger/ Schwarz, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 244 m.w.N.).

128

Die so verstandene, verfassungsmäßig verbürgte kommunale Finanzhoheit bedingt die Gewährleistung einer kommunalen Mindestausstattung. Denn ohne hinreichende finanzielle Ausstattung zur Erledigung nicht nur der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben verbliebe den Kommunen keine substantielle Hoheit in Bezug auf die Finanzen. Wie das Selbstverwaltungsrecht wäre die Finanzhoheit nicht hinreichend davor geschützt, zu einer letztlich leeren Hülle ohne tatsächlich nennenswerte materielle Befugnisse absinken zu können.

129

3. Gemessen an Art. 57 Abs. 1 LV ist vorliegend die Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 9 Abs. 1 des angegriffenen Finanzausgleichsgesetzes festzustellen. Die übrigen angegriffenen Vorschriften sind mit der Verfassung vereinbar.

130

a) Anhaltspunkte, die gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 2 Abs. 2 FAG 2014 sprechen könnten, bestehen nicht. In § 2 Abs. 2 FAG 2014 ist lediglich der Grundsatz geregelt, dass das Land überhaupt Zweckzuweisungen vergibt. Die Zulässigkeit von Zweckzuweisungen als solchen – unabhängig von der Höhe und der konkreten Ausgestaltung – wird jedoch selbst in der Antragsschrift nicht weiter in Frage gestellt und ist an sich unumstritten. Dem Land steht es zu, in gewissem Umfang über das Instrument der Zweckzuweisungen seine Vorstellungen über die Priorität und Gewichtung einzelner Aufgabenbereiche in den kommunalen Raum einfließen zu lassen

(vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Juli 1993 - VerfGH 9/92 -, DÖV 1993, 1003 ff., Juris Rn. 61 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 -, NVwZ-RR 2005, 665 ff., Juris Rn.195 ff.; wohl auch StGH Niedersachsen, Urteil vom 25. November 1997 - StGH 14/95 u.a. -, NdsStGHE 3, 299 ff., Juris Rn. 116 ff.; vgl. zudem Lange, Kommunalrecht, 2013, § 15 Rn. 214; Rauber, Kommunale Steuer-Zeitschrift, 2012, S. 201, S. 205 ff.; Inhester, Kommunaler Finanzausgleich im Rahmen der Staatsverfassung, 1998, S. 181 f.).

131

b) Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FAG 2014 enthaltenen Regelungen über die Höhe der Finanzausgleichsmasse, welche sich grundsätzlich aus dem in § 3 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 definierten Verbundsatz von 17,83 % in Verbindung mit den in § 3 Abs. 2 FAG 2014 definierten Verbundgrundlagen ergibt, stehen nicht im Einklang mit den Vorgaben aus Art. 57 Abs. 1 LV und sind daher verfassungswidrig (aa). Keine durchgreifenden Bedenken bestehen hingegen im Hinblick auf die übrigen Bestimmungen des § 3 FAG 2014 (bb).

132

aa) Das der Regelung der § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FAG 2014 zugrunde liegende Verfahren der gesetzgeberischen Entscheidungsfindung entspricht nicht den dargelegten verfassungsrechtlichen Erfordernissen. Die vorgenannten Regelungen sind daher gemessen an Art. 57 Abs. 1 LV als verfassungswidrig einzustufen.

133

(1) Aus der Gesetzesbegründung selbst ergibt sich nicht, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ein den Anforderungen des Art. 57 Abs. 1 LV genügender, zumindest vertretbarer Ebenenvergleich hinsichtlich der Bildung der vertikalen Finanzausgleichsmasse durchgeführt wurde.

134

Wie oben ausgeführt (siehe oben a) (2) (b), Rn. 98 ff.), setzt eine vertretbare Analyse zur Ausstattung der kommunalen Ebene im Vergleich zur Landesebene zumindest voraus, dass die Finanzkraft von Kommunen und Land, der Finanzbedarf von Kommunen und Land und die sich aus der Differenz ergebende Finanzentwicklung der kommunalen und der Landesebene betrachtet und zueinander in Beziehung gesetzt werden, wobei es weitgehend dem Gesetzgeber überlassen ist, wie und insbesondere anhand welchen Datenmaterials er diese Analyse im Einzelnen durchführt. Die damit für eine vertretbare Mindestanalyse nötigen Elemente wurden in dem hier zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellten Gesetzgebungsverfahren nur teilweise erhoben, fehlen aber im Übrigen.

135

Eine Analyse der Einnahmensituation des Landes und der Kommunen sowie eine vergleichende Betrachtung sind zwar gegeben.

136

Aussagen zur Aufgabenbelastung und/ oder zum Finanzbedarf des Landes fehlen hingegen. Insoweit kann dahinstehen, ob eine nachvollziehbare Analyse des Finanzbedarfs der Kommunen gegeben ist. In Ermangelung einer nachvollziehbaren Darstellung des Finanzbedarfs des Landes fehlt zwangsläufig der erforderliche Vergleich dieser beiden Ebenen zueinander. Insoweit kann eine Darstellung des Finanzbedarfs des Landes nicht durch den Hinweis auf die Verkündung der jeweiligen Haushaltsgesetze (Haushaltspläne) ersetzt werden. Aus dem Erfordernis des substantiellen Ebenenvergleiches im Gesetzgebungsverfahren folgt, dass sich der Gesetzgeber selbst und dokumentiert mit dem Vergleich der beiden Ebenen befassen muss. Dass eine Gegenüberstellung der Haushalte sowie gegebenenfalls die Beiziehung weiterer Erkenntnisquellen abstrakt möglich wären, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Verfahren der gesetzgeberischen Entscheidung zum vertikalen Finanzausgleich nicht.

137

Auch Aussagen zur Finanzentwicklung auf der Seite des Landes fehlen. Dargestellt wird lediglich zu Beginn der entsprechenden Passage der Gesetzesbegründung das „planmäßige strukturelle Defizit des Landes in Höhe von etwa 480 Millionen Euro (wohl: Stand 2014). Die kommunalen jährlichen Defizite werden hingegen für die Jahre 2005 bis 2011 benannt und im Folgenden in verschiedenen Szenarien geschätzt. Ein expliziter Vergleich der Finanzentwicklung von Land und Kommunen ist nicht enthalten und lässt sich aus den enthaltenen Daten auch nicht rückschließen, da den für den kommunalen Bereich für 2005 bis 2014 erhobenen beziehungsweise geschätzten Daten keine entsprechenden Daten für den Landeshaushalt gegenübergestellt werden. Wie sich die Entwicklung des kommunalen Defizits im Vergleich zum Defizit des Landes etwa im vom Land selbst gewählten Referenzzeitraum 2005 bis 2014 darstellt, bleibt offen. Dies ist umso erheblicher, als in der Gesetzesbegründung selbst Indizien benannt werden, die eine stetige Verschlechterung der kommunalen Situation zumindest nahe legen

(sich stetig verschlechternder Bestand an Kassenkrediten auf Seiten der Kommunen, vgl. Landtags-Drucksache 18/1659, S. 34),

und zwar bei einem sich seit 2010 stetig verbessernden Finanzierungssaldo des Landes

(vgl. zu Letzterem: Finanzministerium Schleswig-Holstein, Konsolidierungsbericht 2016 für das Jahr 2015 des Landes Schleswig-Holstein an den Stabilitätsrat, 31. März 2016, online abrufbar unter www.stabilitaetsrat.de).

138

In der Zusammenschau fehlen damit wesentliche Elemente einer substantiellen Ebenenbetrachtung. Die nach dem Symmetriegedanken erforderliche Aussage darüber, ob die Kommunen im Hinblick auf die Gleichwertigkeit von Landes- und kommunalen Aufgaben in angemessenem Umfang an der Finanzkraft des Landes partizipieren, lässt sich derart nicht treffen. Die gesamte Darstellung zielt ihrer Struktur nach im Übrigen gar nicht darauf ab, einen entsprechenden Vergleich des (finanziellen) Wohlergehens beider Ebenen anzustellen, sondern beschränkt sich ersichtlich auf die Anführung einiger Indizien, die die Auskömmlichkeit der Finanzierung der kommunalen Ebene an sich aufzeigen sollen.

139

(2) Dass im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens (oder vorbereitend) weitere Analysen im Sinne eines verfassungsgemäßen Ebenenvergleiches angestellt wurden, lässt sich nicht feststellen. Auf eine kleine Anfrage der CDU-Abgeordneten Nicolaisen zum „tatsächlichen Finanzbedarf“ der Kommunen in Schleswig-Holstein verwies die Landesregierung lediglich auf die allgemeine Gesetzesbegründung

(Landtags-Drucksache 18/1797, S. 1).

140

(3) Auch im weiteren Verlauf im Anschluss an das Gesetzgebungsverfahren vermag das Gericht keine Heilung der aufgezeigten Verfahrensmängel festzustellen. Dabei kann dahinstehen, ob eine derartige, dem Gesetzgebungsverfahren nachlaufende, insbesondere innerprozessuale Heilung überhaupt möglich ist

(ablehnend etwa: VerfGH Thüringen, Urteil vom 21. Juni 2005
- VerfGH 28/03 -, Juris Rn. 186; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. März 2011 - VerfGH 20/10 -, OVGE MüLü 53, 296 ff., Juris Rn. 89; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 132, 180; a.A. wohl: Roßmüller, Schutz der kommunalen Finanzausstattung durch Verfahren, 2009, 129 ff.).

141

Jedenfalls liegen hier keine weiteren Erhebungen vor, die geeignet wären, die obigen Verfahrensmängel zu heilen. Dies gilt insbesondere für das innerprozessual beigebrachte Gutachten

(Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Gutachten zur Verteilungssymmetrie im vertikalen Teil des kommunalen Finanzausgleich Schleswig-Holsteins, 23. Mai 2016).

142

Dieses wurde zum einen von der Landesregierung eingeholt und nur zum Zwecke der Verifikation des Ergebnisses des Gesetzgebungsprozesses vorgelegt. Dafür dass der Gesetzgeber, also der Schleswig-Holsteinische Landtag, sich dieses zu Eigen gemacht hat, ist nichts ersichtlich. Dies wäre aber nötig, da insbesondere die Entscheidung über die anzuwendende Methodik gerade der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unterliegt.

143

Zum anderen genügten die in dem Gutachten enthaltenen Abwägungen nicht den obigen Anforderungen. Die Frage der Verteilungssymmetrie wird in dem Gutachten maßgeblich anhand des sogenannten „Symmetriekoeffizienten“ überprüft, der seinerseits wiederum auf rein ausgabenbasierten Daten beruht. Eine den obigen Anforderungen genügende bedarfsorientierte Betrachtung ist damit aus den aufgezeigten Gründen nicht möglich. Dasselbe Institut räumt hierzu im Übrigen in anderen Gutachten (so etwa zum vertikalen Finanzausgleich in Brandenburg) ein, dass die „solitäre“ Verwendung des Symmetriekoeffizienten, wie hier vorgeschlagen, möglicherweise nicht hinreichend aussagekräftig ist:

Die Ausgabensymmetrie der Einnahmen kann als bestmögliche Annäherung an Aufgabensymmetrie verstanden werden, die aus Finanzdaten nicht unmittelbar ablesbar ist. Wegen des solitären Standes des Symmetriekoeffizienten werden allerdings fokussierte Teil- und Umfeldindikatoren als „Stressfaktoren“ betrachtet, die unter Umständen manche Trends schneller und pointierter aufzeigen und so zur ergänzenden Plausibilisierung und Validierung des Symmetriekoeffizienten genutzt werden können. Hierzu werden Ausgaben- und Einnahmenaggregate sowie die Entwicklung von Schulden und Finanzierungssaldi herangezogen, die mögliche Schieflagen einer staatlichen Ebene unmittelbar aufzeigen. Sollte sich eine Ebene systematisch schlechter entwickeln, wäre dies ein erstes Indiz dafür, dass es die Finanzmittelausstattung durch den Finanzausgleich anzupassen gilt. Derartige differenziertere Betrachtungen sollen Fehlentwicklungen frühzeitig offenlegen, die aus den aggregierten Zahlen mitunter (noch) nicht erkennbar sind. Die differenziertere Betrachtung ist zur Ergänzung des Symmetriekoeffizienten auch insofern bedeutsam, da ein alleiniges Abstellen auf die aggregierten Ausgabenanteile langfristig bedenkliche Anreize zu Mehrausgaben auf beiden Seiten des Vergleichs setzen kann. (Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Bericht Nr. 18 - Begutachtung des kommunalen Finanzausgleichs in Brandenburg, 2015, S. 64).

144

Dort wird entsprechend ein „angereicherter Symmetriekoeffizient“ verwandt, das heißt das Ergebnis wird anhand weiterer Indikatoren umfangreich validiert und differenzierter betrachtet

(Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Bericht Nr. 18 - Begutachtung des kommunalen Finanzausgleichs in Brandenburg, 2015, S. 64 ff.).

145

Weshalb für Schleswig-Holstein keine derartigen ergänzenden Betrachtungen anzustellen sein könnten, erschließt sich aus dem Gutachten nicht.

146

bb) Nicht erfasst von der Verfassungswidrigkeit der Bestimmung der Finanzausgleichsmasse werden § 3 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 sowie Abs. 3 und 4 FAG 2014.

147

Durch § 3 Abs. 1 Satz 3 FAG 2014 wird die Finanzausgleichsmasse in den Jahren 2015 bis 2018 für die Konsolidierungshilfen nach § 11 FAG 2014 jährlich um 15 Millionen Euro erhöht. Quasi überobligatorische, freiwillige gesetzlich definierte „Zugaben“ des Landes an die kommunale Ebene sind ohne Weiteres, und zwar auch im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes, zulässig. Sie können insoweit allerdings nicht zur Begründung der Auskömmlichkeit der Finanzausgleichsmasse als solcher herangezogen werden. Um eine derartige, zulässige Zusatzleistung handelt es sich bei den in § 3 Abs. 1 Satz 3 FAG 2014 gewährten Zuführungsbeträgen. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Finanzausgleichsmasse gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FAG 2014 auch ohne die besonderen Zuführungsbeträge des § 3 Abs. 1 Satz 3 FAG 2014 auskömmlich sei. In der Gesetzesbegründung wird insoweit eine Darlegung der Auskömmlichkeit der Finanzausgleichsmasse ohne Berücksichtigung der fraglichen Zuführungsbeträge angestellt

(Landtags-Drucksache 18/1659, S. 40 oben sowie Anlage 3)

und bei der Einzelbegründung der Zusammensetzung und Höhe der Finanzausgleichsmasse nach § 3 FAG 2014 wird explizit darauf hingewiesen, dass die in Absatz 1 Satz 3 der Vorschrift enthaltenen zusätzlichen Zuführungsbeträge nicht Eingang in die Berechnungen gefunden haben

(Landtags-Drucksache 18/1659, S. 53 vorletzter Absatz).

