Sozialgericht Reutlingen Beschluss, 04. Sept. 2012 - S 12 AS 1722/12

bei uns veröffentlicht am04.09.2012

Tenor

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.

Gründe

 
I.
Die Beteiligten streiten über die Kostentragung einer zwischenzeitlich erledigten Untätigkeitsklage.
Die Kläger stehen seit geraumer Zeit im Leistungsbezug des Beklagten. Mit Bescheid vom 26.03.2011 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 13.12.2011, übersandt per Fax am 19.12.2011 (laut vorgelegtem Sendebericht der Kläger), erhoben die Kläger Widerspruch und beantragten, den Bescheid aufzuheben und die Leistungen nach dem SGB II mit verfassungsgemäß angemessenen erhöhten Regelleistungen zu bewilligen. Das Schreiben enthielt den Hinweis: „Sofern der Widerspruch als unzulässig verworfen wird, ist dieser als Antrag im Sinne von § 44 SGB X zu werten.“
Mit Bescheid vom 20.03.2012 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig.
Am 21.06.2012 erhoben die Kläger Untätigkeitsklage.
Sie machten geltend, dass über den Widerspruch (wohl gemeint Überprüfungsantrag) seit sechs Monaten ohne ersichtlichen Grund nicht entschieden worden sei. Sie beantragten, den Überprüfungsantrag der Kläger vom 19.12.2011 gegen den Bescheid des Beklagten vom 26.03.2011 zu bescheiden.
Mit Bescheid vom 06.07.2012 lehnte der Beklagte die Überprüfung ab. Der zu überprüfende Bescheid sei nicht zu beanstanden. Die Kläger erklärten daraufhin den Rechtsstreit für erledigt.
Sie beantragen nunmehr noch,
dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Beklagte beantragt,
10 
zu entscheiden, dass Kosten gemäß § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zu erstatten sind.
11 
Er macht geltend, eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 SGG sei zwar grundsätzlich nur auf die Bescheidung schlechthin, nicht aber auf die Stattgabe gerichtet. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Durchsetzung der Bescheidungspflicht bestehe aber nicht unbeschränkt. Das formelle Recht auf Bescheidung stelle sich nicht als Selbstzweck dar, sondern diene der Durchsetzung materieller Ansprüche. Stehe fest, dass das vom Kläger verfolgte Klageziel nicht durch die Erteilung des Bescheides erreicht werden könne, so sei die Untätigkeitsklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen. Dies sei hier der Fall. Das Klageziel - eine erhöhte Regelleistung - könne durch die Untätigkeitsklage nicht erreicht werden. Weiterhin sei anzumerken, dass der Überprüfungsantrag offenbar nur gestellt worden sei, da die rechtzeitige Erhebung des Widerspruchs versäumt worden sei. Augenscheinlich haben so die gesetzlich geregelten Fristen umgangen werden sollen.
12 
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
13 
Der Beklagte hat den Klägern ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
14 
Das Gericht hat gem. § 193 Abs. 1 S. 1 SGG im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren - wie hier - anders beendet wird (§ 193 Abs. 1 S. 3 SGG). Bei der Kostenentscheidung nach dieser Bestimmung sind das Ergebnis des Verfahrens sowie der Sach- und Streitstand bei der zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen (Rechtsgedanke des § 91a Zivilprozessordnung (ZPO) und des § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO); vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage München 2012, § 193, Rn 13; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.04.2011, Az.: L 8 B 13/07 AY, bei Juris Rn. 20). Ebenso zu berücksichtigen sind die zur Erhebung der Klage und zur Erledigung des Rechtsstreits führenden Umstände (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.01.2010, Az.: L 8 B 6/07 SO, bei Juris Rn. 17). In erster Linie ist danach der Verfahrensausgang bzw. der mutmaßliche Verfahrensausgang maßgebend. Daneben tritt als zweiter Gesichtspunkt das so genannte Veranlassungsprinzip, also die Frage, wer die Führung des Rechtsstreits veranlasst hat. Diesem kommt eine Korrektivfunktion zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse zu (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.11.2005, Az.: L 13 B 9/05 SB, bei Juris Rn. 13). Es gilt also neben dem tatsächlichen bzw. vermutlichen Verfahrensausgang zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse zu prüfen, ob es sich etwa um einen von vorneherein vermeidbaren oder überflüssigen Prozess gehandelt hat und wem dies gegebenenfalls zur Last zu legen ist.
15 