148

Nichts anderes gilt im Übrigen hinsichtlich der in § 3 Absatz 1 Satz 4 FAG 2014 enthaltenen Regelung. Durch diese wird die Finanzausgleichsmasse unbefristet um 11,5 Millionen Euro für Zuweisungen für Infrastrukturlasten nach § 15 Abs. 4 FAG 2014 erhöht. Auch insoweit handelt es sich um im obigen Sinne zusätzliche Zuführungsbeträge, die als solche ohne Weiteres zulässig sind. Dies folgt hier schon aus dem Umstand, dass die fragliche Bestimmung in der maßgeblichen Gesetzesbegründung noch gar nicht enthalten war, entsprechend nicht zur Begründung der Auskömmlichkeit der Finanzausgleichsmasse insgesamt herangezogen wurde, da sie eine im politischen Prozess zugestandene Zusatzleistung des Landes an die kommunale Ebene umsetzt.

149

Nicht zu beanstanden sind zuletzt die noch verbleibenden Bestimmungen in § 3 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 3 und 4 FAG 2014. Für die Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen ist nichts vorgetragen oder sonst erkennbar.

150

c) § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 verstößt gegen die zu Art. 57 Abs. 1 LV in seiner horizontalen Dimension entwickelten Vorgaben. Dabei greifen eine erhebliche Zahl der gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 vorgebrachten Einwände im Ergebnis nicht durch (aa). Diese Vorschrift verstößt jedoch gegen die in Art. 57 Abs. 1 LV enthaltenen Gebote der Aufgabengerechtigkeit und der interkommunalen Gleichbehandlung (letzteres unter dem Aspekt fehlender Erwägungen zur Berücksichtigung rauminduzierter Bedarfe) (bb). § 4 Abs. 2 FAG 2014 verstößt hingegen nicht gegen Art. 57 Abs. 1 LV (cc). Nicht erfasst von der Verfassungswidrigkeit von § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 werden § 4 Abs. 1
Satz 2 bis 5 FAG 2014. Für deren Verfassungswidrigkeit ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.

151

Dahinstehen kann, welche Auswirkungen die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung der Finanzausgleichsmasse nach § 3 FAG 2014 auf § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 hat. Ob das Gebot der Systemgerechtigkeit erfordert, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Teilschlüsselmassen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 nur an eine ihrerseits verfassungsmäßige Bestimmung der Finanzausgleichsmasse insgesamt anknüpfen darf, andernfalls die Festlegung der Teilschlüsselmassen bereits aus diesem Grunde zu beanstanden wäre, bedarf wegen der vorliegenden Verletzungen des Art. 57 Abs. 1 LV durch § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 keiner Entscheidung.

152

aa) Keine verfassungsrechtlich erheblichen Einwände gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 vermag das Gericht im Hinblick auf mehrere vorgetragene Verletzungen des interkommunalen Gleichbehandlungsgrundsatzes (<1>) und das Gebot der Systemgerechtigkeit (<2>) zu erkennen.

153

(1) Weder die Verteilung nach Aufgabenträgern (), die Ausgestaltung der Teilschlüsselmasse für Zentrale Orte () noch die angebliche Berücksichtigung von Zinslasten () bewirken eine Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots.

154

(a) Die Verteilung der Finanzausgleichsmasse im Wesentlichen anhand eines Zwei-Säulen-Modells nach Aufgabenträgern verstößt nicht gegen Art. 57 Abs. 1 LV. Insbesondere liegt keine Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots vor.

155

Hierfür ist – wie dargelegt (siehe oben 2. a) bb) (1), Rn. 117 ff.) – nicht maßgeblich, ob der Normgesetzgeber die „bestmögliche“ oder „gerechteste“ Lösung gewählt hat. Diesem steht vielmehr ein weiter (auch methodenbezogener) Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu. Maßgeblich ist nur, ob durch das gewählte Modell eine willkürliche, sachlich nicht vertretbare Differenzierung eingeführt wurde. Dies ist nicht der Fall.

156

Die Aufteilung in die beiden Gruppen Gemeinde- beziehungsweise Kreisaufgaben knüpft an allgemein anerkannte und im Kommunalrecht festgeschriebene Kategorien an. Dies ist nicht zu beanstanden. Hiergegen spricht auch nicht, dass Folge dieser Differenzierung ist, dass im Rahmen der Ermittlung der Höhe der jeweiligen Schlüsselzuweisungsmassen je Teilgruppe die Haushalte der kreisfreien Städte in Gemeinde- beziehungsweise Kreisaufgaben aufzuteilen sind. Diese Aufteilung mag methodisch anspruchsvoll sein. Der Gesetzgeber hat sich diese Problematik vergegenwärtigt und nach ausführlicher und jedenfalls nicht unvertretbarer Abwägung der Vor- und Nachteile dazu entschlossen, diesen Ansatz zu wählen. In dem hierzu eingeholten Gutachten heißt es:

Es wird deutlich, dass auf Basis der inhaltlichen Kriterien in Schleswig-Holstein die überwiegende Zahl der Argumente für die Beibehaltung der Aufteilung der Teilmassen nach dem Zwei-Ebenen-Modell in Kreis- und Gemeindeaufgaben spricht. Auch die Entwicklungen in anderen Bundesländern haben gezeigt, dass im Falle von Systemumstellungen ausschließlich Wechsel von Säulen- zu Ebenen-Modellen durchgeführt worden sind (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 21).

157

Die durch diese Entscheidung notwendig gewordene Aufteilung der Haushalte der kreisfreien Städte ist sodann in sich nachvollziehbar und schlüssig ausgestaltet worden (Aufteilung der Haushalte der kreisfreien Städte analog der faktischen Verteilung der Aufgabenzuständigkeit im kreisfreien Raum). Eine ausführliche Darstellung der sich ergebenden methodischen Probleme und deren – jeweils nachvollziehbarer – Auflösung ist in den Gesetzgebungsmaterialien enthalten:

Diese Aufteilung steht vor der Herausforderung, dass keine abschließende Zuordnung einzelner Aufgaben zur Kreis- oder Gemeindeebene existiert. Vielmehr ergibt sich die Aufgabenteilung zwischen den Kreisen und ihren Gemeinden meist aus praktischen, an den jeweiligen örtlichen Bedingungen orientierten Erwägungen bzw. ist das Verhältnis der Wahrnehmung einzelner Aufgaben z. T. auch historisch begründet und damit nicht ohne Ansicht des tatsächlichen Ausgabenverhaltens von außen zu bestimmen. Der Gutachter hat sich daher dazu entschieden, die Haushalte der kreisfreien Städte anhand der faktischen Aufgabenerfüllung im kreisangehörigen Raum aufzuteilen. Diese Methode wurde auch in früheren Gutachten des Auftragnehmers erfolgreich genutzt (u. a. Quellen: Hardt/Schmidt (1998), Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2004), Hardt/Schiller (2006), Cordes et al. (2012a)). (…) (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 7).

158

Nicht gefolgt werden kann den Antragstellerinnen in diesem Zusammenhang mit der Behauptung, die gewählte Methodik der Aufteilung der Haushalte sei unzulässig, da „Gemeindeaufgaben in großen Gemeinden hinsichtlich Qualität und Quantität völlig andersartig seien als im ländlichen Raum“. Diese – von der Landesregierung bestrittene – Behauptung erschließt sich nicht aus sich selbst und ist auch in der Antragsschrift nicht weiter begründet. Die allein zu prüfende Vertretbarkeit der gutachterlichen Herangehensweise kann sie so nicht erschüttern.

159

(b) Keine durchgreifenden Bedenken bestehen des Weiteren gegen die Einführung einer Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 2014. Die besondere Berücksichtigung zentralörtlicher Funktionen ist nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen zulässig. Maßstab ist dabei wiederum das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung und damit die abstrakte Vertretbarkeit des gewählten Parameters.

160

Zweifel an der Zulässigkeit der Berücksichtigung von Zentralität könnten sich zwar beim Blick über die schleswig-holsteinischen Landesgrenzen ergeben. Sowohl auf Bundesebene als in der Rechtsprechung der anderen Landesverfassungsgerichte wird die Zulässigkeit von Zentralitätsindikatoren teilweise in Frage gestellt

(Ablehnend: LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Oktober 2012
- LVG 23/10 -, DVBl 2012, 1494 ff.; jedenfalls kritisch: BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. -, BVerfGE 86, 148 ff., Juris
Rn. 317 ff.; Inhester, Kommunaler Finanzausgleich im Rahmen der Staatsverfassung, 1998, S. 167 ff.; Henneke/ Pünder, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, S. 505 f.; a.A.: VerfGH Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61 ff., Juris Rn. 86; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Mai 2006
- VfGBbg 39/04 -, LKV 2006, 505 ff.).

161

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Zentralität üblicherweise an der Einwohnerzahl festgemacht wurde. Entsprechend verwenden die jeweiligen Gesetze regelmäßig Nebenansätze, die die Schlüsselzuweisungen abhängig von der Einwohnerzahl ansteigen lassen (Konzept der sogenannten „Einwohnerveredelung“). Vorrangig diese konkrete Ausgestaltungsform steht im Fokus der Kritik

(ausführlich: BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 317 ff.; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Oktober 2012 - LVG 23/10 -, a.a.O.).

162

Eine derartige – an Einwohnerzahlen je Flächeneinheit anknüpfende – Regelung steht vorliegend jedoch nicht zur Prüfung. Abweichend vom üblichen Modell knüpft die schleswig-holsteinische Regelung an die Einstufung nach Maßgabe des Landesplanungsgesetzes als Oberzentrum, Mittelzentrum etc. an. Insoweit vermögen die vorgebrachten Einwände gegen die außerhalb Schleswig-Holsteins anzutreffenden Ausgestaltungen hier schon strukturell nicht durchzugreifen.

163

Bedenken gegen die allein maßgebliche Vertretbarkeit der so von anderen Regelungsmodellen abgegrenzten schleswig-holsteinischen Regelung bestehen nicht. In dem zugrunde liegenden Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (ab S. 33) ist plausibel dargelegt, dass eine Anlehnung an die Maßstäbe des Landesplanungsrechts sinnvoll ist, um Zentralitätskosten festzustellen:

Aus Sicht der Gutachter ist die Argumentation des schleswig-holsteinischen Gesetzgebers für eine Teilmasse für übergemeindliche Aufgaben plausibel und nachvollziehbar. Der Umfang übergemeindlicher Aufgaben, d. h. Aufgaben die für Einwohner des Verflechtungsbereichs erbracht werden, ist zunächst unabhängig von der eigenen Einwohnerzahl. Ein Zusammenhang besteht hier nur deshalb, weil größere Städte auch häufiger zentralörtliche Funktionen übernehmen als kleine Städte. Die Einwohnerzahl alleine bietet aber keine hinreichende Begründung für das Ausüben zentralörtlicher Funktionen. Eine solche ergibt sich ausschließlich aus einer entsprechenden zentralörtlichen Einstufung im Landesentwicklungsplan. Der Zuschussbedarf für übergemeindliche Aufgaben steigt mit der Größe des Verflechtungsbereichs und der Hierarchiestufe im zentralörtlichen System und wird durch die räumliche Nähe zu anderen zentralen Orten (Nachbarschaftseffekte) verringert. So ist zu erwarten, dass ein Mittelzentrum im ländlichen Raum einen umfassenderen Bestand an übergemeindlichen Angeboten vorhalten muss als ein Mittelzentrum in einem Verdichtungsraum. Im Verdichtungsraum werden viele Einwohner entsprechend spezialisierte Angebote auch im Oberzentrum wahrnehmen, da sie dieses z. B. als Berufspendler täglich frequentieren. Im ländlichen Raum gibt es die Möglichkeit zur Wahl zwischen verschiedenen zentralen Orten gleicher Stufe aufgrund der größeren Entfernungen häufig nicht. Das bisher genutzte Verfahren der finanzkraftunabhängigen Vergabe der Schlüsselzuweisungen für übergemeindliche Aufgaben ist ebenfalls nachvollziehbar und sollte aus Sicht des Gutachters beibehalten werden. Da hier Leistungen für den Verflechtungsbereich erbracht werden sollen, erscheint ein Rückgriff auf die eigene Finanzkraft nicht gerechtfertigt (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 33).

164

Gründe, die es rechtfertigen könnten, diese Erwägungen als unvertretbar oder willkürlich erscheinen zu lassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere erscheint die Grundannahme, dass steigende Zentralität dazu führt, dass Angebote von Ortsfremden mitgenutzt werden, derart unmittelbar einleuchtend, dass es fern liegt, diese Annahme als völlig sachwidrig einzustufen. Auch von den Antragstellerinnen sind keine grundlegenden Einwände gegen die abstrakte Zulässigkeit eines so gefassten Zentralitätsindikators vorgebracht worden. Nicht durchzugreifen vermag in diesem Zusammenhang der in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2016 vorgebrachte Hinweis der Antragstellerinnen auf das Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung für das Land Niedersachsen aus dem Jahr 2015. Zwar ist es zutreffend, dass die Gutachter dort empfahlen, auf die Einführung eines Nebenansatzes für zentralörtliche Aufgaben zu verzichten. Dies erfolgte allerdings nur vor dem Hintergrund einer ausführlichen Erörterung, dass ein solcher Nebenansatz „keinen Mehrwert“ gegenüber dem in Niedersachsen verwandten, nach Einwohnerzahlen differenzierenden Hauptansatz, habe

(Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung zur Novellierung des Horizontalen Finanzausgleichssystems in Niedersachsen, August 2015, S. 50 ff, insbesondere S. 53 unten).

165

Dass die Einführung eines zentralitätsabhängigen Nebenansatzes im Hinblick auf einen bereits bestehenden Hauptansatz mit Einwohnerstaffelung keinen signifikanten Vorteil hat, vermag keine Rückschlüsse auf die allein zu prüfende Vertretbarkeit der Einführung einer Teilschlüsselmasse für zentralitätsbedingte Aufgaben in einer Konstellation zu liefern, in der ein Hauptansatz wie in Niedersachsen eben nicht als bereits etablierte Alternative zur Verfügung steht.

166

In der Rechtsprechung der anderen Landesverfassungsgerichte, die sich mit den – wenigen – vergleichbaren Regelungen zu befassen hatten, besteht im Übrigen Einvernehmen, dass eine derart ausgestaltete Einbeziehung von Zentralitätskosten nicht zu beanstanden ist

(VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. Mai 2006 - VfGBbg 39/04 -, LKV 2006, 505 ff.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012 - LVerfG 37/10 -, NordÖR 2012, 235 ff., Juris Rn. 114 ff.).

167

(c) Keine Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgrundsatzes vermag das Gericht zuletzt bei Berücksichtigung der mehrfach im Gesetzgebungsverfahren sowie in dem Parallelverfahren LVerfG 5/15 erhobenen Beanstandung zu erkennen, dass bei der Berechnung zur Verteilung der Schlüsselmasse in § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Körperschaften durch Erhebung der verfügbaren Deckungsmittel abzüglich der Zinslasten festgestellt und durch die Einbeziehung dieser „Vergangenheitslasten“ der städtische Raum in der Leistungsfähigkeit vermeintlich „ärmer“ gerechnet worden sei.

168

Das Gericht vermag schon dem Einwand an sich nicht zu folgen. Zwar ist der Befund zutreffend, dass sich in dem zugrunde liegenden Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Juli 2013 im Rahmen der allgemeinen Betrachtung der verfügbaren Daten eine Darstellung findet, in der die Zinsausgaben von den allgemeinen Deckungsmitteln abgezogen werden

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 11 sowie Tabelle 2-2 auf S. 12).

169

Maßgeblich für die hier in Frage gestellte Bemessung der Teilschlüsselmassen ist aber, ob dieser Abzug der Zinslasten auch im Rahmen der Teilschlüsselmassenbildung durchgeführt worden ist. Dies ist entgegen der hierzu erhobenen Beanstandung nicht der Fall. Die prozentuale Aufteilung der Teilmassen ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung anhand verschiedener Parameter erfolgt, welche in Kapitel 5.1 des Gutachtens erläutert und in Tabelle 5-3 des Gutachtens aufgezählt sind

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 41 ff.).

170

Die Zinsausgaben sind hier an keiner Stelle mit erfasst. Insbesondere wird auf der Einnahmenseite nicht auf die im Gutachten eingangs dargelegten Betrachtungen zu den – um Zinseffekte bereinigten – Deckungsmitteln rekurriert, sondern auf die statistischen Steuerkraftmesszahlen sowie die Kreisumlage abgestellt

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 41).

171

Auch in den berücksichtigten Zuschussbedarfen sind die Zinsausgaben nicht enthalten, da die Zuschussbedarfe anhand der Einzelpläne 0 bis 8 definiert werden, Zinsausgaben aber nach den Ausführungen des Gutachtens im Einzelplan 9 enthalten sind

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, 44 sowie S. 12).

172

(2) § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 verletzt Art. 57 Abs. 1 LV auch nicht im Hinblick auf das Gebot der Systemgerechtigkeit.

173

(a) Soweit die Antragstellerinnen beanstanden, dass die Abschaffung der bisherigen Umlage nach § 4 Ausführungsgesetz SGB II systemwidrig die kreisfreien Städte bevorzuge, begründet dies keine Verletzung verfassungsrechtlicher Maßstäbe.

174

Dabei ist vorab festzuhalten, dass die Streichung der Umlage in keinem kausalen Zusammenhang mit der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe steht. Vielmehr wurde die nunmehr gestrichene Umlage überhaupt erst anlässlich der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe (sogenannte „Hartz-IV“-Reformen) im Jahr 2005 geschaffen. Bis zum Inkrafttreten dieser Gesetzesänderungen im Jahr 2005 beteiligten sich die Gemeinden an den sozialhilfebedingten Kosten der Kreise sowie an den Kosten der Grundsicherung im Alter zu 30 %. Im Zuge der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Arbeitslose im SGB II entstand hier Korrekturbedarf. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des schleswig-holsteinischen Ausführungsgesetzes zum SGB II verständigten sich die kommunalen Landesverbände darauf, an Stelle der 30 %-igen Kostenbeteiligung eine 23 %-ige Beteiligung der kreisangehörigen Gemeinden an den Kreisleistungen nach § 22 SGB II in Form einer Kreisumlage zu übernehmen. Dies wurde schließlich in § 5 des Ausführungsgesetzes zum SGB II vom 14. Dezember 2004 (GVOBl S. 484) so übernommen und mit Änderungsgesetz vom 27. Mai 2011 (GVOBl S. 146) modifiziert. Im Zuge der Neufassung des nunmehr angegriffenen Finanzausgleichsgesetzes wurde diese Regelung gestrichen. Nach der Gesetzesbegründung soll eine Berücksichtigung der den Kreisen entstehenden Kosten nun nicht mehr über die Kreisumlage, sondern direkt über einen entsprechend erhöhten Schlüsselzuweisungsbetrag erfolgen.

175

Das Gericht vermag dem Grundansatz eines Vergleiches zwischen der jetzigen Rechtslage und der Rechtslage vor Inkrafttreten des reformierten Finanzausgleichsgesetzes nicht zu folgen. Dem Gesetzgeber steht es frei – wie geschehen –, das Finanzausgleichssystem grundlegend zu überarbeiten und zu ändern. Maßgeblich ist nach einer derartigen Novellierung, ob das neu geschaffene System in sich kohärent ist und den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Hält das Gesetz einer derartigen Überprüfung stand, kann sich die Verfassungswidrigkeit nicht daraus ergeben, dass die neugeschaffene Regelung Veränderungen des Status quo herbeiführt. Konkret für die hier aufgeworfene Frage folgt daraus, dass maßgeblich nur sein kann, ob die Aufteilung der gebildeten Teilschlüsselmassen für sich betrachtet verfassungsgemäß ist. Ist dies der Fall, so kann die Verfassungswidrigkeit nicht aus dem Umstand erwachsen, dass sich durch die neue Rechtslage, gemessen an der Rechtslage zuvor, Veränderungen in den Finanzzuweisungen, etwa im Verhältnis Kreise zu kreisfreien Städten, einstellen.

176

(b) Nicht durchzugreifen vermag des Weiteren der Einwand der Antragstellerinnen, der Gesetzgeber habe nicht isoliert nur die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung außer Betracht lassen dürfen. Insbesondere einen Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit kann das Gericht darin nicht erkennen.

177

Für die erfolgte Nichtberücksichtigung der Kosten der Grundsicherung an sich gibt es im Hinblick auf den feststehenden Wegfall dieser Kostenposition einen unmittelbar nachvollziehbaren und im Gesetzgebungsverfahren dargelegten, jedenfalls vertretbaren Grund. Der Gesetzgeber ist nicht gezwungen, bei der Verteilungsentscheidung Kostenpositionen zu berücksichtigen, die mit Sicherheit zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Gesetzes nicht mehr existieren. Dies war bei den Kosten der Grundsicherung aber der Fall.

178

Eine Verletzung des Gebots der Systemgerechtigkeit folgt auch nicht aus dem diesbezüglichen Vorgehen des Gesetzgebers im Übrigen. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber andere und mit dem Wegfall der Kosten der Grundsicherung vergleichbare künftige Entwicklungen zulasten vor allem der Träger der Kreisaufgaben in nicht vertretbarer Weise unberücksichtigt gelassen hätte.

179

Soweit die Antragstellerinnen insoweit auf die bereits absehbare Erhöhung der Mittel für den Ausbau von Kindertageseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren verweisen, fehlt es an der Vergleichbarkeit. Zwar stand auch diese Maßnahme bereits mit erheblichem Vorlauf vor der Verabschiedung des hier verfahrensgegenständlichen Gesetzes fest. Das entsprechende Gesetz wurde Ende des Jahres 2013 verkündet

(Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflegestellen vom 3. Dezember 2013, ).

180

Jedoch war – anders als bei dem Wegfall der Kosten der Grundsicherung – damit noch nicht geklärt, wann und in welcher Größenordnung hierdurch tatsächlich Entlastungen auf der Ebene der Gemeinden eintreten. Denn durch das Gesetz wurde zunächst nur der Investitionsbank Schleswig-Holstein ein Betrag von 10 Millionen Euro zugeführt. Wie sich diese Mittelverschiebung zu welchem Zeitpunkt auf die kommunalen Haushalte auswirken würde, stand damit nicht zeitgleich mit der Verabschiedung des Gesetzes fest. Vielmehr bedarf es nach dem gewählten Förderansatz einer Reihe von Zwischenschritten (Antragstellung durch einzelne kommunale Körperschaften, Bewilligung etc.), bis die Mittel letztlich vor Ort wirksam werden. Dass die Beträge vor diesem spezifischen Hintergrund nicht bereits im Laufe des Jahres 2014 in die Bemessung der Teilschlüsselmassen nach § 4 FAG 2014 Eingang fanden, ist insoweit jedenfalls nicht unvertretbar.

181

Soweit die Antragstellerinnen des Weiteren auf die Nichtberücksichtigung der Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre verweisen, genügen sie jedenfalls nicht ihrer Begründungspflicht. Aus § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LVerfGG folgt auch im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle, dass zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt substantiiert vorzutragen ist

(vgl. zu dem insoweit gleichlautenden § 23 BVerfGG in einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle: BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1 ff., Juris Rn. 116; ebenso: Graßhof, in: Umbach/ Clemens/ Dollinger-Graßhof beziehungsweise Puttler, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 76 Rn. 35, § 23 Rn. 17 ff.; Lenz/ Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015, § 23 Rn. 12 ff., § 76 Rn. 16; von Coelln, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/ Klein/ Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 23 Rn. 54 ff., § 76 Rn. 61).

182

Es ist jedoch weder dargelegt noch selbsterklärend, dass die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Tarifabschlüssen irgendeine signifikante Auswirkung auf das prozentuale Verhältnis der Teilschlüsselmassen des § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 zueinander haben könnte. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass die Träger der Kreisaufgaben insoweit unter einer stärkeren Kostenentwicklung zu leiden hätten als die Träger der gemeindlichen Aufgaben oder umgekehrt. Nur dann wäre ein Einfluss auf die Teilschlüsselmassenbildung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 überhaupt denkbar. Gleiches gilt für den Verweis auf Belastungen aus dem Mindestlohn und den Verpflichtungen zur Tariftreue.

183

Zuletzt folgt nichts anderes aus der in der Gesetzesbegründung dokumentierten Nichtberücksichtigung der Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Diese Maßnahme wurde zwar bereits im Laufe des hier verfahrensgegenständlichen Gesetzgebungsprozesses wirksam

(Haushaltsbegleitgesetz vom 13. Dezember 2013, dort Artikel 3 <Änderung des Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer>, GVOBl S. 494 ff.).

Die Grunderwerbsteuer steht allerdings nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 4 GG zunächst allein dem Land Schleswig-Holstein zu

(Hidien, in: Kahl/ Waldhoff/ Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 106, Rn. 1443; Kyrill-A. Schwarz, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, Grundgesetz-Kommentar, 6. Aufl. 2010, Art. 106,
Rn. 56; Hopfau, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann, Grundgesetz, 13. Aufl. 2014, Art. 106 Rn. 17).

Deren Erhöhung berührt damit zunächst nur das Symmetriegebot und damit die Ausgestaltung des § 3 FAG 2014. Die Einnahmen einzelner kommunaler Akteure erhöhen sich hierdurch nicht direkt, so dass Veränderungen dieser Steuer keinen weiteren Ermittlungsbedarf im Rahmen von § 4 FAG 2014 auslösen.

184

(c) Der Einwand doppelter Berücksichtigung verschiedener Bedarfe, insbesondere der Aufwände für die Theater greift nicht durch. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass die berücksichtigten Bedarfe für die Theater im Hinblick auf die absoluten Beträge nicht mehrfach Eingang in die Berechnungen gefunden haben. Denn die Beträge, die den Körperschaften für Theater über Vorwegabzüge nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 14 FAG 2014 zukommen sollten, wurden bei der Bemessung der Bedarfe im Rahmen der Teilschlüsselmassenbildung nach § 4 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 berücksichtigt, führten also zu einer Verringerung des Gewichts dieser Aufgabe bei der Bemessung der Schlüsselzuweisungen. Nur nach Verrechnung dieser Vorwegabzüge noch verbleibende Kosten gingen in die Teilschlüsselmassenbildung ein. Dies ist zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig und wird zudem schlüssig und nachvollziehbar gutachterlich dargelegt

(Ergänzungsgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung, 2013, S. 6).

185

Eine verfassungsrechtlich fundierte Notwendigkeit zur vollständigen Herausnahme dieser verbleibenden Kostenpositionen ist nicht zu erkennen. Insbesondere stellt sich die angegriffene Regelungstechnik nicht als systemwidrig dar.

186

Ein genereller Rechtssatz derart, dass kommunale Bedarfe, die mit Vorwegabzügen bedacht werden, nicht im Übrigen noch bei der Bemessung der Teilschlüsselmassen Berücksichtigung finden dürfen, ist Art. 57 Abs. 1 LV nicht zu entnehmen und folgt insbesondere weder aus dem Gebot der Systemgerechtigkeit noch aus dem als verletzt gerügten Gebot interkommunaler Gleichbehandlung. Vielmehr steht es dem Gesetzgeber frei, mittels des Instruments der Vorwegabzüge – in jedoch dem Umfang nach begrenztem Maße – seine strukturpolitischen Ziele auf der Kommunalebene einzubringen und besondere landespolitisch motivierte Anliegen durchzusetzen. Es ist vor diesem Hintergrund nicht festzustellen, dass der Gesetzgeber gehindert sein könnte, einzelne Aufgabenbereiche zusätzlich über die Einstellung in die Berechnungen zur Feststellung der Teilschlüsselmassen durch weitergehende Zweckzuweisungen zu begünstigen. Dass sich hieraus für die entsprechende Aufgabe ein überdurchschnittlicher Deckungsgrad ergibt, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt für die Theater im Übrigen in besonderer Weise, da deren Förderung ein Verfassungsauftrag ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 und 3 LV).

187

Nicht zu folgen vermag das Gericht schließlich der insbesondere vom Gemeindetag aufgestellten Behauptung einer sich ergebenden Überdotierung der Bedarfe für Theater. Diese kann jedenfalls nicht allein damit begründet werden, dass die Schlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben nach § 4 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FAG 2014 im Jahr 2015 mit mehr Mitteln dotiert war als im Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung zugrunde gelegt und entsprechend auch der theoretische Anteil der Theater hieran steigt. Eine derartige Argumentation übersieht, dass die den Kommunen nach § 10 FAG 2014 zufließenden Schlüsselzuweisungen gerade nicht zweckgebunden vergeben werden. Aus höheren Schlüsselzuweisungen für eine nicht unerhebliche Anzahl zentralörtlicher Aufgaben kann nicht auf spezifische Deckungsschlüssel bestimmter Bedarfe geschlossen werden. Gerügt werden könnte damit allenfalls eine Überdotierung aller zentralörtlichen Aufgaben. Auch dies ist jedoch mit einem Vergleich der Zahlen etwa für das Jahr 2015 mit den Beträgen aus dem Gesetzgebungsverfahren nicht möglich. Denn dass die Teilschlüsselmassen in Zeiten höheren Steueraufkommens besser dotiert sind als in den vorherigen Zeiträumen, welche dem zitierten Gutachten zugrunde liegen (2009 bis 2011), ist Folge der prozentualen Anbindung der Teilschlüsselmassen an die Finanzausgleichsmasse insgesamt. Plausible Rückschlüsse auf eine willkürlich oder systemfremd zu hohe Dotierung einer bestimmten Teilschlüsselmasse ergeben sich hieraus nicht. Mit gleicher Argumentation ließe sich beispielsweise eine „Überfinanzierung“ der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben begründen. Denn diese Teilschlüsselmasse beruht ebenfalls in ihrem prozentualen Gewicht im vorgenannten Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung auf ermittelten durchschnittlichen Zuschussbedarfen in Höhe von 426 Millionen Euro (vgl. Tabelle 5-4), während nach der von den Antragstellerinnen genannten Schätzung für 2015 erheblich mehr, nämlich 642,50 Millionen Euro, eingeplant werden können.