Ist ein Antrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist nach § 88 SGG eine sogenannte Untätigkeitsklage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Antragstellung zulässig. Bei Erledigung einer Untätigkeitsklage gilt grundsätzlich, dass der Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten hat, sofern die Klage nach den in § 88 genannten Sperrfristen erhoben wurde. Dies gilt, weil die Kläger mit einer Bescheiderteilung vor dem gesetzlichen Fristablauf rechnen dürfen, sofern nicht der Beklagte einen zureichenden Grund für seine Untätigkeit hatte und diesen Grund den Klägern mitgeteilt hatte oder er ihnen bekannt war (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.09.2005, Az.: L 10 LW 4563/04 AK-B, bei Juris Rn. 27; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2007, Az.: L 6 B 102/07 AL, bei Juris Rn. 3; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 193 Rn. 13c m.w.N.).
16 
Die Kläger haben den Überprüfungsantrag am 19.12.2011 gestellt, wenn auch zunächst hilfsweise. Ausweislich des Faxsendeberichts ist der Antrag, der das Datum 13.12.2011 trägt, an diesem Tag an die Faxnummer des Beklagten übersandt worden. Es ist nicht ersichtlich, dass dieses Schreiben nicht am 19.12.2011 angekommen ist. Auch der Beklagte hat insofern nichts Gegenteiliges behauptet. Bis zum Ende der sechsmonatigen Frist - gem. § 202 SGG i.V.m. § 222 der ZPO, § 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit Ablauf des 19.06.2012 - hat der Beklagte nicht über diesen Antrag entschieden. Einen wichtigen Grund für dieses Verhalten hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ein solcher ist auch nicht ersichtlich.
17 
Auf den Vortrag des Beklagten, dass mit dem Überprüfungsantrag lediglich die versäumte Widerspruchsfrist umgangen werden soll, kommt es nicht an. Die Kläger haben einen Antrag gestellt, dieser ist zu bescheiden. Etwas anderes mag im Falle querulatorischen Verhaltens gelten, dafür ist aber nichts ersichtlich. Die Anwendbarkeit des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hat nicht zur Voraussetzung, dass ein zulässiger Widerspruch erhoben und ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist. Demnach kann es auch die Anwendbarkeit der Norm nicht hindern, wenn ein Widerspruch als unzulässig verworfen wurde.
18 
Auch der Einwand, dass die Kläger durch eine Bescheiderteilung keine höheren Regelleistungen erreichen können und sie demzufolge kein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich einer Untätigkeitsklage haben, greift in dieser Form nicht durch. So, wie der Beklagte diese in der Rechtsprechung (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 20.02.2009, Az. L 17 B 274/08 U PKH, bei Juris Rn. 12 m.w.N.) zu findende Aussage versteht, dass es einer Untätigkeitsklage am Rechtsschutzbedürfnis fehle, wenn das vom Kläger verfolgte Klageziel nicht durch Bescheiderteilung erreicht werden könne, kann sie nicht gemeint sein.
19 
Ansonsten würde das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis immer nur dann gegeben sein, wenn der Kläger einen für ihn positiven Bescheid erreichen und mit seinem Sachbegehren durchdringen könnte. Es wäre im Rahmen der Zulässigkeit der Untätigkeitsklage demzufolge zu prüfen, ob der Kläger mit dem begehrten Bescheid auch die angestrebte Leistung erhalten würde, ob sein Sachantrag also Erfolg hat. Das aber ist nicht Sinn und Zweck der Untätigkeitsklage. Diese soll lediglich den Beklagten dazu anhalten, dass der Beklagte in angemessener Zeit über den Antrag entscheidet. Dabei spielt es keine Rolle, ob er diese Entscheidung für den Kläger positiv oder negativ ist. Außerdem würde sich das Gericht ansonsten bereits vorab über die Hauptsache äußern und damit die Erstentscheidung in der Sache treffen oder zumindest lenken. Die Sachentscheidung ist aber der Verwaltung zugewiesen ist (vgl. Binder in HK-SGG, 3. Auflage, Baden-Baden 2009, § 88, Rn. 4).
20 
Vielmehr ist die von dem Beklagten zitierte Aussage einschränkend so zu verstehen, dass das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn der Bescheid für den Kläger keine materiell-rechtlichen Wirkungen haben kann oder aber wenn das von der Behörde beschiedene Sachbegehren offensichtlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt und unter keinen denkbaren Umständen Erfolg haben kann (LSG Hamburg, Urteil vom 18.02.2004, Az. L 1 KR 71/03, bei Juris Rn. 26 m.w.N.). Die von dem Beklagten angeführte Aussage ist auf die Fälle rechtsmissbräuchlicher Rechtsverfolgung zu beschränken. Nur dann kann von einer Unzulässigkeit der Untätigkeitsklage ausgegangen werden (vgl. Binder in HK-SGG, § 88, Rn. 7), was aber allerdings nur in Ausnahmefällen anzunehmen ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 88, Rn. 4a m.w.N.).
21 
Eine solche offensichtliche Aussichtslosigkeit ist nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht gegeben, insbesondere sorgt die Angemessenheit der Regelsätze weiterhin für Streitstoff zwischen den Beteiligten, eine umfassende Entscheidung des Bundessozialgerichts ist noch nicht ergangen.
22 
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG).