188

bb) Letztlich ist jedoch aus zwei verbleibenden Gründen die Verfassungswidrigkeit der Aufteilung der Finanzausgleichsmasse durch § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 festzustellen. Verletzt ist das Gebot bedarfsorientierter Sachverhaltsermittlung (<1>). Zudem genügen die Erwägungen zur Nichtberücksichtigung rauminduzierter Bedarfe nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben (<2>).

189

(1) Zum einen fehlt es bei der Bemessung der Schlüsselzuweisungen je gebildeter Gruppe an einer den Verfassungsvorgaben genügenden Bedarfserhebung. Die zur Überprüfung gestellten Regelungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 verletzen das Gebot der Aufgabengerechtigkeit, welches für die horizontalen Verteilungsentscheidungen einenbedarfsorientierten und in sich schlüssigen Ansatz verlangt. Wie ausgeführt (siehe oben 2. a) aa) (2) (b) (bb), Rn. 101 ff.) verfügt der Gesetzgeber zwar in Bezug auf die Ausgestaltung der Teilschlüsselmassen über einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Wahl der anzuwendenden Methodik. Auch auf dieser Ebene der Konzeption des kommunalen Finanzausgleichs ist er aber verpflichtet, die jeweilige Herangehensweise auf eventuelle Schwächen zu überprüfen und (insbesondere im Falle einer – wie hier – rein ausgabenbasierten Herangehensweise) sicherzustellen, dass gegebenenfalls methodenbedingt nicht adäquat erfasste Bedarfe durch ergänzende Erwägungen Eingang in die Ausgestaltung finden. Diese Anforderungen sind für § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 und die dort vorgenommene Aufteilung der Gesamtmasse auf die Schlüsselzuweisungsgruppen nicht durchgehend erfüllt.

190

Keine durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf die sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Vorgaben bestehen dabei gegen den vom Gesetzgeber für die Teilschlüsselmassenbildung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 gewählten methodischen Grundansatz. Der Gesetzgeber hat seiner Entscheidung insoweit das Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Juli 2013 zugrunde gelegt. Dieses basiert auf einer rein ausgabenbasierten Betrachtung der Kommunalstatistiken und damit auf der Betrachtung des faktischen Ausgabeverhaltens der betroffenen Körperschaften in der Vergangenheit. Wie dargelegt steht es dem Gesetzgeber in Ausübung seines Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes frei, ein derartiges Konzept zugrunde zu legen. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerinnen gilt diese Bewertung insbesondere auch für die konkrete Höhe der Teilschlüsselmasse für Zentrale Orte (15,56 %). Deren Höhe ermittelt das Gutachten in einem in sich schlüssigen Zweischrittverfahren. Zunächst legen die Gutachter fest, welche Aufgaben als „übergemeindlich“ einzuordnen sind. Hierzu wird – in Ermangelung einer abschließenden und anerkannten „Liste“ – ein Kriterienkatalog vorgestellt:

Aufbauend auf dieser Arbeit lassen sich folgende Kriterien aufstellen, die für eine Abgrenzung übergemeindlicher Aufgaben herangezogen werden können:

1. Die Nutzung erfolgt in nicht unerheblichem Maße durch Einwohner des Verflechtungsbereichs.

2. Die Aufgabe wird aus landesplanerischen Überlegungen nicht oder nicht in gleichem Umfang Orten mit niedrigerer Zentralitätseinstufung beigemessen.

3. Durch die Nutzung entstehen Kosten für die kommunale Ebene.

4. Eine Identifizierung der Aufgabe in der kommunalen Gliederungssystematik ist möglich.

Das erste Kriterium ist dabei das wichtigste. Es besitzt den Charakter einer notwendigen Bedingung. Die anderen Kriterien können als hinreichende Bedingungen bei der Abwägung einer Aufnahme der Aufgabe in die Liste der übergemeindlichen Aufgaben herangezogen werden, sofern die notwendige Bedingung (erstes Kriterium) erfüllt ist. Darüber hinaus werden unmittelbar aus übergemeindlichen Aufgaben abgeleitete Aufgaben ebenfalls als übergemeindliche Aufgaben eingeordnet (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 34).

und anhand dieser Kriterien eine Liste 34 „potentiell finanzausgleichsrelevanter übergemeindlicher Aufgaben“ ermittelt (von Hauptschulen über Volkshochschulen bis zu Straßenreinigung und Parkeinrichtungen) sowie ergänzend textlich begründet. Im Anschluss erfolgt die Berechnung der auf diese Aufgaben entfallenden Kostenpositionen. Auf die Ausführungen Seite 36 bis 40 des Gutachtens wird insoweit Bezug genommen. Gründe, die dafür sprechen könnten, dieses ausführlich erörterte und textlich wie mathematisch begründete Vorgehen als unvertretbar oder willkürlich einstufen zu müssen, erschließen sich nicht.

191

Soweit die Antragstellerinnen dem Gesetzgeber unter Verweis auf die Kosten der Schülerbeförderung „Inkonsistenz“ vorwerfen, verfängt dieser Einwand nicht. In sich unschlüssig wäre die Nichtaufnahme der Kosten der Schülerbeförderung nur dann, wenn der Einstufungsentscheidung ein starres – etwa streng am Planungsrecht ausgerichtetes – Vorgehen zugrunde läge, welches die Einstufung als übergemeindliche Aufgabe an sich zwingend geböte. So liegt es jedoch gerade nicht. Vielmehr folgt aus den gutachterlichen Erwägungen, dass bei jeder in Betracht kommenden Aufgabe eine Abwägungsentscheidung zu treffen ist. Dass im Rahmen einer derartigen Abwägung die Kosten der Schülerbeförderung letztlich nicht berücksichtigt wurden, ist nicht zu beanstanden, da – worauf die Landesregierung zutreffend hinweist – diese auf anderem Wege, nämlich über § 114 Schulgesetz abgewickelt werden. Vergleichbares gilt hinsichtlich der Frage der Kosten der Krankenhäuser. Es mag insofern richtig sein, dass die Einordnung der verschiedenen Aufgaben „schwierig“ ist. Maßgeblich für das Gericht ist jedoch nur, ob die entsprechend notwendigen Entscheidungen – mögen sie auch schwierig sein – nachvollziehbar getroffen wurden. Dies ist – wie gezeigt – der Fall.

192

Nicht hinreichend – und zwar bezogen auf alle Teilschlüsselmassen – sind jedoch die dann erforderlichen, ergänzenden Erwägungen zur Korrektur eventueller, mit dieser rein ausgabenbezogenen Methodik einher gehendender Schwachpunkte, um insgesamt eine realitätsbezogene Verteilungsentscheidung zu gewährleisten. Zwar haben die Gutachter die sich aus den erhobenen statistischen Daten ergebenden Zuschussbedarfe der verschiedenen Aufgabenträgergruppen tatsächlich – und insoweit den obigen Vorgaben entsprechend – einer kritischen Überprüfung auf Realitätsnähe unterzogen. So legen die Gutachter zunächst offen, dass sich aus dem vorliegenden statistischen Material „deutliche Unterschiede“ zwischen den Zuschussbedarfen der kreisfreien Städte und den Kreisen bei den Kreisaufgaben beziehungsweise zwischen den kreisfreien Städten und den übrigen Gemeinden bei den Gemeindeaufgaben zeigen. Die Gutachter überprüfen sodann nachvollziehbar, ob sich diese Unterschiede durch Besonderheiten der jeweiligen tatsächlichen Kostenstrukturen erklären lassen. So seien etwa die Unterschiede bei den Kreisaufgaben durch die Ballung sozialer Problemlagen in größeren Städten plausibel erklärbar. Bei den Gemeindeaufgaben seien die unterschiedlichen Ausgabenstrukturen nachvollziehbar und auf wenige Aufgabengebiete eingrenzbar. So ließen sich beispielsweise höhere Ausgaben der kreisfreien Städte im Bereich Brandschutz durch die dort greifende Verpflichtung zum Unterhalt von Berufsfeuerwehren (§ 7 Abs. 1 des Gesetzes über den Brandschutz und die Hilfeleistungen der Feuerwehren vom 10. Februar 1996 ) erklären. Höhere Kosten für Tageseinrichtungen für Kinder ließen sich etwa durch andere Sozialstrukturen in größeren Ballungsräumen (Erwerbsbeteiligung von Frauen, Betreuung von Kindern durch Großeltern) nachvollziehen

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, dort Kapitel 2 „Struktur und Entwicklung der kommunalen Finanzen in Schleswig-Holstein“, S. 5 ff., insbesondere S. 16).

193

Soweit sich aus den Erwägungen der Gutachter jedoch ergibt, dass tatsächliche Bedarfslagen durch die zugrunde gelegten Daten nicht adäquat abgebildet werden, belassen es die Gutachter – und dem folgend der Gesetzgeber – bei der bloßen Feststellung dieses Umstandes. Eine nach dem Gebot bedarfsorientierter Sachverhaltsermittlung dann erforderliche, wertende Modifikation der Datengrundlage des Gutachtens zur realitätsbezogenen Erfassung aller relevanten Bedarfe wird nicht in Betracht gezogen.

194

Dies betrifft etwa den Bereich der Investitionen. Wie aufgezeigt, liegt eine maßgebliche Schwäche des rein ausgabenbezogenen Ansatzes in dessen Untauglichkeit, Investitionsrückstände aufgrund fehlender finanzieller Ausstattung sachgerecht zu erfassen, da in der Vergangenheit unterlassene Investitionen fälschlich als fehlender Bedarf in der Zukunft interpretiert werden. Eine eben solche Situation legt das Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Juli 2013 für den Bereich der kreisfreien Städte explizit nahe. Wörtlich wird dort ausgeführt:

Es wird deutlich, dass sich die kommunale Investitionstätigkeit fast ausschließlich auf die Gemeindeebene beschränkt. In den Kreisaufgaben fallen lediglich marginale Investitionen im Bereich der weiterführenden Schulen, der Krankenhäuser und der Kreisstraßen an. Die gemeindliche Investitionstätigkeit konzentriert sich dagegen auf den Brandschutz, die Schulen, die Tageseinrichtungen für Kinder, die Sportstätten, die Gemeindestraßen, die Abwasserbeseitigung und die Verkehrsunternehmen.

Es ist auffallend, dass die kreisfreien Städte in deutlich geringerem Maße investive Ausgaben tätigen als die kreisangehörigen Gemeinden. Dies kann als Ergebnis der in Relation zu den laufenden Ausgaben geringen allgemeinen Deckungsmittel verstanden werden. Nach Abzug der laufenden Kosten verbleiben den kreisfreien Städten keine ausreichenden Mittel mehr, um Investitionen zu tätigen. Die Unterschiede in der Investitionstätigkeit zwischen den beiden Gruppen sind bei allen oben genannten investitionsstarken Gemeindeaufgaben augenfällig. Die einzigen Ausnahmen bilden die Abwasserbeseitigung und die Verkehrsunternehmen (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 17).

195

Diese damit in dem zugrunde liegenden Gutachten selbst offen gelegte Vermutung inadäquater Abbildung tatsächlich bestehender Investitionsbedarfe der kreisfreien Städte durch die verwendeten Zahlenwerke wird im Weiteren nicht entkräftet. Zwar stellen die Gutachter noch die Vermutung an, dass die festgestellten Ungleichheiten teilweise durch die Verlagerung von Aufgaben der kreisfreien Städte in Eigenbetriebe erklärbar sein könnten, mit der Folge, dass sich Investitionen hierdurch aus dem Vermögenshaushalt in den Verwaltungshaushalt verlagern könnten. Dieser bloßen Vermutung wird jedoch sodann nicht weiter empirisch nachgegangen, wie auch keine sonstigen Konsequenzen aus den obigen Feststellungen gezogen werden.

196

Solche wären aber nach den oben aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäben (siehe oben 2. a) bb) (4), Rn. 122) erforderlich, namentlich durch eine weitergehende Überprüfung der fundiert dargelegten Vermutung von nicht abgebildeten Investitionslücken sowie hieran anschließend durch wertende Korrektur der für Investitionen der kreisfreien Städte erforderlichen, in den allein verwandten statistischen Zahlen jedoch nicht adäquat abgebildeten Finanzmittel.

197

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Gutachter in den obigen Ausführungen zu dem Schluss kommen, dass die – zudem nur vermuteten – eigenbetriebsbedingten Verlagerungen aus dem Vermögens- in den Verwaltungshaushalt „in der Summe“ keine Verzerrung der Zuschussbedarfe bewirkten. Dies mag auf Ebene der einzelnen Städte richtig sein, sagt aber für die hier maßgebliche Verteilung der Finanzausgleichsmasse auf Gemeinde- beziehungsweise Kreisaufgaben nichts aus. Denn in dem Umfang, in dem die festgestellten Unterschiede nicht aus den obigen Verlagerungen erklärbar sind, sondern ein echtes Investitionsdefizit im Vergleich zu den Gemeinden des kreisangehörigen Raumes indizieren, bedarf es dann in der Konsequenz einer wertenden Korrektur der Dotierung der Teilschlüsselmasse für Gemeindeaufgaben.

198

Nicht durchzugreifen vermag zuletzt der Hinweis der Landesregierung, dass Investitionen in der Durchschnittsbetrachtung über mehrere Jahre jedenfalls kein substantielles Gewicht hätten und zudem in der horizontalen Betrachtung in der Bedeutung vernachlässigbar seien. Das Argument fehlenden Gewichts lässt sich schon anhand der im Gutachten selbst dargelegten Größenordnungen nicht nachvollziehen. Hiernach liegen die Zuschussbedarfe im Vermögenshaushalt im Betrachtungszeitraum bei 115,88 Euro/ Einwohner (kreisfreie Städte) beziehungsweise 168,24 Euro/ Einwohner (kreisangehöriger Raum) und damit verglichen mit den Zuschussbedarfen im Verwaltungshaushalt von 1.357,07 Euro/ Einwohner (kreisfreie Städte) beziehungsweise 938,78 Euro/ Einwohner (kreisangehöriger Raum) jedenfalls nicht in einem vernachlässigbaren Bereich. Dass die festgestellten Divergenzen im Übrigen auch für den horizontalen Bereich relevant sind, folgt schon aus den obigen Erwägungen. Sollte der kreisfreie Bereich im Unterschied zum kreisangehörigen Bereich bei den Gemeindeaufgaben unter einem signifikanten Investitionsrückstau leiden, hat dies naturgemäß Auswirkungen auf die verfassungsmäßig geschuldete angemessene Verteilung der zur Verfügung stehenden Finanzausgleichsmasse.

199

Nur ergänzend ist anzufügen, dass die vorstehenden Erwägungen Relevanz für die nach allem anstehende Überprüfung der Finanzausgleichsmasse insgesamt haben dürften. Denn das Vorliegen erheblicher Indizien für ein tatsächlich bestehendes Investitionsdefizit jedenfalls auf Ebene der kreisfreien Städte dürfte nach dem Gebot bedarfsorientierter Sachverhaltsermittlung Erhebungsbedarf nicht nur in horizontaler, sondern auch in vertikaler Hinsicht auslösen.