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 187 Fristbeginn


(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Ist der Beginn

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 222 Fristberechnung


(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 172


(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. (2) Pro

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 88


(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt

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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 18. Jan. 2010 - L 8 B 6/07 SO

bei uns veröffentlicht am 18.01.2010

Tenor Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Gründe I. 1 Die Beteiligten streiten nach Klagerücknahme in der Hauptsache noch über die Kosten des Rechtsstreits. 2 Der am ... 19

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 14. Sept. 2005 - L 10 LW 4563/04 AK-B

bei uns veröffentlicht am 14.09.2005

Tenor Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. September 2004 aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, die im Verfahren S 3 LW 2241/04 vor dem Sozialgericht Reutlingen entstandenen außerg

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(2) Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, daß als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Tenor

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten nach Klagerücknahme in der Hauptsache noch über die Kosten des Rechtsstreits.

2

Der am ... 1967 geborene Kläger bezog neben der ihm vom zuständigen Rentenversicherungsträger gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Januar bis zum 13. März 2005 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII). Im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld II Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung - SGB II) vom 14. März bis zum 31. August 2005 bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 29. September 2005 Leistungen ab dem 1. September 2005 bis auf weiteres und berechnete die Höhe der Leistung zu Gunsten des Klägers - nun unter Berücksichtigung seiner Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung - mit Bescheid vom 21. Oktober 2005 in Höhe von 266,70 EUR monatlich neu.

3

Der Kläger legte - durch den Prozessbevollmächtigten - am 1. November 2005 Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2005 ein und beantragte Akteneinsicht in die Verwaltungsakte. Die "sorgfältige Behandlung und unverzügliche Rückgabe" werde versichert.

4

Mit Schreiben vom 20. November 2005 bestätigte die Beklagte - bei der sich zu diesem Zeitpunkt auch andere Anträge des Klägers in Bearbeitung befanden - den Eingang des Widerspruchs und teilte dem Prozessbevollmächtigten mit, eine Akteneinsicht sei nach Terminabsprache nur in den Räumen der Beklagten möglich. Es werde um einen Terminvorschlag gebeten. Hierzu führte dieser aus, ihm sei eine Akteneinsicht bei der Beklagten im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand unzumutbar, sodass er seinen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht im Wege der Übersendung in seine Kanzlei wiederhole. Mit Schreiben vom 15. Februar 2006 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten daraufhin mit, die Akteneinsicht in ihren Räumen könne keinen unverhältnismäßigen Aufwand darstellen, da sich die Kanzlei in demselben Ort wie die aktenführende Behörde befinde. Im Übrigen handele es sich bei der Verwaltungsakte, in die Einsicht genommen werden solle, um eine Leistungsakte in laufender Bearbeitung, die am Ort verbleiben müsse. Die Versendung der kompletten Leistungsakte sei auch mit einem bedeutenden zeitlichen Mehraufwand und unnötigen Kosten verbunden, die in keinem Verhältnis zur Akteneinsicht vor Ort stünden.

5

Der Kläger erhob am 6. März 2006 Klage vor dem Sozialgericht Halle unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2006, mit dem der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2005 als unbegründet zurückgewiesen worden war. Gleichzeitig beantragte er die Gewährung von Akteneinsicht in die Verwaltungsakte der Beklagten.

6

Nach Übersendung der Verwaltungsakte der Beklagten durch das Sozialgericht an den Klägerbevollmächtigten begründete der Kläger seine Klage mit am 8. August 2006 beim Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz damit, er sei durch den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2006 beschwert, weil diese rechtswidrig seien. Es fehle an der nach § 35 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) erforderlichen Begründung der Entscheidung der Beklagten. Im Übrigen habe die Beklagte ihr Ermessen im Zusammenhang mit der beantragten Akteneinsicht im Rahmen des Widerspruchsverfahrens rechtsfehlerhaft ausgeübt. Im Bereich der Leistungsgewährung nach dem SGB II sei eine Versendung der Verwaltungsakten durch die Beklagte für drei bis fünf Tage üblich. Der Kläger hat beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und nachfolgend klargestellt, dass damit auch das Verfahren für erledigt erklärt worden sei.

7

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 12. Februar 2007 eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten abgelehnt. Die Klage habe zum Zeitpunkt der Erledigung keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sei auch vom Kläger nicht geltend gemacht worden. Der Streit zwischen den Beteiligten über die Art der Gewährung einer Einsicht in die Verwaltungsakte stehe hiermit nicht in einem Zusammenhang, da die Ablehnung der Übersendung der Verwaltungsakte nicht im Klagewege angegriffen worden sei. Im Übrigen sei aus § 25 SGB X ein genereller Anspruch des Prozessbevollmächtigen auf Übersendung der Verwaltungsakte zur Gewährung von Akteneinsicht durch die Behörde nicht abzuleiten.

8

Der Kläger hat am 19. März 2007 Beschwerde gegen den ihm am 16. März 2007 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts eingelegt und diese mit seinem am 21. Dezember 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet. Zutreffend sei das Sozialgericht von einer Aussichtslosigkeit der Klage zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ausgegangen. Die Beklagte habe aber durch ihr ermessensfehlerhaftes Verhalten Anlass für die Klage gegeben. Hätte die Beklagte seinem Antrag auf Übersendung der Akten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens entsprochen, wäre die Rechtmäßigkeit des Bescheides außerhalb des gerichtlichen Verfahrens geprüft und im Ergebnis von der Klageerhebung abgesehen worden. Es sei von einem Gesamtzeitaufwand für die Akteneinsicht bei der Behörde von ca. 30 Minuten auszugehen (20 Minuten Hin- und Rückfahrt, 10 Minuten für die Akteneinsicht selbst). Der Klägerbevollmächtigte sehe die ihm - z.B. von der ARGE SGB II Halle - regelmäßig in die Kanzlei übersandten Verwaltungsakten entweder nach Büroschluss (18.00 Uhr) oder am Wochenende durch und lasse ein Aktendoppel im Wege der Vervielfältigung für seine Unterlagen erstellen. Die Beklagte übersende ihm nun auch Verwaltungsakten in seine Kanzlei.

9

Der Kläger beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die außergerichtlichen Kosten für das Verfahren vor dem Sozialgericht zu erstatten.

10

Die Beklagte beantragt,

11

die Beschwerde zurückzuweisen.

12

Das Rechtsmittel sei bereits unzulässig, weil eine Kostenerstattungspflicht hier nach Rücknahme der offensichtlich unbegründeten Klage ausscheide.

13

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt am 18. April 2007 zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.

II.

14

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht erhoben nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie statthaft nach § 172 Abs. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

15

Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird.

16

Hier ist der Rechtsstreit durch Klagerücknahme erledigt worden. Eine einseitige Erledigungserklärung ist im Bereich der Verfahren, für die die Kostenfolgen nach § 193 SGG zu beurteilen sind, in der Regel als Klagerücknahme zu werten (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 102 RdNr. 12).

17

Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang Kosten zu erstatten sind, erfolgt nach sachgemäßem Ermessen (vgl. z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. Mai 1996 - 3 RK 23/95 - SozR 3-2500 § 109 Nr. 1 = BSGE 78, 233 ff.; Urteil vom 16. Juni 1999 - B 9 V 20/98 R - SozR 3-3100 § 5 Nr. 7). Dabei ist zunächst maßgebend, wer im Fall einer streitigen Entscheidung in der Hauptsache voraussichtlich obsiegt hätte (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 16. Juni 1999, a.a.O.; Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Mai 2007 - L 8 B 28/06 R - juris; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, § 193 RdNr. 12 und 13 m.w.N.). Insoweit ist von dem im Zeitpunkt der Erledigung vorliegenden Sach- und Streitstand auszugehen. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts mit dem Ziel, die Erfolgsaussichten der Klage näher aufzuklären, erfolgt im Regelfall nicht (vgl. Peters/Sautter/Wolff, 4. Aufl. S. III/109-61). Ferner hat das Ermessen auch die zur Klageerhebung und zur Erledigung des Rechtsstreits führenden Umstände zu berücksichtigen.

18

Die Klage hätte bei einer Entscheidung des Senats unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits voraussichtlich keinen Erfolg gehabt. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Bescheides der Beklagten vom 21. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2006 liegen nicht vor.