200

(2) Zudem stellt sich § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 mit Blick auf die gesetzgeberische Behandlung rauminduzierter Kosten als verfassungswidrig dar. Art. 57 Abs. 1 LV ist zwar insoweit keine Aussage dahingehend zu entnehmen, dass etwaige rauminduzierte Kosten der Aufgabenerfüllung – vor allem denkbare Mehrkosten der Aufgabenerledigung auf ausgedehnter Fläche oder aber etwaige Kosten aufgrund sonstiger naturräumlicher Besonderheiten wie etwa in Schleswig-Holstein mehrfach gegebener Insellagen – auf jeden Fall einer gesonderten Erhebung bedürfen. Maßstab der Prüfung ist vielmehr nur, ob der hier vorliegende Verzicht auf die Erhebung etwaiger raumbedingter Kosten sachlich zumindest vertretbar war.

201

In der einschlägigen landesverfassungsrechtlichen Rechtsprechung sowie in der veröffentlichten wissenschaftlichen Literatur wird insoweit nachvollziehbar davon ausgegangen, dass erhebliche Gründe für die Annahme sprechen, dass insbesondere Fläche ein kostenerhebliches Kriterium sein könnte, etwa hinsichtlich der Straßenbaulast, aber auch bezüglich zahlreicher anderer Kreisaufgaben (beispielsweise Naturschutz, Landwirtschaftswesen, Veterinärwesen, Abfallwirtschaft, Rettungswesen, ÖPNV)

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 146 f.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 127 ff.; Henneke, NdsVBl 2013, 121 <126>, Wohltmann, Der Landkreis 2016, 501 <530>; weiterführend: Kirchhof/ Meyer, Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, 1996).

Dieser Befund wird nicht zuletzt von dem zugrunde liegenden Gutachten selbst nahe gelegt. Das Gutachten geht davon aus, dass bestimmte Kostenarten im ländlichen Raum stärker ins Gewicht fallen als im Verdichtungsraum:

Die Zuschussbedarfe der Gemeindeebene sind vor allem in der allgemeinen Verwaltung höher als in den kreisfreien Städten. Dies liegt sehr wahrscheinlich an der stärker dezentralen Verwaltungsstruktur im kreisangehörigen Raum (Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 16).

Dass gleiches für Insellagen gilt, liegt schon im Hinblick auf die Erreichbarkeit und den deshalb für die dortige Aufgabenerledigung erhöhten Aufwand nahe.

202

Hieraus folgt im Rahmen der von dem Gericht allein durchzuführenden Vertretbarkeitsprüfung, dass der Gesetzgeber zumindest eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Problematik schuldet. Auf die Berücksichtigung des Parameters Raum kann er nur dann verzichten, wenn er hierfür nachvollziehbare Gründe erhoben und dokumentiert hat

(vgl. StGH Niedersachsen, Urteil vom 16. Mai 2001 - StGH 6/99 -, NdsVBl 2001, 184 ff., Juris Rn. 140; wohl ebenso: BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. -, BVerfGE 86, 148 ff., Juris
Rn. 317 ff.).

203

Vorliegend befassen sich allerdings weder das zugrunde liegende Gutachten noch die Gesetzesbegründung eingehend mit der Materie. Im Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung ist eine nachvollziehbare Auseinandersetzung insbesondere mit der Frage, ob ein Flächenindikator erforderlich ist, nicht enthalten. Auch die Gesetzesbegründung zeigt, dass eine substantielle Auseinandersetzung mit dem eventuell gegebenen Erfordernis der Einführung eines konkreten Flächenparameters nicht stattgefunden hat. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich vielmehr, dass man sich mit dieser Fragestellung allein deshalb nicht auseinandersetzte, um den Finanzausgleich nicht weiter zu verkomplizieren. Insoweit heißt es in der Gesetzesbegründung:

Es werden keine zusätzlichen Verteilungskriterien für Fläche bei den Kreisen oder für Bildungsaufwand bei den Gemeinden eingeführt. Solche Kriterien machten den Finanzausgleich komplizierter, ohne dass die Verteilungswirkung den kommunalen Bedarfen notwendigerweise besser gerecht würde. (…). Auch das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung empfiehlt, über den Soziallastenansatz auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte hinaus mit weiteren Nebenansätzen zurückhaltend umzugehen (Landtags-Drucksache 18/1659, S. 47).

204

Diese Erwägung allein vermag jedoch keine hinreichende Begründung für die Nichtberücksichtigung abzugeben. Denn ob der in sich vertretbare Gesichtspunkt, die gesetzliche Regelung möglichst nicht weiter zu verkomplizieren, trägt, lässt sich nur in Abwägung mit den damit einhergehenden Nachteilen im Hinblick auf das Gebot einer dem Gleichheitssatz genügenden Ausgestaltung des Finanzausgleichs beantworten. Diese Abwägung erfordert, dass sich der Gesetzgeber die für einen Flächenansatz sprechenden Gesichtspunkte und die Ausgestaltungsmöglichkeiten zumindest im Ansatz vergegenwärtigt.

205

Für das Erfordernis einer substantiellen Auseinandersetzung mit der Frage der Berücksichtigung rauminduzierter Bedarfe spricht dabei im Übrigen die Argumentation der Landesregierung in dem vorliegenden Verfahren. Diese meint – wie dargestellt –, dass eine Berücksichtigung von Deglomerationskosten nur dann erforderlich sei, wenn auch Agglomerationskosten berücksichtigt würden

(so wohl: VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18 Mai 2006 - VfGBbg 39/04 -, LKV 2006, 505 ff.).

Letzteres sei in Schleswig-Holstein aber nicht der Fall.

206

Dem vermag das Gericht nicht zu folgen. Entgegen den Ausführungen der Landesregierung sind Agglomerationseffekte durchaus berücksichtigt. Denn in seiner praktischen Wirkung stellt die Teilschlüsselmasse für Zentrale Orte (bis hinab zum Unterzentrum, vgl. § 10 FAG 2014) einen Indikator für Agglomerationseffekte dar. Dem kann nicht durchgreifend entgegengehalten werden, dass § 10 FAG 2014 nicht formell an die Bevölkerungsdichte anknüpft, sondern an Maßstäbe des Landesplanungsrechts. Denn im Ergebnis werden hier Agglomerationseffekte – wenn auch mit anderer Regelungstechnik – zur Mittelverteilung herangezogen. Dies zeigt sich schon bei Betrachtung der Ergebnisse der Verteilung der Teilschlüsselmasse nach § 10 FAG 2014. Hiernach werden etwa im Finanzausgleichsjahr 2016 über 70 % der Teilschlüsselmasse für zentralörtliche Aufgaben an die vier Oberzentren (Kiel, Lübeck, Flensburg, Neumünster) sowie die vierzehn Mittelzentren (Brunsbüttel, Heide, Mölln, Husum, Eutin, Elmshorn, Eckernförde, Rendsburg, Schleswig, Bad Segeberg, Kaltenkirchen, Itzehoe, Bad Oldesloe) vergeben. Nur ca. 6 % der Teilschlüsselmasse erreichen hingegen ländliche Zentralorte beziehungsweise Stadtrandkerne I. Ordnung, nur ca. 4% Stadtrandkerne II. Ordnung

(Erlass Kommunaler Finanzausgleich 2016 des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten, 18. Januar 2016, Anlage 5 und 8).

207

Die Verknüpfung der Einstufung als Ober- und Mittelzentrum mit Agglomerationseffekten ist dabei nicht zu verkennen. Insoweit bestünde hier hinreichend Grund für eine fundierte Entscheidung, ob nicht im Flächenland Schleswig-Holstein begleitend die Einführung eines Flächen- oder sonstwie raumbezogenen Indikators geboten erscheint.

208

cc) § 4 Abs. 2 FAG 2014 verletzt hingegen Art. 57 Abs. 1 LV unter keinem Gesichtspunkt. Dies gilt sowohl für das Instrument der Zweckzuweisung als solches (<1>) als auch für das Gesamtgewicht der vorliegend geregelten Zweckzuweisungen (<2>) und schließlich für die Höhe der einzelnen Zweckzuweisungen (<3>).

209

(1) Die grundsätzliche Verwendung des Instruments der Zweckzuweisung ist – im Einklang mit der Rechtsprechung der anderen hiermit befassten Landesverfassungsgerichte – zulässig (siehe oben a), Rn. 130).

210

(2) Nicht zu beanstanden ist § 4 Abs. 2 FAG 2014 im Hinblick auf dessen Gesamtgewichtung. Zwar liegt es auf der Hand, dass bei der Normierung derartiger Zweckzuweisungen Grenzen einzuhalten sind, da ansonsten die kommunale Selbstverwaltungsfreiheit stark eingeschränkt würde. Insoweit kann sich ein Übermaß an potentiell selbstverwaltungsfeindlichen Zweckzuweisungen sowohl aus der Summe dieser Zuweisungen im Verhältnis zu den allgemeinen, zweckungebundenen Zuweisungen ergeben, als auch aus der reinen Zahl an ausdifferenzierten Zuweisungstatbeständen. Der Gesetzgeber muss bei beiden Zurückhaltung üben, um die kommunale Autonomie nicht in unverhältnismäßiger Weise einzuschränken

(vgl. VerfGH Thüringen, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 -, LVerfGE 16, 593 ff., Juris Rn. 197 f.).

211

Mit der Anzahl der hier nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 normierten Zweckzuweisungstatbestände (insbesondere Theater/ Orchester, Straßenbau, Infrastruktur, Frauenhäuser, Büchereien, Kindertagesstätten) ist dieser Bereich der Überregulierung nicht erreicht. Gleiches gilt hinsichtlich der Größenordnung von ca. 10 % der Finanzausgleichsmasse. Jedenfalls potentiell problematisch erscheint allerdings der Umstand der betragsmäßigen Festschreibung der Zweckzuweisungen im Gegensatz zur prozentualen Festlegung der Finanzausgleichsmasse im Übrigen. Bei etwaig einbrechenden Steuereinnahmen auf Landesebene stiege entsprechend der Anteil der Zweckzuweisungen auf (gegebenenfalls erheblich) über 10 % an. Im Einzelfall könnte hierdurch in dann verfassungsrechtlich relevanter Weise bewirkt werden, dass die nach Abzug der Zweckzuweisungen verbleibende Finanzausgleichsmasse nicht mehr zur Erfüllung originär kommunaler Aufgaben hinreichen könnte

(vgl. hierzu StGH Niedersachsen, Urteil vom 25. November 1997
- StGH 14/95 u.a. -, NdsStGHE 3, 299 ff., Juris Rn. 114).

212

Im Ergebnis führt dieser Aspekt allein jedoch nicht zur Verfassungswidrigkeit der fraglichen Regelung. Hiergegen spricht schon der relativ kurze Zeitraum, für den die Zweckzuweisungen geregelt sind (bis 2018). Dass es innerhalb dieses Zeitraumes zu derart schwerwiegenden Verzerrungen in dem ursprünglich geregelten Verteilungsverhältnis zwischen Zweckzuweisungen nach § 4 Abs. 2 FAG 2014 und Schlüsselzuweisungen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FAG 2014 kommt, ist schon wenig wahrscheinlich. Vor allem aber ist insoweit auf die sowohl verfassungsrechtlich verbürgten als auch einfachgesetzlich (§ 4 Abs. 1 Satz 3 FAG 2014) festgeschriebenen Beobachtungspflichten des Gesetzgebers zu verweisen. Mögliche Verschiebungen im Verhältnis der vorgenannten Zuweisungen zueinander hat der Gesetzgeber hiernach laufend zu beobachten und gegebenenfalls zu korrigieren.

213

(3) Keine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV durch § 4 Abs. 2 FAG 2014 folgt zuletzt aus der Höhe der einzelnen Zweckzuweisungen, und zwar insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Aufgabengerechtigkeit.

214

Aus dem – zulässigen – Zweck der Vorwegabzüge, die Erfüllung bestimmter kommunaler Aufgaben in besonderer Weise zu priorisieren und zu fördern, folgt unmittelbar, dass der Gesetzgeber nicht gehalten ist, bereits auf dieser Ebene die zur vollständigen Erfüllung dieser Aufgaben nötigen Beträge realitätsnah zu ermitteln. Der Gesetzgeber ist innerhalb der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Grenzen insoweit frei, welchen Aufgaben er in welchem Maße gesonderte Förderung zukommen lassen möchte. Dies gilt jedenfalls solange, wie die für die einzelnen Zuweisungsgruppen festgelegten Beträge in signifikantem Maße hinter den für die vollständige Aufgabenerfüllung erforderlichen Beträgen zurückbleiben, es mithin nicht zu einer vom Zweck der Vorwegabzüge nicht mehr gedeckten Überfinanzierung einzelner Bereiche zulasten der anderen Funktionen des kommunalen Finanzausgleichs kommt.

215

Dies ist hier der Fall. Aus den konkret festgesetzten Beträgen für die einzelnen Zweckzuweisungen nach § 3 Abs. 2 FAG 2014 (beispielsweise 24 Millionen Euro für Straßenbau, rund 5,3 Millionen Euro für Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen, bis zu rund 7,7 Millionen Euro für Büchereien, jeweils für das gesamte Land Schleswig-Holstein) folgt offenkundig, dass es in keinem Bereich zu einer Voll- oder sogar Überfinanzierung der erfassten Aufgaben kommen kann. Zudem wird über die Auszahlungsmodalitäten der §§ 11 ff. FAG 2014 ergänzend weitgehend sichergestellt, dass nur tatsächlich benötigte Beträge ausgezahlt und eventuell verbleibende Beträge sodann gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 FAG 2014 im Folgejahr den Schlüsselzuweisungen nach § 4 Abs. 1 FAG 2014 zugeführt werden. Die vorstehenden Ausführungen insbesondere zur nicht gegebenen Überfinanzierung gelten dabei auch für die Zuweisungen für Theater und Orchester nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 FAG 2014 (siehe oben aa) (2) (c), Rn. 184).

216

d) Gründe für die Verfassungswidrigkeit von § 5 Abs. 2 FAG 2014 sind nicht ersichtlich. In der unterschiedlichen Behandlung gemeindlicher Bedarfe (Berücksichtigung im Rahmen von § 5 Abs. 2 FAG 2014 zu 70 %) und der Bedarfe für Kreisaufgaben (Einstellung im Rahmen von § 9 Abs. 1 FAG 2014 zu 85 %) liegt keine verfassungsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung (aa). Auch sonstige verfassungsrechtlich verbürgte Vorgaben an die Ausgestaltung des Finanzausgleichs wurden nicht verletzt (bb).

217

aa) Die unterschiedlichen Differenzausgleichsquoten von lediglich 70 % bei den Gemeindeaufgaben (§ 5 Abs. 2 FAG 2014) und 85 % bei den Kreisaufgaben (§ 9 Abs. 1 FAG 2014) stellen keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung dar.

218

Eine Verletzung des Gleichheitssatzes setzt voraus, dass vergleichbare Sachverhalte in wesentlicher Hinsicht ungleich behandelt werden. Bei den hier von den Antragstellerinnen gebildeten Vergleichsgruppen muss es sich dementsprechend um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte handeln

(vgl. etwa zuletzt BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Mai 2016 - 1 BvR 2217/11 -, Juris Rn. 19 m.w.N., stRspr.).