19

Die Beklagte hat auch keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Die Inanspruchnahme des Gerichts zur vereinfachten Wahrnehmung der Akteneinsicht durch einen prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege ist hier missbräuchlich gewesen. Eine Ermessensausübung der Beklagten, Akteneinsicht im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nur durch Einsichtnahme in den Räumlichkeiten der Behörde zu gewähren, hat die Klageerhebung gegen den nachfolgend erlassenen Widerspruchsbescheid nicht gerechtfertigt. Hier fehlte es an einer Pflicht der Beklagten, dem Bevollmächtigten des Klägers die Akten während des Vorverfahren zum Zweck der Akteneinsicht in seine Kanzlei zu übersenden.

20

Eine allgemeine Verpflichtung eines Sozialleistungsträgers, Einsicht in die Verwaltungsakten durch einen Rechtsanwalt durch Übersendung der Vorgänge zu gewähren, besteht nicht (vgl. von Wulffen in: von Wulffen (Hrsg.), SGB X Kommentar, 6. Aufl. 2008, § 25 RdNr.10).

21

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 SGB X erfolgt die Akteneinsicht bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten (a.a.O. Satz 2).

22

Eine offensichtlich willkürliche Handhabung, die gegebenenfalls Auswirkungen auf die Bewertung einer rechtsstaatskonformen Handhabung des Vorverfahrens selbst haben könnte, ist hier nicht erkennbar. Die Beklagte hat ihre Entscheidung, dem Bevollmächtigten des Klägers die Verwaltungsakte nicht in dessen Kanzlei zu übersenden, im Wesentlichen darauf gestützt, die Entfernung der Kanzlei zum Ort der Aktenaufbewahrung entspreche einer Fahrzeit mit dem Pkw von nur ca. 10 Minuten. Im Übrigen befinde sich der Aktenvorgang im laufenden Geschäftsgang. Der Kläger hat diese Angaben nicht bestritten, sondern auf andere Erwägungen abgestellt. Beide von der Beklagten angeführten Gesichtspunkte konnten in die Ermessensausübung bezüglich der Art der Einsichtgewährung in die Verwaltungsakte eingestellt werden. Auch eine Abweichung der Beklagten von ihrer Verwaltungspraxis gegenüber dem Kläger, die gegebenenfalls im Rahmen der Auslegung des § 25 Abs. 4 Satz 2 SGB X zu berücksichtigen sein könnte, ist vom Kläger nicht dargelegt worden. Die Verwaltungsakte der Beklagten besteht im Übrigen im Wesentlichen aus Unterlagen, die dem Kläger ebenfalls vorliegen müssten, sodass ein bloßer Abgleich der Informationen ausreichend war. Der Beklagten war es auch nicht zumutbar, zur Bearbeitung der weiteren Anträge bzw. Widersprüche des Klägers innerhalb der engen vom Gesetzgeber vorgegebenen Fristen durch Vervielfältigung weitere Akten anzulegen.

23

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.


(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(2) Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, daß als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. September 2004 aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, die im Verfahren S 3 LW 2241/04 vor dem Sozialgericht Reutlingen entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.