219

Dies ist nicht der Fall. Die Antragstellerinnen gehen in ihrer Argumentation davon aus, dass mit den Regelungen in den §§ 5 beziehungsweise 9 FAG 2014 zwar nicht Körperschaften, wohl aber Aufgabenarten im vergleichbaren Kontext der Festlegung konkreter Schlüsselzuweisungen ungleich behandelt würden, indem
– verkürzt ausgedrückt – Gemeindeaufgaben „nur“ zu 70 %, Kreisaufgaben hingegen zu 85 % ersetzt würden. Diese Zusammenschau unterschiedlicher Quoten übergeht, dass die vom Gesetzgeber normierten Prozentzahlen gerade nicht in einem vergleichbaren Kontext verwandt werden. Es werden damit Sachverhalte verglichen, die nicht vergleichbar sind. Die beanstandeten Ausgleichsquoten sind Teil jeweils gesondert ausgestalteter und deshalb gesondert zu bewertender Verteilungsmechanismen. Die absolute Höhe der den einzelnen Aufgabenträgern jeweils zukommenden Schlüsselzuweisungen hängt bei den verschiedenen Aufgabenarten von verschiedenen und damit nicht vergleichbaren Parametern ab. Die in der Antragsschrift unterstellte Aussage, dass 70 % unzulässigerweise „weniger“ als 85 % sei, vernachlässigt, dass diese Prozentzahlen jeweils Teil unterschiedlicher Gleichungen und damit nicht direkt vergleichbar sind. Der Parameter „70 %“ als ein Parameter von vier weiteren Parametern mit jeweils eigener Gewichtung ist mit einem Parameter „85 %“ als einem Parameter von fünf ganz anderen Parametern mit anderer Gewichtung in einer anderen Gesamtgleichung nicht vergleichbar.

220

Für die Verteilung der Schlüsselmasse für Gemeindeaufgaben sind nach §§ 5 ff. FAG 2014 im Ergebnis die folgenden Parameter maßgeblich: Einwohnerzahl (§ 6 Abs. 1 FAG 2014), diverse Steueraufkommen (§ 7 FAG 2014), der jeweils festzusetzende Grundbetrag (§ 6 Abs. 2 FAG 2014) sowie die hier gerügte Differenzquote von 70 %.

221

Für die Verteilung der Schlüsselmasse für Kreisaufgaben auf die einzelnen Aufgabenträger sind hingegen nach § 9 FAG 2014 andere Parameter maßgeblich: die Einwohnerzahl (§ 9 Abs. 2 FAG 2014), eine Umlagekraftmesszahl (§ 9 Abs. 3 FAG 2014), die Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II vor Ort (§ 9 Abs. 4 FAG 2014) sowie erneut ein (anderer) Grundbetrag (§ 9 Abs. 2 FAG 2014) und die hier gerügte Differenzquote von 85 %.

222

Die letztlich von den Antragstellerinnen aufgeworfene Frage, ob die Träger der Gemeindeaufgaben insgesamt im Verhältnis zu den Trägern der Kreisaufgaben insgesamt angemessen ausgestattet sind, ist eine Frage der Bildung der Teilschlüsselmassen nach § 4 FAG 2014 und keine Frage der Differenzausgleichswerte der §§ 7 und 9 FAG 2014. Das Problem einer eventuell ungleichen Behandlung von Trägern der Kreis- beziehungsweise Gemeindeaufgaben ist dort zu behandeln. Hinsichtlich der Frage der Verteilung der beiden Schlüsselmassen auf die Aufgabenträger im Einzelnen ist der Gesetzgeber im Rahmen seines Ausgestaltungsermessens hingegen frei. Da es sich definitionsgemäß um verschiedene Arten von Aufgaben handelt, steht es dem Gesetzgeber insbesondere frei, verschiedene Verteilmechanismen anhand verschiedener Parameter auszubilden.

223

bb) Schließlich wird durch die Ausgestaltung von § 5 FAG 2014 – wie durch die folgenden Vorschriften – keine Verletzung des Gebotsbedarfsorientierter Sachverhaltsermittlung bewirkt. Wie dargestellt (siehe oben 2. a) bb) (4), Rn. 123), ergeben sich aus diesem Gebot für die Ebene der Verteilung der Teilschlüsselmassen auf die einzelnen Zuweisungsempfänger keine weiteren, über die allgemeinen verfassungsrechtlichen Vorgaben hinausgehenden Vorgaben. Auch eine Verletzung des Verbots der Nivellierung beziehungsweise Übernivellierung ist nicht feststellbar. Dass die tatsächliche Finanzkraftreihenfolge der Kommunen durch § 5 FAG 2014 völlig abgebaut oder gar umgekehrt würde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

224

e) Die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 enthaltenen Regelungen zur Ermittlung der den Steuerkraftzahlen zugrunde liegenden fiktiven Hebesätze verletzen Art. 57 Abs. 1 LV, insbesondere in dem hierin integrierten Gebot der Systemgerechtigkeit.

225

aa) Keine Verletzung des Gebots der Systemgerechtigkeit oder des interkommunalen Gleichbehandlungsgrundsatzes vermag das Gericht allerdings in der Verwendung undifferenzierter fiktiver Hebesätze an sich zu erblicken. Maßgeblich ist dabei erneut nicht, ob der Normgesetzgeber die bestmögliche oder gerechteste Lösung gewählt hat. Vor dem Hintergrund des weiten gesetzgeberischen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraumes prüft das Gericht nur, ob der vorliegende Verzicht auf die Bildung von typisierenden Untergruppen nachvollziehbar und vertretbar ist.

226

Die Verwendung fiktiver Hebesätze ist für sich betrachtet vertretbar. Das Land darf verhindern, dass sich eine Gemeinde durch besonders niedrige Hebesätze selbst „bedürftig macht“, um entweder Leistungen aus Landesmitteln zu erhalten oder einer Umlage zu entgehen

(Urteil vom 3. September 2012 - 1/12 - Rn. 40, LVerfGE 23, 361 ff., Rn. 28 = SchlHA 2012, 431 ff. = NVwZ-RR 2012, 913 ff., Juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 -, BVerfGE 23, 353 ff., Juris Rn. 47 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 - 8 C 11.97 -, BVerwGE 106, 280 ff., Juris Rn. 26; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juli 1998 - VerfGH 16/96 u.a. -, NWVBl 1998, 390 ff., Juris Rn. 109; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2006 - LVG 7/05 -, LVerfGE 17, 410 ff., Juris Rn. 134; VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 118 ff.; VerfG Brandenburg, Urteil vom 6. August 2013 - VfGBbg 53/11 -, DVBl 2013, 1180 ff., Juris Rn. 86 f.; Leisner-Egensperger, DÖV 2010, 705 <711>; Droege, NWVBl 2013, 41 <42>).

227

Es besteht keine verfassungsrechtlich unterlegte Pflicht des Gesetzgebers, bei der Ausbildung der fiktiven Sätze nach weiteren Kriterien (etwa Lage oder Größe der Kommunen) zu differenzieren. Ausgangspunkt der verfassungsgerichtlichen Kontrolle ist erneut ein gesetzgeberischer Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung des Kommunalfinanzausgleichs. Das Gericht prüft vor diesem Hintergrund lediglich, ob der Gesetzgeber mit dem Verzicht auf ausdifferenzierte Hebesätze seinen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum verlassen hat. Dies ist nicht der Fall.

228

Die gesetzgeberische Entscheidung, unter Verweis auf das Fehlen einer wissenschaftlich unumstrittenen Methode von einer Staffelung abzusehen, stellt sich jedenfalls nicht als unvertretbar dar. Tatsächlich ist es der Finanzwissenschaft bis heute nicht gelungen, eine allseits akzeptierte und hinreichend handhabbare, das heißt nicht übermäßig komplexe Methode eventueller Staffelungen von anzusetzenden Hebesätzen zu entwickeln. Insbesondere die Tauglichkeit der etwa denkbaren Parameter „Gemeindegröße“ oder „Industrialisierungsgrad“ zur realitätsnäheren Abbildung der Anspannungspotenziale der Hebesätze wird uneinheitlich bewertet. Auch eine mögliche Differenzierung nach Kernstädten, Umlandbereichen und ländlichem Raum findet keine uneingeschränkte Zustimmung

(vgl. VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juli 1998 – VerfGH 16/96 u.a. -, a.a.O., Juris Rn. 116; Droege, NWVBl 2013, 41 <43>).

229

Selbst die Verfechter der Vorzugswürdigkeit gestaffelter Hebesätze gehen vor diesem Hintergrund davon aus, dass – aus ihrer Sicht – Staffelungen zwar vorzugswürdig seien, dass der Gesetzgeber insoweit aber von Verfassungs wegen dazu nicht zwingend angehalten sei

(vgl. Droege, NWVBl 2013, 41 <43>, a.A.: Henneke, in: Henneke/ Pünder/ Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 25 Rn. 39).

230

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist in diesem Zusammenhang die Verwendung von Mindesthebesätzen in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014. Diese stellen sich gleichfalls nicht als unvertretbar dar. Dem Gesetzgeber steht es zu, denkbaren Verzerrungen durch untypisch niedrige Hebesätze einzelner Kommunen bei der Ermittlung der Durchschnittswerte derart zu begegnen. Auch hier gilt, dass der Gesetzgeber möglichen Tendenzen entgegenwirken darf, sich hebesatzbedingte Standortvorteile zulasten der interkommunalen Solidarität zu verschaffen.

231

bb) Als jedenfalls anhand der Gesetzesbegründung nicht nachvollziehbar und damit willkürlich stellt sich hingegen die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 festgeschriebene Ermittlung der jeweiligen durchschnittlichen Hebesätze auf der Grundlage der tatsächlichen Hebesätze des kreisangehörigen Bereiches dar, während die tatsächlichen Hebesätze des kreisfreien Raumes nach der Regelung vollständig unberücksichtigt bleiben sollen.

232

Entscheidungsmaßstab ist das Willkürverbot, hier insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit. Aus diesem folgt, dass der Verfassung zwar keine konkrete Herangehensweise zu entnehmen ist, der der Gesetzgeber zu folgen hätte, dass der Gesetzgeber aber von dem selbst gewählten System
– hier der Hebesatzberechnung als landesweitem Durchschnittswert – nicht ohne nachvollziehbaren Grund abweichen darf.

233

Für die konkrete Hebesatzbildung sind jedoch keine gesetzgeberischen Erwägungen erkennbar, die die Ausklammerung der Daten der kreisfreien Städte aus der ansonsten durchgehenden Hebesatzberechnung auf Basis aller Gemeinden des Landes als zumindest vertretbar erscheinen lassen könnte. Weshalb bei der Definition eines im Übrigen landeseinheitlichen Durchschnitts die Daten der kreisfreien Städte vollständig ausgeblendet werden, erschließt sich nicht aus dem Gesetz selbst und ist weder in der Gesetzesbegründung noch in den veröffentlichten Materialien oder im Verfahren näher begründet. Die Herangehensweise steht dabei in einem nicht nachvollziehbaren Gegensatz zu der gesetzgeberischen Grundentscheidung für das sogenannte Zwei-Säulen-Modell, welches eine Differenzierung nach Art der Körperschaft (hier: zwischen kreisangehörigen Gemeinden und kreisfreien Städten) gerade nicht vorsieht.

234

Auch im Vergleich mit der Rechtslage in anderen Bundesländern erscheint die gewählte Regelung begründungsbedürftig. In den Parallelregelungen der Länder mit fiktivem Hebesatz und vergleichbarer Regelungstechnik basiert die Durchschnittsberechnung auf den Daten aller Kommunen, das heißt auch der kreisfreien Städte

(vgl. etwa: § 9 Abs. 4 Brandenburgisches Finanzausgleichsgesetz vom 29. Juni 2004 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. März 2016 ; § 8 Sächsisches Finanzausgleichsgesetz vom 21. Januar 2013 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2016 ).

Zugunsten der schleswig-holsteinischen Regelung kann nicht angenommen werden, dass es sich um den Fall einer Typisierung oder Pauschalisierung handeln könnte, die für sich gesehen noch zu tolerieren sein könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass die im selbstgewählten System an sich folgerichtige Einbeziehung der Werte der kreisfreien Städte einen irgendwie gearteten Mehraufwand bedeutet hätte, der das Abweichen von dem ansonsten konsequent angewandten System der Hebesatzberechnung rechtfertigen könnte. Soweit daneben weitere, möglicherweise vertretbare Gründe für die getroffene Regelung vorliegen sollten, sind diese jedenfalls nicht transparent gemacht worden.

235

Vor dem Hintergrund der damit ohnehin erforderlichen Neufassung der Bestimmungen zur Ermittlung der Hebesätze des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014 kann dahinstehen, ob sich die – ebenfalls von den Antragstellerinnen angegriffene – Gewichtung des gewogenen Durchschnitts der Hebesätze mit dem Faktor 92 % als willkürlich darstellt. Dahingestellt bleiben kann insoweit insbesondere, ob die in der Gesetzesbegründung hierzu dokumentierte Überlegung ausreicht. Dort ist als Grund für die Erhöhung des Faktors von vormals 90 % auf 92 % angegeben, dass derart ein Gleichlauf der in den zugrunde liegenden Gutachten in die Berechnungen eingestellten Beträge mit den letztlich nach Berücksichtigung aller Reformergebnisse einzustellenden Beträgen (Vergleichsjahr 2014) erreicht würde. Ohne die Korrektur würde das Umlagevolumen im Vergleichsjahr 2014 um 12,6 Millionen Euro geringer ausfallen, als im Gutachtenergebnis zugrunde gelegt.

236

f) Die gegen § 9 FAG 2014 vorgebrachten Einwände greifen nur teilweise durch. Soweit die von § 5 FAG 2014 abweichenden Differenzausgleichswerte (aa), der Soziallastenfaktor (bb) oder die Berechnung der Finanzkraft von Kreisen und kreisfreien Städten (cc) in Frage stehen, vermag das Gericht keine Verletzungen der aufgezeigten Maßstäbe zu erkennen. Eine Verletzung von Art. 57 Abs. 1 LV durch § 9 Abs. 1 FAG 2014 ist jedoch im Hinblick auf fehlende Erwägungen zur Einführung eines Flächenparameters zu erblicken (dd).

237

aa) Die unterschiedlichen Differenzausgleichsquoten von 70 % bei den Gemeindeaufgaben (§ 5 Abs. 2 FAG 2014) und 85 % bei den Kreisaufgaben (§ 9 Abs. 1 FAG 2014) stellen keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung dar. Auf die Ausführungen zu § 5 FAG 2014 wird verwiesen (siehe oben d),
Rn. 216 ff.).

238

bb) Die sich aus Art. 57 Abs. 1 LV ergebenden Anforderungen werden durch die Einführung des in § 9 FAG 2014 enthaltenen Soziallastenparameters nicht verletzt.

239

(1) Durchgreifende Bedenken gegen die Einführung eines Parameters für Soziallasten an sich bestehen nicht. Die Etablierung eines derartigen Parameters stellt sich jedenfalls als vertretbar dar. Der Gesetzgeber hat sich eingehend mit den Vor- und Nachteilen eines derartigen Parameters auseinandergesetzt. Auf die ausführlichen Ausführungen in dem Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Juli 2013 wird Bezug genommen

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 59 ff.).

240

Gründe, die dort dokumentierten Erwägungen als willkürlich oder nicht mehr vertretbar einzustufen, liegen nicht vor. Dies gilt auch für die Zweifel der Antragstellerinnen am Zusammenhang zwischen der Quote der Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II einerseits und der Kosten der Jugend- und Eingliederungshilfe andererseits. Im vorgenannten Gutachten ist insoweit nachvollziehbar aufgezeigt, dass eine sehr starke Korrelation zwischen der Zahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften und den Soziallasten nach dem Zweiten und dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs sowie der Jugendhilfe besteht. Im Übrigen wird in der Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte – dort ebenfalls vor dem Hintergrund entsprechender Gutachten – eine derartige Regelung für grundsätzlich zulässig erachtet

(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 79 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 24/13 -, Gemeindehaushalt 2016, 163 ff., Juris Rn. 66 ff.).

241

(2) Keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Vorbehalte bestehen des Weiteren im Hinblick auf die Gewichtung dieses zulässigerweise neu eingeführten Parameters. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht festzustellen, dass der Gesetzgeber insoweit seinen Gestaltungsspielraum überschritten hätte. Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle ist des Weiteren die Frage, welches Gewicht diesem Parameter bei der Verteilungsentscheidung zukommt, wobei dies zumindest willkürfrei und vertretbar gelöst werden muss

(vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012 - VGH N 3/111 -, a.a.O., Juris Rn. 79 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 24/13 -, a.a.O., Juris Rn. 69 ff.).

242

Dies ist hier geschehen, und zwar sowohl bezogen auf die absolute Höhe des die Soziallasten maßgeblich determinierenden Vervielfältigungsfaktors als auch bezogen auf das Gewicht der sich hieraus in Verbindung mit der Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften ergebenden Soziallastenmesszahl im Gesamtsystem.

243

Die absolute Höhe des die Soziallasten wiedergebenden Vervielfältigungsfaktors von 3.411 Euro ist nicht willkürlich gegriffen, sondern beruht nachvollziehbar auf der Zusammenschau der im ganzen Land Schleswig-Holstein anfallenden Zuschussbedarfe für soziale Lasten im Bemessungszeitraum, welche nach dem in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Erstgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung 56,7 % der Zuschussbedarfe insgesamt ausmachten, und der ministeriell erhobenen Anzahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften von Empfängern von Grundsicherung für Arbeitsuchende.

244

Auch das relative Gewicht der Soziallastenmesszahl im Gesamtsystem des § 9 FAG 2014 erweist sich jedenfalls als nicht willkürlich. Dabei ist vorab festzustellen, dass sich bereits aus der gesetzlichen Konzeption ergibt, dass der Soziallastenmesszahl keine über die Jahre statische, etwa feste prozentuale Gewichtung zukommen soll. Insbesondere wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens offenkundig die zunächst erwogene Bildung von prozentual festgeschriebenen Teilmassen für Soziallasten einerseits und sonstige Ausgaben andererseits aufgegeben. Stattdessen wurde ein Modell gewählt, in dem die Gewichtung des Soziallastenfaktors im Verhältnis zu den anderen Parametern schwankt. Zur Veranschaulichung dieser Modellbildung sei auf die im Folgenden nochmals wiedergegebene Formel verwiesen:

Schlüsselzuweisung =

[(Einwohnerzahl x Grundbetrag) = Ausgangsmesszahl

(Umlagekraftmesszahl –

nach SGB II x 3.411 Euro> = Soziallastenmesszahl)] x 0,85

245

Setzt man in diese bei gleichbleibender Zahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften etwa eine hohe Teilschlüsselmasse – und damit im Ergebnis einen hohen Grundbetrag – ein, ergibt sich eine im Verhältnis zur (betragsmäßig festgeschriebenen) Soziallastenmesszahl hohe Ausgangsmesszahl. Setzt man hingegen eine geringe Teilschlüsselmasse – und damit einen niedrigen Grundbetrag – an, schwindet die Bedeutung der Ausgangsmesszahl im Verhältnis zur (gleichbleibenden) Soziallastenmesszahl. Entsprechend schwankt das faktische Gewicht der Soziallastenmesszahl gegenüber dem Gewicht der Ausgangsmesszahl jährlich in Abhängigkeit von der Größe der anderen Parameter. Ist zum Beispiel die Teilschlüsselmasse – etwa rezessionsbedingt – schlecht dotiert, kommt der Soziallastenmesszahl ein größeres Gewicht zu; ist die Teilschlüsselmasse gut dotiert, schwindet das Gewicht der Soziallastenmesszahl.

246

Diese Ausgestaltung ist vertretbar. Ihr liegt die nicht zu beanstandende Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, dass es sich beim Vervielfältigungsfaktor um eine empirisch verhältnismäßig statische und wenig wandlungsanfällige Größe handelt, die entsprechend absolut festgeschrieben werden kann. Diese Einschätzung wird vom eingeholten Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung gestützt, in dem die Gutachter nachvollziehbar darlegen, dass sich die soziallastenbedingten Kosten ganz überwiegend unmittelbar aus den gesetzlichen Vorgaben erklären und entsprechend stabil sind

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 61, 3. und 4. Absatz).

247

Allerdings birgt der gebildete Mechanismus das Potential, dass in Zeiten steuereinnahmebedingt schlechter Ausstattung der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben die Gewichtung des Soziallastenparameters über Gebühr steigt und es dann zu einer Sicherstellung der Deckung soziallastenbedingter Kosten auf Kosten der anderen, ebenfalls pflichtigen Aufgaben kommt. Infolge der Regelungssystematik würden dann nämlich die Soziallasten weiterhin in vollem Umfang berücksichtigt, während die übrigen kommunalen Angelegenheiten vergleichsweise unterfinanziert blieben. Im Ergebnis würden so erheblich mehr als die gutachterlich festgelegten 56,7 % der Teilschlüsselmasse über den Soziallastenfaktor verteilt. Wie ein derartiger Zustand im Hinblick auf das Konnexitätsprinzip (Art. 57 Abs. 2 LV) zu beurteilen wäre, kann jedoch für dieses Verfahren dahinstehen. Denn jedenfalls in den Finanzausgleichsjahren 2015 und 2016 wurden wegen einer Dotierung der Finanzausgleichsmasse, die im Vergleich zu der dem Gesetzentwurf zugrunde liegenden Prognose überdurchschnittlich ausgestattet war, wesentlich weniger als 56,7 % der Teilschlüsselmasse über den Soziallastenfaktor verteilt. Insoweit besteht aber eine besondere Beobachtungspflicht des Gesetzgebers.

248

Aus diesen Ausführungen folgt zugleich, dass der Vorwurf der Antragstellerinnen wie des Landkreistages, die Schlüsselzuweisungen an die Körperschaften mit vielen Personen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II fielen überproportional hoch aus, währendwegen der Begrenztheit der insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel (§§ 3, 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FAG 2014) – die Schlüsselzuweisungen an die andere Gruppe unangemessen niedrig ausfielen, nicht zutrifft. Wie aufgezeigt ist in Folge der gewählten Ausgestaltung derzeit sogar das Gegenteil der Fall: Wegen der gegenwärtigen Dotierung der Teilschlüsselmasse mit höheren Beträgen als im Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegt, werden relativ mehr Mittel über die Ausgangsmesszahl – und nicht über die Soziallastenmesszahl – verteilt, als dies einer Verteilung mit zwei Sonderansätzen mit einer festgeschriebenen Gewichtung von 56,7 beziehungsweise 43,3 % entspräche. Richtig ist allenfalls, dass nach dem gewählten System Körperschaften mit einem hohen Anteil an Personen in Bedarfsgemeinschaften verhältnismäßig höhere Schlüsselzuweisungen erhalten als Körperschaften mit einem geringeren Anteil. Solange aber – wie derzeit – die Gewichtung des diesem Mechanismus zugrunde liegenden Soziallastenparameters vertretbar ist, ist dies für sich genommen nicht zu beanstanden. Denn, wie in dem der Gesetzesfassung zugrunde liegenden Gutachten nachvollziehbar dargelegt, korrelieren mit der Zahl an Personen, die Leistungen nach dem SGB II benötigen, auch in erheblichem Maße höhere Kosten.

249

Unzutreffend ist weiter der Einwand, der Abzug der Soziallasten von der Umlagekraftmesszahl stelle einen Systembruch dar, da derart ein einzelnes an sich aufgabenbezogenes Element fälschlich auf der Einnahmenseite in die Berechnung eingehe.

250

Dieser Argumentation liegt die intuitiv naheliegende, aber im Ergebnis unzutreffende Vorstellung zugrunde, der Mechanismus des § 9 FAG 2014 bestehe aus einer „Ausgabenseite“ und einer „Einnahmenseite“. Auf der „Ausgabenseite“ (dargestellt durch die Ausgangsmesszahl) gingen alle tatsächlichen Bedarfe in die Berechnung ein und würden sodann mit der Einnahmenseite zur Ermittlung des Defizits gespiegelt. Diese Vorstellung von der Wirkweise des § 9 FAG 2014 übersieht jedoch, dass die Ausgangsmesszahl nicht den kommunalen „Bedarf“ wiedergibt, sondern über die Determinierung durch den Grundbetrag lediglich eine bloße Recheneinheit darstellt. Die Ausgangsmesszahl ergibt sich aus der Multiplikation der jeweiligen Einwohnerzahl mit dem Grundbetrag. Die Ausgangsmesszahl hat damit nichts mit irgendwie gearteten „tatsächlichen kommunalen Bedarfen“ zu tun. Durch sie wird nur bewirkt, dass die jeweiligen Einwohnerzahlen in die Berechnungsgleichung eingehen sowie dass – über den vollständig von den anderen Parametern abhängigen Grundbetrag – sichergestellt ist, dass die sich ergebenden Schlüsselzuweisungen die hierfür verfügbare Teilschlüsselmasse voll ausschöpfen, aber nicht übersteigen. Die Ausgangsmesszahl ist damit keine echte „Bedarfsgröße“, sondern vielmehr eine reine Recheneinheit mit den Parametern Einwohnerzahl und Grundbetrag, wobei der Grundbetrag nicht durch irgendwie geartete Bedarfe für wie auch immer geartete Aufgabenbereiche unterlegt ist. Anschaulich wird dies, wenn man sich vor Augen hält, dass die Höhe des Grundbetrages und damit der Ausgangsmesszahl (auch) abhängig ist von der Höhe der Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben. Sinkt die Teilschlüsselmasse in einem gegebenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr, sinkt damit qua Definition auch der Grundbetrag und damit die Ausgangsmesszahl. Mit den kommunalen Bedarfen hat dies aber offensichtlich nichts zu tun: Nur weil die Teilschlüsselmasse sinkt, vermindern sich nicht zugleich die kommunalen Bedarfe. Bereits dies verdeutlicht, dass die Ausgangsmesszahl Bedarfe nicht widerspiegelt und nicht beansprucht, dies zu tun

(zur vergleichbaren Situation in Nordrhein-Westfalen: „Der Grundbetrag (…) ist eine rechnerische Hilfsgröße und wird so festgelegt, dass die zu verteilende Schlüsselmasse vollständig ausgeschöpft wird. (…) Die Ausgangsmesszahl ist somit eine unechte Bedarfsgröße und darf daher nicht als Maß für die von einer Kommune zur Deckung der tatsächlichen Ausgaben benötigten Finanzmittel missverstanden werden“ (Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Gutachten zur Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen, 2013, S. 23 ff.).

251

Entsprechend trägt die im Schriftsatz des Landkreistages vertretene Grundannahme nicht, der Bedarf für Soziallasten sei in der Ausgangsmesszahl „bereits abgebildet“ und werde daher „doppelt“ in Ansatz gebracht. Da die Ausgangsmesszahl keine Bedarfe und dementsprechend keine Sozialkostenbedarfe widerspiegelt, findet folglich auch keine doppelte Einbeziehung der Sozialkostenbedarfe statt. Diese gehen nur einmal (und das wie alle anderen Parameter mit einer Reduktion auf 85 %) in die Gesamtrechnung ein.

252

Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung des Verbots der Nivellierung beziehungsweise Übernivellierung durch § 9 FAG 2014 ebenfalls nicht erkennbar.

253

cc) Nicht durchgreifend ist weiter der Einwand der Antragstellerinnen zur vorgeblich ungleichen Berechnung der Finanzkraft von Kreisen und kreisfreien Städten über die – zudem auf 92 % nivellierten – Messbeträge des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FAG 2014. Eine den Vorstellungen der Antragstellerinnen entgegenkommende, insbesondere die tatsächliche Ertragskraft der kreisfreien Städte präziser abbildende Regelung müsste an eine Staffelung der zugrunde zu legenden Hebesätze anknüpfen. Eine solche ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zwingend erforderlich. Auf die obigen Ausführungen zu § 7 FAG 2014 wird insoweit verwiesen (siehe oben e) aa), Rn. 225 ff.).

254

dd) Auch bei § 9 FAG 2014 führt die Nichtberücksichtigung rauminduzierter Kosten, beispielsweise über einen Flächenparameter, zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift. Im Rahmen der Festlegung des Gesamtausgleichsmechanismus in § 9 Abs. 1 FAG 2014 hätte es einer vertieften gesetzgeberischen Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, ob es neben den oben dargestellten Parametern zur Verteilung dieser Teilschlüsselmasse ergänzend eines flächenabhängigen weiteren Parameters bedurft hätte. Auf die obigen Ausführungen zu § 4 FAG 2014 wird verwiesen (siehe oben c) bb) (2), Rn. 200 ff.). Entsprechend ist insoweit die Verfassungswidrigkeit von § 9 Abs. 1 FAG 2014 festzustellen. Einer darüberhinausgehenden Feststellung der Verfassungswidrigkeit von § 9 Abs. 2 ff. FAG 2014 bedarf es hingegen aus den vorgenannten Gründen nicht.

255

g) Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 10 FAG 2014 bestehen nicht.

256

Hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit der Mittelzuweisung für zentralörtliche Aufgaben nach Maßgabe des Landesplanungsrechts und die Höhe des hierfür insgesamt zur Verfügung stehenden Betrages wird auf die obige Darstellung (siehe oben c) aa) (1) (b), Rn. 159 ff.) verwiesen.