Gründe

 
I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Ablehnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten einer Untätigkeitsklage durch das Sozialgericht.
Die am 13. Oktober 1954 geborene Antragstellerin war vom 1. August 1976 bis zum 31. Januar 1991 als landwirtschaftliche Unternehmerin versicherungs- und beitragspflichtig zur landwirtschaftlichen Alterskasse. Seither entrichtet sie freiwillige Beiträge [AS 64 Verw.Akte]. Mit Schreiben vom 23. September 2003, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 24. September 2003 [AS 57 Verw.Akte], fragte die Antragstellerin „wegen familiärer Probleme“ an, ob die Möglichkeit bestehe, die freiwillige Weiterversicherung ruhen zu lassen. Die Antragstellerin fragte weiterhin, welche Auswirkungen dies auf ihr Altersgeld habe und bedankte sich "für eine ausführliche Informationen" im Voraus.
Mit E-Mail vom 29. Oktober 2003 erinnerte die Antragstellerin an ihre Anfrage [AS 58 Verw.Akte]. Die Antragsgegnerin antwortete mit Schreiben vom 17. November 2003 [AS 59 Verw.Akte], dass die Versicherungspflicht spätestens mit Ablauf des Monats ende, in dem die Antragstellerin das 60. Lebensjahr vollendet habe oder Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch eintrete. Da die Antragstellerin das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und keine Unterlagen über eine eventuelle Erwerbsunfähigkeit vorlägen, bestehe weiterhin Versicherungs- und Beitragspflicht. Die Möglichkeit, die Weiterentrichtung ruhen zu lassen, sehe das Gesetz nicht vor.
Mit Schreiben vom 9. März 2004, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 12. März 2004 [AS 61 Verw.Akte], legte die Antragstellerin gegen das Schreiben vom 17. November 2003 Widerspruch ein. Sie verwies darauf, seit 15. November 2000 versicherungspflichtig beschäftigt zu sein und Beiträge an die BfA zu bezahlen.
Am 15. Juli 2004 erhob die Antragstellerin Untätigkeitsklage bei dem Sozialgericht Reutlingen (S 3 LW 2241/04), da über ihren Widerspruch vom 9. März 2004 nicht entschieden worden sei.
Die Antragsgegnerin sah das Schreiben der Antragstellerin vom 9. März 2004, wie in einem Schreiben vom 23. Juli 2004 [AS 62 Verw.Akte] an die Antragstellerin erläutert, als Antrag auf Beendigung der Weiterentrichtung der Beiträge nach § 84 Abs. 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) sowie als Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 ALG an, da das Schreiben vom 17. November 2003 keinen Verwaltungsakt darstelle. Sie lehnte beide Anträge mit Bescheiden vom selben Tag ab.
In ihrer Erwiderung auf die Untätigkeitsklage vom 29. Juli 2004 verwies die Antragsgegnerin darauf, dass das Schreiben der Antragstellerin vom 23. September 2003 lediglich ein Beratungsersuchen darstelle, welches mit Schreiben vom 17. November 2003 beantwortet worden sei. Dieses Antwortschreiben habe eine schlichte Verwaltungshandlung und keinen Verwaltungsakt dargestellt, wogegen auch kein Widerspruch erhoben werden könne. Erst mit dem Schreiben der Antragstellerin vom 9. März 2004 sei offensichtlich geworden, dass diese eine Befreiung von ihrer Versicherungspflicht begehre. Sie habe diesen Antrag mit den (beiden) Bescheiden vom 23. Juli 2004 beschieden. Das Schreiben vom 9. März 2004 und die Erhebung der Untätigkeitsklage am 15. Juli 2004 könnten nicht als Widersprüche gegen die Entscheidungen vom 23. Juli 2004 gewertet werden, da sie vor dem Erlass der Verwaltungsakte abgegeben worden seien.
Mit zwei Schreiben vom 12. August 2004, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 16. August 2004, legte die Antragstellerin gegen die Bescheide vom 23. Juli 2004 Widerspruch ein [AS 67 68 Verw.Akte].
Am 17. August 2004 erklärte die Antragstellerin den Rechtsstreit für erledigt und beantragte, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2004 [AS 71 Verw.Akte] wies der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin vom 9. März 2004 gegen das Schreiben vom 17. November 2003 als unzulässig zurück.
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Das Sozialgericht entschied mit Beschluss vom 9. September 2004, außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten. Zur Begründung führte es - mit Bezugnahme auf die Kommentierung von Knittel in Hennig, SGG, § 193 Rn. 46 - im Wesentlichen aus, der Antragstellerin sei es grundsätzlich zuzumuten gewesen, vor Erhebung der Untätigkeitsklage eine Sachstandsanfrage an die Antragsgegnerin zu richten. Bei einer solchen Rückfrage wäre die Untätigkeitsklage nicht erforderlich gewesen, zumal die Antragsgegnerin vor Kenntnis der Untätigkeitsklage über das Schreiben der Antragstellerin vom 9. März 2004 im Sinne eines Antrages entschieden habe.
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Erst nach dieser Entscheidung findet sich in den Akten des Sozialgerichts das Schreiben der Antragstellerin vom 31. August 2004 [AS 28 SG-Akte], beim Sozialgericht eingegangen am 1. September 2004, worin der Kostenantrag wiederholt wurde. Die Antragsgegnerin habe im Widerspruchsbescheid vom 24. August 2004 zu erkennen gegeben, dass durchaus die Verpflichtung bestanden habe, über den mit Schreiben vom 9. März 2004 erhobenen Widerspruch zu entscheiden.
13 
Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 13. September 2004 zugestellten Beschluss am 27. September 2004 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass es dem Sinn und Zweck des § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) widersprechen würde, wenn jeder Kläger vor Erhebung der Untätigkeitsklage bei der Behörde nachfragen müsste, bis wann mit einer Entscheidung gerechnet werden könne. Die Antragsgegnerin habe auch keinen zureichenden Grund für ihre Untätigkeit gehabt. Den von der Antragstellerin begehrten Widerspruchsbescheid habe sie erst nach Kenntnis der Untätigkeitsklage erlassen. Die Argumentation der Antragsgegnerin, dass der begehrte Widerspruchsbescheid nur deswegen nicht erteilt worden sei, da das Schreiben der Antragsgegnerin vom 17. November 2003 keinen Verwaltungsakt darstelle, sondern nur ein schlichtes Auskunftsschreiben, greife schon allein deshalb nicht mehr, da die Antragsgegnerin zwischenzeitlich den geforderten Widerspruchsbescheid erlassen habe. Im Übrigen handele es sich bei dem Schreiben vom 17. November 2003 tatsächlich um einen Verwaltungsakt (was näher ausgeführt wird).
14 
Das Sozialgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 4. Oktober 2004 nicht abgeholfen und sie am 8. Oktober 2003 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
15 
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
16 
den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. September 2004 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr ihre außergerichtlichen Kosten im Verfahren S 3 LW 2241/04 vor dem Sozialgericht Reutlingen zu erstatten.
17 
Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
19 
Sie hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend und verweist im Übrigen auf ihr Vorbringen im Beschlussverfahren.
20 
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2004 hat der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin die Widersprüche vom 12. August 2004 gegen die Bescheide vom 23. Juli 2004 als unbegründet zurückgewiesen [AS 77 Verw.Akte].
21 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten der Antragsgegnerin, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
22 
II. Die fristgerecht eingelegte und im Übrigen auch gem. §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.
23 
Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Es entscheidet nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG durch Beschluss, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird.
24 
Bei einer derartigen Entscheidung über die Kosten im Sinne des § 193 SGG entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach sachgemäßem Ermessen. Dabei sind die Gründe für die Einlegung des Rechtsmittels zu berücksichtigen und es hat vor allem der nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung zu beachtende voraussichtliche Verfahrensausgang den Ausschlag zu geben (BSG, Beschluss vom 7. September 1998 - B 2 U 10/98 R - SozR 3-1500 § 193 Nr. 10;. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 193 Rn. 13). Ein vom Sozialgericht ausgeübtes Ermessen ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch den Senat voll überprüfbar, da die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in der Sache durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergegangen ist.
25 
Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist nach § 88 SGG eine sog. Untätigkeitsklage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Das Gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.
26 
Die am 15. Juli 2004 erhobene Untätigkeitsklage der Antragstellerin ist nach dieser Maßgabe als zulässig anzusehen, denn die Antragsgegnerin hat über den Widerspruch vom 12. März 2004 nicht entschieden. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Widerspruch zulässig war, also ob das Schreiben der Antragsgegnerin vom 17. November 2003 einen Verwaltungsakt darstellt, denn auch über einen von der Behörde als unzulässig angesehenen Widerspruch ist zu entscheiden, wie dies der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin letztlich auch mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2004 getan hat. Dass das Schreiben vom 9. März 2004 entgegen dem klaren Wortlaut lediglich als Antrag anzusehen ist, vertritt die Antragsgegnerin damit nicht mehr. Der Senat sieht keinen Ansatz, dem entgegenzutreten, wobei er berücksichtigt, dass aus dem Inhalt des Schreibens vom 24. September 2003 oder der Rechtsnatur der Antwort vom 17. November 2003 nicht unmittelbar auf die Rechtsnatur des Schreibens vom 9. März 2004 geschlossen werden kann.