257

Die in § 10 FAG 2014 geregelte Verteilung der derart vorgegebenen Teilschlüsselmasse auf die verschiedenen Kategorien Zentraler Orte genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Gründe, die gegen die vor dem Hintergrund des interkommunalen Gleichbehandlungsgrundsatzes maßgebliche Vertretbarkeit der in § 10 FAG 2014 enthaltenen Verteilungsregelungen sprechen könnten, liegen nicht vor. Auch eine Verletzung des Verbots der Nivellierung beziehungsweise Übernivellierung ist nicht erkennbar. Bei der gefundenen Regelung bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb des ihm bei der Ausübung seiner Ausgestaltungsfreiheit vorgegebenen Rahmens. Der Gesetzgeber hat sich bei der näheren Ausgestaltung insbesondere auch wissenschaftlichen Rates bedient

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 52 bis 58 sowie Ergänzungsgutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Oktober 2014).

und die dort erhobenen Befunde sowie die hieraus entwickelten Empfehlungen zur Ausgestaltung bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Die sachverständigen Ausführungen, die der Gesetzeskonzeption zugrunde liegen, sind nicht als unvertretbar einzustufen. Die dort enthaltenen Erläuterungen sind nachvollziehbar und in sich schlüssig.

258

Nichts anderes folgt aus dem Vorbringen der Antragstellerinnen hierzu. Insbesondere ist es jedenfalls nicht unvertretbar, bei der prozentualen Bemessung der Höhe der Untergruppen nach § 10 Abs. 3 FAG 2014 etwaige positive Auswirkungen der jeweiligen Zentralität außer Betracht zu lassen. Im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers sind gewisse Pauschalisierungen zulässig. Insoweit steht es dem Gesetzgeber frei, bei der Festlegung der Untergruppen nicht noch weiter als ohnehin geschehen in Details der Kostenstrukturen vorzudringen, zumal die Gutachter nachvollziehbar darauf hinweisen, dass Fragen der Finanzkraftbestimmung im Zusammenhang mit Zentralität in Folge der Unkenntnis der Nutzerströme „wenig praktikabel“ sind

(Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein, 2013, S. 33).

259

Auch der Einwand der Antragstellerinnen, der Gesetzgeber habe sich „blind“ auf die Angaben der Gutachter verlassen, greift nicht durch. Aus dem in diesem Zusammenhang vorgebrachten Zitat des Innenministers folgt schon nichts Aussagekräftiges in Bezug auf das Gesetzgebungsverfahren. Wie die Landesregierung zu dem Gutachten gestanden haben mag, lässt keine Rückschlüsse auf den Gesetzgeber, nämlich den Schleswig-Holsteinischen Landtag, zu.

260

Zuletzt ergibt sich nichts anderes aus der Stellungnahme des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages. Hinsichtlich der angeblichen Überdotierung der Ausgaben für Theater kann nach oben verwiesen werden (siehe oben c) aa) (2) (c), Rn. 184 ff.). Eine Verletzung verfassungsrechtlich erheblicher Maßstäbe ist auch nicht den Darlegungen des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages zu den Berufsschulen zu entnehmen. Es fehlt insoweit schon an hinreichenden Anhaltspunkten für eine systemwidrige Ungleichbehandlung der Kieler Fachschulen/ Berufsschulen. Ob die gerügte Berücksichtigung der zuvor inneren Verrechnungen nach der Gründung der Regionalen Bildungszentren zulässig war oder nicht, ließe sich nur überprüfen, wenn dem Gericht vorgetragen worden wäre, wie in sonstigen Fällen mit gleichgearteten Problemlagen umgegangen wurde. Hierzu fehlt von allen Beteiligten jedweder Vortrag.

261

h) Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der §§ 14, 16, 17 und 18 FAG 2014 sprechen könnten, sind nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit derartiger Zweckzuweisungen kann auf die obige Darstellung verwiesen werden (siehe oben a), Rn. 130). Die Frage der Höhe der zur Verfügung stehenden Beträge beeinflusst allenfalls die Verfassungsmäßigkeit von § 4 FAG 2014, nicht aber die der hier zu prüfenden §§ 14, 16, 17 und 18 FAG 2014. Argumente gegen den in §§ 14, 16, 17 und 18 FAG 2014 festgeschriebenen Mechanismus der Verteilung auf die einzelnen Antragstellerinnen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

262

4. Im Übrigen gibt das vorliegende Verfahren keinen Anlass, eine Überprüfung der vorgenannten Bestimmungen auch anhand des Art. 54 Abs. 1 LV vorzunehmen. Offen gelassen werden kann damit sowohl, ob die durch Art. 54 Abs. 1 LV gewährleistete Mindestausstattung (wie der Anspruch auf angemessene Ausstattung aus Art. 57 Abs. 1 LV) unter Leistungsfähigkeitsvorbehalt steht

(für den dortigen Verfassungsraum ablehnend: VerfGH Thüringen, Urteil vom 2. November 2011 - VerfGH 13/10 -, ThürVBl 2012, 55 ff., Juris Rn. 82; VerfG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007
- VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159 ff., Juris Rn. 116 ff.; ebenso für Art. 28 GG: BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 8 C 1.12 -, BVerwGE 145, 378 ff., Juris Rn. 20 ff.; a.A. für den dortigen Verfassungsraum: StGH Niedersachsen, Urteil vom 7. März 2008
- StGH 2/05 -, NdsVBl 2008, 152 ff., Juris Rn. 54 und 62; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 41 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom
14. Februar 2012 - VGH N 3/11 -, AS RP-SL 41, 29 ff., Juris Rn. 23 f.; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012
- LVerfG 37/10 -, NordÖR 2012, 235 ff., Juris Rn. 97 ff.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Mai 2016 - VerfGH 19/13 -, ZKF 2016, 139 ff., Juris Rn. 127 ff.),

als auch, ob Art. 54 Abs. 1 LV einen individuell justiziablen Mindestausstattungsanspruch jeder einzelnen Kommune oder lediglich eine institutionelle Garantie bezogen auf die Gesamtheit der Kommunen enthält

(lediglich institutionelle Garantie: VerfGH NRW, Urteil vom 6. Mai 2014 - VerfGH 14/11 -, DVBl 2014, 918 ff., Juris Rn. 38; wohl auch: VerfGH Bayern, Entscheidung vom 6. Februar 2007 - Vf. 14-VII-04 - VerfGHE BY 60, 30 ff., Juris Rn. 47; auch individueller Mindestanspruch: VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237 ff, Juris Rn. 112, LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2006 - LVerfG 1/05 -, LVerfGE 17, 297, Juris Rn. 110; StGH Hessen, Urteil vom 21. Mai 2013 - P.St. 2361 -, NVwZ 2013, 1151 ff., Juris Rn. 194; von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 49 Rn. 13; weiterführend: Volkmann, DÖV 2001, 497 <504>).

263

Hinsichtlich §§ 3 und 4 FAG 2014 bedarf Art. 54 Abs. 1 LV keiner weiteren Prüfung, da sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen zu Art. 57 Abs. 1 LV die Verfassungswidrigkeit sowohl der Bestimmung der Finanzausgleichsmasse insgesamt als auch der gebildeten Teilschlüsselmassen ergibt. Ob diese für die Gewährleistung der kommunalen Mindestausstattung zentralen Bestimmungen daneben zugleich gegen Art. 54 Abs. 1 LV verstoßen, kann insoweit dahinstehen.

264

Im Hinblick auf die §§ 5, 7, 9, 10, 14, 16, 17 und 18 FAG 2014 enthält Art. 54 Abs. 1 LV keine Anforderungen, die zur Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen führen könnten – und zwar selbst dann nicht, wenn Art. 54 Abs. 1 LV einen individuellen Mindestausstattungsanspruch enthalten sollte. Diesen Mindestausstattungsanspruch müsste der Gesetzgeber in Bezug auf Art. 54 Abs. 1 LV nicht notwendigerweise über eine ausnahmslos jedem Einzelfall gerecht werdende Ausgestaltung der Verteilungsbestimmungen der §§ 5 ff. FAG 2014 sicherstellen. Denn dann wären die in dem komplexen System des Finanzausgleichs zwingend notwendigen Generalisierungen und Pauschalisierungen zur Ermittlung der jeweils erforderlichen Finanzmittel erschwert bis unmöglich, zumal in Schleswig-Holstein mit seiner Vielzahl mit Blick auf Ausgabenbelastungen, Einnahmemöglichkeiten und spezifischen örtlichen Rahmenbedingungen höchst unterschiedlich strukturierter Kommunen. Die Gewährleistung der individuellen Mindestausstattung müsste dann allerdings über einen gesonderten Mechanismus zum Ausgleich sich gegebenenfalls aus dem Gesamtsystem der §§ 5 ff. FAG 2014 ergebender Unterfinanzierungen sichergestellt werden

(vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg
28/98 -, a.a.O., Juris Rn. 112).

265

Ein solcher Mechanismus ist in Schleswig-Holstein über § 12 FAG gegeben, der von den Antragstellerinnen weder nach Höhe noch mit Blick auf seinen Regelungsinhalt angegriffen wird. Gemäß § 12 FAG 2014 können Gemeinden und Kreise, die ihren Haushalt nicht durch eigene Mittel und durch allgemeine Finanzzuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz ausgleichen können, Fehlbetragszuweisungen erhalten. Die Bestimmung lautet auszugsweise wie folgt:

§ 12

Fehlbetragszuweisungen

(1) Gemeinden und Kreise die ihren Haushalt nicht durch eigene Mittel und durch allgemeine Finanzzuweisungen nach diesem Gesetz ausgleichen können, können Fehlbetragszuweisungen zum Ausgleich von unvermeidlichen Fehlbeträgen oder Jahresfehlbeträgen der abgelaufenen Haushaltsjahre erhalten. ln Ausnahmefällen können Fehlbetragszuweisungen zum Ausgleich eines voraussichtlichen unvermeidlichen Fehlbetrages oder Jahresfehlbetrages des laufenden Haushaltsjahres gewährt werden.

(2) Bei der Feststellung des unvermeidlichen Fehlbetrages oder Jahresfehlbetrages müssen diejenigen Beträge außer Ansatz bleiben, die durch Ausgaben oder Aufwendungen entstanden sind, die nicht als unbedingt notwendig anerkannt werden können, oder die durch eigene Einnahmen oder Erträge abgedeckt werden können, wenn alle Einnahme- oder Ertragsquellen in zumutbarem Umfang ausgeschöpft werden. Davon abweichend werden bei den Kreisen und Städten, die der Kommunalaufsicht des für Inneres zuständigen Ministeriums unterstehen, jeweils zwei Drittel der bis zum Ende des Jahres 2014 aufgelaufenen Fehlbeträge oder Jahresfehlbeträge sowie der ab 2015 entstehenden neuen Fehlbeträge oder Jahresfehlbeträge als unvermeidlich anerkannt.

(3) Gemeinden und Kreisen können Fehlbetragszuweisungen aus den nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bereitgestellten Mitteln gewährt werden, wenn der in dem Haushaltsjahr entstandene oder voraussichtlich entstehende unvermeidliche Fehlbetrag oder Jahresfehlbetrag mindestens 80.000 Euro beträgt. Über die Bewilligung der Fehlbetragszuweisungen entscheidet das für Inneres zuständige Ministerium. Vor der Entscheidung sollen die Landesverbände der Gemeinden und Kreise gehört werden.

(4) Kreisangehörigen Gemeinden, die der Kommunalaufsicht der Landrätin oder des Landrats unterstehen, können aus eigenen Mitteln des Kreises Fehlbetragszuweisungen gewährt werden, wenn der in dem Haushaltsjahr entstandene oder voraussichtlich entstehende unvermeidliche Fehlbetrag oder Jahresfehlbetrag weniger als 80.000 Euro beträgt. Über die Bewilligung der Fehlbetragszuweisungen entscheidet der jeweilige Kreis. Zur Finanzierung der Fehlbetragszuweisungen nach Satz 1 stellt jeder Kreis einen Betrag in Höhe von mindestens 0,5 % seiner Einnahmen oder Erträge aus den Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte zum Ausgleich unterschiedlicher Umlagekraft und sozialer Lasten (§ 9 Absatz 1) und der Kreisumlage (§ 19 Absatz 2) bereit.

(5) - (6) […]

III.

266

§ 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 9 Abs. 1 FAG 2014 verstoßen danach gegen Art. 57 Abs. 1 LV. Dies führt jedoch nicht zur Nichtigkeit dieser Vorschriften, sondern zur Erklärung ihrer Unvereinbarkeit mit der Landesverfassung. Sie bleiben auch in Gestalt der zwischenzeitlichen Neufassungen, zuletzt durch das Haushaltsbegleitgesetz vom 16. Dezember 2015 (GVOBl S. 500) weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist bis zum 31. Dezember 2020 zu einer verfassungsmäßigen Neuregelung verpflichtet.

267

Die Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Vorschriften führt im Regelfall zwar zu deren Nichtigkeit (§ 42 Satz 1, vgl. auch § 46 Satz 2 und § 48 LVerfGG). Aus-nahmsweise sind die Vorschriften jedoch nur für unvereinbar mit der Landesverfassung zu erklären

(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 -, SchlHA 2010, 131 = NordÖR 2010, 155 ff. = VR 2011, 65 ff., Rn. 106).

268

Eine derartige Ausnahmesituation liegt hier vor. Eine – rückwirkende –Nichtigerklärung kommt schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht. Hierdurch würden die bereits erfolgten Festsetzungen von Gemeinde- und Kreisschlüsselzuweisungen nach §§ 5 ff., 9 FAG 2014 ihre Rechtsgrundlage verlieren.

269

Auch die bloße Unvereinbarkeitserklärung hätte allerdings grundsätzlich zur Folge, dass die betroffenen Normen in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang nicht mehr angewendet werden dürfen. Ausnahmsweise sind verfassungswidrige Vorschriften aber ganz oder teilweise weiter anzuwenden, wenn die Besonderheit der für verfassungswidrig erklärten Norm es aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit, notwendig macht, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für die Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige

(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 -, a.a.O., Juris Rn. 108).

270

So liegt es hier. Ohne weitere Anwendung der fraglichen Bestimmungen wären neue Festsetzungen über Zuweisungen an die kommunalen Aufgabenträger bis zum Abschluss des nunmehr erforderlichen Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr möglich. Ein derartiges sofortiges Außerkrafttreten der angegriffenen Vorschriften wäre mit einer geordneten Finanz- und Haushaltswirtschaft unvereinbar. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung darf der kommunale Finanzausgleich auf der Grundlage der bestehenden Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes, auch soweit sie verfassungswidrig sind, weiterhin durchgeführt werden.

271

Für die Neuregelung steht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Dezember 2020 zur Verfügung. Zwar kommt als angemessene Frist zur Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage grundsätzlich die Dauer einer Legislaturperiode in Betracht

(Urteil vom 26. Februar 2010 - LVerfG 1/09 - Rn. 106, a.a.O., Juris Rn. 113).

Vor dem Hintergrund der im Jahr 2017 neu anlaufenden Legislaturperiode sowie unter Berücksichtigung der erheblichen Bedeutung einer verfassungskonformen Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs für alle schleswig-holsteinischen Kommunen ist jedoch ein kürzerer Zeitraum angemessen. Der gewählte Zeitraum erscheint insoweit erforderlich, aber auch ausreichend, um die zur Feststellung des finanziellen Mindestbedarfs der Kommunen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und im Gesetzgebungsverfahren umzusetzen.

IV.

272

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).

V.

273

Das Urteil ist einstimmig ergangen.


(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.