27 
Ob der Antragstellerin Kosten nach Erledigung der zulässigen Untätigkeitsklage zu erstatten sind, ist danach zu entscheiden, ob die Antragsgegnerin zureichenden Grund für die Untätigkeit hatte und diesen Grund der Antragstellerin mitgeteilt hat oder er ihr bekannt war (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 193 Rn. 13c m.w.N.).
28 
Einen solchen zureichenden Grund hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen, noch ist er sonst ersichtlich. Mitteilungen an die Antragstellerin über die Untätigkeit der Antragsgegnerin sind bis zum Ablauf der Dreimonatsfrist auch nicht erfolgt. Insbesondere war die Antragstellerin nicht gehalten, vor Erhebung der Untätigkeitsklage bei der Antragsgegnerin nach dem Verfahrensstand nachzufragen.
29 
§ 88 SGG enthält eine Verpflichtung zu einer solchen Nachfrage nicht. Ob sie unabhängig hiervon anzunehmen ist, ergibt sich aus Rechtsprechung und Literatur nicht eindeutig. Knittel vertritt die grundsätzliche Notwendigkeit einer Nachfrage in seinen vom Sozialgericht zitierten, allerdings in Rn. 33 (Stand September 2002) des Kommentars von Hennig befindlichen Ausführungen. Er macht unter Hinweis auf Rechtsprechung des 12. Senats des LSG Baden-Württemberg lediglich eine Ausnahme für den Fall, dass die Sperrfrist des § 88 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 SGG bereits um das Doppelte überschritten ist und die Behörde dem Kläger die Gründe für die Verzögerung nicht mitgeteilt hat. Allein der zweite Punkt entspricht dem Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 16. April 1998 - L 3 Sb 84/97 - Breithaupt 1998, 943, wonach eine Pflicht zur Nachfrage in einem Fall angenommen worden ist, in dem die Behörde dem Kläger mitgeteilt hatte, dass noch Ermittlungen notwendig seien. Eine solche Mitteilung hat die Antragsgegnerin im hier zu entscheidenden Fall jedoch nicht vorgenommen.
30 
Soweit Ulmer in Hennig, a.a.O., § 88 Rn. 16 (Stand Juni 2003) und Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. 2005, Rn. 124 die Ansicht der regelmäßigen Notwendigkeit einer Sachstandsanfrage oder Anmahnung des Widerspruchsbescheides vor Erhebung der Untätigkeitsklage vertreten, wird dies in dieser Allgemeinheit durch die jeweils als Beleg angeführte Entscheidung des LSG Niedersachsen vom 11. November 1991 - L 7 S (Ar) 175/91 - Breithaupt 1992, 432, nicht gestützt. Dort ist die Verpflichtung zur Nachfrage „jedenfalls“ nur für einen Sachverhalt angenommen worden, bei dem der Kläger mit weiteren Ermittlungen der Behörden rechnen musste. Das war im hier zu entscheidenden Fall nicht so, denn durch die Antragsgegnerin war über eine reine Rechtsfrage zu entscheiden, was die Notwendigkeit Ermittlungen nicht erwarten ließ.
31 
In der weiteren sozialrechtlichen Kommentarliteratur wird eine Verpflichtung zur Nachfrage des Klägers - soweit ersichtlich - nicht diskutiert (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 88 Rn. 7a, 7b; Binder in: Binder/ Bolay/ Castendiek/ Eckertz/ Groß/ Littmann/ Lüdtke/ Mälicke/ Roller, Handkommentar zum SGG, § 88 Rn. 10, 11) oder die Frage offen gelassen (Eschner in: Jansen, SGG, 2003, § 88 Rn. 24). Die Kommentarliteratur zur Vorschrift des § 161 Abs. 3 VwGO, welche für den Verwaltungsgerichtsprozess den entsprechenden Fall regelt („der Kläger mit seiner Bescheidung rechnen musste“), enthält keine Hinweise auf eine Verpflichtung zur Nachfrage vor Erhebung der Untätigkeitsklage, wenn die Behörde nicht zuvor weitere Ermittlungen angekündigt, der Klägers von diesen Ermittlungen aufgrund besonderer Umstände Kenntnis hat oder die Entscheidung mit Einverständnis des Klägers bis zum Ergebnis eines Musterprozesses zurückgestellt worden ist (Kopp/ Schenke, VwGO, 11. Aufl. 1998, § 161 Rn. 36; Neumann in: Sodan/ Ziekow, VwGO, § 161 Rn. 309 [Stand November 1999]; Clausing in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 161 Rn. 42 [Stand September 2003]; Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO, 10. Aufl. 1998, § 161 Rn. 20). Für all diese Umstände bestehen im hier zu entscheidenden Fall keinerlei Anhaltspunkte.
32 
Vor diesem Hintergrund sieht der Senat bei Sachverhalten, in denen keine besonderen Umstände vorliegen, welche für den Kläger eine länger andauernde Ermittlung der Behörde oder eine sonstige Verzögerung der Bearbeitung nahe legen, keinen Anlass, über die gesetzlichen Anforderungen des § 88 SGG hinausgehend, von dem Kläger zu verlangen, bei der Behörde nach dem Verfahrensstand nachzufragen.
33 
Aus den vorstehenden Gründen war der Beschwerde stattzugeben. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 193 Rn. 17; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Oktober 1986 - L 2 B 225/85 - Breithaupt 1987, 253, 259; Bay. LSG, Beschluss vom 10. Oktober 1996 - L 5 B 198/95 Ar - Breithaupt 1998, 454, 466, ).
34 
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.